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Full text of "Handbuch der vergleichenden und experimentellen entwicklungslehre der wirbeltiere"

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HÄNDBUCH 

DER 

VERGLEICHENDEN  UND  EXPERIMENTELLEN 

ENTWICKELUNGSLEHRE 
DER  WIRBELTIERE 

BEARBEITET  VON 

Prof.  Dr.  Barfurth,  Rostock,  Prof.  Dr.  Braus,  Heidelberg,  Docent  Dr. 
Bühler,  Zürich,  Prof.  Dr.  Rud.  Burckhardt,  Basel,  Prof.  Dr.  Felix, 
Zürich,  Prof.  Dr.  Flemming  (f),  Kiel,  Prof.  Dr.  Froriep,  Tübingeu,  Prof.  Dr. 
Gaupp,  Freiburg  i.  Br.,  Prof.  Dr.  Goeppert,  Heidelberg,  Prof.  Dr.  Oscar 
Hertwig,  Berlin,  Prof.  Dr.  Richard  Hertwig,  München,  Prof.  Dr.  HocH- 
STETTER,  Innsbruck,  Prof.  Dr.  F.  Keibel,  Freiburg  i.  Br.,  Prof.  Dr.  RuD. 
Krause,  Berlin,  Prof.  Dr.  Wilh.  Krause,  Berlin,  Prof.  Dr.  v.  Kupffer  (f), 
München,  Prof.  Dr.  Maurer,  Jena,  Prof.  Dr.  Mollier,  München,  Docent 
Dr.  Neumayer,  München,  Prof.  Dr.  Peter,  Greifswald,  Docent  Dr.  H.  Poll, 
Berlin,  Prof.  Dr.  Rückert,  München,  Prof.  Dr.  Schauinsland,  Bremen, 
Prof.  Dr.  Strahl,  Gießen,  Prof.  Dr.  Waldeyer,  Berlin,  Prof.  Dr.  Ziehen,  Berlin 

HERAUSGEGEBEN   VON 

T>^  OSKAR  HERTiariG 

O.   Ö.   PROF.,   DIREKTOR   D.   ANATOM.-BIOLOG.   INSTITUTS  IN   BERLIN 

DRITTER  BAND.    ZWEITER  TEIL. 

MIT  406  ABBILDUNGEN  IM  TEXT 


VERLAG   VON   GUSTAV   FISCHER 

1906 


Uebersetzungsrecht  vorbehalten. 


111 


Inhaltsverzeichnis 

zu  Band  lU,  TeU  2, 


in.  Kapitel. 

pag- 
W.  Flemming.      Die    Histogenese    der    Stützsubstanzen 

der  Bindesubstanzgruppe.     Erschienen  am  16.  Mai  1901        1 
Litteraturverzeiehnis 18 

IV.  Kapitel. 

HOCHSTETTER.  Die  En t wick elun g  des  Blutgefäßsystems 
(des  Herzens  nebst  Herzbeutel  und  Zwercbfell,  der  Blut-  und 
Lymphgefäße,  der  Lymphdrüsen  und  der  Milz  in  der  Reihe  der 

Wirbeltiere).     Erschienen  am   16.  Mai  1901  u.   11.  August  1903  21 

Das  Herz 21 

Die  Perikardialhöhle  und  das  Septum  pericardiaco-peritoneale  57 

Entwickelung  des  Arteriensystems 84 

Entwickelung  des  Venensystems 116 

Entwickelung  des  Lymphgefäßsystems 149 

Entwickelung  der  Milz 152 

Litteraturverzeiehnis 157 

V.  Kapitel. 

H.  Braus.  Die  Entwickelung  der  Form  der  Extremi- 
täten und    des  Extremitätenskeletts.     Erschienen  am 

25.  Mai  1904 167 

Einleitung 167 

A.  Die  unpaaren  Extremitäten 168 

B.  Die  paarigen  Extremitäten 196 

Litteraturverzeiehnis 331 

VI.  Kapitel. 

H.  Schauinsland.  Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule 
nebst  Rippen  und  Brustbein.     Erschienen  am  17.  April 

1905 339 

Litteraturverzeiehnis 562 

Vn.  Kapitel. 

E.  Gaupp.  Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  Er- 
schienen am  13.  September  1905        573 

I.  Allgemeine  Entwickelungsgeschichte  des  Kopfskelettes  .  .  573 
II.  Spezielle  Entwickelungsgeschichte  des  Kopfskelettes  .  .  .  627 
Liiteratuverzeichnis 855 


Drittes  Kapitel. 
Die  Histogenese  der  Stützsubstanzen  der  Bindesubstanzgruppe. 

Von 

Prof.  W.  Flemmiiig  (Kiel). 


Die  Frage,  wie  sich  die  faserig  geformten  Intercellularsubstanzen 
der  Bindesiibstanzgriii)pe  im  tierischen  Körper  bilden,  ist  so  alt  wie 
die  tierische  Histologie  selbst.  Schon  in 
dem  Hauptwerke  Theodor  Schwann's  ^), 
mit  welchem  letztere  beginnt,  hat  sie  eine 
Bearbeitung-)  und  eine  Beantwortung  er- 
fahren, die  auch  nach  unseren  jetzigen 
Kenntnissen    in    vieler    Hinsicht,    ja    im 


wesentlichen  richtig  zu  nennen  ist^).  Ge- 
treu seinem  Prinzip,  überall  auf  die  lebende 
Zelle  als  Bildungsgrundlage  aller  Formteile 
im  Körper  zurückzugehen,  ließ  Schwann 
auch  die  collagenen  Fibrillenbündel  des 
Bindegewebes,  sowie  auch  die  elastischen 
Fasern  ^)  durch  Auswachsen  und  Umwand- 
lung embryonaler  Zellenleiber  entstehen. 
Die  Untersuchung  der  Entwickelung 
der  collagenen  Fibrillenbündel 
nahm  er  am  Bindegewebe  verschiedener 
Körperstellen  bei  Seh  wein  sembrj'Onen  von 
3,5  Zoll  Länge  vor.  Die  Zellen,  die  er  darin 
fand,  waren,  außer  kleinen  runden,  längliche, 
von  ihm  sogenannte  „Faserzellen",  von  länglicher  Form,  mit  2  oder 
auch    mehrfachen     Ausläufern,    welche   faserig  werden ,    so   daß   also 


Fig.  1.  „Faserzellen"  nach 
Schwann  (Buch  Fig.  11  und 
Fig.  7,  Taf.  III),  aus  der  em- 
bryonalen Achillessehne  und 
dem  embryonalen  Bindegewebe. 
Vergl.  auch  die  späteren  Ab- 
bildungen nach  BoLL. 


1)  Mikroskopische  Untersuchungen  über  die  Uebereinstiramung  in  der  Struktur 
und  dem  Wachstum  der  Tiere  und  Pflanzen,  Berlin  1839,  Sander'sche  Buch- 
handlung. 

2)  Daselbst  2.  Abschn.,  2.  Abt.,  3.  und  4.  Klasse,  speciell  p.  132—154. 

3)  Vergl.  besonders  die  Ergebnisse  der  Arbeiten  von  Boll,  Lwofp,  Flemming 
(unten  besprochen  in  Bezug  auf  Entwickelung  der  collagenen  Fibrillen),  O.  Hertwig, 
Spuler  und  F.  C.  C.  Hansen  (Entwickelung  elastischer  Fasern  auf  Grund  von 
Zellenleibern). 

4)  1.  c.  p.  148  ff.  lieber  die  Entwickelung  letzterer  Fasern  siehe  weiter  unten 
im  Text. 

Handbuch  der  Eatwickelungslehre.     HI.  2.  1 


W.  Flemming, 


Büschel  von  Fibrillen  von  den  Zellen  ans  wachsen;  die  Faserung 
greift  dann  weiter  in  den  Zellkörper  hinein  und  bis  an  seinen  Kern, 
indem  die  Substanz  des  Zellenleibes  sich  fibrillär  umwandelt,  so  daß 
also  direkt  durch  Umwandlung  dieser  Zellen  ein  Fibrillenbündel  (oder 
auch  mehrere,  vermittelst  mehrfacher  Zellausläufer)  entsteht,  an  dem 
dann  der  Kern  und  ein  Rest  des  Zellenleibes  seitlich  persistiert.  — 
Diese  ,.Faserzellen''  leitete  Schwann  von  den  anderen  kleinen,  rund- 
lichen Zellen  her.  die  nach  seiner,  jetzt  verlassenen  Zellbildungstheorie 
frei  in  dem  umgebenden  „Blastem"  entstanden  sein  sollten  und  sich 
durch  Auswachsen  von  Ausläufern  zu  jenen  umgestaltet  hätten. 

Es  war  hiermit  also  die  erste  Proklamierung  einer  cellulären 
Entstehung  der  Fibrillenbündel  der  Inte  reell  ul  ar- 
sub stanz  gegeben.  Ihr  trat  schon  nach  wenigen  Jahren  Henle  ^) 
entgegen  und  "für  eine  i  n  t  e  r  c  e  1 1  u  1  ä  r  e  F  i  b  r  i  1 1  e  n  b  i  1  d  u  n  g  ein . 
Er  vermochte  —  in  embryonalen  Sehnen  —  niemals  Fibrillenbündel 
als  direkte  Fortsetzungen  von  Zellen  zu  finden,  nahm  vielmehr  an, 
daß  sie  durch  einen  direkten  „Zerfall",  d.  h.  eine  längsfaserige 
Differenzierung  einer  vorher  vorhandenen  homogenen  Intercellular- 
substanz  des  Bindegewebes  neben  den  Zellen  sich  bildeten,  ohne 
substantielle  Beteiligimg  der  letzteren.  Diese  Anschauung  von  einer 
intercellulären,  freien  Fibrillenbilduug  hat  dann  zunächst  so  gut  wie 
alle  Forscher,  die  mit  der  Entwickelung  der  Bindesubstauzen  in  Be- 
rührung traten,  gefangen  genommen,  so  Bruch  '),  Kilian,  von  Hess- 
ling,  Drum  MOND,  und  besonders  Kölliker,  der  früher  der  Schwann- 
schen  Lehre  geneigt  gewesen  war''),  dann  aber  nach  weiteren  Unter- 
suchungen^) ganz  als  Anhänger  der  intercellulären  freien  Fibrillen- 
bildung  auftrat,  wie  später  Ranvier  (1875,  p.  405—409:  Developpement 
du  tissu  conjonctif).  Gleichzeitig  mit  Henle  hatte  nur  Valentin 
(1842)  eine  Ansicht  vertreten,  die  gleich  der  ScHWANN'schen  eine 
celluläre  Fibrillenbilduug  annimmt,  aber  darin  von  jener  differiert,  daß 
sie  die  Fibrillen  nicht  als  Bündel,  sondern  als  einzelne  Fäserchen 
von  den  Zellausläufern  auswachsen  läßt  (näher  besprochen  bei 
BoLL,  1872,  s.  unten,  p.  3).  Es  ist  übrigens  aus  Valentin's  Arbeit 
eigentlich  nicht  deutlich  zu  entnehmen,  daß  er  sich  in  einen  Gegen- 
satz zu  Schwann  stellt;  auch  Boll  (1872)  und  C.  C.  Hansen  (1899) 
haben  in  seiner  Arbeit  nichts  derartiges  finden  können. 

Um  den  gleichen  Punkt  handelte  es  sich  auch  bei  den  Arbeiten 
aus  Brücke's  Laboratorium  (Wien),  die  im  Lauf  der  60er  Jahre  er- 
schienen (KusNETzoFF,  L.  V.  1867  und  Obersteiner  1867),  welche 
bei  der  sich  entwickelnden  Cutis  (Kusnetzoff)  und  Sehne  (Ober- 
steiner) das  Auswachsen  von  einzelnen  Fibrillen  aus  den  Enden 
spindelförmiger  Bildungszellen  vertraten,  so  daß  also  jede  Fibrille  im 
fertigen  Bindegewebe  die  Fortsetzung  des  Endes  eines  Zellausläufers 
sein  würde.  Ich  möchte  mich  dem  Urteil  F.  Boll's  (1872,  s.  unten), 
der  den  Charakter  der  jungen  Zellausläufer  aus  Fibrillenbündel 
wohl  außer  Zweifel  gestellt  hat,  darin  anschließen,  daß  die  Erörterung 
dieser  Frage  in  den  älteren  Arbeiten,  mit  Rücksicht  auf  die  geringere 
Vollkommenheit  der  früheren  Mikroskope,  nur  wenig  Wert  hat.  Bei 
Boll  findet  man  noch  ziemlich   zahlreiche  Arbeiten   aus   der  Zeit  bis 


1)  AUgem.  Anatomie,  1841,  p.  197  und  379. 

2)  Dieser  und  Folgende:    s.  Lit.-Verz. 

3)  Mikroskopische  Anat.,  Bd.  2,  p.  256. 

4)  1852  und  in  der  Mikroskopischen  Anatomie. 


Die  Histogenese  der  Stützsubstanzen  der  Bindesubstanzgruppe.        3 

1870,  welche  die  Fibrillenbildung  betreffen,  großenteils  von  patho- 
logischem Gebiet,  citiert  nnd  besprochen  (Boll,  p.  38 — 41).  Darunter 
ist  die  Monographie  A.  Rüllett's  über  Entwickelung  des  Binde- 
gewebes in  Stricker's  Handbuch  der  Lehre  von  den  Geweben  (1871), 
deren  Verfasser  die  Zellen,  bei  hauptsächlicher  Untersuchung  an  serösen 
Häuten  von  Embryonen,  ganz  unbeteiligt  an  der  Bildung  der  Fibrillen 
sein  läßt.  Es  rührt  dies  einmal  von  der  Benutzung  zu  später  Stadien, 
in  denen  die  erste  Anlage  der  Fibrillen  vorbei  ist,  dann  von  der  Ver- 
wendung des  Kalibichromates,  welches,  wie  auch  Boll  bemerkt,  starke 
Veränderungen  der  Zelienleiber  wie  auch  der  jungen  Fibrillen  hervor- 
ruft, endlich  auch  von  einer  unrichtigen  Fragestellung  her.  Rollett  setzte 
voraus,  daß,  wenn  eine  Produktion  von  Fibrillen  oder  Fibrillenbündelu 
von  den  Zellen  aus  stattfinde,  dies,  ganz  im  alten  ScHw^ANN'schen 
Sinne,  in  Form  eines- Ausspros  sens  von  den  zugespitzten  Enden 
der  Zellen  und  Zellausläufer  stattfinden  müsse,  welche  Enden  man 
deswegen  mit  den  Fibrillenbündelu  in  Kontinuität  zu  finden  habe; 
nicht  aber,  wie  es  in  der  That  ist,  daß  die  Fibrillen  sich  bündelweis 
der  Länge  nach  im  Leibe  einer  Zelle  anlegen  (vergl.  die  unten  repro- 
duzierten Figg.  von  Boll  und  Flemming).  Es  glückte  Rollett  bei 
allem  Suchen  nicht,  ein  zugespitztes  Zellende  mit  einem  Fibrillen- 
bündel  [oder  gar  mit  einer  Einzelfibrille  eines  solchen,  nach  Kusnetzoff 
und  Obersteiner  ^)|  in  Kontinuität  zu  finden;  denn  beide  Dinge, 
Zellenleib  und  Fibrillenbündel,  sehen,  infolge  der  oben  erwähnten 
Kalibichromatwirkung  (in  Form  der  MÜLLER'schen  Lösung)  am  Omen- 
tum eines  älteren  Embryo  so  verschieden  aus,  daß  dieses  vergebliche 
Suchen,  und  damit  Rollett's  negatives  Schlußresultat  in  der  Frage, 
sich  völlig  erklärt.  Aehnlich  ist  es  später  Ranvier  gegangen  (1875), 
welcher  als  Reagens  auf  die  Zellen  Jodlösuug  benutzt  hatte,  ein  Mittel, 
das  ebenfalls  starke  Besonderheit  im  Aussehen  des  Zellprotoplasma 
bewirkt,  so  daß  es  von  den  Fibrillenbündelu  ganz  differiert. 

Ich  komme  nun  zu  der  wichtigsten  und  vorzüglichsten  Arbeit,  die 
über  unseren  Gegenstand  existiert,  es  ist  die  mehrfach  erwähnte  von 
Boll  (1872).  Wir  dürfen  sie  eigentlich  als  den  Ablagerungsort  der 
Anschauungen  Max  Schultzens  ansehen,  dessen  vertrauter  Schüler 
Boll  gewesen  ist,  der  Anschauungen,  in  welchen  die  in  dem  be- 
rühmten Aufsatz  M.  Schultze's  „Ueber  Muskelkörperchen  und  das, 
was  man  eine  Zelle  zu  nennen  habe''  -)  niedergelegten  Prinzipien  auf 
das  Bindegewebe  übertragen  wurden  und  die  Bildung  aller  geformten 
Teile  in  dessen  Intercellularsubstanz,  also  der  Fibrillen  und  Fasern, 
ganz  im  Sinne  Schwann's,  auf  eine  „formative  Kraft''  des  Zellproto- 
plasma  bezogen    wurde'').      Boll    machte    seine   Beobachtungen    an 

1)  S.  oben. 

2)  Reichert's  und  du  Bois  Reymond's  Archiv,  1861,  p.  1. 

3)  Max  Schultze  selbst  hat  eine  eigene  Arbeit  über  diesen  Gegenstand  nicht 
veröffentlicht,  außer  dem,  was  in  dem  eben  citierten  Aufsatz  darüber  geäußert  ist. 
Diese  Stelle  lautet:  „Der  genannte  Zustand  des  jungen  Bindegewebes  ist  so  zu 
deuten,  daß  die  allmählich  sich  fibrillär  umwandelnde  Grundsubstanz  das  Protoplasma 
wandlungsloser  und  bis  zur  Verschmelzung  genäherter  Embryonalzellen  sei.  Aber 
wie  bei  der  Entwickelung  der  Muskelfasern  Spuren  unveränderten  Protojjlasma 
zwischen  den  Fibrillen  übrig  bleiben  und  sich  namentlich  um  die  Kerne  ansammeln, 
so  bleibt  auch  bei  Zellen,  deren  Protoplasma  sich  in  fibrilläres  Bindegewebe  um- 
wandelt, außer  den  Kernen  noch  ein  wenig  unverändertes  Protoplasma  übrig,  welches 
erstere  in  freilich  oft  nur  sehr  geringer  Menge  umgiebt.  Das  sind  die  gleich  den 
Muskelkörperchen  wandungslosen  Bindegewebs-  oder  Sehnenkörperchen."  In  dem 
eben  cit.  Aufsatz:  Ueber  Muskelkörperchen  etc.,  p.  13. 

1* 


4  W.  Flemming, 

bebrüteten  Hühnchen  und  Möven,  an  verschiedenen  Bindegeweben 
(Arachnoidea.  subcutanes  Gewebe,  Sehnen),  die  frisch  auf  dem  ge- 
heizten 0  b  j  e  k  1 1 i  s  c  h  untersucht  wurden.  Er  erklärt  solche  frische 
Objekte  für  weit  instruktiver  als  mit  Reagentien  behandelte,  weil  jene 
die  zarten  Fibrillenanlagen  weit  schärfer  und  deutlicher  zeigen,  während 


Fig.  2.  Nach  Fig.  4,  10  und  11  bei  BOLL,  1872.  Fibrilienbildende  Zellen  aus 
dem  Bindegewebe,  Unterhaut  des  Kopfes  und  Arachnoidea,  frisch,  geheizter  Objel^t- 
tisch.     Hartnack  IX  ä  inim.  2. 


Die  Histogenese  der  Stützsubstanzen  der    Bindesubstanzgruppe.        5 

die  meisten  Reagentien  (außer  Osmiumsäure  sowie  auch  Chrom- 
osmiumessigsäure, s.  unten  Flemming)  irgendwelche  Veränderungen 
machen.  .  Ich  reproduziere  hier  einige  Abbildungen  Boll's,  welche 
das  Fibrillärwerden  des  Zellprotoplasma  namentlich  in  den  Ausläufern 
der  Zellen  und  die  Umwandlung  dieser  Ausläufer  in  Fibrillen  b  ü  n  d  e  1 
deutlich  genug  zeigen ;  bitte  übrigens  seine  ganze  Taf.  2,  1.  c.  zu  ver- 
gleichen. —  Es  war  mit  dieser  Arbeit,  wie  mir  scheinen  will,  eigentlich 
die  Frage,  ob  celluläre,  ob  intercelluläre  Fibrillenbildung  endgiltig 
zu  Gunsten  ersterer  Ansicht  beantwortet,  und  es  hat  wohl  nur  an 
dem  Unterbleiben  einer  gebührenden  Nachuntersuchung  gelegen,  daß 
sich  der  Gegensatz  noch  weiter  fortspinnen  konnte. 

Zunächst  geschah  dies  gleichwohl.  Ranvier  (1875,  p.  402  ff.) 
trat  bald  nach  Boll  wieder  für  eine  freie  intercelluläre  Entstehung 
der  Fibrillen  ein  (ohne  dieselbe  bewiesen  zu  haben,  s.  alsbald  unten), 
und  Kollmann  sprach  sich  in  dem  Aufsatz  von  1876  und  dem  als 
nachfolgenden  citierten  in  demselben  Sinne  aus.  Auch  in  diesen 
Arbeiten  vermag  ich  jedoch,  gegenüber  Boll's  deutlichen,  positiven 
Beobachtungen,  nichts  Beweisendes  zu  sehen ;  mir  scheinen  Kollmann's 
dort  vorgebrachte  Argumente  alle  mehr  theoretischer  Art  zu  sein, 
als  daß  er  thäte,  was  hier  doch  zu  thun  ist :  der  fraglichen  fibrillen- 
produzierenden  Zelle  des  embryonalen  Gewebes  direkt  zu  Leibe  zu 
gehen  und  zu  entscheiden,  was  man  an  ihr  sieht  oder  nicht  sieht. 
Wenn  z.  B.  der  Verf.  auf  p.  182  (in  ,, Strukturlose  Membranen")  sagt: 
„Die  neuen  Entdeckungen  über  die  Platten  an  den  Bindegewebs- 
zellen (NB.  im  ausgewachsenen  Gewebe,  Schw^albe,  Ranvier, 
Retzius)  müssen  unsere  Anschauungen  bezüglich  der  Entstehung  der 
Fibrillen  in  eine  von  der  herrschenden  Lehre  verschiedene  Richtung 
treiben.  Wenn  das  Protoplasma  der  embryonalen  Zelle  sich  zu  einem 
von  den  leimgebenden  Fibrillen  vollkommen  verschiedenen,  zu  einem 
strukturlosen,  den  Säuren  widerstehenden  Häutchen  umwandelt,  so  ist 
doch  nicht  gleichzeitig  auch  die  Umwandlung  in  Bindegewebsfibrillen 
denkbar,  und  es  tritt  die  Lehre  wieder  in  ihr  Recht  ein,  welche  die 
Entstehung  der  Fibrillen  in  die  Zwischensubstanz  verlegt"  —  so  läßt  sich 
antworten:  beide  Vorgänge  sind  keineswegs  gleichzeitig,  sondern  sehr 
u  n  g  1  e i ch  z  e  i  t  i  g ;  die  Fibrillenbildung  ist  eine  der  frühesten  Lebens- 
äußerungen der  Zelle,  die  Plattenbildung  ein  abschließender  Prozeß, 
welcher  auftritt,  nachdem  jene  längst  geleistet  ist. 

Diesem  Zurückfallen  in  die  alte  HENLE'sche  Lehre  gegenüber 
hielt  ich  es  nicht  für  überflüssig,  noch  einmal  Beobachtungen  mit- 
zuteilen, welche  eine  celluläre  Fibrillenentstehung  geradezu  beweisen. 
Für  eine  solche  hatte  sich  inzwischen  auch  noch  Lwoff  ^)  aus- 
gesprochen ;  er  ließ,  nach  Arbeiten  an  Säugetierembryonen,  die  Fibrillen 
zwar  „auf  der  Oberfläche  der  Zellen",  aber  doch  von  deren 
Protoplasma  aus,  gebildet  werden.  Es  sieht  so  aus;  aber  wer  immer 
sich  an  dieser  Frage  versucht  hat,  wird  zugeben,  daß  an  Lw^off's 
Objekten  die  Zellen  gar  zu  klein  sind,  um  eine  endgiltige  Entscheidung 
zu  gestatten. 

Ich  traf  —  zufällig  —  auf  ein  Objekt,  das  größere  Verhältnisse 
und  außerdem  noch  besondere  Vorteile  bietet.  Es  ist  das  parietale 
Bauchfell  von  Salamanderlarven  (vom  Juli  und  August),  das  sich  an 
Objekten   aus   Chromosmiumessigsäure    oder   HERMANN'scher    Lösung 


1)  Wiener  akadem.  Sitzungsber.,  Bd.  38  math,-nat.  Kl.,  Abt.  3,  p.  184. 


W.    Fl  EM  MINO, 


Fig.  2a. 

Fig.  2a  und  Fig.  3.  Nach  Flem- 
MiNG,  1891 :  Zur  Eiitwiclcelung  der  Binde- 
gewebsfibrillen.  Aus  ViRCHOW'sche  Fest- 
schrift, Fig.  2,  3. 


Fig.  3. 


Die  Histogenese  der  Stützsubstanzen   der   Bindesubstanzgruppe.        7 

leicht  als  dünne  Membran  abreißen  läßt ;  auch  die  zarte  Wand  der 
Lunge  kann  dienen.  Nach  solchen  Objekten,  die  mit  der  von  mir 
angegebeneu  Dreifachbehaudlung  (Safrauiu-Gentiaua-Orange)  gefärbt 
waren,  habe  ich  die  folgende  Beschreibung  (Lit.-Verz.  1891)  gegeben : 
Die  jungen  Bindegewebszellen  sind  sehr  groß.  Man  sieht  dank  ihrer 
Färbung  sehr  deutlich,  daß  die  Fibrillenbündel  in  ihnen  und  ihren 
Ausläufern  angelegt  werden  (Fig.  1,  1.  c).  Ganz  vorzüghch  gut  sieht 
man  dies  bei  Zellen,  die  in  Teilung  stehen  (Fig.  2a  und  8  hier, 
Fig.  2,  3,  4  1,  c).  Van  Beneden  und  ich  i)  haben  gefunden,  daß  bei 
Zellen,  die  in  Mitose  stehen,  eine  eigentümliche  Verdickung  des  Zell- 
körpers eintritt  und  alle  fädigen  Strukturen  desselben  stärker  färbbar 
werden.  Das  zeigt  sich  hier  auffällig  an  den  jungen  Fibrillen;  schon 
bei  schwächerer  Vergrößerung  (Fig.  2a  hier)  sehen  die  in  Mitose 
stehenden  Zellen  dunkel  und  feingestreift  aus,  und  bei  stärkerer  Ver- 
größerung (Oelimmersionen)  kann  man  verfolgen ,  daß  diese  feinen 
Fibrillen  bei  derselben  Einstellung  da  liegen  wie  die  Ausläufer  der 
Polstrahlung,  also  sich  noch  im  Zellenleib  selbst,  wennschon  in  seinem 
peripheren  Teil,  befinden.  Vielfach  sieht  man  diese  Fibrillen  ge- 
schlängelt (Fig.  3  hier,  Fig.  4  1.  c.),  oft  ziemlich  stark;  dies  rührt 
davon  her,  daß  der  Leib  der  Zelle  während  der  Teilung  sich  wechselnd 
kontrahiert,  und  somit  die  darin  enthaltenen  Fibrillen  bald  geschlängelt, 
bald  mehr  gestreckt  gefunden  werden  müssen. 

Ich  weiß  nicht,  wie  man  solchen  Bildern  gegenüber  noch  in  Zweifel 
daran  Ijleiben  kann,  daß  die  Fibrillen  aus  dem  Zellprotoplasma  selbst, 
durch  eine  vis  formativa  desselben  entstehen  können,  und  zwar  dann 
wohl  durch  eine  Umpräguug  der  Fadenstruktur  dieses  Protoplasma, 
welche  ich  an  anderen  Orten  -)  beschrieben  und  auch  in  der  Arbeit 
von  1891  erwähnt  habe. 

Wenige  Jahre  später  hat  denn  auch  F.  Reinke.  an  denselben 
Objekten  und  mit  derselben  ^)  Methode,  eine  völlige  Bestätigung 
dieser  meiner  Befunde  geliefert  (1894).  —  Reinke  macht  an  dieser 
Stelle  (p.  385  ff.)  auf  eine  Schwierigkeit  aufmerksam,  die  sich  in  Bezug 
auf  das  Längenwachstum  der  Fibrillenbündel  ergiebt.  Solange 
diese  noch  in  der  peripheren  Schicht  der  Zelle  selbst  liegen,  kann 
deren  Längenwachstum  mit  dem  der  Fibrillen  identisch  sein ;  wie  *sind 
aber  die  späteren  Zustände  zu  denken,  wo  die  schon  gebildeten  Fibrillen 
aus  der  Zelle  herausgerückt  und  Intercellularsubstanz  geworden  sind? 
Ich  antworte  darauf  mit  Hansen  (s.  weiter  unten):  dann  liegen  eben 
die  Fibrillen  in  dem  Territorium  von  Intercellularsubstanz,  das  von 
der  betreffenden  Zelle  geschaffen  worden  ist,  das  aus  ihrem  „Ekto- 
plasma"  (Hansen)  hervorgegangen  ist;  diese  Territorien  sind  mit- 
lebendig, wie  ich  mir  die  ganze  Intercellularsubstanz  so  denke  (s.  weiter 
unten),  es  können  in  ihnen  Vorgänge  fortspielen,  die  zu  einem  Längen- 
wachstum der  Fibrillen  durch  Intussusception  führen.  Ein  solches, 
intussusceptionelles  Längenwachstum  der  Fibrillenbündel  wären  wir  ja 
übrigens  auch  genötigt  anzunehmen,  wenn  wir  eine  freie  intercelluläre 
Fibrillenentstehung  voraussetzen  wollten.  Denn  wenn  ich  mir  eine 
embryonale  Sehne  in  ihren  frühesten  Zuständen  denke  und  dann 
spätere   dagegenhalte,  wo   die  Bündel   10-  und   mehrmal   so   lang   ge- 


1)  ZeUsubstanz,  Kern  und  Zellteilung  1882,  p.  206  ff. 

2)  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Zelle  etc.  Taf.,  15,  Fig.  7a;    ZeUsubstanz,  Kern 
und  Zellteilung,  1882,  p.  46. 

3)  Nur  mit  einer  geringfügigen  Modifikation. 


8  ;  W.  Flemming, 

worden  sind  als  zu  der  Zeit  wo  sie  eben  entstanden  waren,  wie  soll 
das  ohne  eigene  Wachstumsverlängerung  der  Bündel  abgegangen  sein? 

F.  Reinke  hat  in  dieser  Arbeit  auch  einen  Streifzug  in  die  Eut- 
wickelungsgeschichte  der  elastischen  Fasern  gemacht,  dessen  ich 
vorläufig  Erwähnung  thun  will.  Er  findet  in  solchen  Zellen,  wie  ich 
sie  als  fibrillenbildend  beschrieben  habe,  stärker  gefärbte,  dickere,  oft 
geschlängelte  Faserbildungen  (z.  B.  1.  c.  Fig.  17),  in  denen  er  die  An- 
lage elastischer  Fasern  suchen  möchte.  Es  sieht  in  der  That  sehr 
danach  aus,  und  man  wird  versucht,  als  Bildungsgrundlage  an  die 
zahlreichen  färbbaren  Körnchen  zu  denken,  die  in  solchen  Zellen  vor- 
kommen (siehe  viele  von  Reinke's  Figuren,  sowie  die  meinigen  in 
der  Arl)eit  von  1897).  Reinke  empfindet  freilich  Skrupel,  ob  es 
dieselben  Zellen  seien,  die  so  elastische  Fasern  und  Fibrillen  erzeugen ; 
er  sagt  (p.  388  1.  c):  „Nun  drängt  sich  ferner  die  Frage  auf:  werden 
in  ein  und  denselben  Zellen  collagen  bleibende  und  elastisch  werdende 
Fasern  gebildet,  oder  sind  derartige  Zellen,  die  elastische  Fasern  er- 
zeugen, specifisch  verschieden  von  denen,  die  dies  nicht  thun?  Die 
Frage  ist  thatsächlich  schwer  zu  entscheiden,  theoretisch  scheint  es 
mir  aber  doch  höchst  unwahrscheinlich,  daß  eine  und  dieselbe  Zelle 
beide  Faserarten  bilden  sollte."  Ich  kann  eine  derartige,  a  priori 
bestehende  Un Wahrscheinlichkeit  nicht  recht  einsehen,  vielmehr  scheinen 
mir  Reinke's  Fig.  17  und  7a,  und  auch  manches,  was  ich  seitdem  an 
eigenen  Präparaten  gesehen  habe,  dafür  zu  sprechen,  daß  doch  die 
gleiche  Zellart  des  embryonalen  Bindegewebes  mit  der  Produktion 
von  beiderlei  Faserarten  betraut  sein  könnte.  —  Außer  Zweifel  steht 
es,  daß  in  späteren  Stadien  (Larven  vom  August  und  September)  das 
Bauchfell  der  Salamauderlarve  reichliche  elastische  Fasern  führt. 

Es  erübrigt  noch  zu  sagen,  was  sich  gegenüber  Ranvier's  erneuter 
Behauptung  einer  intercellulären  freien  Fibrillenbildung  (1875,  p.  402  ff.) 
einwenden  läßt.  Ranvier  nimmt  zum  Beleg  dafür  sehr  späte  Stadien: 
die  Befestigungsstelle  der  Achillessehne  am  Calcaneus  bei  neugeborenen 
Kaninchen,  wo  also  Sehnengewebe  in  Knorpelgewebe  übergeht.  Hier 
sind  nahe  der  Grenzstelle  im  Knorpel  dessen  Zellen  noch  in  Reihen 
geordnet,  so  wie  sie  in  der  Sehne  stehen,  und  zwar  in  Fortsetzung 
dieser  Sehnenzellenreihen ;  zwischen  denselben  sieht  man  die  fibrilläre 
Grundsubstanz  der  Sehne  in  die  hyaline  des  Knorpels  auslaufen  und 
anscheinend  frei  darin  enden.  Durch  polarisiertes  Licht,  das  die 
anisotropen  Fibrillen  hell  läßt,  erscheint  dies  besonders  schlagend,  und 
Ranvier  schloß,  daß  die  Fibrillen  auch  hier  in  der  Grundsubstanz, 
wo  man  sie  si)äte]'  sieht,  entstanden  sein  müßten.  Aber  Ranvier 
konnte  damals  noch  nicht  wissen,  was  uns  seit  1874  (und  1878)  durch 
Tillmanns  (s.  Lit.-Verz.)  bekannt  ist,  daß  die  hyaline  Grundsubstanz 
des  Knorpels  eben  nicht  homogen  ist,  sondern  aus  feinen  Fibrillen- 
bündeln  besteht,  deren  Bildung  durch  die  Knorpelzellen  wir  nach 
Analogie  der  Befunde  am  fibrillären  Bindegewebe  anzunehmen  ein 
Recht  haben.  (Vergl.  Tillmanns  1874  und  1877.)  Diese  Befunde 
von  Tillmanns  wurden  bestätigt  und  weiter  ausgeführt  durch  Van 
DER  Stricht  (188(5),  dessen  Arbeit  viele  Beispiele  von  fibrillärer 
Struktur  der  Grundsubstanz  an  frischen  Knor])eln  bringt.  —  Es  bleibt 
freilich  noch  aufzuklären,  wie  bei  Ranvier's  Objekt  dann  diese 
Fibrillen  der  Knorpelgrundsubstanz  in  die  Lage  kommen,  in  der  Fort- 
setzungsrichtung der  Sehnenlnindel  zwischen  den  Knorpelzellenreihen 
zu  liegen  ;    es  wäre  wohl  nicht  undenkbar,  daß   dies   rein    mechanisch 


Die  Histogenese  der  Stützsiibstanzen  der  Bindesubstanzgruppe.        9 

durch  den  Zug  der  Sehne  bewerkstelligt  wird.  Mag  dem  sein,  wie 
ihm  wolle,  jedenfalls  können  um  die  Zeit,  wo  das  von  Ranvier  ver- 
wertete Bild  vorliegt,  die  FibrilJenbündel  nicht  erst  frei  in  der 
Knorpelgrundsubstanz  entstehen,  welche  dann  doch  nach  Tillmanns 
und  Van  der  Stricht  schon  ihre  eigenen  feinen  Fil)rillenbündel  hat. 

Im  Jahre  1895  wurde  noch  von  Merkel  eine  Arbeit  publiziert, 
in  der  er  für  eine  selbständige  Bildung  der  Fibrillenbündel  in  der 
Gruudsubstauz  eintrat,  nach  Untersuchung,  großenteils  mittelst  feiner 
Schnitte,  des  Nabelstranges  und  der  Fingersehnen  bei  menschlichen 
Embryonen.  Im  Gallertgewebe  des  Nabelstranges  fand  er  an  solchen 
Schnitten  die  Querschnitte  der  Fibrillenbündel  mitten  in  der  Gallert- 
substanz, also  getrennt  von  den  Zellen.  Ich  habe  auf  diese  Arbeit 
geantwortet^),  mit  Zugrundelegung  dergleichen  Objekte;  im  Gallert- 
gewebe des  menschlichen  Nabelstranges  und  in  dem  der  wachsenden 
Kiemenblättchen  bei  der  Salamanderlarve  finde  ich  die  Fibrillenbündel 
zur  Zeit,  wo  sie  entstehen,  stets  in  Zellausläufern  oder 
dicht  an  ihnen  gelagert.  Merkel  muß  an  seinen  Schnitten 
diese  Ausläufer  wohl  übersehen  haben,  da  er  die  Sache  so  darstellt, 
als  ob  die  Fibrillenbündel  frei  in  der  gallertigen  und  ja  so  gut  wie 
flüssigen  Zwischensubstanz  des  Gewebes  auftauchten.  Ich  habe,  bei- 
läufig gesagt,  den  Begriff  und  Namen  „Gallertgewebe"  stets  für  über- 
flüssig gehalten,  da  es  sich  doch  nur  um  ein,  durch  mucinhaltige 
Flüssigkeit  ödematöses  embryonales  Bindegewebe  handelt. 

In  der  Arbeit  von  1895  habe  ich  auch  zu  den  Anschauungen 
V.  Ebner's  Stellung  genommen  (in  der  „Nachträglichen  Bemerkung"), 
welcher  aus  Beobachtungen  an  den  Chordascheiden  bei  niederen  Fischen 
um  jene  Zeit  den  Schluß  zog,  daß  die  Fibrillenbündel  derselben  nach- 
träglich selbständig  wachsen.  Ein  solches  Wachstum  „durch  Intus- 
susception",  wie  man  zu  sagen  pflegt,  wird  niemand  leugnen  können 
noch  wollen,  mir  kam  es  stets  nur  auf  die  erste  Anlage  eines 
Fibrillenbündels  an  und  die  finde  ich  in  einer  Zelle,  halte  aber  (mit 
Hansen  1899,  s.  unten)  die  Intercellularsubstanz  nicht  für  tot,  und 
weiterer  vitaler  Umwandlung  für  fähig. 

A.  Spuler  (1896)  veröffentlichte  eine  an  denselben  oder  ähnlichen 
Objekten,  wie  die  Merkel's,  angestellte  Untersuchung  (Nabelstrang 
und  Amnion  von  Säugetieren),  deren  Resultate  im  Gegensatz  zu 
letzterem  Forscher  auch  an  diesen  relativ  kleinen  Objekten,  gleich 
den  meinigen,  für  eine  intercelluläre  Fibrillenbildung  sprechen. 

Somit,  nach  allem,  was  durch  die  Arbeiten  von  Boll,  Lwoff, 
meine  eigenen  und  die  Reinke's  und  Spuler's  direkt  gezeigt 
wird,  schließe  ich  mich  der  Max  ScHULTZE'schen  Lehre  von  der 
cellulären  Entstehung  der  Fibrillen  vollständig  an,  aber  unter  der 
ausdrücklichen  Hervorhebung,  daß  sie  nahe  der  Oberfläche,  im  peri- 
pheren Teil  der  Zellen  erfolgt.  Hansen 2)  vertritt  in  neuester  Zeit 
die  Auffassung,  daß  die  produzierende  Zelle  zunächst  einen  Mantel 
von  Substanzen  an  ihrer  Peripherie  bildet,  Ektoplasma  von  ihm  ge- 
nannt, in  welcher  sich  dann  die  Fibrillen,  unter  Umständen  auch  die 
elastischen  Gebilde  formen.  Dieser  Auffassung  möchte  ich  beitreten. 
Es  bestände  danach  die  gesamte  Intercellularsubstanz  des  Bindegewebes 
aus    solchen    vereinigten   Ektoplasmen    von    Zellen,   die   fibrillär   um- 


1)  S.  Lit.-Verz.  1897,  im  Arch.  Anat.  und  Phys.,  Anat.  Abt.,  Tat'.  5  und  (J. 

2)  Lit.-Verz.  1899  und  der  folgende  Vortrag.     Besprochen  unten. 


10 


W.  Flemming. 


gewandelt  wurden  und  die,  wie  ich  mit  Hansen  glaube,  mitlebend 
fortbestehen  unter  dem  vitalen  Einfluß  der  produzierenden  Zellen 
und  zur  Entwickelung  neuer  intercellulärer  Formteile  im  stände  bleiben. 

Entwickelung  der  elastischen  Fasern.  Dieselbe  war, 
wie  oben  gesagt,  schon  von  Schwann  (Lit.-Verz.  1839,  p.  148  ff.)  in 
Untersuchung  genommen  worden,  an  Zupfpräparaten  der  Aortenwand 
von  Schweinsembrj'onen ;  er  leitet  ihre  Bildung  gleichfalls  von 
embryonalen  Bindegewebszellen  ab.  Man  muß  jedoch  sagen,  un- 
beschadet der  Richtigkeit  dieses  Satzes,  daß  Schwann's  Beschreibung 
und  Abbildungen  dafür  nicht  recht  beweisend  sind ;  sie  thun  nur  dar, 
daß  die  jungen  elastischen  Fasern  in  enger  Anlagerung  an  kernhaltige 
Zellen  entstehen. 

Weiter  gelangten  in  dieser  Frage  die  Forscher,  die  am  Knorpel 
(Netzknorpel)  zu  arbeiten  begannen.  Nachdem  RABL-RtiCKHARD  (18(3.3) 
den  fötalen  Ohrknorpel  verschiedener  Tiere  auf  die  Entwickelung  seiner 
elastischen  Fasernetze  untersucht  und  nichts  hatte  finden  können,  was 
für  eine  Abhängigkeit  ihrer  Entstehung  von  den  Zellen  zu  sprechen 
schien,  gewann  0,  Hertwig  (1873)  am  gleichen  Objekt,  beim  mensch- 
lichen Embryo,  unter  Zugrundelegung  hinreichend  früher  Stadien  (von 
15   cm   an)   und    feiner   Querschnitte,    das    folgende   Resultat:      „Die 


Fisr.  c. 


Fig.  4  a— c.    Nach  O.  Hertwig,  Fig.  2,  4,  5,  Arch.  mikr.  Anat.,  Bd.  9,  Tai  7. 
Vergl.  die  folgende  Beschreibung  im  Text. 


elastischen  Fasern  entstehen  im  Netzknorpel  unmittelbar  nach 
dem  ersten  Auftreten  einer  Z wisch ensub  stanz  oder 
gleichzeitig  mit  ihr,  und  zwar  immer  unmittelbar  auf  der  Ober- 
fläche des  Protoplasma.  Die  Zellen,  welche  die  ersten  elastischen 
Fasern  bilden,  liegen  in  Reihen  senkrecht  auf  der  Oberfläche  des 
Knorpels,  jede  Reihe  bildet  lange,  den  Knor])el  senkrecht  durchsetzende 
Fasern,  welche  wie  Reusen  die  Zellen  umschließen  (vergl.  Fig.  4,  hier). 


Die  Histogenese  der  Stützsubstanzen  der  Bindesubstanzgrnppe.       11 

Die  '  Fasern  sind  von  Anfang  an,  auch  wenn  sie  noch  von  kaum 
meßbarer  Feinheit  sind ,  unlöslich  in  Kalilauge ,  daher  gleich  von 
ihrer  ersten  Bildung  an  echtes  elastisches  Gewebe.  Die  räumlichen 
Verhältnisse  der  Entstehung  derselben  stützen  nicht  die  bisher  ver- 
breitete Ansicht,  daß  es  sich  dabei  um  eine  Umwandlung  zuerst  ge- 
bildeter homogener  Knorpelgrundsubstanz  handle,  sondern  sprechen 
dafür,  daß  das  Protoplasma  der  Zellen  die  elastische  Substanz  gleich 
als  fertig  bilde,  als  was  wir  sie  auch  später  finden.  Es  ist  dieselbe 
formative  Thätigkeit  des  Protoplasma  (M.  Schultz e),  der  die  elastische 
Substanz  ihr  Dasein  verdankt,  wie  dieselbe  im  fibrillären  Bindegewebe 
den  Fibrillen  den  Ursprung  giebt  (vergl.  Boll,  oben).  Die  weitere 
Entwickelung  der  einmal  angelegten  elastischen  Fasern  erfolgt  nun 
durch  Intussusception  in  die  extraprotoplasmatische  Substanz,  wie  dies 
für  alle  Membran-  und  Intercellularsubstanzen  stattfindet.  Dabei  ent- 
stehen neue  Fasern  immer  nur  entweder  im  Anschluß  an  die  alten, 
so  namentlich  die  Netze.  Avelche  sich  an  die  ersten  glatten  Fasern 
bald  anschließen,  immer  nur  durch  Auswachsen  der  ersteren,  nie 
durch  freie  Bildung  elastischer  Körnchen  oder  Fasern  inmitten  homo- 
gener Intercellularsubstanz ;  oder  in  der  unmittelbaren  Umgebung  des 
Protoplasmas  der  persistierenden  Zellen,  welche  fortfahren,  ihre  formative 
Thätigkeit  in   mannigfacher  Weise   zu   äußern"  (1.    c.    1873,   p.  97  ff.). 

Den  hierfür  wohl  überzeugenden  Bildern  0.  Hertwig's.  Fig.  4a — c, 
gegenüber  scheinen  die  negativen  Px,esultate  Rabl-Rückhard's  darauf 
zu  beziehen,  daß  er  sich  an  ältere  Stadien  gehalten  hat.  in  denen 
schon  dickere  „Kapseln"  der  Knorpelzellen  zur  Ausbildung  gelangt 
sind,  wo  dann  eine  unmittelbare  Bildung  von  Fasern  aus  Proto- 
plasma im  obengedachten  HERTWiG'schen  Sinne  nicht  mehr  stattfindet, 
soweit  dies  nicht  in  der  Weise,  welche  der  folgende  Autor  (Deutsch- 
mann) im  Auge  hatte,  unter  Mitwirkung  der  Knorpelzellenkapsel  und 
in  dieser  gebildeter  Elastinkörnchen.  geschieht. 

Eine  Arbeit  von  Deutschmann,  welche  den  Arytänoidknorpel  des 
Rindes  zum  Gegenstand  nahm  (1873),  schloß  sich  der  Arbeit  0.  Hert- 
wig's an  und  kam  im  wesentlichen  zu  dem  gleichen  Resultat,  indem 
sie  die  Bildung  der  Faserwerke  von  den  Zellen  ausgehen  ließ;  nur 
ließ  Deutschmann  dieselbe  in  der  Knorpelkapsel,  die  er  als  modi- 
fizierte periphere  Plasmaschicht  der  Zelle  deutet,  vor  sich  gehen,  und 
zwar  anfänglich  in  der  Art,  daß  sich  in  der  Kapsel  feine  Elastin- 
körnchen bilden  und  zu  feinkörnigen  Leisten  —  eben  den  jungen 
elastischen  Fasern  —  zusammenordnen.  Ranvier  in  seinem  Traite 
d'Histologie  (p.  411—412)  sprach  sich  nach  Untersuchungen  am  Ary- 
tänoidknorpel des  Hundes,  ähnlich  Deutschmann  (s.  oben),  dahin 
aus,  daß  die  elastische  Substanz  zuerst  in  Form  von  feinen  Körnchen 
in  der  Peripherie  der  Zellen  angelegt  werde  (Fig.  146  1.  c).  die  dann 
leistenförmig  zusammenfiössen  und  die  elastischen  Fasern  bildeten. 
Schwalbe  (1877)  hat  diese  Anschauung  dahin  kritisiert,  daß  die 
RANViER'schen  Körner  auch  Kuustprodukte  sein  könnten,  wie  sie  bei 
prolongierter  Maceration  in  Chromsäure-  und  Osmiumsäurelösungen 
aus  elastischen  Fasern  durch  Zerfällung  entstehen.  Doch  ist  diese 
Kritik  vielleicht  zu  hart,  da  ja  auch  Deutschmann,  der  diese  Mittel 
nicht  anwandte,  die  Körnchen  gesehen  hat.  Reinke,  einer  der  neuesten 
Autoren  über  die  Genese  elastischer  Fasern  (l'^94),  scheint  ebenfalls 
für  eine  primäre  Ablagerung  des  Elastins  in  Form  von  Körnchen  zu 
sein,  obgleich  er  dies    nicht    direkt   ausspricht,  sondern    nur   auf  das 


12 


W.  Flemming. 


Vorkommen  reichlicher,  wie  die  jungen  elastischen  Fasern  tingierbarer 
Körnchen  in  den  betreffenden  Zellen  hinweist,  Körnchen,  die  auch  ich 
(1897.  Tai".  5,  Fig.  2,  3,  4)  in  denselben  gesehen  habe. 

Gegen  eine  erste  Anlage  des  Elastins  in  körniger  Form  sprechen 
auch  nicht  die  neueren,  höchst  interessanten  Befunde,  die  man  über 
die  Entstehung  elastischer  Fasern   im  Netzknorpel   gemacht  hat  (Leo 


Um  Wandelung 


ganzer 


erste    derartige    Beobachtung    gehört   Deutschmann  (1.  c), 
im   Arytänoidknorpel   des   Rindes    Zellen    fand, 


feinfaserige  Masse 


derer  ganze 
umgewandelt 


Gerlach  ,    A.    Spuler)  ,    Befunde     direkter 
Knorpelzellen  in  Elastinsubstanz. 

Die 
welcher 

Substanz  in  eine  diflus  körnige  oder 

war,  und  deren  Faserausläufer  zum  Teil  mit  denen  anderer  Zellen 
von  gleicher  Beschaffenheit  anastomosierten.  Deutschmann  läßt,  ent- 
sprechend seiner  oben  angeführten  Anschauung,  die  körnigen  Zustände 
den  faserigen  vorangehen  und  die  von  der  Zelli)erii)herie  (Kapsel) 
ausstrahlenden  Fasern  aus  anfänglich  in  dieser  Kapsel  —  „in  dem 
körnigen  Kapselkontur",  wie  er  sich  ausdrückt —  entstehenden  Körnchen 
zusammengereiht  werden.  Leo  Gerlach  widmete  solchen  Zellen  im 
Arytänoidknorpel  des  Rindes  an  Goldpräi)araten  eine  genauere  Unter 
(1878).     Er    nennt    die    betreffenden    Zellen 


suchung 


„Faserkugeln" 


Fig.  5.     „Faserkugeln"  nach  L.  Gerlach  (1878). 


solche  können,  unter  Schwinden  des  Kernes,  vollständig  in  elastische 
Substanz  umgewandelt  werden.  Die  Grundlage  der  letzteren  tritt  auf 
in  Form  kleiner,  körniger,  mit  der  Goldmethode  sich  grau  färbender 
Scheibchen,  die  dem  Zellprotoplasma  außen  sich  anlagern,  von  welchen 
Scheibchen  schon  bei  ihrer  ersten  Anlage  strahlenartig  abgehende  Fasern 
gebildet  werden  können  oder  später  gebildet  werden.  Diese  Scheibchen- 
anlagen vergrößern  sich  und  fließen  um  die  Zelle  her  zusammen, 
indem  sie  auf  Kosten  von  deren  Substanz  anwachsen.  „So  viel'',  sagt 
Gerlach  (p.  109  1.  c.)  „ist  sicher,  daß  aus  der  Körnelung   elastische 


Fasern  hervorgehen,  da  man 

aus  ihr  hervortreten  sieht." 

erste  Anlage  der  Fasern  um 

plasma,    die   sich    zu   P'asern   veremigen, 

Plasma   der  Zelle  aufgebraucht  wird.     A 

Arytänoidknorpel    des   Rindes   an    feinen 


letztere  bald  in  derselben  verlaufen,  bald 

Also  auch   nach  ihm   handelt  es  sich  als 

von  Elastinkörnern  im  Proto- 

wobei    dann    allmählich    das 

Spuler  (1895),  welcher  am 

Schnitten    (.')— 10//)  mittelst 


die  Bildung 


Die  Histogenese  der  Stützsubstanzen  der  Bindesnbstanzgruppe.      13 

Cami)eclie-,  Alaun-,  Safranin-  und  Orceinfärbung  untersuchte,  gelangte 
zu  Ergebnissen,  die  im  wesentlichen  bestätigend  für  die  Gerlach- 
schen  sind:  er  fand,  daß  die  elastischen  Elemente  „von  den  Zellen 
selbst  gebildet  werden,  daß  aber  die  Bildung  nicht  von  dem  eigentlichen 
Zellleib  auszugehen  braucht,  sondern  daß  auch  diskontinuierlich,  an 
entfernteren  Stellen  des  Netzwerks  in  der  Grundsubstanz  der  Bildungs- 
prozeß statthaben  kann"  (p.  12  —  13  1.  c).  Denn  für  die  Existenz  der 
von  Gerlach  gefundenen,  mit  den  Zellen  in  Zusammenhang  befindlichen 
elastischen  Netzwerke  tritt  auch  Spuler  entschieden  ein.  Unter 
Zugrundelegung  der  HANSEN'schen  Anschauungen  (s.  alsbald  unten) 
ergiebt  sich  für  dieses  Verhalten,  für  die  anscheinende  Bildung  von 
elastischen  Fasern  in  der  Grundsubstanz  entfernt  von  Zellkörpern, 
ein  volles  Verständnis. 

Der  neueste  Autor  über  die  Entwickelung  der  Stützsubstanzen 
ist  Fr.  C.  C.  Hansen  ^).  Er  hat  das  große  Verdienst,  der  definitive 
Begründer  ^)  einer  Betrachtungsweise  zu  sein,  welche  geeignet  ist,  den 
Streit  zwischen  den  Anhängern  cellulärer  und  intercellulärer  Fibrillen- 
bildung  zur  Versöhnung  zu  bringen,  so  weit,  wie  dies  nach  dem 
Obigen  überhaupt  noch  erforderlich  erscheint.  Diese  Anschauung  — 
die  im  Obigen  schon  mehrfach  Erwähnung  gefunden  hat  und  der  ich 
mich,  wie  dort  gesagt,  anschließen  möchte  —  geht  dahin,  daß  die 
embryonale  Bindesubstanzzelle  zunächst  an  ihrer  Peripherie  eine 
mantelförmige  Anlagerung  bildet,  Ektoplasma  von  Hansen  genannt, 
welche  durch  stärkeres  Lichtbrechungsvermögen  ausgezeichnet  ist,  und 
in  welcher  sowohl  Fibrillenbündel  als  elastische  Fasern  entstehen 
können  ^).  Da  sich  dieses  Vermögen  der  Ektoplasmen,  faserig  ge- 
formte Intercellularsubstanzen  zu  bilden,  relativ  lange  erhalten  kann, 
so  lassen  sich  solche  Fälle,  in  welchen  man  solche  anscheinend  frei  in 
der  Grundsubstanz  entstehen  sieht,  wie  z.  B.  im  Knorpel,  ausreichend 
erklären.  Es  ist,  um  es  in  andere  Worte  zu  fassen,  die  Intercellular- 
substanz  der  Stützsubstanzen  ein  zusammenhängendes  Verschmelzuugs- 
produkt  der  von  den  Bildungszellen  geschaffenen  Ektoplasmen,  welches 
zu  vitalen  Prozessen,  wie  zur  Faserbildung,  noch  relativ  lange  be- 
fähigt bleibt. 


1)  1898,  1899  und  (zusammenfassendes  Werk)  1900.  Größtenteils  nach  den 
dem  letzteren  voraagehenden  Arbeiten  (1898,  1899)  referiert.  Die  zusammenfassende 
Arbeit  enthält  (im  ersten  Abschnitt)  eine  reichhaltige  Besprechung  der  physiologischen 
Chemie  der  Gruudsubstanzen  des  Knorpels  und  der  übrigen  Bindesubstanzen,  be- 
sonders mit  Hinsicht  auf    die  Forschungen  MöRNER's,   Hammar's,  Ewald's  u.  a. 

2)  Daß  eigentlich  bereits  Spuler  (1895)  die  Idee  begründet  hat,  daß  die 
Produktion  von  Fibrillen  nicht  bloß  von  den  Zellen  selbst,  sondern  vermittelst  von 
ihnen  produzierter  ,,AußenzoDen"  in  der  Grundsubstanz  besorgt  werden  könne,  ist 
wenige  Seiten  weiter  unten  besj^rochen. 

3)  1899,  Anatom.  Anzeiger,  Bd.  16,  p.  419:  „Das  Ektoplasma  bildet  nun  auch. 
Bindegewebsfibrillen,  und  eine  Weile  findet  man  gleichzeitig  das  Endo-  und  Ekto- 
plasma an  deren  Bildung  beteiligt,  aber  relativ  schnell  wird  diese  Funktion,  die 
Bildung  von  collagenen  Fasern,  von  der  peripheren  Schicht,  dem  Ektoplasma,  allein 
übernommen,  dagegen  man  an  einigen  Zellen  bisweilen  noch  an  späteren  Stadien 
noch  eine  oder  mehrere  echte  elastische  Fasern  von  Endoplasma-Ausläufern  ent- 
springen sieht".  Diese  Stelle  bezieht  sich  auf  den  Knorpel  der  Intervertebralscheiben, 
an  welchem  Hansen  vorzüglich  gearbeitet  hat.  Hansex  erkennt  also  ausdrücklich 
an,  daß  sowohl  zu  Anfang  das  Endoplasma  allein  im  stände  ist,  Fibrillen  zu  bilden, 
als  später  und  auf  längere  Dauer  das  aus  jenem  entstandene  Ektoplasma;  was  mit 
meinen  Angaben  stimmt,  nach  welchen  die  erste  Bildung  von  Fibrillen  in  den 
Zellenleib  selbst  (i.  e.  Endoplasma)  zu  verlegen  ist. 


14 


W.  Flemming. 


In  (liesein  Sinne  habe  ich  den  Ideen  Hansen's  beitreten  können. 
Denn  ich  habe  erstens  stets  betont,  daß  die  erste,  früheste  Bildung 
von  Fibrillen  auftritt  in  der  peripheren  Schicht  (nicht  gerade  „auf 
der  Obertiäche"  der  Bindegewebszellen,  wie  es  Lwoff  wollte),  was 
also  mit  Hansen's  Ektoplasmabildung  ziemlich  übereinkommt.  Ich 
habe  aber  ferner  stets   daran  festgehalten,  daß    die  Intercellularmasse 

der  Stützsubstauz  ein  mit  leb  en- 
der, dem  EinÜuß  des  Stoffwechsels 
der  Zellen  dauernd  unterworfener 
Teil  des  Gewebes  ist,  dessen  blei- 
bende Befähigung  zur  Produktion 
neuer ,     faseriger    Strukturen    des- 


Ectopl. 


Einst  Fasern 


r^^wt»^- 


Grundsubsf  £ictopi    Tv 

Fig.  6.  Fig.  7. 

Fig.  6  und  Fig.  7.    Nach  Hansen,  Anat.  Anzeiger,  1899. 


halb  nicht  ausgeschlossen  ist.  Dies  namentlich  gegenüber  den  Aus- 
sagen Weigert's  (1896),  in  welchen  die  Intercellularsubstanzeu  für 
tot  erklärt  werden,  weil  sie  „keine  Eiweißkörper  mehr  seien,  was  sie 
doch  als  lebende  Substanzen  sein  müßten,  sondern  aus  einem  viel 
'abilen  Material,  als   diese,  beständen".     Ich   sehe   nicht   ein. 


weniger 


warum  ein  Ding,  um  zu  leben,  d.  h.  um  einen  Stoffwechsel  zu  haben, 
notwendig  ein  Eiweißkörper  sein  muß,  und  eitlere  hier  das,  was  ich, 
noch  vor  der  Mitteilung  von  Hansen's  Ergebnissen  und  Anschauungen, 
gegenüber  Weigert's  angeführter  Stelle  geäußert  habe  (181*7):  „Wei- 
gert giebt  (als  Grund  für  seine  Meinung)  an,  daß  die  Intercellular- 
substanzeu Albuminoide  und  keine  Eiweißkörper  mehr  seien,  was  sie 
doch  als  lebende  Substanzen  sein  müßten ;  sie  beständen  aus  einem 
viel  weniger  labilen  Material  als  diese.  In  diesem  Schluß  kann  ich 
meinem    hochverehrten    Kollegen    nicht   folgen.     Ich    sehe    nicht    ein. 


warum  der  Begriff  des  Lebens  notwendig  nur  an  die  Marke  „Eiweiß- 
körper" geknüpft  sein  muß ;  ich  gebe  vollkommen  zu,  daß  die  lebendigen 
Stoff  Wechselvorgänge,  wenn  sie  auch  in  den  Intercellularsubstanzeu 
spielen,  hier  viel  träger  sein  werden  als  in  den  Zellen,  daß  sie  aber 
in  den  ersteren  ganz  fehlen  sollten,  daran  habe  ich  nie  gedacht  und 
möchte  einen  Beweis  dafür  doch  erst  abwarten.  Weigert  scheint 
einen  solchen  darin  sehen  zu  wollen,  daß  die  feinen  Forinteile  der 
Intercellularsubstanzeu  (also  P'ibrillen  und  elastische  Fasern)  sich  post 
mortem  lange  in  der  Form  erhalten,  die  Eiweißkörper  nicht.  Das 
kommt  aber  ganz  auf  die  Behandlung  an.  Ein  Stück  Leder  würde 
sich  auch  nicht  so  erhalten,  wenn  es  nicht  gegerbt  wäre.  In  einer 
Mumie   sind   die   aus  Eiweißkörpern   bestehenden  Teile  ja   auch   sehr 


Die  Histogenese  der  Stützsubstanzen  der  Bindesubstanzgruppe.      15 

dauernd  erhalten,  und  in  einem  gut  fixierten  mikroskopischen  Prä- 
parat sind  die  Zellen  auf  die  Dauer  ebenso  schön  konserviert,  wie  die 
Fibrillen  im  Leder.  Ich  werde  natürlich  wegen  dieser  Konservierung 
die  Fibrillen  in  einer  Schuhsohle  so  wenig  für  lebendig  halten,  als 
ich  Weigert  zumuten  möchte,  daß  er  einen  Rückenmarksschnitt  für 
lebendig  hält.  Beide  Dinge  beweisen  eben  nur,  daß  wir  Körper- 
bestandteile in  totem  Zustand  gut  und  lange  zu  erhalten  vermögen, 
sie  beweisen  aber  nichts  dagegen,  daß  diese  in  beiden  Fällen  einst 
gelebt  haben  können." 

Ein  Objekt,  welches  Hansen  seinen  Untersuchungen  besonders 
zu  Grunde  legte,  sind  die  Knorpel  der  Intervertebralscheiben  (an 
Kalbsföten  von  40—70  cm  Länge),  in  ihren  tieferen  weicheren 
Partien;  ich  habe  einige  seiner  Bilder  von  Knorpelzellen  (Fig.  (3  und 
Fig.  7)  hier  wiedergegeben,  welche  das  Endo-  und  Ektoplasma  der- 
selben und  ihre  fibrilläre  bezw,  elastische  Umwandlung  zeigen.  Hansen's 
Figuren  im  Anatomischen  Anzeiger  1899  (Fig.  5 — 13)  thun  dar,  wie  der 
ganze  Zellenleib  i.  e.  das  Eudoplasma  in  die  Bildung  kurzer,  starrer 
Fibrillen  aufgehen  kann,  und  wie  im  elastischen  Netzknorpel  (Arytänoid- 
knorpel,  Fig.  13),  im  Zusammenhang  mit  ehemaligen  Ektoplasraen, 
in  der  Grundsubstanz  eingestreute  sternförmige  Bildungen  verbleiben 
.,fibrillogene  Sterne",  Hansen),  welche  dann  gleichzeitig  Bindegewebs- 
fibrillen  und  elastische  Fasern  aus  sich  entwickeln  können. 

„Die  Verhältnisse,  welche  ich  beschrieben  habe",  sagt  Hansen, 
„zeigen,  wie  mir  scheint,  unzweifelhaft,  daß  die  Grundsubstanzen  ebenso 
gut  wie  die  Zellen  als  ,lebendig'  betrachtet  werden  müssen,  d.  h.  daß 
sie,  innerhalb  gewisser  Grenzen  von  den  Zellen  unabhängig,  ,formative 
Thätigkeit'  entfalten  können."  Aber  ich  muß  dies  doch  immer  dahin 
verstehen,  daß  die  Grundsubstanzen,  die  solches  thun,  wie  in  specie 
die  eben  erwähnten  sternförmigen  Bildungen,  doch  ihren  Ausgang 
genommen  haben  oder  haben  können  von  ehemaligen  Ektoplasmen 
von  Zellen,  die  ihrerseits  von  deren  Endoplasmen  aus  gebildet  sind; 
so  daß  ich  in  Hansen's  Arbeiten,  trotz  der  eben  citierten  Stelle,  bis 
jetzt  keinerlei  Widerspruch  mit  der  Theorie  Max  Schultze's  zu 
finden  im  stände  bin. 

Hansen  selbst  erkennt  dies  an,  indem  er  (1.  c.  p.  421)  äußert: 
„Die  Verhältnisse,  welche  ich  hier  an  einem  und  demselben  Gewebe 
und  Ort  (den  Intervertebralscheiben)  gefunden  habe,  stehen  ja  einer- 
seits in  der  schönsten  Uebereinstimmung  mit  der  intracellulären  Genese 
der  Bindegewebsfibrillen,  wie   sie  zuerst  einwandsfrei   von  Flemming 

(1901)  nachgewiesen  wurde  ^),  andererseits  schlagen  sie eine 

Brücke  zu  der  extracellulären  Entwickelung  der  Bindesubstanzen  (i.  e. 
ihrer  Fibrillen),  wie  sie  beispielsweise  v.  Ebner  an  der  Chorda- 
scheide von  Ammocoetes  u.  a.  konstatiert  hat." 

Es  sei  noch  auf  die  Bemerkungen  verwiesen,  welche  Spuler  in 
neuester  Zeit  (1899)  an  die  Mitteilung  von  Hansen's  Resultaten  ge- 
knüpft hat  (1899,  Beitrag  zur  Histiogenese  des  Mesenchyms,  p.  13  ff.). 
Sie  beziehen  sich  auf  Spuler's  eigene  Untersuchungen  am  Knorpel 
(1895)  und  Knochen.  Nach  ihnen  sind  bei  ersterem  die  Zustände, 
bevor  der  Organismus  Fibrillen  bildet,  von   denen   zu   unterscheiden, 


1)  Ich  möchte  Heber  sagen:  v.  Boll  (1872),  denn  meine  Arbeit  von  1891 
war  diesem  gegenüber  nur  eine  Nachuntersuchung  an  einem  neuen,  besonders 
dankbaren  Objekte  zu  nennen. 


16  W.  Flemming, 

die  sich  von  dieser  Zeit  an  finden.  In  ersteren  bilden  die  Zellen  „Anßen- 
zonen"  von  Grundsubstanz,  ganz  entsprechend  dem  HANSEN"schen, 
„Ektoplasma",  welche  sich  nachher  von  den  Zellen  ablösen  und  ,,selb- 
ständiger  forniativer  Prozesse  fähig  zu  denken  sind"  (am  cit.  Orte 
1899).  Spuler  hat  sonach  schon  vor  Hansen  die  Idee  vertreten, 
daß  auf  diesem  Wege  die  Formung  von  Fibrillen  auch  noch  in  schon 
gebildeter  Grundsubstanz  stattfinden  kann.  Im  Stadium  der  Fibr..ien- 
bildung  erfolgt  dann  auch  die,  sicher  von  den  Zellen  ausgehende  Ab- 
scheidung der  Kittsubstanz  zwischen  die  Fibrillen ;  durch  sie  werden 
letztere  verdeckt  und  sind  dann  nur  schwer  sichtbar  zu  machen. 

Die  Ermittelungen  Spuler's  über  die  Ablagerung  der  Kalk- 
körnchen in  die  Kittsubstanz  am  jungen  Knochen  sind  unten  bei 
„Bemerkungen  zur  Histogeuese  der  Knochengrundsubstanz"  be- 
sprochen. 

Die  Methode,  welcher  Hansen  (neben  Methyleublautinktionen)  die 
erwähnten  Resultate  verdankt,  ist  eine  von  ihm  selbst  erfundene  (1898 
an  den  beiden  citierten  Orten)  Schnittfärbung,  die  er  besonders  am 
Knorpel  der  Intervertebralscheiben  (Rind)  anwandte.  Es  wird  eine 
wässerige  Stammlösung  von  100  g  kalt  gesättigter  Pikrinsäure  mit 
Zusatz  von  5  ccm  einer  2-proz,  wässerigen  Säurefuchsinlösung  bereitet. 
Verweilen  der  Schnitte  in  dieser  mit  Essigsäure  (^3  Tropfen  auf 
3  ccm)  angesäuerten  Farbflotte  auf  1 — 2  Min.  ist  gewöhnlich  aus- 
reichend. Der  Schnitt  wird  dann  auf  dem  Spatel  mit  'destilliertem 
Wasser,  unter  Zusatz  von  etwas  Farbflüssigkeit,  geprüft,  mit  Alkohol 
comm.  und  absolutus  entwässert  und  in  Xylol-Canadabalsam  einge- 
schlossen. Der  erwähnte  Essigsäurezusatz  darf  nur  der  angegebene 
minimale  sein.  Die  Resultate  sind :  Bindegewebe  (d.  h.  collagene  Inter- 
cellularsubstanz)  leuchtend  rot,  alle  anderen  Bestandteile  (auch  das 
„Elastin")  gelb.  —  Daneben  wurde  besonders  basische  Methylenblau- 
färbung  der  Chondromucoide  (Mörner)  benutzt. 

Bemerkung  zur  Histo genese  der  Knochengrund- 
substanz. Beim  peri-  wie  beim  endochondralen  Knochenwachstum 
ist  es  eine  und  dieselbe  Sorte  von  Zellen  der  Stützsubstanz,  welche 
die  erste  Bildung  von  collagenen  Bindegewebsfibrillen  ^)  im  Knochen, 
und  zugleich  die  Durchsetzung  von  deren  Kittsubstanz  mit  Kalksalzen 
in  feinster  Körnchenform  vermittelt.  Diese  Zellen  sind  bekanntlich 
von  Gegenbaur  -)  entdeckt  und  als  „Osteoblasten"  bezeichnet  worden. 
Sie  sammeln  sich  (wie  notwendig  anzunehmen  ist,  unter  andauernder 
Vermehrung  durch  Teilung)  in  epithelartiger  Schicht  in  einer  innersten 
(dritten)  Lage  des  Perichondriums  (oder  späteren  Periosts)  an,  und 
sie  dringen  beim  endochondralen  Knochenwachstum,  die  in  den  Knorpel 
wachsenden  Blutgefäße  begleitend,  in  die  primären  Markräume  vor. 
Für  die  Anwesenheit  von  Osteoblasten  wird  also  überall  gesorgt,  wo 
Knochengrundsubstanz  gebildet  werden  soll,  und  wir  können  diese 
Zellen  für  homolog  den  fibrillenbildenden  des  Bindegewebes  halten, 
abgesehen  davon,  daß  sie  außerdem  auch  noch  die  Ablagerung  der 
Kalksalze  in  die  Kittsubstanz  ^j  der  Fibrillen,  in  noch  nicht  näher 
bekannter  Weise,  besorgen. 


1)  Ich    setze    als   bekannt    voraus ,  daß  nach  v.   Ebxer's   Entdeckung    (1876) 
die  Gnmdsubstanz  des  Knochens   aus   leiragebenden  Fibrillenbündeln  aufgebaut  ist. 

2)  Zeitschr.  rat.  Med.,  3.  R.  Bd.  18,  p.  ßl. 

3)  Xach  V.  Ebner  (1887)  ist  anzunehmen,  daß    die   feinen  Kalkkörnchen  des 
Knochens  nicht  in  den  Fibrillen,  sondern  in  deren  Kittsubstanz  gelegen  sind. 


Die  Histogenese  der  Stützsubstanzen  der  Bindesubstanzgruppe.      17 

Es  sind  relativ  kleine,  dunkel  und  sehr  feinfaserig  aussehende, 
nach  Chrom-  oder  Pikrinsäurefixierung  stark  mit  Karmin  färbbare 
Zellen,  die  an  ihrer  Peripherie  eine  aus  Knochenfibrillen  und  ver- 
kalkter Kittsubstanz  bestehende  Schale  ausscheiden  oder,  wohl  besser, 
aus  ihrer  Substanz  formen  und  dabei  selbst  fest  in  diese  junge 
Kno^henschale  eingeschlossen  werden,  indem  gegenseitige,  die  benach- 
bartbii  Zellen  verbindende  Ausläufer  darin  offen  bleiben,  die  Ausläufer 
der  persistierenden  Knochenzellen. 

Daß  dies  das  Wesen  des  Vorganges  ist,  können  wir  nur  schließen ; 
ihn  direkt  zu  beobachten,  ist  bis  jetzt  nicht  wohl  möglich. 

Doch  drängen  die  neuesten  Beobachtungen  Spuler's  (99,  p.  16) 
am  jungen  Knochen  zu  der  Annahme  hin,  daß  zunächst  die 
iibrilläre  Grundsubstanz  gebildet  wird  —  indem  dabei  das  Collagen, 
wie  die  P'ärbungen  mit  Rubin  S  zeigen,  im  Zellleib  selbst  gebildet 
resp.  vorgebildet  wird  —  und  dann,  zweitens,  die  Zwischenlagerung 
einer  kalkhaltigen  Kittsubstanz  stattfindet.  Nach  Vergleich  von 
Hämotoxylin-,  Eosin-  und  Karminfärbungen  hält  Spuler  sich  zu  der 
Annahme  berechtigt,  „daß  die  bei  ersterem  Verfahren  sich  schwarz 
färbenden  Massen  den  organischen  Rest  darstellen,  mit  dem  die  bei 
der  Entkalkung  entfernten  anorganischen  Salze  verbunden  waren". 
,,Es  liegt  also  bei  wachsenden  Knochenbälkchen  eine  unverkalkte 
Schicht  um  die  schon  verkalkte  herum."  „Häufig  begegnet  man  Bildern, 
bei  denen  s'  h  jene  schwarzen  Körnchen  an  den  feinen  Protoplasma- 
fortsätzen der  Osteoblasten  befinden.  Sie  werden  offenbar  so  an  die 
Stelle  transportiert,  wo  sie  abgelagert  werden"  (Spuler,  1.  c). 

Für  den  äußerlichen,  gröberen  Habitus  des  späteren  und  post- 
fötalen, peri-  und  endochondralen  Knochenwachstums,  sowie  für  die 
Kontroverse,  ob  ein  interstitielles,  oder  lediglich  endochondrales  und 
appositionelles  Wachstum  existiert,  erlaube  ich  mir,  auf  die  Hand-  und 
Lehrbücher  der  Histologie  zu  verweisen  (Ausgangspunkt:  Rollett's 
Zusammenfassung  in  Stricker's  Handbuch  der  Lehre  von  den 
Geweben). 

NomeiiMatorischer  Anhang;. 

Zur  Frage  nach  der  zweckmäßigsten  Benen  n  ungs  weise  der 
Stützsubstanzgewebe  und  ihrer  Intercellularmassen  ist  in  neuester 
Zeit  eine  wichtige  Meinungsäußerung  von  Waldeyer  (1900),  unter 
dem  Titel:  „Kittsubstanz  und  Grundsubstanz,  Epithel  und 
Endothel"  hervorgetreteil,  welche,  wie  mir  scheint,  an  diesem  Orte 
nicht  unerwähnt  bleiben  darf.  Waldeyer  findet  mit  Recht,  daß  in 
der  neueren  Litteratur  die  Namen  „manchmal  wahllos  und  ziellos  zur 
Verwendung  kommen",  und  schlägt  zur  Abstellung  dessen  die  folgende 
Beneunungsweise  vor,  die,  was  auch  dagegen  eingewendet  werden 
mag  (s.  z.  B.  den  neuen  Aufsatz  Schaffer's  „Grundsubstanz,  Inter- 
cellularsubstanz  und  Kittsubstanz",  1901)  jedenfalls  den  großen  Vorteil 
der  Einheitlichkeit  bieten  würde.  Die  Anschauungen  Waldeyer's 
sind  niedergelegt  in  dem  „Cinquantenaire  de  la  Societe  de  Biologie, 
Vol.  jubilaire  public  par  la  Societe.  Paris  1899,  Masson  et  Co. 
p.  531  ff.  und  in  Arch.  mikr.  Anat.  Bd.  57,  1800,  p.  1.  Der  Ver- 
fasser empfiehlt,  den  Namen  „Kittsubstanz"  ganz  aus  der  Nomen- 
klatur zu  streichen.  Es  könne  nur  zu  Verwirrungen  führen, 
wenn  man  beim  Knochen-  und  Knorpelgewebe  von  einer  „Grund- 
substanz" oder  „Intercellularsubstauz"  spreche,  beim  faserigen  Binde- 
Handbach  der  Entwickelungslehre.    III.  2.  2 


18  W.  Flemming, 

gewebe  aber  von  einer  „interfibrillären  Kittsubstanz".  Was  hier  die 
Fibrillen  zusammenhalte,  sei  histologisch  und  genetisch  dieselbe  Grund- 
substanz wie  beim  Knochen  oder  Knorpel,  nur  nach  der  Konsistenz 
und  nach  einzelnen  chemischen  Eigenschaften  verschieden.  Waldeyer 
schlägt  die  folgende  Nomenklatur  vor:  „Die  ganze  hierhergehörige 
Gewebsgruppe  heiße :  „ G  r  u  n  d  s  u  b  s  t  a  n  z  g  e  w  e  b  e"  von  demjenigen 
ihrer  Bestandteile,  welcher  sie  den  anderen  Grundgeweben  des  Körpers, 
dem  Epithel-,  Muskel-  und  Nervengewebe  gegenüber  charakterisiert. 
Zu  diesen  Grundsubstanzgeweben  gehören  nun  das  Bindegewebe, 
elastische  Gewebe,  Schleimgewebe,  Knorpelgewebe,  Knochengewebe, 
Zahnbeingewebe ,  das  Pigmeutbindegewebe ,  Fettgewebe  und  das 
lymphoide  Gewebe.  Sie  alle  führen  in  mehr  oder  minderer  Masse 
eine  structurlose  Grundsubstanz ;  darunter  möge  die  basophile  amorphe 
„Zwischensubstanz''  („Kittsubstanz")  Tillmanns,  Hansen)  verstanden 
werden.  Ferner  führen  sie  meist  Fibrillen  von  besonderer  Feinheit 
und  mehr  starrem  Verlaufe,  die  keine  Bündel  bilden  und  am  frischen 
Präparat  fast  stets  unsichtbar,  d.  h.  in  der  Grundsubstanz  „maskiert" 
sind  (wegen  der  gleichen  Lichtbrechung  mit  dieser);;  diese  Fibrillen 
nenne  ich  „Grün dfib rillen".  Da  es  nun  erwünscht  ist,  Grund- 
fibrillen  und  Grundsubstanz,  welche  an  frischen  oder  auch  an  er- 
härteten Präparaten  eine  nicht  weiter  auflösbare  Einheit  bilden,  mit 
einer  besonderen  Benennung  zu  versehen,  so  möge  dieser  Komplex, 
den  manche  als  „Grundsubstanz"  bezeichnen,  mit  dem  alten  Namen 
„Intercellularsubstanz"  belegt  werden.  Damit  wird  zugleich  angezeigt, 
daß  Zellen  dieser  Substanz  eingelagert  sind. 

Die  „Zellen",  welche  nun  den  dritten  Bestandteil  der  Grund- 
substanzgewebe darstellen,  sollen  in  allgemeiner  Bezeichnung  den 
Namen  „ G  r  u  n  d  s  u  b  s  t  a  n  z  z  e  1 1  e  n"  führen.  Sie  unterscheiden  sich 
in  die  vielerlei  Arten  der  fixen  und  beweglichen  Grundsubstanz- 
zellen. Als  vierter  Bestandteil  wären  dann  diejenigen  „Fasern"  zu 
nennen,  die  am  frischen  Präparat  nicht  „maskiert"  sind,  also  die 
CO  IIa  gen  en  und  elastischen  Fasern.  Diese  „sichtbaren"  Fasern 
schlägt  Waldeyer  vor  „In ter cell ular fasern"  zu  nennen,  da  sie 
in  der  Intercellularsubstanz  liegen.  Kurz  zusammengefaßt,  wären  also 
die  Bestandteile  der  Grundsubstanzgewebe:  1)  die  Zellen  (Grund- 
substanz z  e  1 1  e  n),  2)  die  Intercellularsubstanz,  3)  die  I  n  t  e  r  - 
cell  ular  fasern.  Die  Intercellularsubstanz  bestände  wiederum  aus 
der  Grundsubstanz  und  den  Grün dfib rillen."  (Citiert  aus 
der  Publikation  Waldeyer's  von  1900,  Litt.-Verz.  p.  7  und  8). 


Litteratur. 

Baur,     Die  Enhvickehmg  der  Binde  Substanz.     Tübingen  1858. 

Boll,  Fr,  Untersnchungen  über  den  Bau.  und  die  Enticickeliing  der  Gewebe.  Arch. 
mikr.  Anat.  Bd.  VIII.  Zweite  Abteilung :  Die  Entioickelung  des  fibriUären  Binde- 
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Breslauer.  Ueber  die  Entwicklung  des  fibriUären  Bindegewebes.  Arch.  mikr.  Anat. 
Bd.    V.  f.  513.    1869. 

Brück.      Ueber  Bindegev^ebe.     Zeitschr.  wiss.  Zool.  Bd.  III,  p.  151.  1854. 

—  Die  Diagnose  der  bösartigen  Geschwülste.     Mainz  1847. 

lietitschniann.     Reichert  und  du  Bois  Reymond's  Arch.  p.  732.  1885. 

Bonders.     Zeitschr.  wiss.  Zool.  Bd.  III.  p.  348.  1853. 

ßrunitnond.  Researches  on  the  mode  of  development  of  the  tissnes  in  the  mammalian 
body.     Monthly  .lourn.   Oct.  1853.     '(S.  Henle's  Jahresber.  1853.  p.  28.). 


Die  Histogenese  der  Stützsubstanzen  der  Bindesubstanzgruppe.     19 

V.  Ebner.  Ueber  den  feineren  Bau  der  Knochensicbstanz.  Wien.  Sitz.-Ber.  M.-n.  Kl. 
Bd.  LXXII.  Abt.  3.  1876. 

—  Die  Chorda  dorsalis  der  niederen  Fische  und  die  Entwickeluny  des  fibrillären  Binde- 

gewebes.     Zeitschr.  tuiss.  Zool.  Bd.  LXII.  1896. 

—  Sind    die    Fibrillen    der    Knochensubstanz    verkalkt    oder    nicht  f     Arch.    mikr.    Anat. 

Bd.  XXIX.  1887. 

Evcolani.  Osservazioni  sulla  strvttura  normale  e  sulle  alterazioni  patologiche  del  tessuto 
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H.  Bonnet.  Kap.    VIII.  p.  263—264.  1897. 
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Jahrb.  Bd.  IV.  p.  87.  Suiiplem.  1878. 
Hamtnar,  J.   Aug.      Ueber   den   feineren   Bau   der    Gelenke.     I.    Die    Gelenkmembran. 

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Hansen,  Fv.    C    C.     En   paalidelig  Methode    til    Farvning   af  Bindevaevdl.     Hospital- 

tidende  (Kjöbenhavn) .  1898. 

—  Eine  zuverlässige  Bindegeivebsfärbiing.     Anat.  Anz.  Bd.  XV.  1898. 

—  Anat.  Anz.  Bd.  XVI.  p.  417.  1899.    Auch:    Verhandl.  der  Anat.  Gesellsch.  Kiel  (12.) 

und   Tübingen  (13.  Versammlung). 

—  Gm   Udviklingen  af  Grundsubstanser  i  Bindevaevsgruppen.    Foredrag  Biologisk  Selskab 

Kjöbenhavn,  9.  Febr.  1899. 

—  Undersögelser    over    Bindevaevsgruppen.     1.    Del.    Den     hyaline    Bruskgrimdsubstans. 

Kjöbenhavn,  Wilhelm  Priors's  Hofboghandel,  1890.  Doctordissertation.  Zusammen- 
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Henle,  J.     Allgem.  Anat.  p.  197  u.  379.  1841. 

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—  Ebenda.  Bd.  XL  Supplement. 

V.  Hessling.     Illustr.  med.  Zeit.  1852  (s.  Henle's  Jahresber.  1852  n.  1854). 
Kilian.     Die  Struktur  des   Uterus  bei  Tieren.     Zeitschr.  f.  rat.  Med.  Bd.    VIII.    1849. 
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Bd.    VL  1867. 
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2* 


20  W,  Flemming,  Die  Histogenese  der  Stützsubstanzen  etc. 

Schaffer,  «7.     Der  feinere  Bau   und   die  Entwickelung    des  Schivanzflossenknorpels   von 
Pctromyzon  und  Ammocoetes.     Vorl.  3Iitt.  Anat.  Am.  Bd.  XIX,  Xo.  1.  j)-  ^0.  1901. 

—  Grundsubstanz,  Intercellularsubstanz  imd  Kittsubstanz.    Ebenda  Xo.  S  u.  4.  ]).   95. 
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wickelungsgesch.  Bd.  II.  p.  236.  1877. 
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Spuler,  A.      Ueber  Bau  und  Entstehung  des  elastischen  Knorpels.    Sitz.-Ber.  der  Phys.- 

med.  SocietM  zu  Erlangen.  Heft  27.  1895, 

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p.   9.   Taf.  II.   1877. 
Valentin.    In  B.   Wagner' s  Handwörterbuch  der  Physiologie,  Art.  Getuebe.  Bd.  I.  p.  670. 

1842. 
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sowie  über  Schleimgewebe.      Verhandl.  der   Würzburger  Phys.-med.    Gesellsch.  Bd.  II. 

p.  150.  1852;  ebenda  p,  314. 
Waldeyer,    W,     Kittsubstanz   und  Grundsubstanz,    Ejnthel  und  Endothel.     Arch.  mikr. 

Anat.  u.  Entw.  Bd.  LVII.  1900, 
Weigert,  C.    Neue  Fragestellungen  zur  pathologischen  Anatomie.   Dtsch.  med.  Wochenschr. 

Xo.  40.  1896. 
Young.     Zur  Anatomie  der  ödematösen  Haut.      Wiener  Sitz.-Ber.  Bd.  LVII.  1868, 


Viertes  Kapitel. 
Die  Entwickelung  des  Blutgefässsystems 

[des    Herzens    nebst    Herzbeutel    und    Zwerchfell,    der   Blut-    und 
Lymphgefässe,  der  Ljnoiphdrüsen  und  der  Milz  in  der  Reihe 

der  Wirbeltiere]. 

Von 
Professor  Hochstetter. 


Das  Herz. 

In  einem  vorhergehenden  Kapitel  wurde  gezeigt,  wie  sich  bei 
den  verschiedenen  Wirbeltieren  die  Anlage  des  Herzens  bildet  und 
wie  schließlich  bei  allen  ein  Zustand  resultiert,  in  welchem  das  Herz 
einen  einfachen  Schlauch  darstellt,  der  an  seinem  caudalen  Ende  die 
beiden  Dotterdarmvenen  aufnimmt  und  da  gewissermaßen  in  zwei 
Zipfel  auszulaufen  scheint,  während  sein  craniales  Ende  in  ein 
kurzes  Rohr,  den  Truncus  arteriosus,  der  seinerseits  wieder  in  die  beiden 
ersten  Aortenbogen  zerfällt,  übergeht.  —  Aufgabe  dieses  Kapitels  wird 
es  nun  sein,  die  Umgestaltungen  zu  schildern,  welchen  dieser  Herz- 
schlauch während  der  weiteren  Entwickelung  bei  den  verschiedenen 
Wirbeltierformen  unterworfen  ist,  und  wie  sich  aus  ihm  das  ge- 
kammerte  Herz  entwickelt. 

Fisclie. 

Selachier. 

Bei  den  Embryonen  der  Selachier  durchzieht  der  cranialwärts 
leicht  konisch  sich  verjüngende,  anfänglich  genau  in  der  Mittelebene 
und  ventral  vom  Darme  gelagerte  Herzschlauch  den  cranialsten  Ab- 
schnitt der  Leibeshöhle.  —  Seine  Wand  besteht  aus  den  beiden  für 
den  Herzschlauch  der  Embryonen  sämtlicher  Wirbeltiere  charakte- 
ristischen Schichten,  dem  Endothelrohre  und  der  mesodermalen  Herz- 
wand, w^elch  letztere,  noch  aus  einer  einfachen  Lage  von  Zellen  ge- 
bildet, durch  das  Mesocardium  posterius,  mit  der  mesodermalen  Darm- 
wand in  Verbindung  steht  (Fig.  8).  Zwischen  beiden  Wandschichten 
aber  besteht  ein  breiter  mit  Flüssigkeit  erfüllter  Zwischenraum. 


22 


HOCHSTETTER, 


E  u  t  w  i  c  k  e  1  u  11  g  der  ä u  ß  e r  e  n  Fo  r  m  des  Herzens.  Indem 
der  Herz  schlauch  rascher  in  die  Länge  wächst  als  der  ihn  beher- 
bergende Abschnitt  der  Leibeshöhle,  die  Pericardialhöhle,  beginnt  er 
sich  in  eigenartiger  Weise  zu  krümmen,  ein  Vorgang,  der  das  Zugrunde- 
gehen des  Mesocardium  posterius  zur  Folge  hat.  —  Gleichzeitig  treten 
infolge  ungleichmäßigen  Wachstumes  seiner  Wand  Einschnürungen 
und  Ausbuchtungen  an  derselben  auf,  die  uns  nunmehr  am  Herz- 
schlauch verschiedene  Unterabteilungen  unterscheiden  lassen.  Das 
caudale,  die  Dotterdarmvenen  und  später  auch  die  Ductus  Cuvieri  auf- 
nehmende Ende  des  Herzens,  der  Sinus  venosus,  ist  durch  eine  leichte 
Einschnürung  (Fig.  9a)  von  dem  nächsten,  stärker  ausgeweiteten  Teile 
des  Schlauches,  der  Vorkammer  gesondert.  —  Die  Vorkammer  selbst 
wieder,  die  wie  der  Sinus  venosus  in  ihrer  ursprünglichen  Lage 
ventral  vom  Darme  verharrt,  geht  mittelst  eines  verengten,  unter 
rechtem  Winkel  in  sagittaler  Richtung  ventral wärts  von  ihr  abbiegenden, 
ganz  kurzen  Schlauchabschnittes,  des  sogenannten  Canalis  auricularis, 
in  die  Kammerabteilung  über,  die  ihrerseits  neuerlich  in  transversaler 

Richtung  nach  rechts  abbiegt  (Fig.  9b)  um 
schließlich,  spitzwinkelig  abknickend,  cranial- 
wärts  in  das  Endstück  des  Herzschlauches, 
den  sogenannten  Bulbus  cordis,  überzu- 
/*^\w— v#^\  gehen.  —  Dieser   letztere  läßt  sich  jedoch 

l|'V^~-^_M ^„         äußerlich    nicht    scharf    von    der    Kammer- 
abteilung  sondern. 


, —  SIc.ji. 
■  m.H.w. 


V.  CO. 


JB.  CO. 


-  Atr. 


- — S.v. 


B.  CO.  - 


V.CO X 


Ca. 
Fig.  9a. 

Fig.  8.  Querschnitt  durch  die  Herzgegend  eines  Embryo  von  Aeanthias 
vulgaris  von  5  mm  Länge.  A.  Aorten.  Ch.  Chorda.  D.  Darm.  E.  Endothel- 
rohr.  3Ic.p.  Mesocardium  posterius.  m.H.W.  mesodermale  Herzwand.  Pc.H.  Peri- 
cardialhöhle. 

Fig.  9a.  L'nke  Seitenansicht  des  Herzens  eines  Embryo  von  Aeanthias 
vulgaris  von  0,2  mm  Länge.  —  Fig.  9b.  Ventralansicht  des  Herzens  desselben 
Embryo.  B.  co.  Bulbus  cordis.  Atr.  Vorkammer.  I'.  co.  Kammer.  C. a.  Canalis 
auricularis.     S.v.  Sinus  venosus. 


Indem  nun  der  Sinus  venosus  und  die  Vorkammer,  welch  letztere 
sich  immer  stärker  ausdehnt,  wodurch  die  Einschnürung  zwischen  ihr 
und  dem  Sinus  immer  schärfer  hervortritt,  in  ihrer  Lage  zum  Darme 
verharren,  während  die  Kammerabteilung  und  besonders  der  Bulbus 
cordis  immer  stärker  in  die  Länge  wachsen  und  sich  ausdehnen,  ver- 
schiebt sich  die  Kammer  immer  weiter  in  caudaler  Richtung,  bis  sie 
schließlich  größtenteils  ventral  vor  den  Sinus  venosus  zu  liegen 
kommt,  während  die  Vorkammer  in  immer  nähere  nachbarliche  Be- 
ziehung zum  Bulbus  cordis  tritt  (Fig.  10).  —  Schließlich  nimmt  dann 
das  ganze  Herz,  indem  sich  die  Vorkammer  immer  mehr  nach  beiden 


Die  Entwickelung  des  Bkitgefäßsystems. 


23 


Seiten  hin,  ganz  besonders  aber  auch  cranialwärts  ausdehnt,  die  Form 


an,  die  zum  definitiven  Zustande  hinüberführt  (Fig.  11). 

gestaltuug  des  Her  zinnern.  In  dem  Verhalten 
Endothelrohr  und  mesodermaler  Herzwand  haben  sich  in- 
ebenfalls  wichtige  Veränderungen  vollzogen.  —  Vor  allem 
im  Bereiche  des  Sinus  venosus  und  der  Vorkammer  das  aus 
emer  einfachen  Schicht  platter  Zellen  gebildete  Endocardhäutchen  der 
mesodermalen  Herzwand  innig  an,  und  zeigt  sich  letztere  im  Bereiche 
des  ganzen  Herzens  nunmehr  aus  zwei  Zellschichten  gebildet,  von 
denen  die  äußere  die  Anlage  des  Myocards  darstellt.  —  Auch  in  der 
Kammer  beginnt  sich  bald  das  Endocard  dem  Myocard  anzulegen. 


zwischen 
zwischen 
legt  sich 


—  B.  w. 


Fig.  10. 


Fig.  11. 


Ep.  My. 
Fig.  12. 

Fig.  10.    Linke    Seitenansicht   des    Herzens   eines  Embryo   von    Acanthias 
vulgaris  von  14  mm  Länge. 

Fig.  11.    Ventralansicht   des   Herzens   eines  Embryo    von  Acanthias   vul- 
garis von  22  mm  Länge. 

Fig.  12.     Querschnitt  durch  den  Bulbus  cordis  eines  Embryo  von  Acanthias 
vulgaris  von  18  mm  Länge.     B.W.  Bulbuswulst.     Ep.  Epicard.     3Iy.  Myocard. 


Die  Bulbuswülste  und  die  Entstehung  der  Semi- 
lunarklapp  en.  Im  Bereiche  des  Bulbus  cordis  und  des  Auricular- 
kauales  aber  bleiben  die  ursprünglichen  Beziehungen  des  Endocards 
zunächst  noch  erhalten.  —  Bald  treten  jedoch  an  dem  Endocard 
dieser  beiden  Herzabteilungen  eigenartige  Zellwucherungen  auf.  — 
Im  Bulbus  zeigen  sich  dieselben  zunächst  als  streifenförmige  Zell- 
auflagerungen an  der  Außenfläche  des  Endocardhäutchens,  die  wulst- 
förmige  Vortreibungen  desselben  gegen  das  Bulbuslumen  zu  bedingen. 

—  Es  sind   die  ersten  Anlagen   der  Bulbuswülste,  die   bei   Acanthias 
vulgaris  in  der  Vierzahl  auftreten  (Fig.  12). 

—  Indem  diese  Zellmassen  endocardialeu  ""'-.. 
Ursprunges  sich  rege  vermehren  und  aus- 
breiten, füllen  sie  den  Zwischenraum 
zwischen  Endo-  und  Myocard,  ein  gallert- 
artiges Gewebe  bildend,  aus.  Gleichzeitig 
treten  die  durch  diese  Gewebswucherung  be- 
dingten Bulbuswülste  immer  kräftiger  her- 
vor und  bilden  so  im  Bulbusrohre  einen  pri- 
mitiven Verschlußapparat,  der  während  der 
Diastole  der  Kammer  das  Rückströmen  des 
Blutes  in  dieselbe  verhindert,  —  Bei  Acan- 
thias vulgaris  ist  der  ventrale  Bulbuswulst 


(Fig.  13),   wie 
angegeben  hat, 
als  die  übrigen 


schon  Gegenbaur  (1894) 
stets  schwächer  entwickelt 
drei.  —  Durch  den  Rück- 


v.B.W. 

Fig.  13.  Querschnitt  durch 
den  Bulbus  cordis  eines  Embryo 
von  Acanthias  vulgaris 
von  40  mm  Länge.  Ejy.  Epicard. 
My.  Myocard.  v.B.W.  ventraler 
Bulbuswulst. 


24 


HOCHSTETTER, 


prall  der  Blutsäule  während  der  Diastole  der  Kammer  werden  nun 
zunächst  die  distalen  Enden  der  Bulbuswülste  ausgehöhlt  i)  und  so 
distale  Taschenklappen  gebildet,  die  jedoch,  wie  es  scheint,  nur  einen 
unvollkommenen  Abschluß  des  Bulbusrohres  herbeiführen,  wodurch 
es  möglich  Avird  (Gegenbaur  1894),  daß  die  ganzen  Bulbuswülste 
durch  den  rückpralleuden  Blutstrom  allmähhch  zu  Längsreihen  von 
Taschenklappen  umgestaltet  werden. 

Die  E  n  d  0  c  a  r  d  k  i  s  s  e  n  des  A  u  r  i  c  u  1  a  r  k  a  n  a  1  e  s.  An  der 
Wand  des  Canalis  auricularis  ist  es  inzwischen  ebenfalls  zur  Bildung 
von  Endocardwucherungen  gekommen,  dieselben  betreffen  seine  craniale 
und  caudale  Wand.  —  Sie  füllen  hier  rasch  den  Zwischenraum  zwischen 
Endocard  und  Myocard  aus  und  bilden  2  plastische  Kissen,  die  wir 
bei  den  meisten  Wirbeltieren  wiederfinden  und  als  Endocardkissen  des 
Auricularkanals  bezeichnen.  —  Sie  sind  ebenso  wie  die  Bulbuswülste 
im  Bulbus  als  ein  primitiver,  während  der  Diastole  der  Vorkammer 
funktionierender  Verschlußapparat  des  Auricularkanales  aufzufassen. 

Die  Entstehung  der  Muskel  trab  ekel  der  Kamm  er - 
w  and  u  n  d  d  i  e  B  i  1  d  u  n  g  d  e  r  A  t  r  i  o  v  e  n  tr  i  c  u  1  a  r  klappen.  Noch 

bevor  sich  das  Endocard  der  Muskelwand 
der  Kammer  anlegt,  beginnt  an  der 
letzteren  die  Ausbildung  von  Muskel- 
balken, die,  immer  zahlreicher  werdend, 
schließlich,  nachdem  die  Anlagerung  des 
Endocards  an  das  Myocard  längst  erfolgt 
ist,  nur  einen  verhältnismäßig  kleinen  cen- 
tralen Kammerraum  freilassen.  —  Diese 
Muskelbalken  reichen  bis  au  den  kurzen 
Auricularkanal  heran  und  stehen  mit  dessen 
Wand  besonders  seitlich  in  direkter  Verbin- 
dung,—  Nun  dehnt  sich  die  Kammer  immer 
stärker  aus,  und  es  erfolgt  von  ihr  aus  eine 
UnterhöhlungderEndocardkissen  des  Auri- 
cularkanales, die  so  zu  den  Taschenklappen 
der  Atrioventricularöffnung  umgewandelt 
werden  (Fig.  14).  —  Sie  wurzeln  an  der 
Wand  des  Auricularkanales  und  stehen 
seitlich  durch  Vermittelung  derselben  mit 
den  Fleischbalken  der  Kammer  in  Ver- 
bindung. —  Der  Canalis  auricularis  selbst  aber  bleibt  als  ziemlich 
deutlich  abgrenzbarer  selbständiger  Herzabschnitt  zeitlebens  erhalten. 
Die  Bildung  der  Sinusklappen.  Auch  die  Einschnürung 
zwischen  Sinus  venosus  und  Vorkammer  ist  inzwischen  stärker  ge- 
worden, und  die  durch  diese  Einschnürung  bedingten  Herzwandfalten 
lassen  die  beiden  rechts  und  links  an  der  Sinusmündung  in  die  Vor- 
kammer bestehenden  Sinusklappen  hervorgehen  (Rose  1890). 


—  E.K. 


Fig.  14.  Sagittalschnitt  durch 
das  Herz  eines  Embryo  von 
Acanthias  vulgaris  von 
33  mm  Länge.     E.K.  Anlage  der 

Atrioventricularklappen.     Atv. 
Vorkammer.    V.co.  Kammer.   S.v. 
Sinl^s  venosus. 


Cyclostomen. 

Sonderung  der  einzelnen  Herzabteilungen.  Beiden 
Embryonen  von  Petromyzon  buchtet  sich  (Goette  A.  B.  HI,  2)  die 
Mitte  des  Herzschlauches  frühzeitig  nach  rechts  hin  aus.    Eine  hinter 


1)  Diese  Aushöhlung  ist  bei  4  cm  langen  Embryonen  bereits  erfolgt. 


Die  Entwickelung  des  Blutgefäßsysteins.  25 

der  Ausbuchtung  auftretende  Einschnürung  scheidet  die  cranial  ge- 
legene Kammer  von  der  nach  links  sich  ausbuchtenden  Vorkammer.  — 
Eine  zweite  Einschnürung  sondert  wieder  die  Vorkammer  gegen  den 
Sinus  venosus.  —  Aber  auch  an  der  Grenze  des  späteren  Truncus 
arteriosus,  die  Grenze  dieses  Rohres  gegen  die  Kammer  bezeichnend, 
tritt  eine  leichte  Einschnürung  auf.  —  Hier  sowohl  wie  an  der  Ein- 
schnürung zwischen  Kammer  und  Vorkammer  entsteht,  gegen  das 
Lumen  des  Herzschlauches  zu  vorspringend,  je  ein  Klappenpaar 
(GoETTE,  A.  L.  III,  2;  Shipley,  A.  L.  III,  2).  —  Ein  dem  Bulbus  cordis 
der  Selachier  entsprechender  Herzabschnitt  der  den  ausgebildeten 
Cyclostomen  und  Myxinoideu  fehlt  (J.  Müller),  scheint  bei  den 
Embryonen  dieser  Tiere  nicht  einmal  in  der  Anlage  vorzukommen. 
—  lieber  das  Vorkommen  von  Endocardwülsten  und  Endocard- 
kissen,  aus  denen  sich  die  Klappen  am  Ursprünge  des  Truncus 
arteriosus  und  die  Atrioventricularklappeu  entwickeln  würden,  finden 
sich  weder  bei  Goette  noch  bei  Shipley  Angaben. 

Ganoiden. 

Ueber  die  Entwickelung  des  Herzens  der  Ganoiden  liegen  specielle 
Untersuchungen  nicht  vor,  doch  stimmt  sein  Bau  mit  dem  des  Selachier- 
herzens  in  so  vielen  wesentlichen  Punkten  überein,  daß  wohl  ange- 
nommen werden  darf,  daß  auch  seine  Entwickelung  mit  der  des 
Selachierherzens  eine  weitgehende  Uebereinstimmung  zeigen  wird. 

Teleostier. 

Entwickelung  der  äußeren  Form  des  Herzens.  Die 
Art  und  Weise,  wie  sich  bei  den  Teleostiern  der  primitive  Herzschlauch 
krümmt,  und  wie  sich  seine  einzelnen  Abteilungen  im  Anfange  zu 
einander  lagern,  ist  bei  den  verschiedenen  Formen  etwas  verschieden 
und  hängt  wohl,  zum  Teile  wenigstens,  von  der  Beeinflussung  der 
Lage  des  Herzens  durch  den  mehr  oder  weniger  stark  entwickelten 
Nahrungsdotter  ab.  —  Im  allgemeinen  kann  man  sagen,  daß  sich  der 
Herzschlauch  S-förmig  krümmt  (C.  E,  v.  Bär,  A.  L.  III,  4;  Aubert, 
A.  L.  III,  4;  SoBOTTA  1894),  während  sich  an  ihm  die  Vorkammer 
vom  Sinus  venosus  und  von  der  Kammer  durch  Ausbuchtungen  seiner 
Wand  und  entsprechende  Einschnürungen  sondert.  —  Indem  die 
Länge  und  Krümmung  des  ganzen  Schlauches  zunimmt,  wobei  die 
Kammer  mehr  nach  rechts,  die  Vorkammer  aber  nach  links  hin  zu 
liegen  kommt,  verschiebt  sich  die  Kammerabteilung  caudalwärts,  so 
daß  sie  meist  ventral  vor  die  Vorkammer  und  den  Sinus  venosus  zu 
liegen  kommt. 

Klappenapparat.  An  der  Atrioventricularöflfnung  entstehen 
2  Taschenklappen,  über  deren  Entwickelung  sich  ebensowenig  ge- 
nauere Angaben  finden,  wie  über  die  der  2  halbmondförmigen 
Klappen  an  der  Mündung  der  Kammer  in  den  Truncus  arteriosus. 

Bulbus  cordis.  Was  den  Bulbus  cordis  anbelangt,  so  erschien 
es  schon  nach  den  Angaben  von  Boas  (1880),  der  bei  einigen  Clupeiden 
und  bei  Butirinus  einen  rudimentänen  Bulbus  cordis  (Conus  arteriosus) 
nachweisen  konnte ,  in  hohem  Grade  wahrscheinhch ,  daß  bei  den 
Teleostiern  während  des  Embryonallebens  ziemlich  allgemein  ein,  wenn 
auch  recht  kurzer  derartiger  an  die  Kammer  sich  anschließender 
Herzabschnitt  zur  Anlage  kommt,  dessen  Muskulatur  aber  später  wieder 


2B 


HOCHSTETTER, 


ZU  Grunde  geht.  —  Neuerdings  hat  nun  Hoyer  (1900)  für  die  Em- 
bryonen von  Salmo  salar  das  Vorhandensein  eines  kurzen,  an  die 
Kammer  angeschlossenen  mit  Muskelbelag  versehenen  Bulbusrohres 
und  in  demselben  das  Vorkommen  zweier  Bulbuswülste  nachgewiesen.  — 
Doch  bedarf  das  Schicksal  dieses  schon  rudimentär  angelegten  Bulbus 
noch  einer  genaueren  Aufklärung. 


Fig.  15a.  Fig.  lob. 

Fig.  15a.  Ventralansicht  des  Her- 
zens eines  Embryo  von  Sala- 
mandra  atra  von  5,5  mm  Länge. 

Fig.  15b.  Dorsalansicht  desselben 
Herzens  (beide  Figuren  nach  einer 
Linearkonstruktion  j. 


Ami)hibieii. 

Urodelen. 

Sondern  ng    der    einzelnen    Herz  ab  schnitte.      Bei   den 
Urodelen    erfolgt    die    Ausgestaltung    des    Herzschlauches    in    etwas 

anderer  Weise  wie  bei  den  Fischen. 
Er  krümmt  sich  nämlich  zuerst  nach 
rechts  und  caudalwärts.  —  Und  zwar 
betrifft  die  Krümmung  nur  denjenigen 
Abschnitt  des  Schlauches,  aus  dem  sich 
später  der  Bulbus  cordis  und  die  Kam- 
mer entwickeln,  w'ährend  sein  caudales 
Ende  die  ursprüngliche  Lage  ventral 
vom  Darme  beibehält.  —  Dabei  kommt 
der  Bulbusabschnitt  der  so  gebildeten 
Herzschleife  an  die  Dorsalseite  der 
schief  gelagerten  Kammerabteilung  zu 
liegen  (Fig.  15a  und  b). 

Bald  jedoch  erfolgt,  wenn  sich 
einmal  der  Sinus  venosus  vom  Atrium 
und  das  letztere  von  der  Kammer 
durch  entsprechende  Einschnürungen  zu  sondern  beginnen,  eine  Ver- 
lagerung der  Kammerabteilung  der  Herzschleife  in  der  Weise,  daß 
sich    dieselbe   caudalwärts    gewissermaßen   umklappt    und    so   an    die 

craniale  Wand  des  Sinus 
venosus  anlagert.  —  Da- 
durch wird  der  Bulbus 
cordis  von  der  ven- 
tralen Seite  her  frei 
und  bekommt  die  kurze 

r-*^'  ^       ("WF^  -•^'''HBÄ  verengerte  Strecke 

'  "^1^'  des  Herzschlauches  zwi- 
schen Atrium  und  Kam- 
mer, der  Auricularkaual, 
eine  dorsoventrale  Rich- 
tung (Fig.  16a  und  b). 
—  Gleichzeitig  beginnt 
auch  das  Ati'ium  sich 
hauptsächlich  nach  links 
und  cranialwärts  auszudehnen.  —  Der  Sinus  venosus  schnürt  sich 
nun  immer  mehr  und  zwar  von  rechts  her  von  ihm  ab,  so  daß  die 
verhältnismäßig  enge  Sinusmündung  in  den  Vorhof  ganz  links  gelegen 
ist  (Fig.  IGa).  —  In  der  Folge  macht  dann  die  Verlagerung  der 
Kammerabteilung  noch  weitere  Fortschritte,  so  zwar,  daß  sie  schließlich 
an  die  ventrale  Wand  des  Sinus  venosus  zu  liegen  kommt,  und  indem 


Fig.  16a. 


Fig.  16b. 


Fig.    loa.      Ventralansicht    des    Herzens 


emes 


Embryo  von  Salamandra  atra  von  6,2mm  Länge. 
Fig.  16b.    Dorsalansicht  desselben  Herzens  (beide 
Figuren  nach  einer  Frontalkonstruktionj. 


Die  Entwickelung  des  Blatgefäßsystems.  27 

sie  sich  caudalwärts  ausbuchtet,  diesen  Herzabschnitt  caudalwärts 
ininier  mehr  überragt.  —  Diese  Lageveränderung  der  Kammer  hat  natür- 
lich auch  eine  entsprechende  Richtungsänderung  des  Canalis  auricuLaris 
zur  Folge.  —  Sie  hat  aber  auch  zur  Folge,  daß  das  sich  immer 
mächtiger  ausdehnende  Atrium  in  nachbarliche  Beziehung  zum  Bulbus 
cordis  tritt,  dessen  dorsaler  Wand  es  sich  anlegt  (Fig.  17).  —  Gleich- 
zeitig verringert  sich  der  Zwischenraum  zwischen  der  Mündung  des 
Auricularkanales  und  der  Ansmündung  des  Bulbus  cordis  aus  der 
Kammer  beträchtlich.  —  So  erhält  das  Herz  allmählich  seine  für  den 
ausgebildeten  Zustand  charakteristische  Form. 

Bildung     der    S  i  n  u  s  k  1  a  p  p  e  n     und    A  t  r  i  o  v  e  n  t  r  i  c  u  1  a  r  - 
klappen.    Die  Entwickelung  der  Sinusklappen  erfolgt  bei  Salamandra 
in  ähnlicher  Weise  wie  bei  den  Selachiern, 
und  ein  Gleiches  gilt  auch  für  die  Taschen-  b.w.s. 

klappen    des    Ostium    atrioventriculare,    die  V--^-        ^B.w.i. 

als     2     an     der     cranialen     und     caudalen  /^0k^tl>^'' 

Wand  des  Auricularkanales  sich  entwickelnde  ^-  fl/ v^^^C'',''^*:/ 

Endocardkissen  angelegt  werden.  —   Diese  '^^S':f^^:'''.-; 

werden  dann  von  der  Kammer  her,  an  deren      B.w.s.y  ^-^^^s^'i^' 
Wand  sich  inzwischen  ein  reiches  Netzwerk  -^«^^  -  %  ^jp^ 

von  Fleischbalken  entwickelt  hat,  unterwühlt 
und  so  zu  den  Taschenklappen  umgestaltet, 
die  an  der  kompakten  Muskel  wand  des  Ca- 
nalis auricularis  wurzeln,  welch  letzterer  als 
selbständiger  Herzabschnitt  auch  noch  beim 
erwachsenen  Tiere  deutlich  nachweisbar  ist  Ti       -f.^^ \, 

»\ 

*v.' 

S.F. 


(Greil).  b.''^^      ^C\% 


B.CO.— 


Atr. 


D.C.d.^B^^t,  JHÜHB    I>-C.s. 


V.CO.         V.c.i. 
Fig.  17.  Fig.  18. 

Fig.  17.  Herz  eines  Embryo  von  Salamandra  atra  von  13  mm  Länge. 
Ventralansiclit.  Atr.  Atrium.  V.co.  Kammer.  B.co.  Bulbus  cordis.  D.C.d.  Ductus 
Cu Vieri  dexter.     D.C.s.  Ductus  Cuvieri  sinister.     V.c.i.  V.  cava  posterior. 

Fig.  18.  Drei  Querschnitte  durch  den  Bulbus  cordis  eines  älteren  Embryo  von 
Salamandra  maculata.  a  in  der  Höhe  der  distalen  Bulbuswülste  (B.W.  1,2, 
■3,  4);  b  in  der  Gegend  der  Spiralfalte  (S.F.) ;  c  in  der  Höhe  der  proximalen  Bulbus- 
wülste. 

Bulbus  cordis,  Bulbuswülste  und  Spiralfalte.  Im 
Bulbusrohre  kommt  -es  zunächst  an  seinem  distalen  Ende  zur  Aus- 
bildung zweier  kurzer  Endocardwülste ,  von  denen  der  eine  links 
dorsal  (B.  W.  2)  der  andere  rechts  ventral  {B.  W.  4)-  gelegen  ist.  — 
Bald  jedoch  erscheinen  zwischen  ihnen  an  den  vorher  noch  glatten 
Partieen    der    Wand    2    weitere    Wülste,    die    somit    rechts    dorsal 


28  HOCHSTETTER, 

{B.  W.  1)  und  links  ventral  sitzen  {B.  W.  3),  so  daß  wir  nunmehr 
im  distalen  Bulbusabsclinitte  4  solche  Wülste  finden  (Langer  1894) 
(Fig.  18a).  —  Außerdem  treten  aber  auch  am  proximalen  Ende  des 
Bulbus  3  kurze  ähnliche  Wülste  auf  (Langer  1894)  [Fig.  18c], 
während  die  zwischen  distalen  und  proximalen  Bulbuswülsten  be- 
findliche Strecke  der  Bulbusinnenwand  noch  glatt  erscheint.  —  Schließ- 
lich verlängert  sich  der  distale  Bulbuswulst  1  proximalwärts  und  bildet 
eine  bis  an  die  proximalen  Wülste  heranreichende,  spiralig  verlaufende 
Leiste  (Fig.  IIb),  die  sogenannte  Spiralfalte. 

Bildung  der  Semilunarklapp  en.  Lidern  nun  durch  den 
Rückprall  des  Blutstromes  nach  der  Systole  der  Kammer  die  Bulbus - 
Wülste  ausgehöhlt  werden,  entstehen  aus  ihnen  am  proximalen  Ende 
des  Bulbus  3  am  distalen  4  halbmondförmige  Klappen. 

In  der  Spiralfalte,  die  bereits  bei  den  Dipnoern  in  der  Form 
einer  Reihe  hintereinandei-  liegender  Klappen  vorhanden  ist  (Boas), 
erkennen  wir  die  erste  Anlage  einer  Scheidewandbildung  im  Bulbus- 
rohre.  —  Sie  fehlt  jedoch  bei  einzelnen  Urodelen  (Triton  alpestris, 
Menobranchus  u.  a.)  vollständig  oder  wird  nur  ganz  unvollkommen 
angelegt  (Triton  cristatus)  [Boas  1882]. 

Bildung  des  Septum  atriorum.  Die  Vorkammerscheide- 
wand, die  bei  den  Urodelen  zuerst  in  der  für  die  höheren  Vertebraten 
charakteristischen  Weise  auftritt,  entwickelt  sich  von  der  cranialen 
Wand  des  Vorhofes  aus  an  der  Stelle,  wo  die  letztere  durch  die  An- 
lagerung des  distalen  Bulbusabschnittes  leicht  eingebuchtet  erscheint 
(Fig.  17).  —  Sie  entsteht  hier  als  eine  halbmondförmige,  gegen  das 
Vorhofslumen  zu  vorspringende  Duplikatur  des  Endocards,  die  rasch 
in  der  Richtung  gegen  das  Ostium  atrioventriculare,  also  schief  nach 
links  caudal  vorwächst.  —  Sie  bildet  dann,  indem  sich  die  beiden  sie 
zusammensetzenden  Endocardlamellen  dicht  aneinander  lagern  eine 
dünne,  aber  kontinuierliche  Platte,  die,  konkavrandig  begrenzt,  an  der 
ventralen  und  dorsalen  Vorhofswand  sichelförmig  ausläuft.  —  Ihr 
ventraler  Ausläufer  setzt  sich  frühzeitig  mit  dem  cranialen  Eudocard- 
kissen  der  Atrioventricularöffnung  in  Verbindung,  während  der  dorsale 
zunächst  gegen  die  linke  Umrandung  der  Sinusmündung  zu  ausläuft, 
um  dann  weiter  an  der  rechten  Seite  der  Mündung  der  Lungenvene 
vorbei,  die  Sinusmündung  rechts  lassend,  vorzuwachseu  und  das  caudale 
Endocardkissen  der  Atrioventricularöff"nung  zu  erreichen.  —  So  scheidet 
schließlich  das  Vorhofsseptum,  in  welches  inzwischen  ein  Netzwerk 
von  Muskelbalken  eingewachsen  ist,  die  Vorkammer  bis  auf  eine 
kleine  über  dem  Atrioventricularostium  bestehen  bleibende  Kommuni- 
kationsöffnung fast  vollständig  in  eine  linke  Abteilung,  in  die  sich  die 
Lungeuvene  ergießt,  und  in  eine  rechte,  in  welche  der  Sinus  venosus 
mündet.  —  Jedenfalls  sehr  spät  treten  im  Vorhofsseptum  jene  Oeff- 
nungen  auf,  die  von  verschiedenen  Autoren  als  charakteristisch  für 
die  Vorkammerscheidewand  der  ausgebildeten  Formen  beschrieben 
wurden. 

Mündung  der  Lungenvene.  Die  einfache  Lungeuvene 
mündet  jedoch  bei  den  Urodelen  nicht  von  vorn  herein  in  die  linke 
Vorhofsabteilung  des  Herzens,  vielmehr  öff'net  sie  sich  bei  jungen 
Embryonen  von  Salamandra  und  Triton  links  dorsal  in  den  Sinus 
venosus  an  der  Einmündungssteile  der  hinteren  Hohlvene  in  den 
letzteren.  —  Erst  allmählich  schiebt  sich  ihre  Mündung  von  hier  aus 


Die  Eutwickelung  des  Blutgefäßsystems.  29 

cranialwärts  vor,  bis  sie  scliließlicli  an  der  dorsalen  Wand  der  Vor- 
kammer im  Gebiete  der  Sinusmündung  gefunden  wird  und  nun  durch 
das  sich  entwickelnde  Vorkammerseptum  der  linken  Vorkammer- 
abteilung zugeteilt  werden  kann.  —  Das  Endstück  des  Lungenvenen- 
stammes  verläuft  dann  bei  älteren  Embryonen  in  der  dorsalen  Wand 
des  Sinus.  —  Jedenfalls  ist  das  geschilderte  Verhalten  der  Lungenvene 
bei  Urodelenembryonen  mit  Rücksicht  auf  die  bei  Polypterus  und 
Amia  von  Rose  (1890)  und  bei  Dipnoern  von  Boas  und  Rose  be- 
schriebenen Mündungs-  und  Verlaufsverhältnisse  dieses  Gefäßes  von 
hohem  Interesse. 

Anuren. 

Bei  den  Anuren  erfolgt  die  Krümmung  des  Herzschlauches,  sowie 
seine  Sonderung  in  die  einzelnen  Herzabteilungen  in  ganz  ähnhcher 
Weise  wie  bei  den  Urodelen  (Goette,  A.  L.  III,  5).  —  Doch  bestehen 
immerhin  gewisse  Unterschiede.  —  Die  Vorkammerabteilung  weitet 
sich  nämlich  auch  nach  rechts  hin  stärker  aus  und  die  Mündung  des 
Sinus  venosus  kommt  weiter  nach  rechts  zu  liegen  wie  bei  den 
Urodelen.  —  Dagegen  erfolgt  die  Eutwickelung  des  Vorkammerseptums 
in  übereinstimmender  Weise,  doch  bleibt  die  Bildung  sekundärer 
Perforatiousöffnungen  aus.  —  Auch  bei  den  Anuren  mündet  die  ein- 
fache Lungenvene  ursprünglich  in  den  Sinus  venosus  und  erst  später 
direkt  in  den  linken  Vorhof  (Goette,  A.  L.  III,  5).  —  Ueber  die  Eut- 
wickelung des  Klappenapparates  des  Anurenherzens  fehlen  vorläufig 
noch  genauere  Angaben. 

Reptilien. 

Saurier. 

Eutwickelung  der  äußeren  Form  des  Herzens.  Bei 
den  Sauriern  (ich  beziehe  mich  hier  vorwiegend  auf  die  Angaben, 
welche  Greil  für  Lacerta  macht)  krümmt  sich  der  Herzschlauch 
ebenfalls  zuerst  nach  rechts  (Fig.  19).  —  Aus  seinem  cranialen  Ende 

l.A.B. 
2.A.B. 

D.C. 


I 

V.o.m. 
Fig.  19.  Fig.  20a.  Fig.  20b. 

Fig.  19.    Herz  eines  Embryo  von  Lacerta  agilis   von   0,3  mm  Kopflänge. 
Ventralansicht  (nach  Greil). 

Fig.  20a.     Herz   eines  Embryo  von  Lacerta  agilis   von  0,6  mm  Kopflänge. 
Ventralansicht. 

Fig.  20b.    Linke  Seitenansicht  desselben  Herzens  (beide  Figuren  nach  Greil). 
D.C.  Ductus  Cuvieri.     V.o.m.  V.  omphalo-mesenterica. 

entstehen  mittelst  kurzen  gemeinsamen  Stammes  (Truncus  arteriosus) 
die  beiden  ersten  Aortenbogen,  in  sein  caudales  Ende  münden  die 
beiden  V.  omphalo-mesentericae.  —  Indem  der  Herzschlauch  sich  weiter 
verlängert   und    sein    Venenende    die    ursprüngliche    Lage    beibehält, 


30  HOCHSTETTER, 

kommt  der  vorher  schon  gekrümmte  Abschnitt  ventral  vor  das  Venen- 
ende zu  liegen,  in  welches  nunmehr  neben  den  V.  omphalo-mesentericae 
auch  die  Ductus  Cuvieri  münden.  —  Es  lassen  sich  in  dieser  Ent- 
wickelungsphase  somit  3  Schenkel  des  Herzschlauches  unterscheiden, 
ein  ventralwärts  und  etwas  nach  links  hin  verlaufender  (Fig.  20b) 
dorsal  gelegener,  ein  zweiter,  ventral  befindlicher  querer  (Fig.  20a)  und 
ein  dritter,  von  rechts,  cranial  und  medianwärts  ansteigender,  schließ- 
lich dorsal  abbiegender,  der  in  den  Truncus  arteriosus  übergeht,  aus 
welchem  jederseits  schon  2  Arterienbogen  entspringen.  —  An  dem 
ventralwärts  gerichteten  ersten  Schenkel  erscheinen  zwei  leichte  Ein- 
schnürungen angedeutet,  die  die  Grenze  zwischen  dem  späteren  Sinus 
venosus  und  dem  Atrium  und  zwischen  dem  letzteren  und  der 
Kammer  bezeichnen  (Fig.  20b). 

Nun  weitet  sich  in  der  Folge  der  quere  Herzschlauchschenkel 
immer  stärker  aus  und  schiebt  sich  dabei  caudalwärts  vor  (Fig.  21b), 
während  der  schief  aufsteigende  dritte  Schenkel,  der  sich  ebenfalls 
besonders  ventralwärts  ausweitet,  gegen  ihn  abknickt  (Fig.  21a),  so 
daß  diese  beiden  Schenkel  nun  durch  eine  von  links  und  ventral  ein- 
schneidende Furche  voneinander  geschieden  erscheinen.  —  Der  schief 
aufsteigende  Schenkel  entspricht  im  wesentlichen  dem  Bulbus  cordis 
der  Amphibien  und  Selachier,  aus  dem  queren  Schenkel  aber  ent- 
wickelt sich  die  Kammer.  —  Durch  die  Verschiebung  und  Ausweitung 
der  letzteren  nähert  sich  die  Vorkammeranlage,  die  sich  ebenfalls  auszu- 
weiten beginnt  (Fig.  21b),  dem  Bulbus  cordis.  —  In  den  Sinus  venosus, 


V.o.m. 
Fig.  21a.  Fig.  21b.  Fig.  22. 

Fig.  21a.  Ventralansicht  des  Herzens  eines  Embryo  von  Lacerta  agilis 
von  1,2  mm  Kopflänge. 

Fig.  21b.  Linke  Seitenansicht  desselben  Herzens  (beide  Figuren  nach  üreil). 
V.u.  V.  umbilicalis. 

Fig.  22.  Ventralansicht  des  Herzens  eines  Embryo  von  Lacerta  agilis  von 
2  mm  Kopflänge,  nach  Greil. 

der  nocli  durch  eine  weite  Oeffnung  mit  dem  Atrium  kommuniziert, 
mündet  außer  den  beiden  früher  genannten  Venen  nun  jederseits  auch 
noch  die  V.  umbilicalis. 

Weiterhin  zeigt  der  Bulbus  cordis  die  schon  früher  angedeutete 
bajonettartige  Krümmung  besonders  deutlich  (Fig.  22),  die  Kammer 
weitet  sich  noch  mehr  aus  und  verschiebt  sich  noch  weiter  caudalwärts, 
und  die  Einschnürung  zwischen  Vorkammer  und  Kammer,  die  dem 
Auricularkanale  entspricht,  wird  in  dem  Maße,  deutlicher  als  sich  die 
Vorkammer  stärker  ausdehnt.  —  Diese  Ausdehnung  erfolgt  zunächst 
vorwiegend  nach  links  und  cranialwärts,  so  daß  die  Vorkammer  mit 
dem  Bulbus  cordis  in  Berührung  tritt  und  hauptsächlich  an  seiner 
linken  Seite  vorragt  (Fig.  22).  —  Inzwischen  hat  sich  auch  der  Sinus 
venosus  durch  eine  annährend  ringförmige  Einschnürung  scharf  vom 
Atrium  gesondert,  und  befindet   sich   seine  Mündung  in   der   dorsalen 


Die  Entwickelung  des  Blutgefäßsystems. 


31 


Fig.  23.  Ventralan- 
sicht  des  Herzens  eines 
Embryo  von  Lacerta 
agilis  von  2,8  mm 
Kopflänge,  nachGREiL. 


Wand    der   letzteren.   —  Aus   dem    Truncus    arteriosus    dieses   Ent- 
wickelungsstadiums   gehen  jederseits   bereits   6  Arterienbogen   hervor 

(Fig.  22). 

Auch  bei  Tropidonotus  vollzieheu  sich,  Avie  Rathke  gezeigt  hat,  die 
Umbildungen  am  Herzschlauche  in  ähnlicher  Weise  wie  bei  Lacerta,  und 
dieses  gilt  insbesondere  auch  mit  Rücksicht  auf  die  primäre  Ausweitung 
der  Voi'kammer  nach  links  hin. 

In  der  folgenden  Entwickelungsperiode  weitet  sich  dann  die 
Kammer  immer  weiter  aus  (Fig.  23)  und  erreicht  schließlich  die  eigen- 
tümliche, platt  kegelförmige  Gestalt,  die  für  das 
Herz  des  ausgebildeten  Tieres  charakteristisch  ist 
(Fig.  24).  —  Der  Bulbus  cordis,  dessen  Verbindung 
mit  der  Kammer  früher  ganz  rechts  dorsal  ge- 
legen war,  erleidet  eine  Verschiebung  seines  proxi- 
malen Abschnittes  medianwärts,  wobei  seine  Krüm- 
mung schwächer  wird  (Fig.  23)  und  seine  Kammer- 
mündung etwas  weiter  ventral  und  nach  links  hin 
zu  liegen  kommt.  —  Dabei  beginnen  an  seinem 
distalen  Abschnitte  spiralig  gekrümmte  Furchen 
aufzutreten,  die,  zwischen  bestimmten  der  nur 
noch  in  der  Dreizahl  jederseits  vorhandenen 
Arterienbogen  beginnend,  über  den  Truncus  arte- 
riosus herabziehend,  auf  ihn  übergehen.  —  Gleich- 
zeitig dehnt  sich  die  Vorkammer  weiter  aus  und 
bildet  nun  auch  nach  rechts  hin  eine  Aussackung,  so  daß  Bulbus  cordis 
und  Truncus  arteriosus  in  eine  tiefe  ventrale  Rinne  der  Vorkammer- 
abteilung zu  liegen  kommen,  neben 
welcher  seitlich  Ausladungen  der- 
selben ,  die  Anlagen  der  beiden 
Herzohren,  vorragen  (Fig.  23).  — 
Der  Sinus  venosus  liegt  als  querer 
Sack  an  der  Dorsalwand  des  Vor- 
hofes in  unmittelbarer  Nachbar- 
schaft des  Sulcus  atrioventricularis, 
und  seine  Mündung  gehört  bereits 
der  rechten  Vorhofsabteilung  an. 

Indem  die  von  dem  Truncus 
arteriosus  aus  auf  den  Bulbus  über- 
greifenden Furchen  sich  in  der 
Folge  kammerwärts  verlängern  und 
die  ventrale  Knickungsfurche  zwi- 
schen Bulbus  und  Kammer,  nach- 
dem sie  allmählich  seichter  ge- 
worden war,  verschwindet,  wird  der 
proximale  Bulbusabschuitt  in  einer 
Weise,  die  später  noch  näher  ange- 
geben werden  soll,  nahezu  i)  vollständig  in  die  Kammerabteilung  des 
Herzens  einbezogen,  während   sein  distaler  Abschnitt  durch  Verände- 


Ä.d. 


A.s. 


-  A.P. 


P''ig.  24.  Ventralansicht  des  Herzens 
eines  Embryo  von  Lacerta  agilis  von 
7  mm  Kopflänge,  nach  Greil.  ä.cL  Aorta 
dextra.  A.s.  Aorta  sinistra.  A.P.  Arteria 
pulmonalis. 


1)  Im  Gebiete  der  Fundusabschnitte  der  Semilunarklappen  bleibt  nämlich  eine 
schmale,  ringförmige  Zone  der  Muskelwand  des  Bulbus  erhalten,  die,  sich  verdickend, 
am  Herzen  der  ausgebildeten  Form  deutlich  hervortritt. 


32  HOCHSTETTER, 

rungen  im  Aufbau  seiner  Wand  zum  Anfangsstücke  des  Truncus 
arteriosus  umgewandelt  wird.  —  Die  spiraligen  Furchen  an  der  Ober- 
fläche des  so  verlängerten  Truncus  deuten  auch  äußerlich  die  Sonderung 
dieses  Rohrabschnittes  in  3  nebeneinander  liegende  spiralig  gedrehte 
Rohre  an  (Fig.  24),  von  denen  das  links,  ventral  gelegene  in  die  beiden 
Pulmonalarterienbogen,  das  rechts  ventral  befindliche  in  den  linken  und 
das  dorsal  gelegene  in  den  rechten  Aortenbogen  übergehen.  —  Auch 
das  Atrium  erlangt  nun  seine  definitive  Gestalt,  indem  zu  den  beiden 
seitlichen,  mächtig  erweiterten  Herzohren  noch  eine  dritte,  cranialwärts 
gerichtete,  median  gelagerte  Ausbuchtung  seiner  Wand  hinzukommt, 
die  der  rechten  Vorhofsabteilung  angehört  und  die  sich  in  den  Winkel, 
den  die  Arterienbogen  bei  ihrem  Hervortreten  aus  dem  Truncus  bilden, 
hineinlegt  (Fig.  24  und  25).  —  Ebenso  zeigt  auch  der  Sinus  venosus 
bald  die  für  den  definitiven  Zustand  charakteristische  Hufeisenform 
(Fig.  25).  —  In  einen  queren  Schenkel,  der  dem  Sulcus  atrioven- 
tricularis  anliegt,  mündet,  nachdem  die  vorher  ganz  enge  gewordenen 
Mündungsstücke  der  beiden  V.  umbilicales  und  der  V.  omphalo-mes- 
enterica  sinistra  obliteriei't  sind,  von  links  her  absteigend  der  Ductus 
Cuvieri  sinister,  während  rechts  der  Ductus  Cuvieri  dexter  und  die 
hintere  Hohlvene  in  ihn  eintreten. 


D.c.  B.c. 


B.au.L. 


Fig.  25.  Fig.  26. 

Fig.  25.  Dorsalansicht  des  Herzeus  eines  Embryo  von  Lacerta  agilis  von 
3  mm  Kopflänge.  D.C.  Ductus  Cuvieri.  V.u.d.,s.  V.  umbilicalis  dextra,  sinistra. 
V.o.m.s.  V.  omphalomesenterica  sinistra.     V.c.i.  V.  cava  posterior. 

Fig.  26.  Herz  eines  Embryo  von  Lacerta  agilis  von  2  mm  Kopflänge,  von 
der  Seite  her  eröffnet  (halbschematisch,  nach  Greil).  Die  Vorkammer  ist  entfernt 
gedacht,  in  den  Canalis  auricularis  eine  Sonde  eingeführt.  pr.B.W.A,  B.  proximaler 
Bulbuswulst  A,  B.  E.K.  Endocardkissen  des  Auricularkanals.  B.au.L.  Bidbo- 
auricularleiste. 

Ausgestaltung  des  H  e  r  z  i  n  n  e  r  e  n.  In  früheren  Entwicke- 
lungsstadien  zeigt  der  Herzschlauch  von  Lacerta  einen  ähnlichen  Auf- 
bau seiner  Wand,  wie  der  anderer  Vertebraten.  —  Im  Sinus  venosus 
und  Vorhofe  kommt  es  zuerst  zu  einer  innigen  Anlagerung  des  Endo- 
cards  an  das  Myocard.  —  In  der  Kammer  erfolgt  dieselbe  erst,  nach- 
dem sich  die  ersten  Muskeltrabekel  in  Form  annähernd  cirkulärer, 
senkrecht  auf  die  Achse  des  Kammerrohres  verlaufender,  untereinander 
anastomosierender  Muskelleisten  (Fig.  26)  angelegt  haben. 

Die  Endocardkissen  desAuricularkanalesund  die 
Bulbus  wüls  te.  Im  Bulbus  cordis  dagegen  und  im  Canalis  auri- 
cularis unterbleil)t  diese  Anlagerung,  und  es  entwickeln  sich  hier  durch 
Wucherungen  des  Endocards  Endocardverdickungen.  An  der  cranialen 
und  caudalen  (resp.  ventralen  und  dorsalen)  Wand  des  Auricularkanales 


Die  Entwickelung  des  Blutgefäßsystems. 


33 


A.s.  -/£ 


A.d. 


^P. 


entstehen  wie  bei  den  Selacliiern  und  Amphibien  die  beiden  Endo- 
cardkissen,  während  es  im  Bulbusrohre  zur  Entwickehmg  von  Bulbus- 
wülsten  kommt.  —  Die  letzteren  werden  wie  bei  den  Urodelen  im 
proximalen  und  distalen  Bulbusabschnitte  getrennt  angelegt,  so  daß 
wir  auch  hier  proximale  und  distale  Wülste  unterscheiden  können.  — 
Die  letzteren  treten  an  der  dorsalen  und  ventralen  Wand  des  Bulbus- 
rohres,  also  in  der  Zweizahl  auf.  —  Später  finden  sich  jedoch,  wie  bei 
den  Urodelen,  4  solcher  Wülste  (Fig.  26,  27  h),  die  in  leicht  spiralig 
gekrümmtem  Verlaufe  an  der  Wand  des  Bulbusrohres  proximalwärts 
verlaufen.  —  Die  proximalen  Bulbuswülste  treten  in  der  Dreizahl  auf 
{pr.  B.  W.  A,  B,  C).  Der  eine  {A)  bedeckt,  seitUch  verstreichend, 
die  durch  die  Knickungsfurche  gebildete,  gegen  das  Bulbuslumen  zu 
vorspringende  Knickungsleiste  (Fig.  2Q)^  der  zweite  {B)  findet  sich 
an  der  gegenüberliegenden  Wand  des  Bulbus- 
rohres (Fig.  26),  der  schwächste  und  am  spätesten 
auftretende  (C)  ist  rechts  gelegen.  —  In  dem 
Zwischenräume  zwischen  distalen  und  proximalen 
Bulbuswülsten  lagert  sich  das  Endocard  dem 
Myocard  des  Bulbus  innig  an. 

Die  Bildung  der  Truncussepten  und 
die  Einbeziehung  des  distalen  Bulbus- 
abschnittes  in  den  Truncus.  In  der  Folge 
entwickeln  sich  nun  im  distalen  Bulbusabschnitte 
Scheidewände,  die  das  ursprünglich  einfache  Rohr 
in  3  spiralig  verlaufende  Rohre  zerlegen.  —  Diese 
Scheidewände  treten  zuerst  im  Truncus  auf. 

Das  S  e  p  t  u  m  a  o  r  t  i  c  o  -  p  u  1  m  o  n  a  1  e.  In- 
dem von  den  Rändern  der  Ausmüudung  der  Pul- 

a.  b.       2 


A.d.-- 


Fig.  27.  Fig.  28. 

Fig.  27a.  Querschnitt  durcli  den  Truncus  arteriosus  eines  Embryo  von  Lacerta 
agilis  von  ca.  2  mm  Kopflänge  (nach  Langer).  A.s.  Aorta  sinistra.  A.d.  Aorta 
d extra.     P.  Arteria  pulmonalis. 

Fig.  27b.  Querschnitt  durch  den  Bulbus  cordis  desselben  Embryo  in  der 
Höhe  der  distalen  Bulbuswülste  (nach  Langer). 

Fig.  28.  Drei  Querschnitte  durch  den  Bulbus  cordis  eines  Embryo  von  Lacerta 
agilis  von  ca.  2,6  mm  Kopflänge  (nach  Langer^  Buchstabenbezeichnung  wie  bei 
Fig.  27. 


P. 


monalisbogen  aus  dem  Truncus  ein  Septum  in  den  Truncus  vorwächst, 
wird  derselbe  in  eine  dorsale  Pulmonalisabteilung  und  in  eine  ventrale 
Aortenabteilung  geteilt.  —  Dieses  Septum  aortico-pulmonale  ist  zu- 
nächst frontal  gestellt. 

Das  Septum  a  o  r  t  i  c  u  m.  Indem  dann  weiter  von  dem  crani- 
alen Rande  der  Ausmündung  des  linken  vierten  Aortenbogens  ein 
zweites  Septum,  das  S.  aorticum,  herabwächst,  wird  die  Aortenabteilung 
des  Truncus  in  2  weitere  Abteilungen  zerlegt,  so  daß  der  Truncus 
jetzt  3  Arterienrohre  enthält,  von  denen  (Fig.  26a)  das  dorsal  gelegene 

Handbuch  der  Entwickelungslehre.    III.  2.  3 


34  HOCHSTETTER, 

in  die  Pulmonalisbogen,  das  linke  in  den  linken  vierten  Aortenbogen, 
das  rechte  aber  in  die  übrigen  Arterienbogen  leitet.  —  Das  S.  aortico. 
pulmonale  wächst  nun  bis  in  die  Bulbuswülste  1  und  3  vor,  worauf 
diese  miteinander  zu  verwachsen  beginnen  und  so  eine  V^erlängerung 
dieses  Septums  bilden.  —  Ebenso  schiebt  sieht  das  S.  aorticum  am 
S.  aortico -pulmonale  proximalwärts  vor,  bis  es  die  Rinne  zwischen 
Bulbuswulst  3  und  4  erreicht  und  in  ihr  fortwächst.  Inzwischen  ist 
der  Bulbuswulst  1  nicht  nur  besonders  mächtig  geworden  (Fig.  28c) 
sondern  er  hat  sich  auch  bis  in  den  proximalen  Bulbuswulst  A,  in  den 
er  schließlich  übergeht,  verlängert.  —  Er  zeigt  somit  in  dieser  Zeit 
Verhältnisse  wie  der  gleiche  Bulbuswulst  der  Urodelen,  der  als  Spiral- 
falte bis  an  die  proximalen  Bulbuswülste  heranreicht,  weshalb  Langer 
(1894)  mit  Recht  die  proximale  Fortsetzung  des  Bulbuswulstes  1  bei 
Lacerta  mit  der  Spiralfalte  der  Amphibien  homologisiert. 

Nun  verwächst  der  Bulbuswulst  1  einerseits  mit  dem  dem  Bulbus- 
wülste 2  zugekehrten  Flächenabschnitte  des  Bulbuswulstes  3  (Fig.  28b), 
andererseits  im  Bereiche  der  Furche  zwischen  Bulbuswulst  3  und  4 
mit  der  Bulbuswand,  und  so  wird  nun  auch  der  distale  Bulbusabschnitt 
in  3  Rohre  geteilt,  die  in  dem  Maße  als  der  geschilderte  Verwachsungs- 
prozeß fortschreitet,  sich  proximalwärts  verlängern  und  weil  die  An- 
ordnung der  Bulbuswülste  eine  spiralige  ist,  natürlich  auch  spiralig 
verlaufen.  Gleichzeitig  erfolgt  durch  Einwachsen  von  Gewebe  aus  den 
Truncussepten  in  die  miteinander  verschmolzenen  Bulbuswülste,  sowie 
durch  Umwandlung  des  Gewebes  der  letzteren  und  durch  Rückbildung 
der  Muskulatur  der  Bulbuswand  die  Umwandlung  des  distalen  Bulbus- 
abschnittes  in  den  proximalen  Abschnitt  des  Truncus  der  ausgebildeten 
Form. 

Bildung  der  S  e  m  i  1  u  n  a  r  k  1  a  p  p  e  n  aus  den  Bulbus- 
wülsten.  Schließlich  werden  dann  die  übrig  bleibenden  proximalsten 
Abschnitte  der  Bulbuswülste  durch  den  Rückprall  des  Blutstromes 
von  der  distalen  Seite  her  ausgehöhlt  und  so  die  halbmondförmigen 
Klappen  der  3  Arterienostien  gebildet.  —  Dabei  entstehen  (Fig.  29) 
aus  dem  mächtigen  Bulbuswülste  1,  der  sich  an  der  Wandbildung  aller 

3    Arterienrohre    beteiligt ,     3    Klappen ,     wäh- 
rend aus  jedem  der  übrigen  Wülste  nur  je  eine 
j.c?.  ._^[05:(/ß     P.    Klappe  hervorgeht  (Langer  1894). 


Fig.  29.     Schema  der  Entwickelung  der  halbmond- 
förmigen Klappen  der  Ostia  arteriosa  von  Lacerta  (wahr- 
A.S.  scheinlich   für   alle  Reptilien  giltig).     Buchstabenbezeich- 

nung wie  bei  Fig.  28. 

DieEinbeziehung  des  proximalenBulbusabschnittes 
in  die  Kammer.  Die  Einbeziehung  des  proximalen  Bulbusab- 
schnittes  in  die  Kammer  erfolgt  nun  dadurch,  daß  sich  die  letztere, 
an  deren  Wand  die  Muskelleisten  immer  höher  werden  und  sich  zu 
plattenförmigen,  untereinander  anastomosierenden  Muskeltrabekeln  um- 
gestalten, immer  mehr  ausdehnt  und  die  Wand  des  proximalen  Bulbus- 
abschnittes  von  der  dorsalen,  rechten  und  ventralen  Seite  her  unter- 
wühlt (vgl.  Fig.  26  mit  Fig.  30).  Durch  die  Unterwühlung  der 
ventralen  Bulbuswand  kommt  es  äußerlich  zum  Verstreichen  der 
Knickungsfurche.  —  Im  Innern  ist  das  Resultat  dieses  Vorganges  die 


Die  Entwickelung  des  Blutgefäßsysteras. 


35 


Bildung  einer  gebogenen  Muskelplatte,  die  die  Knickungsleiste  mit 
der  Kammerwand  verbindet  (Fig.  30  und  31  M.)  und  die  Kammer 
hier  noch  vom  Bulbus  scheidet. 

Bildung  der  M  u  s  k  e  1 1  e  i  s  t  e ,  des  ventralen  Kammer- 
raumes  und  des  Fleisch polsters.  Die  Knickungsleiste  steht 
nun  von  vorn  herein  mit  zahlreichen,  besonders  von  rechts  her  in 
sie  übergehenden  plattigen  Muskeltrabekeln  in  Verbindung  und  bildet 
so  die  Anlage  der  Muskelleiste  des  ausgebildeten  Herzens.  —  Ihre 
definitive  Gestaltung  erhält  sie,  nachdem  in  der  oben  erwähnten 
Muskelplatte  von  rechts  zahlreiche  spaltförmige  Durchbrechungen  auf- 
getreten sind.  —  Auf  diese  Weise  stellt  sich  eine  sekundäre  Verbindung 
zwischen  der  Kammer  und  dem  ventralen  Herzabschnitte  des  Bulbus- 
raumes  her,  aus  dem  die  Pulmonalis  entspringt,  und  der  letztere  stellt 
nun  das  dar,  was  man  als  ventralen  Karamerraum  bezeichnet.  —  Bei 
Lacerta  ist  derselbe  nie  besonders  geräumig,  erreicht  aber  bei  manchen 
anderen  Sauriern  (Varaniden)  einen  beträchtlichen  Umfang. 


B.au.L.  F. 


Ä.d. 
B.au.L. 


pr.B.W.B.- 
E.K.  — 


Fig.  30.  Fig.  31. 

Fig  30.  Kammer  und  Bulbus  des  Herzens  eines  Embryo  von  Lacerta 
agilis  von  3,6  mm  Kopflänge,  von  der  rechten  Seite  eröffnet  (halbscheraatisch  nach 
Greil),     Buchötabenbezeichnung  wie  bei  Fig.  26  und  27. 

Fig.  31.  Kammer  und  Bulbus  eines  Embryo  von  Lacerta  agilis  von  7  mm 
Kopflänge,  von  der  rechten  Seite  her  eröffnet  (halbschematisch  nach  Greil).  H.ao. 
Septum  aorticum.  R.S.ao.p.  Rand  des  Septum  aortico-pulmonale ;  übrige  Bezeich- 
nung wie  bei  Fig.  26  und  27. 


Aus  der  dorsalen  unterminierten  Bulbuswand  und  den  an  sie 
anschließenden  Trabekelmassen  entsteht  das  sogenannte  Fleischpolster 
Brücke's.  —  Die  proximalen  Bulbuswülste  aber  bilden  sich  nahezu 
vollständig  zurück. 

Umgestaltung  des  Auricularkanales.  Die  innere  Ober- 
fläche des  Canalis  auricularis  ist  durch  die  Ausbildung  der  Endocard- 


Ent- 


kissen  ausgezeichnet.  —  Seine  Mündung  liegt  zuerst  in  emiger 
fernung  links  von  der  Bulbusmündung  der  Kammer.  —  Später  rückt 
sie  immer  näher  an  dieselbe  heran,  so  daß  der  zwischen  den  beiden 
Oeffnungen  früher  vorhandene,  schmale  Abschnitt  der  Kammerwand 
zu  einer  allmählich  spornförmig  sich  umgestaltenden  Leiste,  der  Bulbo- 
auricularl eiste  (Fig.  26)  wird.  -  Diese  Leiste  erfährt  nun  langsam 
eine  Reduktion  auf  Kosten  der  Canalis  auricularis-  und  Bulbuswand 
(vgl.  Fig.  26,  30  und  31)  wodurch  der  Kammerraum  ebenfalls  eine 
Vergrößerung  erfährt  und  das  Ostium  der  rechten  Aorta  (Fig.  31) 
schließlich   in   unmittelbare  Nachbarschaft   der  Atrioventricularöifnung 

8* 


36 


HOCHSTETTER, 


ZU  liegen  kommt.  —  Die  Ausdelinimg  der  Kammer  führt  nun  zu  einer 
Unterminierung  der  ursprünglich  cranialen  und  caudalen,  nunmehr  ven- 
tralen und  dorsalen  Canalis  auricularis-Wand,  die  vorher  kompakt  war 
(Fig.  32),.  so  daß  jetzt  die  beiden  Endocardkissen,  gestützt  von  platten- 
förmigen  Resten  dieser  Wand,  die  durch  Trabekelzüge  mit  der  Kammer- 
wand zusammenhängen  (Fig.  32),  in  den  Kammerraum  hineinragen. 

Bildung  der  V  o  r  k  a  m  m  e  r  s  c  h  e  i  d  e  w  a  n  d.  Inzwischen  ist  es 
in  der  Vorkammer  zur  Bildung  des  Septuni  atriorum  gekommen, 
welches,  von  einer  etwas  links  von  der  Mittelebene  befindlichen  Ein- 
faltung  der  cranialen  Vorhofwand  ausgehend,  als  halbmondförmige  Platte 
gegen  das  Ostium  atrioventriculare  zu  vorwächst,  um  mit  seinen  au 
der  dorsalen  und  ventralen  Yorhofswand  verlaufenden  Enden  sehr 
bald  die  beiden  Endocardkissen  zu  erreichen  und  in  sie  überzugehen 
(Fig.  32).  So  engt  sich  die  Oeflfnung  zwischen  den  beiden  Vorhofs- 
abteilungen immer  mehr  ein. 

Scheidung  der  venösen  0  s  t  i  e  n  und  Bildung  der 
Atrioventricularklappen.     Schließlich  verwachsen  die  einander 


Fig.  32. 
agilis  von  6  mm  Kopflänge, 
cardkissen  der 


Atrioventricularöffnung. 


Fig.  33. 
S.atr.  Septum  atriorum. 


Fig.  32.  Sagittaldurch- 
schnitt  durch  das  Herz 
eines   Embryo    von  La- 

certa  agilis  von 
3,6  mm  Kopflänge.  E.K. 
Endocardkissen.  C.au. 
unterminierte  Wand  des 
Canalis  aurieularis.  ,S.atr. 
8eptum  atriorum. 

Fig.  33.  Frontalsclinitt 

durch     das    Herz     eines 

Embryo    von    L  a  c  e  r  t  a 

v.E.K.  verschmolzene  Endo- 


zugekehrten  Flächen  der  Endocardkissen  untereinander  und  mit  dem 
eine  Endocardverdickung  tragenden  Rande  des  Septum  atriorum, 
wodurch  nicht  nur  die  beiden  Vorhofsabteilungen  vollständig  vonein- 
ander geschieden  werden,  sondern  auch  das  ursprüngliche  einheitliche 
Ostium  atrioventriculare  in  die  beiden  venösen  Ostien  zerfällt.  — 
Indem  nun  die  rechts  und  links  vom  Ansätze  des  Septum  atriorum 
befindlichen,  in  die  Kammer  hinein  vorragenden  Abschnitte  der  ver- 
schmolzenen Endocardkissen  allmählich  immer  dünner  werden  (Fig.  33), 
wandeln  sie  sich  in  die  septalen  Klappen  der  Atrioventricularostien 
um,  die,  so  wie  früher  die  Endocardkissen,  dorsal  und  ventral  mit 
Resten  der  unterminierten  Wand  des  Canalis  aurieularis  und  durch 
diese  mit  den  Trabekeln  der  Kammerwandungen  in  Verbindung 
stehen. 

Aber  auch  marginale  Klappensegel  kommen  zur  Entwickelung, 
indem  schon  früher  angelegte,  der  kompakt  bleibenden  rechten  und 
linken  Canalis  auricularis-Wand  aufsitzende  Endocardverdickungen 
zu  schmalen,  rein  endo.cardialen  Klappensegeln  umgewandelt  werden 
(Greil). 

Im  Septum  atriorum  entwickeln  sich  wie  bei  den  Urodelen  zahl- 
reiche sekundäre  Perforationslücken,  die  jedoch  nach  der  Geburt  wieder 


Die  Entwickelung  des  Blutgefäßsystems.  37 

vollständig  verscliwiiiden.  —  Die  Lungenvene  mündet  gleich  bei 
ihrem  Anftreten  in  die  Vorkammer,  und  ihre  Mündung  liegt,  wenn 
sich  das  Septum  atriorum  entwickelt,  an  dessen  linker  Seite. 

Bildung  der  S  i  n  u  s  k  1  a  p  p  e  n  und  i  h  r  e  s  S  p  a  n  n  m  u  s  k  e  1  s. 
Indem  sich  die  Wandfalte,  welche  die  Sinusniündung  umgiebt,  rechts 
stärker,  links  etwas  schwächer  erhöht,  entstehen  die  beiden  Sinus- 
klappen, die,  cranialwärts  miteinander  verschmelzend,  einen  gegen 
die  craniale  Wand  der  rechten  Vorkammer  zu  auslaufenden,  platten- 
f()rmigen  Fortsatz  (den  Spannmuskel  Röse's  1890)  bilden. 

Eine  an  die  Muskelleiste  der  Kammer  anschließende,  durch 
stärkere  Entwickelung  und  Aneinanderlagerung  bestimmter  Trabekel- 
züge gebildete  Scheidewandbildung  im  dorsalen  Kammerraume  kommt 
bei  Lacerta  nicht  zur  Anlage.  —  Wohl  aber  begegnen  wir  einer 
solchen,  wenn  auch  noch  unvollkommenen,  Scheidewandl)ildung  bei 
den  Varaniden. 

Die  Kammer  Scheidewand  der  Crocodilier  und  das 
F 0 r a m  e n  P a n i z za e.  Den  höchsten  Grad  der  Entwickelung  er- 
reicht diese  Bildung  bei  den  Crocodiliern,  wo  sie  sich  mit  den  ver- 
schmolzenen Endocardkissen  der  Atrioveutricularöffnung  verbindet  und 
eine  die  Kammer  vollständig  in  zwei  Hälften  sondernde  Scheidewand 
bildet.  —  Da  diese  Scheidewand  kontinuiei'lich  in  das  Septum  aorticum 
übergeht,  entspringen  dann  bei  den  Crocodiliern  die  A.  pulmonalis 
und  die  Aorta  sinistra  aus  der  rechten,  die  Aorta  dextra  dagegen  aus 
der  linken  Kammer.  —  Das  Foranien  Panizzae  ist  daher  nicht,  wie 
EÖSE  1890  meint,  ein  Rest  der  ursprünglichen  Kommunikationsöffnung 
zwischen  den  beiden  Kammei'n,  welch  letztere,  wie  PiATHke  (A.  L. 
III,  8)  bereits  gezeigt  hat,  vollständig  verschwindet,  sondern  höchst 
wahrscheinlich  (Greil),  da  sie  unmittelbar  distal  von  den  Aorten- 
klappen im  Septum  aorticum  gelegen  ist,  eine  sekundäre  Perforations- 
öflfnung  in  dem  letzteren. 

Leider  liegen  über  die  Entwickelung  des  Crocodilierherzens  auKer 
den  ziemlich  lückenhaften  Angaben  Eathke's  neuere  Angaben  nicht  vor 
und  ein  Gleiches  gilt   auch   bezüalich  des  Chelonierherzens.    —  Die  Ent- 


&•" 


wickeluny.-    des  Schlangenherzens    stimmt    in    allen    wesentlichen  Punkten 


"ta 


mit   dei'    des  Herzens  von  I^acerta  liberein. 


Vögel. 


Hühnchen. 


Bildung  der  äußeren  Form  des  Vogelherzens.  Die 
Entwickelung  des  Vogelherzens  zeigt  in  vielen  Punkten  eine  große 
Aehnlichkeit  mit  der  Entwickelung  des  Reptilienherzens.  —  Dieses 
gilt  vor  allem  mit  Rücksicht  auf  die  Art  und  Weise,  wie  sich  der 
Herzschlauch  anfänglich  krümmt  (Fig.  34)  und  wie  sich  die  einzelnen 
Abteilungen  dieses"  Schlauches,  sobald  sie  sich  einmal  zu  differen- 
zieren beginnen,  zu  einander  lagern  (Fig.  35).  -  Auch  die  Ausbildung 
der  Vorhofsabteilung  erfolgt,  indem  sich  zuerst  die  linke  (Fig.  3ö 
und  36)  und  erst  viel  später  die  rechte  (Fig.  37)  Vorhofsausbuchtung 
entwickelt  (Masius  1889)  in  ähnlicher  Weise  wie  bei  Reptilien.  — 
Ein  nicht    unerheblicher  Unterschied   besteht  jedoch    darin,    daß    sich 


38  HOCHSTETTER. 

der  Bulbus  cordis  beim  Hühnchen  äußerlich  niemals  durch  eine  so 
scharfe  P'iirche  gegen  die  Kammer  abgrenzen  läßt.  Eine  der 
Knicknngsfurche  von  Lacerta  entsi)rechende  F'urche  ist  nur  bei  jungen 
Embryonen  (Fig.  35*)  eben  angedeutet  und  verschwindet  frühzeitig 
vollständig  (Fig.  35  und  30).  —  Die  Furche,  die  später  als  Grenzfurche 
des  Bulbus  gegen  die  Kammer  hin  imponiert,  bezeichnet  nur  die 
Stelle,  bis  zu  welcher  jeweilig  die  Unterminierung  der  Bulbuswand  von 
der  Kammer  her  vorgedrungen  ist. 

Sulcus  inter  ventricu  lar  is.  Eine  ganz  neue  Erscheinung 
ist  ])eim  Hühnchen  das  Auftieten  einer  Interventricularfurche,  die 
äußerlich  die  Zone  der  Kammer  bezeichnet,  im  Bereiche  deren  sich 
im  Inneren  die  Kammerscheidewand  entwickelt.  Diese  Furche  ist 
zuerst  an  der  ventralen  Kammertläche  sichtbar  und  verläuft  da,  von 
der  Furche  zwischen  Bulbus  cordis  und  Canalis  auricularis  ausgehend, 
schief  gegen  den  rechten  Kammerrand,  so  zwar,  daß  die  von  ihr  be- 
grenzte   rechte    Kammerabteilung  anfänglich  überaus    klein    erscheint 

ß.co. 
,  Atr. 

-  C.au. 

S.i.v.  — 


V.CO.  V.CO. 

Fig.  34.  Fig.  35.  Fig.  30. 

Fig.  34.  Ventralansicht  des  Herzschlauches  eines  Hühnerembrvo  von 
40  Stdn. 

Fig.  35.  Ventralansicht  des  Herzens  eines  Hühnerembryo  von  2,1  mm 
Kopflänge  (nach  Greil).  Atr.  Vorkammer.  V.co.  Kammer.  B.co.  Bulbus  cordis. 
C.au.  Canalis  auricularis. 

Fig.  36.  Ventralansicht  des  Herzens  eines  Hühnerembryo  von  3  mm  Kopf- 
länge (nach  Greil).  S.i.v.  Sulcus  interventricularis,  übrige  Bezeichnuna-eu  wie  l:)ei 
Fig.  35. 

(Fig.  36)  und  die  Hauptmasse  der  Kammer  der  späteren  linken 
Kammerabteilung  angehört.  —  Indem  jedoch  die  rechte  Kammer 
sehr  rasch  an  Ausdehnung  zunimmt,  verschiebt  sich  nicht  nur  der 
Bulbus  mit  seinem  Anfangsstück,  das  ursprünglich  ganz  rechts  ge- 
legen ist,  immer  mehr  gegen  die  Mitte  der  Kammer  (Fig.  37  und  38), 
sondern  es  erleidet  scheinbar  auch  die  Interventricularfurche  eine 
Verlagerung  nach  links  hin.  —  Zugleich  setzt  sich  diese  Furche  auch 
auf  die  Dorsalfläche  der  Kammer  fort.  —  So  finden  wir  s])äter  (Fig.  38) 
den  größeren  Anteil  der  ventralen  Kammerfläche  der  rechten  Kammer- 
abteilung zugehörig,  doch  erinnert  an  das  urspüngliche  A^ erhalten  auch 
am  ausgebildeten  Herzen  noch  der  Umstand,  daß  die  Herzspitze,  die 
aus  dem  ursprünglich  caudalsten  Kammerabschnitte  hervorgeht,  stets 
dem  linken  Ventrikel  angehört. 

Gleichzeitig  mit  diesen  Veränderungen  der  Kammerform  erfolgt 
auch  infolge  der  Ausdehnung  der  Kammer  und  der  Formveränderung 
der  Vorkammern  eine  Verlagerung  des  Canalis  auricularis. 

Verlagerung  des  Canalis  auricularis.  Derselbe  ist  zu- 
nächst (Fig.  35  und  36)  von  der  Ventralseite  her  sichtbar,  links  ge- 
legen, während  er  später,  zwischen  Kammern  und  Vorkammern  in  die 


Die  Entwickelung  des  Blutgefäßsystems.  39 

Tiefe  rückend  (Fig.  37),  scheinbar  nach  rechts  hin  verschoben  wird 
und  so  mehr  an  die  Dorsalseite  der  Mündung  des  Bulbus  aus  der  Kammer 
zu  liegen  kommt,  bis  er  schließlich  vollständig  (Fig.  38)  zwischen 
Kammer  und  Vorkammer  in  der  Tiefe  verschwindet. 

Einbeziehung  des  distalen  Bulbusabschnittes  in 
den  Trun  cus  arteriös  US.  So  wie  bei  den  Reptilien  bleibt  auch 
bei  den  Vögeln  der  Bulbus  cordis  als  selbständiger  Herzabschnitt 
nicht  erhalten.  —  Sein  proximaler  Abschnitt  wird  vielmehr  schon 
frühzeitig  durch  später  zu  schildernde  Vorgänge  in  die  Kammerab- 
teilung einbezogen,  während  sein  distaler  Abschnitt  durch  gewebliche 
Veränderungen  seiner  Wand  allmählich  in  dem  proximalen  Truncus- 
abschnitte  aufgeht.  —  Der  Truncus  arteriosus  sondert  sich  dabei  nicht, 
wie  bei  den  Reptilien  in  3,  sondern  wegen  des  bei  den  Vögeln 
frühzeitig  erfolgenden  Ausfalles  des  linken  4.  Aortenbogens  ^  nur 
in  2  Arterienrohre,  eine  Sonderung,  welche  äußerlich  durcli  das 
Auftreten  zweier  am  Truncus  herabziehender  paralleler,  spiralig  ver- 
laufender Furchen  angedeutet  ist.  —  Während  aber  bei  den  Reptilien 
gewissermaßen  ein  einheitlicher  Truncus  bestehen  bleibt,  der  nur  in 
seinem  Innern  3  durch  Septen  voneinander  geschiedene  Rohre  be- 
herbergt, schreitet  die  Sonderung  bei  den  Vögeln  noch  weiter  und 
führt  dazu,  daß  der  aus  dem  Bulbus  hervorgegangene  Truncusab- 
schnitt  in  2  vollkommen  von  einander  getrennte,  nur  durch  eine 
gemeinsame  PericardialumhüUung  mit  einander  verbundene  Arterien- 
rohre, die  Aorta  und  Pulmonalis,  zerfällt. 


B.CO. 


S.i.v.  ^_^ 

Fig.  37.  Fig.  38. 

Fig.  37.  Ventralansicht  des  Herzens  eines  Hühnerembry  o  von  5  mm  Kopf- 
länge (nach  Greil).    Bezeichnungen  wie  bei  Fig.  35  und  36. 

Fig.  38.  Ventralansicht  des  Herzens  eines  Hühnerembryo  von  6,5  mm 
Kopflänge  (nach  Geeil).  ä.  Aorta.  P.  PulmonaUs.  V.d.  rechte  Kammer.  V.s.  linke 
Kammer.     S.i.v.  Sulcus  interventricularis. 

Einbeziehung  des  Sinus  venosus  in  die  rechte  Vor- 
kammer. Der  Sinus  venosus  ähnelt,  was  seine  Form  und  seine 
Lagebeziehungen  anbelangt,  in  frühen  Entwickelungsstadien  sehr  dem 
Sinus  venosus  der  Reptilienembryonen.  Er  zeigt  dann  auch  die 
typische  Hufeisenform.  —  Später  senkt  sich  jedoch  das  rechte  Sinus- 
horn  immer  mehr  und  mehr  in  die  dorsale  Wand  der  rechten  Vor- 
kammer ein  und  verschwindet  so  zunächst  äußerlich  und,  wie  später 
gezeigt  werden  soll,  auch  innerlich  nahezu  vollständig  in  derselben, 
das  heißt  es  wird  gewissermaßen  in  die  rechte  Vorkammer  einbezogen, 
während  das  linke  Sinushorn  mit  dem  Sinusquerstück  als  Fortsetzung 
des  linken  Ductus  Cuvieri,  an  der  Dorsalwand  der  linken  Vorkammer 
in  unmittelbarer  Nachbarschaft  der  Atrioventricularfurche  nach  rechts 
hin  verlaufend,  erhalten  bleibt. 


40  HOCHSTETTER, 

Ausgestaltung  des  H  e  r  z  i  n  n  e  r  e  n.  Das  Herzinnere  zeigt  bei 
jungen  Hühnerembryonen  älinliclie  Verhältnisse  wie  bei  jungen  Saurier- 
embrjonen.  —  Dies  gilt  sowohl  mit  Rücksicht  auf  die  Endocardkissen 
des  Auricularkanals,  als  auch  bezüglich  der  Entstehung  und  Anord- 
nung der  Muskeltrabekel  der  Kammer.  —  Ebenso  kommt  es  im  Bulbus 
cordis  zur  Entwickelung  der  für  diesen  Herzabschnitt  durchaus 
charakteristischen  Bulbuswülste,  die  wir  so  wie  bei  den  Sauriern,  in 
proximale  und  distale  scheiden  können. 

Die  Bulbuswülste.  Die  proximalen  B.-W.  treten  in  der 
Dreizahl  (A,  B,  C)  wie  bei  Lacerta  auf.  —  Dabei  ist  auch  beim 
Hühnchen  der  proximale  B.-W.  C  der  schwächste  und  verschwindet' 
frühzeitig  wieder.  —  Dagegen  beträgt  die  Zahl  der  zunächst  auf- 
tretenden distalen  B.-W,  nur  3.  —  Die  letzteren  entsprechen  ihrer 
Lage  und  ihren  sonstigen  Beziehungen  nach  den  distalen  B.-W. 
1,  2  und  3  der  Saurier  (Fig.  39  b).  —  Proximale  und  distale  B.-W. 
sind  jedoch  beim  Hühnchen  nie  scharf  von  einander  getrennt,  wie  bei 
den  Reptilien,  sondern  gehen  gleich  von  vornherein,  indem  der  Bulbus 
in  seinen  mittleren  Partieen  eine  gleichmäßige  Endocardverdickung 
seiner  Innenwand  zeigt,  kontinuierlich  in  einander  über,  —  Später  setzt 
sich  dann  der  distale  B.-W.  1  in  den  proximalen  B.-W.  A  und  der 
distale  B.-W.  2  in  den  proximalen  B.-W.  B,  unmittelbar  fort. 

„  A.S.ao.p.  Fig.  39a.     Querscknitt   durch   den  Truncus 

arteriosus  eines  Hühnerembryo  von  5  mm 
Kopflänge  (nach  Greil).  A.  Aorta.  P.  Pul- 
monalis. 

Fig.  39b.     Querschnitt    durch  den    Bulbus 
cordis  desselben   Embryo   (nach  Greil).    l,  2,  8 
^-  A.S.ao.p.      distale  B.-W.  1,  2,  3.    A.s.ao.2}.  Ausläufer  des  S, 

Fig,  39a.  Fig.  39b.         aortico-pulmonale. 

Bildung  des  Septum  aortico-pulmonale.  Die  Scheidung 
des  Bulbusrohres  in  zwei  Abteilungen  beginnt  nun  auch  hier,  wie 
bereits  Tonge  (1870)  gezeigt  hat  mit  der  Entstehung  des  Septum 
aortico-pulmonale,  welches  wie  bei  Lacerta  von  der  cranialen  Um- 
randung des  Pulmonalisbogenursprunges  aus  unter  leichter  spiraler 
Drehung  durch  den  Truncus  arteriosus  bis  in  den  Bulbus  herabwächst 
und  hier  mit  zwei  Ausläufern  einerseits  in  den  Bull)uswulst  1,  anderer- 
seits zwischen  B.-W.  2  und  3  (Fig.  39b)  vordringt.  —  Indem  nun 
der  B.-W.  1  im  Anschlüsse  an  dieses  Septum  zwischen  B.-W.  2  und  3  an 
die  gegenüberliegende  Bulbuswand  anwächst  und  gleichzeitig  das  Gewebe 
des  Truncusseptums  in  die  so  geschaffene  Verwachsungsbrücke  vordringt, 
setzt  sich  die  Scheidung  des  Bulbusrohres  in  Aorten  und  Pulmonalis- 
rohr  proximalwärts  fort.  —  Gleichzeitig  erfolgt,  indem  das  Gewebe  der 
Truncuswand  in  die  Bulbuswand  einwächst  und  die  Muskulatur  der 
letzteren  zu  Grunde  geht  (also  genau  so  wie  bei  Lacerta) ,  die 
Umwandlung  der  distalen  Abschnitte  der  Bulbuswand  in  Truncus- 
wand. —  Dabei  vertiefen  sich  die  äußerlich  am  Truncus  auftretenden 
Furchen.  —  Das  zuerst  einfache  S.  aortico-pulmonale  erfährt  dann 
von  diesen  Furchen  aus  eine  Spaltung,  und  so  trennen  sich  die  beiden 
aus  dem  Truncus  und  dem  distalen  Bulbusabschnitte  entstandenen 
Arterienrohre  von  einander,  —  Noch  bevor  jedoch  diese  Trennung 
vollzogen  ist,  kommt   es   zur   Entwickelung   der  Semilunarklappen. 


Die  Entwickelung  des  Blutgefäßsystems. 


41 


Bildung  der  Semilunarklappen.    Zunächst  (Fig.  40)  finden 


sich  in  jedes  Arterienrohr  vorspringend  nur  je  2  Bulbuswülste.  — 
Der  eine  ist  durch  die  bei  der  Septumbildung  erfolgte  Teilung 
des  B  -W.  1  hervorgegangen  [la  und  Ih),  der  zweite  ist  im  Pulmo- 
nalisrohre  der  B.-W.  2,  im  Aortenrohre  der  B.-W.  3.  —  Zwischen 
diesen  beiden  Wülsten  ist  die  Wand  der  Arterienrohre  noch  glatt.  — 
Bald  tritt  jedoch  auch  hier  in  jedem  Rohre  ein  sekundärer  Wulst  auf 
(Fig.  41),  von  denen  der  der  Aorta  zugehörige  dem  B.-W.  4  der 
Saurier  entspricht,  während  der  des  Pulmonalisrohres  (B.-W.  5)  eine 
für  das  Vogelherz  specifische  Bildung  darstellt  (Greil).  —  Durch 
Aushöhlung  dieser  Bulbuswülste  entstehen  dann  die  3  Semilunarklappen 
des  Aorten  und  des  Pulmonalisostiums  ^)  (Fig.  42). 

Das  Septum  aortico-pulmonale  wächst  jedoch  noch  über  das  Ge- 
biet der  Semilunarklappen  proximalwärts  aus,  indem  es  in  seiner  Fort- 
setzung zur  Verwachsung  der  proximalen  B.-W.  A  und  B  kommt.  — 
Dieser  proximalwärts  von  den  Semilunarklappen  befindliche  Abschnitt 
des  Septums  schließt  dann,  wie  weiter  unten  ge- 
zeigt werden  soll,  an  das  inzwischen  gebildete  Ven-  a. 
trikelseptum  an 


-  p. 


Fig.  41. 
distalen  Bulbusteil 


Fig.  42. 
Hülinereinbryo 


Fig.  40. 

Fig.  40.     Quersclinitt   durch   den   distalen  ümoiisteil  eines 
von  6,5  mm  Kopflänge  (nach  Greil). 

Fig.  41.  Querschnitt  durch  den  distalen  Bulbusabschnitt  eines  Hühner- 
embryo von  7  mm  Kopflänge  (nach  Greil). 

Fig.  42.  Querschnitt  durch  den  Bulbus  cordis  eines  Hühnerembryo  von 
8,5  mm  Kopflänge  in   der  Höhe  der  Anlagen  der  Semilunarklappen  (nach  Greil). 

Schicksal  des  Au  ricularkanal  es,  des  proximalen 
B  u  1  b  u  s  a  l3  s  c  h  n  i  1 1  e  s  u  n  d  A  n  1  a  g  e  des  Septum  i  n  t  e  r  v  e  n  t  r  i  - 
culare.  Während  sich  die  geschilderten  Umwandlungen  im  distalen 
Bulbusabschnitte  vollziehen,  kommt  es  wie  bei  den  Reptilien  infolge 
der  mächtigen  Ausweitung  der  Kammer  zu  einer  Unterminierung  so- 
wohl der  Wand  des  Canalis  auricularis  als  auch  der  Wand  des  proxi- 
malen Bulbusabschnittes  und  dadurch  zur  allmählichen  Einbeziehung 
dieser  Herzabschnitte  in  die  Kammer. 

Zwischen  Canalis  auricularis  und  Bulbus  findet  sich  äußerlich  am 
Herzen  eine  tiefe  Furche  Fig.  36  und  37  (die  Bulboauricularfurche,) 
der  im  Inneren  eine  deutlich  vortretende  Leiste  (die  Bulboauricular- 
leiste)  entspricht,  welch  letztere  die  Kammermündungen  des  Auricular- 
kanales  und  des  Bulbus  von  einander  scheidet  (Fig.  43a).  Ventral 
läuft  diese  Leiste  in  die  Kammerwand  aus  und  hängt  da  mit  einzelnen 
bogenförmigen,  ihrem  Verlaufe  nach  der  Interventricularfurche  ent- 
sprechenden plattigen  Trabekelzügen  zusammen,  die  von  ihr  aus  zur 


1)  Die  Verhältnisse  der  Entwickelung  der  Semilunarklappen  hat  Tonge  (1870) 
bereits  im  wesentlichen  richtig  dargestellt,  dagegen  beruhen  die  Angaben  Langer's 
(1895),  daß  ihre  Bildung  in  ähnlicher  Weise  wie  bei  den  Säugern  erfolgen  solle,  auf 
einem  Irrtum. 


42  HOCHSTETTER, 

dorsalen  Kammer  und  Canalis  auricularis-Wand  hinziehen,  sich  aber, 
trotzdem  sie  die  erste  Anlage  der  Kammerscheidewand  bilden,  noch 
wenig  von  anderen  ähnlichen  Trabekelzügen  der  Kammerwand  unter- 
scheiden (Fig.  44). 

Indem  nun  die  Bulboauricularleiste  allmählich  eine  Höhenreduktion 
erfährt,  verliert  der  Bulbus  gewissermaßen  sein^  gegen  den  Canalis 
auricularis  zu  gelegene  linke  Wand  und  kommuniziert  hier  somit  direkt 
mit  dem  Spaltraume  zwischen  den  Endocardkissen  des  Auricular- 
canales.  —  Gleichzeitig  verbindet  sich  aber  auch  der  proximale  B.-W.  A 
über  dem  ventralen  Ausläufer  der  Bulboauricularleiste  mit  dem  ventralen 
Endocardkissen  (Fig.  4oa).  —  Da  nun,  wie  schon  erwähnt,  von  der 
Kammer  aus  parallel  mit  ihrer  Ausweitung  eine  Unterwühlung  der 
ventralen  Bulbus-  und  Canalis  auricularis-Wand  erfolgt,  der  kompakte 
ventrale  Ausläufer  der  Bulboauricularleiste  aber  mit  der  Kammerwand  in 
Verbindung  bleibt  (Fig.  4ob),  und  indem  sich  ferner  die  mit  diesem  Aus- 
läufer der  Bulboauricularleiste  in  Verbindung  stehenden  Trabekel- 
lamellen der  Kammer  verdichten,  entsteht  ein  von   der  ventralen  zur 

J>r.li.  YY.A.  ^_^^  ^^_^^        I 

pr.B.W.B. 


_     .     .  l.E.K. 

"    B.au.L. 

C.au.  W.u.  C'.au.  W.u. 

Fig.  43a.  Fig.  43b. 

Fig.  43a.  Querschnitt  durch  das  Herz  eines  Hühnerembryo  von  5  mm 
Kopflänge  in  der  Gegend  der  Bulbusmündung  und  des  Auricularkanales  (nach  Greil). 
B.au.L.  Bulboauricularleiste.  B.co.  Bulbus  cordis.  C.au. W.u.  unterminierte  Wand 
des  Canalis  auricularis.    E.K.  Endocardkissen. 

Fig.  43b.  Querschnitt,  durch  dasselbe  Herz  näher  der  Herzspitze  geführt  (nach 
Greil).    B.W.u.  unterminierte  Bulbuswand,  andere  Bezeichnungen  wie  bei  Fig.  43a. 

dorsalen  Kammerwand  verlaufender  plattenförmiger  Trabekelzug.  — 
Derselbe  ist  zunächst  nur  an  seinem  dem  centralen  Kammerhohlrauni 
zugewendeten  Rande  dichter  gefügt,  in  der  Nachbarschaft  seines  An- 
satzes an  der  Kammerwand  besteht  er  nur  aus  spärlichen  Bälkchen, 
zwischen  denen  hindurch  die  Räume  der  beiden  Kammern  noch  mehrfach 
mit  einander  kommunizieren  Fig.  44.  —  Erst  viel  später  lagern  sich  auch 
die  immer  massenhafter  sich  entwickelnden  Muskelbälkchen  zu  einer 
dichteren  Masse  aneinander  (Fig.  45).  —  So  wird  also  die  Anlage  der 
Kammerscheidewand  aus  dem  ventralen  Ausläufer  der  Bulboauricular- 
leiste und  aus  au  denselben  sich  anschließenden  Trabekelzügen  der 
Kammerwand  gebildet  (Greil).  —  Da  aber  an  den  ventralen  Aus- 
läufern der  Bulboauricularleiste  die  den  proximalen  B.-W.  A  tragenden 
Reste  der  unterminierten  Bulbuswand  anstoßen  (Fig.  43b),  wird  es 
verständlich,  daß  wir  später  den  Ausläufer  dieses  Bulbuswulstes  am 
rechten  Abhänge  des  ventralen  Abschnittes  des  Septum  interventri- 
culare  gelegen  finden. 

Bildung  des  Septum  a  t  r  i  o  r  u  m.  Inzwischen  hat  sich  aber  auch 
die  Vorkammerscheidewand  angelegt.  —  Sie  entsteht  in  ganz  ähnlicher 
Weise  wie  bei  Lacerta  (Fig.  44)  und  verbindet  sich,  wie  dort,  schließlich 


Die  Entwickelung  des  Blutgefäßsystems. 


43 


mit  der  Mitte  der  mit  einander  verschmolzenen  Endocardkissen  des 
Ostium  atrioventriculare  (Fig.  45)  [Lindes  1865,  Masius  1S89].  — 
Zu  gleicher  Zeit  erfolgt  aber 
auch  eine  Verschiebung  der 
Bulbusmündung  nach  links 
hin,   so   daß    dieselbe   zum 


das    Herz 
O.a.v.c.    Ostium 


Fig.  45. 
eines    H  ü  h  n  e  r  e  m  1)  r  v  o 


atrioventriculare 


von 
commune. 


Fig.  44. 

Fig.   44.      Frontalschnitt    durch 
106    Stunden.       S.atr.    S.    atriorum. 
S.v.  S.  interventriculare. 

Fig.  45.  Frontaldurchschnitt  durch  das  Herz  eines  Hühnerembryo  von 
9  mm  Kopflänge.  v.E.K.  verschmolzene  Endocardkissen.  l.E.K.  laterale  Endocard- 
kissen.    S.atr.  S.  atriorum.     S.v.  S.  interventriculare. 


Teil  ventral  vor  die  verschmolzenen  Endocardkissen  der  Atrioven- 
tricularöffuung  zu  liegen  kommt  (Fig.  46)  und  es  so  möglich  wird,  daß 
sich  der  rechte  ventrale  Abschnitt  dieser  Endocardkissen  mit  dem  an 
der  rechten  Umgrenzung  der  Bulbusmündung  gelegenen  proximalen  B.- 
W.  B  verbinden  kann  (Fig.  46a).  —  Dabei  befindet  sich  der  konkave  freie 
Rand  des  S.  interventriculare,  welcher  gegen  die  verschmolzenen  Endo- 


pr.B.W.B.jm:i 


l.E.K. 


l.E.K. 


pr.B.W.A. 


Plg.  46a.  Querschnitt  durch  den 
proxiraalsten  Bulbusabschnitt  des  Herzens 
eines  Hühnerembryo  von  6,5mmKopf- 
länge  (nach  Greil).  A.  Aorta.  P.  Pulmona- 
lis.   v.E.K.  verschmolzene  Endocardkissen. 

Fig.  46b.  Durchschnitt  durch  das- 
selbe Herz  näher  der  Herzspitze  (nach 
Greil).  A.E.  Aortenrinne  der  verschmol- 
zenen Endocardkissen.  l.E.K.  laterale 
Endocardkissen.  ^'•^-  ^• 


Fig.    46c.     Durchschnitt  durch  das- 
selbe Herz  noch  weiter  herzspitzenwärts 
(nach  Greii,).    Bezeichnungen  wie  bei  Fig.  46a  und  b. 
wand.     B.au.L.  Bulboauricular-Leiste. 


l.E.K. 


lir.B.W.A. 
Fig.  46b. 


l.E.K. 


B.au.L. 
Fig.  46c. 
u.B.  W.  unterminierte  Bulbus- 


44  HOCHSTETTER, 

cardkissen  zu  vorwäclist,  gegenüber  dem  rechten  Rande  der  letzteren 
(Fig.  45)  und  beginnt  auch  bereits  von  der  Dorsalseite  her  mit  diesem 
Rande  zu  verschmelzen.  —  Dadurch  wird  die  früher  weite  Kommuni- 
kationsöft'nung  zwischen  den  beiden  Kammerabteilungen,  das  Foramen 
interventriculare,  beträchtlich  verengert.  —  Die  Folge  davon  ist  aber, 
daß  sich  die  bei  der  Systole  aus  der  linken  Kammer  ausgetriebene 
Blutmasse  in  dem  über  dem  Foramen  interventriculare  betindlichen 
ventralen  Abschnitte  der  überaus  plastischen  Endocardkissen  eine 
Rinne  gräbt  (Fig.  46b).  die  in  die  dorsal  von  den  beiden  proximalen 
Bulbuswülsten  befindliche  Aortenabteilung  des  Bulbusrohres  (Fig.  46a) 
hinüberleitet.  —  Indem  sich  nun  der  das  Bulbusostium  nach  rechts 
hin  überragende,  ventrale  Teil  der  verschmolzenen  Endocardkissen 
immer  weiter  herzspitzenwärts  mit  der  rechten  Umrandung  des 
Bulbusostiums  und  dem  da  befindlichen  proximalen  B.-W.  B  ver- 
bindet, erfährt  die  dorsale  Wand  des  Aortenrohres  des  Bulbus  durch 
diesen  Teil  des  Endocardkissens  eine  Verlängerung,  wodurch  zugleich 
der  obere,  an  das  Gebiet  des  Ostium  atrioventriculare  dextrum  an- 
grenzende Teil  des  Ostium  bulbi  gegen  dieses  Ostium  abgeschlossen 
und  so  eine  ventrale  Umgrenzung  des  Ostium  atrioventriculare 
dextrum  gebildet  wird. 

Definitive  Scheidung  der  beiden  Kammern.  Indem 
nun  die  beiden  proximalen  B.-W.,  von  denen  der  proximale  B.-W.  A. 
wie  früher  erwähnt  wurde,  an  dem  rechten  Abhänge  des  ventralen 
Abschnittes  des  Randes  des  Septum  interventriculare  ausläuft,  mitein- 
ander und  mit  dem  oben  erwähnten  Abschnitte  der  Endocardkissen 
verwachsen,  wird  nicht  nur  im  proximalen  Bulbusabschnitte  das  Aorten- 
rohr vom  Pulmonalisrohre  geschieden,  sondern  es  wird  auch  die  bis 
dahin  noch  bestehende  Kommunikation  zwischen  den  beiden  Kammern 
aufgehoben,  wobei  jedoch  das  Foramen  interventriculare  erhalten  bleibt 
und  zur  Bildung  des  Aortenconus  der  linken  Kammer  Verwendung 
findet  (Lindes   1865,   Masius  1889). 

Einbeziehung  des  proximalen  Abschnittes  des  Bul- 
bus cordis  in  die  Kammer  ab  t  eilung.  In  der  Zwischenzeit 
macht  die  Unterwühlung  der  Bulbuswand  von  der  Kammer  her 
immer  weitere  Fortschritte  (Fig.  46b  und  c),  und  schließlich  führt 
dieser  Prozeß  zu  einer  fast  vollständigen  Zerstörung  der  vorher  unter- 
minierten Wand,  so  daß  schließlich  der  proximale  Abschnitt  des  Bulbus 
bis  an  die  Semilunarklappen  heran,  in  die  Kammerabteilung  des 
Herzens  aufgenommen  erscheint  (Greil). 

Septum  ventriculorum.  Die  nunmehr  komplete  Kammer- 
scheidewand besteht  jedoch  anfänglich  nur  in  den  aus  dem  ursprüng- 
lichen Septum  interventriculare  gebildeten  Teilen  aus  Muskulatur,  im 
übrigen  ist  sie,  soweit  sie  aus  Teilen  der  Endocardkissen  und  der 
proximalen  B.-W.  hervorgegangen  ist,  aus  Bindegewebe  aufgebaut.  — 
Sehr  bald  wachsen  jedoch  auch  in  diese  bindegewebigen  Teile  der 
Scheidewand  aus  der  Nachbarschaft  Muskelmassen  ein ,  so  daß  am 
ausgebildeten  Herzen  rein  bindegewebige  Teile  der  Kammerscheide- 
wand nicht  mehr  bestehen. 

Bildung  der  A  t  r  i  o  v  e  n  t  r  i  c  u  1  a  r  k  1  a  p  p  e  n.  Was  die  Bildung 
der  Atrioventricularklappen  anbelangt,  so  ist  zu  bemerken,  daß  sich, 
so  wie  bei  Lacerta,  nicht  nur  an  der  ventralen  und  dorsalen  Wand 
«les  Auricularkanales  Endocardkissen  als  primärer  Klappenapparat  ent- 


Die  Entwickelung  des  Blutgefaßsystems.  45 

wickeln,  sondern  daß  auch  an  den  seitlichen  Wandungen  dieses  Herzab- 
schnittes sekundäre,  allerdings  schwächere  Endocardpolster,  die  lateralen 
Endocardkissen  (Fig.  45,  46)  entstehen.  —  Am  linken  Ostium  venosum 
entwickelt  sich  nun  aus  dem  links  vom  Ansätze  des  S.  atriorum  be- 
findlichen Abschnitte  der  verschmolzenen  Endocardkissen,  welcher 
ventral  und  dorsal  mit  der  in  Resten  erhaltenen  Wand  des  Canalis 
auricularis  zusammenhängt,  der  septale  oder  Aortenzipfel  dieses 
Ostiums.  —  Aus  dem  lateralen  Endocardkissen  und  Partieen  der  zuge- 
hörigen unterwühlten  Canalis  auricularis- Wand  entsteht  der  marginale 
Zipfel  der  Klappe,  während  aus  den  die  Reste  der  unterwühlten  Ohr- 
kanalwand mit  der  Kammerwand  verbindenden  Muskeltrabekeln  die 
Papillarmuskeln  der  Klappen  sich  entwickeln. 

Am  rechten  Ostium  atrioventriculare  unterbleibt  die  Bildung  einer 
septalen  Klappe  vollständig,  da  es,  indem  sich  das  Septum  interven- 
triculare  mit  dem  rechten  Rande  der  verschmolzenen  Endocardkissen 
verbindet ,  an  Material  zur  Bildung  einer  solchen  Klappe  fehlt.  — 
Die  Muskelklappe  dieses  Ostiums  aber  entsteht  zum  grollten  Teile  aus 
dem  unterminierten,  diesem  Ostium  zugehörigen  Wandabschnitte  des 
Auricularkanales,  zum  kleineren  Teile  aus  der  ventralen,  sekundär  ge- 
bildeten Wand  (vgl.  p.  44)  dieses  Ostiums,  in  die,  nachdem  sie  ur- 
sprünglich aus  rein  endocardialem  Gewebe  bestand,  von  der  Wand 
des  Auricularkanales  her  und  aus  dem  Septum  ventriculorum  Musku- 
latur eingewachsen  ist.  —  Der  große,  die  Muskelklappe  beherrschende, 
von  der  ventralen  Kammerwand  entspringende  Papillarmuskel  aber 
ist  möglicherweise  ein  Rest  der  unterminierten,  im  übrigen  vollständig 
zerstörten  Bulbuswand.  —  Das  laterale  Endocardkissen  des  Ostium 
atrioventriculare  dextrum  bildet  sich  bis  auf  unscheinbare  der  Muskel- 
klappe aufsitzende  Reste  zurück. 

Bezüglich  der  Vorkammerscheidewand  sei  noch  hervorgehoben, 
daß  dieselbe,  so  wie  bei  den  Reptilien,  sehr  bald  zahlreiche  Perforations- 
öffnungen aufweist,  von  denen  die  eine  oder  die  andere  größere 
Dimensionen  erlangen  kann  (Lindes  1865,  Masius  1889).  —  Diese 
Lücken  schließen  sich  vollständig  erst  nach  der  Geburt. 

Die  Sinusklappen  und  ihr  SchicksaL  An  der  Mündung 
des  Sinus  venosus  in  die  Vorkammer  entstehen  zwei  ähnliche  Klappen- 
falten, die  in  einen  Spannrauskel  auslaufen,  wie  bei  den  Sauriern.  — 
Eine  weitere  Ausgestaltung  erfährt  jedoch  der  Sinus  venosus  bei  den 
Vögeln  dadurch,  daß  der  Sporn  zwischen  der  Mündung  des  Sinus- 
querstückes und  der  hinteren  Hohlvene  in  den  gemeinschaftlichen 
Sinusraum  sich  in  der  Richtung  gegen  die  rechte  Sinusklappe  hin 
verlängert  und  das  sogenannte  Sinusseptum  (Rose  1888j  bildet, 
welches  schließlich  mit  der  rechten  Sinusklappe  verwächst.  —  Ist  nun 
das  rechte  Sinushorn  so  weit  in  die  Vorkammer  hineingerückt 
(vgl.  p.  39),  daß  es  äußerlich  als  abgrenzbarer  Herzteil  verschwmdet, 
so  werden  auch  die  beiden  Sinusklappen  niedriger  und  können  ent- 
weder in  diesem  Zustande  erhalten  bleiben,  wie  bei  den  Cursores 
(RÖSE  1888),  oder  es  kann  der  die  Mündung  des  Sinusquerstückes 
begrenzende  Abschnitt  der  rechten  Sinusklappe  schwinden  und  so 
dieses  allein  eine  selbständige  Mündung  in  den  Vorhof  gewinnen,  oder 
endlich  es  können  die  Sinusklappen  so  weit  reduciert  werden,  daß 
alle  drei  großen  Venenstämme  getrennt  in  die  Vorkammer  münden.  — 
In  dem  letzteren  Falle  kann  man  dann,  wenn  auch  keine  Reste  der 
Sinusklappen   erhalten   bleiben,   doch    von   einer   vollständigen  Einbe- 


46 


HOCHSTETTER, 


gemeinschaftlichen 


Sinusraumes   in   den   rechten  Vorhof 


Ziehung   des 
sprechen. 

Mündung  der  Lungenvene.  Die  Lungenvene  mündet,  wie 
bei  den  Sauriern,  von  vornherein  als  einfacher  Stamm  in  die  linke 
Vorkammer,  an  der  linken  Seite  des  Septum  atriorum  und  behält  diese 
Beziehung  auch  dauernd  bei. 


Säuger. 


So  wie  das   fertig   gebildete   Säugerherz   in  den   meisten  wesent- 
lichen Punkten  seiner  Organisation  mit  dem  Herzen  des  ausgebildeten 


Vogels  Übereinstimmt,  so  sehen  wir  auch  seine  Entwickelung  in  allen 
wichtigeren 


Punkten  in  ähnlicher  Weise  sich  vollziehen  wie  beim 
Vogel.  —  Diese  Aehnlichkeit  des  Entwickelungsganges  ist  jedoch  nur 
zum  Teil  auf  von  gemeinsamen  Vorfahren  ererbte  Anlagen  zurück- 
zuführen, zum  Teil  handelt  es  sich  dabei  gewiß  um  weitgehende 
Konvergenzerscheinungen 

Eine   genai 
herzen  verdanken  wir  den  grundlegenden  und  ziemlich  erschöpfenden 
Untersuchungen  von  Born,  die  der  folgenden  Darstellung  hauptsächlich 
zu  Grunde  gelegt  sind. 

Entwickelung  der  äußeren  Form  des  Säugerherz  ens. 


Kenntnis   der  Entwickelungsvorgänge    am 


Säuger- 


Die  Krümmung  des  Herzschlauches  beginnt  beim  Kaninchen  ungemein 
frühzeitig,    noch    bevor   seine  paarigen    Anlagen 


ganzen  Länge 


ihrer 
nach  mit  einander  verschmolzen  sind.  —  Wie  bei  allen  übrigen 
Wirbeltieren  behält  dabei  das  caudale  Ende  des  Herzschlauches  seine 
ursprüngliche  Lage  ventral  vom  Darme  bei,  während  sich  seine  übrigen 
Abschnitte  in  Form  einer  Schleife  ventral  vor  dasselbe  lagern.  —  An 
dieser  Schleife,  die  man  gewöhnlich  als  Ventrikelschleife  bezeichnet, 
kann  ein  caudalwärts  absteigender,  links  gelegener  und  ein  rechts  be- 
findlicher, aufsteigender  Schenkel,  die  durch  ein  kurzes  Querstück  mit- 
einander in  Verbindung  stehen,  unterschieden  werden.  —  Der  auf- 
steigende Ventrikelschenkel,  welcher  sich  zuerst  etwas  medianwärts 
wendet,  um  schließlich  dorsalwärts  umzubiegen,  geht  in  den  noch  ganz 
kurzen  Truncus  arteriosus  über. 


C.ati. 


I.S.-- 


Alr. 


V.u. 


V.o.m. 
Fig.  47a. 


V.o.m. 


Fig.  47a.  Ventralansicht 
des  Herzens  eines  Kanin- 
chenembryo  von  0,95 mm 
Kopflänge  (nach  Böen).  LS. 
Interventricularspalte.  Atr. 
Vorkammer.  V.o.m.  V.  om- 
phalo-mesent.  V.u.  V.  um- 
bilicalis. ^L.l  I.Aortenbogen. 

Fig.  47b.  Seitenansicht 
desselben  Herzens  (nach 
BOEN).  2).  C.  Ductus  Cuvieri. 
C.au.  Canalis  aurieularis.  S.v. 
Sinus  venosus ;  übrige  Be- 
zeichnungen wie  in  Fig.  47a. 


Sonderung  des  Herzschlauches  in  einzelne  Abtei- 
lungen. Bei  Kaninchenembryonen  vom  9.  Tage,  bei  denen  diese 
Verhältnisse  deutlich  zu  erkennen  sind  (Fig.  47a  und  b),  zeigt  sich 
auch  bereits  die  erste  Andeutung  der  Sonderung   des  Herzschlauches 


Die  Entwickelung  des  Blutgefäßsystems.  47 

in  seine  einzelnen  Abschnitte,  indem  an  seinem  Venenende,  in  das 
jederseits  die  V.  omphalo-mesenterica,  V.  umbilicalis  und  der  Ductus 
Cuvieri  münden  (Fig.  47b),  von  links  her  einschneidend,  eine  Furche 
auftritt,  die,  später  ringförmig  werdend,  den  Sinus  venosus  von  der 
Vorkammer  sondert.  —  Die  letztere,  welche  sich  bereits  deutlich  nach 
beiden  Seiten  hin,  stärker  aber  zuerst  nach  links  auszudehnen  beginnt, 
hängt  durch  ein  kurzes  verjüngtes  Uebergangsstück ,  den  Canalis 
auricularis,  mit  dem  absteigenden  Ventrikelschenkel  zusammen.  Die 
beiden  Ventrikelschenkel  sind  durch  eine  tiefe  Furche,  die  sogenannte 
Interventricularspalte,  von  einander  geschieden.  —  In  dem  rechten 
aufsteigenden  Ventrikelschenkel  sehen  wir  mit  Greil,  wegen  der 
später  an  seiner  Innenwand  auftretenden  Endocardwucheruugen,  den 
dem  Bulbus  cordis  der  Anamnier  und  Sauropsiden  entsprechenden 
Herzabschnitt,  doch  ist  derselbe  weder  zu  dieser  Zeit  noch  später 
äußerlich  von  der  eigentlichen  Kammerabteilung  des  Herzens  deutlich 
abgrenzbar. 

Bald  wird  nun  die  Abgrenzung  des  Sinus  venosus  gegen  den 
Vorhof  zu  deutlicher,  indem  die  Grenzfurche  auch  rechterseits  er- 
scheint. —  Die  Ausdehnung  der  Vorhofsabteilung  schreitet  rasch  auch 
nach   rechts  hin   vor   (Fig.   48b)    und  zu    beiden   Seiten   des   Bulbus 

LS. 


^^^^  ^____       ._^^_.     ^^  —  C.au. 

s.v.  — 'i 

V.o.m.    I.F.   V.o.m.  LS. 

Fig.  48a.  Fig.  48b. 

Fig.  48a.  Herz  eines  Kaninchenembryo  von  2,5  mm  Kopflänge.  Ventral- 
ansicht (nach  Born).  LF.  Interventricularfurche;  übrige  Bezeichnungen  wie  bei 
Fig.  47. 

Fig.  48b.  Ansicht  desselben  Herzens  von  der  cranialen  Seite  her  (nach  Born). 
Bezeichnungen  wie  bei  Fig.  47  und  48a. 

cordis  vortretende  Ausladungen  derselben  bilden  die  Anlagen  der 
Herzohren.  —  Auch  der  Canalis  auricularis  erscheint  infolge  der  Aus- 
dehnung der  Vorkammer  und  der  Ventrikelschleife  deuthcher  ge- 
sondert. 

Veränderungen  der  beiden  Ventrikelschenkel  und 
Bildung  der  Interventricularfurche.  Die  Ausweitung  der 
letzteren  betrifft  jedoch  mehr  ihr  Querstück  und  ihren  aufsteigenden 
Schenkel.  —  Indem  sie  weitere  Fortschritte  macht,  schiebt  sich  der 
rechte  Ventrikelschenkel  immer  weiter  vor  (Fig.  48b),  wodurch  die 
Interventricularspalte  medianwärts  verlagert  wird.  —  Auch  verkürzt 
sich  die  letztere,  indem  die  einander  zugekehrten  Flächen  der  Ventrikel- 
schenkel miteinander  verschmelzen  und  so  das  Ventrikelquerstück 
immer  höher  wird.  —  Zu  gleicher  Zeit  beginnt  sich  aber  auch  an 
diesem  Querstücke,  von  der  Interventricularspalte  ausgehend  und  ihr 
gegenüber,  eine  Furche,  die  Interventricularfurche  (Fig.  41  a)  zu  ent- 


48 


HOCHSTETTER. 


Atr.iL  - 


Atr.s 


wickeln.  —  Kun  kann  bereits  von  einer  rechten  nnd  linken  Kammer- 
abteilung gesprochen  werden.  —  Die  erstere  übergeht,  konisch  sich 
verjüngend,  ohne  deutliche  Grenze  in  den  Bulbus  cordis. 

Verlagerung  des  Auricularkanales.     In  der  Folge  wird 
der  sich  verbreiternde  Auricularkanal  zwischen  der  sich  mächtig  aus- 
dehnenden linken  Kammer   und 
der  Vorkammerabteilung  in  der 
Tiefe   der  Atrioventricularfurche 
versenkt  und  zugleich  nach  rechts 
hin   verlagert,    wobei  sich  seine 
Wand  der  Bulbuswand  innig  an- 
legt. —  Ist  dann  die  Reduktion 
der  Interventricularspalten    weit 
genug   vorgeschritten   (Fig.  49), 
so   geht   die   dorsale  Wand   des 
Bulbus  linkerseits  unmittelbar  in 
die    Wand    des    Canalis    auricu- 
laris  über,  und  es   wandelt  sich 
so  die  Interventricularspalte   in 
eine    Bulboauricularfurche,    wie 
wir    sie    bei    den    Sauropsiden 
fanden,  um  (Greil). 
rkammerabteilung   ist   inzwischen 
des   Mesocardium   posterius  mit 
steht,    eine    sagittal   verlaufende 
durch  die  Anlagerung  des  Bulbus  an 
den    Vorhof    entstande- 
nen   Rinne    zusammen- 
fließend, die  Vorkammer- 
abteilung   äußerlich    in 
eine    rechte    und    linke 
erscheinen    läßt 
50). 

v  e  r  s  c  h  i  e  - 


I.F. 


Fig.  49.  "Ventralansicht  des  Herzens  eines 
Kaninchenembryo  von  2,66mm  Kopf- 
länge (nach  BoRisrv  Bezeichnungen  wie  bei 
Fig.  48. 


An  der  dorsalen  Wand  der  Vo 
dort,  wo  dieselbe  durch  einen  Rest 
der  Lungenanlage  in  Verbindung 
Rinne  entstanden,   die,   mit   der 


I.S.H.  ._ 


S.i.s.v. 


geteilt 

(Fig. 


.S.II. 


Lage 
bung  der   Vorkam- 
mer a  b  t  e  i  1  u  n  g 


S.Qu.  V.c.i. 

Fig.  50.  Dorsalansicht  des  Herzens  eines  Ka- 
ninchenembryo von  3,4  mm  Koi^flänge  (nach 
BOBN).  l.,  r.S.H.  linkes,  rechtes  Sinushorn.  S.Qu. 
Sinusquerstück.  V.c.i.  V.  cava  inferior.  S.üs.v.  Spa- 
tium  intersepto-valvulare. 


und 

des  Sinus  venös us. 
Dabei  ändert  dieselbe 
der  Kammer  gegenüber 
ihre  Lage  in  der  Weise, 
daß  sie  sich  ihr  gegen- 
über cranialwärts  erhebt 
oder  aufklappt  (Born 
1889)  [vgl.  Fig.  48a  und 
Fig.  49],  eine  Lagever- 
änderung, die  mit  der 
Caudalwärtsverlagerung 
des  ganzen  Herzens  zu- 
sammenhängt und  durch 
die    stärkere    Verschie- 


bung 


der  Kammerabteilung  in  caudaler  Richtung  bedingt  ist,  die  aber 


auch  eine  Lageveränderung 
gegenüber  zur  Folge  hat. 


des  Sinus  venosus  der  Vorkammerabteilung 


Die  Entwickelung  des  Blutgefäßsystems. 


49 


Der  Sinus  venosus,  der  nämlich  früher  der  caudalen  Wand  der 
Vorkammer  aufsaß  und  in  den  die  beiden  Ductus  Cuvieri  in  dorso- 
ventraler  Richtung  einmündeten,  stellt  sich  nun  immer  mehr  in  eine 
frontale  Ebene  ein,  so  daß  er  später  der  dorsalen  Vorhofswand  anliegt 
und  die  beiden  Ductus  Cuvieri  einen  immer  stärker  craniocaudal  ge- 
richteten Verlauf  annehmen.  —  Indem  dann  die  Mündungsstücke  der 
linken  und  rechten  V.  umbilicalis,  sowie  der  V.  omphalo-mesenterica 
sinistra  obliterieren,  nimmt  der  Sinus  die  typische  Hufeisenform  an, 
wie  sie  bei  den  Sauriern  zeitlebens  erhalten  bleibt  (Fig.  50). 

S  i  n  u  s  h  ö  r  n  e  r  und  S  i  n  u  s  q  u  e  r  s  t  ü  c  k.  Die  beiden  die  Ductus 
Cuvieri  aufnehmenden  Schenkel  des  Sinus  werden  dann  als  Sinus- 
hörner,  der  quere  Abschnitt  zwischen  beiden  aber  als  Sinusquerstück 
bezeichnet.  —  Die  hintere  Hohlvene  die  hier  aus  der  V.  omphalo- 
mesenterica  dextra  hervorgegangen  ist,  mündet  (Fig.  50)  an  der  Zu- 
sammenflußstelle von  rechtem  Sinushorn  und  Sinusquerstück  so,  daß 
sich  ihre  Mündung  von  vornherein  unmittelbar  cranialwärts  von 
dieser  Zusammenflußstelle  befindet. 

Allmählich  wird  nun  die  Form  des  Herzens  der  des  definitiven 
Zustandes  immer  ähnlicher.  —  Am  distalen  Abschnitte  des  Bulbus 
treten,  wie  beim  Vogelherzen, 
2  spiralige  Furchen  auf  (Fig. 
51),  die  die  Scheidung  der- 
selben in  Aorten-  und  Pul- 
monahsrohr  äußerlich  andeu- 
ten, während  der  proximale 
Bulbusabschnitt  hauptsächlich 
in  dem  als  Conus  arteriosus 
der  rechten  Kammer  bezeich- 
neten Herzabschnitte  aufgeht. 
—  Kammer  und  Vorkammer 
dehnen  sich  immer  mehr  aus, 
und  die  letzteren  umfassen, 
indem  sie  sich  noch  weiter  auf- 
richten, mit  den  beiden  Herz- 
ohren,  die   aus   dem   distalen 


Bulbusabschnitte       hervorge- 


Fig. 


gangene    Aorta 
nalis  (Fig.  51). 


und    Pulmo- 


51.  Ventralansicht  des  Herzens  eines 
Kanin chenembryo  von  5,8  mm  Kopflänge 
(nach  Born). 


Einbeziehung 
V  0  r  h  0  f . 


des  rechten  Sinushornes  in  den 
rechten  Vor  ho  f.  Das  rechte  Sinushorn  senkt  sich  wie  beim 
Hühnchen  in  die  dorsale  Wand  des  rechten  Vorhofes  ein,  bis  es 
äußerlich  nicht  mehr  nachweisbar  ist,  während  das  die  Herzwandvenen 
aufnehmende  Sinusquerstück  und  das  linke  Sinushorn  beim  Kaninchen 
und  einigen  anderen  Säugern  zeitlebens  erhalten  bleibt. 

Schicksal  des  linken  Sinushornes.  Beim  Menschen  und 
bei  vielen  anderen  Säugetieren  obhteriert  jedoch  der  linke  Ductus 
Cuvieri  und  mit  ihm  das  linke  Sinushorn  bis  zu  jener  Stelle,  an 
welcher  in  das  letztere  die  erste  Herzwandvene  mündet  (Marshall), 
so  daß  also  bei  diesen  Formen  nur  das  Sinusquerstück  als  Sinus 
coronarius  cordis  erhalten  bleibt. 

Einbeziehung     des     L u n  g e n  v e n  e n  s  t a m  m  e s     in     den 
linken  V  o  r  h  o  f.     So  wie  sich  die  rechte  Vorkammer  durch  die  Auf- 
Handbuch der  Entwickelungslehre.    III.  2.  4 


50  HOCHSTETTFR, 

nähme  des  rechten  Sinushornes  und  des  gemeinsamen  Siuusraumes 
vergrößert,  so  erfolgt  auch  eine  Vergrößerung  der  linken  Vorkammer 
dadurch,  daß  der  sich  ausdehnende  kurze  Lungenvenenstamm  in  sie 
aufgenommen  wird.  —  Diese  Aufnahme  oder  Einbeziehung  ist  ent- 
weder eine  partielle,  dann  mündet  auch  im  fertigen  Zustand  der  ver- 
kürzte Lungenvenenstamm  in  die  Vorkammer,  oder  sie  ist  eine  totale, 
dann  geht  der  Lungenvenenstamm  ganz  in  der  Vorkammer  auf,  und 
es  münden  in  die  letztere  seine  primären  Aeste,  oder  aber  es  wird 
nicht  nur  der  Lungenvenenstamm  selbst,  sondern  auch  seine  primären 
Aeste  in  die  ^'orkammer  einbezogen.  —  Das  letztere  ist  beim  Menschen 
der  Fall,  wo  schließlich  nicht  eine  Lungenvene,  wie  ursprünglich, 
sondern  vier  in  den  linken  Vorhof  münden  (F.  Schmidt  1870). 

Ausgestaltung  des  H  e  r  z  i  n  n  e  r  e  n .  Was  die  Ausgestaltung 
des  Herzinneren  anbelangt,  so  soll  mit  der  Schilderung  der  den  Sinus 
venosus  und  die  A'orkammerabteilung  betreffenden  Veränderungen 
begonnen  werden.  —  So  wie  die  Sonderung  dieser  beiden  Herzab- 
teilungen äußerlich  zuerst  durch  eine  von  links  her  einschneidende 
Furche  eingeleitet  wird,  so  schiebt  sich  im  Inneren  zuerst  eine  solide 
Wandfalte  von  links  her  vor,  die  die  Siuusmündung  des  Vorhofes 
verengend,  dieselbe  schließlich  ganz  der  rechten  Vorhofsabteilung 
zuweist. 

Bildung  der  Sinusklappen  und  des  Septum  spurium. 
Nun  tritt  auch  an  der  rechten  Umrandung  der  Sinusmüuclung  eine 
Wandfalte  auf,  die  rasch  plattenförmig  vorwächst  und  ihr  gesellt  sich 
von  der  linken  Umrandung  der  Sinusmündung  sich  entwickelnd,  eine 
zweite  ähnliche,  aber  nicht  so  stark  vorspringende  Falte  zu.  —  Damit 
sind  die  beiden  Sinusklappen  gebildet.  —  Sie  vereinigen  sich  etwas 
später  an  der  dorsalen  Wand  der  Vorkammer  zu  einer  plattenförmigen 
Leiste  die  auf  die  craniale  Wand  der  Vorkammer  übergreift.  —  Diese 
zu  einer  Platte  auswachsende  Leiste  ist  das  Septum  spurium  von 
His.  ~  Es  entspricht  dem  Spannmuskel  der  Sinusklappen  der  Saurop- 
siden  (Rose  1889). 

Bildung  des  Septum  atriorum.  Während  sich  aber  die 
Sinusklappen  und  das  Septum  spurium  entwickeln  und  immer  höher 
werden,  so  daß  die  Sinusmündung  immer  mehr  eine  Spaltform  annimmt 
(Fig.  52),  und  sich  bei  der  Erhebung  der  Vorkammerabteilung  auf 
deren  Dorsalwand  verschiebt,  entsteht  links  von  ihr,  von  der  Dorsal- 
wand der  Vorkammer  aus,  entsprechend  der  früher  erwähnten  (p.  48) 
rinnenförmigen  Einziehung  an  ihrer  äußeren  Oberfläche,  später  auf 
die  craniale  Wand  übergreifend,  eine  Leiste,  die  allmähhch  zur  halb- 
mondförmigen Platte  des  Septum  atriorum  (Septum  I  von  Born) 
auswächst.  —  Dasselbe  entstellt  also  ganz  ähnlich  wie  bei  den  Sauro- 
psiden.  —  An  seiner  linken  Seite  findet  sich,  kaum  daß  es  entstanden 
ist,  die  Mündung  der  Lungenvene.  —  Der  freie  Rand  des  Septums. 
der  eine  Endocardverdickung  trägt,  ist  dabei  zuerst  gegen  den  rechten 
Rand  der  Mündung  des  Ohrkanales  gerichtet,  an  dessen  Wand  sich 
inzwischen  in  derselben  Lage  wie  bei  den  Sauropsiden  die  beiden  Endo- 
cardkissen  entwickelt  haben. 

Verbindung  d  e  s  S  e  p  t  u  m  a  t  r  i  o  r  u  m  m  i  t  d  e  n  E  n  d  o  c  a  r  d  - 
kissen  des  Auricularkanales.  Indem  nun  das  Septum  atriorum 
immer  weiter  vorwächst  und  sich  gleichzeitig,  infolge  der  früher  ge- 
schilderten   Verschiebungen    der   einzelnen    Herzteile    gegeneinander. 


Die  Entwickelung  des  Blutgefäßsystems. 


51 


die  Vorhofsmündung-  des  Ohrkanales  verbreitert  und  nach  rechts  hin 
verschoben  hat,  verbinden  sich  zuerst  die  beiden  Ausläufer  des  Vor- 
kammerseptums  mit  den  Endocardkissen  (Fig.  52)  und  hierauf  ver- 
schmelzen diese  mit  ihren  einander  zugekehrten  Flächen  miteinander 
und  in  ihrer  Mitte  mit  dem  freien  Rande  des  Septum  atriorum.  — 
So  wird  also  genau  so  wie  bei  den  Sauropsiden  eine  Trennung  der 
beiden  Voi^kammerabteilungen  voneinander  durchgeführt  und  zu- 
gleich die  Teilung  des  ursprünglich  einheitlichen  Ostium  atrioventri- 
culare  in  die  beiden  Ostia  venosa  erzielt. 

f.S.m.   S.i.s.v. 


r.S.H. 


r.S.Kl . 


I.8.H. 


pr.B.  W.B. 


pr.B.W.A.  S.i. 
Fig.  52.  Durchschnitt  durch  das  Herz  eines  Kaninchenembryo  von  5,8  mm 
Kopflänge.  Höhleuansicht  (nach  Born),  r.,  J.S.H.  rechtes,  linkes  Sinushorn.  r.J.S.Kl. 
rechte,  linke  Sinusklappe.  pr.B.  W.  A,  B  proximaler  Bulbuswulst  A,  B.  d.E.K.  dor- 
sales Endocardkissen.  S.atr.  Septum  atriorum.  S.i.s.v.  Spatium  intersepto-valvulare, 
S.i.  Septum  interventriculare. 

Bildung  der  Foramen  ovale.  Während  aber  das  Septum 
.  atriorum  herabwächst,  und  noch  bevor  es  sich  mit  den  Endocardkissen 
verbunden  hat,  treten  in  ihm  entweder  wie  bei  den  Monotremen 
(HocHSTETTER  A.  1896)  uud  Marsupialiern  (Rose  1889)  zahlreiche 
Perforationslücken  auf,  oder  es  kommt  an  seiner  Wurzel  wie  beim 
Menschen,  Kaninchen  (Born)  und  wohl  den  meisten  Placentaliern  zur 
Ausbildung  einer  einheitlichen  größeren  Oeflfnung,  dem  Foramen  ovale 
(F.  ov.  II  Born),  neben  der  übrigens  (Born,  Rose)  auch  noch  kleinere 
Oeffnungen  vorkommen  können. 

Während  sich  aber  bei  den  Monotremen  und  Marsupialiern  die 
zahlreichen  Perforationsöffnungen  wie  bei  den  Sauropsiden  durch 
Endocardwucherungen  (Rose  1889)  schließen,  erfolgt  der  Verschluß 
des  Foramen  ovale  beim  Menschen  und  Kaninchen  in  anderer 
Weise. 

Bildung  des  Limbus  Vieussenii  und  Abschluß  des 
Foramen  ovale.  Etwas  rechts  von  der  Stelle  nämlich,  an  welcher 
das  Septum  atriorum  hervorgewachsen  ist,  entsteht  eine  sichelförmige 
Leiste,  die  plattenartig  vorwachsend  das  Foramen  ovale  einengt  (Fig.  58). 
Diese  zweite  Scheidewandbildung  (S.  II  von  Born)  ^)  schiebt  sich  nun 


1)  Von  RÖSE  Limbus  Vieussenii  genannt. 


4* 


52  HOCHSTETTER, 

an  der  rechten  Seite  des  das  Foramen  ovale  begrenzenden  Randes 
des  Septum  atriorum  (Valvnla  foraminis  ovalis  der  Autoreu)  vor  und 
überdeckt  so  das  Foramen  ovale  schließlich  vollständig.  —  Nach  der 
Geburt  verwächst  sie  dann  in  der  Regel  mit  den  ihr  anliegenden 
Teilen  des  Septum  atriorum  zur  einheitlichen  Vorkammerscheidewand 
der  ausgebildeten  Form. 

Das  S  p  a  t  i  u  m  i  n  t  e  r  s  e  p  t  o  -  v  a  1  v  u  1  a  r  e.  In  der  Zwischenzeit 
sind  nun  in  dem  Maße,  als  sich  das  rechte  Sinushorn  immer  mehr  in 
den  rechten  Vorhof  hineinsenkt,  die  Sinusklappen  und  das  Septum 
spurium  so  mächtig  vorgewachsen  daß  sie  mit  dem  Septum  atriorum 
einen  als  Spatiumintersepto- valvuläre  (Rose)  bezeichneten  Raum 
(Fig.  52)  des  rechten  Vorhofes,  der  auch  äußerlich  durch  eine  leichte 
Wandausbuchtung  (Fig.  50)  sich  kennzeichnet,  abgrenzen.  — 

Bildung  des  S  i  n  u  s  s  e  p  t  u  m  s.  Im  Sinus  selbst  hat  sich  dann 
wie  bei  den  Vögeln  von  links  her  das  Sinusseptum  entwickelt,  welches, 
indem  es  sich  mit  der  rechten  Sinusklappe  verbindet,  in  dem  nun  von 
den  beiden  Sinusklappen  begrenzten,  gewissermaßen  in  die  rechte 
Vorkammer  eingestülpten  Sinusraume,  die  Mündung  des  Sinusquer- 
stückes vor  der  der  hinteren  Hohlvene  scheidet.  —  Die  Mündung  des 
rechten  Ductus  Cuvieri  (V.  cava  superior  dextra)  entfernt  sich  nun 
von  derjenigen  der  hinteren  Hohlvene,  und  das  Spatium  intersepto- 
valvulare  wird  immer  enger. 

Rückbildung  der  Sinusklappen  und  des  Septum 
spurium.  Die  endgiltige  Einbeziehung  des  Sinus  venosus  in  den 
rechten  Vorhof  erfolgt  dann  in  ähnlicher  Weise  wie  bei  den  Vögeln, 
indem  das  Septum  spurium  und  die  Sinusklappen  immer  niedriger 
werden  und  schließlich  nahezu  vollständig  schwinden  wie  beim  Kaninchen, 
oder  indem,  wie  beim  Menschen,  die  niedrig  gewordene  linke  Sinus- 
klappe und  das  Septum  spurium  mit  dem  Septum  atriorum  ver- 
schmelzen, während  die  rechte  Sinusklappe  in  der  Umgebung  der 
Mündung  der  oberen  Hohlvene  vollkommen  schwindet,  und  sich 
Reste  ihres  durch  das  Sinusseptum  geteilten  niedriger  gewordenen 
caudalen  Abschnittes  an  der  rechten  Seite  der  Mündung  des  Sinus 
corouarius  cordis  und  der  hinteren  Hohlvene  als  Valvula  Thebesii  und 
Eustachii  erhalten. 

Reste  beider  Sinusklaj^pen  finden  sich  an  der  Mündnng  aller  3  Venen 
in  dem  rechten  Vorhof  bei  den  Monotremen  (Rose  1890,  Hochstbtteu 
1896).  —  Reste  beider  Sinusklappen  an  der  Mündung  der  hinteren 
Hohlvene  finden  sich  bei  Edentaten  (Born  1889,  Rose  1890),  bei  lu- 
sectivoren  (Grosser  1896)  und  beim  Biber  (Born  1889). 

Noch  am  ausgebildeten  Herzen  läßt  sich  übrigens  die  durch  Ein- 
beziehung des  Sinus  venosus  entstandene  Wandstrecke  des  Vorhofes 
an  ihrer  blatten  Beschaffenheit  erkennen.  —  Ebenso  fehlen  im  linken 
Vorhofe  an  den  diircli  die  Einbeziehung  des  Lungenvenusstammes  ent- 
standenen WandjDartieen  die  Musculi  pectinati. 

Bildung  der  Endocardkissen  des  Auricularkanales 
und  der  Bulbu  s  wülste.  Bei  Kaninchenembryonen  beginnt  am 
10.  Tage  die  Bildung  der  beiden  Endocardkissen  des  Auricularkanales. 
am  11.  die  Entstehung  von  Muskeltrabekeln  im  absteigenden  und 
queren  Schenkel  der  Ventrikelschleife.  —  Gleichzeitig  legt  sich  in 
diesen  Kamnierteilen  das  Endocard  an  das  Mj^ocard  an.  —  Am  auf- 
steigenden Ventrikelschenkel  dagegen  ist  am  11.  Tage  die  Muskelwand 


Die  Entwickelung  des  Bkitgefäßsystems.  53 

noch  kompakt,  und  sein  Entlocardrohr  steht  weit  von  ihr  ab,  doch  be- 
ginnen sich  von  ihm  aus  bereits  subendocardiale  Zelhxnhäufungen,  als 
erste  Anlagen  der  Bulbuswülste  zu  entwickeln  (Fig.  53)  und  den 
Zwischenraum  zwischen  Endocard  und  Myocard  auszufüllen.  —  Aehn- 
liche  Endocardwucheruugen  haben  wir  früher  als  für  den  Bulbus 
cordis  der  übrigen  Vertebraten  charakteristische  Bildungen  kennen 
gelernt  und  müssen  daher  mit  Greil  den  ganzen  durch  diese 
Bildungen  ausgezeichneten  aufsteigenden  Ventrikel- 
schenkel als  den  dem  Bulbus  cordis  niederer  Verte- 
braten entsprechenden  Abschnitt  des  Säugerherzens 
betrachten  und  bezeichnen,  der  freilich  gewissermaßen 
schon  in  statu  nascendi  in  die  Kammerabteilung  auf- 
genommen zu  werden  beginnt. 

Fig.  53.     Längsschnitt  durch  den  aufsteigenden   Ventrikel- 
schenkel des  Herzens  eines  Kaninchenenobryo  vom  11.  Tage. 

Noch  ist  es  nämlich  im  Bulbus  cordis  nicht  zur  Ausbildung  vor- 
tretender Bulbuswülste  gekommen,  und  schon  greift  die  Trabekelbildung 
der  Kammer  auch  gegen  seine  rechte  Wand  zu  vor  und  trennt 
so  die  an  seiner  ventralen  und  dorsalen  Wand  befindlichen 
Endocardverdickungen  von  einander.  —  In  diesen  so  voneinander 
getrennten,  am  meisten  gegen  die  Kammer  zu  vorgeschobenen  Endo- 
cardlagen  sehen  wir  die  den  ähnlich  gelagerten  proximalen  Bulbus- 
wülsten  A  und  B  der  Sauropsiden  entsprechenden  Bildungen. 

Veränderungen  im  G e  1)  i e t e  des  F o r a m e n  i n  t e r v e n - 
triculare.  Indem  die  Interventricularspalte  immer  seichter  wird, 
wird  das  die  beiden  Ventrikelschenkel  verbindende  Foramen  inter- 
ventriculare  immer  höher,  wodurch  seine  craniale  Umgrenzung  der 
Kammeröffnung  des  Auricularkanales,  die  sich  inzwischen  allmählich 
nach  rechts  hin  verschiebt,  immer  näher  rückt  und  dieselbe  schließlich 
erreicht.  —  Die  der  Interventricularspalte  entsprechende,  gegen  das 
Foramen  interventriculare  zu  vorspringende  Leiste  wird  in  demselben 
Maße  immer  niedriger  und  bildet  schließlich  die  Grenze  zwischen  der 
Bulbuswand  und  der  Wand  des  Canalis  auricularis,  sie  kann  dann  als 
Bulboauricularleiste  bezeichnet  werden,  da  sie  mit  Rücksicht  auf  ihre 
nachbarlichen  Beziehungen  derselben  Leiste  der  Sauropsiden  entspricht 
(Greil). 

Anlage  des  Septum  interventriculare.  In  dem  Maße 
aber,  als  das  Foramen  interventriculare  an  Höhe  zunimmt,  tritt  ent- 
sprechend der  inzwischen  aufgetretenen  Interventricularfurche  im 
Innern  der  Kammer  eine  solide  Muskelleiste  auf,  die  das  Foramen 
interventriculare  wieder  einengt.  —  Es  ist  das  die  erste  Anlage  des 
Kammerseptums.  Neben  ihr  buchten  sich  die  beiden  Kammerhälften 
caudalwärts  immer  mehr  aus,  wodurch  das  S.  interventriculare  so,  wie 
durch  eignes  Wachstum,  rasch  höher  wird.  —  Sein  ventraler  Aus- 
läufer steht  von  vornherein  mit  der  Bulboauricularleiste  in  Verbin- 
dung, während  sein  dorsaler  in  die  dorsale  Wand  des  Canalis  auri- 
cularis übergeht. 

Inzwischen  erleidet  die  Bulboauricularleiste  eine  weitere  Höhen- 
reduktion, während  sich  der  Auricularkanal  nach  rechts  hin  stark  aus- 
weitet, und  so  kommt  jetzt  der  craniale  Teil  der  Kammermündung 
des  Bulbus  bereits  ins  Gebiet  des  Ohrkanales  selbst  zu  hegen. 


54  HOCHSTETTER, 

Bildung  der  distalen  Bulbus  willst  e.  Im  distalen  Bulbus- 
abschuitte  bildet  die  subendocardiale  Zelhvuclierung  zuerst  eine  allent- 
halben gleich  dicke,  die  innere  Oberfläche  des  Bulbusrohres  bedeckende 
Schicht.  —  Später  treten  aus  dieser  Schicht  zwei  stärkere  und  zwei 
schwächere,  spiralig  verlaufende  Wülste  (Fig.  54)  deutlich  hervor.  — 
Sie  entsprechen  den  distalen  Bulbuswülsten  1—4  der  Amphibien  und 
Reptilien.  —  Die  beiden  stärkeren  (1  und  3)  setzen  sich  proximal- 
wärts in  die  beiden  früher  als  Anlagen  der  proximalen  Bulbuswülste 
A  und  B  bezeichneten  Endocardlagen  fort,  die  nun  auch  allmählich 
die  Form  von  Wülsten  annehmen  (Fig.  56).  Sie  zeigen  nahezu  die- 
selben Lagebeziehungen  wie  die  proximalen  Bulbuswülste  A  und  B 
beim  Hühnchen. 

Entwickelulng  des  Septum  aortico-pulmonale.  Ganz 
ähnlich  wie  beim  Hühnchen  entwickelt  sich  nun  im  Truncus  arteriosus 
von    der    Umrandung    der  Mündung    der    Pulmonalisbogen    aus    das 


-ß.ir.i. 

-  B.  W.3. 

Fig.  54.  Fig.  55. 

Fig.  54.  Querschnitt  darch  den  Bulbus  cordis  eines  menschlichen  Embryo 
von]|27^Tagen. 

Fig.  55.  Schematische  Darstellung  der  Scheidung  des  distalen  Bulbusab- 
schnittes  in  Aorta  und  Pulmonalis  und  der  Eutwickelung  der  Semilunarklappen. 

Septum  aortico-pulmonale  und  wächst  bis  an  den  Beginn  der  beiden 
distalen  Bulbuswülste  1  und  3  vor  (Langer  1895).  —  Diese  legen 
sich  inzwischen  mit  ihren  Firsten  aneinander  und  verschmelzen,  indem 
das  Gewebe  des  Septum  aortico-pulmonale  in  sie  vordringt,  der  Länge 
nach  miteinander  (Fig.  55a  und  b).  —  So  wird  das  ursprünglich  ein- 
heitliche Bulbusrohr  in  eine  Aorten  und  eine  Pulmonalisabteilung  ge- 
schieden. —  Diese  Scheidung  ist  der  unmittelbare  Vorläufer  der 
Teilung  des  distalen  Bulbusabschnittes  in  Aorta  und  Pulmonalis,  die 
sich  unter  geweblicher  Umwandlung  seiner  Wand  in  ähnlicher  Weise 
vollzieht  wie  beim  Hühnchen  (Fig.  55b  und  c),  dabei  bleiben  jedoch 
ebenso  wie  dort  Aorta  und  Pulmonalis  durch  einen  gemeinsamen 
Pericardialüberzug  mit  einander  verbunden. 

Bildung  der  Semilunarklappen.  Hat  dieser  Scheidungs- 
prozeß einmal  begonnen,  so  si»ringen  an  der  Wand  des  Aorten-  sowie 
des  Pulmonalisrohres  3  Bulbuswülste  vor  (Fig.  55b),  indem  die 
B.  W.  1  und  3  in  zwei  jedem  Arterienrohre  zugeteilte  Hälften  zer- 
fallen sind  und  außerdem  jedem  Arterienrohre  ein  ganzer  B.-W.  ver- 
blieben ist.  —  Und  nun  entstehen  aus  diesen  Bulbuswülsten,  durch 
Aushöhlung  von  der  distalen  Seite  her,  die  Semilunarklappen  in  ähn- 
licher Weise  wie  bei  den  übrigen  Vertebraten. 

Einbeziehung  des  proximalen  Bulbusabschnittes 
in  die  K  a  m  m  e  r  a  b  t  e  i  1  u  n  g.     Während  sich  aber  die  geschilderten 


Die  EntwickeluDg  des  Blutgefaßsystems. 


55 


Prozesse  am  distalen  Abschnitte  des  Bulbus  abspielen,  dehnt  sich  die 
rechte  Kammei-  immer  mächtiger  aus  und  dringen  die  Hohlräume 
zwischen  ihren  Muskeltrabekeln  immer  weiter  in  die  vorher  kompakte 
Wand  des  proximalen  Bulbusabschnittes  vor,  so  daß  die  letztere  in 
2  Lamellen  gespalten  wird  (Fig.  56),  die  zunächst  noch  durch 
Muskelbalken  miteinander  in  Verbindung  stehen.  —  Die  innere  von 
diesen  beiden  Lamellen  wird  dann  dort,  wo  sie  keine  Endocardver- 
dickungen  trägt,  also  zwischen  den  proximalen  B.-W.  A  und  B  zer- 
stört und  so  der  Raum  des  proximalen  Bulbusabschnittes  immer  mehr 
und  mehr  in   die  rechte    Kammer   einbezogen   (Fig.  57).     Wenn  sich 


I.S.H. 


S.i.s.v. 


pr.B.  W.B. 


■i.s.n. 


Fig.  56.  Schnitt  durch  das  Herz  eines  Katzenembryo  von  6,5  mm  Kopf- 
länge. pr.B.W.  A,  B  proximaler  Bulbuswulst  A,  B.  v.E.K.  verschmolzene  Endocard- 
kissen.  O.i.v.  Ostium  interventriculare.  8.i.  Septum  interventriculare.  S.atr.  Septum 
atriorum.    S.Kl.  Sinusklappen.     l.S.H.  linkes  Sinushorn. 

Fig.  57.  Schnitt  durch  das  Herz  eines  Embryo  von  Erinaceus  europaeus 
von  5,8  mm  Kopflänge.  S.R.  Sinusraum.  S.i.s.v.  Spatium  intersepto  -  valvuläre. 
Uebrige  Bezeichnungen  wie  bei  Fig.  56. 


also  die  proximalen  B.-W.  A  und  B  später  in  'die  rechte  Kammer 
hinein  fortsetzen,  so  ist  dies  nicht  eine  Folge  davon,  daß  sie  in  diesen 
Kammerabschnitt  herabgewachsen  sind,  sondern  vielmehr  eine  Folge 
davon,  daß  der  proximale  Bulbusabschnitt,  dem  sie  ursprünglich  an- 
gehören, in  die  rechte  Kammerabteilung  einbezogen  wurde  (Greil).  — 
Dabei  läuft  der  proximale  B.-W.  A,  so  wie  beim  Hühnchen,  an  der 
rechten  Seite  des  freien  Randes  des  Septum  interventriculare  aus 
(Fig.  56),  da  dieser  Teil  des  Septums  aus  der  Fortsetzung  der  Bulbo- 
auricularleiste  entstanden  ist. 

Unterm  inier  ung  der  Wand  des  Auricularkanales. 
Auch  die  Wand  des  Auricularkanales  wird,  wie  bei  den  Sauropsiden, 
von  der  Kammerabteilung  her  unterwühlt  und  ragt  so,  mit  der  Kammer- 
wand durch  Muskeltrabekel  in  Verbindung  bleibend,  frei  in  die  Kammer 
hinein.  —  Dabei  haben  sich  auch  an  der  Innenfläche  der  Seiten- 
wandung des  Auricularkanales  wie  bei  den  Sauropsiden  kleine  sekun- 
däre Endocardkissen  entwickelt  (Fig.  58  und  59). 

Die  definitive  Scheidung  der  beiden  Kammern  und 
die  Bildung  des  Septum  ventr iculorum.  Die  definitive 
Scheidung  der  beiden  Kammern  voneinander  erfolgt  nun  in  ganz 
ähnlicher  Weise  wie  bei  den  Vögeln,  indem  das  Septum  interventri- 
culare immer  höher  wird  und  von  der  Dorsalseite  her,  wo  es  ja  schon 


56 


HOCHSTETTER, 


früher  mit  der  Wand  des  Canalis  auricularis  in  Verbindung  stand, 
sich  mit  den  rechten  Randhöckern  dei'  nunmehr  verschmolzenen 
Endocardkissen  verbindet  (Fig.  58,  59),  —  Durch  sein  Vorwachsen 
kommt  es  jedoch  nie  zu  einem  Abschhisse  des  Foramen  interventri- 
culare.  —  Die  Oeffnung  bleibt  vielmehr  zwischen  dem  freien  Rande 
des  Septum  interventriculare  und  dem  vorderen  Abschnitte  der  ver- 
schmolzenen Endocardkissen  erhalten  (Fig.  56,  57),  und  durch  sie 
passiert  das  Blut  aus  der  linken  Kammer  in  die  zunächst  von  dei- 
Pulmonalisabteilung  noch  nicht  geschiedene  Aortenabteilung  des  pro- 
ximalen Bulbusabschnittes  (Fig.  56).  —  Nun  verwachsen  die  beiden 
proximalen  B.-W.  A  und  B  in  der  Fortsetzung  des  Septum  aortico- 
pulmonale  miteinander  (Fig.  57)  und  schließlich  mit  dem  Rande  des 
S.  interventriculare,  und  damit  ist  dann  die  Trennung  der  beiden 
Kammern  endgiltig  vollzogen.  —  Das  Foramen  interventriculare  wird 
somit  auch  bei  den  Säugern  in  die  Wand  des  Conus  arteriosus  der 
Aorta  aufgenommen  und  bleibt  daher  zeitlebens  bestehen  (Born  1889). 

L.V. 


S.v 


S.v. 


Fig.  58.  ^  Fig.  59. 

Fig.  58.  Schema  der  Entwickelung  der  Scheidewände  des  Herzens  (etwas 
modifiziert  nach  Born).  V.d.,  s.  rechte,  linke  Kammer.  S.i.s.v.  Spatium  intersepto- 
valvulare.  F.o.  Foramen  ovale.  l.E.K.  laterales  Endocardkissen.  Uebrige  Bezeich- 
nungen wie  bei  Eig.  56  u.  57.J 

Fig.  59.  Schnitt  durch  das  Herz  eines  Kaninchen embryo  vom  Beginne 
des  15.  Tages.    L.V.  Lungenvene.     Uebrige  Bezeichnungen  wie  bei  Fig.  58. 

Septum  atrioventriculare.  Da  sich  das  Septum  inter- 
ventriculare mit  den  rechten  Randhöckern  der  verschmolzenen  Endo- 
cardkissen verbindet,  das  Septum  atriorum  aber  mit  deren  Mitte,  so 
grenzt  jener  von  den  Endocardkissen  gebildete  Teil  der  Wand  des 
Conus  arteriosus  der  Aorta,  der  sich  zwischen  dem  Ansätze  des  S. 
interventriculare  und  des  S.  atriorum  (Fig.  59*),  befindet  unmittelbar 
an  den  rechten  Vorhof  (S.  atrioventriculare  Hochstetter  1898).  — 
In  die  aus  dem  proximalen  B.-W.  gebildeten,  also  ursi)rünglich  endo- 
cardialen  Teile  der  Kammerscheidewand  wächst  später  Muskulatur 
ein,  so  daß  sich  diese  Teile  von 
nicht  mehr  abgrenzen  lassen. 

Pars  m  e  m  b  r  a  n  a  c  e  a  s  e  p  t i  v  e  n  t  r  i  c  u  1  o  r  u  m.  Beim  Menschen 
bleibt  jedoch  die  Stelle,  an  welcher  der  Verschluß  des  letzten  Restes 
der  Kommunikationsöfthung  zwischen  beiden  Kammern  erfolgte,  als 
häutige  Stelle  der  Kammerscheidewand  erhalten  (Born  1889). 


dem  eigentlichen  S.  interventriculare 


Die  Entwickelung  des  Blutgefäßsystems.  57 

Bildung  der  A  trioveutriciilarkl  appen.  Die  Atrioven- 
tricularklappen  entstehen  zum  Teile  aus  dem  Materiale  der  ver- 
schmolzenen Endocardkissen,  die  über  den  Ansatz  des  Septum  inter- 
ventriculare,  nicht  bloß  gegen  das  linke,  sondern  auch  gegen  das  rechte 
Ostium  atrioventriculare  zu  vorragen  (Fig.  59),  zum  Teile  aus  der 
unterwühlten  mit  der  Kammervvand  durch  Muskelbalken  in  Verbindung 
stehenden  Muskel  wand  des  Canalis  auricularis.  —  Das  erstere  gilt 
insbesondere  für  den  septalen  Zipfel  der  Valvula  bicuspidalis,  der  zum 
Teile  rein  endocardialen  Ursprunges  ist,  während  seine  durch  Chordae 
tendineae  und  Papillarmuskeln  mit  der  Kammerwand  in  Verbindung 
stehenden  Abschnitte,  ebenso  wie  die  marginalen  Segel  beider  Ostien 
aus  der  unterminierten,  in  die  Kammer  hineinragenden,  nachträglich 
bindegewebig  sich  umwandelnden  Wand  des  Canalis  auricularis  ent- 
stehen ,  wobei  die  Musculi  papilläres  und  Chordae  tendineae  aus 
Trabekelzügen  hervorgehen ,  die  diese  Wand  ursprünglich  mit  der 
Kammerwand  verbinden.  —  Kommt  es  nämlich  zur  bindegewebigen 
Umwandlung  der  ursprünglichen,  fleischigen  Klappenteile,  dann  werden 
auch. Teile  der  an  sie  herantretenden  Muskelbalken  bindegewebig  um- 
gewandelt und  bilden  so  die  Chordae  tendineae ,  während  die  der 
Kammerwand  benachbarten  Abschnitte  derselben,  muskulös  bleibend, 
die  M.  papilläres  hervorgehen  lassen  (Bernays  187G,  Born  1889).  — 
Die  lateralen  Endocardkissen  scheinen  eine  wesentliche  Rolle  bei  der 
Bildung  der  marginalen  Klappensegel  nicht  zu  spielen. 

Bei  den  Monotremen  unterbleil3t,  ähnlich  wie  bei  den  Vögeln  die 
Bildung  eines  septalen  Klappenzipfels  am  Ostium  atrioventriculare 
dextrum  (Hochstetter  A.  1896).  —  Bei  den  übrigen  Säugern  aber, 
bei  denen  ein  solcher  Klappenzipfel  gebildet  wird,  soll  er  ähnlich  ent- 
stehen wie  der  septale  Zipfel  der  Valvula  bicuspidalis  (Born  1889).  — 

Die  Pericardialhölile  und  das  Septum  pericardiaco-peritoneale. 

Nachdem  sich  die  Verbindungen  der  Cölomhöhle  mit  den 
Mesodermhöhlen  des  Kopfes  geschlossen  haben,  liegt  das  Herz  in  dem 
cranialsten  Abschnitte  der  Leibeshöhle,  den  man  deshalb  passend  als  pri- 
mitive Pericardialhöhle  ^)  bezeichnet.  —  Die  letztere  steht  ursprünglich 
bei  sämtlichen  Wirbeltieren  in  weiter  Kommunikation  mit  der  übrigen 
Leibeshöhle.  —  Nur  bei  den  Myxinoiden  bleibt  diese  Kommunikation 
zeitlebens  erhalten,  bei  allen  anderen  Wirbeltieren  kommt  es  zur  Aus- 
bildung einer  Scheidewand  zwischen  Pericardial-  und  Peritonealhöhle, 
die  wir  Septum  pericardiaco-peritoneale  nennen  wollen. 

Selachier. 

Das  Mesohepaticum  anterius  und  die  Mesocardia 
1  a  t  e  r  a  1  i  a.  Bei  den  S  e  1  a  c  h  i  e  i-  n  sehen  wir  die  erste  Anlage  dieser 
Scheidewand  in  Form  einer  kurzen,  die  Darmwand  caudal  vom  Herz- 
schlauche mit  der  die  craniale  Cirknmferenz  des  Leibesnabels  bildenden 
Partie'der  ventralen  Leibeswand  in  Verbindung  setzenden  Mesoderm- 
masse  gebildet,  welche  später  die  Leberanlage  mit  der  ventralen  Bauch- 
wand in  Verbindung  setzt  uud  deshalb  als  Mesohepaticum  anterius 
bezeichnet   werden   kann   (Fig.  62  21.  a).    —    Sie   bildet   ursprünglich 

1)  His  1881  nennt  ilin  Parietalhöhle. 


58 


HOCHSTETTER, 


Fortsetzung 


des  Mesocardium   anterius,   das   sich  jedoch 


die  caudale 

frühzeitig  zurückbildet. 

Bald  tritt  zu  dieser  ersten  unpaaren  Anlage  noch  eine  zweite 
paarige  Anlage  hinzu.  —  Indem  nämlich  der  mesodermale  Ueberzug 
der  V.  omphalo-mesentericae  dort,  wo  sie  in  den  Herzschlauch  münden, 
mit  der  Somatopleura  verwächst,  entsteht  jederseits  eine  Substanz- 
brücke, durch  welche  die  Ductus  Cuvieri  an  die  V.  omphalo-mesen- 
tericae herankommen  und  in  sie  einmünden  können.  —  Diese  Substanz- 
brücke entspricht  der  seit  Kölliker  bei  den  höheren  Vertebraten  als 
Mesocardium  laterale  bezeichneten  Bildung.  —  Ventral  und  dorsal  von 
den  Mesocardia  lateralia  kommuniziert  die  Pericardialhöhle  noch  durch 
weite  paarige  Oeffnungen  mit  der  übrigen  Leibeshöhle.  —  Dorsal 
werden  die  Oeffnungen  der  beiden  Seiten  durch  das  Gekröse  des 
Oesophagus  (Fig.  (30),  ventral  durch  die  Leberanlage  und  das  Meso- 
hepaticum  anterius  voneinander  geschieden.  —  Wenn  sich  nun  in  der 
Folge  die  Leber  weiter  entwickelt,  bildet  ihre  craniale  Fläche,  ventral 
von  den  Mesocardia  lateralia,  eine  Art  caudaler  Wand  der  Pericardial- 
höhle  (Fig.   61),    ohne  jedoch  ihre 

ventralen  Kommunikationen  mit  der        ~^=^««;a:^  ^"^' ,^'tf^'^?:i^^ 
Peritonealhöhle   vollkommen    abzu-  .^^r-^''^' -i'^^f^l:^i 

schließen. 


Mi 


A.C. 


Bu.co. 


■  V.CO. 
S.F. 


Fig.  60.  Querschnitt  durch  einen  Embrj^o  von  Acanthias  vulgaris  von 
12  mm  Länge.  A.  Aorta.  CD.  Kanaldivertikel.  D.C.  Ductus  Cuvieri.  D.pc.p. 
Ductus  pericardiaco-peritoneahs.  Pc.H.  Pericardialhöhle.  Oe.  Oesophagus.  S.v.  Sinus 
venosus.     F.c.|*.  V.  cardinalis  posterior.     V.co.  Herzkammer. 

Fig.  61.  Frontalschnitt  durch  Herz  und  Pericardialhöhle  eines  Acanthias- 
Embryo  von  20  mm  Länge.  A.C.  Auricularkanal.  Bu.co.  Bulbus  cordis.  L.  Leber. 
V.CO.  Herzkammer.     S.F.  Schlußfalte  der  Pericardialhöhle. 


Bildung 


Dem   dorsalen 


des   frontalen   Sinusgekröses. 
Abschnitte  der  cranialen  Leberfläche  sitzt  der  Querschlauch  des  Sinus 
venosus  ursprünglich  breit  auf  (Fig.  62).    —    Später   schnürt  er   sich 
von  der  Leber  allmählich  ab,  so  daß  er 


schließlich  nur  noch  durch  ein 


annähernd  frontal  gestelltes,  kurzes  Gekröse  (Fig.  63),  welches  wir  im 
folgenden  als  frontales  Sinusgekröse  bezeichnen,  mit  ihr  im  Zusammen- 
hange bleibt. 

Abschluß   der   ventralen  Kommunikationsöffnungen 
d  e  r  P  e  r  i  c  a  r  d  i  a  1  h  ö  h  1  e  durch  die  s  e  i  1 1  i  c  h  e  n  S  c  h  1  u  ß  f  a  1 1  e  n. 


Die  Entwickelung  des  Blutgefäßsystems. 


59 


Gleichzeitig  aber  kommt  es  zum  Verschlusse  der  ventralen  Komnnmi- 
kationsöffnungen,  indem,  vom  Mesocardium  laterale  ausgehend,  ventral- 
wärts  mit  dem  Mesohepaticum  anterius  in  Verbindung  tretend,  jederseits 
eine  Leiste  an  der  Leibeswand  auftritt  (Fig.  61j,  die,  plattenförmig  vor- 
wachsend, als  seitliche  Schlußfalte 
diese  Kommunikationsöffnung  ein- 
engt und  dieselbe  schließlich  voll- 
ständig verschließt,  indem  sie  sich 
mit  der  cranialen  Leberfläche,  unter 
deren  Cölomepithelüberzug  schon 
früher  eine  beträchtliche  Anhäufung 
embryonalen  Bindegewebes  auf- 
getreten war,  verbindet.  —  Außer 
denMesocardialateralia,  dem  Meso- 
hepaticum anterius  und  den  seit- 
lichen Schlußfalten  beteiligt  sich  so- 
mit an  der  Bildung  dieser  Scheide- 
wand auch  noch  ein  Abschnitt  der 
cranialen  Fläche  der  Leber. 

A  b  s  c  h  n  ü  r  u  n  g  d  e  r  Leber 
vom  S  e  p  t  u  m  p  e  r  i  c  a  r  d  i  a  c  o  - 
peritoneale.  Später  schnürt  sich 
dann  das  so  gebildete  Septum  von 
der  ventralen  und  lateralen  Seite 
her  von  der  Leber  ab,  mit  der 
es  nur  dorsal  eine  mächtige  Binde- 


Oe. 


V.Pl. 


■  D.ch. 


D. 


ihrer     cranialen 
Verbindung 


Fig.  62.  Sagittalschnitt  durch  die 
Pericardialtiöhle  und  Leberanlage  eines 
Acanthias-Embryo  von  13  mm 
Länge  (nach  Hochstettee,).  Oe.  Oeso- 
phagus. S.v.  Sinus  venosus.  V.Pl.  Ver- 
bindungsplatte. M.a.  Mesohepaticum  an- 
terius. G.Bl.  Gallenblase.  D.  Darm.  D.ch. 
Ductus  choledochus. 


gewebslage     an 
Fläche     bildend, 
bleibt,  und   wird 
pung  (Fig.  63). 

Abschluß  der  Ductus  p er icardiaco- peritoneales 


in 

so 


wenigstens 


teilweise   zu  einer  selbständigen  Bil- 


Die 


V.Pl //_^_. 


dorsalen  Kommunikationsöffnungen, 
diaco-peritoneales  bezeich- 
nen kann  (Fig.  60),  schlie- 
ßen sich  dagegen  in  anderer 
Weise.  —  Ursprünglich 
durchzieht  der  Oesophagus, 
an  seinem  Gekröse  frei  auf- 
gehängt, dorsal  vom  Herz- 
schlauche die  Pericardial- 
höhle  (Rabl).  —  Später 
kommt  es  zu  einer  vom 
cranialen  Ende  der  Peri- 
cardialhöhle  ausgehenden, 
caudalwärts  fortschreiten- 
den Verwachsung  zuerst 
seiner  Seiten,  dann  aber 
auch  seiner  Dorsalwand 
mit  der  Leibeswand,  wo- 
durch der  dorsale  Ab- 
schnitt der  Pericardial- 
höhle  verschwindet  und  die 
Dorsalwand  dieser  Höhle, 


die  man  auch  als  Ductus  pericar- 


—  Spc.}). 


-•-  O.a.t. 


Fig.  63.  Sagittalschnitt  durch  Pericardialhöhle 
und  Septum  pericardiaco- peritoneale  eines  Acan- 
thias-Embryo von  33  mm  Länge  (nach  HoCH- 
stetter).  V.PL  Verbindungsplatte.  S.pc.p.  Sejitum 
pericardiaco-peritoneale.  Uebrige  Bezeichnungen 
wie  bei  Fig.  62.  , 


60  HOCHSTETTER, 

nunmehr  von  der  vertralen  Wand  des  Oesophagus  gebildet  wird.  — 
Ist  nun  dieser  Verwachsungsprozeß  bis  über  die  Ductus  Cuvieri  hinaus 
vorgedrungen,  um  hier  Halt  zu  machen,  so  sind  auch  die  Ductus 
pericardiaco-peritoneales  verschlossen. 

Bildung  des  C  a  n  a  1  i  s  p  e  r  i  c  a  r  d  i  a  c  o  -  p  e  r  i  t  o  n  e  a  1  i  s.  Wie 
bekannt,  kommuniziert  jedoch  die  Pericardialhöhle  bei  den  Selachiern 
mit  der  übrigen  Leibeshöhle  durch  einen  in  der  Ventralwand  des 
Oesophagus  unter  dessen  Serosa  gelegenen,  spaltförmigen,  dorsal  vom 
Sinus  venosus  mit  einer  Ausbuchtung  der  Pericardialhöhle  beginnenden 
sich  caudalwärts  gabelnden  Gang,  der  mit  zwei  Oeffnungen  an  der 
Ventralwand  des  Oesophagus  in  die  Peritonealhöhle  mündet.  Die  Ent- 
wickelung  dieses  Ganges  beginnt  nun  schon  sehr  frühzeitig.  -  Seine 
erste  Anlage  wird  von  einer  spaltförmigen  Ausbuchtung  der  Pericardial- 
höhle gebildet,  die  sich  blindsackartig  zwischen  Oesophagus  und  Sinus 
venosus  vorschiebt  (Fig.  60  C.I).).  —  Indem  dieselbe  caudalwärts 
immer  weiter  vorwächst,  dringt  sie  in  die  ventrale  Wand  des  Oeso- 
phagus ein.  —  Dabei  verbreitet  sie  sich  nach  beiden  Seiten  hin  immer 
mehr  und  löst  so,  indem  sie  seitlich  mit  den  Ductus  pericardiaco- 
peritoneales  zusammenfließt,  den  direkten  Zusammenhang  zwischen 
Oesophagus  einer-  und  Sinus  venosus  und  Ductus  Cuvieri  anderer- 
seits. 

Da  diese  Pericardialbucht  inzwischen  in  die  Oesophaguswaud 
immer  weiter  vorgedrungen  ist,  hat  sie  von  derselben  eine  seitlich 
freirandig  begrenzte,  ziemlich  breite  Mesodermplatte  abgespalten,  die 
indirekt  den  Sinus  venosus  mit  der  Oesophaguswaud  in  Verbindung 
setzt  (Fig.  63).  —  Diese  Verbindungsplatte  steht  zunächst  noch  durch 
das    ventrale   Oesophagusgekröse,    mit    der   Leber   in  Verbindung.  — 

A.v.   ;^^,>^^j<rTr^^:^ 3f.d- 


-Oe. 


..Oe. 


V.Pl. 
Fig.  64.  Fig.  65. 

Fig.  64.  Querschnitt  durch  Oesophagus  und  Umgebung  eines  Acanthias- 
Embryo  von  32  mm  Länge  (nach  Hochstetter).  Oe.  Oesophagus.  r.Pl.  Ver- 
bindungsplatte.    M.d.  Oesophagusgekröse.     L.Y.  Lebervene.      A.v.  A.  vitellina. 

Fig.  65.  Querschnitt  durch  den  Oesophagus  mit  den  Ausläufern  der  Ver- 
bindungsplatte eines  A  c  a  n  t  h  i  a  s  -  E  m  b  r  y  o  von  32  mm  Länge  (nach  Hochstetter). 
Bezeichnungen  wie  bei  Fig.  64. 

Bald  schwindet  jedoch  dieses  Gekröse,  und  nun  liegt  die  Verbindungs- 
platte frei  zwischen  Oesophagus  und  Leber  (Fig.  63  und  (34).  —  In- 
dem dann  die  Abspaltung  der  Verbindungsplatte  von  der  Oesophagus- 
wand  in  caudaler  Richtung  seitlich  weiter  fortschreitet  als  in  der  Mitte, 
setzt  sich  der  Spalt  zwischen  ihr  und  der  Oesophaguswaud  in  2  caudal- 
wärts auslaufende,  spaltförmige,  ventral  von  den  Ausläufern  der  Ver- 
bindungsplatte begrenzte  Pannen  fort  (Fig.  65). 

Nun  ist  inzwischen  die  Anwachsung  des  in  der  Pericardialhöhle 
gelegenen  Oesophagusabschnittes  mit  der  Leibeswand  erfolgt  und  hat 


Die  Entwickelung  des  Blutgefäßsystems.  61 

bis  an  das  craniale  Ende  der  Verbindungsplatte  vorgegriffen.  Und 
nun  verwachsen  die  Seiten ränder  dieser  Verbindungsplatte  bis  ins 
Gebiet  ihrer  caudalen  Ausläufer  mit  der  Oesophaguswand,  Avodurch 
zwischen  Verbindungsplatte  und  Oesophaguswand  der  Canalis  peri- 
cardiaco-peritonealis,  wie  er  für  die  ausgebildete  Form  charakteristisch 
ist,  gebildet  wird.  —  Dieser  Kanal  ist  somit  nicht  der  Rest  einer  ur- 
sprünglich bestehenden  Kommunikation  zwischen  den  beiden  in  Be- 
tracht kommenden  Leibeshöhleuabschnitten,  sondern  eine  sekundäre 
Bildung  (HocHSTETTER  1900). 

Da  bei  den  Selachiern  das  Herz  während  der  Entwickelung  keine 
nennenswerte  Verschiebung  in  caudaler  Richtung  erleidet,  behält  auch, 
nachdem  das  Septum  pericardiaco  -  peritoneale  gebildet  ist,  die  Peri- 
cardialhöhle  ihre  ursprüngliche  Lage  cranial  von  der  Peritoneal- 
höhle bei. 

Cyclostomen. 

Unter  den  Cyclostomen  persistiert,  wie  schon  erwähnt,  bei  den 
Myxinoiden  (J.  Müller)  der  ursprüngliche  Zusammenhang  zwischen 
Pericardial-  und  Peritonealhöhle,  —  Bei  Petromyzon  ist  dagegen  eine 
vollständige  Scheidewand  zwischen  diesen  beiden  Leibeshöhlenab- 
schnitten vorhanden.  —  Doch  scheint  dieselbe  erst  sehr  spät  (während 
der  Metamorphose)  zu  entstehen,  da  bei  Ammocoetes  die  Kommuni- 
kation noch  vorhanden  ist  (J.  Müller).  —  Wie  sie  aber  entsteht,  ist 
nicht  bekannt.  —  Daß  wie  bei  anderen  Wirbeltieren  ein  Mesohepati- 
cum  anterius  angelegt  wird  und  Mesocardia  lateralia  zur  Entwicke- 
lung kommen,  wissen  wir  durch  Goette  (A.  L.  III,  2). 

Ueber  die  Entstehung  des  Septum  pericardiaco-peritoneale  der  Tele- 
ostier,  Ganoiden  und  Dipnoer  ist  nichts  bekannt.  —  Nur  kann  als  wahr- 
scheinlich angenommen  werden,  daß  bei  diesen  Formen  dieses  Septum 
ähnlicli  entstellt  wie  bei  den  Selachiern  und  daß  bei  den  Ganoiden,  von 
denen  einzelne  (Accipenser)  einen  ähnlichen  nur  einfach  mündenden 
Canalis  pericardiaco  -  jieritonealis  besitzen  wie  die  Selachier,  dieser  in 
ähnlicher  Weise  sekundär  aufti'itt  wie  dort. 

Amphibien. 

Bei  den  Amphibien  sind  es  auch  die  Mesocardia  lateralia,  von 
welchen  die  Scheidewandbildung  zwischen  Pericardial-  und  Peritoneal- 
höhle ihren  Ausgangspunkt  nimmt  (Goette  A.  L.  III,  7,  1875;  Mathes 
1895).  —  Das  Mesohepaticum  anterius  scheint  sich  jedoch,  wenigstens 
bei  den  Urodelen  (Mathes  1895),  nicht  an  dieser  Bildung  zu  beteiligen, 
da  es  frühzeitig  schwindet.  —  Wie  bei  den  Selachiern  bildet  die 
craniale  Leberfläche,  der  der  Sinus  venosus  und  seitlich  die  Mündungs- 
stücke der  Ductus  Cuvieri  aufsitzen,  eine,  wenn  auch  unvollkommene, 
caudale  Wand  der  primitiven  Pericardialhöhle. 

Abschluß  der  ventralen  Kommunikationsöffnungen 
der  Pericardialhöhle.  Indem  nun,  von  den  Mesocardia  lateralia 
ausgehend,  die  Leber  jederseits  entlang  einer  ventral  und  caudalwärts 
verlaufenden  Linie  mit  der  Leibeswand  verwächst,  wird  die  ventral 
von  den  Ductus  Cuvieri  befindliche  Kommunikationsöffnung  zwischen 
Pericardial-  und  Peritonealhöhle  abgeschlossen  und  so  in  diesem  Gebiete 
ein  Septum   zwischen  diesen  beiden  Leibeshöhlenabschnitten  gebildet. 


62 


HOCHSTETTER, 


Dieses  Septum  wird  dann  dadurch  selbständig,  daß  an  dem  nun 
der  Pericardialhülilenwand  augeliörigen  Oberflächenabschnitte  der  Leber 
unter  dem  Cölomepithel  eine  Lage  von  Bindegewebe  auftritt  und  sich 
die  Leber  allmählich  von  der  so  entstandenen  Bindegewebsplatte  ab- 
schnürt, mit  der  sie  jedoch  durch  eine  frontal  gestellte  Bindegewebs- 
platte (Membrana  hepato-pericardiaca),  die  außerdem  auch  noch  an  der 
seitlichen  Leibeswand  haftet,  ebenso  wie  durch  das  sekundär  ent- 
standene Ligamentum  Suspensorium  hepatis  in  Verbindung  bleibt.  — 
Das  so  selbständig  gewordene  schief  gestellte  Septum  zerfällt  dabei 
(Fig.  66)  durch  den  Ansatz  der  Membrana  hepato-pericardiaca  in  einen 
ventralen  und  dorsalen  Abschnitt.  Der  ventrale  beteiligt  sich,  wie  aus 
dem  folgenden  hervorgehen  wird,  allein  an  der  Bildung  der  definitiven 
Scheidewand  zwischen  Pericardial-  und  Peritonealhöhle,  er  entspricht 
dem  Septum  pericardiaco  -  peritoneale  der  Selachier.  —  Der  dorsale 
Teil,  wir  bezeichnen  ihn  als  frontales  Sinusgekröse,  beherbergt  in 
seinem  cranialen  Rande  den  Sinus  venosus  mit  den  Mündungsstücken 
der  Ductus  Cuvieri,  und  durch  ihn  verläuft  die  V.  cava  posterior  von 
der  Leber  zum  Sinus  (Fig.  67). 

Selachier ,    das    ja 


dem 


gleichnamigen 


Gekröse    der 
Leber   vom  Sinus    venosus    entstanden 
so    ansehnlichen  Dimensionen    zeigt  wie 


Er  entspricht 
aiTch  dui'ch  die  Abschnürung  der 
ist  und  nur  in  der  Regel  keine 
bei  den  Uroclelen.  —  Lnmerhin  hat  es  jedoch  schon  bei  Raia  eine  Aus- 
dehnimg, die  der  des  gleichen  Gebildes  bei  Salamandra  kaum  nachsteht.  — 
Auch  läßt  sich  bei  dieser  Form  eine  Verwachsung  der  Herzkammer  mit 
dem  Sinusgekröse  nachweisen,  die  derjenigen  ganz  ähnlich  ist,  die  sich  bei 
Urodelen    später    zwischen   frontalem  Sinusgekröse    und    der    anliegenden 


Wand  der  Herzkammer  entwickelt 


(Fig. 


66,  67). 


fr.S.G. 


fr.S.G. 


Fig.  6(3. 

Fig.  66.  Medianer  Sagittalschnitt  (Schema)  durch  die  Pericardialhöhle  eines 
älteren  Salamanderembryo.  Atr.  Vorkammer.  B.co.  Bulbus  cordis.  fr.S.G. 
frontales  Sinusgekröse..  M.h.p.  Membrana  hepato-pericardiaca.  Oe.  Oesophagus. 
S.v.  Sinus  venosus.    S.pc.p.  Septum  pericardiaco-peritoneale.    Tr.  Trachea.    L.  Leber. 

Fig.  67.  Querschnitt  durch  einen  Embryo  von  Salamandra  atra  von 
ca.  15  mm  Länge.  L(j.  Lunge.  L.h.e.  Ligamentum  hepato-entericum.  V.c.p.  V.  cava 
posterior.    N.G.  Nebengekröse.     Uebrige  Bezeichnungen  wie  bei  Fig.  66. 


Obliteration  der  Ductus  pericardiaco-peritoneales. 
Die  dorsal  von  den  Ductus  Cuvieri  befindlichen  Ductus  pericardiaco 
peritoneales  schließen  sich,  ähnlich  wie  bei  den  Selachiern,  unter  Ver- 
mittelung  von  Obliterationsvorgängen,  welche  die  den  Oesophgus  um- 


Die  Entwickelung  des  Blutgefäßsystems.  63 

gebenden  Leibeshöhlenabsclinitte  betreffen.  —  Doch  vollziehen  sich  die 
dabei  mitspielenden  Verwachsungen  wegen  des  Vorhandenseins  der 
Lungen  in  etwas  anderer  Weise  als  bei  den  Selachiern. 

Das  Ligamentum  hepato-entericum  und  die  Neben- 
gekröse. Der  Oesophagus  steht  bei  Salamandra  durch  das  Ligt. 
hepato-entericum  mit  der  dorsalen  Wand  des  Sinus  venosus  und 
weiter  caudal  mit  der  Leber  in  Verbindung,  —  In  dem  cranialen 
freien  Rande  dieses  Gekröses,  das  soweit  es  mit  dem  Sinus  venosus 
zusammenhängt,  als  ein  Rest  des  Mesocardium  posterius  betrachtet 
werden  kann,  verläuft  später  die  Lungenvene  zum  Sinus  venosus.  — 
Wenn  sich  nun  die  Lungen  entwickeln,  entstehen,  ihnen  in  der  Ent- 
wickelung etwas  vorauseilend,  2  Gekröseplatten,  die  von  Mathes 
(1895)  wegen  ihrer  Beziehungen  als  Ligt.  hepato-cavo-pulmonale  (rechts) 
und  Ligt.  hepato-pulmonale  (links),  von  Brächet  (1895)  aber  einfacher 
als  Neben gekröse  bezeichnet  wurden.  —  Dieselben  entspringen  in  der 
für  uns  in  Betracht  kommenden  Gegend  von  der  Seitenfläche  des 
Oesophagus  und  haften  in  ihrem  cranialsten  Abschnitte  gemeinsam 
mit  dem  Ligt.  hepato-entericum,  mit  dem  sie  cranial  verschmelzen,  an 
der  Wand  des  Sinus  venosus.  —  Weiter  caudal  trennt  sich  ihre 
Insertion  von  der  dieses  Gekröses  und  übergeht  auf  die  Leber  oder 
später,  wenn  sich  die  letztere  vom  Sinus  venosus  abgeschnürt  hat,  auf 
das  frontale  Sinusgekröse  (Fig.  67)  und  dann  erst  weiter  caudal  auf 
die  Leber.  —  In  diese  Gekröseplatten  wachsen  nun  die  Lungen  ein 
(Fig.  67  Lg.). 

Inzwischen  kommt  es  zu  einer  Verwachsung  der  Seitenwandungen 
des  Oesophagus,  der  ursprünglich  in  der  Höhe  des  Sinus  venosus 
noch  ringsum  bis  an  sein  dorsales  Gekröse  von  der  Leibeshöhle  um- 
geben ist,  mit  der  seitlichen  Leibeswand,  und  diese  Verwachsung  setzt 
sich  caudalwärts  noch  über  das  Gebiet  der  Ductus  Cuvieri  hinaus  fort, 
beschränkt  sich  aber  hier  nicht  mehr  auf  die  Seitenwandungen  des 
Oesophagus,  sondern  betrifft  (Fig.  67)  auch  die  Lungen  und  die  dieselben 
enthaltenden  Nebengekröse,  und  die  letzteren  verwachsen  schließlich 
auch  in  der  Nähe  der  Leber  mit  dem  frontalen  Sinusgekröse,  wodurch 
der  endliche  Verschluß  der  Pericardialhöhle  gegen  die  Peritonealhöhle 
zu  herbeigeführt  wird.  —  So  ragt  nun  der  an  dieser  Verwachsung 
nicht  beteiligte  Abschnitt  des  frontalen  Sinusgekröses  in  die  Pericardial- 
höhle vor  (Fig.  QiS),  und  dorsal  von  ihm,  zwischen  ihm  und  den  mit 
ihm  zusammenhängenden  cranialsten  Teilen  der  Nebengekröse,  die  nun- 
mehr einen  Teil  der  Wand  der  Pericardialhöhle  bilden,  befinden  sich 
zwei  caudal  blind  endigende  Buchten  (Fig.  67).  —  In  dieselben 
lagert  sich  die  Vorkammerabteilung  des  Herzens  hinein  und  weitet  sie 
allmählich  aus,  während  die  aus  den  cranial  zusammenfließenden  Neben- 
gekrösen und  dem  Ligt.  hepato-entericum  gebildete  Scheidewand 
zwischen  denselben  immer  niedriger  wird  (Mathes  1895). 

Bildung  des  Septum  pericardiaco-peritoneale  bei 
den  Anuren.  Bei  den  Anuren  (Goette  A.  L.  III,  7)  ist  es  auch 
die  Leber,  deren  craniale  Fläche  die  Pericardialhöhle  in  ihren  ventralen 
Abschnitten  caudalwärts  abschließt,  indem  sie  von  den  Mesocardia 
lateralia  her  mit  einer  Falte  der  Leibeswand,  die  wahrscheinlich  der 
seitlichen  Schlußfalte  der  Selachier  entspricht,  verwächst.  —  Bezüglich 
des  Verschlusses  der  Ductus  pericardiaco-peritoneales  dürften  ähnliche 
Obliterationsprozesse  wie  bei  den  Urodelen  eine  Rolle  spielen.  — 
Dieselben   scheinen  jedoch   erst   sehr    spät   diesen   Verschluß   herbei- 


64 


HOCHSTETTER. 


zuführen,  da  nach  Marshall  und  Bles  (A.  1890)  bei  Rana  tempo- 
raria  noch  zu  Beginn  der  Metamorphose  diese  Ductus  pericardiaco- 
peritoneales  durchgängig  sein  sollen. 


Sauropsideii. 

Bei  den  Sauropsiden  wurde  die  Entwickelung  der  Scheidewand 
zwischen  Pericardial-  und  Pleuroperitonealhöhle  für  Lacerta  (Hoch- 
STETTER  1892)  und  das  Hühnchen  (Hochstetter  1892,  Ravn  1896, 
Brouha  1898)  genauer  untersucht.  —  Sie  erfolgt  bei  beiden  Formen 
in  wesentlich  übereinstimmender  Weise.  —  Auch  hier  sind  es  die 
Mesocardia  lateralia  und  das  Mesohepaticum  anterius,  die  die  ersten 
Anlagen  der  Scheidewand  biklen. 

Bildung  der  Mesocardia  lateralia.  Das  Mesocardium 
laterale  entsteht  bei  beiden  Formen  in  ganz  ähnlicher  Weise  wie  bei 
den  Selachiern.  Nur  entwickelt  sich  dasselbe  bei  Lacerta  (Ravn  1889) 
zu  einer  Zeit,  in  welcher  in  der  Höhe  dieses  Gebildes  die  embryonale 
Leibeshöhle  mit  der  außerembryonalen  nicht  mehr  in  Verbindung 
steht,  während  beim  Hühnchen  noch  eine  geraume  Zeit  lang  nach  der 
Entstehung  des  Mesocardium  laterale  diese  beiden  Cölomabschnitte, 
sowohl  cranial  als  caudal  von  demselben,  miteinander  kommunizieren. 
Die  dorsal  von  den  Mesocardia  lateralia  zu  beiden  Seiten  des 
Oesophagus  bestehenden  Verbinduugsgänge  zwischen  Pericardial-  und 
Pleuroperitonealhöhle  nennen  wir  hier  Ductus  pleuro-pericardiaci,  weil 
sie  später  zum  Teil  zur  Bildung  der  Pleurahöhlen  mit  herbeigezogen 
werden ,  jedenfalls  aber  die  letzteren  mit  der  Pericardialhöhle  ver- 
binden. 

Beziehung  der  Leber  zurPericardialhöhle  in  frühen 
Ent Wickelungsstadien.  Die  ventrale  Kommunikation  der  Peri- 
cardialhöhle erfährt  eine  Ein- 
schränkung durch  das  Vorhanden- 
sein des  Mesohepaticum  anterius 
und  der  Leberanlage,  welch  letz- 
tere besonders  in  späteren  Ent- 
wickelungsstadien,  wenn  sie  eine 
bedeutendere  Entfaltung  erlangt 
hat,  eine,  wenn  auch  unvollkom- 
mene, caudale  Wand  der  Peri- 
cardialhöhle bildet.  Ihr  dabei 
beteiligter  Flächenabschnitt  sieht, 
wenn  wir  die  Verhältnisse  bei 
Lacerta  zunächst  ins  Auge  fassen, 
jedoch  nicht  mehr  cranial,  wie  bei 
den  Selachiern,  sondern  nimmt 
eine  immer  schiefere  Stellung  ein. 
—  Mit  der  mächtig  vorgebuch- 
teten Leibeswand  begrenzt  sie 
dann  den  Pericardialhöhlenab- 
schnitt,  in  den  die  Kammerab- 
teilung des  Herzens  aufgenommen 
ist    (Fig.   68). 

Verschiebung  derPeri- 
c a  r  d i a  1  h ö h  1  e   in    c  a u d a  1  e r 


-  3I.a. 

-  G.Bl. 


Fig.  68.  Medianer  Sagittalschnitt  durch 
die  Pericardialhöhle  und  die  an  sie  an- 
grenzenden Organe  eines  Embryo  von 
Lacerta  agilis  von  2  mm  Kopflänge. 
Atr.  Vorkammer.  A.  Aorta.  Buxo.  Bulbus 
cordis.  G.Bl.  Gallenblase.  L.  Leber.  Bl.a. 
Mesohepaticum  anterius.  Oe.  Oesophagus. 
Th.  mittlere  Schilddrüsenanlage.  Tr.  Tra- 
chea.    S.v.  Sinus  venosus. 


Die  EntwickeluDg  des  Blutgefäßsystems. 


65 


Richtung  bei  Lacerta.  Dieses  Verhältnis  ist  eine  Folge  der 
mächtigen  Ausdehnung  der  Pericardialhöhle  in  caudaler  Richtung,  die 
mit  der  Caudalwärts- Wanderung  des  Herzens  Hand  in  Hand  geht  und, 
sehr  frühzeitig  beginnend,  schon  recht  weit  gediehen  ist,  bevor  es  zur 
definitiven  Ausbildung  des  Septum  pericardiaco-peritoneale  gekommen 
ist.  —  So  verschiebt  sich  also  mit  dem  Herzen  die  Pericardialhöhle  in 
caudaler  Richtung  und  kommt  zum  Teile  ventral  vor  die  Ductus 
pleuro-pericardiaci  und  die  an  sie  unmittelbar  anschließenden  Leibes- 
höhlenabschnitte zu  liegen  (Fig.  69). 

Abschluß  der  ventralen  Kommunikationsöffnungen 
der  Pericardialhöhle.  Der  Abschluß  der  ventralen  Kommuni- 
kationsöflfnungen  der  Pericardialhöhle  erfolgt  nun  bei  Lacerta  unter 
Vermittelung  ähnlicher  Schlußfalten,  wie  wir  sie  bei  den  Selachiern 
kennen  gelernt  haben.  —  Dieselben  nehmen  zum  Ausgangspunkte 
ihrer  Entwickelung  den  wulstförmigen  Vorsprung,  den  die  V.  umbili- 
calis dort,  wo  sie  in  den  Sinus  venosus  einmündet,  an  der  Leibeswand 
bildet.  —  Von  hier  aus  gehen  sie  in  bogenförmigem  Verlaufe  ventral- 
wärts  in  das  Mesohepaticum  auterius  über  und  verwachsen  endlich,  in- 
dem sie  immer  höher  werden,  mit  der  Pericardialhöhlenfläche  der  Leber. 


s.£. 


S.p.pl.p. 


9  W 

Fig.  69.  -f^ig-  70. 

Fig.  69.  Sagittalschnitt  links  von  der  Mittelebeue  durch  einen  Embryo  von 
Lacert^a  agilis  von  2,8  mm  Kopflänge.  S.F.  seitliche  Schlußfalte,  f^.-  Lunge. 
U.N.  Urniere.  fr.S.G.  frontales  Sinusgekröse.  Uebrige  Bezeichnungen  wie  bei  1^ ig.  68. 
Fig  70.  Medianer  Sagittalschnitt  durch  die  Pericardialhöhle  eines  Lac  er ta- 
Embryo,  bei  welchem  sich  die  Leber  bereits  vom  Septum  pericardiaco-pleuro- 
peritoneale  abgeschnürt  hat  (Schema).  S.B.  Herzspitzenband.  S.p.pl.p.  S.  peri- 
cardiaco-pleuroperitoneale.     Uebrige  Bezeichnungen  wie  bei  Fig.  68. 

Beteiligung  der  Leber  an  der  Bildung  des  Septum 
pericardiaco-pleuroperitoneale.  So  beteiligt  sich  auch  hier 
die  Leber  an  der  Bildung  der  Scheidewand,  die  wir  nach  der  Be- 
zeichnung, die  ihr  Ravn  (1889)  für  die  ausgebildete  Form  g_egebeu  hat, 
Septum  pericardiaco-pleuroperitoneale  nennen  können.  —  Ihr  cranial- 
wärts  konkaver  Rand  wird  vom  Sinus  venosus  und  den  Endstucken 
der  beiden  Ductus  Cuvieri  eingenommen.  —  Sie  entspricht  dem,  was 
Ravn  (1896)  und  andere  bei  den  Vögeln  und  Säugern  als  Septum 
transversum  bezeichnen. 

Handbuch  der  Entwickelungslehre.    III.  2, 


m 


HOCHSTETTER, 


Das  frontale  Sinusgekröse.  Noch  bevor  jedoch  die  seit- 
lichen Schlußfalten  mit  der  Leber  verwachsen,  kommt  es,  wie  bei 
niedrigeren  Vertebraten.  zu  einer  Abschnürung  des  Sinus  venosus  von 
der  Leber,  die  dazu  führt,  daß  sich  allmählich  zwischen  der  cranialen 
Leberkante  und  dem  Sinus  venosus,  die  beiden  miteinander 
verbindend,  eine  bindegewebige  Platte  entwickelt  (Fig.  69),  in  der  wir 
ein  Homologon  des  frontalen  Sinusgekröses  niederer  Formen  sehen.  — 
Diese  Platte,  welche  rechterseits  die  V.  cava  posterior  beherbergt,  ist 
wegen  der  Hufeisenform,  die  der  Sinus  venosus  angenommen  hat, 
seitlich  höher  als  in  der  Mitte.  —  Sie  bildet  natürlicherweise  den  am 
meisten  cranial  gelegenen  Teil  des  Septum  pericardiaco- pleuroperi- 
toneale und  geht  ohne  scharfe  Grenze,  da  eine  Membrana  hepato- 
pericardiaca  wie  bei  den  Urodelen  nicht  besteht,  in  den  aus  den  seit- 
lichen Schlußfalten  entstandenen  Teil  desselben  über. 

Abschnürung  der  Leber  vom  Septum  pericardiaco- 
peritoneale.  Nun  schnürt  sich  aber  die  Leber,  die  sich  mit  ihrem 
cranialen  Ende  in  caudaler  Richtung  gewissermaßen  an  dem  Septum 
herabschiebt,  immer  weiter  von  dem  Septum  pericardiaco-pleuro- 
peritoneale  ab,  so  daß  dasselbe  schließlich  eine  selbständige  Platte  dar- 
stellt, die,  in  craniocaudaler  und  dorsoventraler  Ptichtung  schief  ab- 
steigend, die  Pericardialhöhle  von  der  Pleuroperitonealhöhle  voll- 
ständig sondert,  nachdem  sich  die  Mündungen  der  Ductus  pleuro- 
pericardiaci  in  die  Pericardialhöhle  geschlossen  haben  (Fig.  70). 


u.]sr. 


Pl.E..\ 


Fig.  72. 

Fig.  71.  Querschnitt  durch  einen  Embryo  von  Lacerta  agilis  von  3,5  mm 
Kopflänge  in  der  Höhe  der  Pleurarinnen.  D.O.  Ductus  Cuvieri.  Oe.  Oesophagus. 
Pl.R.  Pleurarinne.     Tr.  Trachea.     U.JV.  Urniere. 

Fig.  72.     Querschnitt  durch  einen  Embryo  von    Lacerta  agilis  von  3,7  mm 
Kopflänge  in  der  Höhe  des  Querschnittes  der  Fig.  71.   Bezeichnung  wie  bei  Fig.  71. 

Abschluß  der  Ductus  pleuro-pericardiaci.  Dieser  Ver- 
schluß erfolgt  in  ähnlicher  Weise  wie  bei  den  Ami)hibien  durch  Yer- 
wachsungsprozesse,  die  die  Wand  des  Oesophagus  und  der  Trachea 
mit  der  seitlichen  Leibeswand  in  Verbindung  bringen.  Der  cranialste 
Abschnitt  des  Darmrohres  durchzieht  nämlich  bei  jungen  Lacerta- 
embryonen,  an  seinem  breiten  Gekröse  befestigt,  den  Dorsalteil  der 
Pericardialhöhle,  indem  seine  mesodermale  Wand  einen  in  sie  hinein- 
ragenden mächtigen  Längswulst  bildet,  der  mit  den  Dorsalteilen  der 
Seitenwand  der  Pericardialhöhle  dorsale  Pinnen  dieser  Höhle  begrenzt, 
die,  nachdem  sie  caudal  in  die  Ductus  pleuro-pericardiaci  übergehen, 
als  Pleurarinnen    der  Pericardialhöhle   bezeichnet   werden    können.  — 


Die  Entwickelung  des  Blutgefäßsystems. 


67 


Später,  wenn  die  Lungen  entwickelt  sind,  verläuft  in  dem  oben  er- 
wähnten Längswulste,  ventral  vom  Oesophagus  das  Tracheairohr 
(Fig.  71),  in  der  seitlichen  Leibeswand  aber  paralell  dem  letzteren  die 
Ductus  Cuvieri,  die  infolge  der  Caudalwärts- Wanderung  des  Herzens 
ihre  ursprünglich  quere  Stellung  aufgegeben  und  sich  in  die  Längs- 
richtung eingestellt  haben. 

Nun  verwächst  die  Seitenfläche  des  ventralen,  die  Trachea  be- 
lierbergeuden  Abschnittes  des  Längswulstes  allmählich  in  craniocaudaler 
Richtung  mit  der  seitlichen  Pericardialhöhlenwand  im  Bereiche  der 
beiden  Ductus  Cuvieri  (Fig.  72)  und  es  kommt  so  schließlich,  indem 
der  Verwachsungsprozeß  auch  auf  die  dorsale  Wand  des  Sinus  venosus 
übergreift,  zum  Abschlüsse  der  Ductus  pleuro-pericardiaci  gegen  die 
Pericardialhöhle.  —  Die  dorsalen  Teile  der  Pleurarinnen  aber  werden 
durch  diesen  Verwachsungsprozeß  zu  cranial  blind  endigenden  Buchten 
der  Pleurahöhlen  umgewandelt,  die,  soweit  sie  später  nicht  obliterieren, 
dazu  bestimmt  sind,  die  cranialsten  Abschnitte  der  Pleurahöhlen  zu  bilden. 

Ligamentum  h  e  p  a  t  o  -  e  n  t  e  r  i  c  u  m  und  N  e  b  e  n  g  e  k  r  ö  s  e 
von  Lacerta.  Wie  bei  den  Urodelen  stehen  bei  Lacerta  Oesophagus, 
Trachea  und  Lungen  mit  der  Leber  und,  wenn  das  selbständige  Septum 
pericardiaco-pleuroperitoueale  gebildet  ist,  auch  mit  dem  letzteren  sowie 
mit  dem  Sinus  venosus,  aber  außerdem  noch  mit  der  Vorkammer  durch 
Gekröseplatten   in    Verbindung.    —    Eine    einfache  massige   Gekröse- 


U.N. 


N.G. 


Lgt.li.e. 
Fig.  73. 


Lgt.h.e.   :  S.pc.pl.p. 
N.G. 

Fig.  74. 


Fig.  73.  Querschnitt  durch  einen  Embryo  von  Lacerta  agilis  von  3,0  mm 
Kopflänge  in  der  Höhe  des  Sinus  venosus.  NM.  Nebengekröse.  Lgt.h.e.  Lgt.  hepato- 
entericum.  Pc.H.  Pericardialhöhle.  Uebrige  Bezeichnungen  wie  in  den  vorhergehen- 
den Figuren. 

Fig.  74.  Querschnitt  durch  einen  Embryo  von  Lacerta  agilis  von  4,0mm 
Kopflänge  in  der  Höhe  der  Urnierenf alten  (U.F.)  und  des  Septum  pericardiaco- 
pleuroperitoneale.     Bezeichnungen  wie  in  den  vorhergehenden  Figuren. 


platte  stellt  diese  Verbindung  zwischen  Trachealanlage  und  Vorkammer 
her.  —  In  ihr  verläuft  die  Lungen vene.  —  Sie  setzt  sich  als  Ligt. 
hepato-entericum  mit  ihrem  Ansätze  auf  den  Sinus  venosus  (Fig.  73) 
und  die  Leber,  oder  später,  nachdem  das  selbständige  Septum  peri- 
cardiaco-pleuroperitoueale gebildet  ist,  auf  das  letztere  (Fig.  74)  und 
dann  erst  auf  die  Leber  fort.  —  Mit  ihr  vereinigen  sich  cranial  die 
beiden  Nebengekröse,  die  sich  zum  Sinus  venosus  (Fig.  73)  und  zur 
Leber,  sowie  später  zum  Septum  pericardiaco  -  pleuroperitoneale,   was 


o-^ 


68 


HOCHSTETTER, 


ilireu  Ansatz  anbelangt,  ähnlich  verhalten  wie  bei  Salamandra  zu  Sinus, 
Leber  und  frontalem  Sinusgekröse. 

Indem  sich  zwischen  Ligt.  hepato  -  entericum  und  Nebengekröse 
eine  paarige  Fortsetzung  der  Peritonealhöhle  cranialwärts  erstreckt 
(Fig.  73  und  74),  die  in  ihrem  cranialsten  Abschnitte  ventral  von  dem 
Septum  pericardiaco-pleuroperitoneale  begrenzt  wird,  während  dasselbe 
seitlich  vom  Ansätze  der  Neben gekröse,  dem  cranialsten  Abschnitte  der 
die  Lungen  beherbergenden  Pleurahöhlen  (Fig.  74),  eine  ventrale  Wand 
liefert,  verdient  es  den  ihm  gegebenen  Namen. 

Membrana  p  1  e  u  r  o  -  p  e  r  i  c  a  r  d  i  a  c  a.  Der  an  der  Bildung  der 
Pleurahöhle  beteüigte  Abschnitt  des  Septums  kann  auch  als  Mem- 
brana pleuro-pericardiaca  bezeichnet  werden,  doch  entspricht  der&elbe 
nicht  vollständig  der  Membrana  pleuro-pericardiaca  der  Säuger. 

Bildung  des  Septum  pericardiaco-pleuroperitoneale 
beim  Hühnchen.  Beim  Hühnchen  erfolgt  der  Abschluß  der  ven- 
tralen Kommunikatiousöffuung  der  primitiven  Pericardialhöhle  mit  der 
Peritonealhöhle  in  ganz  ähnlicher  Weise  wie  bei  Lacerta  (Hoch- 
STETTER  1892,  Ravn  1896,  Broüha  1898),  und  das  Septum  pericardiaco- 
pleuroperitoneale  entsteht  aus  ganz  denselben  Anlagen  wie  dort.  — 
Auch  die  Art  und  Weise,  wie  sich  die  Ductus  pleuro-pericardiaci 
gegen  die  Pericardialhöhle  zu  schließen,  zeigt  eine  große  Ähnlich- 
keit mit  den  für  Lacerta  geschilderten  Vorgängen.  —  Immerhin 
bestehen  jedoch  gewisse  Unterschiede,  die  hier  erwähnt  werden  sollen. 
Der  Abschluß  der  Ductus  pleuro-pericardiaci  beim 
Hühnchen.  Vor  allem  beherbergt  der  die  beiden  Pleurarinnen  der 
Pericardialhöhle  gegeneinander  abgrenzende  Längswulst  beim  Hühn- 
chen, nachdem  die  Lungen  entwickelt  sind,  nur  in  seinem  cranialsten, 
minder  stark  vorspringenden  Teile  ventral  vom  Oesophagus  die  Trachea, 
weiter  caudal,  wo  der  Wulst  sich  von  der  dorsalen  Pericardialhöhlenwand 
immer  mehr  isoliert  und  nur  durch  das  dorsale  Gekröse  mit  ihr  in  Ver- 
bindung steht,  die  Pleurarinnen  sich  also  vertiefen,  treten  an  die  Stelle 
der  Trachea  die  beiden  Bronchien  (Fig.  75).  —  Indem  nun  der  Längswulst 
im  Bereiche  der  letzteren  in  craniocaudaler  Richtung  mit  der  medialen 
Wand  der  ähnlich  wie  bei  Lacerta  gelagerten  Ductus  Cuvieri  bis  auf 
venosus  herab  verwächst,  kommt  es  zum  Verschlusse  der 
Ductus  pleuro  -  pericardiaci.  —  Doch  erfolgt 
derselbe  insofern  asymmetrisch,  als  er  rechter- 
seits  bereits  durchgeführt  ist,  während  linker- 
seits noch  längere  Zeit  eine  spaltförmige  Oeff- 
nung  zwischen  Ductus  Cuvieri  und  Längswulst 
besteht,  die  aber  schließlich  auch  durch  Ver- 
wachsung schwindet.  —  So  werden  also  auch 
hier  die  Pleurarinnen  zu  cranial  blind  endigen- 
den Buchten  abgeschlossen,  die  später  zur  Auf- 


den  Sinus 


nähme  der  cranialsten 


Lungenteile 


dienen. 


Fig.  75.  Querschnitt  durch  einen  88  Stunden  alten 
Hühnerembryo  in  der  Höhe  der  Pleurarinnen  der 
Pericardialhöhle.  A.  Aorta.  Atr.  Vorkammer.  Br.  Bron- 
chus.    D.C.  Ductus  Cuvieri.     Oe.  Oesophagus. 

Bildung  des  selbständigen  Septum  pericardiaco- 
pleuroperitoneale  beim  Hühnchen.  Auch  beim  Hühnchen 
kommt   es   zur   Ausbildung   eines  selbständigen  Septum  pericardiaco- 


Die  Entwickelung  des  Blutgefäßsystems. 


69 


pleuroperitoneale ,    doch 
sondern  in  ähnlicher  Weise 


erfolgt 


dieselbe    nicht    so 
bei  den  Selachiern. 


wie  bei  Lacerta, 
wie  bei  den  Selachiern.  —  Es  tritt  näm- 
lich, nachdem  sich  der  Sinus  venosus  von  der  Leber  abgeschnürt  hat, 
wie  dort  an  der  der  Pericardialhöhle  zugewendeten  Fläche  der  Leber, 
noch  bevor  der  ventrale  Abschluß  der  Pericardialhöhle  vollzogen  ist, 
eine  Ansammlung  von  Bindegewebe  auf,  und  die  so  gebildete  Binde- 
gewebsplatte  (Uskow)  schnürt  sich  nach  vollendetem  Abschlüsse,  indem 
von  der  lateralen  und  ventralen  Seite  her  die  Peritonealhöhle  zwischen 


der  Leber  ab   und   wird   so   selb- 


Leber  und  Septum  vordringt,  von 
ständig  (Fig.  76),  bleibt  jedoch  in 
der  Medianebene  indirekt  durch 
das  Ligt.  Suspensorium  hepatis, 
dorsal  aber  in  der  Umgebung  der 
hinteren  Hohlvene  (Fig.  76)  und 
der  Umbilicalvene,  die  im  An- 
schlüsse an  das  Septum  zur  Leber 
verläuft,  direkt  mit  der  letzteren 
in  Verbindung. 

Bildung  eines  selbstän- 
digen Pericardial  Sackes 
beim  Hühnchen.  Aber  nicht 
nur  der  durch  das  Septum  peri- 
cardiaco  -  pleuroperitoneale  gebil- 
dete Wandabschnitt  der  Pericar- 
dialhöhle wird  selbständig,  sondern 
auch  ihre  Seiten  und  Ventral- 
waud,  indem  die  Peritonealhöhle, 
in  den  die  Pericardialhöhle  be- 
grenzenden  Teil   der   Leibeswand 

vordringend  von  der  letzteren  eine  dünne  die  Pericardialhöhle  begrenzende 
Schicht    abspaltet    und    es    so    schließlich    zur    Bildung   eines    selb- 
häutigeu  Pericardialsackes  kommt.  —   Nach  Uskow   (1883) 


_...^.::-l —  S.pc.pl.p. 


Fig.  7G.  Sagittalschnitt  durcli  die 
Pericardialhöhle  eines  8  Tage  alten  Hüh- 
nerembryo  (schematisiert).  V.c.p.  V. 
Cava  posterior,  üebrige  Bezeichnungen 
wie  in  Fig.  70. 


ständigen 


or  gange 


Bildung 


die   Leber   dieselbe    Rolle  spielen,  wie  die 
des  selbständigen  Pericardialsackes  der  Säuge- 


soll  bei   diesem 
Lunge  bei  der 
tiere. 

Die  Pleurahöhlen  und  die  Entstehung  eines  Septum 
p  1  e  u  r  0  -  p  e  r  i  t  0  n  e  a  1  e  bei  den  S  a  u  r  o  p  s  i  d  e  n.  Abgeschlossene 
Pleurahöhlen  finden  sich  weder  bei  den  Amphibien  noch  bei  den 
meisten  Reptilien.  —  Allerdings  ist  es  schon  bei  den  Amphibien 
der  medial  von  den  Nebengekrösen,  ventral  von  der  Leber  und  seit- 
lich und  dorsal  von  der  Leibeswand  abgegrenzte  craniale  Abschnitt 
der  Pleuroperitonealhöhle,  der  die  Hauptmasse  der  Lunge  beherbergt, 
die  nur  mit  ihrem  caudalen  Teil  in  die  eigentliche  Peritonealhöhle 
frei  hineinragt.  —  Immerhin  kann  man  mit  (Goette,  A.  L.  III,  7) 
schon  bei  den  Amphibien  in  den  sich  entwickelnden  Nebengekrösen, 
die  hier  zum  ersten  Male  in  der  Vertebratenreihe  als  die  Lungen 
tragende  Mesenterialplatten  auftreten,  die  erste  Anlage  einer  Scheide- 
wandbildung zwischen  Pleura  und  Peritonealhöhle  sehen. 


Auch  noch  bei  niederen  Sauriern  (Hatteria, 


Lunge,  die  ähnliche 


Beziehungen 


den  Nebengekrösen 


Chamaeleo) 
zeigt 


die 
wie  bei 


ragt 


zu 

den  Urodelen,  mit  ihrem  caudalen  Ende   mehr   oder  weniger   weit  in 

die  Peritonealhöhle  hinein,   aber  trotzdem   ist   hier   wenigstens    schon 

ein   Teil    der  Pleuroperitonealhöhle  ausschließlich  zur   Aufnahme   der 


70 


HOCHSTETTER, 


Lungen 


bestimmt.    — 


Caudal   bezeichnet   die   Grenze   dieses   Leibes- 

hölilenabschnittes  das  von  der  dorsalen  über  die   seitliche  Leibeswand 

Leber  (Chamaeleo)  sich  erstreckende  Gekröse   des  MüLLER'schen 


zur 


die 


sogenannte 


Ganges    oder 
1896,  1898). 

Abgrenzung 
Reptilie  n formen, 
Pleurahöhle  bei  einer 
(Lacerta  u.   a.),   und 
aus,    ohne    in    der   Regel   in    die 
dringen.   —   An   der   Abgrenzung 
dann  außer  der  Leibeswand  (Fig. 
Nebengekröse,  welches  ventral  an 
rechts  meist  in 


Urnierenfalte   (Ravn   1889,   Bertelli 


größerem 


Umfange 


der  Pleurahöhlen  bei  ausgebildeten 
Vollkommen  abgegrenzt  erscheint  die  primitive 
Reihe  anderer,  etwas  höher  entwickelter  Saurier 
die  Lungen  füllen  den  ihnen  gegebenen  Raum 
Peritonealhöhle  caudalwärts  vorzu- 
dieser  Pleurahöhlen  beteiligt  sich 
77),  medial  das  die  Lunge  tragende 
der  Leber  haftet,  ventral  die  Leber, 
als  links,  caudal  endlich  die  Ur- 
nierenfalte (Fig.  77)  und  rechterseits  auch  noch  bei  einigen  Formen 
(Uroraastix  u.  a.)  eine  dem  Hohlvenenabschnitte  des  Nebengekröses 
aufsitzende,  an  der  dorsalen  Leibeswand  haftende  Gekrösefalte,  die 
mit  dem  rechten  Nebengekröse  eine  craniahvärts  offene  Bucht  bildet, 
in  welche  das  caudale  Ende  der  Lunge  hineinragt.  —  Diese  caudale 
Begrenzungsfalte  der  Pleurahöhle  (Hochstetter  1898)  kann  jedoch 

auch  von  einem  Fortsatze  der  Leber  ein- 
genommen sein,  wie  bei  Lacerta  (Fig.  77), 
der  dann  eine  Nische  für  den  caudalen 
Lungenpol  bildet.  —  Linkerseits  fehlt  eine 
solche  Begrenzungsfalte  in  der 


Oe.   Tr. 


■3S. 


PI.H. 

N.G. 

U.F. 
L. 


,> 


\ PI.H. 


.  Lgt.h.e. 
-   N.G. 


U.F. 


Regel. 


Fig.  77.  Frontalschnitt  durch  die  Pleura- 
höhlen von  Lacerta  (Schema).  L.  Leberlappen 
der  caudalen  Begrenzungsfalte.  Lyt.h.e.  Lgt.  hepato- 
entericum.  Lg.  Lunge.  Mg.  Magen.  JV.G.  Neben- 
gekröse. Pl.If.  Pleurahöhle.  Oe.  Oesophagus. 
Tr.  Trachea.  U.F.  Urnierenfalte.  V.c.p.  V.  cava 
posterior. 


Bei  einigen  Sauriern  (Agama)  verbindet  sich  rechterseits  die 
Urnierenfalte  mit  dem  Hohlvenenfortsatze  der  Leber,  und  es  kommt 
so  wenigstens  auf  der  einen  Seite  zu  einem  vollständigen  Abschlüsse 
der  Pleurahöhle  gegen  die  Peritonealhöhle.  —  Beiderseits  abgeschlossene 
Pleurahöhlen  kommen  bei  den  Crocodiliern  vor  (A.  L.  III,  2). 

Bei  anderen  Reptilien ,  Varaniden ,  Schlangen  (Buttler)  und 
Schildkröten  kommt  es  durch  Verwachsung  der  Lungenoberfläche  mit 
ihrer  Umgebung  zu  einer  mehr  oder  weniger  ausgedehnten  Verödung 
der  Pleurahöhlen,  ohne  daß  wahrscheinlich  vorher  ein  Abschluß  dieser 
Höhlen  gegen  die  übrige  Leibeshöhle  erfolgt.  —  Ein  selbständiges 
Septum  pleuroj)eritoneale  kommt  jedoch,  soweit  bis  jetzt  bekannt  ist, 
bei  keiner  Saurierform  vor. 

Die  Entstehung  der  Urnieren  falten  beiLacerta  und 
ihre  Beziehungen  zu  den  Pleurahöhlen.  Da  die  Urnieren- 
falten  auch  bei  den  Säugetieren  bei  der  Bildung  der  Scheidewand 
zwischen  Brust-  und  Bauchhöhle  eine  wichtige  Rolle  spielen,  sollen 
hier  noch  ein  paar  Bemerkungen  über  die  Entstehung  dieser  Falten 
bei  Lacerta  und  über  die  Veränderungen,  die  sie  bei  dieser  Form 
während  der  Entwicklung  erleiden,  folgen.  —  Bekanntlich  reicht  bei 


Die  Entwickelung  des  Blutgefäßsystems.  71 

Lacerta  die  Urniere  crauialwärts  noch  über  das  Gebiet  der  Ductus 
Cuvieri  hinaus  und  kommt  mit  ihrem  cranialsteu  Abschnitte  in  die 
Wand  der  Pericardialhöhle  zu  liegen  (Fig.  71).  —  Mit  den  Ductus 
Cuvieri  hängt  sie  dabei  durch  eine  breite  Bindegewebsmasse  zusammen, 
die  eine  seitlich  von  ihr  gelegene  craniale  Bucht  der  Peritonealhöhle 
begrenzt.  —  Wenn  dann  die  Urniere  sich  allmählich  an  ihren  cranialen 
Enden  zurückbildet  und  retrahiert,  entsteht  aus  dieser  breiten  Brücke 
.eine  Gekrösefalte,  die  an  ihrem  caudalwärts  gerichteten  freien  Rande 
das  Ostium  abdominale  des  MÜLLER'schen  Ganges  trägt  (Bertelli 
1896,  1898).  —  Die  so  entstandene  Urnierenfalte  gewinnt  jedoch  bald 
selbständiges  Wachstum.  —  Sie  schiebt  sich  caudalwärts  vor  und  er- 
reicht mit  ihrem  ventralen  Ansätze  zuerst  das  frontale  Sinusgekröse, 
resp.  das  Septum  pericardiaco-pleuroperitoneale  (Fig.  74  U.  F).  und 
später  noch  die  seitliche  Leberkante.  —  Da  aber  inzwischen  die 
Lungen  zur  Entwickelung  gekommen  sind,  liegen  die  Urnierenfalten 
zwischen  ihnen  und  der  Leibeswand  (Fig.  74)  und  bilden  also  zu  dieser 
Zeit  eine  Strecke  weit  die  seitliche  Begrenzung  der  Pleurahöhlen.  — 
Ob  nun  die  definitiven  Verhältnisse  dadurch  hergestellt  werden,  daß 
die  Platte  der  Urnierenfalte  zum  größten  Teile  an  die  Leibeswand 
anwächst  und  nur  ihre  caudalen  Abschnitte  frei  bleiben,  oder  ob  sich 
ihr  Ansatz  allmählich  an  der  Leibeswand  caudalwärts  verschiebt,  ist 
vorläufig  noch  nicht  klargestellt,  doch  hat  nach  meinen  Beobachtungen 
der  erstere  Vorgang  mehr  Wahrscheinlichkeit  für  sich  als  der  letztere. 

Das  Septum  pleuroperitoneale  der  Vögel.  Bei  den 
Vögeln  kommt  es  stets  zur  Ausbildung  eines  kompletten  selbständigen 
Septum  i)leuroperitoneale,  das  derjenigen  Bildung  entspricht,  welche 
die  vergleichende  Anatomie  als  Diaphragma  pulmonale  bezeichnet.  — 
Dieses  Septum  ist,  wie  dieses  Buttler  (1889)  und  Bertelli  (1898) 
gezeigt  haben,  nahezu  ausschließlich  ein  Abkömmling  der  Neben- 
gekröse. —  Diese  Bildungen  zeigen  beim  Hühnchen  ganz  ähnliche  Be- 
ziehungen zum  Sinus  venosus  und  der  Leber,  später  zum  Septum 
pericardiaco-pleuroperitoneale,  wie  bei  Lacerta,  nur  sind  sie  gleich 
bei  ihrem   Auftreten   viel   massiger   als   dort.  —  Sie   erstrecken   sich, 

Fig.  78.     Querschnitt   durch   die 

Pleurahöhle    und    das    Septum    peri-  '^i^'^^  Wy^^^^äfe 

cardiaco-pleuroperitoneale  eines  Hüh-  Z^^""*"^  //«^j\A_ 

nerembryo  von    130   Stunden.     A.    J^ff vt"'ON?     ^^^^v  i  ^^' 

Aorta.  Zgf.  Lunge.  iV.G.  Nebengekröse.  ^^      /t«||A_^.,^^jZ^ q^^ 

Oe.    Oesophagus,       S.p.pl.p.     Septum  >/'~>»-r            ^^^^~•- 

pericardiaco  -  pleuroperitoneale.       S.v.  /^^^!^^\^       i^^v^-^^  ~ ~" xV. (?. 

Sinus   venosus.     l.S.H.   linkes  Sinus-  .i*^      "^'  'mitltl^\  ]^    \^       ^  '  ^' 

cranial  mit  dem  Lgt.  hepato-entericum  zusammenfließend,  caudal  zu 
beiden  Seiten  des  Oesophagus  bis  ins  Magengebiet  und  rechterseits 
über  dasselbe  hinaus  und  finden  ihren  dorsalen  Ansatz  cranial  an  der 
Oesophaguswand  selbst,  weiter  caudal  gemeinschaftlich  mit  dem  dor- 
salen Oesophagusgekröse  an  der  dorsalen  Leibeswand.  —  Ventral  aber 
haften  sie  am  Sinus  venosus  und  an  den  dorsalen  Leberkanten,  und 
später,  wenn  sich  der  Sinus  venosus  von  der  Leber  abgeschnürt  hat, 
haften  sie  auch  an  dem  dorsalen  Teile  des  Septum  pericardiaco-pleuro- 
peritoneale (Fig.  78).  —  In  diesen  cranialen  Teilen  sind  die  Nebeu- 
gekröse  annähernd  sagittal  gestellt  und  begrenzen  mit  dem  Ligamentum 


72 


HOCHSTETTER, 


hepto  -  entericiim  die  sogenannten  Recessus  pulmo -hepatici  der  Peri- 
tonealhöhle. —  In  der  Lebergegend  (Fig.  79)  bekommen  sie  eine 
schiefe  Stellung,  indem  ihre  Ebenen  miteinander  einen  ventralwärts 
offenen  stumpfen  Winkel  bilden.  —  Da  nun  während  der  weiteren 
Entwickelung  die  Leber  sich  mächtig  verbreitert  (Bertelli  1896),  wird 
der  Winkel  ein  immer  stumpferer,  und  die  Ansätze  der  beiden  Neben- 
gekröse kommen  mit  den  dorsalen  Leberkanten  schließlich  in  die  un- 


mittelbare Nachbarschaft  der  seitlichen  Leibeswand  zu   liegen, 
bei  sitzen  ihnen  die  Lungen  breit  auf. 


Da- 


^V.G.  --: 


S.pl.p.-, 
U.F.~ 


Z.B. 


Fig.  79.  Fig.  80. 

Fig.  79.  Querschnitt  durch  Lunge,  Magen  und  Leber  eines  130  Stunden  ahen 
Hühnerembryo.     L.  Leber.     Lg.  Lunge.     i%  Magen.     N.G.  Nebengekröse. 

Fig.  80.  Querschnitt  durch  die  Pleurahöhlen  und  die  ihnen  benachbarten 
Organe  eines  8  Tage  alten  Hühnerembryo.  A.  Aorta.  D.L.S.  diaphragmaler 
Luftsack.  L.  Leber.  Lg.  Lunge.  3Ig.  Magen.  Oe.  Oesophagus.  S.pl.p.  Septum 
pleuro-peritoneale.    U.F.  Ürnierenfalte.    Z.B.  Zwerchfellband  der  Leber. 

Indem  sich  nun  die  seitlich  von  den  Lungen  befindlichen  Teile 
beider  Nebengekröse  in  der  Lebergegend  abknicken  und  an  der  Ab- 
knickungsstelle  mit  der  Leibeswand  verwachsen  (Fig.  80),  bilden  sie 
jederseits  eine  annähernd  frontal  gestellte  Scheidewand  zwischen 
Pleurahöhle  und  Peritonealhöhle,  die  durch  das  Gewebe  des  dorsalen 
Oesophagusgekröses  zu  einer  einheitlichen  Platte  verbunden  werden 
(Fig.  80).  —  Der  ventral  von  der  Anwachsungsstelle  übrig  bleibende 
Abschnitt  der  Nebengekröse  wird  zum  Zwerchfellsbande  der  Leber 
(Fig.  80). 

Indem  ferner  die  cranialsten  schon  früher  spaltförmigen  Abschnitte 
der  Recessus  pulmo-hepatici  obliterieren,  gewinnen  in  diesem  Gebiete 
die  Lungen  direkten  Anschluß  an  das  Septum  pericardiaco-pleuroperi- 
toneale,  mit  dem  sich  dann  das  aus  den  Nebengekrösen  hervorgegangene 
Septum  pleuroperitoneale  cranial  unter  spitzem  Winkel  vereinigt. 

Auch  beim  Hühnchen  kommt  es  zur  Bildung  einer  Ürnierenfalte.  — 
Dieselbe  scheint  aber  bei  der  Bildung  des  Septum  pleuroperitoneale 
(Diaphragma  pulmonale)  keine  wesentliche  Rolle  zu  spielen.  —  Auch  die 
Leber  beteiligt  sich  bei  den  Vögeln  in  keiner  Weise  an  der  Abgrenzung 
der  Pleurahöhlen.  —  Das  Einwachsen  von  Muskelfasern  aus  der  Leibes- 
wand in  das  Sej)tum  pleuroperitoneale  beginnt  nach  Bertelli  (1898) 
beim  Hühnchen  am  10.  Tage  der  Bebrütung. 

Septum  pericardiac  o-p  le  uro  peritoneale,  Septum  pleuro- 
peritoneale und  Zwerchfell  der  Säuger. 

Ungleich  verwickelter  als  bei  den  Vögeln  liegen  bei  den  Säugern 
nicht  nur  die  Verhältnisse  der  Bildung  des  Septum  pericardiaco-pleuro- 
peritoneale  (Septum  transversum  der  Autoren),   sondern  auch   die  im 


Die  Entwickelung  des  Blutgefäßsystems. 


73 


Anschlüsse  an  die  erstere  erfolgende  Bildung  eines  Septum  pleuro- 
peritoneale, welches,  vereint  mit  einem  Anteile  des  ersteren,  das  Zwerch- 
fell hervorgehen  läßt.  —  Vor  allem  besteht  ein  Hauptunterschied 
zwischen  den  Sauropsiden,  Amphibien  und  Fischen  einer-  und  den 
Säugern  andererseits  in  dem  frühzeitigen  und  einheitlichen  Auftreten 
des  Septum  pericardiaco-pleuroperitoneale,  welches  wir  der  Einfach- 
heit halber  in  der  Folge  als  Septum  transversum  bezeichnen  wollen. 
—  Dasselbe  entsteht  nämlich  dort  schon  zu  einer  Zeit  (Kaninchen, 
Katze),  in  welcher  der  Herzschlauch  in  seinen  caudalen  Partieen  noch 
paarig  ist. 

Wie  Ravn  (1889)  gezeigt  hat,  kommuniziert  die  primitive  Peri- 
cardialhöhle  bei  Kaninchenembryonen  mit  8 — 9  ürsegmenten  caudal- 
wärts  mit  der  übrigen  Leibeshöhle  noch  vollkommen  frei,  und  eine 
Verbindung  des  splanchnischen  Mesoblastes  über  der  wulstartig  in  die 
Leibeshöhle  vorspringenden  V.  omphalo-mesenterica  (Fig.  81)  mit  der 


D.pl.}). 


A.  V.O.m. 

Fig.  81.  Fig.  82. 

Fig.  81.     Querschnitt  durch   die  Keimscheibe  eines  Kaninchens   mit  8  ür- 
segmenten.    A.  Aorta.    C  Leibeshöhle.     V.o.m.  V.  omphalo-mesenterica. 

Fig.  82.  Querschnitt  durch  eine  Kaninchenkeim scheibe  mit  11 — 12  ür- 
segmenten. D.pl.p.  Ductus  pleuro-pericardiacus.  A.  Aorta.  V.o.m  V.  omphalo-mes- 
enterica. 


Somatopleura  besteht  noch  nicht.  Erst  bei  Embryonen  mit  10 — 11 
Ürsegmenten  tritt  eine  solche  Verbindung  ein,  indem  der  Splanchno- 
pleura-Ueberzug  der  V.  omphalo-mesenterica  zuerst  dorsal,  dann  aber 
auch  seitlich  mit  der  Somatopleura  verschmilzt  und  so  den  Uebergang 
von  Gefäßen  (^Ductus  Cuvieri  und  V.  umbilicalis)  aus  der  Leibeswand 
in  die  V.  omphalo-mesenterica  ermöglicht.  —  Dabei  erstreckt  sich 
die  Verw^achsung  der  dorsalen  Wand  der  Vene  etwas  weiter  cranial, 
als  die  der  lateralen.  —  Die  primitive  Pericardialhöhle  kommuniziert 
somit  schon  bei  Kaninchenembryonen  von  11 — 12  ürsegmenten  nur 
noch  medial  von  den  V.  omphalo-mesentericae  mit  der  übrigen  Leibes- 
höhle (Fig.  82). 

Ravn  (1880)  meint,  daß  wenigstens  kurze  Zeit  hindurch  auch  an  der 
lateralen  Seite  der  V.  omphalo-mesentericae  eine  solche  Kommunikation 
bestehe,  die  der  ventralen  Kommunikation  der  Pericardialhöhle  mit  der 
Peritonealhöhle  bei  anderen  Wirbeltieren  entspräche,  und  diese  Meinung 
ist  ja  auch  insofern  richtig,  als  ziierst  die  dorsale  Wand  der  V. 
omphalo-mesenterica  sich  mit  der  Leibes\vand  verbindet,  eine  Verbin- 
dung, welche  dem  Mesocardium  laterale  anderer  Wirbeltiere  entspricht 
und  dann  erst  ihre  laterale  Wand  anwächst.  —  Aber  in  der  Regel  er- 
folo't  diese  Verwachsung  so  rasch,  daß  schon  bei  Kaninchenembrvonen 
von  13  — 14  ürsegmenten  keine  Spur  einer  Kommunikation  lateral  von 
den  V.  omphalo-mesentericae  mehr  nachweisbar  ist  Fig.  (83).  Es  ist 
diese  Kommunikation  schon  vollkommen  geschlossen,  noch  bevor  in  der 
in  Frage  kommenden  Region  des  Körpers  die  Darmrinne  sich  zum  Rohre 
geschlossen  hat  (Fig.   83). 


74 


HOCHSTETTER, 


Ist  dieser  Verschluß  schließlich  erfolgt,  der  Herzschlauch  seiner 
ganzen  Länge  nach  unpaar  geworden  und  bildet  infolge  des  Schwundes 
des  Mesocardiuni  anterius  und  des  größten  Teiles  des  Mesocardium 
posterius  die  primitive  Pericardialhöhle  einen  einheitlichen  Hohlraum, 
so  kommuniziert  sie  nur  noch  dorsomedial  von  den  Uebergangsstellen 
der  Ductus  Cuvieri  in  den  aus  den  V.  omphalo-mesentericae  hervor- 
gegangenen Abschnitt  des  Sinus  venosus,  jederseits  durch  einen  relativ 
engen  Gang,  den  Ductus  pleuro-pericardiacus  ^),  mit  der  übrigen  Leibes- 
höhle und  besitzt  ventral  von  dieser  Uebergangsstelle  eine  aus  dem 
Mesoderm  der  vorderen  Darmpforte  gebildete  caudale  Wand  (Fig.  84), 
die  allerdings  von  dem  ihr  aufsitzenden  caudalen  Abschnitte  des  Herz- 
schlauches, aus  dem  später  der  Sinus  venosus  hervorgeht,  eingenommen 
wird  und  unmittelbar  in  die  zu 
dieser  Zeit  noch  aus  Mesoderm  und  Pr.A. 

Entoderm    gebildete     provisorische  \ 

Präcardialwand  übergeht.  —  Diese 
caudale  Wand  stellt  die  einheit- 
liche Anlage  des  Septum  trans- 
versum  dar. 


R.H. 


Pr.  w. 


K.D. 

Clu 
M.R. 


r.o.vi.  S.ir.  V.D.Pf. 

Fig.  83.  Fig.  84. 

83.  Querschnitt  durch  eine  Kaninchen keimscheibe   mit   14 
Bezeichnungen  wie  in  Fig.  82. 

84.  Medianer    Sagittalschnitt    durch    einen    Kanin chenembryo 
18  Ursegmenten.     Ch.  Chorda.    //.  Herzschlauch, 
röhr.    Pr.A.  Proamnios.      Pr.W.  Präcardialwand. 
versum.    v.D.Pf.  vordere  Darmpforte. 


Fig. 
menten. 

Fig. 


K.D.  Kopfdarm. 
R.H.  Rachenhaut. 


Urseg- 


mit 

3I.R.  Meduliar- 

S.Tr.  S.  trans- 


Bestandteile  des  Septum  transversum.  Hir  mittlerer, 
den  Sinus  venosus  mit  der  Präcardialwand  verbindender  Abschnitt 
entspricht  dem  Mesohepaticum  anterius,  ihr  die  Ductus  Cuvieri  be- 
herbergender Teil  den  Mesocardia  lateralia  niederer  Formen.  —  Die 
Leber  ist,  da  sie  zu  dieser  Zeit  noch  gar  nicht  angelegt  ist,  bei  den 
Säugern  ursprünglich  an  der  Bildung  der  Scheidewand  zwischen  Peri- 
cardial-  und  Pleuroperitonealhöhle  gar  nicht  beteiligt. 

Infolge  der  bedeutenden  Volumszunahme  der  einzelnen  Teile  des 
Herzschlauches  kommt  es  nun  allmählich  zu  einer  beträchtlichen  Aus- 
weitung der  primitiven  Pericardialhöhle  und  Hand  in  Hand  mit  ihr 
zu  einer  bedeutenden  Vergrößerung  der  caudalen  Wand  dieser  Höhle, 
—  Dabei  nimmt  die  diese  Wand  bildende  Mesodermmasse  an  Mächtig- 
keit zu,  und  es  kommt  an  der  sie  überkleidenden  Schicht  von  Ento- 
derm zur  Ausbildung  eigentümlicher  Falten  oder  zottenartiger  Bil- 
dungen, die  als  Dottergangszotteu  bezeichnet  werden  (Fig.  85).    Schon 


1)  Eecessus  parietalis  dorsalis  von  His. 


Die  Entwickelung  des  Blutgefäßsystems. 


75 


in  dieser  frühen  Periode  der  Entwickelung  ist  das  Septiim  trans- 
versum  schief  gestellt,  so  daß  es  in  craniocaudaier  Richtung  dorso- 
ventral  absteigt.  —  Seine  die  Ductus  Cuvieri  beherbergenden  Ränder 
bilden,  leistenförmig  vorspringend,  die  laterale  Begrenzung  (Fig.  86) 
der  Eingänge  in  die  Ductus  pleuro-pericardiaci,  die  ihrerseits  durch 
den  die  Vorkammer  und  den  Sinus  venosus  mit  dem  Darm  ver- 
bindenden Rest  des  Mesocardium 
posterius  voneinander  getrennt  er- 
scheinen (Fig.  86). 
\ 

Ph 


K.D. 


Th. 


Ch. 


3I.c.p. 


D.pl.p.  ~ 


S.tr. 


D.2)l.2). 

"'  D.C. 


H. 


Pc.H. 


Fig. 


Y.D.Pf.  L.A.  D.Z. 
Fig.  85.  Fig.  86. 

85.  Medianer  feagittalschnitt  durch  die  Pericardialhöhle  eines  10  Tage  alten 
Kanin  ebene  mbryos.  D.Z.  Dottergangszotten.  L.A.  Leberanlage.  Th.  mittlere 
Schilddrüsenanlage.    Uebrige  Bezeichnungen  wie  in  Fig.  84. 

Fig.  86.  Höhlenansicht  des  caudaien  Teiles  der  Pericardialhöhle  eines  Kanin- 
chenembryo vom  9.  Tage.  (Nach  Ravn.)  A.  Aorta.  D.iyl.p.  Ductus  pleuro-peri- 
cardiacus.   D.C.  Ductus  Cuvieri.  H.  Herz.  SIc.j).  Mesocardium  posterius.    Ph.  Pharynx. 


Die  weiteren  Veränderun 
versum  vollziehen,  sind  vor 
1)  auf  die  Entwickelung  der 
Leber,  2)  auf  die  Ausdehnung 
der  Pericardialhöhle  selbst  und 
3)  auf  die  Abschnürung  des 
Sinus  venosus  und  seiner  bei- 
den Hörn  er  von  dem  Septum. 

Beziehungen  der 
Leberanlage  zum  Sep- 
tum trans  versu  ni.  Schon 
bei  Kaninchenembryonen  des 
10.  Tages  ragt  der  Leber- 
blindsack (Fig.  85  L.  A)  in  das 
Septum  transversum  hinein.  — 
Indem  sich  nun  von  ihm  aus, 
besonders  in  der  Umgebung 
der  V.  omphalo  -  mesentericae 
und  der  Endstücke  der  V. 
umbilicales,  die  Leberschläuche 
entwickeln,  dringen  dieselben 
immer  weiter  in  den  ventralen 
Abschnitt  der  Bindegewebs- 
masse  des  Septum  transversum 


gen,    die   sich    nun   am    Septum   trans- 
allem  auf  3   Prozesse   zurückzuführen : 


Fig.  87.  Sagittalschnitt  links  von  der 
Medianebene  durch  die  Pericardialhöhle  und 
die  angrenzenden  Organe  eines  12  Tage  alten 
Kaninchenembryo.  Atr.  Vorkammer. 
Z>.ji)Z.^).  Ductus  pleuro-pericardiacus.  ^.Ä'.Endo- 
cardkissen  des  Auricularkanals.  L.  Leber.  Lg. 
Lunge.  3Ig.  Magen.  S.Qm.  Sinusquerstück. 
V.c.o.  Herzkammer.  V.o.m.  V.  omphalo-mes- 
enterica. 


76  HOCHSTETTER, 

vor  und  durchsetzen  denselben  schließlich  vollständig,  bis  an  die  ven- 
trale und  seitliche  Leibeswand,  und  lassen  nur  den  die  Ductus  Cuvieri 
beherbergenden  Abschnitt  des  Septums,  also  seine  dorsalsten  und 
cranialsten  Teile  frei.  —  So  sehen  wir  also  auch  bei  den  Säugetieren, 
allerdings  erst  sekundär,  die  craniale  Leberfläche,  die  aber  hier  stets 
von  einer  ansehnlichen  Bindegewebslage  bedeckt  ist,  die  caudale 
Wand  der  Pericardialhöhle  bilden  (Fig.  87). 

Während  sich  das  Lebergewebe  im  Septum  transversum  immer 
weiter  ausbreitet,  kommt  es  ferner  zur  allmählichen  Abschntirung  des 
Sinus  venosus  von  demselben. 

Bildung  der  Membrana  pl  eu  r  o-pe  ri  car  dica.  Diese 
Abschnürung  schreitet  linkerseits  rascher  fort  als  rechts  und  führt  zur 
Bildung  eines  besonderen,  rein  bindegewebigen  Abschnittes  des  Septum 
transversum,  der  zum  Teil  die  ventrale  Wand  des  Ductus  pleuro- 
pericardiacus  bildet  (Fig.  <S6),  er  wird  als  Membrana  pleuro-pericardiaca 
bezeichnet.  —  Li  der  Mitte  steht  diese  noch  ganz  niedrige  Membran 
mit  dem  breiten  ventralen  Darmgekröse,  welches  hier  die  Verbindung 
zwischen  Lunge  und  Vorkammerabteilung  des  Herzens  herstellt  und 
die  Lungenvene  beherbergt,  in  Verbindung  und  ist  daher  nur  seitlich 
von  diesem  Gebilde  als  selbständige  Bildung  nachweisbar.  —  Sie  ent- 
spricht wenigstens  in  ihrer  ersten  Anlage  zweifellos  dem  frontalen 
Sinusgekröse  niederer  Formen  (vergl.  Fig.  87  mit  Fig.  69). 

Die  Entstehung  der  Membrana  pleuro-pericardiaca  ist  jedoch  nicht 
bloß  durch  die  Abschnürung  des  Sinus  venosus  vom  Septum  trans- 
versum bedingt.  —  Vielmehr  spielt  bei  derselben  die  Ausdehnung  der 
Pericardialhöhle,  wie  besonders  Brächet  (1897)  gezeigt  hat,  eine  nicht 
unwesentliche  Rolle,  indem  sich  parallel  mit  derselben  nicht  nur  das 
ganze  Septum  transversum,  sondern  auch  besonders  die  an  die  Ductus 
Cuvieri  anschließenden,  rein  bindegewebigen  Partieen  desselben  ver- 
größern. —  Da  sich  ferner  infolge  der  Verschiebung  des  Herzens  und 
mit  ihm  des  Leberanteiles  des  Septum  transversum  in  caudaler  Rich- 
tung, der  Verlauf  der  Ductus  Cuvieri  in  der  Weise  ändert,  daß  sie 
aus  der  ursprünglich  dorsoventralen  Richtung  allmählich  eine  schief 
craniocaudale  annehmen,  bis  sie  sich  schließlich  fast  parallel  zur 
Trachea  einstellen,  wobei  sich  die  Entfernung  zwischen  ihnen  und  der 
Leber  besonders  seitlich  stetig  vergrößert,  werden  besonders  die  late- 
ralen Teile  der  Membrana  pleuro-pericardiaca  verhältnismäßig  um- 
fangreich. 

Die  Pleura  rinnen  derPericardialhöhle  und  der  Ab- 
schluß d  e  r  D  u  c  t  u  s  p  1  e  u  r  o-p  e  r  i  c  a  r  d  i  a  c  i.  Gleichzeitig  verändern 
sich  aber  auch  die  Mündungen  der  beiden  Ductus  pleuro-pericardiaci 
zu  schlitzförmigen  Spalten,  die  cranialwärts  rinnenförmig  auslaufen.  — 
Diese  Rinnen,  Brächet  (1897)  hat  sie  Pleuro-i)ericardialrinnen  ge- 
nannt, werden  medial  (Fig.  88)  von  dem  an  der  Dorsalwand  der  pri- 
mitiven Pericardialhöhle  vorspringenden,  durch  die  mesodermale  Wand 
von  Trachea  und  Oesophagus  gebildeten  mächtigen  Längswulst  und 
seitlich  von  der  medialen  Wand  des  Ductus  Cuvieri  begrenzt.  —  Dabei 
ist  jedoch  zu  bemerken,  daß  die  Ductus  Cuvieri  nicht,  wie  dies  His 
(1881),  UsKOW  (1883)  und  Ravn  (1889)  annehmen,  aktiv  aus  der  Wand 
der  Pericardialhöhle  heraustretend,  eine  Konvergenzbewegung  aus- 
führen und  so,  die  Membranae  pleuro  -  pericardiacae  gewissermaßen 
nach  sich  ziehend,  sie  zur  Entwickelung  bringen,  sondern  daß,  wie 
dies   Brächet   (1897)   richtig   hervorhebt,   die   Ductus   Cuvieri   zwar 


Die  Entwickelung  des  Blutgefäßsystems. 


77 


ihre  Stellung  in  dem  oben  angedeuteten  Sinne  ändern,  die  Ver- 
größerung der  Membranae  pleuro-pericardiacae  aber,  sowie  die  des 
ganzen  Septum  transversum  nur  als  eine  Folgeerscheinung  der  mäch- 
tigen Ausdehnung  der  Pericardial-  und  der  Pleuroperitonealhöhle  zu 
betrachten  ist. 

Der  Abschluß  der  Pericardial-  gegen  die  Pleurahöhle  erfolgt  nun, 
wie  ebenfalls  Brächet  (1897)  mitgeteilt  hat,  dadurch,  daß  sich  die 
Ductus  Cuvieri  zunächst  an  die  Vorkammer  des  Herzens  anlegen  (vergl. 
Fig.  88)  und  allmählich  in  caudocranialer  Richtung  mit  ihrer  Wand 
verschmelzen  und  daß  dann  weiter,  einerseits  der  Trachealwulst  der 
dorsalen  Pericardialhöhlenwand  in  der  cranialen  Fortsetzung  des  ven- 
tralen (Lungen-)Gekröses  mit  der  Vorkammerwand  und  beiderseits 
auch  mit  den  benachbarten  Wandungen  der  Ductus  Cuvieri  verschmilzt. 
—  Durch  diesen  Prozeß  werden 
(  Brächet)  die  Pleuro-pericardial- 
rinnen  zu  engen  Kanälen  umge- 
wandelt, die  sich  aber  schließlich 


j 


i^- 


..  Pl.p.R. 


Lg. 


N.G. 


Vis.  88. 


Fig.  89. 


Fig.  88.  Querschnitt  durch  die  Gegend  der  Pleuro-pericardialrinnen  eines 
Meers chweinchenembryo  von  5  mm  Kopflänge.  Atr.d.,  s.  rechte,  linke  Vor- 
kammer. A.  Aorta.  D.C.  Ductus  Cuvieri.  P^.^.i'.  Pleuro-pericardialrinnen.  Tr.  Trachea. 

Fig.  89.  Querschnitt  durch  die  Lungengegend  eines  Katze nembryo  von 
7  mm  Kopflänge.  J.Aorta.  A\G.  Nebengekröse  Z.Leber,  ir/.  Lunge.  Oe.  Oesophagus. 
Pc.H.  Pericardialhöhle.     ^'.(^.p.  Vena  cardinalis  posterioi'. 


auch  durch  Verwachsung  ihrer  Wandungen  schließen.  —  So  erfolgt  also 
der  Verschluß  der  Pericardialhöhlenmündungen  der  Ductus  pleuro-peri- 
cardiaci  bei  den  Säugern  auch  durch  Verwachsungsvorgänge  im  Be- 
reiche der  Pleurarinnen,  aber  doch  in  wesentlich  anderer  Weise  als 
bei  den  Sauropsiden. 

Die  primitiven  Pleurahöhlen  und  ihre  Begrenzung. 
Schon  geraume  Zeit,  bevor  sich  die  endgiltige  Scheidung  der  Peri- 
cardial- von  der  Pleuroperitonealhöhle  vollzieht,  haben  sich  die  beiden 
Lungen  entwickelt  und  springen  in  die  dorsal  von  der  Leber  und  dem 
Sinus  venosus  gelegenen,  paarigen  Abschnitte  der  Pleuroperitoneal- 
höhle vor,  deren  cranialste  Abschnitte  als  Ductus  pleuro-pericardiaci 
bezeichnet  wurden  und  die  wir  deshalb  als  primitive  Pleurahöhlen  be- 
zeichnen können.  —  Dieselben  sind  gegeneinander  dorsal  vom  Oeso- 
phagus durch  das  kurze  dorsale  Oesophagusgekröse  abgegrenzt,  ven- 
tral durch  das  ventrale  Oesophagus-  und  das  rechterseits  neben  ihm 
gelegene  Neben-  oder  Leberhohlvenengekröse.  —  In  das  letztere 
schiebt  sich  ein  kleiner  Teil  der  rechten  Lunge  caudalwärts  vor.  Im 
Bereiche  des  Sinus  venosus  haften  ventrales  Oesophagus-  und  Neben- 


78 


HOCHSTETTER, 


gekröse  gemeinschaftlich  am  Septiim  transversiim,  weiter  caudal  finden 
sie  ihren  Ansatz  an  der  dorsalen  Fläche  der  Leber  nebeneinander 
(Fig.  89).  Zwischen  beiden  befindet  sich  eine  Peritonealhöhlenbucht, 
die  dem  Recessus  pulmo-hepaticus  dexter  der  Sauropsiden  und  Am- 
phibien entspricht  und  von  His  (A.  L.  III,  11,  1880  f)  wegen  ihrer 
Beziehungen  zum  Netzbeutel  als  Recessus  superior  sacci-omenti  be- 
zeichnet wurde. 

Ein  linkes  Nebengekröse  kommt  bei  den  Säugern  zwar  zur  An- 
lage, aber  in  der  Regel  nicht  zur  weiteren  Entwickelung,  so  daß  z.  B. 
bei  Kaninchenembryonen  vom  Ende  des  11.  Tages  an  nur  ein  rechtes 
Nebengekröse  mehr  besteht.  —  Indem  sich  nun  die  Lungen  weiter 
entwickeln,  kommt  es  zu  einer  allmählichen  Ausweitung  der  primitiven 
Pleurahöhlen.  —  Gleichzeitig  entwickeln  sich  aber  auch  jene  Bil- 
dungen, die  schließlich  den  Abschluß  der  Pleurahöhlen  gegen  die 
Peritonealhöhle  und  somit  die  Bildung  des  Septum  pleuroperitoneale 
herbeiführen. 

Bildung  d  e  r  Ur  n  i  e  r  e  n  f  a  1 1  e  n  und  d  e  r  M e m b  r  a n  a p  1  e  u  r  o - 
p  e  r  i  1 0  n  e  a  1  i  s.  In  erster  Linie  sind  es  auch  bei  den  Säugern  wie  bei  den 
Sauriern  die  Urnierenfalten  (Bertelli  1898),  die  dabei  eine  wichtige 
Rolle  spielen.  Sie  verhalten  sich  nicht  bei  allen  Säugern,  bei  denen 
ihre  Entwickelung  bis  jetzt  studiert  ist,  in  gleicher  Weise.  —  Beim 
Meerschweinchen  (Bertelli  1896)  und  der  Katze  (Hochstetter 
1900)  bildet  die  Urnierenfalte  in  ihrer  ersten  Anlage  eine  falten - 
förmige,  an  der  seitlichen  Wand  des  cranialsten  Abschnittes  der  Pleuro- 
l)eritonealhöhle  bis  auf  das  Septum  transversum  auslaufende  Fort- 
setzung der  Urnierenleiste.  Die  caudal  konkavrandig  begrenzte  Falte 
wächst   rasch   caudalwärts   vor   und   bildet    so    eine    Platte    (Fig.  90), 

Fig.  90.     Querschnitt 

durch  die  primitiven  Pleu- 

M.pc.j).       /  \  rahöhlen  in  der  Höhe  der 

M.  pleuroperitoneales  eines 

IMeerschweinchen- 
e  ni  b  r  y  o  von  6  mm  Kopf- 
länge. .4.  Aorta.  Xgr.  Lunge. 
l.S.H.  linkes  Sinushorn. 
M.pl.p.  Membrana  pleuro- 
peritonealis.  3I.pl.pc.  Mem- 
brana pleuro-pericardiaca. 
JI.pc.p.  Membrana  pericar- 
diaco-peritonealis.  Kp/i.  N. 
phrenicus.  S.atr.  Septum 
atriorum.  S.v.  Sinus  ve- 
nosus.  S.Kl.  Sinusklappen. 
V.c.p.Y.  cardinalis  posterior. 


M.pl.pc. 


S.Kl.      S.atr. 


welche  die  medial  von  ihr  gelegene  primitive  Pleurahöhle  von  einer  lateral 
gelegenen  Peritonealhöhlenbucht,  dem  R.  cranio  lateraHs  (Fig.  90  R.c.l.) 
Brachet's  (1895),  scheidet.  —  Brächet  hat  sie  deshalb  mit  Recht 
als  Membrana  pleuroi)eritonealis  bezeichnet.  —  Da  sie  konkavrandig 
begrenzt  ist,  besitzt  sie  einen  dorsalen,  in  die  Urnierenleiste  und  einen 
ventralen,  über  das  Septum  transversum  in  die  dorsale  Leberkante 
übergehenden  Ausläufer,  die  ungefähr  dem  ents])rechen,  was  üskow 
als  die  dorsalen  und  ventralen  Pfeiler  der  dorsalen  Zwerchfellsanlage 
bezeichnet  hat^).   —   Soweit  nun  die  Membrana  pleuroperitonealis  au 

1)  Der  ventrale  Ausläufer  entspricht  auch  wirklich  vollständig  dem  ventralen 
Pfeiler  UsKOw's,  der  dorsale  jedoch  nicht,  wie  sich  dies  aus  dem  Folgenden  er- 
geben wird. 


Die  Entwickelung  des  Blutgefäßsystems. 


79 


jenem  Abschnitte  des  Septum  transversum,  der  früher  als  Membrana 
pleuro  -  pericardiaca  bezeichnet  wurde,  haftet,  teilt  sie  dieselbe  in 
zwei  Abschnitte,  deren  größerer,  an  der  Abgrenzung  der  Pleurahöhle 
nunmehr  beteiligter,  als  eigentliche  Membrana  pleuro  -  pericardiaca, 
deren  kleinerer  an  der  Begrenzung  des  Recessus  craniolateralis  An- 
teil nehmender  aber  als  Membrana  pericardiaco-peritonealis  (Brächet 
1895)  bezeichnet  wird  (Fig.  90).  Daß  die  Membrana  pleuro  peri- 
tonealis  der  Säuger  der  Ürnierenfalte  der  Sauropsiden  homolog  ist,  be- 
weist ihre  Beziehung  zum  Ostium  abdominale  des  MÜLLER'schen 
Ganges,  das,  wie  Bertelli  (1896)  gezeigt  hat  auch  beim  Meer- 
schweinchen am  Rande  der  Pleuroperitonealmembran  ausläuft. 

Bildung  der  caudalen  Begrenzungsfalten  der  Pleu- 
rahöhlen. Etwas  später  als  die  Pleuroperitonealmembranen  treten 
am  caudalen  Ende  der  primitiven 
Pleurahöhlen  bei  Katze  und  Meer- 
schweinchen die  von  mir  (1899)  so 
genannten  caudalen  Begrenzungs- 
falten  dieser  Höhle  auf.  —  Die- 
selben entwickeln  sich  auf  den 
beiden   Seiten   etwas   verschieden. 

—  Rechterseits  ist  es  die  caudal- 
wärts  von  der  Lunge  befindliche 
verdickte,  an  der  Leber  haftende 
Partie  des  Nebengekröses,  an  der 
dieselbe  als  leistenförmiger,  eine  v.d 
caudale  Pleurahöhlenbucht  begren- 
zender, dorsalwärts  am  dorsalen 
Gekröse  bis  zur  Urniere  auslaufen- 
der Vorsprung  entsteht  (Fig.  91). 

—  Linkerseits,  wo  ja  zu  dieser  Zeit 
ein  Nebengekröse  nicht  mehr  vor- 
kommt,   ist    es   die    mächtig   ver- 


M.pl.p.-frj 

L,j. 


c.B.F. 


3I.pl. 2'). 
Lg. 


'.B.F. 


Fig.  91.  Frontalschnitt  durch  den 
cranialsten  Abschnitt  der  Pleuroperi- 
tonealhöhle  eines  Säuger  embryos. 
Schema,  etwas  modifiziert  nach  Brä- 
chet. c.B.F.  caudale  Begrenzungsfalte. 
Lg.  Lunge.  3Lg.  Magen,  M.pl.p.  Membrana 
pleuro-peritonealis.  V.c.i.  V.  cava  posterior. 


dickte  mesodermale  Wand  des 
Oesophagus  am  Uebergange  in  den  Magen,  und  vor  allem  das  Gekröse 
dieses  Darmabschnittes,  welche  einen  ähnlichen  leistenförmigen  Vor- 
sprung bilden  (Fig.  91).  —  Ventral  gehen  diese  caudalen  Begrenzungs- 
falten auf  die  dorsale  Fläche  der  Leber  über. 

Beim  Kaninchen,  bei  dem  die  Entwickelung  der  in  Betracht 
kommenden  Teile  am  besten  untersucht  ist  (Uskow  1883,  Ravn  1889), 
Brächet  1895),  treten  die  caudalen  Begrenzungsfalten  der  Pleura- 
höhlen nur  um  weniges  später  als  die  Urniereufalten  auf  und  hängen 
sobald  sie  einmal  deutlich  entwickelt  sind,  mit  den  letzteren  in  der 
Weise  zusammen,  daß  (Fig.  92b)  der  ventrale  Ausläufer  der  Begrenzungs- 
falte jederseits  an  der  dorsalen  Fläche  der  Leber  in  den  ventralen 
Ausläufer  der  Membrana  pleuroperitonealis  übergeht,  während  der 
dorsale  Ausläufer  dieser  Falte,  an  der  ventralen  Fläche  der  Urniere 
nahe  dem  Mesenterialansatze  cranialwärts  auslaufend  0,  schließlich  mit 
der  Urnierenleiste  vereinigt,  in  die  Membrana  pleuroperitonealis  über- 
geht (Fig.  92a).  —  Auch  bei  Katze  und  Meerschweinchen  kommt  es 
freiUch  erst  relativ  spät  zur  Vereinigung  der  Ausläufer  der  Pleuro- 
peritonealmembranen mit  denen  der  caudalen  Begrenzungsfalten. 


1)  Ihn  hat  Uskow  eigentlich  als  dorsalen  Pfeiler  ;der  Zwerchfellsanlage   be- 
schrieben. 


80 


HOCHSTETTER, 


Abschluß  der  K  o  m  ni  u  n  i  k  a  t  i  o  n  s  ö  f  f  n  ii  ii  g  z  w  i  s  c  li  e  ii 
Pleurahöhle  und  Peritonealhöhle.  Die  Kommunikations- 
öflfnuug  zwischen  Pleura-  und  Peritonealhöhle  wird  dann  durch  die 
ineinander  übergehenden  Ränder  der   caudalen    P)egrenzungsfalte   und 


der  Pleuroperitonealmembran 


Lg.- 
3I.pl.p.— 

c.B.F.  - 
N.G.- 

V.c.i.  - 
U.N.  - 


umgrenzt. 


-Lg. 

—3I.pl.2). 
"V.G. 

-c.B.F. 

-Oe. 


■M.G. 


Fig. 


Pc.H. 


92a. 


Atr.       3I.pl.pc. 


B.C. 


M.pl.p.  - 


BI.pl.p. 


V.c.i. 


Fig.  92b. 

Fig.  92.  Frontalschnitt  durch  einen  Teil  des 
Rumpfes  eines  Ratte nembryo  auf  der  Entwicke- 
lungsstufe  eines  15  Tage  aUen  Kaninchenembryo.  (Nach 
Ravn.)  Höhlenpräj^arat.  a  Ansicht  der  dorsalen,  b  der 
ventralen  Hälfte.  Atr.  Vorkammer.  c.B.F.  caudale  Be- 
grenzungsfalte. L.  Leber.  Lg.  Lunge.  B.C.  Ductus 
Cuvieri.  3LG.  Mesogastrium.  M.pl.p.  Membrana  pleuro- 
Ijeritonealis.  M.pl.pc.  Membrana  pleuro-pericardiaca. 
N.G.  Nebengekröse.  Pc.H.  Pericardialhöhle.  U.N.  Ur- 
niere.      V.c.i.  Vena  cava  posterior. 


Lage 
wird. 


Indem  sich  in  der  Folge 
die  Begrenzungsränder 
dieser  Oeffnuug  einan- 
der immer  mehr  nähern, 
wird  die  Oeffnung  im- 
mer kleiner  und  schließt 
sich  endlich  vollständig, 
und  damit  ist  dann 
der  gänzliche  Abschluß 
der  Pleurahöhlen  gegen 

die    Peritonealhöhle 
durchgeführt. 

Da  die  ventralen  mit- 
einander in  Verbindung 
tretenden  Ausläufer  der 
Pleuroperitonealmem- 
branen und  der  cau- 
dalen Begrenzungs- 
falten an  der  Leber  haf- 
ten, ist  es,  wie  schon 
Ravn  1889  gezeigt  hat, 
klar,  daß  ein  kleiner 
Abschnitt  der  dorsalen 
Leberlläche  jederseits 
sich  an  der  Bildung  der 
Wand  der  Pleurahöhlen 
beteiligt,  ein  Abschnitt, 
dei"  um  so  größer  er- 
scheinen wird,  je  mehr 
die  Leber  an  Masse  zu- 
nimmt und  je  stärker 
sich  die  Pleurahöhlen 
parallel  mit  der  Ent- 
wickelung  der  Lungen 
ausdehnen.  —  Dieser 
der  Pleurahöhle  zuge- 
wendete Abschnitt  der 
Leberoberfläche  zeich- 
net sich  nun  so,  wie 
die  dorsale  Leberfläche 
überhaupt  dadurch  aus, 
daß  er  stets  von  einer 
dicken  Lage  Bindege- 
später    zur   Bildung  des 


webes   bedeckt   ist   (Fig.   93),    welche 
definitiven  Diaphragmas  herbeigezogen 

Veränderungen     der     Pleuroperitonealmembranen. 
Bevor  es  jedoch  zum  endgiltigen  Abschlüsse  der  Pleurahöhlen  kommt, 
des   mächtigen  Wachstumes   der  Leber   einer-   und   der 
zunehmenden  Ausdehnung  der  Pleurahöhlen  andererseits, 


treten 
immer  mehr 


infolge 


Die  Entwickelung  des  Blutgefäßsystems. 


81 


Veränderungen  sowohl  in  der  Stellung  als  auch  in  der  Ausdehnung 
der  Pleuroperitonealmembranen  auf.  -  Indem  sich  nämlich  die  Leber 
auf  Kosten  dieser  Membranen  und  ihrer  ventralen  Ausläufer  i)  ver- 
größert, werden  sie  kürzer,  und  indem  sich  die  Pleurahöhlen  seitlich 
ausdehnen,  werden  sie  aus  ihrer  ursi)rünglichen,  ventral  divergierenden 

(Fig.    90)   in   eine    ventral   konver- 
gierende Stellung  (Fig.  94)  zu   ein- 
;  ander  gebracht. 


-  U.F. 


R.p.h. 
Fig.  93.  Fig.  94. 

Fig.  93.  Sagittalschnitt  durch  den  Rumpf  eines  14  Tage  alten  Kaninchen- 
embryo  links  von  der  Mittelebene.  Atr.  Vorkammer.  D.C.s.  Ductus  Cuvieri 
sinister.  Lg.  Lunge.  M.pl.pr.  Membrana  pleuro-pericardiaca.  Mg.  Magen.  W.B.  Netz- 
beutel. Pl.H.  Pleurahöhle.  U.F.  Urnierenfalte.  U.K  Urniere!  V.U.  V.  umbilicaHs. 
V.c.  Herzkammer. 

Fig.  94.  Querschnitt  durch  die  Pleurahöhle  eines  15  Tage  alten  Kanin  eben- 
em bryo.  L.  Leber.  Lg.  Lunge.  M.pl.p.  Membrana  pleuro-peritonealis.  Oe.  Oeso- 
phagus.    R.p.h.  Eecessus  pulmo-hepaticus. 

Ueber  die  Veränderungen  welche  die  Pleiu'ajjeritonealmembranen 
während  der  Entwickelung  bei  anderen  Säugern  als  beim  Kaninchen  er- 
leiden, liegen  noch  keinerlei  genauere  Angaben  vor,  nui-  für  eine  Anzahl 
menschlicher  Embryonen  hat  Swaen  (1896,  1897)  sehr  detaillierte  An- 
gaben gemacht,  aus  denen  hervorgeht,  daß  sow^ohl  in  der  Anlage,  als  auch 
in  der  weiteren  Entwickelung  dieser  Menibranen  recht  beträchtliche  Ab- 
weichungen von  den  für  das  Kaninchen  festgestellten  Verhältnissen  bestehen, 
daß  aber  doch  im  Prinzipe  diese  Membranen  sich  in  ganz  ähnlicher  Weise 
"wie  dort  an  der  Bildung  des  Zwerchfelles  beteiligen,  welches  im  übrigen  aus 
denselben  Bestandteilen  hervorgeht,   wie  bei  allen  übrigen  Säugern. 

Vereinigung  der  paarigen  Anlagen  des  Septum 
pleuroperitoneale.  Die  Anlage  der  die  Pleurahöhlen  gegen  die 
Peritonealhöhle  zu  abschließenden  Scheidewand,  die  auch  als  dorsales 
Diaphragma  bezeichnet  wird,  ist  somit  vorerst  paarig  und  besteht 
beiderseits  aus  drei  verschiedenen  Teilen :  aus  einem  Abschnitte  der 
Leber,  aus  der  Pleuroperitonealmembran  und  aus  der  caudalen  Be- 
grenzungsfalte der  Pleurahöhle.  —  Dorsal  vom  Oesophagus  sind 
die  beiden  Pleurahöhlen  nur  durch  das  dorsale  Oesophagusgekröse 
voneinander  geschieden  (Fig.  94),  und  da  die  caudalen  Begrenzungs- 
falten dorsal  diesem  Gekröse  aufsitzen,  vereinigt  dasselbe  die  Scheide- 
wandanlagen der  beiden  Seiten.  —  Ventral  vom  Oesophagus  dagegen 
und  an  seiner   rechten  Seite   liegt,   zwischen    die  beiden  Pleurahöhlen 


1)  Brächet  hat  die  dabei   sich  abspielenden,  recht  komplizierten  Vorgänge  in 
sehr  ausführlicher  Weise  geschildert. 

Fandbnch  der  Entwickelungslehre.     III.  2.  Q 


82  HOCHSTETTER, 

vorgeschoben,  der  Recessus  pulmo-hepaticus  dexter  (Fig.  92).  —  Von 
der  rechten  Pleurahöhle  trennt  ihn  das  Nebengekröse,  von  der  linken, 
der  Oesophagus  und  sein  ventrales  Gekröse  (Fig.  89,  94).  —  Noch 
bevor  aber  der  endgiltige  Abschluß  der  Pleurahöhlen  gegen  die  Peri- 
tonealhöhle zu  erfolgt,  obliteriert  beim  Kaninchen  und  allen  einen 
infracardialen  Lungenlappen  besitzenden  Säugern  dieser  Recessus  in 
der  Höhe  der  Cardia^)  des  Magens  eine  kurze  Strecke  weit,  indem 
an  dieser  Stelle  das  Nebengekröse  mit  dem  ventralen  Oesophagus- 
gekröse  und  der  Oesophaguswand  verwächst.  —  Dadurch  werden  die 
Scheidewandanlagen  der  beiden  Seiten  auch  an  der  Seite  des  Oeso- 
phagus und  ventral  von  ihm  miteinander  vereinigt  und  hängen  jetzt 
an  der  dorsalen  mit  einer  dicken  Bindegewebslage  überzogenen  Leber- 
fläche überall  kontinuierlich  miteinander  zusammen. 

Dorsales  und  ventrales  Diaphragma.  Diese  die  Pleura- 
höhlenoberfläche  der  Leber  überziehende  Bindegewebslage  hängt  aber 
auch,  und  zwar  kontinuierlich,  mit  der  die  Pericardialhöhlenfläche  dieses 
Organes  bedeckenden  Bindegewebslage  zusammen  (Fig.  93).  —  Dadurch 
steht  die  Anlage  des  Diaphragma  dorsale  in  unmittelbarer  Verbindung 
mit  der  Anlage  des  Septum  pericardiaco-peritoneale,  welches  auch  als 
ventrales  Diaphragma  bezeichnet  wird.  —  Nur  die  Ansatzlinie  der 
Membrana  pleuro  -  pericardiaca  an  der  Leber  markiert  die  Grenze 
zwischen  den  an  der  Bildung  dieser  Scheidewände  beteiligten  Ober- 
ttächenabschnitten  dieses  Organes  (Fig.  93)  und  gestattet  so  die  Ab- 
grenzung eines  ventralen,  die  caudale  Wand  der  Pericardialhöhle 
bildenden  und  eines  dorsalen,  die  beiden  Pleurahöhlen  von  der  Peri- 
tonealhöhle sondernden  Abschnittes  der  Anlage  des  Zwerchfelles. 

Abschnürung  der  Leber  von  der  Zwerchfellsanlage 
u  n  d  B  i  1  d  u  n  g  des  m  u  s  k  u  1  ö  s  -  s  e  h  n  i  g  e  n  Z  w  e  r  c  h  f  e  1 1  e  s.  Wenn 
es  nun  in  ähnlicher  Weise  wie  bei  den  Vögeln  zu  einer  Abspaltung 
der  Leber  von  der  sie  bedeckenden  Bindegewebsplatte  kommt,  an  die 
seitlich  und  caudal  die  aus  den  Pleuroperitonealmembranen  und  aus 
den  caudalen  Begrenzungsfalten  hervorgegangenen  Teile  der  Zwerch- 
fellsanlage anschließen,  so  wird  die  ganze  Zwerchfellsanlage  selbständig 
und  bildet  eine  gemeinsame  kuppeiförmige  Scheidewand  zwischen 
Pericardial-  und  Pleurahöhlen  einer-  und  der  Peritonealhöhle  anderer- 
seits. —  Sie  wird,  indem  von  der  Peripherie  Muskulatur  in  sie  ein- 
wächst, zum  muskulös-sehnigen  Zwerchfell.  —  Die  Abschnürung  der 
Leber  von  der  Zwerchfellanlage  ist  jedoch  keine  vollständige,  sie  bleibt 
vielmehr  durch  das  Ligt.  falciforme  und  das  Ligt.  coronarium,  sowie  im 
Bereiche  eines  Teiles  ihrer  dorsalen  Fläche  dort,  wo  die  hintere  Hohl- 
vene aus  ihr  hervorkommt,  mit  dem  letzteren  in  Verbindung. 

Zwerchfellsband  der  Urniere.  Mit  dem  Dorsalteile  des 
Zwerchfelles  steht  bei  den  Embryonen  vieler  Säugetiere  das  craniale 
Ende  der  Urniere  durch  eine  faltenartige  Bildung  im  Zusammenhange, 
die  sich  in  das  Gekröse  des  MÜLLER'schen  Ganges  fortsetzt.  — 
KÖLLiKER  hat  diese  Bildung  als  Zwerchfellsband  der  Urniere  be- 
schrieben. —  Ihre  Existenz  ist  verständlich  aus  dem  ursprünglichen  Zu- 
sammenhange der  Urnierenleiste  mit  der  Membrana  pleuroperitonealis, 

1)  Beim  Menschen  und  wahrscheinlich  allen  Säugern,  die  einen  infracardialen 
Lungenlappen  nicht  besitzen,  obliteriert  der  ganze  Recessus.  —  Bei  Säugern  mit  in- 
fracardialen Lungenlappen  dagegen  erhält  sich  der  von  der  Peritonealhöhle  abge- 
trennte Recessus  an  der  Seite  des  Oesophagus  zeitlebens  (Hochstetter  1888). 


Die  Entvvickelung  des  Blutgefäßsystems. 


83 


ein  Zusammenhang,  der  sich  auch  noch 


eine  Zeit  lang  erhalten 


kann, 


nachdem  die  Membrana  i)leuroperitonealis  im  Zwerchfell  aufgegangen  ist. 

Herstellung  der    definitiven  Beziehungen  zwischen 

der  Pericardial höhle   und   den  Pleurahöhlen.     Noch  bevor 

die   Pleurahöhlen 


ganz 


ge- 


schlossen sind,  in  rascherem 
Tempo  aber,  nachdem  dieser 
Verschluß  ijerfekt  geworden 
ist,  dehnen  sich  die  Pleura- 
höhlen, die  ursprünglich  rein 
dorsal  von  der  Pericardial- 
höhle  liegen  (Fig.  95),  zuerst 


Pl.H.  - 
M.2Ü.pc.  — 


rr"-^~  PLH. 

3I.pl.pc. 


lateral-,  dann  ventralwärts  aus 
und  dringen  so,  gewisser- 
maßen die  Pericardialhöhle 
umwachsend  und  die  Leibes- 
wand spaltend,  ventralwärts 
vor,  so  daß  die  Pericardial- 
höhle, die,  während  ihre 
ventrale  Begrenzung  von  der 

Leibeswand  gebildet  wurde,  zuerst  nur  dorsal,  in  der  Membrana  pleuro- 
pericardiaca  eine  selbständige  Wand  besaß,  nun  allmählich  ringsum  eine 
solche  erhält  (Uskow)  [Fig.  96j.  —  Während  aber  beim  Menschen 
und  den    Säugern,   denen   ein 


Pe.H. 


Fig.  95.  Querschnitt  durch  die  Brust- 
region eines  Kaninchenembryo  vom  15. Tage. 
Jl.pl.pe.  Membrana  pleuro-pericardiaca.  Pdf. 
Pericardialhöhle.    Pl.H.  Pleurahöhle. 


selbständiger 


infracardialer 
Lungenlai)pen  mangelt ,  die 
caudale  Wand  der  Pericardial- 
höhle mit  dem  Zwerchfell  in 
Verbindung  bleibt,  dringt,  wie 
dies  Uskow  (1883)  ausführ- 
lich dargelegt  hat,  beim  Ka- 
ninchen und  anderen  einen 
infracardialen      Lungenlappen 

besitzenden  Säugern  eine 
diesen  Lungenlappen  beher- 
bergende Pleurahöhlen  bucht 
zwischen  Oesophagus  und  hin- 
tere Hohlvene  ventralwärts  und 
nach  links  hin  vor  (Fig.  96)  und 
führt  eine  fast  vollständige  Ab- 
spaltung   auch    der    caudalen 


Oe. 


V.c.i.- 


Pc.H. 


Fig.  96.  Querschnitt  durch  die  Brust- 
region eines  Katzenembryo  von  25  mm 
Länge.  i.c.L.  infracardialer  Lungenlappen. 
Oe.  Oesophagus.  Pc.H.  Pericardialhöhle.  Pl.H. 
Pleurahöhle.  B.p.h.  Recessus  pulmo-hepaticus. 
V.c.i.  V.  Cava  inferior. 


Wand  der  Pericardialhöhle, 
vom  Zwerchfell  herbei.  —  So 
liegt  jetzt  die  Pericardialhöhle 

allenthalben  eine  selbständige  membranöse  Wand  besitzend,  zwischen  den 
beiden  Pleurahöhlen  drin,  von  ihnen  umgeben.  —  Indem  es  nun  in  der 
membranösen  Pericardialwand  zur  Differenzierung  einer  fibrösen  Mittel- 
schicht kommt ,  wird  der  fibröse  Pericardialsack  gebildet ,  der  ,  an 
seiner  Oberfläche  von  den  Mediastinalplatten  der  Pleura  überzogen, 
durch  dieselben  und  durch  zwischen  sie  eingelagertes  Bindegewebe 
mit  der  vorderen  Brustwand  und  dem  Zwerchfelle  in  Verbindung  steht. 


6* 


84  HOCHSTETTER, 

L  a  g  e  V  e  r  s  c  h  i  e  b  u  n  g  e  n  der  P  e  r  i  c  a  !•  d  i  a  1  li  ö  h  1  e  und  der 
Z  w  e  r  c  li  f  e  1 1  s  a  n  1  a  g  e.  lieber  die  Lageverschiebungen  ,  welche  die 
Pericardialhöhle  und  mit  ilir  das  Septum  pericardiaco  -  pleuroperitoneale 
bei  den  Amphibien  und  Sauropsiden  erleidet,  liegen  keine  genaueren  An- 
gaben vor.  —  Wir  können  nur  die  Thatsache  verzeichnun,  daß  eine 
solche  Lageverschiebung  erfolgt  und  daß  dieselbe  bei  den  Amphibien  noch 
relativ  gering  ist,  daß  sie  dagegen  bei  den  Reptilien  im  allgemeinen 
schon  viel  beträchtlicher  wird,  und  bei  gewissen  Eormen  (Varanideu, 
Crocodilier)  so  wie  bei  den  Vögeln  einen  ziemlich  hohen  Grad  erreicht, 
so  daß  hier  die  Pericardialhöhle  sehr  weit  caudalwärts  vorgeschoben 
erscheint. 

Für  die  Säuger  hat  schon  von  Baer,  A.  L.  I,  darauf  aufmerksam 
gemacht,  daß  die  erste  Anlage  des  Zwerchfelles  ^)  bereits  zu  einer  Zeit 
nachweisbar  ist,  wo  das  Herz  und  die  Pericardialhöhle  noch  weit  cranial, 
ventral  von  der  Halswirbelsäule  gelegen  ist,  und  es  damit  in  Zusammenhang 
gebracht,  daß  das  Zwerchfell  von  einem  Cervicalnerven,  dem  N.  phrenicus, 
innerviert  wird.  —  Uskow  (1883)  hat  dann  an  Sagittalschnittserien  nach- 
gewiesen, welch  beträchtliche  Verschiebungen  in  caudaler  Richtung  die  Pei'i- 
cardialhöhle  und  mit  ihr  die  Anlage  des  Zwerchfelles  beim  Kaninchen 
wälu-end  der  Entwickelung  erleidet.  —  Doch  sind  auch  bei  Säiigerembryonen 
weder  die  Lageverschiebungen  der  einzelnen  Leibeshöhlenabschnitte  unter- 
einander, noch  die  der  in  ihnen  eingelagerten  und  zum  Teile  an  der 
Zwerchfellbildung  beteiligten  Organe,  die  bei  den  verschiedenen  Species 
erheblichere  Verschiedenheiten  darbieten  dürften,  genauer  untersucht.  — 
Und  das  Wenige,  was  bis  jetzt  darüber  vorliegt,  genügt  nicht,  um  ein  nur 
einigermaßen    übersichtliches    Bild    von    diesen  Vorgängen    zu    entwerfen. 

Entwickelung   des   Arterien-Systems. 

Allgemeine  lieber  sieht.  Bei  den  Embryonen  sämtlicher 
Wirbeltiere  beginnt  das  Arteriensystem  mit  dem  aus  dem  cranialen 
Ende  des  Herzschlauches  entspringenden  Truncus  arteriosus. 

T  r  u  n  c  u  s  arteriosus.  Dieser  ist  in  der  Mitte  vor  der  ventralen 
Wand  des  Schlunddarmes  gelegen  und  teilt  sich  in  der  Regel  nach 
kürzerem  oder  längerem  Verlaufe  in  2  nebeneinander  kieferbogen- 
wärts  ziehende  Aeste.  —  Aus  dem  Truncus  arteriosus  und  seiner 
paarigen  Fortsetzung  entspringen  beiderseits,  der  Zahl  der  Visceral- 
bogen  entsprechend,  Arterienstämme,  die,  in  den  Visceralbogen  ver- 
laufend, den  Schlunddarm  bogenförmig  umgreifen. 

Aortenbogen.  Es  sind  die  Kiemenbogenarterien  oder  die 
Aortenbogen.  —  Sie  treten  nicht  alle  gleichzeitig  auf.  —  Der  erste, 
der  Zeit  seines  Auftretens  nach,  ist  stets  der  Arterienbogen  des 
Mandibularbogens,  der  letzte  der  des  letzten  Brancliialbogens. 

Primitive  Aorten.  Die  Aortenbogen  münden  alle  dorsalwärts 
in  2  mächtige,  zu  beiden  Seiten  der  Medianebene  ventral  von  der 
Chorda  dorsalis  gelegene  Längsgefäße,  die  wir  als  primitive  Aorten 
bezeichen.  —  Dieselben  verlaufen  durch  die  ganze  Länge  des  Körpers 
von  der  Gegend  der  Hypophyseneinstülpung  an  bis,  an  das  Schwanz- 
ende. —  Der  paarige  Zustand  dieser  Gefäße  erhält  sich  jedoch  stets 
nur  kurze  Zeit.     Bald  verschmelzen  nämlich  die  primitiven  Aorten  mit 


1)  Nämlich  der  ventrale  Teil  desselben. 


Die  Entwickelung  des  Blutgefäßsystems.  85 

Ausnahme  ihrer  cranialen  Anfangsabschnitte  miteinander  zur  median 
gelagerten  Aorta  dorsalis.  —  Ihre  unverschmolzenen  Stücke,  die  sich 
noch  über  die  Mündung  des  ersten  Aortenbogens  hinaus  verlängern, 
bilden  dann,  da  sie  sich  caudalwärts  zur  unpaaren  Aorta  vereinigen, 
die  sogenannten  dorsalen  Aortenwurzeln. 

Dorsale  Aorten  wurzeln.  In  jede  von  diesen  münden,  je 
nachdem  der  die  primitiven  Aorten  betreffende  Verschmelzungsprozeß 
weiter  oder  weniger  weit  vorgegriffen  hatte,  entweder  nur  die  vordersten 
oder  sämtliche  Aortenbogen  ihrer  Seite. 

A  e  s  t  e  der  Aorta  dorsalis.  Schon  aus  den  primitiven  Aorten 
entspringen  2  Arten  von  Arterienästen,  die  später,  soweit  sie  nicht 
den  Aortenwurzeln  angehören,  von  der  Aorta  dorsalis  abgegeben 
werden.  —  In  der  Folge  gesellt  sich  ihnen  noch  eine  dritte  Art  von 
Aesten  zu.  So  können  wir  bei  jungen  Wirbeltierembryonen  dreierlei 
Aeste  der  Aorta  dorsalis  unterscheiden. 

Arterien  der  Leibeswand  und  der  Extremitäten.  Die 
Aeste  der  ersten  Art  entspringen  gewöhnlich  aus  dem  dorsalen  Umfange 
der  Aorta  paarig,  in  regelmäßiger  Aufeinanderfolge.  —  Sie  sind,  da  sie 
zwischen  den  Ursegmenten  verlaufen,  zunächst  intersegmental  an- 
geordnet. —  Ihr  Verbreitungsgebiet  umfaßt  das  Medullarrohr  und  die 
Leibeswandungen.  —  Die  im  Gebiete  der  Extremitätenanlagen  ab- 
gehenden Arterienpaare  sind  stärker  ausgebildet  und  werden  später 
zu  den  Arterien  der  Extremitäten. 

Arterien  des  Darmkanales.  Die  Aeste  der  zweiten  Art 
sind  für  den  Darm  l)estimmt  und  entspringen  aus  dem  ventralen 
Umfange  der  Aorta.  —  Auch  sie  sind  ursprünglich  in  der  Regel  paarig, 
werden  jedoch  frühzeitig  unpaar.  —  Einzelne  von  ihnen,  die  den  Dottei'- 
sack  und  (bei  den  Amnioten)  die  Allantois  zu  versorgen  haben,  zeigen 
eine  besonders  mächtige  Entwickelung. 

Arterien  des  N  i  e  r  e  n  s  y  s  t  e  m  s  und  der  Geschlechts- 
drüsen. Die  Aeste  der  dritten  Art  endlich  versorgen  das  Nieren- 
system und  die  Geschlechtsdrüsen  mit  Blut.  —  Auch  sie  sind  paarig 
und  ents])ringen  zumeist  aus  dem  seitlichen  Umfange  der  Aorta. 

So  zeigt  das  Arteriensystem  bei  allen  Wirbeltieren  in  bestimmten 
Entwickelungszuständen  relativ  einfache  Verhältnisse,  und  ist  bei  allen 
Formen  ein  einheitlicher  Charakter  seines  Aufbaues  nicht  zu  verkennen. 
Bezüglich  seiner  weiteren  Entwickelung  ergeben  sich  dann  freilich 
selbst  bei  einander  relativ  nahestehenden  Formen  recht  erhebliche 
Differenzen. 

Die  Aorteiilbogen  und  die  Arterien  des  Kopfes  der  Anamnier. 

Selachier. 

Bei  den  Selachiern  kommt  es  in  der  Regel  zur  Ausbildung  von  6 
Aortenbogen  auf  jeder  Seite  (Fig.  97).  —  Nur  bei  den  Notidaniden  ist  ihre 
Anzahl  entsprechend  der    Zahl  der  Kiemenbogen  vermehrt. 

Truncus  arteriös us  und  Aortenbogen.  Der  unpaare 
Abschnitt  des  Truncus  arteriorus,  der  sich  bei  Acauthias  in  der  Höhe 
der  3.,  bei  Torpedo  und  Pristiurus  in  der  Höhe  der  2.  Aorten- 
bogen gabelt,  ist  anfänglich  verhältnismäßig  kurz,  und  die  3  letzten 
Aortenbogen  entspringen  jederseits,  mittelst  gemeinsamen  Stammes 
(Acanthias)  aus  ihm.     Später  verlängert   er  sich  erheblich,  wobei  sich 


86 


HOCHSTETTER, 


seine  Teillingsstelle  auch  etwas  cauclalwärts  vorschieben  kann  (Acan- 
thias)  und  die  4.  Aortenbogen  entspringen  dann  selbständig  aus  ihm, 
während  die  5.  und  6.  Bogen  in  der  Regel  jederseits  einen  kurzen 
gemeinschaftlichen  Ursprungsstamm  behalten  (Fig.  97). 

Sinus  c  e  p  h  a  1  i  c  u  s.  Noch  bevor  sich  die  primitiven  Aorten  im 
Rumpfgebiete  vollständig  vereinigt  haben,  verschmelzen  sie  im  Kopf- 
gebiete unmittelbar  caudal  vor  der  Mündung  der  1.  Aortenbogen  eine 
kurze  Strecke  weit  miteinander  und  bilden  so  einen  verhältnismäßig  weiten 


Gefäßraum,  den  Kopfsinus  von  Rückert  (A.  1888) 
Aus  diesem  (Sinus  cephahcus  nach  Raffaelle  A 
Arterienpaar,  das  an  die  Augenblasenstiele 
zieht  (J.  Platt  A.  1891),  und  ein  zweites 
Arterienpaar,  welches  nach  Abgabe  eines  Astes 
an  das  Vorderhirn  in  die  Konkavität  der  Mittel- 
hirukrümmung  hineinbiegt  (Fig.  8)  und  sich 
später  an  der  Ventralseite  des  Rautenhirnes 
vorbei   bis   auf  die  Medulla   spinalis  fortsetzt. 


[Fig.  97  S.  c]  1). 
1892)  entsteht 


ein 


V.H.A. 


Fig.  97. 

Fig.  97.  Arterien  des  Kopfes  und  der  Kiemenbogenregion  eines  ca.  15  mm 
langen  Embryo  von  Acanthias  vulgaris  (halbschematisch).  Ad.  Aorta  dorsalis. 
S.c.  Sinus  cephalicus.    Tr.a.  Truncus  arteriosus. 

Fig.  98.  Sinus  cephalicus  und  Circulus  arter.  cephalicus  eines  ca.  17  mm  langen 
Embryo  von  Acanthias  vulgaris  (halbschematisch).  A.o.  A.  ophthalmica.  A.B. 
Aortenbogen.    S.c.  Sinus  cephalicus.     V.H.A.  Vorderhirnarterie. 


A.  basilaris.  Dieses  Arterienpaar  verschmilzt  noch  später, 
vom  Mittelhirne  an  caudalwärts  zu  einem  einheitlichen  Gefäßstamme, 
der  A.  basilaris,  die  sich  in  die  A.  medullae  spinalis  impar  fortsetzt 
und  mit  den  das  Rückenmark  versorgenden  segmentaleu  Arterien 
Verbindungen  eingeht.  Der  Sinus  cephalicus  ist  gleich  nach  seiner 
Entstehung  bei  den  Rajiden  (Torpedo)  [Rückert  A.  1888,  Raffaelle, 
A.  1892]  geräumiger,  als  bei  den  Squalideu  (Acanthias)  [J.  Platt 
A.  1891).  —  Später  verringert  sich  sein  Kaliber.  Dabei  hat  er  entweder 
eine  sehr  beschränkte  Längenausdehnung  wie  bei  Torpedo,  oder  er 
bildet,   wie  bei  Acanthias,  einen  kurzen  Längsstamm  (Fig.  98),  der  sich 


an   der 


Einmündungssteile 


der   ersten 


Aortenbogen 


säbelt.  —  Aber 


auch  bei  Acanthias  verkürzt  er  sich  in  späteren  Entwickelungsstadien 
so  sehr,  daß  er  als  Läugsstamm  zu  bestehen  aufhört. 

Caudalwärts  vom  Kopfsinus  bleiben  die  primitiven  Aorten  als 
dorsale  Aortenwurzeln  eine  Strecke  weit  voneinander  getrennt,  ja  sie 
entfernen  sich  in  diesem  Abschnitte   sogar   immer  weiter  voneinander 


1)  Der  Sinus  cephalicus  hängt  in  frühen  Entwickelungsstadien  (J.  Platt  A.  1891) 
durch  weite  Kommunikationsbahnen,  die  später  zu  bestehen  aufhören,  mit  der  An- 
lage der  V.  cardinales  anteriores  zusammen. 


Die  Entwickelung  des  Blutgefäßsystems. 


87 


und  bilden  so,  da  sie  sich  caudalwärts  wieder  zur  Aorta  dorsalis  ver- 
einigen (P'ig.  98),  den  Circulus  arteriosus  cephalicus  Hyrtl's. 

Circulus  arteriosus  cephalicus.  Derselbe  erhält  sich 
jedoch  nur  bei  den  Squaliden  in  seiner  unsprünglichen  Form.  —  Bei 
den  Rochen  kommt  es  nämlich  schon  frühzeitig  (Dohrn  1889 — 91, 
Raffaelle  A.  1S92)  zur  Obliteration  des  schon  bei  den  Squaliden 
schwachen  Abschnittes  der  dorsalen  Aortenwurzeln  (Fig.  98)  zwischen 
den  Mündungen  der  2.  und  3.  Aortenbogen. 

Die  Stelle,  bis  zu  welcher  die  Verschmelzung  der  primitiven 
Aorten  zur  Aorta  dorsalis  kopfwärts  vorrückt,  ist  bei  den  einzelnen 
Formen  verschieden.  —  Bei  Acanthias  erreicht  sie  das  Niveau  der 
Mündung  der  4.  Aortenbogen,  bei  Scyllium  und  Mustelus  erfolgt  die 
Verschmelzung  bis  über  das  Gebiet  der  Mündung  der  3.  Aorten- 
bogen hinaus.  —  Manchmal  entwickelt  sich  in  der  cranialen  Verlängerung 
der  Aorta  dorsalis  ein  schwacher,  median  gelagerter  Gefäßstamm 
sekundär,  der  bis  an  die  Hypophyse  reichen  kann  (Chlamydoselachus) 
[Ayers  1889J. 

Entwickelung    der    zuführenden 


Kiemenarterien, 
zu  einer  Unterbre- 
chung in  der  Strom- 
bahn   der 


Indem   sich   die  Kiemen 


und    abführenden 
entwickeln,  kommt  es 


A 


ct. 


bogen  und  zur 


Aorten- 
Aus- 
bildung   des    Kie- 
menkreislaufes, die 
bei  Pristiurus  nach 
Dohrn  (1885—86) 
in  folgender  Weise 
vor    sich    geht.    — 
In  den  4  Branchial- 
bogen      entwickeln 
sich  mit  dem  Auf- 
treten der  Kiemen- 
blättchen   und    der 
in  die  letzteren  ein- 
wachsenden  Gefäß- 
schlingen   zunächst 
caudal     und     dann 
cranial   von   jedem 
Aortenbogen   rück- 
führende    Kiemen- 
arterien, die  (Fig.  99)  im  dorsalsten  Teile  des  Kiemenbogens  in  den  be- 
treffenden Aortenbogen  einmünden.  —  Sie  stehen  untereinander  durch 
2  Queranastomosen  in  Verbindung  i).  —  In  der  Nähe  der  Einmündungs- 
stelle  dieser  A.  efferentes  wird  nun  der  Aortenbogen  immer  dünner  und 
obliterirt  schließlich  vollkommen.  —  Sein  erhaltener  ventraler  Abschnitt 
wird  dadurch  zur  A.  afferens  des  Kiemenbogens,  während  sein  erhaltener 
dorsaler  den  Stamm  der  A.  efferentes  bildet.  —   Indem  nun  die  eme 
der    beiden    Anastomosen    zwischen    den    beiden   A.    efferentes   jedes 
Kiemenbogens    sich    erweitert,    wird  die    vordere   A.  efferens  stärker, 
während   die   hintere   ihre   Mündung  in   den   Stamm   der   A.   efferens 


Fig.  99.  Die  Arterien  der  Kiemenbogenregion  eines 
Pristiurusembryo  nach  Dohrn.  A.a.h.  A.  afferens 
hyoidea.  A.c.i.  A.  carotis  interna.  A.tli.s.  A.  thyreo-spira- 
culari.s.   Z)..4.TF.  dorsale  Aortenwurzel.    Tr.a.  Truncus  arter. 


1)  Bei  Acanthias  entwickeln  sicli  deren  nach  J.  Platt  (A.  1891)  4  bis  5. 


88 


HOCHSTETTER, 


ihres   Kiemenbogeus   verliert,   um   sich 
der   Kiemeuspalte    hinweg   mit 


Kiemenbogens   in 


Verbindung 


dafür   über  das    dorsale  Ende 

der   A.    efferens    des    nächstfolgenden 

zu  setzen.  —  So  kommt  es  (Fig.  100). 

dorsalen    Abschnitten   der   Aortenbogen 

communes   ihr  Blut  aus  den  A.  efferentes 


daß    schließlich  die    aus    den 
entstandenen  A.  eiferentes 
zweier  hintereinander 

Im  Hyoidbogen   kommt   es   nur   zur  Eutwickelung  einer  hinteren 
A.  efierens  (Fig.  99,  100),  die  sich  aber  durch  eine  mächtige  Anastomose 


gelegener  Kiemenbogen  beziehen. 

zur  Eutwickelung  einer 


mit  der  Arterie  des  Mandibularbogens  in 


Verbindung  setzt. 


—  Diese 


wieder  löst  sich  in  der  Spritzlochkieme  in  ein  Wundernetz  auf,  giebt 
aber  vorher  noch  einen  Zweig  an  die  Schilddrüse  ab.  Dohrn  (1885 — 86) 
bezeichnet  sie  deshalb  als  A.  thyreo-spiracularis.  —  Diese  Arterie  ver- 
liert jedoch  bald,  durch  Obliteration  ihres  proximalen  Anfangsabschnittes, 
ihren  Ursprung  aus  dem  paarigen  Abschnitte  des  Truncus  arteriosus 
und  erhält  nun,  ebenso,  wie  das  von  ihr  gebildete  Wundernetz  der 
Spritzlochkieme,  ihr  Blut  durch  die  oben  beschriebene  Anastomose 
(Fig.  100)  aus  der  A.  efferens  der  Hyoidkieme  zugeführt. 


I   Ä'.a.li. 
Ä.th.s. 


Fig.  100.      Arterien    der    Kiemenbogenregion    eines    Embryo    von    öcylliuni 
canicula  nach  Dohen.    Buchstabenbez.  wie  bei  Fig.  99. 


A.  carotis  interna.  Außerdem  leitet  aber  auch  die  letztere 
Arterie  das  Blut  in  den  vordersten  Abschnitt  der  Aorten wurzel,  der 
von  der  Einmündung  der  A.  efferens  des  Hyoidbogens  an  hypophysen- 
wärts  als  A.  carotis  interna  (Hyrtl)  bezeichnet  wird.  —  Während  aber 
bei  den  Squaliden  die  A.  carotis  interna  mit  dem  caudaleu  Abschnitte 
der  Aortenwurzel  in  Verbindung  bleibt,  verliert  sie  diesen  Zusammen- 
hang bei  den  Rajiden  ^).  —  Der  Sinus  cephalicus  hat  sich  inzwischen 
verengert  und  wie  bei  Acanthias  verkürzt  und  stellt  nun  nur  noch 
eine  Querverbindung  zwischen  den  beiden  Carotiden  her,  die  den 
Circulus  arteriosus  cephalicus  nach  vorn  zu  abschließt  und  bei  der  aus- 
gebildeten Form  von  Hyrtl  als  Carotidenkreuzung  bezeichnet  wurde.  — 


1)  Vergl. 
Gesagte. 


das  oben  p.  87  über  den  Circulus  arteriosus  cephalicus  der  Eochea 


Die  Eutwickelung  des  Blutgefäßsystems.  89 

Schließlich  setzt  sich  dann  auch  noch,  wie  J.  Platt  für  Acanthias 
augiebt,  das  ventrale  Ende  der  A.  thyreo-spiracularis  mit  dem  ventralen 
Ende  der  A.  etferens  des  Hyoidbogens  und  dieses  wieder  mit  dem 
ventralen  Ende  der  A.  efferens  des  1.  Branchialbogens  in  Verbindung, 
und  an  die  so  gebildete  Anastomose  schließen  sich  ähnliche  Anastomosen 
zwischen  den  ventralen  Enden  der  A.  efterentes  der  übrigen  Branchial- 
bogen  an  (Dohrn,  1886—87)  ^). 

Cyclostomen. 

A  m  m  0  c  0  e  t  e  s.  Bei  Ammocoetes  Planeri  gabelt  sich  nach 
JuLiN  (A.  1886)  der  Truncus  arteriosus  in  der  Höhe  der  5.  Kiemen- 
platte. —  Drei  A.  atferentes  branchiales  jeder  Seite  entspringen  aus 
dem  ungeteilten  Truncus,  5  aus  seineu  beiden  Aesten.  —  Es  be- 
stehen hier  somit  8  zuführende  und  ebensoviele  abführende  Kiemen- 
arterienpaare,  die  der  Anlage  von  8  Aortenbogenpaaren  entsprechen 
würden.  —  Nach  Dohrn  (1888)  sollen  jedoch  bei  Ammocoetes 
9  Aortenbogen  jederseits  angelegt,  der  erste  aber,  der  dem  im 
Mandibularbogen  der  Selachier  verlaufenden  Aortenbogen  entsprechen 
würde,  frühzeitig  rückgebildet  werden.  —  Die  Aorta  dorsalis  erstreckt 
sich  über  der  Kiemenbogenregion  sehr  weit  nach  vorne,  so  daß  sämt- 
liche A.  branchiales  efferentes  mit  Ausnahme  der  aus  den  2.  Aorten- 
bogen entstandeneu,  ersten,  direkt  in  sie  einmünden.  —  Die  dorsalen 
Aortenwurzeln  sind  daher  überaus  kurz,  setzen  sich  aber  wie  bei 
anderen  Yertebraten  über  die  Mündung  der  1.  A.  branchiales  efferentes 
als  Carotides  internae  oder  dorsales  nach  vorne  zu  fort. 

Myxinoiden. 

Bei  gewissen  Myxinoiden  (Bdellostoma) ,  bei  denen  die  Anzahl 
der  zur  Anlage  kommenden  Kiemenspalten  eine  bedeutend  größere 
ist  wie  bei  Petromyzon,  dürfte  auch  die  Anzahl  der  zur  Anlage 
kommenden  Aortenbogen  eine  bedeutend  größere  sein. 

Ganoiden.     Lepidosteus. 

Bei  den  Ganoiden  (Lepidosteus,  Amia)  kommt  es,  so  wie  bei  den 
meisten  Selachiern,  zur  Bildung  von  6  Aortenbogen  auf  jeder  Seite. 
Nach  F.  W.  MÜLLER  (1897)  sind  von  diesen,  wenn  die  Larve  von 
Lepidosteus  das  Ei  verläßt,  erst  die  4  vordersten  gebildet,  die  jeder- 
seits zu  je  zweien  (Fig.  101a)  mittelst  gemeinsamer  Stämme  aus  dem 
Truncus  arteriosus  entspringen ,  um  dorsal  getrennt  voneinander  in 
die  dorsale  Aortenwurzel  zu  münden.  Die  beiden  ersten  stehen  mit- 
einander durch  eine  Anastomose  {Ä.)  in  Verbindung,  die  höchstwahr- 
scheinlich der  sekundär  entstehenden  Anastomose  zwischen  A.  efferens 
des  Hyoidbogens  und  der  A.  thyreo-spiracularis  der  Selachier  ent- 
spricht. —  Außerdem  erscheint  aber  auch  noch  an  der  Arterie  des 
Hyoidbogens  eine  in  den  Opercularfortsatz  eindringende  Nebenbahn 
entwickelt  (0.  B.),  die  Zweige  an  das  Gewebe  dieses  Fortsatzes  abgiebt. 
—  Während  nun  später  die  beiden  letzten  Aortenbogen  auftreten  und 
die  Kontinuität  der  Arterien  der  Branchialljogen,  gleichzeitig  mit  dem 


1)  Hyrtl  (1858,  1872)  hat  diese  Anastomosen  und  die  aus  ihnen  entstehenden 
Aeste  für  eine  Reihe  ausgebildeter  Formen  beschrieben  und  abgebildet. 


90 


HOCHSTETTER, 


A.B.I.A.B.Z.A.B.3. 


Auftreten  der  Kiemen,  sich  zu  lösen  beginnt,  kommt  es  zur  Ob- 
literation  der  ventralen  Abschnitte  der  beiden  ersten  Aortenbogen 
(Fig.  101b),  und  gleichzeitig  löst  sich  auch  die  Nebenbahn  des  2.  Aorten- 
bogens im  Opercularfortsatze  in  ein  Gefäßnetz  auf^).  —  Diesem  wird 
jetzt  das  Blut  durch  den  früheren,  gemeinsamen  Wurzelstamm  für  die 
beiden  ersten  Aortenbogen,  den  wir  nunmehr  A.  opercularis  aflfereus 
nennen  können,  zugeführt.  —  Als  A.  efferens  des  Opercularfortsatzes 
fungiert  der  dorsale  Abschnitt  der  Opercularnebenbahn,  der  einerseits 
das  Blut  durch  den  dorsalen  Abschnitt  des  2.  Aortenbogens  in  die 
Aortenwurzel,  andererseits  durch  die  früher  erwähnte  Anastomose  in 
den  1.  Aortenbogen  ableitet  (Fig.  101b). 

Noch  etwas  später,  wenn  in  sämtlichen  Branchialbogen  die  Aorten- 
bogen in  A.  afferentes  und  efferentes  branchiales  zerfallen  sind,  obli- 
teriert  auch   der   dorsale  Abschnitt    des  2.  Aortenbogens  (Fig.  101c), 

und  das  aus  dem  Kiemendeckel  rück- 
strömende Blut  gelangt  nun  ausschließlich 
a-  in  den  dorsalen  Abschnitt  des  1.  Aorten- 
bogens. —  Der  letztere  ist  aber  in- 
zwischen auch  noch  mit  der  ventralen 
Fortsetzung  der  A.  elferens  des  1.  Bran- 
chialbogens  in  Verbindung  getreten  und 
b.  erhält  also  auch  noch  von  daher  Blut.  — 
Schließlich  entwickelt  sich,  und  zwar  ver- 
hältnismäßig si)ät,  die  Pseudobranchie  und 
die  Opercularkieme.  In  der  ersteren 
(Fig.  101  d)  zerfällt  der  dorsale  Teil  des 
1.  Aortenbogens  in  ein  Kapillarnetz, 
während  das  Kapillarnetz  der  Oper- 
cularkieme aus  dem  im  übrigen  sich 
rückbildenden  Gefäßnetz  des  Opercular- 
fortsatzes entsteht,  wobei  dann  die  A. 
opercularis  afferens  zur  A.  afferens  der 
Opercularkieme  wird,  während  die  A. 
efferens  dieser  Kieme  als  neu  entstehende 


Ä«. 


A,Br 


O.B. 


ABz  Aoe 


A.aa. 


A.o.e  A.e.br  i. 


Fig.  101a — d.  Umbildung  der  Aortenbogen 
von  Lepidosteus  osseus,  schematisch  dar- 
gestellt nach  den  Angaben  von  F.  W.  Müller. 
A.B.  Aortenbogen.  A.  Anastomose  zwischen 
A.B.l  und  2.  A.o.a.  A.  opercularis  afferens.  A.o.e. 
A.  opercularis  efferens.  A.c.br.l  A.  efferens  bran- 
chiali  1.  O.B.  operculare  Nebenbahn  von  A.B.2 
Pr.br.  Gefäßnetz  der  Pseudobranchie.  O.K.  Gefäß- 
netz der  Opercularkieme. 


Gefäßbahn  in  die  A.  aff'erens  der  Pseudobranchie  mündet,  nachdem 
die.  das  Blut  aus  dem  Opercularfortsatze  sammelnde  Anastomose  {A.) 
zu  Grunde  gegangen  ist.  —  So  erhält  dann  bei  der  ausgebildeten 
Form  die  Pseudobranchie  ihr  Blut  teils  aus  der  Opercularkieme,  teils 
aus  der  ventralen  Verlängerung  der  A.  efferens  des  1.  Branchial- 
bogens  zugeführt. 

A.  carotis  interna.     Als  A.  carotis   interna   können  wir  hier 


1)  Dasselbe  wurde  in  der  Figur  der  Uebersichtlichkeit  halber  weggelassen. 


Die  Entwickelung  des  Blutgefäßsystems. 


91 


Fortsetzimg 


der   dorsalen 


die 


1. 


Brancliialbogens 


die 

A.  effereus  des 

Dabei  ist   noch   zu    bemerken 

beiden  Carotiden,  die  etwa  der 

sprechen  würde 

der   primitiven   Aorten    zur   Aorta   dorsalis   erstreckt   sich 

Form  bis  zwischen  die  Mündungsstellen  der  A.   efferentes 

2.  Brauchialbogen  nach  vorne. 


Mündung 


Aortenwurzel   über 

hinaus  nach  vorne  bezeichnen 
daß  eine  sekundäre  Verbindung 
Carotidenkreuzung   der  Selachier 


nicht  zur  Entwickelung  kommt. 


der 

der 

ent- 

Die  Verschmelzung 


bei 
der 


dieser 
1.  und 


Amia  calva.  Bei  Amia  calva  (Phelps  Allis  1900)  erfolgt  die 
Entwickelung  der  Aortenbogen,  sowie  der  Nebenbahn  des  2.  Aorten- 
bogens in  dem  02iercularfortsatze  und  der  Anastomose  zwischen  1.  und 
2.  Aortenbogen,  in  ganz  ähnlicher  Weise  wie  bei  Lepidosteus.  —  Auch 
schwindet  der  ventrale  Abschnitt  des  2.  Aortenbogens,  und  das  ventrale 
vom  Truncus  arteriosus  abgelöste  Ende  des  1.  Aortenbogens  tritt  sekundär 
in  Verbindung  mit  dem  ventralen  Ende  der  A.  efferens  des   1.  Brancliial- 


bogens. 

unerhebliche    Differenzen,    indem    der    dorsale  Abschnitt 


Aber  bezüglich  der  weiteren  Entwickelung 


ergeben 


sich    nicht 
des    2.   Aorten- 


bogens als  A.  efferens  opercularis  erhalten  bleibt  und  sich  an  Stelle  der 
vorher  bestehenden  A.  afferens  der  Spritzlochkieme  eine  neue ,  aus 
der  ihren  Ursprung  aus  der  Carotis  interna  nehmenden  Carotis  externa 
entwickelt  und  indem  ferner  der  als  A.  efferens  der  Pseudobranchie 
fungierende  dorsale  Abschnitt  des  1.  Aortenbogens  zwar  seine,  wenn  auch 
verengte,  Mündimg  in  die  Carotis  interna  beibehält,  die  Hauptmasse  seines 
Blutes  aber  durch  einen  mächtigen  Arterienast  an  die  Orbitalgebilde 
entsendet. 


Teleostier. 

Anlage  und  Schicksal  der  Aortenbogen.    Bei  den  Embry- 
onen  der  Teleostier  (Esox, 
Trutta)  entspringen  aus  dem 
ursprünglich  seiner  ganzen 

Länge  nach  unpaaren 
Truncus  arteriosus  (Fig.  102) 
jederseits  6  Aortenbogen, 
von  denen  die  beiden  letz- 
ten einen  gemeinsamen  Ur- 
sprungsstamm besitzen  und 
so  wie  bei  Lepidosteus  auch 
wieder  mittelst  kurzen  ge- 
meinsamen Endstammes  in 
die  Aorta  dorsalis  münden 
(DoHRN  1886/87,  Maurer 
1888),  während  die  4.  Aor- 
tenbogen ihr  Blut  bereits  in 
die  dorsalen  Aortenwurzeln 
ergießen  (Fig.  103).  —  Der 
1.  Aortenbogen  zerfällt  in 
Anlage 


der  Anlage  der  Pseudo- 
branchie, so  wie  der  gleiche 
Bogen  der  Selachier  in  der 
Spritzlochkieme,  in  ein  Ge- 


Fig.  102.  Kopf  eines  11  ram  langen  Fo- 
rellenembryo. Ventralansicht  des  Truncus 
arteriosus  und  der  Aortenbogen  nach  DoHRN. 
A.B.  Aortenbogen.     B.o.  Bulbus  oculi. 


92 


HOCHSTETTER, 


fäßnetz  ^).  —  Der  2.  Aortenbogen  unterscheidet  sich  von  dem  der 
Selachier  imd  Ganoiden  vor  allem  dadurch,  daß  er  nicht  wie  dort  in 
die  dorsale  Aortenwurzel  mündet,  sondern  sich  mit  dem  1.  Aorten- 
bogen unmittelbar  vor  der  Stelle  vereinigt,  wo  derselbe  in  die  Pseudo- 
branchie  eintritt  (Fig  103). 

Dieses  Verhalten  ist  deshalb  besonders  bemerkenswert,  weil  bei 
allen  Wirbeltieren,  bei  welchen  der  2.  Aortenbogen  ziu^  Entwickelung 
kommt,  derselbe  in  den  Carotidenabschnitt  der  dorsalen  Aortenwiu-zel 
mündet.  —  Nimmt  man  jedoch  an,  daß  bei  den  Embryonen  der  Vor- 
fahi-en  der  Teleostier  eine  ähnliche  Verbindung  zwischen  dem  1.  und  2. 
Aortenbogen  bestand,  wie  wii-  sie  bei  den  Embryonen  von  Lepidosteus 
und  Amia  kennen  gelernt  haben,  so  wiixl  man  entschieden  zu  der  Auf- 
fassung kommen  müssen,  daß  bei  Trutta  und  Esox  der  ursprünglich 
jenseits    der  Anastomose    vorhandene    dorsale    Abschnitt    des  2.  Aorten- 


bogens gar 


nicht  mehr 


angelegt   wird. 


Ps.Br. 


A.    afferentes    und    efferentes    branchiales    werden    nur    aus    den 
Aortenbogen    der    kiementragenden  Branchialbogen    gebildet.    —   Die 

A.  efferens  br.  1  verlängert 
sich  ventralwärts  und  ver- 
bindet sich  mit  dem  1.  Aor- 
tenbogen an  seiner  Ur- 
sprungsstelle aus  dem 
Truncus  arteriosus.  —  Hier- 
auf verengert  sich  der  letz- 
tere zwischen  der  Aus- 
mündung der  2.  Aorten- 
bogen und  der  A.  afterens 
branchialis  1,  und  es  kommt 
schließlich  zu  einer  Ab- 
lösung der  ersten  beiden 
Aortenbogen  vom  Truncus 
arteriosus,  so  daß  nunmehr 
diese  Arterienbogen  ihr 
Blnt  durch  die  ventrale  Ver- 
längerung der  A.  eiferen s 
br.  1  zugeführt  erhalten. 
—  Aber  auch  die  ventralen 
Enden  der  o  hinteren  A. 
branchiales  efferentes  ver- 
längern sich  ventralwärts 
und  treten  durch  Anasto- 
mosen untereinander  in  Ver- 
bindung. —  Aus  der  so  ge- 
bildeten Anastomosenkette 
entspringt  dann  später  die 
A.  coronaria  cordis  (Dohrn 
1886/87). 

A.  carotides    interna.      Auch  bei  den  Teleostiern  bezeichnen 
wir  die  Fortsetzungen  der  dorsalen  Aortenwurzeln  über  die  Mündungen 


Fig.  103.  Dorsale  Hälfte  eines  horizontal 
durchsclinittenen  Kopfes  eines  Forellen  embryo 
von  11  mm  Länge.  Ansicht  der  Aortenbogen  und 
-wurzeln,  sowie  der  Aorta  dorsalis  nach  Dohrn. 
Hy.  Hypophyse.  Ad.  Aorta  dorsalis.  Uebrige  Be- 
zeichnungen wie  bei  Fig.  102. 


1)  Dohrn    bezeichnet    ihn    deshalb    wie    bei    den    Selachiern    als    A.  thyreo- 
spiracularis. 


Die  Entwickelung  des  Blutgefäßsystems.  93 

der  3.  Aortenbogen  hinaus  als  A.  carotides  internae  (s.  dorsales);  sie 
finden  ihre  Verlängerung  in  Zweigen,  welche  das  Auge  und  das  Ge- 
hirn versorgen.  —  Ursprünglich  unabhängig  voneinander  treten  sie 
später  in  der  Höhe  der  Mündung  der  1.  Aortenbogen  in  der  Hypo- 
physengegend durch  eine  Queranastomose  in  Verbindung  miteinander. 
—  Diese  Anastomose  wird  dann  in  der  Folge  in  der  Weise  gespalten, 
daß  die  aus  den  dorsalen  Abschnitten  der  1.  Aortenbogen  gebildeten 
A.  efferentes  der  Pseudobranchien,  welche  die  zu  der  Chorioideal- 
drüse  ziehenden  A.  ophthalmicae  magnae  abgeben,  nunmehr  durch 
eine  Queranastomose  miteinander  in  Verbindung  stehen,  während  ihre 
Verbindung  mit  den  Carotiden  zu  bestehen  aufgehört  hat.  — 
Dagegen  bleiben  wieder  die  Carotiden  durch  eine  vor  der  Hypophyse 
gelegene  Anastomose  dauernd  miteinander  in  Verbindung  (Dohrn 
1886/87). 

Amphibien. 

Bei  Rana  esculenta  und  Triton  werden,  wie  Maurer  (1883  *j  an- 
giebt,  nur  5  Aortenbogen  angelegt,  indem  der  2.  dem  Hyoidbogen 
angehörige  Aortenbogen  gar  nicht  mehr  zur  Anlage  kommt.  Nach 
Marshall  und  Bles  (A,  1890)  dagegen  soll  bei  Rana  temporaria 
auch  im  Hyoidbogen  ein  freilich  rudimentärer  Aortenbogen  angelegt 
werden. 

Urodelen, 

Bei  den  Urodelen  beteiligen  sich,  wie  Maurer  für  Triton  be- 
schreibt, nur  die  3.,  4,  und  5.  Aortenliogen  an  der  Bildung  des  Kiemen- 
gefäßnetzes,  indem  sie  schlingenartige  Ausbuchtungen  in  die  Kiemen- 
fortsätze entsenden.  Dabei  bildet  sich  von  dem  dorsalen  Schenkel 
jeder  solchen  Schlinge,  entsprechend 
ihrer  Basis,  ein  Ast  (Fig.  lU4a),  der 
sich  mit  ihrem  ventralen  Schenkel  ver- 
bindet (Fig.  104  b). 

Fig.  104.  Schema  der  Entwickelung  der 
Kiemengefäßsctilinge  und  der  Anastomose  zwi- 
schen A.  afferens  und  efferens  branchialis  bei 
Triton  nach  Maurer. 

Bildung  der  Kiemengefäße  bei  Triton.  Wenn  sich  dann 
aus  der  Kiemengefäßschlinge  das  Kapillarnetz  der  Kieme  entwickelt, 
wird  ihr  ventraler  Schenkel  zur  A.  afferens,  ihr  dorsaler  aber  zur 
A.  efferens  branchialis,  beide  aber  bleiben  durch  die  oben  beschriebene 
Anastomose  miteinander  in  Verbindung. 

Der  kurze  Truncus  arteriosus  ist  bei  den  Urodelen  wie  bei  den 
Teleostieren  seiner  ganzen  Länge  nach  unpaar.  Zuerst  entspringen 
die  3  letzten  Aortenbogen  jederseits  mittelst  eines  gemeinsamen  Stammes 
aus  ihm.  —  Später   behalten   einen   solchen  nur  die  5.  und  6.  Bogen 

Schicksal  der  I.Aortenbogen  und  Bildung  der  so- 
genannten A,  carotis  externa.  Bald  verlängert  sich  auch  der 
distalste  Abschnitt  des  Truncus  zu  einem  dünnen,  gemeinsamen 
Wurzelstamm  für  die  ersten  Aortenbogen  beider  Seiten.  —  Diese  ver- 
lieren dann  ihren  Zusammenhang  mit  der  dorsalen  Aortenwurzel  und 
treten  durch  einen  neugebildeten  Zweig  mit  der  Anastomose  zwischen 


94 


HOCHSTETTER, 


A.  atterens  und  efferens  branchialis  der  1.  Kieme  in  Verbindung, 
worauf  ihr  ventraler  Abschnitt,  sowie  ihr  gemeinsamer  Wurzelstamm 
schwindet  (Fig.  105).  und  der  von  ihnen  übrig  bleibende  Rest  zu- 
sammen mit  dem  neugebildeten  Verbindungsaste  zur  sogenannten 
A.  carotis  externa  der  fertigen  Form  sich  ausbildet.  —  Aus  dem  letzten 
Aortenbogen  entsteht  auf  jeder  Seite  ein  Arterienzweig  für  die  Lunge 
(A.  pulmonalis). 

Veränderungen  w  ä  h  r  e  n  d  der  L  a  r  v  e  n  m  e  t  a  m  o  r  p  h  o  s  e 
und  Ausbildung  der  definitiven  Verhältnisse.  Auf  diese 
Weise  stellen  sich  die  Verhältnisse  her,  wie  sie  Boas  (1882)  für  die 
Larve  von  Salamandra  maculata  beschreibt  (Fig.  105).  Zu  erwähnen 
ist  mir  noch,  daß  die  Fortsetzung  der  dorsalen  Aortenwurzel  über 
die  Mündung  des  3.  Aortenbogens  hinaus  als  A.  carotis  interna  zu 
bezeichnen  ist  (Fig.  105  C,  i). 

Kommt  es  nun  während  der  Metamorphose  zum  Schwunde  der 
Kiemen,  so  weiten  sich  die  Anastomosen  zwischen  A.  afferentes  und 
efferentes  branchiales  aus,  während  die  Kiemengefäße  zu  Grunde  gehen, 


As  brl- 

A.e.bn: 

A.ä.b.r.2 

Ae.b.rz^ 
A.a.b.r3^ 
Aebr3^ 


106. 


Fig.  105.  Fig. 

Fig.  105.  Aortenbogen  der  Larve  von  Salamandra  maculata.  Schema  etwas 
abgeändert  nach  Boas.  A.B.  Aortenbogen.  A.a.hr.  A.  afferens  branchiaUs.  A.e.hr.  A. 
efferens  branchialis.  A.p.  A.  pulmonalis.  A.s.  A.  subclavia.  C'.e.  Carotis  externa. 
Cd.  Carotis  mterna.    Tr.a.  Truncus  arteriosus. 

Fig.  106.  Aortenbogen  mit  den  aus  ihnen  entspringenden  Arterien  der  aus- 
gebildeten Salamandra  maculata.    Buchstabenbez.  wie  bei  Fig.  105. 


es  bilden  sich  so  die  definitiven  Aortenbogen 


der  fertigen  Form 


Mündung  des 
Aortenbogen 


und 

aus,  die  bei  Salamandra  in  der  Vierzahl  vorhanden  sind  (Fig.  106). 
—  Von  diesen  vieren  verliert  jedoch  der  1.  seine  Abflußbahn  in  die 
Aortenwurzel,  indem  das  kurze  Stück  der  letzteren  zwischen  der 
3.  und  dem  gemeinsamen  Mündungsgefäße  der  3  letzten 
obliteriert.  So  kommt  es,  daß  jetzt  der  1.  von  den 
erhalten  gebliebenen  Aortenbogen  {^A.  B.  6)  sowohl  der  Carotis  externa 
als  auch  der  Carotis  interna  das  Blut  zuführt,  weshalb  man  ihn  ge- 
wöhnlich als  Carotidenbogen  bezeichnet.  —  Der  4.  Aortenbogen  erfährt 
die  stärkste  Ausweitung,  während  der  5.  bei  Salamandra  stets  schwach 
bleibt  und  bei  vielen  ürodelen  (Triton  u.  a.)  vollkommen  schwindet. 
Der  6.  Aortenbogen   erweitert   sich  nur  bis  zur  Abgangsstelle  der 

den  mau  als 
sehr 


wegsam   bleibt,   doch 


A.  pulmonalis   und  wird  in  seinem  dorsalen  Abschnitte, 

Ductus   Botalli   bezeichnet,    wenn  er   auch 

schwach. 

Septenbildung  im  Truncus  arteriosus.     Der   ursprüng- 
lich einheitliche  Hohlraum  des  Truncus  arteriosus  zerfällt,  indem  von 


Die  Entwickelung  des  Blutgefäßsystems. 


95 


der  Umrandung  der  Aortenbogenmündungen  und  von  seinem  cranialen 
Ende  aus  Septen  in  ihn  hineinwachsen,  in  einzehie  in  die  Aortenbogen 
hineinleitende  Kanäle  (Fig.  106),  und  nur  sein  proximalster  Abschnitt 
bleibt  ungeteilt  (Greil)  ^). 


Anuren. 

Bei  Rana  esculenta  ist,  wie  dies  aus  der  Beschreibung  Maurer's 
(1888*)  hervorgeht,  der  Truncus  arteriosus  in  seinem  vordersten  Ab- 
schnitte paarig,  und  es  entspringen  aus  diesem  paarigen  Abschnitte 
die  3.  und  1.  Aortenbogen.  Die  letzteren  sind  viel  schwächer  ange- 
legt als  bei  den  Urodelen  und  verlieren  frühzeitig  ihren  Zusammen- 
hang mit  dem  Truncus  arteriosus,  indem  ihre  Ursprünge  auf  die  aus 
den  3.  Aortenbogen  entstehenden  A.  etferentes  der  1.  Kiemen  über- 
rücken. —  Später  sollen  sich  dann  aus  diesen  1.  Bogen  die  Carotides 
externae  entwickeln  '^). 

Bildung  der  Kiem  engefäße.  Die  Bildung  der  Kiemen- 
gefäße erfolgt  hier  etwas  anders  als  bei  den  Urodelen.  —  Neben  den 
3. — 6.  Aortenbogen  entstehen  nämlich  (Maurer  1888*),  von  ihren 
ventralen    Schenkeln    ausgehend    und    in    ihre    dorsalen    einmündend, 

Fig.a,b,c  107.  Schema 
der  Entwickelung  der 
Kiemengefäße  bei  Rana 
esculenta  (etwas  modi- 
fiziert)  nach  Maurer. 

A.B.  Aortenbogen. 
JV.B.  Nebenbahn.  Ae.K. 
Gefäße  der  äußeren 
Kieme.  J.Ä'.  Gefäße  der 
inneren  Kieme.  Ä.a.br. 
A.  afferens  branchialis. 
A.e.br.  A.  efferens  bran- 
chialis. 


b. 


A  e.bn 


^e.M: 


A.a.br. 


d.h. 


Nebenbahnen  (Fig.  Iü7a),  welche  im  Gebiete  der  3  ersten  Branchial- 
bogen  schlingenförmig  in  die  Anlagen  der  äußeren  Kiemen  hinein- 
ragen. —  Indem  sich  zwischen  den  beiden  Schenkeln  dieser  Schlingen 
neue  Gefäßschlingen  entwickeln  (Fig.  107b),  entsteht  das  Gefäßnetz 
der  äußeren  Kiemen.  Hierauf  obliteriert  der  primäre  Aortenbogen 
über  der  Stelle,  wo  von  seinem  ventralen  Abschnitte  die  A.  afferens  der 
äußeren  Kieme  abgeht.  —  Wenn  nun  die  inneren  Kiemen  entstehen, 
verbindet  sich  der  ventrale  Abschnitt  der  A.  afferens  der  äußeren 
Kieme  durch  neue  Gefäßschlingen  mit  der  Strecke  des  primären  Aorten- 
bogens, die  zwischen  A.  afferens  und  A.  efferens  der  äußeren  Kieme 
gelegen  ist,  und  indem  sich  so  das  Gefäßnetz  der  inneren  Kiemen 
entwickelt  hat,  bildet  sich  das  der  äußeren  Kiemen  zurück  (Fig.  107  c). 
—  Am  4.  Branchialbogen  entsteht  nur  eine  innere  Kieme,  deren  Ge- 
fäßnetz  sich   aus   dem    6.  Aortenbogen   und  seiner  Nebenbahn  bildet. 


1)  Boas  läßt  den  durch  Septen  geteilten  Abschnitt  des  Truncus  sekundär 
durch  Verschmelzung  der  Anfangsabschnitte  der  Aortenbogen  entstehen,  eine  Meinung, 
der  ich  mich  mit  Geeil  nicht  anzuschließen  vermag. 

2)  Nach  jVIarshall  und  Bles  soll  bei  Rana  temporaria  der  1.  Aorten- 
bogen nie  mit  dem  Tr.  arteriosus  in  Verbindung  treten  und  als  ein  Ast  der  Carotis 
interna  erhalten  bleiben ,  während  die  A.  carotis  externa  (A.  lingualis)  sich  als 
selbständiger  Zweig  aus  der  A.  efferens  des  1.  Branchialbogens  bilden  würde. 


96  HOCHSTETTER, 

A.  pulmonalis  und  A.  cutanea  magna.  Aus  der  A.  efferens 
dieser  Kieme  sproßt  dann  nahe  ihrer  Mündung  in  die  dorsale  Aorten- 
wurzel'  die  A.  pulmonalis  und  die  A.  cutanea  magna  hervor.  —  Der 
Ursprung  der  A.  afferentes  br.  8  und  4  aus  dem  Tr.  arteriosus  er- 
folgt mittelst  gemeinsamen  Stammes,  ebenso  wie  die  A.  efferentes  der 
beiden  letzten  Kiemen  sich  vor  ihrer  Mündung  in  die  dorsale  Aorten- 
wurzel zu  einem  gemeinsamen  Stamme  vereinigen. 

A.  carotis  interna  und  A.  b  a  s  i  1  a  r  i  s.  Die  Fortsetzungen  der 
dorsalen  Aortenwurzeln  über  die  Mündungen  der  A.  etferentes  branchiales 
hinaus  bilden  die  Carotides  internae,  die,  indem  sie  dorsalwärts  um- 
biegen, sich  vor  und  hinter  der  Hypophyse  durch  quere  Anastomosen 
verbinden  (Marshall  und  Bles  A.  1890),  um  sich,  nachdem  sie  die 
Konkavität  der  Mittelhirnkrümraung  passiert  haben,  weiter  in  zwei  an 
der  ventralen  Fläche  des  Rautenhirns  caudalwärts  verlaufende  Gefäße 
fortzusetzen,  die  später,  wie  schon  Goette  (A.  L.  III,  7)  für  Bombinator 
angiebt,  zur  A.  basilaris  verschmelzen.  —  Sie  hängen  an  der  caudalen 
Grenze  des  Schädels  mit  der  ersten  segmentalen  Arterie  zusammen  ^). 

Ausbildung  der  bleibenden  Aortenbogen.  Zu  Beginn 
der  Metamorphose  (Maurer  1888  f,  Boas  1882)  verbindet  sich  das 
ventrale  Ende  der  A.  efferens  jeder  Kieme  mit  ihrer  A.  aff'erens  -), 
und  wenn  dann  die  Kiemen  atrophieren,  wird  aus  der  A.  eff"erens  und 
dem  Anfangsabschnitte  der  A.  afferens  der  bleibende  Aortenbogen.  — 
Wie  bei  den  Urodelen  obliteriert  dann  das  zwischen  den  Mündungen 
des  3.  und  4,  Aortenbogens  gelegene  Stück  der  dorsalen  Aortenwurzel. 
—  Außerdem  verschwindet  aber  auch  der  5.  Aortenbogen  beider 
Seiten,  und  es  obliteriert  die  dorsalste  Strecke  des  6.  Aortenbogens 
(Ductus  Botalli)  zwischen  Abgangsstelle  der  A.  cutanea  magna  und 
dorsaler  Aortenwurzel. 

Sekundäre  Spaltung  der  Aorta  dorsalis.  Endlich  er- 
fahren die  dorsalen  Aortenwurzeln  eine  sekundäre  Verlängerung  da- 
durch, daß  von  ihrem  Vereinigungswinkel  aus,  der  ursprünglich  wie 
bei  den  Urodelen  sehr  weit  cranial  gelegen  ist,  die  Aorta  dorsalis 
eine  Strecke  weit  der  Länge  nach  gespalten  wird,  ein  Vorgang,  den 
bereits  Goette  (A.  L.  III,  7)  erkannt  hatte  und  der  zur  Folge  hat, 
daß  die  A.  subclaviae,  die  ursprünglich  wie  bei  den  Urodelen  aus  der 
Rückenaorta  entspringen ,  später  ihren  Ursprung  aus  den  Aorten- 
wurzeln nehmen. 

S  e  p  t  u  m  a  0  r  t  i  c  0  -  p  u  1  m  0  n  a  1  e  und  S  e  p  t  u  m  a  o  r  t  i  c  u  m 
des  Truncus  arteriosus.  Auch  im  Truncus  arteriosus  kommt  es 
wie  bei  den  Urodelen  zur  Ausbildung  von  Scheidewänden,  doch  macht 
dieselbe  hier  weitere  Fortschritte,  so  daß  bei  der  ausgebildeten  Form 
ein  ungeteilter  Truncusabschnitt  nicht  mehr  besteht.  —  Eine  von  dem 
Rande  der  Mündung  der  Pulmonalisbogen  (6.  A.-B.)  aus  sich  ent- 
wickelnde Scheidewand  (Septum  aortico-pulmonale)  scheidet  den  Truncus 
in  eine  Pulmonalis-  und  eine  Aortenabteilung  und  verbindet  sich  mit 
den  drei  distalen  Klappen  des  Bulbus  cordis,  die  so  zu  den  Aorten- 
und  Pulmonalisklappen  werden  (Langer  1894),  während  ein  weniger 
weit  vorwachsendes  Septum,  welches  sich  von  dem  Sporn  zwischen 
den  Mündungen  der  3.  und  4.  linken  Aortenbogen  aus  bildet  und  eine 
annähernd   sagittale   Stellung   erhält  (Septum  aorticum),   den   gemein- 


1)  Nach  Goette  würden  sie  sogar  aus  dieser  entstehen. 

2)  Nach  Marsiiall  und  Bles  ist  diese  Verbindung  schon  viel  früher  vorhanden. 


Die  Entwickelung  des  Blutgefäßsystems, 


97 


schaftlichen   Aortenraiim    des 
denen  der  eine  in  den  linken 


übrigen 


m 

Aortenbogen 


führt. 


Truncus 
4 


in   zwei  Kanäle   scheidet,   von 
der  andere  aber  in  alle 


Aortenbogen, 


Die  Aortenl)Ogeii   und   die  Arterien   des  Kopfes  der  Amnioten. 


Allgemeines  über  die  Aortenbogen.  Rathke,  dem  wir 
die  ersten  genaueren  Angaben  über  die  Aortenbogen  und  die  Um- 
wandlungen, welche  dieselben  bei  den  Embryonen  der  Amnioten  er- 
fahren, verdanken,  beschrieb  das  Vorkommen  von  5  Aortenbogen  auf 
jeder  Seite.  Van  Bemmelen  (1885, 1886, 1893)  hat  jedoch  später  nach- 
gewiesen, daß  bei  den  Embryonen  der  Sauropsiden  zwischen  dem  4. 
und  5.  Aortenbogen  Rathke's  noch  ein  (3.  Aortenbogen  angelegt  wird 
und  Zimmermann  (1889,  1890)  hat  diesen  6.  Aortenbogen  noch  später 
auch  bei  den  Embryonen  des  Menschen  und  einiger  Säugetiere  auf- 
gefunden. —  So  können  wir  also  heute  sagen,  daß  bei  den  Embryonen 
sämtlicher  Amnioten  (Fig.  108)  nacheinander  jederseits  6  Aortenbogen 
gebildet  werden.  —  Von  diesen  ist  allerdings  der  erste,  im  Mandibular- 
bogen  verlaufende,  in  der  Regel  bereits  wieder  verschwunden,  wenn 
der  6.  in  Bildung  begriffen  ist  und  auch  der 
2.  und  5.  ^)  verfallen  bei  allen  Amnioten  früh- 
zeitig der  Rückbildung,  so 
daß  dann  auf  jeder  Seite 
nur  noch  3  Aortenbogen 
erhalten  sind.  —  Der  1. 
von  diesen  3,  die  sich  bei 
den    verschiedenen   For- 


C.I.  C.l. 

Ce.C.e\ 


men  kürzere  oder  längere 


BA 
B.S. 
B.6. 


Fig.  108. 
Fig.  108. 


Fig.  109. 
Die  Aortenbogen  in  ihrer  Beziehung 


Aorten- 
Aorten - 
externa. 
A.s.  A. 


Zeit  unverändert  erhal- 
ten, entspricht  dem  Caro- 
tidenbogen  der  Amphi- 
bien und  wird  auch  bei 
den  Amnioten  so  ge- 
nannt, der  letzte  aber,  aus 
dem  so  wie  bei  den  Am- 
phibien, schon  frühzeitig 
ein  Arterienast  für  die 
Lunge  seiner  Seite  her- 
vorgesproßt ist ,  wird 
als  Pulmonalisbogen  be- 
zeichnet. 

A.  carotides  internae  und  externa e.  Die  dorsalen 
Aortenwurzeln,  die  von  der  Mündung  der  Carotidenbogen  an,  Avie  bei 
den  Amphibien,  als  A.  carotides  internae  bezeichnet  werden,  setzen 
sich  schon  frühzeitig  vorderhirnwärts  fort  und  finden  ihre  Verlängerung 
in  2  Gefäßen,  die,  in  der  Konkavität  der  Mittelhirnkrümmung  umbiegend, 
an  der  ventralen  Fläche  des  Rautenhirns  caudalwärts  verlaufen,  um 
mit  den  ersten  segmentalen  Arterien  in  Verbindung  zu  treten,  während 


zum  Truncus  arteriosus  und  den  dorsalen 
wurzeln  bei  den  Sauropsiden  (Schema).  A.B 
bogen.  A.p.  A.  pulmonalis.  C.c.  Carotis 
Cd.  Carotis  interna.  Tr.a.  Truncus  arter. 
subclavia. 

Fig.  109.  Die  Aortenbogen  der  Säuger  (Schema) 
Buchstabenbezeichnung  wie  bei  Fig.  108. 


1)  Bei  den  Säugern  (Zimmermann,  1889,  1890)  zeigt  der  5,  Aortenbogen 
insofern  etwas  andere  Verhältnisse  wie  bei  den  Sauropsiden,  als  er  hier  (Fig. 
nut  dem  4.  Aortenbogen  gemeinschaftlich  aus  dem  Tr.  arteriosus  entspringt 
auch  wieder  gemeinschaftlich  mit  ihm  in  die  dorsale  Aortenwurzel  mündet 

Handbuch  der  Eutwickelungslehre.     III.  2.  7 


nur 
109) 
und 


98 


HOCHSTETTER, 


die  paarige  Fortsetzung  des  Tr.  arteriosus   über   den   3.  Aortenbogen 
hinaus  die  Anlage  der  A.  carotides  externae  (s.  ventrales)  bildet. 


Reptilien. 

Saurii. 

Bei  den  meisten  Sauriern  erhält  sich  der  geschilderte  Zustand 
der  Aortenbogen  nahezu  unverändert  während  des  ganzen  Lebens 
(Fig.  110),  nur  kommt  es.  sowie  überhaupt  bei  allen  Reptilien  und 
den  Vögeln,  gewöhnlich  kurz  nach  der  Geburt  zu  einer  Obliteration  der 
als  Ductus  Botalli  zu  bezeichnenden  Strecken  der  Pulmonalisbogen 
zwischen  Ursprung  der  Pulmonalarterie  und  dorsaler  Aortenwurzel. 
Veränderungen  am  Truneus  arteriosus.  Besonders  be- 
merkenswert sind   dagegen    die  Veränderungen,    die  sich   am  Truneus 

arteriosus  und  zwar  bei  sämtlichen  Reptilien  in 
gleicher  Weise  abspielen  und  die  zur  Teilung  des 
ursprünglich  einheitlichen  Truncusrohres  in  die  3 
im   Truneus    der    ausgebildeten   Form    vereinigten, 

durch  Septen  von  ein- 
ander getrennten  Arte- 
rienrohre führen.  Sie 
wurden  bereits  früher 
(p.  33  und  34)  geschildert. 


^He.  Cr 


Fig. 
P.B. 


111. 


Fig.    110.     Aortenbogen 
eines    nahezu    reifen    Embryo 
von      Lacerta 


igilis. 


Pulmonalisbogen,    übrige  Bezeichnungen  wie 


(Schema).     C.B.  Carotidenbogen. 
bei  Fig.  108. 

Fig.  111.  Spaltung  des  Aortenstammes  in  die  beiden  Aortenwurzeln  bei 
Uacerta.  (Schema.)  a.  Querschnitt  des  ungeteilten  Aortenstammes.  S.E.  Spal- 
tungsebene,  b.  Querschnitt  durch  die  infolge  der  Spaltung  verlängerten  Aortenwurzeln. 


wenn  auch  in  ver- 
dadurch    erfahren, 

der  beiden  Aorten- 
einzelnen Formen 


Sekundäre  Spaltung  der  Aorta  dorsalis.  Andere  Ver- 
änderungen betreffen  die  dorsalen  Aortenwurzeln,  indem  dieselben, 
auch  wieder  bei  allen  Reptilien  in  gleicher  Weise, 
schiedenem  Grade,  eine  sekundäre  Verlängerung 
daß  die  Aorta  dorsalis  von  der  Zusammenflußstelle 
wurzeln  aus,  wie  bei  den  Anuren,  auf  eine  bei  den 
verschieden  lange  Strecke  weit  gespalten  wird.  —  Diese  Spaltung  er- 
folgt jedoch  nicht  symmetrisch  wie  bei  den  Anuren,  sondern  so,  daß 
sich  die  Spaltungsebene  während  der  Spaltung  nach  links  hin  dreht, 
was  zur  Folge  hat,  daß  die  im  Spaltungsgebiete  abgehenden,  dorsalen 
segmentaleu  Arterienzweige  (Fig.  111)  der  rechten,  die  ventralen 
Zweige  aber  der  linken  Aortenwurzel  zugeteilt  werden.  —  So  kommt 
es  auch,  daß  die  A.  subclaviae,  die  l)ei  jungen  Embryonen  von  Lacerta 
symmetrisch  aus  dem  Aortenstamme  entspringen  (Fig.  108),  später 
beide  aus  der  rechten  Aortenwurzel  hervorgehen  (Fig.  109)  (Hoch- 
STETTER,   1890). 

Aortenbogen  und  Aorten  würz  ein  von  Chamaeleo. 
Weitere  Veränderungen  im  Gebiete  der  Aortenbogen  und  der  dorsalen 
Aortenwurzeln  bilden  sich  bei  einigen  Sauriern  (Chamaeleoniden, 
Varaniden),  sowie  bei  den  Schlangen,  Schildkröten  und  Krokodilen  aus.  — 
Vor  allem  kommt  es  bei  allen  diesen  Formen  zur  Obliteration  der  dor- 


Die  Entwickelung  des  Blutgefäßsystems. 


99 


salen  Aortenwurzeln  zwischen  3.  und  4.  Aortenbogen  (Rathke,  1857), 

—  Dadurch  wird  der  Carotidenbogeu,  wie  bei  den  Amphibien  zum  An- 
fangsstücke der  A.  carotis  interna  und  da  jetzt  der  paarige  Truncus- 
abschnitt  zwischen  3.  und  4.  Aortenbogen  ausschheßlich  den  beiden 
Carotiden  seiner  Seite  Blut  zuführt,  nennen  wir  ihn  A.  carotis  communis. 

—  In  diesem  Zustande  persistieren  die  Verhältnisse  beim  Chamaeleon. 

Aortenbogen  der  V  a  r  a  n  i  d  e  n.  Bei  den  Varaniden  kommt 
€S  aber  außerdem  noch,  vielleicht  mitbedingt  durch  das  Längen- 
wachstum des  Halses,   im  Zusammenhange  mit  der   caudalwärts  Ver- 

zu  einer  allmäMichen  Entfernung  der  4.  und  5. 


lagerung 


des 


Herzens 
Aortenbogen  von  den 
nicht  nur  die  beiden 
(Fig.  112),  sondern  daß  sich  auch 
ihr  bei  anderen  Sauriern  ganz 
kurz  bleibender,  gemeinsamer 
Wurzelstamm  (vergl.  Fig.  110) 
beträchtlich  verlängert  und  so  zur 
Carotis  primaria  Rathke's  (1857) 
wird. 


einer  allmäMichen  Entfernung 
Carotidenbogeu,   was   zur  Folge   hat,    daß    sich 


Carotides    communes    beträchtlich 


verlängern 


Fig.  112. 
sich    bei    den 
Aortenbogen 
■wickeln.     C.c. 
Carotis  primaria, 
wie  bei  Fig.  lOS 


Schema  der  Arterien,  die 

Varaniden    aus    den 

und    Aortenwurzeln    ent- 

Carotis   communis.     C.p. 

übrige  Bezeichnungen 

-110. 


Fig. 
bei 


113.  Schema  der  Arterien,  die 
sich  bei  der  Ringelnatter  aus  den 
Aortenbogen  und  Aorten  wurzeln  ent- 
wickeln. A.b.  A.  basilaris,  übrige  Be- 
zeichnungen wie  bei  Fig.  llO  und  112. 


Fig.  113. 


Ophidii. 

Aehnliche  Veränderungen  wie  bei  den  Varaniden  vollziehen  sich 
in  der  Regel  auch  bei  den  Schlangen  V)  und  kann  der  so  geschaffene 
Zustand  entweder  zeitlebens  persistieren,  oder  aber  es  kommt  zu  einer 
Verengerung  oder  gar  zu  einer  fast  vollständigen  Rückbildung  der 
A.  carotis  communis  dextra  wie  bei  Tropidonotus  (Rathke  A.  L.  III, 
8).  —  Diese  Rückbildung  wird  dadurch  ermöglicht,  daß  ein  mit  dem 
1.  Spinalnerven  in  den  Wirbelkanal  eintretender  Zweig  der  A.  carotis 
interna  jederseits  mit  der  inzwischen  gebildeten  A.  basilaris  in  Ver- 
bindung tritt  und  auf  diese  Weise  eine  Anastomose  zwischen  den 
beiden  A.  carotides  internae  hergestellt  wird,  die  sich  rasch  erweitert 
und  (Fig.  113)  das  Blut  der  linken  Carotis  interna  in  die  rechte  Ca- 
rotis interna  und  externa  hinüberleitet,  während  die  rechte  Carotis 
communis  immer  schwächer  wird  und  schließlich,  bis  auf  einen  kleinen 
proximalen,  die  Schilddrüse  und  Thymus  mit  Zweigen  versehenden 
Rest,  verschwindet  (Rathke  A.  L.  III,  8).  —  Zu  erwähnen  ist  ferner, 
daß  es  bei  denjenigen  Schlangen,  die  im  ausgebildeten  Zustande  nur  eine 
rechte  Lunge  besitzen,  wahrscheinlich,  wie  dies  Rathke  für  Tropi- 
donotus  angegeben    hat,     nie    zur    Ausbildung    einer    A.    pulmonalis 


1)  Nur  bleibt  bei  den  meisten  Schlangen  die  Carotis  primaria  in  der  Regel 
ziemlich  kurz,  ja  bei  manchen,  wie  bei  Boa  constrictor  u.  a.,  fehlt  sie  vollständig, 
und  die  beiden  A.  carotides  communes  entspringen  nebeneinander  aus  dem  rechten 
Aortenbogen. 

7* 


100 


HOCHSTETTER, 


sinistra  kommt,  weshalb  bei  ihnen  vor  der  Geburt  der  linke  6,  Aorten- 
bogen seiner  ganzen  Länge  nach  als  Ductus  Botalli  funktioniert. 

Chelonia  Crokodilia. 

Bei  den  Cheloniern  und  Crocodiliern  wandern  alle  3  Aorten- 
bogenpaare  zusammen  mit  dem  Herzen  caudalwärts,  wodurch  die  A. 
carotides  externae  und  internae  eine  beträchtliche  Verlängerung  er- 
fahren. —  Wahrscheinlich  kommt  es  dann  zwischen  diesen  Gefäßen  in 
der  Zungenbeingegend  jederseits  zur  Bildung  einer  Anastomose,  so 
daß  aus  der  Carotis  interna  dem  Endgebiete  der  Carotis  externa  Blut 
zuströmen  kann.  —  Während  nun  aber  bei  den  Krokodilen  die 
Carotis  externa  als  ein  verhältnismäßig  weites  Gefäß  (A.  collateralis 
colli)  [van  Bemmelen,  1887;  Mackay,  1889]  persistiert  (Fig.  114),  wird 
sie  bei  den  Cheloniern  zu  einem  überaus  schwachen  Artei'ienstamme 
(A.  cervicalis  communis)  [J.  J.  Mackay,  1889]. 

Während  sich  bei  den  Cheloniern  an  den  Aortenbogen  nichts  mehr 
weiter  ändert,  kommt  es  bei  den  Krokodilen  weiterhin  noch  zur  Rück- 
bildung  des   Carotidenbogens.   —    Dieselbe   wird   dadurch  eingeleitet, 

daß  sich  die  A.  carotides  internae  beider 
Seiten  an  der  ventralen  Fläche  der 
Halswirbelsäule  aneinanderlegen  und 
miteinander  verschmelzen  (Fig.  114).  Nun 
erweitert  sich  das  aus  dem  linken  Caro- 
tidenbogen  entstandene  Anfangsstück  der 
A.  carotis  interna  sin.,  während  gleich- 
zeitig der  gleiche  Abschnitt  der  rechten 
Carotis  interna  immer  schwächer  wird 
und  schließlich  vollkommen  schwindet 
(Rathke,  1858). 

Fig.  114.  Schema  der  Arterien,  welche  sich 
bei  Krokodilen  aus  den  Aortenbogen  und 
Aortenwurzeln  entwickeln.  Buchstubenbezeich- 
nung wie  bei  Fig.  110  u.  112. 


Ein  wichtiger  Unterschied  zwischen  den  Arterienverhältnissen  der 
Saurier  einer  und  denen  der  Chelonier  und  Krokodile  andererseits 
kommt  nun  noch  dadurch  zum  Ausdrucke,  daß  A.  subclaviae,  wie  sie 
bei  den  Sauriern  zur  Entwickelung  kommen,  bei  den  Cheloniern  und 
Krokodilen  zwar  wahrscheinlich  angelegt,  später  aber  durch  Arterien 
ersetzt  werden,  die  (so  wie  bei  den  Vögeln)  von  dem  ventralen  Ab- 
schnitte der  o.  Aortenbogen  oder  den  Anfangsteilen  der  Carotides 
externae  (Fig.  114)  aus  sich  entwickeln  und   schließlich   die   vorderen 


Extremitäten  allein  mit  Blut 


versorgen 


(J.  J.  Mackay,  1889). 


Vögel. 

Umgestaltung  der  Aortenbogen.  Die  Umgestaltungen, 
welche  der  uns  hier  interessierende  AbscTmitt  des  Aortensystems  bei 
den  Vögeln  erleidet,  erinnern  in  vieler  Beziehung  an  die  für  Chelonier 
und  Krokodilier  beschriebenen  Verhältnisse.  —  Auch  bei  den  Vögeln 
verbleiben  die  Carotideubogen  stets  in  der  Nachbarschaft  der  4.  Aorten- 
bogen und  die  Carotides  internae  setzen  sich  mit  den  Carotides  externae 
in  der  Zungenbeingegend  in  Verbindung,  worauf  die  Stämme  der  letzteren 
wie  bei  den  Cheloniern  bis  auf  unscheinbare  Reste  zurückgebildet  werden. 


Die  Entwickelung  des  Blutgefäßsystems. 


101 


B  i  1  d  u  n  g  d  e  s  C  a  r  0  t  i  s  s  u  b  V  e  r  t  e  b  r  a  1  i  s.  Ferner  legen  sich  bei 
den  Vögehi  die  beiden  Carotides  internae  eine  Strecke  weit  an  der  Ven- 
tralseite der  Halswirbelsäule  aneinander  und  verbleiben  in  diesem 
Zustande  entweder  zeitlebens  (Mehrzahl  der  Vögel)  (Fig.  115)  oder 
sie  verschmelzen  im  Bereiche  dieser  Strecke  wie  bei  den  Krokodilen 
miteinander  (Rathke,  1858)  und  bilden  so  eine  zweiwurzelige,  unpaare 
Carotis  subvertebralis  (Botaurus  stellaris,  Ardea  minuta  u.  a.),  oder 
aber  es  schwindet  auch  noch  die  eine,  aus  dem  Carotidenbogen  und 
dem  Anfangsabschnitte  der  Carotis  Interna  hervorgegangene  Wurzel 
dieser  Carotis  subvertebralis,  wie  dieses  bei  den  Krokodilen  regel- 
mäßig der  Fall  ist.  —  Und  zwar  kann  dieser  Schwund  entweder  die 
linke  (Apteryx.  Podiceps  u.  a.)  oder  die  rechte  Wurzel  (Eupodotis) 
dieses  Gefäßstammes  betreifen. 

Bildung  der  A.  subclaviae  secundariae.  Ferner  kommt 
es  auch  bei  den  Vögeln  wie  bei  Cheloniern  und  Krokodiliern  zur 
Bildung  einer  A.  subclavia  (secundaria),  die 
aus  dem  ventralen  Abschnitte  des  Carotiden- 
bogens  hervorwächst  (Hochstetter  1890)^) 
und  an  der  Extremitätenwurzel  sich  mit  der 
schon  früher  bestehenden  A.  subalavia  (pri- 
maria), die  so  wie  bei  den  Embryonen  der 
meisten  Wirbeltiere  aus  einer  aus  der  Aorta 
dorsalis  entspringenden  segmentalen  Leibes- 
wandarterie  entständen  ist,  verbindet  (Hoch- 
stetter), worauf  die  letztere  zu  Grunde  geht, 
während  die  A.  subclavia  secundaria  allein  be- 
stehen bleibt. 

Fig.  115.  Schema  der  Arterien,  welche  bei  den 
Vögeln  ans  den  Aortenbogen  und  den  Aortenwurzeln 
entstehen.  Buchstabenbezeichnung  wie  bei  den  vor- 
hergehenden Figuren. 


e.i  Ci 


des  4.  linken  Aortenbogens.  Einen  wesentlichen 
in  der  Ausbildung  ihres  Aortensystemes  diesen  Reptilien 
zeigen  jedoch   die  Vögel   dadurch,    daß   bei   ihnen  sowohl 

das  an  ihn  anschließende  Stück 
Mündung  des  linken  Pulmonalis- 
und  infolge   dieses  Ausfalles   der 


Ausfall 
Fortschritt 

gegenüber    ^^.^^..  j^..^^..   ...^    ,  ^^ 
der  linke  4.  Aortenbogen,   als   auch 
der  dorsalen  Aortenwurzel,  bis   zur 
bogens,  vollständig  zu  Grunde  geht 


Truncus  arteriosus  nur  in  2  Arterienrohre  (vergi.  p.  31)  und  40)  zerfällt, 
die  sich  vollständig  von  einander  trennen  und  nur,  da  sie  intrapericardial 
gelegen  sind,  durch  einen  gemeinschaftlichen  Pericardialüberzug  zu- 
sammengehalten werden.  Dieser  Ausfall  des  4.  Aortenbogens  hat 
aber  auch  zur  Folge,  daß  die  linke  dorsale  Aortenwurzel  soweit  sie 
erhalten  bleibt,  die  Fortsetzung-  des  linken  Ductus  arter.  Botalli  bildet. 


welcher  dadurch  also  eine  sekundäre 


Verlängerung  erfährt 


(Fig. 


115). 


ung 


U  m  b  i  1  d 
bryonen   der  Säuger 
den    Vögeln, 


infolge 


Säuger. 

der    Aortenbogen.      Auch    bei   den   Em- 

zerfällt  der  Tr.  arteriosus.    ganz   ähnlich  wie  bei 

der   Entwickelung    nur    eines    Truncusseptums 


1)  J.  J.  Mackay  (1889),  der  die  Entwickelung  dieser  Arterien  zuerst  beschrieben 
hat,  läßt  sie  aus  den  Wurzeln  der  A.  carotides  externae  hervorwachsen. 


102  HOCHSTETTER, 

(vergl.  p.  49  und  54)  in  zwei  vollkommen  von  einander  getrennte 
und  nur  durch  einen  gemeinsamen  Pericardialüberzug  zusammen- 
gehaltene Arterienrohre  (Aorta  und  Pulmonalis).  —  Doch  ist  diese 
Uebereiustimmung  insofern  keine  ganz  vollkommene,  als  die  Aus- 
bildung nur  eines  Truncusseptums  bei  den  Vögeln  mit  dem  Ausfalle 
des  linken  4,  Aortenbogens  zusammenzuhängen  scheint^),  während  bei 
den  Säugern  ein  solcher  Ausfall  nicht  erfolgt,  da  bei  ihnen  beide 
4.  Aortenbogen  erhalten  bleiben,  —  Dagegen  stimmen  die  Säuger  mit 
den  Vögeln  darin  vollkommen  übereiu,  daß  auch  bei  ihnen  die  dor- 
salen Aortenwurzeln  zwischen  den  Carotidenbogen  und  den  4.  Aorten- 
bogen frühzeitig  schwinden.  —  Dadurch  werden 
die  Carotidenbogen  zu  den  Anfangsabschuitten 
der  A.  carotides  internae,  während  die  paarigen 
Abschnitte  des  Tr.  arteriosus  zwischen  Caro- 
tidenbogen und  4  Aortenbogen,  wie  bei  den 
Schlangen,  nunmehr  als  Carotides  communes 
funktionieren  (Fig.  116)"). 

Fig.  116.  Schema  der  Arterien,  welche  sich  bei  den 
Säugetieren  aus  den  Aortenbogen  und  den  Aorten- 
wurzeln entwickeln.  D.B.  Ductus  Botalli,  übrige  Bezeich- 
nungen wie  bei  den  früheren  Figuren. 

Sekundäre  Verlängerung  der  dorsalen  A  o  r  t  e  n  w  u  r  - 
zeln.  Was  jedoch  alle  übrigen  die  Aortenbogen  und  Wurzeln  be- 
treffenden, sekundären  Veränderungen  anbetrifft,  weichen  die  Säuger 
von  den  Vögeln  vollkommen  ab.  —  Schon  die  sekundäre  Spaltung, 
welche  auch  hier  der  Aortenstamm  von  dem  Zusammenflußwinkel  der 
Aortenwurzeln  aus  erleidet,  erfolgt  nicht  mehr  in  der  für  die  Sau- 
ropsiden  charakteristischen,  asymmetrischen  Weise,  sondern  symmetrisch, 
wie  bei  den  Anuren,  was  so  wie  dort  zur  Folge  hat,  daß  nach- 
dem die  Spaltung  vollzogen  ist,  die  A.  subclaviae,  die  früher  aus  der 
Aorta  dorsalis  entsprangen,  ihren  Ursprung  symmetrisch  aus  den 
beiden  sekundär  verlängerten,  dorsalen  Aortenwurzeln  nehmen  (Hoch- 
STETTER,  1890)  (vergl.  Fig.  109  und  Fig.  116),  —  Bald  kommt  es 
dann  zu  einem  vollkommenen  Schwund  des  rechten  Pulmonalisbogen- 
abschnittes  zwischen  A.  pulmonalis  dextra  und  rechter  dorsaler 
Aortenwurzel  und  schließlich  obliteriert  auch  noch  die  letztere  in 
ihrem  zwischen  der  Abgangsstelle  der  A.  subclavia  dextra  und  der 
Aorta  dorsalis  befindlichen  Abschnitte  (Fig.  116).  Damit  sind  dann 
die  Verhältnisse  hergestellt,  wie  sie  etwa  beim  Menschen,  wenn  wir 
von  den  durch  Wachstumsverschiebungen  sich  ergebenden  Verände- 
rungen ^)  absehen,  bis  zur  Zeit  der  Geburt  persistieren. 

Her  stell  ungder  definitivenVerhältnisse  desAorten- 
bogens und  seiner  Aeste  beim  Menschen.    Aus  dem  Aorten- 


1)  Bei  den  Vögeln  kommt  es  nämlich  nach  Greil  thatsächlich  auch  zur  An- 
lage eines  dem  Septum  aorticum  der  Reptilien  entsprechenden  Septums,  dessen  wei- 
tere Ausbildung  jedoch  mit  dem  Ausfalle  des  linken  4.  Aortenbogens  unterbleibt. 

2)  Bei  den  Vögeln,  bei  denen  die  A.  subclaviae  (secundariae)  aus  den  Carotiden- 
bogen hervorwachsen,  entwickeln  sich  aus  den  gleichen  Abschnitten  des  paarigen 
Truncus  die  A.  anonymae  brachiocephalicae  der  ausgebildeten  Form. 

3)  Zu  diesen  wären  vor  allem  zu  rechnen  die  Verschiebung  der  Ausmündung^ 
der  A.  subclavia  sinistra  an  der  Einmündungsstelle  des  Ductus  arteriosus  vorbei  in 
cranialer  Richtung  und  die  Verkürzung,  welche  der  zum  Anfangsabschnitt  der 
A.  subclavia  dextra  gewordene  rechte  4.  Aortenbogen  erleidet. 


Die  Entwickelung  des  Blutgefäßsystems.  103 

röhre  des  Tr.  arteriosus  und  seiner  linken  Fortsetzung  bis  zur  Ab- 
gangsstelle der  A.  carotis  communis  sinistra,  sowie  ferner  aus  dem 
linken  4.  Aortenbogen  und  dem  Reste  der  linken  dorsalen  Aorten- 
wurzel ist  der  Aortenbogen,  aus  der  rechten  Fortsetzung  des  Tr.  ar- 
teriosus bis  zur  Abgangsstelle  der  A.  carotis  communis  ist  der  Truncus 
anonymus  brachiocephalicus  und  aus  dem  rechten  4.  Aortenbogen  und 
einem  kleinen,  erhaltenen  Stück  der  rechten  dorsalen  Aortenwurzel  ist 
das  Anfangsstück  der  A.  subclavia  dextra  entstanden  (Fig.  116).  Der 
linke  Pulmonalisbogeu  endlich  läßt  außer  einem  ganz  kurzen  Anfangs- 
stück der  A.  pulmonalis  sinistra,  den  dieses  Gefäß  mit  dem  Aorten- 
bogen verbindenden,  nach  der  Geburt  zum  Ligamentum  Botalli  oblite- 
rierenden Ductus  Bostalli  hervorgehen ,  während  sich  vom  rechten 
Pulmonalisbogeu  nur  ein  ganz  kleines  Stück  als  Anfangsabschnitt  der 
A.  pulmonalis  dextra  erhält. 

Rathke  (1843)  war  noch  der  Meinung,  daß  bei  den  Säugern  ganz  all- 
gemein beide  A.  pulmonales  mittelst  gemeinsamen  Ursprungsstammes  aus 
dem  linken  Pulmonalisbogen  entspringen.  —  Doch  hat  His  (A.  L.  Hill, 
1885)  später  gezeigt,  daß  sich,  bei  menschlichen  Embryonen  die  beiden  A 
pulmonales  zu  den  Pulmonalisbogen  ganz  ähnlich  verhalten,  wie  bei  den 
Sauriern  und  den  Embryonen  der  Vögel,  und  ich  konnte  mich  überzeugen, 
daß  die  Dinge  bei  einer  Heike  anderer  Säuger  ähnlich  liegen  wie  beim 
Menschen.  —  Neuerdings  hat  jedoch  Bremer  (1902)  gefunden,  daß  bei 
Schweineembryonen  die  Verhältnisse  der  A.  pulmonales  zwar  ursprünglich 
auch  so  liegen  wie  beim  Menschen  und  anderen  Säugern,  daß  aber  später 
die  beiden  A.  pulmonales  bei  dieser  Form  ventral  von  der  Trachea  auf  eine 
Strecke  weit  miteinander  verschmelzen  und  hierauf  die  erste  A.  pulmonalis 
vom  Pulmonalisbogen  an  bis  zu  dieser  Verschmelzungsstelle  hin  obliteriert, 
so  daß  in  späteren  Entwickelungsstadien  beim  Schwein,  wie  dies  Rathke 
(1843)  bereits  beschrieben  hatte,  thatsächlich  beide  A.  pulmonales  mittelst 
gemeinsamen  Ursprungsstammmes  aus  dem  linken  Pulmonalisbogen  ent- 
springen. 

Durch  Wachstumsverschiebungen  bedingte  Sekun- 
da r  e  V  e  r  ä  n  d  e  r  u  n  g  e  n  d  e  r  A  e  s  t  e  d  e  s  A  o  r  t  e  n  b  o  g  e  n  s  einiger 
Säuger.  Bei  vielen  Säugern  kommt  es  dann  aber,  nachdem  sich 
menschenähnliche  Verhältnisse  des  Aortenbogens  und  seiner  Aeste 
hergestellt  haben,  durch,  namentlich  mit  der  caudalwärts  Wanderung 
des  Herzens  zusammenhängende,  sekundäre  Wachstumsverschiebungen 
noch  zu  weiteren  Veränderungen,  die  darin  bestehen,  daß  die  Mündung 
der  Carotis  communis  sinistra  und  des  Tr.  anonymus  einander  näher 
rücken  und  schließlich  einen  kürzeren  oder  längeren  gemeinsamen 
Ursprungsstamm  erhalten  (Carnivoren).  Beim  Schwein  (Rathke,  1843) 
verschiebt  sich  dann  noch  der  Ursprung  der  A.  carotis  communis 
sinistra  an  diesem  Stamme  weiter  cranialwärts,  bis  er  mit  dem  Ur- 
sprünge der  A.  carotis  communis  dextra  zusammenstößt,  worauf  dann 
diese  i3eiden  Gefäße  wieder  zusammen  einen  gemeinsamen  Ursprungs- 
stamm ausbilden.  Bei  den  Wiederkäuern  (Rathke,  1843)  und  wohl 
auch  beim  Pferde  stellen  sich  zuerst  Verhältnisse  her.  die  denen  der 
Carnivoren  entsprechen,  dann  schliesst  sich  aber  auch  noch  der  Ursprung 
der  A.  subclavia  sinistra  an  die  Wurzel  des  Tr.  anonymus  an  und  es 
gehen  schließlich  alle  drei  großen  Arterienstämme,  die  beim  Menschen 
selbständig  von  einander  aus  dem  Aortenbogen  entspringen,  von  einem 
gemeinsamen  Stamme,  der  sogenannten  Aorta  anterior  ab. 

Entwickelung  des  C  a  r  o  t  i  d  e  n  s  y  s  t  e  m  s  der  Säuger.  Auch 
was  die  Ausgestaltung  ihres  Carotidensystems  anbelangt,  unterscheiden 


104  HOCHSTETTER, 

sich  die  Säuger  von  den  Vögeln  und  den  höher  entwickelten  Reptilien 
(Chelonier  und  Krokodilier)  sehr  erheblich.  —  Das  Verbreitungsgebiet 
der  inneren  sowohl,  wie  der  äußeren  Carotiden  ist  dabei  ursprünglich 
bei  den  Säugern  ein  ganz  ähnliches  wie  bei  den  Vögeln.  Die  A.  caro- 
tides  internae  haben  auch  bei  ihnen  zuerst  fast  den  ganzen  Kopf  mit 
Blut  zu  versorgen.  Sie  setzen  sich  so  wie  bei  den  Embryonen  wohl 
aller  Wirbeltiere,  in  der  Mittelhirnbeuge  caudalwärts  umbiegend  in 
zwei  an  der  Ventralseite  des  Rautenhirnes  caudalwärts  verlaufende 
Arterien  fort,  die  später  zur  A.  basilaris  miteinander  verschmelzen 
(His,  A.  L.  III  11.  1885). 

Dagegen  sind  die  A.  carotides  externae  in  ihrem  Verbreitungsgebiete 
zunächst  lediglich   auf  den  Zungenbein-  und  Kieferbogen  beschränkt. 

Aenderungen  im  Verbreitungsgebiete  der  Carotiden. 
Während  aber  nun  bei  den  Chelonieren  und  Vögeln  die  A.  carotides 
internae  das  Endverbreitungsgebiet  der  A.  carotides  externae  über- 
nehmen und  so  schließlich  allein  den  ganzen  Kopf  mit  Blut  ver- 
sorgen, sehen  wir  bei  den  Säugern  einen  gerade  umgekehrten  Proceß 
sich  abspielen,  indem  sich  die  A.  carotides  externae  mit  ihren  Aesten 
allmählich  über  Gebiete  verbreiten,  die  ursprünglich  den  A.  caro- 
tides internae  angehören  ^).  —  Ja  im  extremsten  Falle,  wie  er  z.  B.  bei 
den  Wiederkäuern  eintritt,  können  die  A.  carotides  externae  das  ganze 
Verbreitungsgebiet  der  A.  carotides  internae  übernehmen  und  die 
Stämme  dieser  Arterien  vollständig  zu  Grunde  gehen  (Beauregard,  1893). 

Die  dorsalen  Aestc  der  Aorta  und  der  Aortenwurzeln. 

Wie  bereits  angegeben  wurde,  zeigen  die  dorsalen  für  die  Leibes- 
wandungen bestimmten  Aeste  der  Aorta  ursprünglich  bei  allen  Wirbel- 
tieren eine  streng  metamere  Anordnung. 

Selachier  und  Teleostier. 

Bei  den  Selachiern  läßt  sich  dieselbe  nach  Raffaele  (A.  1892) 
nur  im  Rumpfgebiete  nachweisen,  im  Schwanzgebiete  soll  nur  jedem 
2.  Segmente  ein  Arterienpaar  entsprechen,  während  bei  den  Knochen- 
fischen, nach  den  Angaben  Vogt's  (A.  L.  III  4.  1842)  für  Corregonus 
palea  auch  im  Schwanzgebiete  für  jedes  Segment  ein  Arterienpaar  ent- 
wickelt ist. 

Auch  im  Kopfgebiete  kommen  bei  den  Selachiern  nach  Dohrn 
(1889/91)  solche  Arterien  zur  Entwickelung,  die  zum  Teil  aus  den 
Aortenwurzeln,  zum  Theil  aus  der  Aorta  dorsalis  entspringen.  Später 
bilden  sich  dann  einzelne  dieser  Arterien  auch  im  Rumpfgebiete  wieder 
zurück,  indem  ihre  Nachbarn  ihr  Verbreitungsgebiet  an  sich  reißen 
und  so  zeigen  die  Leibeswandarterien  der  ausgebildeten  Form  eine 
recht  unregelmäßige  Anordnung. 

A.  subclaviae  der  Selachier.  Dass  die  Arterien  der  vor- 
deren Extremitäten  der  Selachier  aus  einem  Paare  segmentaler  Leibes- 
wandarterien hervorgehen,  wird  von  Dohrn  (1889/91)  ausdrücklich  her- 


1)  Einige  Phasen  dieses  Prozesses  konnte  Grosser  (A.  1901)  bei  Fledermaus- 
embryonen beobachten  und  feststellen,  daß  die  A.  carotis  externa  bei  jungen  Em- 
bryonen außer  dem  Mandibularbogengebiete  auch  den  Oberkieferfortsatz  versorgt, 
daß  aber  sehr  bald  Aeste  der  Carotis  interna  dieses  Gebiet  übernehmen  und  erst 
später  wieder  die  Carotis  externa,  diese  sowie  benachbarte  Gebiete  (Orbitalgebilde) 
mit  Blut  versorgt. 


Die  Entwickelung  des  Blutgefäßsystems.  105 

vor  gehoben,  ähnliches  dürfte  aber  auch  für  die  Arterien  der  Hinter- 
gliedmaßen Geltung  haben. 

Meist  lassen  sich  an  jeder  segraentalen  Leibeswandarterie  schon 
frühzeitig  zwei  Aeste  unterscheiden,  von  denen  der  eine  die  von  der 
ventralen  Rumpfmuskulatur  beherrschten  Teile  der  Leibeswand  ver- 
sorgt, während  der  andere  für  die  dorsale  Muskulatur,  die  Wirbelsäule 
und  das  Medullarrohr  bestimmt  ist.  Eine  Längsanastomosenkette 
zwischen  den  Medullarrohrästen  bildet  in  späteren  Entwickelungs- 
stadien  die  A.  medullae  spinalis  anterior. 

Ob  bei  den  Selachiern  schon  frühzeitig  eine  der  segmentalen 
Arterien  des  Kogpfgebietes  mit  der  A.  basilaris  in  Verbindung  tritt, 
wie  dieses  nach  Ziegenhagen  (1894)  bei  den  Teleostierembryonen 
geschieht,  ist  aus  den  Angaben  Dohrn's  nicht  zu  ersehen. 

Amphibien. 

A.  V  e  r  t  e  b  r  a  1  i  s.  Bei  den  Amphibien  (Bombinator)  ist  nach  Goette 
(A.  L.  III  7.  1875.)  schon  frühzeitig  eine  solche  Verbindung,  welche  von 
der  ersten  segmentalen  Arterie  ausgeht  und  die  er  A.  vertebralis  primitiva 
nennt,  vorhanden.  Diese  Arterie  soll  jedoch  später  wieder  verschwinden 
und  der  bleibenden  A.  vertebralis  (A.  vertebro-occii)italis  [Gaupp.]),  die 
sich  ungefähr  an  der  gleichen  Stelle  entwickelt,  aber  andere  Beziehungen 
zu  den  Muskeln  zeigt  wie  die  A.  vertebralis  primitiva,  Platz  machen. 

Arterien  der  Gliedmaßen.  Daß  die  Arterien  der  Glied- 
maßen auch  bei  den  Ami)hibien  aus  segmentalen  Leibeswandarterien  her- 
vorgehen, unterliegt  wohl  keinem  Zweifel.  Wie  sich  aber  insbesondere 
bei  den  Anuren,  die  von  den  primitiven,  recht  abweichenden  defini- 
tiven Verhältnisse  der  Arterien  der  Leibeswandungen  entwickeln, 
darüber  liegen  nähere  Angaben  nicht  vor. 

Bildung  der  A.  vertebralis  dorsi  bei  Anuren.  Wahr- 
scheinlich erfolgt  bei  Rana  die  Rückbildung  der  meisten  segmentalen 
Arterien  des  Rumpfes,  nachdem  sich  zwischen  ihnen  eine  Anastomosen- 
kette,  die  A.  vertebralis  dorsi  entwickelt  hat,  die  sich  von  der  A. 
lumbalis  4.  bis  zur  A.  occipito- vertebralis  erstreckt  und  es  bleiben 
höchstens  vier  Lumbalarterienpaare  erhalten. 

Reptilien. 

A.  V er  tebrales  cerebrales.  Auch  bei  allen  Reptilien  scheinen 
ursprünglich  die  Leibeswandarterien  eine  rein  metamere  Anordnung  zu 
zeigen.  Sicher  ist  dies  der  Fall  bei  Lacerta  und  Tropidonotus.  Die  erstere 
Form  besitzt  auch,  wie  Van  Bemmelen  (1894)  gezeigt  hat,  noch  im  Kopf- 
gebiete drei  segmentale  Arterienpaare  (Fig.  117),  von  denen  die  beiden 
ersten  frühzeitig  verschwinden,  während  das  dritte  zwischen  den  Anlagen 
des  Atlas  und  des  Hinterhauptes  in  die  Schädelhöhle  eindringt  und  sich 
großhinwärts  fortsetzt,  um  in  der  Konkavität  der  Mittelhirnbeuge  in  die 
Carotides   internae   überzugehen  (Fig.  117).     Diese   beiden  Arterien  i) 

1)  Zweifellos  stellen  diese  Arterien  in  ihren  caudalen  Partien  Längsanastomosen- 
ketten  zwischen  den  ersten  drei  segmentalen  Arterien  dar  und  scheint  sich  diese  Längs- 
anastoniosenbildung  manchmal  auch  noch  weiter  caudalwärts  auf  die  Rückenmarks- 
zweige der  ersten  segmentalen  Arterien  der  Cervicalregion  erstrecken  zu  können, 
doch  hat  sich  Van  Bemmelen,  wie  ich  einer  brieflichen  Mitteilung  dieses  Autors 
entnehme,  neuerdings  davon  überzeugt,  daß  diese  Anastomosenbildung  niemals  so 
weit  caudalwärts  reicht,  als  er  dieses  früher  (1894)  geglaubt  hatte. 


106 


HOCHSTETTER. 


zur 
richtig 


können  als  A.  vertebrales  cerebrales  bezeichnet  werden 
frühzeitig   ventral   vom    Rautenhirn   miteinander 
Prozeß,    den    zuerst  Rathke   für    die  Natter 

A.     subclavia     und     A.     vertebrales 
Die   A.    subclavia    von    Lacerta    entsteht   jederseits 
des  7.  Cervicalsegmentes. 
ihr  gelegenen 


Verlagerung 


Sie  verschmelzen 

A.  basilaris,    ein 

beschrieben  hat. 

cervicales. 

aus    der    Arterie 

In    der  Folge    gehen  dann  die  cranial  von 

Arterien,    gleichzeitig   mit  der  caudalwärts 

der  Aortenbogen  und  bedingt  durch  dieselbe,  zu  Grunde, 

sich    vorher    ausgehend    von    der    A.    subclavia    jederseits 

ihnen   eine  Längsanastomosenkette  ventral  von  der  Wirbel- 


segmentalen 


segmentalen  Arterien- 
angelegt zu 


nachdem 

zwischen 

Säule   knapp   neben   der  Mittellinie   entwickelt   hat,   die  wir  A.  verte- 

bralis  cervicalis  ^)  nennen.   Dieselbe  versorgt  die  Halswirbelsäule  und  die 

an  ihr  haftenden  Muskeln  mit  Blut  und  entsendet   auch   kleine  Aeste 

in  den  Wirbelkanal,   tritt   aber   mit  der  A.  basilaris   in   keine   direkte 

Verbindung.    Bei  der  Natter  ist,  wie  Rathke  (A.  L.  III.  8.  1839)  an- 

giebt,  die  gleichnamige  Arterie  unpaar,  doch  scheint  sie  auch  hier  als 

paarige  Längsanastomosenkette,    die   von  einem 

paare   in   der  Höhe  des   14. — 18.  Wirbels    aus   entsteht 

werden  ^),  später  aber  dadurch  unpaar  zu  werden, 
daß  einerseits  das  Arterienpaar,  aus  welchem 
sie  entspriugt,  infolge  der  caudalwärts  Ver- 
lagerung der  Aortenbogen  und  Wurzeln  zu 
einem  median  gelagerten  Arterienstamme  ^)  aus- 
gesponnen wird  und  andererseits  gleichzeitig 
die  rechtsseitige  Längsanastomosenkette  zu 
Grunde  geht.  So  besteht  dann  die  A.  verte- 
bralis  der  Natter  aus  einem  centralen,  median 
gelagerten  und  einem  peripheren  links  von 
den  ventralen  Fortsätzen  der  Wirbel  verlaufen- 
den, von  der  Muskulatur  bedeckten  Stück. 


Fia;.  117.  Vorderer  Abschnitt  des  Aortensystems 
(linke  Hälfte)  eines  Embryos  von  Lacerta  muralis 
von  5  mm  Lunge  nach  einer  bis  jetzt  noch  nicht  ver- 
öffentlichten Zeichnung  Van  Bemmelen's.  .1.5.  Aorten- 
bogen. A.v.c.  A.  vertebralis  cerebralis.  A.d.  Aorta  dor- 
salis.     C.e.  Carotis  externa.     C.i.  Carotis  interna. 


Arterien  der  Hinter  gl  ied  maßen.  Die  hinteren  Extremi- 
täten der  Saurier  werden  in  der  Regel  von  zwei  unmittelbar  aufein- 
anderfolgenden, segmentalen  Arterien  mit  Blut  versorgt  von  denen  die 
eine  mit  dem  N.  ischiadicus  verlaufende  (A.  ischiadica)  als  die  Haupt- 
arterie der  Gliedmaße  zu  bezeichnen  ist. 


Vögel. 

lieber  die  LTmbildungen,  welche  die  metameren  Leibeswandarterien 
der  Vögel  erleiden,  liegen  nur  sehr  spärliche  Angaben  vor. 

A.  subclavia.  Die  primitive  Arterie  der  vorderen  Extremität 
ist  bei  Hühnerembryonen   von  100—115  Stunden   die   15.  segmentale 


1)  Dieses  Gefäß  entspricht  jedoch  in  keiner  Weise  dem  gleichbenannten  Ab- 
schnitte der  A.  vertebralis  der  Säuger. 

2}  Bei  einigen  Schlangen  ist  nach  Rathke  (1850)  die  A.  vertebralis  in  ihren 
peripheren  Abschnitten  thatsächlich  paarig. 

3)  Die  gleiche  Ursache  bewirkt  auch,  daß  bei  gewissen  Sauriern  (Varaniden) 
ein  gemeinsamer  Ursprungsstamm  für  beide  A,  subclaviae  entsteht. 


Die  Entwickelung  des  Blutgefäßsystems.  107 

Arterie  der  Reihe  (Hochstetter,  1890);  sie  bildet  sich,  nachdem  die 
A.  subclavia  secundaria  (vergl.  S.  101)  gebildet  ist  und  sich  mit  ihr 
am  Schultergürtel  verbunden  hat,  in  ihrem  Anfangsstück  ebenso  zurück, 
wie  sämtliche  segmentale  Arterien  cranial  von  ihr,  was  wieder  auf 
die  Lageverschiebungen ,  welche  die  Aortenbogen  und  AYurzeln  er- 
leiden, zurückgeführt  werden  muß. 

Arterien  der  H  i  n  t  e  r  g  1  i  e  d  m  a  ß  e  n.  Auf  die  Hintergliedmaßen 
greifen  wie  bei  den  Saurieren  jederseits  zwei  segmentale  Arterien  über, 
die  jedoch  nicht  aufeinanderfolgenden  Segmenten  angehören,  dazwischen 
ihnen  noch  eine  oder  zwei  segmentale  Arterien  gelegen  sind. 

Säuger. 

Bildung  der  A.  vertebralis.  Bei  den  Säugern  bestehen  in 
frühen  Entwickelungsstadien  im  Kopfgebiete  jederseits  zwei  aus  den 
Aortenwurzelu  entspringende  segmentale  Arterien.  Die  erste  von  diesen 
beiden  verläuft  mit  dem  N.  hypoglossus  (Zimmermann  A.  L.  III,  11. 1889 ; 
HocHSTETTER,  1890;  Piper,  A.  L.  III,  11.  19(X))  und  verschwindet 
schon  sehr  früh.  Die  zweite  bildet  die  Wurzel  der  A.  vertebralis  cere- 
bralis.  Sie  verläuft  ganz  ähnlich  wie  die  gleichnamige  Arterie  von 
Lacerta,  auch  verschmilzt  sie  ebenso  wie  diese  mit  der  Arterie  der 
Gegenseite  zur   A.  basilaris  (His,   A.  L.  III,  11.  1885,  vergk  S.  103). 

Mit  dem  Beginne  der  Caudalwärtsbewegung  der  Aortenbogen 
bildet  sich  nun  eine  die  Lücken  zwischen  den  Rippenrudimenten  und 
den  Querfortsätzen  der  sechs  ersten  Halswirbel  passierende  Längs- 
anastomosenkette  (A.  vertebralis  cervicalis)  zwischen  den  segmentalen 
Arterien  des  Cervicalgebietes. 

A.  subclavia.  Dieselbe  nimmt  ihren  Ausgangspunkt  von  der 
A.  subclavia  (Fig.  118),  die  beim  Menschen  und  beim  Kaninchen  aus 
der  Arterie  des  G.  Cervicalsegmentes  hervorgeht 
und  setzt  sich  cranial  unmittelbar  iij  die  A.  verte- 
bralis cerebralis  fort.  Nun  bilden  sich  sämtliche 
cranial  von  der  A.  subclavia  gelegene  segmentale 
Arterien  zurück  und  damit  ist  die  Bildung  der  A. 
vertebralis  vollendet  (Hochstetter  1890*). 

Fig.  118.  Entwickelung  der  A.  vertebralis  beim  Ka- 
ninchen nach  einer  Profilkonstruktion.  C.B.  Carotidenbogen. 
A.B.  Aortenbogen.  P.E.  Pulmonalisbogen.  A.p.  A.  pulmonalis. 
A.S.  A.  subclavia.  A.v.ce.  A.  vertebralis  cerebralis.  A.x\c.  A. 
vertebralis  cervicalis.    C.e.  Carotis  externa.   C.L  Carotis  interna. 

Aber  auch  die  Wurzeln  der  Arterien  des  7.  Cervical-  und  des  1. 
und  2.  Thoracalsegmentes  bilden  sich  zurück  (Mensch,  Kaninchen), 
nachdem  sich  aus  der  A.  subclavia  hervorsprossend  die  A.  intercos- 
talis  suprema  entwickelt  hat.  Dagegen  bleiben  die  übrigen  segmen- 
talen Arterien  der  Thoracalregion  (Mensch,  Kaninchen)  sowie  in  der 
Regel  die  ersten  (beim  Menschen  4)  segmentalen  Arterien  der  Lenden- 
region erhalten  ^). 


1)  Doch  kommt  es  bei  anderen  Säugern  vielfach  dazu,  daß  benachbarte  seg- 
mentale Arterien  des  Thoracal-  und  Lumbaigebietes  durch  Anastomosen  miteinander 
in  Verbindung  treten  und  dann  einzelne  Intercostal-  und  Lumbalarterienstämme 
ausfallen,  so  daß  im  ausgebildeten  Zustande  mehrere  Intercostal-  oder  Lumbaiarterien 


108 


HOCHSTETTER, 


Die  Arterien  der  Hintergliedmassen  und  die  A.  umbilicales. 


Die  ursprünglich  einfache  Arterie  der  Hintergliedmaße  geht  höchst 
wahrscheinlich  aus  einer  segmentalen  Arterie  des  Lendengebietes  her- 
vor  (HOCHSTETTER,    1890*). 

Ursprünglich  versorgt  sie  nur  die  Extremitätenanlage  mit  Blut, 
bald  wird  sie  jedoch  auch  zum  Ursprungsstamm  für  die  A.  umbili- 
calis.    Die    beiden  A.  umbilicales   entspringen  nämlich  zuerst  (Hoch- 

als    selbständige,    ventrale    Aeste    aus    der    Aorta 
dorsale  Darmgekröse,   um  sich   an  den  Seiten  des 


STETTER,    1890*) 
und  passieren    das 
Enddarmes  vorbei 


zur  ventralen  Leibeswand  zu  begeben  und  von  hier 


Frühzeitig 


aus  neben  dem  Allantoisgang  zur  Placentaranlage  zu  gelangen 
jedoch  schon  bildet  sich  zwischen  ihnen  und  den  Wurzeln  der  Arterien 
der  Hintergliedmaßen  eine,  jederseits  in  der  Leibeswand  verlaufende 
Anastomose  aus  (Fig.  119).  ludem  sich  nun  diese  so  gebildeten,  secun- 
dären  Wurzelstämme  der  A.  umbilicales  rasch  erweitern,  verengern 
sich    die  primären    und   schwinden   schließlich  vollständig.     So  kommt 

es ,  daß  dann  die  A.  umbilicalis  und  die 
Arterie  der  hinteren  Gliedmaße  auf  jeder 
Seite    einen    gemeinschaftlichen    Ursprungs- 


.AL 


■Löt. 


MR. 


Fig.  119.  Entwickelung  der  aus  den  Arterien  der 
hinteren  Gliedmaßen  entspringenden  sekundären  Wur- 
zeln der  A.  umbilicales  beim  Kaninchen.  (Schema.) 
A.  Aorta.  A.E.  Arterie  des  Extremitätenstunnnels. 
A.G.  Allantoisgang.  ü  Leibeshöhle.  D  Enddarm. 
jE'./SV.  Extremitälenstummel.  A.u.  A.  umbilicalis.  prAV., 
s.w.  primäre,  secundäre  Wurzel  der  A.  umbilicalis. 
M.R.  Medullarrohr.     TJ.G.  Urnierengang. 


Stamm  besitzen.  Auch  bei  den  Sauropsiden  scheinen  sich  die  Be- 
ziehungen zwischen  Hauptarterie  der  hinteren  Gliedmaße  und  A.  um- 
bilicalis in  ähnlicher  Weise  herzustellen  wie  bei  den  Säugern,  denn 
auch  bei  ihnen  entspringen  die  Allantoisarterien 
aus  der  Aorta,  während  sie  später  als 
erscheinen. 


Zweige 


ursprünglich   direkt 
der    A.    ischiadicae 


Die  Arterien  der  vorderen  Extremität. 

Bei  den  Embr3'onen  der  Amphibien  (Triton ,  Salamandra)  und 
sämtliclien  Amnioten  verläuft  die  einfache  Arterie  der  Extremität  ur- 
sprünglich ziemlich  genau  in  der  Achse  des  Extremitätenstummels 
(HOCHSTETTER,  1890,  ZucKERKANDL,  1894 — 95).  Am  Oberarm  be- 
gleitet sie  den  N.  medianus,  am  Vorderarm  liegt  sie  zwischen  den 
Anlagen  der  beiden  Vorderarmknochen  und  perforiert  den  Carpus  im 
Bereiche  der  proximalen  Reihe  seiner  Elemente,  wie  dies  Leboucq  ^ ) 
für  den  Menschen,  Zuckerkandl  (1894—95)  für  Lacerta,  das  Hühnchen, 
die  Katze  und  das  Kaninchen,  Hochstetter  (A.  1896)  für  Echidna 
und  Grosser  (1901)  für  Rhinolophus  nachgewiesen  haben. 


mittelst  gemeinsamer  Wurzelstämmc  aus  der  Aorta  entspringend  gefunden  werden 
können. 

Die  A.  mammaria  interna  und  die  A.  epigastrica  inferior  sind  nach  Mall 
(1898)  durch  die  Bildung  von  Anastomosenketten  zwischen  den  ventralen  Aesten  der 
segmentalen  Arterien  der  Thoracal-  und  Lumbairegion  entstanden  zu  denken. 

1)  In  der  Diskussion  gelegentlich  des  Vortrages  von  E.  Zuckerkandl  auf  der 
Anatomenversaramlung  zu  Göttingen  1893. 


Die  Entwickelung  des  Blutgefäßsystems.  109 

Arterie  des  Oberarmes.  Die  Oberarinarterie  bleibt  wahr- 
scheinlich bei  den  Amphibien  und  den  meisten  Amnioten  in  ihrer  ur- 
sprünglichen Verlaufsweise  zeitlebens  erhalten,  nur  bei  Echidna  geht 
sie  zu  Grunde  (Hochstetter  A.  1896).  nachdem  sich  aus  ihrem 
l)roximalen  Abschnitte  eine  neue  Arterienbahn  entwickelt  hat,  welche 
den  N.  radialis  bei  seinem  Verlaufe  um  den  Humerus  herum  begleitet 
und  zwischen  M.  brachialis  internus  und  den  Muskeln  der  Radial- 
gruppe  in  die  Ellbogenbeuge  gelangt,  um  hier  in  die  Fortsetzung  der 
ursprünglichen  A.  brachialis  wieder  einzumünden. 

Arterien  des  Vorderarmes.  Die  Hauptarterie  des  Vorder- 
armes erhält  sich  in  ihrer  ursprünglichen  Verlaufsweise  auch  mit 
Rücksicht  darauf,  daß  sie  beim  Uebergange  auf  den  Handrücken 
zwischen  den  Elementen  der  proximalen  Carpusreihe  hindurch  zieht, 
bei  allen  Amphibien,  unter  den  Reptilien  bei  Hatteria  und  Lacerta 
agilis  (ZucKERKANDL,  1894—95)  und  unter  den  Säugern  bei  Ornitho- 
rhynchus  (Hochstetter  A.  1896).  Bei  den  meisten  Amnioten  kommt 
es  jedoch  zu  einer  mehr  oder  weniger  weitgehenden  Rückbildung  des 
Gefäßes,  das  aber  stets  als  A.  interossea  erhalten  bleibt.  Bei  den 
meisten  Reptilien  tritt  nur  insofern  eine  Aenderung  des  ursprünglichen 
Zustandes  ein,  als  der  den  Carpus  perforierende  Abschnitt  schwindet  und 
einem  oberflächlich  verlaufenden  Handrückenast  den  Platz  räumt. 
Auch  bei  den  Vögeln  persistiert  die  ursprüngliche  Arterie  als  A.  inter- 
ossea, doch  entsteht  neben  ihr  sekundär  die  A.  ulnaris  superficialis 
(Zuckerkandl,  1894 — 95).  Am  stärksten  wird  die  Arterie  in  der 
Regel  bei  den  Säugern  zurückgebildet  ^),  bei  denen  sich  sekundär  eine 
den  N.  medianus  begleitende  Arterie  entwickelt  (Katze,  Kaninchen), 
die  dann  die  Hauptarterie  des  Vorderarmes  bildet  und  bei  einzelnen 
als  solche  neben  der  A.  interossea  persistieren  kann,  wie  bei  den 
Ungulaten  und  Chiropteren,  während  sie  bei  anderen  Formen  unter 
gleichzeitiger  Entwickelung  tertiärer  Arterienbahnen  (A.  ulnaris  und 
radialis)  teilweise  oder  nahezu  vollständig  wieder  schwindet  (Zucker- 
kandl, 1894 — 95). 

Die  Arterien  der  liiiiteren  Extremität. 

Bei  den  Embryonen  der  Amphibien  und  aller  Amnioten  hält  sich 
die  ursprüngliche  Hauptarterie  der  Hintergliedmaße  in  ihrem  Verlaufe 
zunächst  an  den  N.  ischiadicus,  mit  dem  sie  auch  das  Becken  verläßt. 
Am  Unterschenkel  verläuft  sie  zwischen  den  Anlagen  der  beiden  Unter- 
schenkelknochen und  geht  bei  ihrem  Uebertritt  auf  den  Fußrücken, 
zwischen  den  Anlagen  der  Elemente  der  proximalen  Tarsalknochen- 
reihe  hindurch.  Sie  verhält  sich  also  hier  wie  die  entsprechende 
Arterie  des  Vorderarmes. 

Arterien  des  Oberschenkels.  Eine  kleine  zweite  Arterie, 
die  A.  femoralis,  greift,  proximal  vom  Hüftgelenk  vorbeiziehend,  auf 
die  ventrale  Fläche  des  Oberschenkels  über.  Sie  sproßt  entweder  aus 
dem  Beckenstücke  der  A.  ischiadica  hervor,  wie  bei  den  Amphibien 
und  Säugern,  oder  sie  entsteht,  wie  bei  den  meisten  Sauropsiden  2),  aus 


1)  Ausgenommen  ist  außer  Ornithorliynchus  auch  der  Delphin ,  bei  dem  nur 
der  den  Carpus  perforierende  Abschnitt  der  Arterie  verloren  gegangen  ist  (Zucker- 
kandl, 1894—95). 

2)  Nur  bei  Chamaeleo  liegen  die  Verhältnisse  ähnlich  wie  bei  den  Amphibien. 


110 


HOCHSTETTER. 


a. 


b. 


einem  selbständigen  segmentalen  Aste  der  Aorta.  Bei  den  Amphibien 
und  Reptilien  gewinnt  die  A.  femoralis  nie  ein  größeres  Verbreitungs- 
gebiet und  so  bleibt  bei  diesen  Tieren  die  A.  ischiadica  zeitlebens  die 
Hauptarterie  der  hinteren  Gliedmaße.  Das  gleiche  gilt  auch  für  die 
A.  ischiadica  der  meisten  Vögel,  doch  gewinnt  bei  diesen  die  A.  femo- 
ralis bereits  einen  größeren  Verbreitungsbezirk  am  Oberschenkel,  und 
bei  einigen  (Spheniscus  u.  a.)  fehlt  sogar  die  A.  ischiadica  im  Gebiete 
des  Oberschenkels  und  die  A.  femoralis  ist,  indem  sie  die  Unter- 
schenkelverzweigungen der  A.  ischiadica  an  sich  gerissen  hat,  zur 
Hauptarterie  der  Hintergliedmaße  geworden. 

Bei  den  Säugern  ist,  wie  schon  erwähnt,  die  A.  femoralis  ursprüng- 
lich (wahrscheinlich  bei  allen)  ein  Seitenast  der  Hauptarterie  der  Hinter- 
gliedmaße, die  wir  bis  zum  Abgange  der  A.  femoralis  als  A.  iliaca  com- 
munis bezeichnen,  ein  Verhalten,  welches  bei  vielen  Säugern  persistiert 

(Mensch,  Kaninchen  u.a.).  Bei  denEm- 
bryonen  sehr  vieler  Säuger  kommt  es 
jedoch  sekundär,  vom  Teilungswinkel 
derA.  iliaca  communis  aus,  zu  einer 
Spaltung  dieses  Gefäßes  bis  an  die 
Aorta  heran  (Fig.  31a,  b),  wie  dieses 
für   die   Embryonen   der  Katze   von 

HocHSTETTER    (1890*)   gezeigt 
wurde  ^).     Es  entspringen  dann  (Fig. 
120  />,  c)  die  A.  femorales  (iliacae  ex- 
ternae)    beiderseits    selbständig    aus 
der  Aorta,  während    die  durch   diese 
Spaltung   entstandenen    zweiten  Ge- 
fäße,   die    A.    iliacae    interuae,    aus 
denen,  wie  bekannt,  die  A.  umbilicales  entspringen  und  die  sich  in  die 
restierenden  Al)schnitte  der  A.  ischiadicae  fortsetzen,  mit  der  A.  caudalis 
zusammen  den  sogenannten  Truncus  hypogastrico-sacralis  bilden. 

Die  A.  femoralis  greift,  sobald  sie  einmal  hervorgesproßt  ist,  sehr 
rasch  auf  immer  weiter  distal  gelegene  Partien  des  Oberschenkels 
über  und  dringt  schließlich  in  die  Kniekehle  ein,  wo  sie  sich  mit  der 
A.  ischiadica  verbindet,  die  nun  in  ihrem  Oberschenkelabschnitte  rasch 


Fig.  120  a — c.  Bildung  des  Truncus 
hypogastrico  sacralis  bei  der  Katze 
(Schema).  A.  Aorta.  A.i.  A.  iscbiadica. 
A.i.e.  A.  iliaca  externa.  A.c.  A.  caudalis. 
A.n.  A.  umbilicalis.  Ch.ti.  Chorda  A. 
umbilicalis. 


Hintergliedmaße 
teren    persistiert 
die  A.  ischiadica 


zu  Grunde  geht,  so  daß  die  A.  femoralis  jetzt  znr  Hauptarterie  der 
wird  (HocHSTETTER,  1890*).  Nur  bei  den  Chirop- 
ganz  allgemein  der  ursprüngliche  Zustand,  indem 
neben  der  A.  femoralis  ihrer  ganzen  Länge  nach  er- 
halten bleibt  und  sich  als  A.  tibialis  antica  auf  den  Unterschenkel 
fortsetzt  (0.  Grosser  A.  1901). 

Die  ursi)rün gliche  Hauptarterie  des  Unterschenkels,  welche  beim 
Uebergange  auf  den  Fuß  zwischen  den  Elementen  der  ersten  Reihe 
des  Tarsus  hindurchläuft,  geht  wahrscheinlich  bei  allen  Amphibien  und 
bei  den  meisten  Reptilien,  Zuckerkandl  (1895  *)  hat  dieses  für  Rana 
und  Lacerta  direkt  nachgewiesen,  ziemlich  unverändert  als  A.  inter- 
ossea  in  den  definitiven  Zustand  über.  Auch  beim  Hühnchen  erhält 
sie  sich,  doch  scheint  sich  hier,  nach  Zuckerkandl  (1895*)  ihre  Durch- 
bruchsstelle auf  den  Fußrücken  zwischen  den  Unterschenkelknochen 
proximalwärts  zu  verschieben. 

1)  Auch  Grosser  (1901)  hat  neuerdings  bei  Embryonen  von  Rhinolophus  das 
Vorhandensein  von  A.  iliacae  coramunes,  die  der  ausgebildeten  Form  fehlen,  nach- 
weisen können. 


Die  Entwickelung  des  Blutgefäßsystems.  Jll 

Bei  den  Säugern  erfolgt,  wie  derselbe  Autor  an  Kaninchen-  und 
Katzenembryonen  gesehen  hat,  eine  mehr  oder  weniger  weitgehende 
Reduktion  der  primären  Unterschenkelarterie,  nachdem  die  sekundären 
und  tertiären  Arterien  dieses  Gliedmaßenabschnittes,  die  als  A.  saphena, 
tibialis  antica,  tibialis  postica  und  peronea  bezeichnet  werden,  auf- 
getreten sind,  wobei  jedoch  zu  bemerken  ist,  daß  wenigstens  eine 
Strecke  der  A.  peronea  aus  der  primären  Unterschenkelarterie  ent- 
standen sein  dürfte. 

Die  A.  omphalo-meseiitericae  und   die  Arterien  des  Darmkanals. 

Selachier. 

Von  den  hier  in  Betracht  kommenden  Arterien  ist  bei  den 
Selachiern  nur  die  Bildung  der  A.  omphalo-mesenterica  genauer  unter- 
sucht (P.  Mayer,  PtücKERT,  van  Wijhe,  C.  K.  Hoffmann,  Rabl). 
Diese  Arterie  kommt  nur  auf  der  rechten  Seite  zur  Entwickelung  und 
entsteht  zuerst  mit  mehreren  Wurzeln  (bei  Pristiurus  3,  bei  Torpedo  4) 
aus  der  Aorta,  die  wegen  ihrer  merkwürdigen  Beziehungen  zu  den 
Segmenten  der  Vorniere  von  Rückert  und  Rabl  als  Vornierenarterien 
bezeichnet  wurden.  Doch  kommen  außer  diesen  Wurzelzweigen  der 
Dottersackarterie  noch  andere  Vornierenarterien  zur  Anlage,  auf 
der  rechten  Seite  bei  Pristiurus  noch  eine,  bei  Torpedo  zwei,  die  aber 
mit  den  Wurzeln  der  Dottersackarterie  nicht  in  Verbindung  treten 
und  auch  linkerseits  werden  solche  Arterien  als  blind  endigende  Aus- 
buchtungen der  Aorta  angelegt,  die  sich  freilich  frühzeitig  wieder 
zurückbilden.  Nach  Rabl  verschmelzen  dann  zwei  oder  alle  drei  die 
Wurzeln  der  Dottersackarterie  bildenden  Vornierenarterien  ^)  mit- 
einander, während  die  übrigen  spurlos  verschwinden  und  es  wird  so 
auch  der  W^urzelstamm  der  Dottersackarterie  einfach.  Diese  Arterie 
zieht  nun  frei  durch  die  Leibeshöhle  zum  Nabel  und  verteilt  sich  mit 
ihren  Aesten  zuerst  nur  auf  dem  Dottersack.  Später  geht  in  der 
Pankreasgegend  ein  Ast  aus  ihr  hervor  (Rabl),  der  zur  A.  mesenterica 
wird  und  jetzt  kann  man  sie  eigentlich  erst  als  A.  omphalo-mesenterica 
bezeichnen. 

Teleostier. 

Bei  den  Knochenfischen,  die  einen  rein  venösen  Dottersackkreis- 
lauf besitzen,  kommt  es  in  der  Regel  zur  Ausbildung  von  Dottersack- 
arterien nicht.  Dafür  ist  bei  ihnen  frühzeitig  schon  eine  A.  mesenterica 
entwickelt,  die  interessante  Beziehungen  zum  Glomerulus  der  Vor- 
niere erkennen  läßt.  Wie  Felix  (A.  1897)  gezeigt  hat,  erhält  der  in 
seinen  vorderen  Abschnitten  paarige  (}lomerulus  der  Forelle  jederseits 
ein  in  seine  cranialen  Pole  eindringendes,  aus  der  Aorta  entspringendes 
Vas  afferens  und  entläßt  an  seinem  caudalen  unpaaren  Ende  die  an 
die  Dorsalseite  des  Darms  herantretende  A.  mesenterica.  Später  ent- 
wickeln sich  dann  noch  einige  kleinere  aus  der  Aorta  entspringende 
und  in  den  Glomerulus  eindringende  A.  afferentes  (Nebenafferentia) 
und  außerdem  bildet  sich  caudal  vom  Glomerulus  eine  Anastomose 
zwischen    Aorta    und    A.    mesenterica    aus,    die    sich   rasch   erweitert 


1)  Nach  EÜCKERT  würde  nur  eine  von  den  Wurzeln  der  Uottersackarterie  er- 
halten bleiben,  während  alle  anderen  zu  Grunde  gehen. 


112  HOCHSTETTER, 

und  so  die  eigentliche  Wurzel  der  A.  mesenterica  bildet  (Fig.  121), 
während  das  in  die  A.  mesenterica  übergehende  V.  efferens  immer 
schwächer  wird.  Auch  bilden  sich  die  Nebenafferentia  zurück,  so 
daß  zur  Zeit  des  Ausschlüpfens  der  Larven  nur  noch  das  Haupt- 
afferens des  Glomerulus  besteht.     Mit  dem  Schwinden  des  Glomerulus 

N  3 

Fig.  121.  Vornierenglomerulus  eines  Fo- 
rellenembryos von  54  Tagen  und  seine 
Beziehungen  zur  Aorta  und  der  A.  mesenterica 
nach  W.  Felix.  A.  Aorta.  A.e.  A.  efferens. 
A.m.  K.  mesenterica.  G^.  Vornierenglomerulus. 
H.a.  Hauptafferens.     N.a.  Nebenafferentia. 

vergehen  dann  natürlich  auch  seine  Arterien.  Aus  der  A.  mesenterica 
entstehen  Zweige  für  die  Leber  und  ein  an  der  Dorsalseite  des  Darms 
caudalwärts  verlaufender  Zweig.  Außerdem  bilden  sich  noch  direkt 
aus  der  Aorta,  in  der  Gegend  des  Anus,  ein  oder  mehi'ere  Zweige 
für  den  Enddarm  (Ziegler,  A.  1897). 

Cyelostomen. 

GoETTE  (A.  L.  III,  2.  1890)  beschreibt  bei  den  Embryonen  von 
Petromyzon  nur  eine  A.  mesenterica  ^).  Sie  entspringt  zuerst  aus  der 
Ventralseite  der  Aorta,  doch  scheint  sich  ihr  Ursprung  später  dorsal- 
wärts  zu  verschieben,  da  sie  Jülin  (A.  1886)  bei  Ammocoetes  aus  dem 
dorsalen  Umfange  der  Aorta  entspringend  fand. 

Amphibien. 

Unter  den  Amphibien  besitzen  die  Urodelen  eine  große  Zahl  von 
Darmarterien,  über  deren  Entstehungsweise  ebensowenig  bekannt  ist, 
wie  über  die  Entstehung  der  mächtigen  A.  intestinalis  communis  der 
Anuren. 

Reptilien. 

Bei  den  Reptilien  sehen  wir  ursprünglich  eine  größere  Zahl  von 
aus  der  Aorta  entspringenden  Arterien  beiderseits  in  die  Dottersack- 
wand übergehen  (Clark,  A.  L.  III,  8.  1857,  Hoffmann,  A.  L.  III,  8. 
1890,  Strahl,  A.  1883).  Diese  Arterien  gehen  bei  Lacerta  (Hoch- 
STETTER,  1898)  zum  Teil  symmetrisch,  zum  Teil  asymmetrisch  aus  der 
Aorta  hervor.  Die  symmetrisch  abgehenden  Stämme  verschmelzen 
nach  der  Entstehung  des  Darmgekröses  zu  unpaaren  Stämmen  mit- 
einander, die  erst,  an  der  Darmwand  angelangt,  sich  gabeln.  Sie 
treten  untereinander  zum  Teil  in  der  Darmwand  selbst,  zum  Teil  erst 
in  der  Dottersackwand  durch  Anastomosen  in  Verbindung.  In  der 
Folge  dehnen  sich  dann  einzelne  von  ihnen  (meist  zwei)  stärker 
aus,  während  die  übrigen,  schwächeren  verschwinden  und  schließlich 
bleibt  nur  ein  einziger  Stamm,  die  unpaare  A.  omphalo-mesenterica, 
erhalten,  die  an  der  linken  Seite  des  Darmes  vorbei  zur  Dottersack- 
wand zieht.  Von  dem  Stamme  der  A.  omphalo-mesenterica  aus  ent- 
steht hierauf  bei  Lacerta  die  dem  Mitteldarm  zustrebende  A.  mesenterica 


1)  Dieselbe  entspricht  dem   von  anderen  Autoren  als  A.  coeliaca  bezeichneten 
Gefäße. 


Die  Entwickelung  des  Blutgefäßsystems. 


113 


selbständig 


aus  der  Aorta  ent- 


ganz 


und   cranial   von    ihr    findet   sich    ein 

springender  Zweig,    die  A.  coeliaca,   während   ein   oder  ein  paar 
kleine,  für  den  Enddarm  bestimmte  Arterienzweige  weit  caudal  aus  der 
Aorta  abdominalis  hervorgehen. 

Bildung  der  A.  coeliaco-mesen  terica  beiLacerta.  Bei 
Hatteria  und  einigen  anderen  Sauriern  erhält  sich  dieser  Zustand  der 
Darmarterien  zeitlebens.  Bei  den  Embryonen  von  Lacerta  kommt  es 
jedoch  zur  Bildung  einer  Anastomose  zwischen  A,  omphalo-mesenterica 
und  A.  coeliaca  und  im  Anschlüsse  daran  zum  Schwunde  des  Wurzel- 
stückes der  letzteren,  so  daß  nach  dem  Zugrundegehen  des  Dottersack- 
astes der  A.  omphalo-mesenterica  dieses  Gefäß  zur  A.  coeliaco- 
mesenterica  der  ausgebildeten  Form  wird. 

Darmarterien  anderer  Saurier.  Bei  sehr  vielen  Sauriern 
bestehen  jedoch  viel  kompliziertere  Verhältnisse  der  Stämme  der 
Darmarterien.  Entweder  kommen  nämlich  an  Stelle  der  A.  coeliaco- 
mesenterica  3  selbständig  aus  der  Aorta  entspringende  Arterien- 
stämme vor,  die  sich  bei  ihrem  Verlaufe  durch  das  Gekröse  über- 
kreuzen (Tr.  coeliacus,  Mitteldarmarterie  und  A.  coecalis),  oder  aber 
es  besteht  eine  A,  coeliaca,  wie  bei  jungen  Lacerta-Embryonen,  und  an 
Stelle  einer  einfachen  A.  mesenterica  2  in  verkehrter  Reihenfolge 
aus  der  Aorta  entspringende  und  im  Gekröse  sich  überkreuzende 
Arterien  (A.  coecalis  und  Mitteldarmarterie).  —  Für  Anguis  fragilis,  bei 
welcher  Form  im  ausgebildeten  Zustande  die  Verhältnisse  des  ersten 
Falles  vorliegen,  hat  Hochstetter  (1898)  gezeigt,  daß  bei  jungen 
Embryonen  eine  einfache  A. 
coeliaco-mesenterica  besteht  wie 
bei  Lacerta.  Diese  spaltet  sich 
dann  sekundär  von  der  Ab- 
gangsstelle ihrer  3  Aeste  aus 
(Fig.  122)  unter  gleichzeitiger 
Drehung  der  Spaltungsebenen, 
so  daß  nun  an  Stelle  der  ein- 
fachen A.  coeliaco-mesenterica 
3  Arterien  aus  der  Aorta  ent- 
springen, die  aber  aus  diesem 
Gefäße  in  einer  ihrem  Ver- 
breitungsgebiet nicht  entspre- 
chenden Reihenfolge  hervor- 
gehen und,  indem  ihre  Ur- 
sprünge später  auseinanderrücken,  sich  im  Gekröse  überkreuzen.  — 
Derselbe  Autor  hat  es  ferner  auf  Grund  vergleichend  -  anatomischer 
Beobachtungen  wahrscheinlich  gemacht,  daß  sich  alle  die  verschie- 
denen Ursprungs-  und  Verlaufsverhältnisse  der  Darmarterien  der 
Saurier  zum  Teil  unter  Vermittelung  ähnlicher  Spaltungsprozesse,  wie 
sie  bei  Anguis  fragilis  beobachtet  werden  konnten, 
entwickelt  haben ,  wie  sie  entweder  bei  Hatteria 
dauernd  bestehen. 


MA.-^I 


Fig.  122.  Schema  der  Entwickelung  des 
Tr.  coeliacus  der  A.  coecalis  und  der  Mittel- 
darmarterie aus  der  einfachen  A.  coeliaco 
mesenterica  bei  Anguis  fragilis.  ^.  Aorta. 
A.c.  A.  coecalis.  M.A.  Mitteldarmarterie.  Tr.c. 
Truncus  coeliacus. 


aus  Verhältnissen 
oder   bei    Lacerta 


Vögel. 

Bei  den  Vögeln  (Hühnchen)  ist  schon  frühzeitig  nur  ein 

Paar    von   A.  omphalo-mesentericae  vorhanden.     Dasselbe 

Handbuch  der  Eatwickelungslehre.    III.  2.  8 


mächtiges 


emziges 


114  HOCHSTETTER, 

entspringt  zuerst  aus  den  primitiven  Aorten,  etwas  später  aus  der 
Aorta  dorsalis  und  vereinigt  sich,  nachdem  das  dorsale  Gekröse  ge- 
bildet ist,  in  demselben  zu  einem  einheitlichen  Arterienstamme,  der  sich 
erst  am  Darme  in  einen  rechten  und  linken  Ast  gabelt.  —  Aus  diesem 
Stamme  wächst  die  A.  mesenterica  anterior  hervor.  Außerdem  ent- 
stehen selbständig  aus  der  Aorta  die  A.  coeliaca  und  die  A.  mesenterica 
posterior.  Da  jedoch  bei  jungen  Embrj^onen  die  primitiven  Aorten 
in  ihren  caudalen  Abschnitten  allenthalben  mit  dem  Gefäßuetze  des 
Dottersackes  zusammenhängen  und  nach  Popoff  (A.  1894)  cranial 
von  der  Stelle,  an  welcher  sich  später  aus  diesem  Zusammenhange  die 
Dottersackarterien  entwickeln,  bis  in  die  Nähe  der  vorderen  Darm- 
pforte eine  größere  Zahl  von  allerdings  sehr  zarten  Verbindungszweigeu 
zwischen  Aorten  und  Dottersackgefäßnetz  bestehen,  so  kann  auch  beim 
Hühnchen  von  einer  ursprünglichen  Viellieit  der  Dottersackarterien 
gesprochen  werden. 

Säuger. 

Auch  bei  den  Säugern  existiert  ursprünglich  beiderseits  eine 
größere  Zahl  von  Dottersackarterien.  —  Bischoff  (A.  L.  III.  10,  1842) 
hat  dieses  zuerst  beim  Kaninchen  beobachtet,  eine  Beobachtung,  die 
Verfasser  für  die  Katze  bestätigen  kann,  und  neuerdings  hat  Mall 
(A.  1896)  bei  einem  menschlichen  Embryo  aus  der  2.  Woche  ebenfalls 
eine  größere  Zahl  von  Dottersackarterien,  die,  wie  er  angiebt.  seg- 
mental angeordnet  waren,  aufgefunden.  —  Später  treffen  wir  jedoch 
auch  bei  den  Säugern  wie  bei  den  Sauropsiden  nur  eine  einfache 
A.  omphalo- mesenterica.  Dieselbe  verläuft  durch  das  Darmgekröse 
bis  an  den  Darm  und  gabelt  sich  hier  in  zwei  Aeste,  die  an  der 
Darmrinne  vorbei   zum  Dottersack  ziehen  (Fig.  123a).  —  Wenn   sich 

dann  der  Darm    an  dieser  Stelle  zum  Rohre 
a.  b.  schheßt,  verschmelzen  diese  Aeste  ventral  von 

ihm  ein   kurzes  Stück   weit  miteinander,  und 
indem   der  linke  Schenkel   der   so  gebildeten 


Fig.  123a  u.  b.  Die  Herstellung  der  Beziehungen 
der  A.  omphalo  -  mesenterica  zum  Darmrohr  bei  der 
Katze  (Schema).  A.  Aorta.  A.o.m.  A.  omphalo- 
mesenterica.     D.  Darmrohr.     D.R.  Darmrinne. 

Arterieninsel  schwindet  (Fig.  123b),  zieht  die  auch  hier  einfach 
gewordene  A.  omphalo-mesenterica  an  der  rechten  Seite  des  Darm- 
rohres vorbei,  um  sich,  erst  am  Dottersacke  angelangt,  wieder  zu 
gabeln.  —  Wie  sich  der  Zustand,  in  dem  nur  eine  einfache  A.  omphalo- 
mesenterica  besteht,  aus  dem  entwickelt,  in  dem  zahlreiche  Dotter- 
sackarterien   vorhanden    sind,  ist  noch  nicht  untersucht  worden. 

Bei  Ecliidna  wurde  ein  Entwickelungsstadium  der  A.  omphalo- 
mesenterica  beobachtet,  in  w^elchem  dieses  Gefäß  mit  mehreren  Wurzeln 
aus  der  Aorta  entsprang  (Hochstetter  A.   1896). 

Ganz  eigenartig  erweisen  sich  nach  Ravn  (1894)  die  Verhältnisse 
dieser  Arterie  bei  jungen  Embryonen  der  Ratte  und  der  Maus.  Bei 
diesen  entspringt  die  ventral  vom  Darmrohr  cranialwärts  verlaufende 
einfache   A.  omphalo-mesenterica  aus  jenen,   ventral  vom  Darme  sich 


Die  Entwickelung  des  Blutgefäßsystems.  115 

vereinigenden  Endästen  der  Aorta,  ans  denen  später  die  A.  nmbilicalis 
(Flg.  124)  hervorgeht,  und  gabelt  sich  erst  in  der  Höhe,  in  der  bei 
anderen  Säugern  die  A.  omphalo-mesentericae  aus  der  Aorta  ent- 
springen. —  Später  (Fig.  124)  finden  sich  dann  an  dieser  Stelle  2 
größere  Anastomosen  zwischen  ihr  und  der  Aorta  entwickelt ,  von 
denen  sich  weiterhin  nur  die  linke  ausweitet,  während  die  rechte,  sowie 
der  ventral  vom  Darme  gelegene  ursprüngliche  Anfangs- 
abschnitt der  Arterie,  zu  Grunde  geht,  so  daß  diese  Tiere 
in  späteren  Entwickelungsstadien  ähnliche  Verhältnisse 
der  A.  omphalo-mesenterica  darbieten  wie  andere  Säuger. 


-A.o.m 


Fig.  124.  Ursprungsverhältnisse  der  A.  omplialo-inesenterica  bei 
einem  Rattenembryo  nach  Ravn.  J.Aorta.  J.o.?».  A.  omphalo- 
mesenterica.     Am.  A.  umbilicalis. 

Von  der  A.  omphalo-mesenterica  aus  entwickelt  sich  in  ähnlicher 
Weise  wie  bei  den  Sauropsiden  die  A.  mesenterica  anterior.  —  Außer- 
dem finden  wir  bei  den  Säugerembryonen  noch  selbständig  aus  der 
Aorta  entspringend  eine  A.  coeliaca  und  eine  A.  mesenterica  posterior. 
—  Bei  Echidna  geht  jedoch  die  A.  coeliaca  (Hochstetter  A.  1896) 
als  selbständig  entspringender  Stamm  in  ähnlicher  Weise  verloren 
wie  bei  Lacerta,  und  es  kommt  bei  dieser  Form  daher  auch  zur  Aus- 
bildung einer  A.  coeliaco-mesenterica. 

Die  Arterien  des  Exkretionssystenis  und  der  Oeschleclitsdrüsen. 

lieber  die  sogenannten  Voruierenarterien  der  Selachier,  sowie 
über  die  Arterien  des  Voruierenglomerulus  der  Forelle  wurden  bereits 
an  anderer  Stelle  (p.  111  und  112)  Angaben  gemacht.  Bezüglich  der 
Arterien  des  Mesonephros  der  Selachier  giebt  Dohrn  (1889 — 91)  an, 
daß  sie  aus  den  segmentalen  Leibeswandarterien  entspringen. 

Bei  den  Amphibien  sind  die  Arterien  des  Voruierenglomerulus 
eigene  seitlich  abgehende  Zweige  der  Aorta.  Sie  sind  nach  Semon 
(A.  1891)  bei  den  Embryonen  von  Ichthyophis  entsprechend  der  segmen- 
talen Gliederung  des  Glomerulus  segmental  angeordnet  i),  ebenso  wie 
die  gleichfalls  seitlich  von  der  Aorta  abgehenden  Arterien  der 
primären  Urnierenglomeruli,  —  Ein  ähnliches  Verhältnis  zeigen  auch  die 
Urnierenarterien  der  Amnioten,  bei  denen  ursprünglich  wahrscheinlich 
jeder  Urniereuglomerulus  seinen  eigenen  Zweig  aus  der  Aorta  zugeteilt 
erhält.  Allerdings  erfährt  später,  mit  der  weiteren  Entwickelung  der 
Urniere,  die  Zahl  der  Urnierenarterien  eine  erhebliche  Reduktion. 

Gleichzeitig  treten  Zweige  bestimmter  Urnierenarterien  an  die 
Geschlechtsdrüsen  heran.  —  Bildet  sich  dann  die  Urniere  zurück,  so 
bleiben  schließlich  einige  (Reptilien)  oder  nur  eine  von  diesen  Ur- 
nierenarterien auf  jeder  Seite  (Vögel,  Säuger)  als  Arterien  des  Hodens 
und  Nebenhodens,  oder  des  Ovariums  und  Eileiters  erhalten.  Zu 
diesen  Arterien  kommen  dann  noch  die  Arterien  der  bleibenden  Nieren 
hinzu,  die  sich  aus  der  Aorta  oder  aus  Seitenzweigen  derselben  entwickeln, 
wenn  die  Nieren  einen  bestimmten  Entwickelungsgrad  erreicht  haben. 


1)  Nach   Brauer   (A.    1902)    sind    bei    Hypogeophys   die   Arterienzweige   des 
Vornierenglomerulus  und  der  Urnierenglomeruli  intersegmental  angeordnet. 

8* 


116 


HOCHSTETTER, 


Bei  den  Säugern  entstehen  die  A.  renales  in  der  Regel  direkt  aus 
der  Aorta  erst  dann,  wenn  die  Nieren  bei  ihrer  Wanderung  ihre  definitive 
Lage   in    der  Lendengegend    erreicht  haben  (Hochstetter  A,  1891). 


Entwickelung  des  Venensystems. 

Selachier. 

V.  0  m  p  h  a  1 0  -  m  e  s  e  n  t  e  r  i  c  a  e  und  V.  s  u  b  i  n  t  e  s  t  i  n  a  11  s.  Die 
ersten  bei  den  Selachiern  auftretenden  Venenstämme  sind  die  ur- 
sprünglich gleich  starken  V.  omphalo  -  mesentericae  (P.  Mayer  A. 
1886  —  87,  Rabl  1892).  Sie  wurzeln  in  der  Dottersack-  und  Darmwand 
und  münden  vereinigt  in  das  caudale  Ende  des  Herzschlauches  (Fig.  125). 
—  Die  linke  Vene  wird  bald  etwas  stärker  als  die  rechte  und  wächst  an 


Vom]         \y„, 


Fig.  125. 


V'f.^ 


Vc  p. 


V.s.i. 


\Vcau 

Fig.  127. 


V.oa. 


Fig.  126. 


I  VcaU" 


Fig.  128. 


V.c.a.. 


iV.el. 


V.rl 


130. 


Fig.  125- 
der 


-132.  Schemata,  die  Entwicke- 
lung der  Hauptvenenstämme  der  Se- 
lachier darstellendi^etwas  modifiziert), nach 
Rabl.  V.o.m.  V.  omphalo  mesenterica.  V.v. 
V.  vitellina.  ]'.s.i.  V.  subintestinalis.  V.cau. 
V.  caudalivS.  V.c.a.  V.  cardinalis  anterior. 
V.c/).  V.  cardinalis  posterior.     V..^]}.  V.  der 


.c.p.  V.  caramaiis  p 
Spiralfalte.  V.c.l.  V. 
V.  subclavia.      V.i.r 


capitis  lateralis. 
V.  interreualis. 


t: 


der  Seite  des  Dotterstieles  caudal- 
wärts,  bis  sie  an  der  hinteren  Darm- 
pforte vorbei  in  einen  ventral  vom 
Darmrohre  gelegenen  weiten  Venen- 
sack übergeht,  welcher  die  mächtige 
linke  Dottervene  aufnimmt  und  der 
sich  dann  noch  weiter  caudalwärts  in 
zwei  ebenfalls  ventral  vom  Darme 
gelegene,  schwächere  Venen  fort- 
setzt,    die    mehrfach     miteinander 


Fig.  131 


Die  Entwickelung  des  Blutgefäßsj^stems.  117 

anastoniosieren  (Fi.g.  12(3)^).  —  Diese  beiden  Venen  verschmelzen  in 
der  Folge  miteinander  zn  einem  einfachen  Venenstamme,  der  mit 
dem  Venensack  zusammen  die  V.  subintestinalis  der  Autoren  bildet. 
Nur  in  der  Gegend  der  Kloake  bleibt  die  Verschmelzung  aus,  so  daß 
hier  die  V.  subintestinalis  das  Kloakendivertikel  des  Darmes  mit  zwei 
Schenkeln  umfaßt  (Fig.  127). 

Ringbildungen  der  V.  omphalo!- mesentericae  und 
Entstehung  des  Pfortader  System  es  der  Leber.  Nun  ent- 
wickelt sich  zwischen  den  beiden  V.  omphalo-mesentericae  zuerst 
caudal  von  der  Mündung  des  Leberganges  in  den  Darm  eine  mäch- 
tige, ventral  vom  Darme  gelegene  Anastomose  und  etwas  später  eine 
zweite,  aber  schwächere  dorsal  vom  Darme  unmittelbar  caudal  von  der 
Pancreasanlage  "-).  —  So  kommt  es  zur  Ausbildung  eines  von  den  V. 
omphalo-mesentericae  gebildeten  Venenringes  um  den  Darm  (Fig. 
128) ,  in  dessen  linken  Schenkel  die  linke  Dottersackvene  mündet. 

Dieser  Venenring  hat  jedoch  nur  kurzen  Bestand.  Es  obliteriert 
nämlich  sein  linker  Schenkel  bis  zur  Mündung  der  linken  (nunmehr 
alleinigen)  Dottersackvene,  und  es  bildet  jetzt  sein  allein  erhalten  ge- 
bliebener caudaler  und  rechter  Schenkel  die  Fortsetzung  der  V.  sub- 
intestinalis, die  dort,  wo  sie  an  der  Dorsalseite  des  Darmes  vorüber- 
zieht, die  inzwischen  zur  Entwickelung  gekommene  Vene  der  Spiral- 
falte ^)  aufnimmt  (Fig.  129)  und  von  hier  an  nun  als  V.  portae 
bezeichnet  werden  kann.  —  Der  craniale  Schenkel  des  Venenringes  aber 
wird  zu  einer  Anastomose  zwischen  V.  portae  und  V.  vitellina, 
während  die  durch  die  Leber  verlaufenden  Abschnitte  der  beiden 
V.  omphalo-mesentericae  in  diesem  Organe  größtenteils  in  ein  Venen- 
netz zerfallen  und  nur  in  ihren  distalen  und  proximalen  Abschnitten 
als  V.  hepaticae  advehentes  und  revehentes  erhalten  bleiben  (Fig.  129). 
Auf  diese  Weise  entsteht  der  Pfortaderkreislauf  der  Leber,  welchem 
Organe  somit  sowohl  vom  Darme  her  durch  die  V.  portae,  als  auch  vom 
Dottersacke  durch  die  V.  vitellina  Blut  zugeführt  wird. 

V.  cardinales.  Noch  bevor  aber  die  geschilderten  Verände- 
rungen an  dem  Systeme  der  Darmdottersackvenen  Platz  gegriffen  haben, 
treten  im  Körper  des  Embryo  selbst  2  neue  Venenpaare  auf,  die 
wir  als  V.  cardinales  bezeichnen  und  die  in  ähnlicher  Weise,  wie  bei 
den    Selachiern,    bei    allen    Wirbeltieren    zur    Entwickelung    kommen. 

D.  Cu Vieri.  Die  V.  cardinales  anteriores,  welche  zuerst  auf- 
treten, sammeln  das  Blut  aus  dem  Kopfe  und  vereinigen  sich  mit 
den  etwas  später  auftretenden  V.  cardinales  posteriores,  die  das  Blut 
aus  den  Rumpfwandungen  und  aus  den  an  die  letzteren  angeschlossenen 
Organen  abführen,  zu  den  beiden  Ductus  Cuvieri  (Fig.  128,  129),  die 
auf  dem  Wege  des  Mesocardium  laterale  den  Sinus  venosus  erreichen 
und  diesem  so  das  Körpervenenblut  zuführen. 


1)  Eine  caudale  Fortsetzung  der  rechten  V.  omphalo-mesenterica  bis  zum 
Venensack,  wie  sie  P.  Mayer  (A.  1886—87)  annimmt,  kommt  weder  bei  Pristiurus 
(Rabl  1892)  noch  bei  Acanthias  (C.  K.  Hofmakn  1893)  zur  Entwickelung. 

2)  Die  Bildung  dieser  Anastomose  unterbleibt  bei  Pristiurus. 

3)  Diese  Vene  entsteht  somit  selbständig  und  nicht,  wie  dieses  früher  (Balfour 
A.  L.  III.  3,  1878)  angenommen  wurde,  aus  der  V.  subintestinalis. 


118  HOCHSTETTER, 

Y.  caudalis.  Die  Venae  cardinales  posteriores  verlängern  sich 
sehr  rasch  candahvärts.  —  Gleichzeitig  bildet  sich  der  Schwanzdarm 
zurück,  und  die  V.  subintestinalis  wird  nun  in  ihrem  Schwanzabschnitte, 
indem  sie  sich  der  Aorta  caudalis  anlegt,  zur  V.  caudalis.  Diese 
setzt  sich  hierauf  in  der  Gegend  der  Kloake  durch  2  Anastomosen 
mit  den  Enden  der  V.  cardinales  posteriores  in  A'erbindung  (Fig.  130) 
und  verliert  ihren  Zusammenhang  mit  der  \.  subintestinalis,  so  daß 
jetzt  alles  Blut  aus  dem  Schwänze  in  die  V.  cardinales  posteriores 
abfließt.  —  Die  Caudalvene  wächst  aber  dann  ventral  vom  Interrenal- 
körper  crauialwärts  noch  weiter  fort,  wobei,  wie  Rabl  (1892)  angiebt, 
quere,  ventral  vom  Interrenalkörper  verlaufende  Anastomosen  zwischen 
den  caudalen  Abschnitten  der  V.  cardinales  posteriores  eine  ver- 
mittelnde Rolle   zu  spielen  scheinen  (Fig.  131). 

V.  in ter renalis.  So  entsteht  als  craniale  Fortsetzung  der  V- 
caudalis  die  Interrenalvene  (Rabl  (1892).Es  erweitert  sich  nun  das 
caudalste  Anastomosenpaar  zwischen  Caudalvene  und  V.  cardinales 
l»ost.  und  das  cranialste  zwischen  Interrenalvene  und  diesen  Venen, 
während  der  caudalste  Abschnitt  der  \.  interrenalis  immer  schwächer 
wird  und  ebenso  schwindet,  wie  der  unmittelbar  caudal  von  dem  vor- 
dersten Anastomosenpaar  befindliche  Abschnitt  der  hinteren  Cardinal- 
venen. 

Bildung  des  Pf  or  tader  Systems  der  Nieren.  So  muß 
nun  alles  aus  der  Caudalvene  den  hinteren  nunmehr  selbständig 
gewordenen  Abschnitten  der  V.  cardinales  p.  zuströmende  Blut  das 
aus  den  Anastomosen  des  früheren  Entwickelungsstadiums  ent- 
standene Venennetz  der  Niere  passieren,  um  in  die  Interrenalvene 
und  in  die  vorderen  Abschnitte  der  hinteren  Cardinalvene  zu  gelangen, 
und  es  ist  auf  diese  Weise  das  Pfortadernetz  der  Niere  entstanden 
(Fig.  132). 

Car  dinalvenen  sinu  s.  Später  verschmelzen  dann  noch  die 
beiden  hinteren  Cardinalveuen  cranial  von  den  Nieren  miteinander  und 
bilden  weiter,  bevor  sie  in  den  D.  Cuvieri  münden,  jederseits  eine  Er- 
weiterung, den  sogenannten  Cardinalvenensinus,  in  dessen  cranialsten 
Abschnitt  die  V.  subclavia  mündet  (Fig.  132). 

Leberveuen  sinus.  Aehnliche  sinusartige  Eweiterungen  ent- 
wickeln sich  auch,  und  zwar  noch  innerhalb  der  Leber,  an  den  beiden 
V.  hepaticae  revehentes. 

Parietalvenen.  Zu  den  Venen  des  Rumpfabschnittes  zählen 
auch  noch  die  verhältnismäßig  spät  zur  Entwickelung  gelangenden 
Parietal-  oder  Seitenvenen  (Rabl  1892).  Sie  kommen  aus  der  Gegend 
der  Bauchflossen  und  münden  direkt  in  die  D.  Cuvieri. 

Die  V.  cardinales  anteriores  und  die  V.  capitis  late- 
rales. Die  V.  cardinales  anteriores  liegen  kurz  nach  ihrem  Auftreten  an 
der  medialen  Seite  der  Ganglien  des  Trigeminus,  Acustico-facialis,  der 
Wurzeln  der  N.  glossopharyngeus  und  vagus  sowie  des  Gehörbläschens. 
Weiter  candahvärts  verlaufen  sie  an  der  Seite  der  Chorda  und  der 
Aorta.  —  Bald  entwickelt  sich  jedoch  neben  ihnen,  lateral  und  etwas 
ventral  vom  Gehörbläschen  jederseits  eine  zweite  Vene,  die  sich  noch 
über  dem  Kiemendarm  mit  der  vorderen  Cardinalvene  vereinigt.  Diese 
Vene  (V.  capitis  lateralis),  welche  rasch  an  Mächtigkeit  gewinnt,  ver- 
läuft  dann   lateral   von   den   Ganglien    und  Wurzeln    der   Hirnnerven 


Die  Entwickelung  des  Blutgefäßsystems. 


119 


und  wird  schließlich  zur  Hauptvene  des  Kopfes,  während  die  ursprüng- 
liche Venenbahn  größtenteils  schwindet  (Rabl  1892). 

Die  Entwickelung  des  D  o  1 1  e  r  s  a  c  k  k  r  e  i  s  1  a  u  f  e  s  der  S  e  - 
1  a  c  h  i  e  r.  Das  erste  Gefäß,  welches  auf  dem  Dottersacke  der  Selachier 
sichtbar  wird,  ist  nach  Balfour  die  einfache  Dottersackarterie ^j, 
welche  an  der  rechten  Seite  des  Embryo  aus  dem  Nabel  hervorkommt, 
geradeaus  gegen  den  vorderen  Pol  des  I31astoderms  zieht,  um  sich  nach 
kurzem  Verlauf  in  2  Aeste  zu  gabeln,  die  nach  rückwärts  zu  um- 
biegen (Fig.  133).  —  Später,  wenn  das  Blastoderm  den  Dotter  bis  auf 
eine  kleine  Partie  (Fig.  134*)  umwachsen  hat,  haben  sich  diese  beiden 
Aeste  nach  rückwärts  verlängert  und  einen  Ring  gebildet,  von  dem 
zahlreiche,   ein  Netz  bildende  Zweige   ausgehen ,   aus   denen   das  Blut 


q' 


Fig.  133. 


Fiff.  134. 


Fig.  135. 


Fig.  136. 


Fig.  133—136.    Schema,   die   Entwickelung   des   Dottersackkreislaufes  bei  den 
S|e|lacliiern  darstellend,  nach  Balfouk. 

in  die  V.  vitellina  abströmt.  Diese  Vene  bildet,  indem  sie  sich  nach 
rückwärts  zu  gabelt,  mit  ihren  beiden  Aesten,  entsprechend  dem  Um- 
wachsungsrand,  einen  Ring  (Fig.  134).  Noch  später  verschwindet 
dieser  Ring,  indem  die  beiden  ihn  bildenden  Aeste  der  V.  vitellina 
verschmelzen  (Fig.  135).  Schließlich  hört  auch  der  arterielle  Ringsinus 
zu  bestehen  auf,  und  es  wird  der  ganze  Dottersack  von  einem  reich- 
maschigen  Gefäßnetz  überzogen,  dem  das  Blut  durch  die  einfache,  gegen 
den  vorderen  Dottersackpol  zu  ziehende,  rasch  sich  verästelnde  Dotter- 
sackarterie zugeführt  wird  (Fig.  136),  während  die  an  der  ventralen 
Seite  des  Dottersackes  entstehende  einfache  Dottersackvene  das  Blut 
aus  dem  Gefäßnetze  des  Dottersackes  wieder  ableitet  (Balfour  A.  L. 
III  3,  1878). 

Cyclostomen. 

Die  Darmlebervenen  und  die  V.  subintestinalis.  Bei 
Petromyzon  fluviatilis  sind  die  ersten  auftretenden  Venen  die  vom 
Sinus  venosus  aus  entstehenden  Darmlebervenen  (Goette  A.  L.  III 
2.  1890).  Sie  entsprechen  den  V.  omphalo-mesentericae  der  Selachier. 
Zunächst  bilden  sie  rechts  und  links  von  den  Leberschläuchen  wan- 
dungslose Lakunen  und  gehen,  caudalwärts  sich  vereinigend,  auf  die 
ventrale  Fläche  des  Darmes  über,  wo  sie  einen  mächtigen  Venenstamm, 
die  V.  subintestinaKs  bilden  (Fig.  137),  die  ebenso  wie  die  Darmleber- 


1)    Nach  H.  ViRCHOw  (A.  1895)   ist  diese  Arterie   zuerst   paarig  augelegt,  und 
verschmelzen  die  paarigen  Anlagen  erst  sekundär  zu  einem  unpaaren  Stamme. 


120 


HOCHSTETTER, 


veuen  erst  später  eine  epitheliale  AVandiing  erhält  (Goette  A.  L.  III 
2,  1890).  —  Etwas  später  als  diese  Venen  treten  die  V.  cardinales  anf. 

V.  cardinales  nnd  D.  Cnvieri.  Sie  erscheinen  als  schwache 
Zweige  der  cranialen  Endstrecke  der  Darmlebervene  nnd  münden 
znnächst  noch  unabhängig  voneinander,  durch  das  Mesocardium  laterale 
(Goette's  Parietalgekröse)  an  die  Darmlebervene  herankommend,  in 
die  letztere  (Fig.  137).  —  Erst  später  rücken  die  Mündungen  der  vor- 
deren und  hinteren  Cardinalvene  zusammen  und  bilden,  miteinander 
verschmelzend,  den  anfänglich  ganz  kurzen  Ductus  Cuvieri  (Fig.  138).  — 
In  dieser  Entwickelungsperiode  durchströmt  das  Blut  der  V.  cardinalis 
anterior,  bevor  es  in  den  D.  Cuvieri  gelangt,  die  Kopfniere.  —  Später 
kommt  es  dazu,  daß  dieses  Organ  infolge  eingetretener  Wachstums- 
verschiebungen in  den  D.  Cuvieri  hineinragt. 

V.  jugularis   impar.     Frühzeitig   tritt   auch   die 
impar  auf,  ein  Gefäß,  welches  in  der  ventralen  Leibeswand 
und  Herzgegend  verläuft   und   den  Sinus  venosus    durch 
Lebergekröse  erreicht. 

Bildung  des  Pf  or  t  ad  er  kr  eislau  f  es  der  Leber 


V.  jugularis 
der  Kiemen- 
das  ventrale 


Infolge 
nun  im  weiteren  Ver- 


V.c.a 


V.c.cu 


V.c.p. 


der  Abschntirung   der  Leber  vom  Darme  giebt 

laufe  der  Entwickelung  die  linke  Darmlebervene  ihre  Verbindung  jnit  der 

V.  subintestinalis  auf,  während 
die  rechte  Vene  innerhalb  der 
Leber  in  ein  Venennetz  zerfällt. 
—  Die  proximalen  Abschnitte  der 
Darmlebervenen  werden  hierauf 
zu  den  V.  hepaticae  revehentes 
(Fig.  138),  denen  sich  später  noch 
eine  dritte  V.  hepatica  revehens 
zugesellt,  die,  bevor  sie  in  den 
Sinus  venosus  mündet , 
jugularis  impar  aufnimmt 
caudal  von  der  Leber 
bleibende  Abschnitt  der 
Darmlebervene  aber  wird  zur 
Pfortader,  deren  Hauptwurzel  die 
V.  subintestinalis  bildet. 

L  a  g  e  V  e  r  ä  n  d  e  r  u  n  g  de  r 
V.  subintestinalis.  Diese 
schnürt  sich  allmählich  vom  Darm 


die   V. 
—  Der 
übrig 
rechten 


Fig.  137.  Fig.  138. 

Fig.  137.  Schema  des  Verhaltens  der 
ersten  Venenstämme  zum  Sinus  venosus 
bei  Petromyzon  nach  Goette.  Buchstaben- 
bezeichnung wie  bei  den  früheren  Figuren. 

Fig.  138.  Schema  des  Verhaltens  der 
großen  Venenstämme  bei  einem  jungen 
Ammocoetes,  nachdem  der  Pfortader- 
kreislauf der  Leber  gebildet  ist ,  nach 
Goette. 

ab  und  wird  zu  gleicher  Zeit  mit 
ihm  so  gedreht,  daß  sie  ihre  ursprüngliche,  ventrale  Lage  aufgiebt  und 
an  die  rechte  Seite  des  Darmes  zu  liegen  kommt. 

Venen  der  Spiralfalte.  Außerdem  bildet  sich  noch  eine 
zweite  Wurzel  der  Pfortader  in  der  Vene  der  Spiralfalte  aus,  die  der 
V.  subintestinalis  stets  gegenüberliegt.  Diese  Vene  ist  somit  ebenso- 
wenig wie  die  gleichnamige  der  Selachier  ein  Derivat  der  V.  sub- 
intestinalis. 


Rückbildung 


des    linken    Ductus    Cuvieri. 


Auch  die 
Körpervenen  behalten  ihre  ursprüngliche,  symmetrische  Anordnung 
nicht  vollständig  bei.  Vielmehr  entsteht  zwischen  den  beiden  D.  Cuvieri 
eine  breite,  ventral  von  der  Aorta  gelagerte  Anastomose,  die  das  Blut 


Die  Eatwickelung  des  Blutgefäßsystems.  121 

der   linken  Cardinalveuen  dem    rechten   D.  Cuvieri   zuführt,    während 
sich  gleichzeitig  der  linke  D.  Cuvieri  vollständig  zurückbildet. 

Teleostier. 

V.  subintestinalis.  Auch  bei  den  Knochenfischen  sind  die 
ersten  auftretenden  Venen  die  Darmdottersackvenen.  Sie  wurzeln  in  der 
V.  subintestinalis,  die  im  Schwänze  aus  der  an  ihrem  Ende  ventral- 
wärts  umbiegenden  Aorta  caudalis  beginnt  und  an  der  Kloake  vorbei 
eine  kurze  Strecke  weit  an  der  Ventralseite  des  Darmes  verläuft,  um 
dann  auf  den  Dottersack  überzugehen. 

V.  vitellina  media.  Hier  setzt  sie  sich  entweder  in  ein  median 
über  die  Dotterkugel  dem  Herzen  zustrebendes  Gefäß,  die  V.  vitellina 
media,  fort  (Fig.  139),  wie  bei  Belone  (Wenckebach  A.  L.  III  4,  18<S6*, 
(Ziegler  A.  1887,  Ziegenhagen  A.  1896),  Esox,  Syngnathus 
Ziegler  A.  1887),  Gobius  (Ziegler  A.  1887,  Ziegenhagen  A.  1896), 
Hippocampus  (Ziegenhagen  A.  189(3)  u.  a.,  oder  es  teilt  sich,  wie 
bei  Salmo,  der  Strom  der  V.  subintestinalis  in  zwei  Ströme  (Ziegler 
A.  1887,  Hochstetter  1888),  die  seitlich  vom  Embryo  im  Bogen 
dem  caudalen  Herzende  zustreben  ^). 
Diese  beiden  Venen  werden  auch  als 
Randveuen   bezeichnet,    weil    sie   später  '/' 

durch   längere  Zeit    den  gefäßfreien  Teil  /         / 

des  Dottersackes  begrenzen. 

Fig.    139.      Gefäßsystem    eines    Gobius- 
Embryo  nach    Wexckebach.     .4.   Aorta.     R. 
Herz.   V.c.a.  V.  cardinalis  anterior.     V.s.i.  V.  sub- 
intestinalis anterior.      V.v.m.  V.  vitellina    media.  V.v.m. 
D.a  D.  Cuvieri. 

V.  c  a  r  d  i  n  a  1  e  s  und  S  t  a  m  m  v  e  n  e.  Später  als  diese  Venen 
treten  die  Körpervenen  auf.  Die  V.  cardinales  posteriores  sind  zwar 
als  paarige  Zellstränge  angelegt,  verschmelzen  aber  (Ziegler  A.  1887), 
noch  bevor  sie  hohl  werden,  zur  einheitlichen  Stammvene,  die  sich 
erst  caudal  von  den  Kopfnieren  in  die  beiden  hinteren  Cardinalveuen 
gabelt.  —  Hier  bleiben  aber  die  paarigen  Anlagen  getrennt  und  zerfallen 
in  den  A'ornieren  in  ein  Gefäßnetz,  aus  dem  sie  wieder  als  einfache 
Stämme  hervorgehend  sich  mit  den  V.  cardinales  anteriores  zu  den 
D.  Cuvieri  vereinigen,  die  ihrerseits  wieder  in  die  Sinusabteilung  des 
Herzens  münden.  Während  diese  Mündung  bei  den  meisten  Knochen- 
fischembryonen unmittelbar  erfolgt,  setzen  sich  bei  Belone,  wegen  der 
eigentümlichen  Lage,  die  das  Herz  in  frühen  Entwickelungsstadien  bei 
dieser  Form  einnimmt,  indem  es  infolge  der  mächtigen  Entwickelung 
des  Dotterorganes  sein  Venenende  nach  vorne  kehrt,  die  beiden 
D.  Cuvieri  2)  auf  den  Dottersack  fort,  um  in  flachem  Bogen  das  ^'enen- 


1)  Doch  kommt  gelegenthch  bei  Salmo  salvelinus  und  fario  nur  die  linke  Dottersack 
venezur  Entwickelung  (Hochstetter  1888),  während  bei  Corregonus  palea  nach  Vogt 
zwar  beide  Venen  angelegt  werden,  aber  die  linke  frühzeitig  wieder  schwindet. 

2)  Wenckebach  (A.  L.  III  4,  1887)  hat  diese  beiden  Venen  als  Randvenen  be- 
zeichnet, und  auch  Ziegenhaüen  hat  diesen  Namen  für  sie  gebraucht.  Ziegler 
(1887)  hat  jedoch  bereits  das  Wesen  dieser  Gefäße  richtig  erkannt  und  sie  als 
D.  Cuvieri  bezeichnet. 


122  HOCHSTETTER, 

ende  des  Herzens  zu  erreichen.  Aehnlich  liegen  auch  die  Dinge  bei 
Gobius  (Ziegenhagen  A.  1806)  [Fig.  139].  nur  daß  hier  die  Ductus 
Cuvieri,  da  sich  auf  dem  Dottersacke  ein  Gefäßnetz  nicht  entwickelt 
und  die  V.  vitellina  media  stets  das  einzige  Dotter sackgefäß  bleibt,  in 
keine  Beziehung  zur  Entwickelung  des  Dottersack-Gefäßnetzes  treten. 

Weiterentwickeln  ng  der  Dotter  sackcirkulation  bei 
Salmo.  Mit  der  weiteren  Ausbildung  des  Schwanzes  verlängert  sich 
die  Wurzel  der  \.  subintestinalis  caudalwärts  und  kann  bis  zur  Kloake 
als  V.  caudalis  bezeichnet  werden.  —  Bei  Salmo  entwickelt  sich  dann 
von  der  Stelle  aus,  an  welcher  die  V.  subintestinalis  auf  den  Dotter- 
sack übergeht,  ein  Gefäßnetz  auf  dem  letzteren,  welches  sich  an  den 
Randvenen  begrenzt,  und  diese  rücken  auf  dem  Dottersack  immer 
weiter  vor  (Fig.  140,  141),  überschreiten  seinen  Aequator  und  be- 
grenzen schließlich  nur  noch  ein  kleines,  ventral  vom  Kopfe  gelegenes, 
gefäßfreies  Feld.  —  Hierauf  bildet  sich  die  rechte  Raudvene  zurück,  in- 
dem auch  in  dem  früher  gefäßfreien  Felde  Venenbahnen  auftreten  und 
die  linke  Randvene  bleibt  nunmehr  als  alleinige  abführende  Dotter- 
sackvene übrig  und  verlängert  sich  caudalwärts,  indem  bestimmte,  sich 
ausweitende  A'enenreiserchen  des  Dottersackgefäßnetzes  ihre  caudale 
Fortsetzung  bilden  (Ziegenhagen  A.  1896). 

Aenderungen  in  der  Abfluß  bahn  der  V.  subintesti- 
nalisund  Entwickelung  desPfortad  er  Systems  der  Leber. 
Lange  bevor  jedoch  die  Ausbildung  dieser  einfachen  abführenden 
V.  vitellina  vollendet  ist,  stellen  sich  neue  Beziehungen  der  V.  sub- 
intestinalis her.  —  Wie  Ziegenhagen  (A.  1894)  gezeigt  hat,  mündet 
nämlich  ein  Ast  der  A.  raesenterica,  welcher  der  Dorsalseite  des 
Darmes  folgt,  in  die  V.  subintestinalis  dort,  wo  sie  auf  den  Dotter- 
sack übergeht,  während  andere  Aeste  dieser  Arterie  zur  Leber  ziehen, 


Fig.  140.  Fig.  141.  Fig.  142. 

Fi s:.  140 — 142.    Entwickelung  der  Dottersackcirkulation  bei  der  Forelle. 
(Schema.) 

deren  Blut  von  der  Leber  aus  in  mehreren  Venenreiserchen  dem  Dotter- 
sackgefäßnetz zuströmt.  Nun  kehrt  sich  in  einem  bestimmten  Zeitpunkte 
der  Blutstrom  in  dieser  in  die  V.  subintestinalis  mündenden  Arterie  um, 
und  es  geht  das  Blut  der  V.  subintestinalis  nicht  mehr  ausschließlich  direkt 
auf  den  Dottersack  über,  sondern  strömt  auch  der  Leber  zu  und  ge- 
langt erst  durch  diese  hindurch  auf  den  Dottersack.  —  Schließlich  ver- 
liert die  V.  subintestinalis  (Fig.  142)  die  direkte  ^'erbindung  mit  dem 
Dottersackgefäßnetze  vollständig  und  verläuft  von  der  ventralen  Seite 
des  Darmes  aus,  an  seiner  linken  und  dorsalen  vorbei  zur  Leber, 
deren  Gefäßnetz  sie  jetzt  das  Blut  zuführt.     Das  Gefäßnetz  des  Dotter- 


Die  Entwickelung  des  Blutgefäßsj^stems,  123 

sackes  aber  wird  nun  ausschließlich  durch  die  aus  der  Leber  hervor- 
tretenden Venen  mit  Blut  versorgt  (Fig.  142). 

Verbindung  der  V.  caudalis  mit  der  Stammvene. 
Während  sich  die  geschilderten  Verhältnisse  herstellen,  tritt  auch  die 
Caudalvene  in  Verbindung  mit  der  Stammvene,  deren  Wurzel  sie 
nun  bildet  und  verliert  ihren  Zusammenhang  mit  der  V.  subintesti- 
nalis.  —  Darüber,  wie  bei  Salmo  mit  der  Rückbildung  die  Dottersack- 
venen schwinden  und  wie  sich  dann  die  V.  hepaticae  revehentes  der 
fertigen  Form  entwickeln,  ist  bis  jetzt  nichts  bekannt  geworden. 

Wesentlich  anders  als  bei  Salmo  gestalten  sich  die  Verhältnisse 
bei  allen  jenen  Knochenfischembryonen ,  die  eine  V.  vitellina  media 
besitzen  und  bei  denen  sich  ein  Gefäßnetz  auf  dem  Dottersack  entwickelt. 

Dotter  sack  cirkulation  bei  Per  ca.  Bei  Perca  (Ziegler 
A.  1887)  stellen  sich  ähnliche  Verhältnisse  der  V.  subintestinalis  zur 
Leber  her  wie  bei  Salmo.  —  Die  V.  vitellina  media  schwindet  und  das 
aus  der  Leber  in  das  nur  linkerseits  entwickelte  Gefäßnetz  des  Dotter- 
sackes strömende  Blut  sammelt  sich  in  einer  Vene,  die  der  linken 
Randvene  von  Salmo  entspricht. 

DottersackcirkulationbeiBelone.  Bei  Belone  entwickelt 
sich  das  Gefäßnetz  auf  dem  Dottersacke  (Ziegenhagen  A.  1896)  aus  den 
beiden  D.  Cuvieri ,  die  in  ein  Gefäßnetz  zerfallen ,  welches  mit  der 
V.  vitellina  media  in  Verbindung  tritt  und  den  ganzen  Dottersack 
überzieht.  —  An  dieses  Netz  schließen  sich  die  aus  der  Leber  hervor- 
kommenden Venen  an.  Die  V.  subintestinalis  scheint  jedoch  ihre  Be- 
ziehung zur  V.  vitellina  media  beizubehalten. 

Bildung  d  e  s  P  f  0  r  t  a  d  e  r  s  y  s  t  e  m  s  b  e  i  G  o  b  i  u  s.  Bei  Gobius, 
bei  welchem  die  Leber  an  der  hinteren  Peripherie  des  Dottersackes 
gelegen  ist  (Ziegenhagen  A.  1896),  senkt  sich  die  V.  subinte- 
stinalis bei  ihrem  Uebergang  auf  den  Dottersack  in  die  Leber  ein 
und  löst  sich  später  in  derselben  in  ein  Gefäßnetz  auf,  dessen  ab- 
führende Vene  in  die  V.  vitellina  media  übergeht,  die  schließlich,  nach- 
dem der  Dottersack  geschwunden  ist,   zur  V.  hepatica  revehens  wird. 

V.  subintestinalis  von  H  i  p  p  o  c  a  m  p  u  s  und  S  y  n  g  n  a  t  h  u  s. 
Bei  Hippocampus  (Ziegenhagen  A.  1896)  und  Syngnathus  (Ziegler 
A.  1872)  steht  die  V.  subintestinalis  in  gar  keiner  direkten  Beziehung 
zur  Leber,  und  das  aus  diesem  Organ  abströmende  Blut  wird  dem 
Herzen  durch  eine  kurze  V.  hepatica  revehens  zugeführt. 

Die  Gestaltung  des  Dottersackkreislaufes  ist  somit  bei  den  ver- 
schiedenen Knochenfischen  eine  recht  verschiedene.  Immer  aber  ist 
dieser  Kreislauf  ein  rein  venöser  und  zeigt  sich  dadurch  als  wesent- 
lich verschieden  von  dem  Dottersackkreislauf  der  Selachier. 

Bezüglich  der  Umgestaltungen,  welche  sich  bei  den  Embryonen 
der  Teleostier  im  Gebiete  der  Körpervenen  vollziehen,  sind  unsere 
Kenntnisse  noch  recht  mangelhafte,  da  wir  weder  wissen,  ob,  wie  bei 
den  Selachiern  und  anderen  Wirbeltieren ,  an  Stelle  der  primären 
Venenbahn  des  Kopfes  eine  sekundäre  tritt,  noch  auch  Kenntnis  da- 
von haljeii,  wie  sich  das  Pfortadersystem  der  Nieren  entwickelt. 

Amphibien. 

Die  D  0 1 1  e  r  d  a  r  m  V  e  n  e  n.  Auch  l)ei  den  Am[)hibien  kommen 
zwei  Dottersackvenen   zur  Entwickelung  (Goette  A.  L.  III  7,  187(3, 


124  HOCHSTETTER. 

Brächet  A.  1898,  Choronshitzky  1900).  Sie  kommen  von  der 
ventralen  Fläche  des  Dottersackes  her  und  verlaufen  zu  beiden  Seiten 
an  der  Leberausstülpung  des  Darmes  vorbei  zum  Sinus  venosus. 

Urodelen, 

E  n  t  w  i  c  k  e  1  u  n  g  d  e  s  L  e  b  e  r  -  P  f  0  r  t  a  d  e  r  k  r  e  i  s  1  a  u  f  e  s.  Bei  den 
Urodelen  ist  die  rechte  Vene  von  vorne  herein  viel  schwächer  angelegt 
als  die  linke  und  obliteriert  frühzeitig  (Choronshitzky  A.  1900).  So 
bleibt  nur  die  linke  Dotterdarmvene  erhalten.  —  Dieselbe  liegt  während 
ihres  Verlaufes  über  den  Dottersack  ziemlich  genau  in  der  Mitte  und 
kann  in  diesem  Abschnitte  ihres  Verlaufes  als  ein  Homologon  der  V. 
subintestinalis  der  Fische  betrachtet  werden.  —  Cranial  von  der  Mün- 
dung des  Leberganges  in  den  Darm  mündet  in  sie  die  schon  früh- 
zeitig auftretende  V.  mesenterica.  Nun  zerfällt  in  der  Folge  der 
cranial  von  dieser  Einmündungsstelle  befindliche  Abschnitt  der  Dotter- 
darmvene zwischen  den  sich  entwickelnden  Leberbalken  in  ein  Gefäß- 
netz, und  es  entsteht  so  das  Pfortadersystem  der  Leber.  —  Die  V. 
mesenterica  gewinnt  an  Mächtigkeit,  w^ährend  die  Dotterdarmvene  nach 
dem  Schwinden  des  Dottermaterials  zu  der  an  der  ventralen  Wand 
des  Anfangsabschnittes  des  Dünndarms  verlaufenden  kleinen  Rus- 
coNi'schen  Vene  wird^). 

Entwickelung  des  Leb  er -Pfortader  kr  eislaufe  s  der 
Anuren.  Bei  den  Anuren  (Goette  A.  L.  III,  7,  1875)  zerfallen  beide 
Dotterdarmvenen  innerhalb  der  Leber  in  ein  Gefäßnetz.  Nur  ihre 
proximalsten  Abschnitte  erhalten  sich  als  V.  hepaticae  revehentes  und 
verschmelzen  erst  spät  zu  einem  einheitlichen  Gefäßstamm ,  der  als 
Endabschnitt  der  V.  cava  posterior  aus  der  Leber  hervorkommt.  —  Der 
caudal  von  der  Leber  befindliche  Teil  der  rechten  Dotterdarmvene 
geht  vollständig  verloren,  während  sich  aus  dem  der  Leber  zunächst 
gelegenen  Abschnitt  der  linken  die  V.  portae  entwickelt. 

Entwickelung  des  L  e  1)  e  r  p  f  o  r  t  a  d  e  r  k  r  e  i  s  1  a  u  f  e  s  bei 
den  Gymnophionen.  Nach  Brauer  (A.  1902)  bestehen  auch  bei 
Hypogeophis  ursprünglich  zwei  Dotterdarmvenen,  —  Dieselben  ver- 
schmelzen vom  Sinus  venosus  aus  caudalwärts,  bis  an  das  caudale 
Ende  der  Leber,  zu  einem  unpaaren  Stamme,  der  rechterseits  an  der 
Oberfläche  dieses  Organes  verläuft.  —  Am  caudalen  Ende  der  Leber 
entstehen  aus  diesem  Stamme  zwei  secundäre  Aeste.  —  Der  eine 
von  diesen  tritt  in  Verbindung  mit  der  rechten  hinteren  Cardinalvene, 
während  der  andere,  in  die  Leber  eindringend,  cranialwärts  verläuft 
und  sich  in  der  Leber  verzweigt.  —  Dieser  zweite  Stamm  bildet  die 
Anlage  der  Pfortader.  —  Seine  Ausmündung  verschiebt  sich  später 
caudalwärts  bis  in  die  unmittelbare  Nachbarschaft  der  Züsammen- 
riußstelle  der  beiden  Dotterdarmvenen.  —  Gleichzeitig  wird  die  rechte 
Dotterdarmvene  immer  schwächer  und  schwindet  schließlich  vollständig. 


1)  Nach  Choronshitzky  (A.  1900)  sollen  die  beiden  Dotterdarmvenen  vor  ihrer 
Mündung  in  den  Sinus  venosus  miteinander  verschmelzen  und  so  einen  kurzen 
Ductus  venosus  bilden,  aus  dem  sich  dann  das  Gefäßnetz  der  Leber  entwickeln 
würde.  Die  V.  mesenterica  soll  dabei  zunächst  in  die  rechte  Dotterdarmveiie 
münden,  nach  Obliteration  derselben  aber  mit  der  linken  Dotterdarmvene  zusammen  den 
Ductus  venosus  bilden.  Verfasser  konnte  weder  bei  Triton  noch  bei  Salamandra 
die  Existenz  eines  solchen  D.  venosus  nachweisen. 


Die  Entwickelung  des  Blutgefäßsystems. 


125 


verengert 


sich    der    durch    die 


Verschmelzimg 


der    beiden 


—    Nun 

Dotterdarmveuen  entstandene  Veueustamm  zwischen  den  Abgangs- 
stelleu der  Pfortader  und  des  Verbindungsastes  mit  der  rechten 
hinteren  Cardinalvene  und  indem  so  das  Blut  aus  der  nunmehr  allein 
erhaltenen  linken  Dotterdarmvene  in  die  Pfortader  ab-  und  durch  diese 
der  Leber  zuströmt,  kommt  es  schließlich  im  Bereiche  der  verengerten 
Stelle  zu  einer  vollständigen  Obliteration  des  Dotterdarmvenenstammes. 
dessen  proximaler  Abschnitt  jetzt  als  Leberabschnitt  der  hinteren 
Hohlvene,  nicht  nur  Blut  aus  der  rechten  hinteren  Cardinalvene  zu- 
geführt erhält,  sondern  auch  die  inzwischen  entstandenen  V.  hepaticae 
revehentes  aufnimmt.  —  So  gestaltet  sich  also  nach  Brauer  (A.  1902) 
die  Entwickelung  des  Leberpfortaderkreislaufes  bei  Hypogeophis  in 
wesentHch  anderer  Weise  als  bei  den  übrigen  Amphibien. 

V.  Cardinal  es  posteriores.  Die  V.  cardinales  posteriores, 
die  in  der  V.  caudalis  wurzeln ,  um  scheiden  bei  den  Urodelen  den 
Vornierengang  (Hochstetter  188!^) ,  während  sie  bei  den  Anuren 
(GoETTE  A.  L.  III,  7,  1875)  an  dessen  medialer  Seite  verlaufen.  —  Ihr 
Blut  durchströmt  bei  Urodelen  und  Anuren  bevor  sie  in  die  D.  Cuvieri 
münden,  indem  sie  zwischen  den  Vornierenschläuchen  in  ein  lacunäres 
Gefäßnetz  zerfallen ,  die  Vorniere.  —  Bei  den  Urodelen  erfolgt  dann 
während  der  weiteren  Entwickelung  im  Ge- 
biete der  ürnierenanlage  eine  Längsteilung 
der  V.  cardinales  posteriores  (Fig.  143),  und 
es  werden,  indem  sich  die  Urnierenkanälchen 
entwickeln,  die  so  entstandenen  medialen 
Schenkel  der  V.  cardinales  p.  gegeneinander 
gedrängt,  bis  sie  miteinander  verschmelzen. 


Vca 


Fig.  143.  Verhalten  der  Cardinalvenen  vor  dem 
Auftreten  der  liinteren  Hohlvene  bei  Salamandra. 
(Schema.)  Buchstabenbezeichnung  wie  bei  den 
Figuren  127  —  132. 

Fig.  144.  Verhalten  der  Hauptvenenstämme  von 
Salamandra  nach  dem  Auftreten  der  hinteren 
Hohlvene.  V.ca.-p.  V.  cava  posterior.  V.r.a.  V.  renalis 
advehens.     V.i.  V.  ischiadica. 


\.caA*. 


Vc£up 


Fig.  143. 


Fig.  144. 


Entwickelung  der  V.  cava  posterior  der  Urodelen. 
Indem  sich  nun  der  zwischen  den  beiden  Urnieren  gelegene  mediane 
Venenstamm  mit  einem  von  der  V.  hepatica  revehens  durch  die  Leber 
und  den  Hohlvenenabschnitt  des  rechten  Nebengekröses  herabwach- 
senden Venenzweig  verbindet,  der  sich  rasch  erweitert,  entsteht  die 
V.  cava  posterior,  deren  Urnierenabschnitt  nun  seine  Verbindung  mit 
der  V.  caudalis  verliert,  so  daß  das  Blut  aus  dieser  Vene  nunmehr 
ausschheßlich  in  den  lateralen  Schenkel  der  hinteren  Cardinalvene 
gelangt  (Fig.  144)  und  erst  von  diesem  aus  durch  das  Venennetz  der 
V.  cava  posterior  zugeführt  werden  kann.  In  den  nun- 
renalis  advehens  fungierenden  lateralen  Schenkel  der 
p.  mündet  nun  auch  außer  einer  Reihe  von  Venen  der 
Leibeswand  die  Hauptvene  der  Hintergliedmaße.  —  Die  cranial  von  der 
Urniere  befindlichen  Abschnitte  der  V.  cardinales  p.  persistieren  bei 
Salamandra  zeitlebens  und  stehen  dann  mit  der  hinteren  Hohlvene 
am  cranialen  Ende  der  Niere  in  Verbindung. 


Urniere   der 
mehr    als    V. 
V.  cardinalis 


126  HOCHSTETTER, 

E 11 1  w  i  c  k  e  1  u  n  g  der  hinteren  H  o  h  1  v  e  n  e  bei  d  e  n  A  n  u  r  e  n. 
Bei  den  Auuren  vollzieht  sich  nach  Goette  (A.  L.  III.  7,  1875)  und 
Shore  (1901)  die  Entwickelung  der  hinteren  Hohlvene  in  ganz  ähn- 
licher Weise  wie  bei  den  Urodelen.  —  DieUrnierenabschnitte  der  hinteren 
Cardinalvenen  nähern  sich  einander  und  verzchmelzen  schließlich  bis 
auf  ihre  caudalste  Strecke  miteinander,  durch  welchen  Vorgang  der 
üruierenabschnitt  der  hinteren  Hohlvene  gebildet  wird.  Vorher  schon 
aber  hat  sich  der  selbständig  entstehende  Abschnitt  der  hinteren  Hohl- 
vene  gebildet  und  mit  der  rechten  hinteren  Kardinalvene  unmittelbar 
cranial  von  der  Stelle  in  Verbindung  gesetzt,  bis  zu  welcher  die  Ver- 
schmelzung der  Urnierenabschnitte  der  Cardinalvenen  reicht.  Dieser 
selbständig  entstehende  Abschnitt  der  Hohlvene  soll  nach  Goette  bei 
Bombinator  vom  Sinus  venosus  aus  entstehen,  und  au  seine  Mündung 
in  den  letzteren  sollen  sich  erst  später  die  Lebervenen  anschließen.  — 
Nach  Shore  entwickelt  er  sich  beim  Frosch  von  der  linken  V.  hepatica 
revehens  aus.  Er  wächst  durch  die  Leber  und  das  rechte  Nebengekröse 
gegen  die  Urniere  herab. 

Die  Venen  der  Rumpfwand  sollen  dann  bei  Bombinator,  nachdem 
sie  vorher  direkt  in  die  hinteren  Cardinalvenen  mündeten,  nachdem 
die  Urnierenschläuche  entwickelt  sind,  zwischen  diesen  in  ein  Gefäß- 
netz zerfallen  und  am  lateralen  Rande  der  Urniere  durch  eine  Längs- 
anastomose  untereinander  in  Verbindung  treten,  in  die  auch  die  V.  iliaca 
mündet  und  die  sich  caudal  in  den  nicht  verschmolzenen  Abschnitt 
der  hinteren  Cardinalvene  fortsetzt. —  Nach  Shore  sollen  dagegen  beim 
Frosch  die  entstehenden  Urnierenschläuche  die  lateralen  Teile  des 
Urnierenabschnittes  der  hinteren  Hohlvene  gewissermaßen  durch- 
wachsen und  auf  diese  Weise  zwischen  ihnen  sinusartige  Venenräume 
entstehen,  die  am  lateralen  Rande  der  Urniereu  mit  einem  Längs- 
venenkanal, in  den  auch  die  V.  iliaca  einmündet,  abschließen,  aus  dem 
später  die  V.  renalis  advehens  hervorgeht.  —  Mit  dem  Schwunde  der 
Caudalvene  bilden  sich  schließlich  die  am  cranialen  und  caudalen  Pole 
der  Urnieren  noch  bestehenden  Verbindungen  zwischen  den  am  late- 
ralen Rande  der  Urnieren  gelegenen  Längsveneu  (V.  renales  advehentes) 
und  der  hinteren  Hohlvene  zurück,  und  es  stellen  sich  so  die  definitiven 
Verhältnisse  her. 

Die  hinteren  Cardinalvenen  und  die  Bildung  der 
hinteren  H  o  h  1  v  e  n  e  bei  den  G y  m  n  o  p  h  i  o  n  e  n.  —  Die  hinteren 
Cardinalvenen  erscheinen  bei  Hypogeophis  nach  Brauer  (A.  1902) 
zuerst  im  Gebiete  der  Vornieren,  wo  sie  dorsal  vom  Vornierengange 
verlaufen.  —  Später  verlängern  sich  diese  Gefäße  caudalwärts  von 
den  Vornieren  jederseits  in  zwei  Gefäße,  von  denen  das  eine  dorsal 
vom  Vornierengange  gelegen  ist  und  die  Anlage  der  V.  renalis 
advehens  bildet,  während  das  andere,  als  eigentliche  Fortsetzung  der 
hinteren  Cardinalvene  zu  betrachtende,  ventral  von  der  Urnierenanlage 
verläuft. 

In  der  Vorniere  zerfallen  die  hinteren  Cardinalvenen  nicht,  wie 
dies  Semon  (A.  1891)  für  Ichthyophis  angegeben  hat,  in  ein  Venen- 
netz ,  sondern  sie  nehmen  aus  diesem  Organe  nur  segmental  an- 
geordnete Venenzweige  auf.  —  Im  Gebiete  der  Urnierenanlage 
kommuniziert  die  Fortsetzung  jeder  V.  cardinalis  posterior  mit  der 
Anlage  der  V.  renalis  advehens  ihrer  Seite  durch  quere,  segmental 
angeordnete,  den  Vornierengang  an  seiner  Dorsalseite  umgreifende 
Anastomosen. 


Die  Entwickelung  des  Blutgefäßsystems.  127 

In  späteren  Entwickelungsstadien  verlängern  sieb  dann  die  hinteren 
Cardinalvenen  bis  ins  Scbwanzgebiet,  wo  sie  in  der  einfachen  V.  caudabs 
Avurzebi,  —  Und  nocb  etwas  später  treten  auch  die  Anlagen  der  V. 
renales  advebentes  in  einiger  Entfernung  cranial  von  der  Gabeluugs- 
stelle  der  V.  caudabs  mit  ihnen  in  Verbindung.  —  In  der  Folge 
nähern  sich  nun  im  Urnierengebiete  die  beiden  hinteren  Cardinal- 
venen einander  und  beginnen  nahe  der  Stelle,  an  welcher  die  rechte 
V.  cardinalis  mit  dem  Stamme  der  Dottervenen  in  Verbindung  ge- 
treten ist  (vgl.  p.  124,  125),  miteinander  zu  verschmelzen,  wie  dies  auch 
Semon  (A.  1891)  für  Ichthyophis  angiebt,  und  diese  Verschmelzung 
erstreckt  sich  allmählich  immer  weiter  caudalwärts.  —  Wie  bei  den 
Urodelen  löst  sich  später  am  caudalen  Ende  der  Urnieren  die  Ver- 
bindung zwischen  den  V.  cardinales  posteriores  und  den  V.  renales 
advebentes  und  das  Blut  aus  der  Caudalvene  strömt  dann  nur  mehr 
in  die  letzteren  ab.  —  Aus  den  Anastomosen  zwischen  den  V.  renales 
advebentes  und  den  V.  cardinales  aber  entwickelt  sich  das  Venennetz 
der  Urnieren. 

Es  wurde  früher  bereits  (p.  124)  erwähnt,  dass  sich  der  Stamm 
der  verschmolzenen  Dotterdarmvenen  durch  einen  Venenast  mit  der 
rechten  hinteren  Cardinalvene  in  Verbindung  setzt.  Dieser  Ver- 
bindungsast entspricht  nun  zweifellos  dem  selbständig  entstehenden 
Abschnitte  der  hinteren  Hohlvene  anderer  Formen ,  während  der 
zwischen  den  Urnieren  gelegene,  durch  Verschmelzung  der  hinteren 
Cardinalvenen  entstandene  Venenstamm  dem  Urnierenabschnitte  der 
hinteren  Hohlvene  der  Urodelen  und  Anuren  zu  vergleichen  ist.  — 
Nun  kommt  es  aber  bei  Hypogeophis,  indem  die  Leber  caudalwärts 
auswächst,  zu  einer  ganz  beträchtbchen  Verschiebung  der  Eiumündungs- 
stelle  des  selbständig  entstehenden  Abschnittes  der  hinteren  Hohl- 
vene in   den  Urnierenabschnitt   dieses  Gefäßes   in   caudaler  Richtung. 

Dadui'ch  erscheint  dann  der  Urnierenabschnitt  der  hinteren  Hohl- 
vene über  diese  Einmündungssteile  hinaus  cranialwärts  verlängert  M 
und  diese  craniale  Verlängerung  setzt  sich  noch  später  mit  dem 
cranialen  Ende  der  rechten  hinteren  Cardinalvene  in  direkte  Ver- 
bindung, so  dass  aus  ihr  das  Blut  gegen  den  rechten  D.  Cuvieri  ab- 
strömen kann.  —  Auf  diese  Weise  entsteht  die  vordere  Nierenvene 
der  Gymnophionen,  deren  proximale  Endstrecke  somit  aus  der  proxi- 
malen Endstrecke  der  V.  cardinalis  posterior  dextra  entsteht.  —  Die 
proximale  Endstrecke  der  linken  hinteren  Cardinalvene  aber  verschwindet 
mit  der  Rückbildung  der  Vornieren  spurlos. 

Entwickelung  der  Abdominal vene.  Die  Abdominalvene 
entsteht  bei  Bombinator  (Goette  A.  L.  III  7,  1875)  ihrer  ganzen 
Länge  nach  paarig  und  mündet  zuerst  in  den  Sinus  venosus,  während 
sie  caudalwärts  mit  den  Venen  der  Hintergliedmaße  zusammenhängt 
und  die  Harnblasenvenen  aufnimmt.  —  Später  verschmelzen  ihre  An- 
lagen zwischen  Leber  und  Harnblase  zu  einem  unpaaren  Stamme, 
während  gleichzeitig  der  craniale  Abschnitt  der  rechten  Vene  zu 
Grunde  geht.  In  die  so  unpaar  gewordene  Abdominalvene  senkt  sich 
vor  ihrer  Mündung  eine  Herzvene  ein.  —  Noch  später  bildet  sich  dann 
eine  Anastomose  zwischen  ihr  und  der  V.  portae  aus,  und  es  obliteriert 
ihr  Mündungsstück,  so  daß  nun  das  Blut  der  Abdominalvene  und  der 
in  sie  mündenden  Herzvene  der  Pfortader  zuströmt. 


l)''Vorderer  Ast  der  hinteren  Hohlvene  nach  Brauer. 


128  HOCHSTETTER, 

Bei  Salamandra  (Hochstetter  1894)  ist  die  Anlage  der  Ab- 
dominalvene nur  zwischen  Leber  und  Becken  paarig,  ventral  von  der 
Leber  aber  unpaar,  und  dieser  unpaare  Venenstamm  scheint  in  den 
linken  D.  Cuvieri  zu  münden.  —  Später  verschmelzen  auch  hier  die 
beiden  caudal  mit  den  V.  renales  advehentes  zusammenhängenden 
Venen,  und  der  so  gebildete  Venenstamm  tritt  in  Verbindung  mit  der 
Pfortader  und  verliert  seine  Mündung  in  den  D.  Cuvieri. 

V.  lateralis.  Schon  sehr  frühzeitig  tritt  bei  den  Embryonen 
der  Urodelen  (Field,  Hochstetter  1893*)  im  Rumpf  und  Schwanz- 
gebiet eine  Vene  auf,  die  dem  R.  lateralis  n.  vagi  folgt  und  die  in 
das  Vornierennetz  der  V.  cardinalis  p.  mündet.  Sie  erhält  sich  als 
dünner  Venenstamm  (V.  lateralis)  wenigstens  eine  Strecke  weit  auch 
noch  bei  der  ausgebildeten  Form. 

V.  cardinales  anteriores.  Die  V.  cardinales  anteriores  zeigen 
bei  den  Urodelen  im  Kopfgebiet  eine  ähnliche  Lage,  wie  die  gleichen 
Venen  der  Selachier  (Field  A.  1893,  Hochstetter  1893*).  Bald  tritt 
jedoch  wie  dort  in  den  vordersten  Partieen  des  Kopfes  an  Stelle  dieser 
medial  von  den  Hirnnervenwurzeln  gelegenen  Venen  bahn  eine  lateral 
von  ihnen  verlaufende  (V.  capitis  lateralis),  die  caudal  vom  Facialis- 
gangiion  wieder  in  die  ursprüngliche  Venenbahn  übergeht,  die  ihrer- 
seits in  der  Gegend  des  Ganglion  nodosum  vagi  einen  vom  Hinter- 
hirn kommenden  Venenzweig  aufnimmt,  um  von  da  an  als  V.  jugularis 
interna  zu  persistieren. 

Ob  bei  den  Anuren  die  primäre  Venenbahn  des  Kopfes  sich  ebenso 
verhält  wie  bei  den  Urodelen,  ist  noch  nicht  sichergestellt.  In  späteren 
Entwickelungsstadieu  zeigt  die  Hauptvenenbahn  des  Kopfes  eine  ähn- 
liche Lage  wie  die  V.  capitis  lateralis  der  Urodelen.  —  Als  sicher  kann 
es  aber  jedenfalls  gelten,  daß  das  von  Goette  (A.  L.  III  7,  1875) 
als  V.  jugularis  communis  bezeichnete  Gefäß  aus  dem  proximalen  Ab- 
schnitt der  V.  cardinalis  a.  hervorgegangen  ist. 

V.  jugularis  inferior.  Sowohl  bei  Urodelen  (Field  A.  1893) 
als  auch  bei  Anuren  kommt  es  dann  noch  im  Kopfgebiete  zur  Eut- 
wickelung  einer  anderen  paarigen  Venenbahn,  die  Goette  als  V.  jugu- 
laris inferior  bezeichnet  und  die  möglicherweise  der  V.  jugularis  impar 
der  Cyclostomen  entspricht.  —  Diese  Vene  sammelt  das  Blut  aus  der 
Zunge  und  der  Unterkiefergegend  und  mündet  jederseits  in  das  End- 
stück des  D.  Cuvieri. 

Entwickelung  der  Extremitätenveneu.  Die  Extremitäten- 
venen werden  an  der  vorderen  und  hinteren  Extremität  in  über- 
einstimmender Weise  angelegt.  —  Die  erste  Venenbahn  wird  von  dem 
abführenden  Schenkel  der  den  Extremitätenstummel  versorgenden  Ge- 
fäßschlinge   (Allen   Thomson  A.    1831 — 33,    Goette   A.  L.    III    7, 

1875),  der  ulnar  resp.  fibular  ge- 
legen ist,  gebildet.  —  Sobald  2 
Zehen  gebildet  sind,  kommt  bei 
Triton  zu  dieser  Nebenbahn  noch 
eine  zweite  dem  radialen  resp. 
b  tibialen    Rande    der    Extremität 

Fig.  145.     a  Vordere  Extremität  einer      f?!g^"^^^   \^"f  .^^"^^/^  .  (Fig-    145). 

Tritonlarve  mit  ihren  Gefäßen,  b  Hin-  Die  SO  gebildeten  beiden  Venen 
tere  Extremität  einer  älteren  Triton-  der  vorderen  Extremität  münden 
larve  mit  Gefäßen.  in    das    Vomierennetz    der    V. 


a. 


Die  Entwickelung  des  Blutgefäßsystems.  129 

cardinalis  p,,  die  der  hinteren  in  die  V.  renalis  advehens.  —  Später 
verbinden  sich  die  beiden  Venen  jeder  Extremität  durch  eine 
Queranastomose  in  der  Gegend  des  Ellbogen-  resp.  Kniegelenkes 
miteinander,  und  es  bildet  sich  der  Oberarmabschnitt  der  ulnaren 
und  der  Oberschenkelabschuitt  der  tibialen  Vene  zurück  (Hoch- 
STETTER  1891). 


Reptilien. 

Den  Dotterdarmvenen  der  Anamnier  entsprechen  die  bei  den 
Reptilien  sowie  bei  allen  Amnioten  als  erste  Venenstämme  auftretenden 
V.  omphalo-mesentericae.  —  Bei  Lacerta  ist  die  rechte  Vene  wesentlich 
schwächer  als  die  linke,  während  bei  Tropidonotus  ein  umgekehrtes 
Verhalten  nachweisbar  ist.  Diesen  beiden  in  den  Sinus  venosus 
mündenden  Venen  gesellen  sich  bald  die  aus  der  Vereinigung  der 
vorderen  und  hinteren  Cardinalvenen  gebildeten  D.  Cuvieri  und  die 
allen  Amnioten  eigentümlichen,  das  Blut  aus  der  Allantois  durch  die 
Bauchwand  abführenden  V.  umbilicales  zu. 


Entstehung  der  einfachen  V.  omphalo-raesenterica 
und  des  Pfortader  Systems  der  Leber.  Bei  Lacerta  setzen  sich 
bald  nach  dem  Auftreten  der  dorsalen  Pankreasanlage  die  beiden 
V.  omphalo-mesentericae  caifdal  von  dieser  Anlage  und  dorsal  vom 
Darme  durch  eine  quere  Anastomose  miteinander  in 
Verbindung,  und  kurze  Zeit  darauf  verschmelzen  sie 
weiter  caudal,  auch  ventral  vom  Darme  miteinander, 
so  daß  sie  einen  Venenring  um  den  Darm  bilden 
(Fig.  146),  während  gleichzeitig  ihre  Leberabschnitte  IflR^HF  ^^■"" 
in  der  Leber  in  ein  Venennetz  zu  zerfallen  beginnen. 


■"»^ 


Fig.  146.    Bildung  des  Ringes  der  V.  omphalo-mesentericae 
um   den    Darm    bei  Lacerta.     (Schema.)     V.n.  V.  umbilicalis,  a^^Voms 

übrige  Bezeichnungen  wie  in  den  früheren  Figuren.  ^'""'  ■  '    ' 

Hierauf  schwindet  zuerst  der  rechte  Schenkel  des  Venenringes,  und 
indem  die  Auflösung  der  beiden  V.  omphalo-mesentericae  in  der  Leber 
weitere  Fortschritte  macht  und  vorerst  zu  einem  Zerfall  der  linken 
Vene  führt,  bildet  sich  nicht  nur  ihr  zwischen  A'enenring  und  Leber- 
gefäßnetz gelegenes,  sondern  auch  ihr  proximales,  in  den  Sinus  venosus 
mündendes  Endstück  zurück.  Noch  etwas  später  zerfällt  dann  auch 
die  rechte  Vene  im  Innern  der  Leber  vollständig.  —  Durch  diese  Pro- 
zesse ist  nun  eine  in  zwei  vom  Dottersack  herkommenden  Zweigen 
wurzelnde,  einfache  V.  omphalo-mesenterica  gebildet,  die  in  spiralem 
Verlaufe  den  Darm  umgreift  (Fig.  151),  dort,  wo  sie  das  dorsale  Pankreas 
passiert,  die  V.  mesenterica  aufnimmt  und  an  der  rechten  Seite  des 
Darmes  als  V.  portae  in  die  Leber  eindringt.  —  Die  proximale  End- 
strecke der  V.  omphalo-mesenterica  dextra  aber  erhält  sich  als  V. 
hepatica  revehens  und  bildet  später  das  Endstück  der  V.  cava  posterior 

(HOCHSTETTER    1892). 

Granz  ähnlich  wie  bei  Lacerta  sind  die  Veränderungen,    die  sich  an 
den  V.  omphalo-mesentericae  von  Anguis  fragilis  ausbilden  (Choronshitzkv 

Handbuch  der  Entwickelungslehre.    III.  2.  9 


130 


HOCHSTETTER, 


A,  1900),  und  ein  Gleiches  gilt  auch  für  Tropidonotus,  bei  welcher  Form 
(HocHSTETTER  1892)  allerdings  die  V.  omphalo-mes.  sinistra  in  ihrem 
an  der  Leberanlage  vorbeiziehenden  Abschnitt  schon  schwindet,  bevor 
noch  der  Ring  der  V.  omphalo-mesentericae  ventral  geschlossen  ist  und 
bevor  die  beiden  Venen  begonnen  haben,  sich  zwischen  den  Leberbalkeu 
in  ein  Gefäßnetz  aufzulösen. 


die  Entwickeln  11  g 


Die  V.  cardinales  posteriores  und 
der   hinteren   Hohlvene.     Die  V.  cardinales  p.  wurzeln  bei  den 

Embryonen  von  Lacerta 

I  V'c». 
iVc.c 


V.ca 


Vcau. 


V.H 


oap. 


Fig.  147. 


Fig.  148. 


Fig.  149. 


Fig.  147—149.  Die  Umwandlungen  im  öebiet 
der  V.  cardinales  und  die  Bildung  der  hinteren  Hohl- 
vene bei  Lacerta.  (Schemata.)  V.a.U.  zuführende 
Urnierenvene.  V.r.U.a.,p.  vordere  und  hintere  rück- 
führende Urnierenvene.  Die  übrigen  Bezeichnungen 
wie  in  den  vorhergehenden  Figuren. 


am  caudalen  Ende  der 
Urnieren  und  verlaufen 
an  der  Dorsalseite  dieser 
Organe  bis  an  ihr  cra- 
niales Ende,  welches  sie, 
in  mehrere  Bahnen  zer- 
fallend (Fig.  147),  durch- 
ziehen, bevor  sie  in  die 
D.  Cuvieri  münden.  Die 
V.  caudalis  gabelt  sich, 
an  den  Urnieren  an- 
gelangt, und  ihre  beiden 
Aeste  folgen  den  me- 
dialen Rändern  dieser 
Organe.  Ihr  Blut  muß 
somit,  um  in  die  hin- 
teren Cardinalvenen  zu 
gelangen,     vorerst    die 


Urnieren  durchströmen. 
Nun  entwickelt  sich  von  der  V.  hepatica  revehens  dextra  aus, 
während  die  beiden  Aeste  der  Caudalvene  zwischen  den  Urnieren  in 
der  Nachbarschaft  der  Wurzel  der  A.  omphalo-mesenterica,  diese  um- 
fassend, auf  eine  kurze  Strecke  weit  miteinander  verschmelzen,  eine 
Vene,  die,  durch  das  rechte  Nebengekröse  caudalwärts  absteigend,  mit 
dem  zwischen  den  beiden  Urnieren  gelegenen  Venenstamme  in  Ver- 
bindung tritt.  —  Der  letztere  verliert  dann  seine  früheren  Beziehungen 
zur  Caudalvene,  indem  sich  dieselbe  jederseits  durch  eine  Anastomose 
mit  der  hinteren  Cardinalvene  in  Verbindung  setzt  (Fig.  148,  140). 
—  So  bildet  sich  bei  Lacerta  wie  bei  den  Amphibien  die  hintere  Hohl- 
vene aus  drei  ihrer  Genese  nach  ganz  verschiedenen  Abschnitten,  die 
wir    als    Urnierenabschnitt,    selbständig   entstandenen    und    aus    der 

omphalo-mesenterica   hervorgegangenen 

Bei  Tropidonotus,    wo  die  Caudalvene 

vornherein  in  die  V.  cardinales  p.  über- 

den   Urnieren   gelegene   Teil    der 


proximalen  Endstrecke  der  V 
Abschnitt  bezeichnen  können 
mit  ihren  beiden  Aesten  von 
geht,    entsteht   auch   der   zwischen 
hinteren  Hohlvene  selbständig. 

Indem  bei  Lacerta  in  der  Folge  das  Mündungsstück  der  V.  car- 
dinales p.  schwindet,  muß  das  Blut  der  Caudalvene  und  der  in  die 
hinteren  Kardinalvenen  mündenden  Venen  der  hinteren  Extremitäten 
und  der  Rumpfwand  das  Venennetz  der  Urniere  passieren  (Fig.  149), 
um  in  die  hintere  Hohlvene  zu  gelangen.  Dieses  Gefäß  hat  inzwischen 
im    Gebiete    der    Urniere    sein    Verhalten    geändert.     An    Stelle    des 


Die  Entwickelung  des  Blutgefäßsystems. 


131 


unpaaren  Venenstammes  sind,  durch  Spaltung  aus  ihm  eut- 
2  Wurzelstämme   getreten,    die    den    medialen    Rändern   der 


biegt  nach  Aufnahme 


früheren 
standen, 

Urniere  anlagern.     Der  linke  von  diesen  beiden 

einer  V.  rev.  vom  cranialen  Teile  der  linken  Urniere,  unmittelbar 
caudal  von  der  Wurzel  der  A.  omphalo-mesenterica,  unter  rechtem 
Winkel  um  und  vereinigt  sich  mit  dem  rechten  zum  unpaaren  Hohl- 
venenstamm,  in  den  nahe  dieser  Stelle  eine  V.  revehens,  vom  cranialen 
Abschnitte  der  rechten  Urniei'e  kommend,  einmündet  (Fig.  149).  Ent- 
steht dann  caudal  von  der  Urniere  die  Niere,  so  kommen  die  V.  car- 
dinales  p.  zum  Teil  an  deren  laterale,  zum 
Fläche  zu  liegen  und  geben  Zweige  an  sie  ab 
die  beiden  Wurzelzweige  der  hinteren  Hohl- 
vene, caudalwärts  auf  die  Nieren  übergreifend, 
verlängern  und  zwischen  diesen  Organen  mit- 
einander verschmelzen  (Fig.  150). 

Bei  Tropidonotus,  wo  sich  die  Verhältnisse 
der  hinteren  Hohlvene  ähnlich  gestalten  wie  bei 
Lacerta,  bleibt  jedoch  diese  Verschmelzung  aus. 

Fig.  150.  Verhalten  der  hinteren  Kardinalvenen  und 
der  V.  Cava  posterior  bei  alten  Lacertaembryonen. 
(Schema.)  JV.  Niere.  U.  Urniere,  übrige  Bezeichnungen 
wie  in  den  vorhergehenden  Figuren. 


Teil 
(Fig. 


an   deren   ventrale 
150),  während  sich 


V.  r.a.U 


V.r.pu 


V.cau . 


V.  verleb rales  posteriores.  Infolge  der  Rückbildung  der 
cranialen  Abschnitte  der  Urnieren,  kommt  es  jederseits,  in  dem  in  Be- 
tracht kommenden  Gebiete,  zwischen  den  segmentalen  Venen  der  Rumpf- 
wand in  unmittelbarer  Nachbarschaft  der  Wirbelsäule  zur  Bildung  einer 
Längsanastomosenkette,  die  cranial  in  die  V.  subclavia  mündet  und  als 
V.  vertebralis  posterior  bezeichnet  wird.  Dieselbe  tritt  rechterseits 
durch  ein  oder  zwei  V.  hepaticae  advehentes  vertebrales  mit  dem 
Pfortadernetze  der  Leber  in  Verbindung.  Auch  bei  Tropidonotus  ent- 
wickeln sich  in  ähnlicher  Weise  wie  bei  Lacerta  die  Vertebralvenen,  doch 
bleiben  dieselben  nicht  als  fortlaufende  Stämme  erhalten,  da  sich  bald 
zahlreiche  Anastomosen  zwischen  ihnen  einer-  und  der  A\  portae, 
den  V.  gastricae  und  V.  oesophageae  andererseits  entwickeln,  deren 
Ausbildung  den  Zerfall  der  früher  kontinuierlichen  A'enenbahn  zur 
Folge  hat. 

Die  V.  umbilicales  und  die  diese  Venen  betreffen- 
den U  m  w  a  n  d  1  u  n  gen.  Die  ursprünglich  gleich  starken  V.  umbilicales 
münden  bei  Lacerta  zuerst  gemeinsam  mit  den  \ .  omphalo-mes.  in  den 
Sinus  venosus  (Fig.  146).  Bald  erweitert  sich  jedoch  die  rechte  ^'ene, 
während  die  linke  enger  wird  und  durch  einen  Ast  mit  dem  Venennetze 
der  Leber  in  ^"erbindung  tritt.  Dieser  Ast  und  ein  in  seiner  Fort- 
setzung gelegener  Venenast  der  Leber,  der  in  die  V.  hepatica  revehens 
mündet,  erweitern  sich  nun  sehr  rasch  (Fig.  151),  das  Mündungsstück 
der  V.  umbilicalis  sinistra  obliteriert  und  ebenso  das  in  der  Leibes- 
wand gelegene  Stück  der  rechten  \.  umbilicalis,  die  vorher  schon  am 
Nabel  mit  der  linken  in  Verbindung  getreten  war  und  es  persistiert 
nun  bis  zur  Geburt  nur  mehr  die  letztere.  Dieselbe  verschiebt  sich 
später  immer  mehr  medianwärts  und  kommt  schließlich  in  das  ventrale 
Lebergekröse  zu  liegen.  Inzwischen  hat  sich  innerhalb  der  Leber  in 
der  Fortsetzung  der  V.  portae  eine  in  den  Leberabschnitt  der  V.  um- 

9* 


132  HOCHSTETTER, 

bilicalis  leitende  Venenbalin  erweitert,  so  daß  nun  ein  Theil  des  Pfort- 
aderblutes ,  ohne  das  Capillarnetz  der  Leber  passieren  zu  müssen, 
direkt  in  die  hintere  Hohlvene  abströmen  kann.  Diese  direkte  Ver- 
bindung zwischen  Pfortader  und  Leberabschnitt  der  Umbilicalvene  ob- 
literiert jedoch  nach  der  Geburt  ebenso  wie 
die  Umbilicalvene  selbst. 

Bei  der  Natter  vollziehen  sich  die  Um- 
Avandlungen  im  Gebiet  der  V.  umbilicales  in 
ganz  ähnlicher  Weise  wie  bei  Lacerta,  nur 
kommt  bei  dieser  Form  eine  direkte  Ver- 
bindung zwischen  V.  portae  und  dem  Leber- 
v-»*  abschnitte  der  V.  umbilicalis  nie  zur  Ent- 
wickelung. 


V.W 


'ö- 


Vc-ap.  iM^yo.m 


Fig.  151.  Verbindung  der  V.  umbilicalis  sinistra 
mit  der  V.  bepatica  revebens  bei  Lacerta.  (Scbema.) 
Bezeicbnungen  wie  bei  Fig.  146  und  149. 


Entwickelung  der  Abdominalvene.  Die  V.  abdominalis 
von  Lacerta  entsteht  aus  zwei  in  der  Bauchwand  verlaufenden  Venen- 
zweigen, die  einerseits  in  der  Beckengegend  mit  den  V.  cardinales  p. 
zusammenhängen,  andererseits  caudal  vom  Nabel  in  die  V.  umbilicahs 
münden.  Diese  beiden  Venenzweige  verschmelzen  später  in  der 
Mittellinie  miteinander  und  treten  durch  einen  das  ventrale  Gekröse 
passierenden  Zweig  mit  der  Pfortader  in  A'erbindung,  worauf  ihre 
Mündung  in  die  V.  umbilicalis  zu  bestehen  aufliört.  Auch  eine  An- 
zahl anderer  Venen,  die  dem  Gebiete  der  Bauchwand,  ventral  von  der 
Leber  angehören  und  ursprünglich  in  die  V.  umbilicalis  münden, 
geben  ihre  Beziehungen  zu  dieser  auf,  nachdem  sie  mit  dem  Pfort- 
adernetze der  Leber  in  Verbindung  getreten  sind.  Bei  den  Che- 
loniern  und  Krokodiliern  perstistiert  die  V.  abdominalis  als  paariges 
Gefäß  1). 

Seitenrum  pfvene.  Auch  eine  der  Seitenvene  der  Urodelen 
vergleichbare  Venenbahn  kommt  bei  Lacerta  zur  Ausbildung.  Sie  er- 
streckt sich  fast  über  die  ganze  Länge  des  Rumpfes,  zwischen  den 
Muskelsegmenten  verlaufende  Venenzweigchen  aufnehmend.  Caudal 
hängt  diese  Seitenrumpfvene  mit  den  Wurzeln  der  Abdominalveue  zu- 
sammen und  mündet  cranial  in  die  Zusammenflußstelle  der  V.  cardinalis 
anterior  und  posterior. 

Die  V.  cardinales  anteriores  und  die  V.  capitis 
laterales.  Im  Kopfgebiet  zeigen  auch  bei  den  Reptilien  die  V. 
cardinales  anteriores  ursprünglich  dieselben  Lagebeziehungen  wie  bei 
den  Selachiern  und  Amphibien.  Doch  auch  hier  w^erden  sie  bald  ent- 
weder teilweise  (Lacerta)  oder  vollständig  (Tropidonotus)  durch  neu- 
entstehende, an  der  lateralen  Seite  des  Gehörbläschens  und  der  Hirn- 
nervenwurzeln  und  Ganglien  verlaufende  Venenbahnen,  die  wir  V.  capitis 
laterales  nennen,  ersetzt  (Grosser  und  Brezina  1895).  Diese  Venen 
entstehen  jedoch  nicht  ihrer  ganzen  Länge  nach  auf  einmal,  sondern 
in  Teilstücken   nach   und   nach.     Ihr   erstes  Teilstück   bildet   sich   bei 


1)  Früher  glaubte  man,  daß  die  V.  abdominalis  direkt  aus  der  V.  umbilicalis 
entstehe,  doch  hat  Rathke  (A.  L.  III,  8,  1866)  bereits  gezeigt,  daß  bei  den  Em- 
bryonen der  Krokodile  die  V.  abdominales  neben  der  V.  umbilicalis  bestehen. 


Die  Entwickelung  des  Blutgefäßsystems.  133 

Tropidonotus  lateral  vom  N.  facialis  und  dem  Labyrinthbläsclien,  indem 
um  diese  Gebilde  herum  eine  Veneninsel  entsteht,  deren  medialer 
Schenkel  zu  Grunde  geht,  dann  bildet  sich  in  ähnlicher  Weise  ihr 
zweites  Teilstttck  an  der  Seite  des  N.  glossopharyngeus  und  ihr  drittes 
an  der  Seite  des  N.  vagus.  Inzwischen  haben  sich  die  Wurzelzweige 
der  V.  cardinalis  a.,  die  V.  orbitalis  inferior 
und  die  V.  cerebralis  anterior,  welch  letztere  -  . 

in  der  Gegend  der  Epiphysis  beginnt,  be- 
trächtlich erweitert  und  es  sind  noch  zwei 
weitere  Wurzelgefäße,  die  V.  cerebri  media 
und  die  V.  cerebri  posterior  hinzugekommen. 
Die  erstere  kommt  von  der  Decke  des  Hinter- 
hirns herab  und  mündet  caudal  vom  Trige- 
minus  (Fig.  152),  die  letztere  entspringt  an 
der  Decke  des  Nachhirns  und  mündet  caudal  i    w     m-^-v.e.i. 


vom  Vagus.  i        i— tm 

Fig.  152.  Entwickelung  der  Venenbahnen  des 
Kopfes  von  Tropidonotus.  (Schema.)  Die  in 
den  definitiven  Zustand  übergehenden  Venen  sind 
dunkel    gehalten    (nach    Grosser    und    Brezjna). 

V.c.l.    V.    capitis     lateralis.       V.J.    Vena    jugularis. 

V.  N.  trigeminus.  VII.  N.  facialis.  IX.  N.  glosso- 
pharyngeus.   X.  N.  Vagus.  L.Bl.  Labyrinthbläschen. 

Noch  später  endlich  entstehen  die  Teilstücke  der  V.  capitis  lateralis  an 
der  Seite  des  2.  und  3.  Trigeminusastes  und  des  N.  hypoglossus.  In- 
zwischen entwickelt  sich  an  der  Dorsalseite  des  Gehirns  ein  medianer 
Längsvenenstamm,  der  die  Wurzeln  der  drei  Hirnvenenpaare  miteinander 
verbindet  (Fig.  152)  und  an  dem  3  Abschnitte  als  V.  mediana  prosen- 
cephali,  mesencephali  und  epencephali  unterschieden  werden  können. 
Hierauf  verbindet  sich  die  V.  cerebri  media  durch  zwei  neuentstehende 
Venenbahnen  einerseits  mit  der  V.  cerebri  anterior,  andererseits  mit 
der  V.  capitis  lateralis  (Fig.  152).  Die  letztere  A^enenbahn  (V.  cerebri 
media  secundaria),  welche  den  Schädel  mit  dem  Trigeminus  verläßt, 
bildet  längere  Zeit  hindurch  die  Hauptabflußbahn  für  das  venöse  Blut 
des  Gehirns. 

Der  definitive  Zustand  wird  schließlich  in  der  Weise  hergestellt, 
daß  die  V.  cerebri  anterior  in  ihrem  dorsal  von  der  Einmündung  der 
Anastomose  mit  der  V.  cerebri  media  (Fig.  152)  befindlichen  Abschnitte 
schwindet,  daß  ferner  die  V.  cerebri  media  secundaria  in  ihren  mittleren 
Abschnitten  schwächer  wird  und  die  V.  cerebri  posterior  die  den 
Schädel  durch  das  Hinterhauptsloch  verläßt,  sich  bedeutend  verstärkt. 
Während  so  bei  Tropidonotus  der  Kopfabschnitt  der  V.  cardinalis 
anterior  vollständig  schwindet  und  an  seine  Stelle  die  V.  capitis 
lateralis  tritt,  erhält  sich  der  Halsabschnitt  der  V.  cardinalis  a,  als 
V.  jugularis  interna.  In  ihn  mündet  in  späteren  Entwickelungsstadien 
ein  Venenstamm,  dessen  zwei  Aeste  aus  dem  Ober-  und  Unterkiefer 
ihr  Blut  beziehen. 

Bei  Lacerta  vollziehen  sich  die  Umwandlungen  im  Gebiete  der 
Venenstämme  des  Kopfes  in  ähnlicher  Weise  wie  bei  Tropidonotus. 
Nur  unterbleibt  die  Bildung  der  V.  capitis  lateralis  im  Gebiete  des 
2.  und  3.  Trigeminusastes,  so  daß  also  hier  auch  im  Kopfgebiete  ein 
Stück   der   V.  cardinalis  a.  persistiert   (Fig.  153).     Außerdem   kommt 


134 


HOCHSTETTER, 


nur  zur 


es   nicht 

zur 

die  V.  cerebri 

Yenenbahn 


Rückbildung 


vollständigen  Obliteration  der  V 


übrig 


posterior 
bleibt. 


^-R-l 


■vj. 


als 
Im 

die  V. 
Neben 


der  V.  cerebri  anterior,    sondern  auch 

cerebri  media,    so  daß  schließlich 

das  Blut  vom  Gehirn  ableitende 

persistiert  auch  bei  Lacerta 

cardinalis  a.  als  V.  jugularis  interna. 

ihr,    in   ihren    proximalen   Abschnitt 


einzige 
Halsgebiete 


mündend,  entwickelt  sich  auf  beiden  Seiten 
eine  Vene,  die,  das  Blut  aus  der  Zunge,  dem 
Kehlkopfe  und  der  Gl.  thja-eoidea  sammelt 
und  an  der  Seite  der  Trachea  herabläuft 
(V.  trachealis).  Später  obliteriert  die  linke 
V.  trachealis,  nachdem  sich  vorher  zwischen 
ihr  und  der  rechten  eine  dorsal  von  der 
Trachea  unter  der  Pharynxschleimhaut 
legene  Anastomose  gebildet  hat,  die  nun 
Blut  aus  den  Wurzeln  der  linken  Vene 
rechten  zuleitet. 


das 
der 


Fig.  153.  Entwickelung  der  Venen  des  Kopf- 
gebietes von  Lacerta.  (Schema.)  (Nach  Grosser  und 
Brezina.)  Bezeichnungen  wie  bei  Fig.  152. 


Bei  Testudo  räumt,  wie  die  Untersuchung  der  ausgebildeten  Form 
lehrt,  die  V.  cardinalis  anterior  auch  im  Halsgebiete  einer  oberflächlich 
gelegenen  Venenbahn  das  Feld  (Grosser  und  Brezina  1895). 

Entwickelung  der  E  x  t  r  e  in  i  t  ä  t  e  n  v  e  u  e  n  bei  Lacerta. 
In  ganz  frühen  Entwickelungsstadien  sollen  bei  Lacerta  nach  C.  K. 
Hofmann  (A.  L.  III,  8,  1890)  segraental  angeordnete,  zwischen  je 
2  Muskelknospen  aus  der  Extremitätenanlage  in  den  Rumpf  über- 
gehende Venenzweigchen  bestehen.  Später,  wenn  die  Extremität 
stummeiförmig  erscheint  und  sich  ihr  terminales  Endstück  zu 
diff"erenzieren  beginnt,  finden  sich  sowohl  an  der  vorderen,  als  an  der 
hinteren  Extremität  2  Venenbahnen,  die  dem  radialen  resp.  tibialen 
und  dem  ulnaren  resp.  fibularen  Rande  der  Extremität  folgen  und 
sich  entlang  dem  Rande  des  terminalen  Endgliedes  der  Extremität 
miteinander  verbinden  (Fig.  154,  155).   Wir  nennen  diese  Venen  radiale 

resp.  tibiale  und  ulnare  resp.  fibulare 
Randvene  der  Extremität. 


ssy. 


Fie;.  154. 


Fig.  155. 


Fig.  154.  Vordere  Extremität  eines 
Lacertaembryo  mit  axialer  Arterie 
und   Randvenen.     S.R.V.  Seitenrumpfvene. 

Fig.  155.  Hintere  Extremität  eines 
Lacertaembryo  mit  axialer  Arterie  und 
Randvenen. 


Die  radiale  und  ulnare  Randvene  mündet  in  die  Seitenrumpfvene, 
deren  proximales  Endstück  somit  als  V.  subclavia  zu  bezeichnen  ist. 
Die  fibulare  Randvene  bildet  eine  Zeit  lang  die  Wurzel  der  hinteren 
Kardinalvene  (Fig.  147  V.l.),  während  die  tibiale  Randvene  in  den 
früher  (p.  132)  als  Abdominalvenenanlage  beschriebenen  Zweig  der 
V.  umbilicalis  mündet.  Bald  schwindet  jedoch  der  Oberarmabschnitt 
der   radialen   und   der   Oberschenkelabschnitt   der   tibialen   Randvene, 


Die  Entwickelung  des  Blutgefäßsystems.  135 

nachdem  diese  Venen  an  der  Dorsalseite  der  Extremität  proximal 
vom  Ellbogengelenke  und  über  dem  Kniegelenke  mit  der  ulnaren  resp. 
libulareu  Kandvene  in  Verbindung  getreten  sind.  Inzwischen  sind 
die  Anlagen  des  Zehenskelettes  aufgetreten  und  haben  durch  ihr 
Vorwachsen  die  Strombahn  in  der  Randvene  der  Hand  und  des 
Fußes  unterbrochen.  Aus  den  Teilstücken  derselben  entstehen  die 
Digitalvenen,  die  ihr  Blut  in  neuentwickelte  Venenbahnen  des  Hand- 
und  Fußrückens ,  sowie  der  Palma  und  Planta  abströmen  lassen. 
Diese  neugebildeten  Venen  schließen  sich  an  der  vorderen  Extremität 
an  die  radiale  Randvene  des  Vorderarmes  an,  während  sie  an  den 
Hintergliedmaßen  in  der  Kniegelenksgegend  in  die  fibulare  Randvene 
einmünden.  Später  nehmen  dann  die  Hand-  und  Fußrückenvenen 
an  Mächtigkeit  zu,  Avährend  die  palmaren  und  plantaren  Venen  der 
Rückbildung  anheimfallen.  An  der  vorderen  Extremität  geht  die 
ulnare  Randvene  ihrer  ganzen  Länge  nach  in  den  definitiven  Zustand 
über,  während  an  der  Hintergiiedmaße  nur  der  Oberschenkelabschnitt 
der  fibularen  Randvene  als  V.  ischiadica  erhalten  bleibt,  nachdem  die 
beiden  Randvenen  im  Gebiete  des  Unterschenkels,  infolge  der  mäch- 
tigen Ausbildung  der  über  die  Dorsalseite  dieses  Gliedmaßenabschuittes 
verlaufenden  sekundär  gebildeten  Venenbahn  vollständig  zurückgebildet 
wurden  (Hochstetter  1891). 

Vögel. 

Die  V.  omphalo-m  esente  ricae  und  die  an  ihnen  sich 
abspielenden  Veränderungen.  Die  V.  omphalo-mesentericae 
des  Hühnchens  unterscheiden  sich  bezüglich  der  an  ihnen  sich  ab- 
spielenden Eutwickelungsvorgänge  dadurch  von  denen  der  Reptilien, 
daß  sie  caudalwärts,  vom  Sinus  venosus  an  bis  über  die  Darm- 
mündung des  cranialen  Leberganges  hinaus,  ventral  vom  Darme  mit- 
einander zu  einem  gemeinschaftlichen  Stamme,  dem  sogenannten  Ductus 
venosus,  verschmelzen.  Im  übrigen  vollziehen  sich  aber  an  den  beiden 
Venen  ungefähr  dieselben  Veränderungen  wie  bei  den  Reptilien.  Sie 
verbinden  sich  zuerst  caudal  von  der  dorsalen  Pankreasanlage,  dorsal 
vom  Darme  durch  eine  quere  Anastomose  miteinander  und  es  oblite- 
riert, während  gleichzeitig  Leberbalken  den  Ductus  venosus  umwachsen 
und  von  ihm  aus  zwischen  ihnen  ein  Venenuetz  entsteht,  der  linke 
Schenkel  dieses  so  entstandenen  ersten,  den  Darm  umfassenden  Venen- 
ringes. Hierauf  verschmelzen  die  beiden  V.  omphalo-mesentericae 
auch  ventral  vom  Darm,  dort,  wo  sie  vom  Dottersack  kommend,  an 
ihn  herantreten,  miteinander,  und  es  entsteht  so  ein  ein  zweiter  Venen- 
ring um  den  Darm,  der  aber,  indem  sein  rechter  Schenkel  oblite- 
riert, auch  wieder  bald  zu  bestehen  aufhört.  So  bildet  sich  also  wie 
bei  Lacerta  aus  den  paarigen  V.  omphalo-mesentericae  ein  unpaarer, 
den  Darm  spiralig  umgreifender  Venenstamm,  der  in  der  Nabelgegend, 
wo  sich  die  beiden  V.  omphalo-mesentericae  vereinigen,  beginnt  (Fig.  156) 
und  an  den  sich  später  in  der  Pankreasgegend  die  V.  mesenterica  an- 
schließt. Er  findet  im  Ductus  venosus  seine  Fortsetzung  durch  die 
Leber  hindurch  (Hochstetter  1888  *,  Choroshitzky  A.  1900).  Der- 
selbe verhält  sich  verhältnismäßig  lange  Zeit  als  weites,  die  Leber 
durchsetzendes  Gefäßrohr  (Fig.  156)  und  geht  erst  spät  im  Venennetze 
dieses  Organes  unter. 


136 


HOCHSTETTER, 


Die  V.  umbilicales  münden  zuerst  jederseits  in  den  D.  Cuvieri^). 
Später  tritt  die  V.  umbilicalis  sinistra,  wie  bei  Lacerta,  mit  dem  Venen- 
netze der  Leber  und  eine  Bahn  desselben  erweiternd,  mit  einem  Aste 
des  D.  venosus,  der  späteren  linken  Lebervene,  in  Verbindung  und 
verliert  hierauf  ihre  Mündung  in  den  D.  Cuvieri  (Fig.  156).  Noch 
etwas  später  geht  dann  auch  die  rechte  V.  umbilicalis  und  zwar  voll- 
ständig zu  Grunde  (Hochstetter  l.SSs*).  Die  nunmehr  allein  übrige 
linke  Umbilicalvene  persistiert  jedoch  nicht  nur 
bis  zur  Geburt,  sondern  erhält  sich  auch  nach 
derselben  noch  als  eine 
schwache,  in  der  Bauch- 
wand wurzelnde  Vene. 

.Vi 


V.ca 


Vca./j. 


hm.d. 


o.m.s. 


Vcap 


Alu. 


Vc.p. 


Fig.  156. 


Fig.  157. 


Fig.  158. 


Fig.  156.  Verhältnisse  der  zur  Leber  in  Beziehung  stehenden  Venenbahnen 
eines  Hühnerembryo  von  ca.  110  Stunden.  (Schema.)  Die  zu  Grunde  gegangeneu 
Abschnitte  der  V.  omphalo-mesentericae  und  der  V.  umbilicales  sind  punktiert  dar- 
gestellt.    Buchstaben  bezeichnungen  wie  bei  Fig.  146. 

Fig.  157.  Verhalten  der  hinteren  Kardinalvenen  und  der  ersten  Anlage  der 
hinteren  Hohlvene  beim  Hühnchen.  (Schema.)  V.ca.  V.  cardinalis  anterior.  V.r.p.  V. 
cardinalis  posterior.  V.s.  subclavia.  D.v.  Ductus  venosus.  V.i.  V.  ischiadica.  A.  Aorta. 
A.i.ti.  Wurzelstamm  von  A.  ischiadica  und  A.  umbilicalis.     V.ca.p.  V.  cava  posterior. 

Fig.  158.  Verhalten  der  hinteren  Hohlvene  und  der  V.  cardinales  p.  des 
Hühnchens,  nachdem  das  Pfortadersystem  der  Urniere  gebildet  ist.  (Schema.) 
iV.  Niere.     Ur.  Ureter,  übrige  Bezeichnungen  wie  bei  Fig.  40. 


Die  V.  cardinales  posteriores  und  die  Entwickelung 
der  hinteren  H  o  h  1  v  e  n  e.  Die  hinteren  Kardinalvenen  wurzeln 
beim  Hühnchen  im  Schwänze  und  verlaufen  an  der  Dorsalseite  der 
Urniere,  dorsal  vom  Urnierengange  kopfwärts.  Sie  beziehen  ihr  Blut 
aus  den  Caudalvenen,  den  V.  ischiadicae,  den  segmentalen  Venen 
der  Rumpfwand,  den  Venen  der  Urniere  und  aus  den  Venen  der 
Vordergliedmaßen ,  welch  letztere  nahe  der  Stelle,  wo  sich  die  V. 
cardinales  posteriores  mit  den  V.  cardinales  anteriores  zur  Bildung 
der  D.  Cuvieri  vereinigen,  in  die  ersteren  einmünden.  Mit  dem 
Auftreten  der  hinteren  Hohlvene  ändern  sich  jedoch  diese  Verhält- 
nisse. Dieses  Gefäß  entsteht  von  dem 
D.    venosus   aus    (Fig.   156)    und    wächst 

an   die  mediale  Seite   der  rechten 

eine    Strecke    weit   caudalwärts. 


gekröse 


entlang 


proximalen  Abschnitte  des 
durch  das  rechte  Neben- 
Urniere  herab  und  dieser 
entsteht   auch 


Gleichzeitig 


an    der    medialen    Seite    der   linken    Urniere    eine    schwache 


Längs- 


1)  Die  Details  der  Mündungsweise  der  V.  umbilicales  in  die  D.  Cuvieri.  sowie 
der  Vorgänge,  welche  der  Obliteration  der  rechten  V.  umbilicalis  vorhergehen,  hat 
neuerdings  Brouha  C.  1898  ausführlich  geschildert. 


Die  Entwickelung  des  Blutgefäßsystems.  137 

venenbahn  unabhängig  von  der  Hohlvene  (Fig.  157);  dieselbe  ver- 
schmilzt jedoch  sehr  bald  auf  eine  Strecke  weit  mit  der  ihr  gegen- 
überliegenden Fortsetzung  der  hinteren  Hohlvene  (Fig.  158),  und  es 
kann  nun  die  Hauptmasse  des  Blutes  der  beiden  Urnieren  durch  die 
hintere  Hohlvene  abströmen.  Weiterhin  obliterieren  dann  die  zwischen 
den  cranialen  Polen  der  Urnieren  und  den  Mündungen  der  V.  subclaviae 
befindlichen  Abschnitte  der  V.  cardinales  p.,  was  zur  Folge  hat,  daß 
jetzt  alles  Blut  aus  den  caudal  von  den  Obliterationsstellen  gelegenen 
Abschnitten  des  Körpers  das  Venennetz  der  Urnieren  passieren  muß, 
um  in  die  hintere  Hohlvene  zu  gelangen.  Das  heißt,  es  hat  sich,  ähn- 
lich wie  bei  den  Embryonen  der  Reptilien,  ein  Pfortaderkreislauf  der 
Urnieren  entwickelt  (Fig.  158).  Während  aber  früher  die  V.  cardi- 
nalis  p.  an  der  ventralen  Seite  des  gemeinsamen  Wurzelstammes  von 
A.  ischiadica  und  A.  umbilicalis  vorbeizieht  ^),  hat  ihre  Strombahn  jetzt 
unter  Vermittelung  einer  Inselbildung  eine  Verlagerung  auf  die  Dorsal- 
seite dieses  Arterienstammes  erfahren. 

Weitere  Veränderungen  werden  dann  zum  Teil  durch  die  Ent- 
wickelung der  bleibenden  Niere  bedingt.  Dieses  Organ  schiebt  sich 
zuerst  an  der  medialen  Seite  der  V.  cardinalis  p.,  in  die  jetzt  auch 
die  V.  iliaca  externa  s.  femoralis  mündet,  vor  und  kommt  schließlich 
weiter  cranial  an  deren  Dorsalseite  zu  liegen.  Später  umwächst  sie 
dann  dieses  Gefäß  streckenweise,  nachdem  sich  gleichzeitig  in  ihrem 
cranialen  Abschnitte  eine  in  die  V.  cardinalis  mündende  Venenbahn 
(Fig.  159)  entwickelt  hat.  Inzwischen  hat  sich  das  zwischen  den  beiden 
Urnieren  gelegene  unpaare  Stück  der  hinteren  Hohlvene  so  sehr  ver- 
kürzt und  verbreitert,  daß  es  als  ein  die  V.  revehentes  der  Urnieren 
vereinigender,  querer  Gefäßstamm  erscheint,  aus  dem  die  unpaare 
hintere  Hohlvene  hervorgeht  (Fig.  159).  Wenn  nun  die  bleibenden 
Nieren  eine  bestimmte  Größe  erlangt  haben,  greifen  die  als  V.  revehentes 
posteriores  der  Urniere  zu  bezeichnenden  Wurzelsäste  der  hinteren 
Hohlvene  auch  auf  die  ventrale  Fläche  der  Nieren  über  und  können  so 
das  diesen  Organen  durch  die  hinteren  Kardinalvenen  zugeführte  Blut 
gegen  die  hintere  Hohlvene  ableiten.  So  durch- 
strömt also  ein  Teil  des  Blutes  der  hinteren  Kar- 
dinalvenen auch  beim  Hühnchen  eine  Zeit  lang  die 
bleibende  Niere  pfortadermäßig,  ein  Zustand,  der 
bekanntermaßen  bei  den  Reptilien  zeitlebens  per- 
sistiert. 

Fig.  159.  Venenverhältnisse  der  Nieren  und  Urnieren 
bei  älteren  Huhn  er embryonen.  (Schema.)  V.i.e.  V.  iliaca 
externa,  übrige  Bezeichnungen  wie  in  Fig.  158. 

Schließlich  tritt  dann  aber  die  als  V.  renalis  advehens  fungierende 
V.  cardinalis  p.  in  der  Gegend,  wo  sie  die  V.  iliaca  externa  aufnimmt, 
mit  dem  als  V.  renalis  revehens  fungierenden  Wurzelaste  der  hinteren 
Hohlvene  durch  eine  weite  Anastomose  in  direkte  Verbindung  und  es 
stellen  sich  so  die  Verhältnisse  der  ausgebildeten  Form  her,  bei  welcher 
ein  Pfortadersystem  der  Niere  nicht  mehr  besteht.  —  Mit  dem  Schwinden 
der  Urniere  werden  die  rückftthrenden  Venen  dieses  Organs  immer 
schwächer  und  es  persistieren  schließlich  nur  die  hinteren,  als  Venen  der 
Geschlechtsdrüsen.  —  Schon  zu  der  Zeit  aber,  in  welcher  sich  das  Pfort- 


Vie 


1)  Bei  den  Reptihen   behält  der  erhalten   gebliebene  Rest  der  V.  cardinalis  p. 


diese  ventrale  Lage  zeitlebens  bei 


138  HOCHSTETTER, 

adersystem  der  bleibenden  Nieren  zu  bilden  beginnt,  verbinden  sich 
die  beiden  hinteren  Kardinalvenen  durch  eine  kurze  Queranastomose 
miteinander  und  von  dieser  aus  (Fig.  159)  bildet  sich  dann  jene  für 
die  Vögel  charakteristische,  die  Wurzel  der  V.  mesenterica  bildende 
Venenbahn  aus,  die  das  System  der  hinteren  Hohlvene  mit  dem 
System  der  Pfortader  in  Verbindung  setzt  (Hochstetter  1888  * 
und  1893*). 

V.  c  a  r  d  i  n  a  1  e  s  anteriores  u  n  d  V.  c  a  p  i  t  i  s  1  a  t  e  r  a  1  i  s.  Das 
Schicksal  des  Kopfabschnittes  der  vorderen  Kardinalvenen  scheint  nach 
den  Angaben  Kastschenko's  (1887)  ein  ähnliches  zu  sein  wie  bei 
den  Reptilien.  —  Die  medial  von  den  Hirnvenenwurzeln  und  dem 
Labyrinthbläschen  gelegene  V.  cardinahs  anterior  schwiudet,  während 
an  ihre  Stelle  eine  seitlich  von  diesen  Gebilden,  der  V.  capitis  late- 
ralis der  Reptilien  entsprechende  Venenbahn  tritt  ^).  —  Die  Halsabschnitte 
der  V.  cardinales  anteriores  persistieren  jedoch  als  V.  jugulares  in- 
ternae,  ebenso  wie  sich  die  beiden  D.  Cuvieri  als  V.  cavae  anteriores 
erhalten. 

Entwickelung  der  Extr  emitäten  ven  en.  Die  Venen  der 
Extremitätenstummel  zeigen  beim  Hühnchen  zuerst  dieselbe  Anord- 
nung und  ähnliche  Mündungsverhältnisse  wie  bei  den  Embryonen  von 
Lacerta.  —  An  der  vorderen  Extremität  ist  es  dann  die  ulnare  Rand- 
vene des  Vorder-  und  Oberarmes,  die  erhalten  bleibt,  während  zuerst 
die  radiale  Randvene  und  später  mit  dem  Vorwachsen  der  Knorpel- 
strahlen  der  Finger  auch  die  Randvene  der  Hand  zurückgebildet  wird. 
—  Dabei  spielt  eine  an  der  Wurzel  der  Extremität  in  die  ulnare  Rand- 
veue  mündende,  über  die  Dorsalseite  des  Ober-  und  Vorderarms  distal- 
wärts  vorwachsende  Veneubahn  (Fig.  160)  eine  vermittelnde  Rolle, 
indem  sie  das  Blut  aus  den  Venen  der  Interdigitalräume  vorübergehend 
ableitet.  —  Indem  nämlich  später  die  Venen  des  Handrückens  Anschluß 

an  die  ulnare  Randvene  finden,  bildet  sich  diese 
Venenbahn  bis  auf  ihre  proximalste  Endstrecke 
wieder  zurück.  —  Mit  der  ulnaren  Randvene  ver- 
einigt sich  schon  frühzeitig  eine  der  Seiteurumpf- 
vene  von  Lacerta  (Fig.  160)  entsprechende  Venen- 
bahn, um  mit  ihr  den  Stamm  der  V.  subclavia  zu 
bilden.  —  Diese  Seitenrumpfvene  zeigt  während 
einer  bestimmten  Entwickelungsperiode  eine  sehr 
•  mächtige  Entwickelung  (vergl.  weiter  unten),  wird 
aber  später  wieder  viel  schwächer. 

Fig.  160.     Extremitätenvenen    eines    Huhn  erembryo 
von  144  Stunden. 

An  der  hinteren  Extremität  erhält  sich  keine  von  den  primären 
Venenbahnen.  —  Zuerst  schwindet  nämlich  die  tibiale  Randvene, 
während  die  fibulare  an  Mächtigkeit  zunimmt  und  als  V.  ischiadica 
in  die  V.  cardinalis  mündet.  —  Dann  entwickelt  sich  von  der  Wurzel 
der  Extremität  aus  eine  sekundäre  Venenbahn,  die  über  die  Dorsal- 
seite des  Ober-  und  Unterschenkels  gegen  den  Fußrückeu  vorwächst 
(Fig.  160)  und  nach  dem  Zugrundegehen  der  Randvene  des  Fußes  die 


1)  Detaillierte  Angaben   darüber,    wie   sich  bei  Vögeln  die  definitiven  Verhält- 
nisse des  Venensystems  des  Kopfes  herstellen,  stehen  jedoch  vorläufig  noch  aus. 


Die  Entwickelung  des  Blutgefäßsystems.  139 

Venen  der  Interdigitalräume  und  schließlich,  nachdem  auch  die  fibulare 
Randvene  bis  auf  einen  kleinen  proximalen  Rest  verschwunden  ist, 
fast  das  ganze  Blut  der  Hintergliedmaße  ableitet.  -  Diese  Vene  mündet 
zuerst  in  die  Umbilicalvene.  ~  Später  ergießt  sie  sich  in  die  V. 
cardinalis  posterior  und  noch  später  verbindet  sie  sich  mit  der  Seiten- 
rumpfvene,  die  nun  eine  Zeit  lang  das  ganze  Blut  der  hinteren  Ex- 
tremität in  die  V.  subclavia  abführt.  —  Schließlich  greift  aber  die  aus 
der  V.  cardinalis  p.  hervorwachsende  V.  femoralis  auf  immer  weiter 
distal  gelegene  Partien  der  hinteren  Extremität  über  und  wird  so 
zur  definitiven  Hauptvenenbahn  derselben,  während  die  andere  Venen- 
bahn, die  also  auch  nur  eine  vorübergehende  Rolle  spielt,  zu  Grunde 

geht  (HOCHSTETTER   1891), 

Säuger. 

Die  Anlage  der  großen  Venenstämme  der  Säuger  ist  anfänglich, 
auch  was  ihre  Kaliberverhältnisse  anbelangt,  eine  vollkommen  sym- 
metrische und  ihr  Verhalten  zum  Sinus  venosus  ist  dem  für  junge 
Lacertaembryonen  geschilderten  überaus  ähnlich  (Fig.  161).  —  Dieser 
symmetrische  Zustand  des  Venensystems  wird  jedoch  bald  gestört, 
indem  sich  schon  frühzeitig  an  den  V.  omphalo-mes- 
entericae  und  den  V.   umbilicales    ähnliche   Umwand-      r  n^''* 

hingen  vollziehen,  wie  sie  für  die  gleichen  Venen  der 
Sauropsiden  beschrieben  wurden. 


Fig.  161.  Verhalten  der  großen  Venenstämme  zum  Sinus 
venosus  bei  jungen  Säugerem  br  j^onen.  (Schema.)  T'.r.a.  V. 
cardinalis  anterior.  V.c.ji.  V.  cardinalis  posterior.  V.o.m.  V.  om- 
phalo-mesenterica.     V.u.  V.  umbilicalis.  v.o.m. 

Umwandlungen  im  Gebiete  der  V.  omphalo- nies- 
en t  er  icae.  Zuerst  verbinden  sich  die  V.  omphalo  -  mesentericae 
caudal  von  der  dorsalen  Pankreasanlage.  dorsal  vom  Darme  durch  eine 
kurze  Queranastomose  miteinander,  dann  verschmelzen  sie  weiter 
caudal,  ventral  vom  Darme  (Fig.  162)  und  treten  schließlich  in  der 
Leber  selbst,  unmitielbar  cranial  von  der  Darmmündung  des  Leber- 
ganges, noch  einmal  ventral  vom  Darme  durch  eine  Queranastomose  in 
Verbindung.  —  Auf  diese  Weise  entstehen  2  Venenringe  um  den 
Darm,  die  His  (A.  L.  III,  11,  1885)  zuerst  für  menschliche  Embryonen 
beschrieben  hat.  —  Indem  nun,  wie  ebenfalls  His  zuerst  gezeigt  hat, 
der  rechte  Schenkel  des  caudalen  und  der  linke  Schenkel  des  cranialen 
Venenringes  schwindet,  entsteht  (Fig.  163)  der  aus  zwei  ventral  vom 
Darme  zusammenfließenden  Wurzelzweigen  gebildete,  den  Darm  in 
spiraligem  Verlaufe  umgreifende  einfache  Stamm  der  V.  omphalo-mes- 
enterica.  —  An  denselben  schließt  sich  später  in  der  Gegend  des 
Pankreas  die  V.  mesenterica  und  die  V.  gasterolienalis  an  und  von 
hier  aus  kann  er  dann  als  V.  portae  bezeichnet  werden. 

Während  sich  jedoch  die  Venenringe  der  V.  omphalo-mesentericae 
bilden,  beginnen  diese  Venen  innerhalb  der  Leber  in  ein  Gefäßnetz 
zu  zerfallen  und  es  bilden  sich,  nachdem  auch  die  V.  umbilicales  mit 
diesem  Gefäßnetz  in  Verbindung  getreten  sind,  bei  den  verschiedenen 
Säugern  in  nicht  völlig  übereinstimmender  Weise  schließlich  Verhält- 
nisse heraus,  die  von  den  bei  den  Sauropsiden  gefundenen  recht  er- 
heblich abweichen. 


140  HOCHSTETTER, 

Bildung  des  Ductus  v  e  n  o  s  u  s  A  r  a  n  z  i  i.  Bei  Kaninclien- 
embryoneu  entwickelt  sich,  noch  bevor  die  den  cranialen  Venenring 
abschließende  Querverbindung  zwischen  den  beiden  V.  omphalo-mes- 
entericae  gebildet  ist,  innerhalb  der  Leber  eine  Venenbahn,  die  von 
der  V.  omphalo-niesenterica  sinistra  dort  ausgeht,  wo  diese  in  die 
Leber  eindringt  und  sich  mit  den  V.  omphalo-mesenterica  dextra  dort 
vereinigt,  wo  sie  in  den  Sinus  venosus  mündet  (Fig.  162).  —  Diese 
Venenbahn  bildet  die  Anlage  des  D.  venosus  Aranzii.  —  Beim  Menschen 
entsteht  sie  nach  His  (A.  L.  III,  11,  1885)  erst,  nachdem  auch  der 
craniale  Venenring  um  den  Darm  bereits  geschlossen  ist,  von  ihm  aus. 

Vera  n  d  e  r  u  n  g  e  n  im  Gebiet  de  r  V.  u  m  b  i  1  i  c  a  1  e  s. 
Die  beträchtliche  Ausweitung ,  welche  der  D.  venosus  nun  in  der 
Folge  erfährt,  hängt  mit  den  Veränderungen  zusammen,  die  das 
System  der  V.  umbilicales  erleidet.  —  Dieselben  beginnen  damit,  daß 
die  V.  umbilicahs  dextra  vorübergehend  bedeutend  mächtiger  wird  als 
die  sinistra,  und  daß  sich  die  letztere  mit  dem  Venennetz  der  Leber 
durch  einen  rasch  sich  ausweitenden  Zweig  in  Verbindung  setzt 
(Fig.  162),  der  sehr  bald  mit  der  V.  omphalo-mesenterica  dort  kommuni- 
ziert, wo  aus  ihr  der  D.  venosus  Aranzii  hervorgeht,  sodaß  der  letztere 
nunmehr  als  Fortsetzung  der  V.  umbilicalis  durch  die  Leber  hindurch 
erscheint.  —  Und  nun  bildet  sich  auch  durch  Erweiterung  einer  schon 
früher  vorhandenen,  aber  sehr  schwachen  Venenbahn, 
^,c.a  die  den  cranialen  Venenring  abschließende  Querver- 

bindung zwischen  den  beiden  V.  omphalo-mesentericae 
aus  (HocHSTETTER  1893).  —  Beim  Menschen  hin- 
gegen verbindet  sich  nach  His  die  V.  umbilicalis 
sinistra  mit  dem  schon  fertig  gebildeten  cranialen 
Venenring, 

Fig.  162.  Verhalten  der  V.  omphalo-mesentericae  und  V. 
umbilicales  zu  Darm  und  Leber  bei  einem  Kanincheu- 
embryo  vom  Beginne  des  12.  Tages.  (Schema.)  D.v.A.  Ductus 
venosus  Aranzii.     Uebrige  Bezeichnungen  wie  in  Fig.  44. 

Das  Placentarblut  kann  nun  durch  die  V.  umbilicalis  sinistra  und 
den  D.  venosus  Aranzii  direkt  gegen  den  Sinus  venosus  zu  abströmen. 
—  Infolgedessen  verengert  sich  die  Endstrecke  der  V.  umbilicalis 
sinistra  und  obliteriert  zum  Teil,  während  ihr  ursprüngliches  Mündungs- 
stück, von  Leberschläuchen  umwachsen,  zu  einer  unbedeutenden  V. 
hepatica  revehens  umgewandelt  wird  (Born  1889).  —  Aber  auch  die 
V.  uml)ilicalis  dextra  setzt  sich  mit  dem  Lebervenennetze  in  Ver- 
bindung. —  Doch  erlangt  diese  Verbindung  keine  bleibende  Bedeutung, 
da  die  V.  umbilicalis  dextra,  weil  das  Placentarblut  anscheinend 
günstigere  Abflußbedingungen  durch  die  V.  umbilicalis  sinistra  und 
den  D.  venosus  Aranzii  findet,  rasch  schwächer  wird  und  schließlich 
bis  auf  ihr  Mündungsstück,  welches  ebenfalls  in  eine  V.  hepatica 
revehens  umgewandelt  wird,  vollkommen  zu  Grunde  geht.  —  Während 
sich  aber  die  eben  geschilderten  LTmwandlungen  im  Gebiet  der  V. 
umbilicalis  vollzogen  haben,  sind  bei  Kaninchenembryonen  i)  die  V. 
omphalo-mesentericae  in  der  Leiter  vollständig  in  ein  Gefäßnetz  auf- 
gelöst worden  und  nur  ihre  Endstrecken  sind  als  V.  hepatica  revehens 

1)  Nach  His  erfolgt  dieser  Zerfall  beim  Menschen,  noch  bevor  der  D.  venosus 
Aranzii  gebildet  ist. 


Die  Entwickelung  des  Blutgefäßsystems.  141 

dextra  und  sinistra  erhalten  geblieben.  —  Aber  auch  die  letztere  ver- 
Hert.  bald  ihre  direkte  Mündung  in  den  Sinus  venosus ,  indem  sie 
eine  neue  Abflußbahn  in  das  proximale  Endstück  des  D.  venosus 
Aranzii  gewinnt,  und  so  gelangt  nun  alles  die  Leberblutbahnen  durch- 
strömende Blut  auf  dem  Wege  einer  mächtigen  Venenbahn,  die  wir 
V,  hepatica  revehens  communis  nennen  (Fig.  163),  in  den  Sinus  venosus„ 

Verhältnisse  des  Lebervenensystems  in  späteren 
Embryonalstadien.  Jetzt  haben  die  Venen  der  Leber  (wenn  wir 
von  der  Entwickelung  der  hinteren  Hohlvene  absehen)  jenen  Zustand 
erreicht,  der  bis  zur  Gelnirt  persistiert.  —  Die  V.  portae  (Fig.  163) 
teilt  sich,  an  der  Leber  angelangt,  in  einen 
rechten  schwächeren  und  einen  linken  stärkeren 
Ast.  —  Der  erstere  ist  aus  der  V.  omphalo- 
mesenterica  dextra  entstanden  und  fungiert  als 
V.  hepatica    advehens,    der    letztere,    aus    dem 

cranialen    Schenkel    des    cranialen    Venenringes         /<f^<mxT^sA._^  p^.A 
hervorgegangen,  verbindet  die  V.  portae  mit  dem 
Leberabschnitt  der  V.  umbilicalis. 

Fig.  163.  Schema  der  Entwickelung  des  Lebervenen- 
systems der  Säuger.  Die  zu  Grunde  gegangenen  Ab- 
schnitte der  V.  omphalo-mesentericae  und  V.  umbilicales 
sind  licht  gehalten.    Bezeichnungen  wie  in  Fig.  44  und  45.  ^  ^-    '^Vom. 

Veränderungen  nach  der  Geburt.  Nach  der  Geburt  ob- 
literiert sowohl  der  Ductus  venosus  Aranzii  als  auch  die  V.  umbilicalis 
bis  an  jene  Stelle  heran,  w^o  aus  ihr  eine  Anzahl  von  V.  hepaticae 
advehentes,  die  beim  Menschen  für  den  Lohns  sinister  und  quadratus 
der  Leber  bestimmt  sind ,  entspringen,  und  es  wird  dann  die  Ver- 
bindung zwischen  V.  portae  und  V.  umbilicalis,  nebst  dem  kleinen 
zwischen  Lgt.  venosum  (obliteriertem  D.  venosus  Aranzii)  und  dem 
Lgt.  teres  hepatis  (obliterierter  V.  umbilicalis)  befindlichen,  wegsam 
bleibenden  Teil  des  Leberabschnittes  der  V.  umbilicalis  zum  linken 
Aste  der  Pfortader,  welches  Gefäß  somit  nach  der  Geburt  die  Blut- 
versorgung jener  Leberteile  übernimmt,  die  früher  durch  die  V.  um- 
bilicalis Placentarblut  zugeführt  erhielten  ^). 

Bei  Echidna  scheint  die  Nabelvene  nicht  zu  obliterieren,  vielmehr 
scheint  sie  sich  hier  mit  Harnblasenvenen  in  Verbindung  zu  setzen 
und  zeitlebens  als  jenes  Gefäß  zu  persistieren,  das  Beddard  als  V. 
abdominalis  bezeichnet  hat. 

V.  cardinales  posteriores  und  die  Entwickelung  der 
hinteren  Hohlvene.  Die  V.  cardinales  posteriores  zeigen  bei 
Säugerembryonen  im  allgemeinen  einen  ganz  ähnlichen  Verlauf  und 
ähnliche  Lagebeziehungen  zur  Urniere  wie  bei  den  Sauropsiden.  Auch 
ist  bei  jungen  Embryonen  von  Echidna  das  Verhalten  dieser  Venen 
zu  den  gemeinsamen  Wurzelstämmen  für  A.  ischiadicae  und  A.  um- 
bilicales   das  gleiche    wie  dort,    ändert   sich   aber   später   in   ähnlicher 


1)  Der  periphere  Abschnitt  der  V.  omphalo-mesenterica  fällt  bis  zu  seiner 
Mündung  in  die  V.  portae  meist  schon  frühzeitig  der  Eückbilduug  vollständig  an- 
heim.  Bei  gewissen  Säugern  (Allen  A.  1883)  erhält  sich  jedoch  ein  Best  dieses 
Gefäßabschnittes  in  Form  eines  frei  durch  die  Bauchhöhle  ziehenden  Stranges  bis 
zur  Zeit  der  Geburt  und  auch  noch  kurze  Zeit  nach  der  Geburt.  —  Ein  Gleiches 
gilt  auch  für  den  peripheren  Abschnitt  der  A.  omphalo-mesenterica. 


142 


HOCHSTETTER, 


Weise  wie  bei  den  Vögeln.  Bei  allen  anderen  daraufhin  untersuchten 
Säugerembryonen  aber  findet  man  die  V.  cardinales  p.,  sobald  sie  in 
dieser  Gegend  gebildet  sind,  an  der  Dorsalseite  dieser  Wurzelstämme 
vorbeiziehend.  Ihre  Aeste  sowie  die  in  sie  einmündenden  Venenzweige 
sind  dieselben  wie  bei  den  Vögeln,  dies  gilt  insbesondere  für  die  V. 
subclaviae.  die  auch  bei  den  Säugern  ursprünglich  in  den  proximalsten 
Abschnitt  der  hinteren  Cardinalvenen  einmünden. 

Die  hintere  Hohlvene  entwickelt  sich,  so  wie  bei  den  Sauriern, 
von  den  aus  der  Endstrecke  der  V.  omphalo-mesenterica  dextra  ent- 
standeneu V.  hepatica  revehens  communis  aus,  die  dadurch  zur  End- 
strecke der  V.  Cava  posterior  wird.  Sie  bildet  sich  von  hier  aus  durch 
Ausweitung  bestimmter  Leberveneubahnen,  die  bald  einen  fortlaufenden 
Stamm  bilden,  der  sich  weiterhin  durch  das  rechte  Nebengekröse  hin- 
durch bis  an  die  mediale  Seite  der  Urniere  fortsetzt  und  hier  eine 
Strecke  weit  caudalwärts  weiter  wächst,  während  gleichzeitig  auch  an 
der  medialen  Seite  der  linken  Urniere  ein  Längsvenenstamm  entsteht, 
der  sich  mit  ihr  durch  2 — 3  caudal  von  der  Abgangsstelle  der  A.  om- 
phalo-mesenterica befindliche  quere  Anastomosen  in  Verbindung  setzt 
(Fig.  164).     So  kann   jetzt  ein  Teil  des  Urnierenblutes   durch  die  als 


yca  p 

M.N 


Fig.  16(5 


Fig.  167. 


Fig.  164—168.  Schemen,  die  Entwickelung  der  hinteren  Hohlvene  beim  Ka- 
ninchen darstellend.  V.c.a.  V.  cardinalis  anter.  V.c.p.  V.  cardinalis  post.  V-ca-p. 
Vena  cava  posterior.  VA.  V.  ischiadica.  Y.s.  V.  subclavia.  D.v.A.  Ductus  venosus 
Aranzii.  V.r.V.a^p.  vordere  und  hintere  rückführende  Urnierenvene.  N,  Niere. 
N.N.  Nebenniere.    Ur.  Ureter.    V.Le.  V.  iliaca  externa.     V.sp.i.  V.  spermatica  interna. 


V.  revehentes  anteriores  und  posteriores  der  Urniere  zu  bezeichnenden 
Wurzeläste  der  V.  cava  posterior  in  die  letztere  abströmen.  Doch 
kommt  es  bei  den  Säugern  zur  Ausbildung  eines  eigentlichen  Pfort- 
adersystems der  Urniere,  wie  es  sich  bei  den  Sauropsiden  entwickelt, 
nicht.  Denn  sehr  bald,  nach  dem  Auftreten  der  V.  revehentes  der 
Urniere,  treten  dieselben  in  der  Gt  "'^'mI  ihrer  Querverbindung,  die 
später  zu  einer  einheitlichen  wird  (Fig.  lbt>),  du]'ch  die  Bildung  einer 
mächtigen  Anastomose  auf  jeder  Seite  mit  den  hini^.  i  Cardinalvenen 
in  Ve/üindung^)  (IIochstetter  1893). 

Die  Bildung  dieser  Anastomosen  hat  zur  Folge,  daß  nun  das  Blut 
der  hinteren  Cardinalvenen   zum  großen  Teil  durch  die  hintere  Hohl- 

1)  Soweit  scheinen  sich  die  Verhältnisse  bei  den  meisten  Säugern  in  überein- 
stimmender Weise  zu  entwickeln,  nur  soll  es  nach  Zujistein  (1807)  beim  Meer- 
schweinchen nicht  zur  Ausbildung  von  V.  revehentes  posteriores  der  Urniere  kommen. 


Die  Entwickelung  des  Blutgefäßsystems.  143 

vene  abströmen  kann  und  dies  führt  weiterhin  dazu,  daß  es  zu  einer 
Obliteration  der  hinteren  Cardinalvenen  am  cranialen  Pol  der  Urnieren 
kommt.  Dadurch  zerfallen  dieselben  in  zwei  getrennte  Abschnitte, 
deren  Schicksal  im  folgenden  gesondert  besprochen  werden  soll. 

Die  Ur  nie  renabschnitte  der  hinteren  Cardinalvenen 
und  ihr  Schicksal.  Die  caudalen  oder  Urnierenabschnitte  der 
hinteren  Cardinalvenen  bilden  in  der  Folgezeit  die  Hauptwurzeln  der 
hinteren  Hohlvene ,  während  ihre  als  V.  revehentes  der  Urniere  be- 
zeichneten Wurzelzweige  immer  schwächer  werden.  Schließlich  ver- 
schwinden dann  die  V.  revehentes  posteriores  der  Urniere  vollständig 
(Fig.  167),  während  die  V.  revehentes  anteriores,  mit  den  Nebennieren 
in  Verbindung  tretend,  zu  den  Y.  suprarenales  der  ausgebildeten  Form 
werden  (Mensch,  Kaninchen,  Katze).  Aber  auch  die  an  die  hintere 
Hohlvene  angeschlossenen  Urnierenabschnitte  der  hinteren  Cardinal- 
venen erleiden  nun  gewisse,  durch  die  Entwickelung  der  bleibenden 
Nieren  bedingte  Abänderungen  ihres  Verlaufes.  Indem  sich  nämlich 
die  Anlagen  dieser  Organe,  indem  sie  aus  dem  Becken  aufgestiegen 
sind,  bei  ihrer  weiteren  Wanderung  zwischen  Aorta  und  hintere 
Cardinalvenen  vorschieben,  verdrängen  sie  die  letztere  ventral-  und 
lateralwärts  und  es  entwickelt  sich,  caudal  von  diesen  Venen  ausgehend 
und  cranial  wieder  in  sie  einmündend,  eine  collaterale  Venenbahn,  die 
beim  Kaninchen  (Hochstetter  189o)  (Fig.  1(36)  dorso-medial  vom 
Ureter,  beim  Menschen,  der  Katze  (Hochstetter),  dem  Maulwurf 
(ZuMSTEiN  1890)  und  den  Mikrochiropteren  (Grosser  A.  1901),  dorso- 
medial  von  der  Nierenanlage  verläuft.  So  entsteht  in  der  Bahn  der 
hinteren  Cardinalvene  eine  Insel  ^),  die  beim  Kaninchen  nur  den  Ureter, 
bei  Mensch,  Katze,  Mikrochiropteren  und  dem  Maulwurf  auch  die 
Nierenanlage  umgreift.  Indem  sich  in  der  Folge  der  dorsale  Schenkel 
dieser  Insel  rasch  ausweitet  und  zur  Hauptbahn  des  Urnierenabschnittes 
der  hinteren  Cardinalvene  wird,  wird  ihr  ventraler  Schenkel  immer 
schwächer  und  obliteriert  schließlich  auf  eine  Strecke  weit  vollständig  2). 

Bildung  der  V.  s  p  e  r  m  a  t  i  c  a  e.  Soweit  .er  aber  erhalten  bleibt 
sammelt  er  das  Blut  aus  der  Urniere  und  den  Geschlechtsdrüsen 
(Mensch,  Katze,  Kaninchen,  Mikrochiropteren)  und  wird  später  zur 
V.  spermatica  interna  resp.  ovarica. 

Bildung  der  N  i  e  r  e  n  v  e  n  e  n.  Haben  die  Nieren  ihre  definitive 
Lage  erreicht,  so  entwickeln  sich  auch  die  Nierenvenen.  Ihre  Mün- 
dung erfolgt  gewöhnlich  ungefähr  an  der  Stelle,  an  welcher  in  früheren 
Entwickelungsstadien  die  hintere  Hohlvene  mit  den  hinteren  Cardinal- 
venen in  Verbindung  getreten  ist. 

Er  halten  bleiben  des  paarigen  Zu  Standes  der  hin- 
teren Hohlvene  bei  gewissen  Säugern.  Jetzt  erscheint  also 
die  hintere  Hohl  vene  bis  in  die  Nieren  gegend  unpaar,  von  da  an  aber 
paarig,  ein  Zustand,  der  sich  bei  einer  Reihe  von  Säugetieren  mehr 
oder  weniger  unverändert  zeitlebens  erhält  (Echidna,  Edentaten,  Ce- 
taceen  u.  a.). 


1)  Beim  Meerschweinchen  bleibt  die  Bildung  dieser  Insel  aus,  da  bei  dieser 
Form  die  Nierenanlage  an  der  ventralen  Seite  der  hinteren  Cardinalvene  vorbei 
wandert  (Zumstein  1887). 

2)  Bei  Erinaceus  europaeus  bleibt  auch  der  ventrale  Schenkel  der  Insel  häufig 
zeitlebens  erhalten  (Hochstetter). 


144  HOCHSTETTER, 

Bei  den  meisten  Säugern  kommt  es  jedoch  auch  caudal  von  den 
Nieren  zur  Ausbiklung  eines  unpaaren  Hohlvenenstammes.  Derselbe 
kann  hier  in  zweierlei  Weise  sur  Ausbildung  gelangen. 

Herstellung  des  1)  e  i  der  Mehrzahl  der  Säuger  blei- 
benden Zu  st  an  des  der  hinteren  Hohlvene.  Entweder  es 
verschmelzen  die  paarigen  Abschnitte  der  hinteren  Hohlvene  dorsal 
(Ornithorhynchus)  oder  ventral  von  der  Aorta  (Mehrzahl  der  Marsu- 
pialier)  miteinander  zu  einem  unpaaren  Stamme^),  oder  aber  es  ob- 
literiert ihr  linker  aus  dem  Urnierenabschnitte  der  hinteren  Kardinal- 
vene hervorgegangener  Wurzelstamm  bis  zur  Mündung  der  V.  sper- 
matica  interna  resp.  ovarica  '^),  nachdem  er  sich  vorher  mit  dem  der 
Gegenseite  in  der  Beckengegend  in  Verbindung  gesetzt  hatte,  so  daß 
der  letztere  nun  alles  Blut  des  Beckens  und  der  hinteren  Gliedmaßen 
abzuleiten  vermag  (Fig.  168).  —  Diese  Verbindung  stellt  sich  beim 
Menschen  schon  vor  dem  Auftreten  der  hinteren  Hohlvene  in  Form 
einer  kurzen,  breiten,  ventral  von  der  A.  sacralis  media  gelegenen 
Anastomose  zwischen  den  Beckenabschnitten  der  hinteren  Kardinal- 
venen her  (HocHSTETTER  1893),  eine  Anastomose,  aus  welcher  nach 
der  Obliteration  des  linken  Wurzelstammes  der  hinteren  Hohlvene 
die  V.  iliaca  communis  entsteht  (Fig.  169).  —  Bei  Talpa 
sind  es  nach  Zumstein  (1898)  2  Querverbindungen,  die 
sich  entwickeln.  —  Die  eine  schwächere  von  ihnen  liegt 
ventral  von  den  A.  sacralis  media,  die  andere  stärkere 
dorsal  von  der  Bifurcationsstelle  der  Aorta.  —  Beim 
Kaninchen  wieder  legen  sich  die  beiden  Beckenstücke 
der    hinteren    Kardinalvenen    eine    Strecke    weit    an- 

Fig.  1(39.  Schema  der  Entwickelung  des  einfachen  Hohl- 
venenstammes und  der  V.  ihaca  communis  sinistra  beim  Men- 
schen. V.i.i.  V.  ihaca  interna.  Uebrige  Bezeichnungen  wie  in 
den  Figuren  47 — 51. 

einander  und  l)ilden,  indem  sie  miteinander  verschmelzen,  einen  median 
und  ventral  von  der  A.  caudalis  gelegenen  unpaaren  Stamm,  die  so- 
genannte V.  iliaca  interna  communis  (Fig.  168)  und  ein  ähnlicher 
Vorgang  findet  auch   bei  den  Mikrochiropteren  statt  (Grosser  1901). 

Bei  den  Fledermäusen  verbinden  sich  übrigens  nach  Grosser  die 
Urnierenabschnitte  der  hinteren  Cardinalvenen,  nachdem  der  selbständig 
entstehende  Abschnitt  der  hinteren  Hohlvene  mit  der  rechten  hinteren 
Cardinalvene  in  Verbindung  getreten  ist,  dorsal  von  der  Aorta  in  der 
Nierengegend  durch  eine  mächtige  Queranastomose  miteinander  und  diese 
Queranastomose  wird  dann,  wenn  sich  die  Nierenvenen  entwickelt  haben 
und  der  Urnierenabschnitt  der  linken  hinteren  Kardinalvene  bis  zm'  Ein- 


1)  Daß  bei  Ornithorhynchus,  der  dorsal  von  der  Aorta  gelegene,  von  den  Lum- 
balarterien  durchbohrte  breite  Hohlvenenstamm  durch  eine  solche  Längsverschmelzung, 
wie  sie  auch  bei  der  Katze  während  der  Ontogenese  vorübergehend  beobachtet  wurde 
(HoCHSTETTER  1893)  zur  Entwickelung  kommt,  dürfte  kaum  bezweifelt  werden 
können.  —  Verfasser  hält  es  aber  auch,  nach  den  von  Mc.  Clure  (1900)  über  die 
Varietäten  der  hinteren  Hohlvene  von  Didelphys  veröffentlichten  Beobachtungen 
entgegen  einer  früher  (1803)  geäußerten  Meinung,  für  überaus  wahrscheinhch,  daß 
bei  allen  jenen  Marsupialiern,  die  zwischen  Nieren  und  Becken  einen  ventral  von 
der  Aorta  gelagerten,  unpaaren  Hohlvenenstamm  besitzen,  dieser  durch  Längsver- 
schmelzung der  Urnierenabschnitte  der  hinteren  Cardinalvenen  entstanden  ist. 

2)  Das  Endstück  dieses   linken  Wurzelstammes  wird   dadurch  zum  Endstück 
der  V.  spermatica  interna  s.  ovarica  der  ausbebildeten  Form. 


Die  Entwickelung  des  Blutgefäßsystems. 


145 


mündungsstelle  der  V.  spermatica  interna  sinistra  obliteriert  ist,  zur 
Fortsetzung  der  linken  Nierenvene,  die  also  bei  diesen  Tieren  über  die 
Dorsalseite  der  Aorta  hinweg  gegen  den  Stamm  der  hinteren  Hohlvene 
verläuft. 


eme 

Folge 

regioii 


Entstehung  der  V.  azygos  und  V.  hemiazygos.  Noch 
bevor  die  früher  erwähnte  Unterbrechung  der  Strombahn  der  hinteren 
Cardinalvenen  erfolgt,  erleidet  ihre  Zusammenflußstelle  mit  den  vor- 
deren Cardinalvenen  infolge  der  Caudalwärtsverlagerung  des  Herzens 
beträchtliche  Lageverschiebung  in  caudaler  Richtung,  die  zur 
hat,  daß  nicht  nur  die  letzten  segmentalen  Venen  der  Cervical- 
Mündung  in  die  hintere  Cardinalvene  verlieren,  sondern 
auch  die  V.  subclavia  mit  ihrer  Mündung  auf  die  vordere  Cardinal- 
vene überrückt.  —  Hat  dann  die  Unterbrechung  in  der  Strombahn 
der  V.  cardinales  p.  thatsächlich  stattgefunden ,  so  münden  in  ihre 
vorderen  Abschnitte  nur  noch  die  vor  der  Unterbrechungsstelle  be- 
findlichen segmentalen  Venen  der  Brustregion.  —  Dabei  zeigen  diese 
Cardinalvenenabschnitte  ein  vollkommen  symmetrisches  Verhalten  (Fig. 
166),  welches  sie  bei  manchen  Säugern  auch  weiterhin  beibehalten 
können  (Echidna  u.  a.),  indem  sie  sich  nur,  nachdem  sich  die  Urnieren 
retrahiert  haben,  sekundär  caudalwärts  verlängern  und  schließlich  als 
V.  azygos  und  V.  hemiazygos  entlang  der  Wirbelsäule  bis  an  die 
der  Brusthöhle  erstrecken  und  das  Blut  sämtlicher 
sammeln. 

vollziehen   sich   aber   im  Gebiet  dieser 

die    in   den   extremsten    Fällen   dazu 

V.  azygos  (Kaninchen,  Katze)  oder  nur 


caudale    Grenze 
Intercostalveneu 

Bei  den  meisten  Säugern 
Venen  weitere  Veränderungei 
führen,  daß  entweder  nur  die 


nur 
die  V.  hemiazygos  (Schwein,  Wiederkäuer) 
sich  beim  Kaninchen  zwischen  den 
vorderen  Abschnitten  der  hinteren 
Cardinalvenen,  entsprechend  den 
einzelnen  V.  intercostales,  zuerst 
Queranastomosen  aus.  —  Hierauf 
schwindet  der  linke  Venenstamm 
vollständig  und  der  rechte  ver- 
längert  sich   sekundär   über  das 


persistiert.  —  So   bilden 


8.    Thoracalsegment   (Fig.  170*) 


l'.h.a 


hinaus,  wo  die  Unterbrechung  der 
Strombahn  der  hinteren  Cardinal- 
venen erfolgt  war,  in  caudaler 
Richtung  und  bildet  so  die  V. 
azygos  der  ausgebildeten  Form, 
nachdem  vorher  noch  auch  die 
ersten  4  Intercostalveneu  ihre 
Mündung  in  dieses  Gefäß  ver- 
loren und  sich  zur  Bildung  der 
V.  intercostalis  suprema  jederseits 
vereinigt  haben.  —  Beim  Schweine,  bei  dem  sich  die  vorderen 
Abschnitte  der  hinteren  Kardinalvenen  nach  Parker  und  Tozier 
(1898)  in  ähnlicher  Weise  sekundär  caudalwärts  verlängern  wie  beim 
Kaninchen,  kommt  es  ebenfalls  zur  Bildung  von  Queranastomosen 
zwischen  der  V.  azygos  und  hemiazygos  und  es  bleibt,  nachdem  die 
V.  azygos   geschwunden   ist,    die  V.  hemiazygos   bestehen   (Fig.  171). 

Handbach  der  Entwickelungslehre.    III.  2,  10 


Fig.  170.  Fig.  171. 

Fig.  170.  Entwickelung  der  V.  azygos 
des  Kaninchens.  (Schema.)  t;/.  V.  jugu- 
laris  interna.  V.s.  V.  subclavia.  V.az. 
V.  azygos. 

Fig.  171.  Entwickelung  der  V.  hemi- 
azygos beim  Schwein.  (Schema.)  V.a.s. 
V.'  anonyma  sinistra.  V.h.a.  V.  hemiazygos. 
IJebrige'  Bezeichnungen  wie  bei  Fig.  170. 


146 


HOCHSTETTER, 


Beim  Menschen   kommen  alle   möglichen  Entwickelnnpisformen   dieser 


beiden  Venen  zur 
V.  azygos  dadurch 
die    letztere    durch 


V.kaa.. 


Beobachtung  1).  —  Am  häufigsten  gewinnt  die 
das  Uebergewicht  über  die  V.  hemiazygos,  daß 
eine  Queranastomose  mit  ihr  in  Verbindung 
tritt.  —  Die  V.  hemiazygos  kann  dann  ihre 
Mündung  in  den  D.  Cuvieri  gänzlich  verlieren 
oder  aber  ihre  Strombahn  in  der  Weise  unter- 
brochen werden,  wie  dies  in  Fig.  172  dargestellt 
ist.  —  Man  bezeichnet  dann  den  selbständig 
gewordenen  cranialen  Abschnitt  dieser  Vene  als 
V.  hemiazygos  accessoria. 

Fig.  172.  Entwickelung  der  vorderen  Hohlvene,  der 
V.  azygos  und  V.  hemiazygos  des  Menschen.  (Schema. ) 
V.h.a.a.  V.  hemiazygos  accessoria.  Uebrige  Bezeichnungen 
wie  in  Fig.  54  und  55. 


Entwickelung  einer  einfachen  vorderen  Hohlvene. 
Ist  die  V.  subclavia  mit  ihrer  Mündung  von  der  hinteren  auf  die 
vordere  Cardinalvene  übergerückt,  so  bezeichnet  man  das  jenseits 
ihrer  Mündungsstelle 
unmittelbare  Fortsetzung 


befindliche   Stück   dieser 
bildenden  D. 


Mündungen 


gelegener 


der   V. 
Abschnitt 


Vene  mehr  dem  ihre 
Cuvieri  als  vordere  Hohlvene. 
—  Ursprünglich  besitzen  alle  Säuger,  so  wie  die  Sauropsiden.  2  vor- 
dere Hohlvenen  und  dieser  Zusand  erhält  sich  bei  einer  Anzahl  von 
ihnen  (Monotremen,  Marsupialier,  einige  Nager,  einige  Insectivoren) 
dauernd  (Fig.  170).  —  Bei  sehr  vielen  Säugern  aber  entwickelt  sich 
(Rathke  1838,  Marshall  1850)  zwischen  den  beiden  vorderen  Hohl- 
venen eine  von  der  linken  zur  rechten  schief  absteigende  Anastomose, 
die  sich  rasch  ausweitet,  worauf  die  linke  vordere  Hohlvene  teilweise 
schwindet.  —  Es  leitet  dann  die  Anastomose  (Fig.  172),  die  man  jetzt 
V.  anonyma  sinistra  nennt,  das  Blut  der  V.  cardinalis  anterior  (V. 
jugularis  interna)  und  der  V.  subclavia  in  die  nunmehr  allein  be- 
stehende rechte  Hohlvene,  deren  zwischen  den 
subclavia  dextra  und  der  V.  anonyma  sinistra 
jetzt  V.  anonyma  dextra  genannt  wird. 

Bei  jenen  Säugerformen  nun,  bei  denen  die  V.  azygos  allein  vor- 
handen ist,  oder  bei  denen  die  neben  der  V.  azygos  bestehende  V. 
hemiazygos  ihre  Mündung  in  die  linke  vordere  Hohlvene  verloren 
hat,  obliteriert  die  V.  cava  superior  sinistra  zwischen  V.  anonyma 
sinistra  und  linkem  Atrium  und  es  bleibt  von  ihr  nur  ihre  Endstrecke 
als  V.  atrii  sinistri  und  als  Sinus  coronarius  cordis  erhalten.  —  Bei 
Formen,  bei  denen  es,  wie  manchmal  beim  Menschen,  zur  Bildung  einer 
V.  hemiazygos  accessoria  kommt,  erhält  sich  dagegen  von  dem  aus  dem 
D.  Cuvieri  entstandenen  Abschnitte  der  linken  vorderen  Hohlvene  auch 
nur,  wie  im  früheren  Falle,  die  Endstrecke,  dafür  persistiert  aber  der 
aus  der  V.  cardinalis  anterior  entstandene  Abschnitt  dieser  Vene  als 
Endstück  der  V.  hemiazygos  accessoria  (Fig.  172).  Bei  jenen  Formen 
endlich,  bei  denen  nur  die  V.  hemiazygos  ausgebildet  wird,  obliteriert 
der  aus  der  V.  cardinalis  anterior  gebildete  Abschnitt  der  V.  cava 
superior  sinistra  und  ihr  D.  Cuvieri-Abschnitt  bleibt  als 
der   V.  hemiazygos  erhalten   (Fig.  173),   das   heißt,   es   mündet 


Fortsetzung 
diese 


1)    In  den  extremsten  Fällen  zeigt  sich  entweder  ein  Zustand  erhalten  wie  bei 
Echidna  oder  es  persistiert  nur  die  V.  azygos  wie  beim  Kaninchen. 


Die  Entwickeluug  des  Blutgefäßsystems. 


147 


Vene,  nachdem  sie  die  Venen  der  Herzwand  aufgenommen  hat,  direkt  in 
den  rechten  Vorhof  (Schwein,  Wiederkäuer)  |Marshall  1850]. 

Die  V.  c  a  r  d  i  n  a  1  e  s  anteriores  und  die  E  n  t  w  i  c  k  e  1  u  n  g 
der  V  e  n  e  n  b  a  h  n  e  n  des  Kopfes.  Die  V.  cardinalis  anterior  zeigt 
in  ihrem  Kopfabschnitte  auch  bei  jungen  Säugerembryonen  dieselben 
Lagebeziehungen  und  Verlaufsverhältnisse,  wie  sie  für  die  gleiche 
Vene  der  Embryonen  niederer  Vertebraten  beschrieben  wurde.  — 
Sehr  früh  tritt  jedoch  auch  hier  an  ihre  Stelle  die  lateral  von  den 
Hirnnervenwurzeln  und  Ganglien  sowie  vom  Labyrinthbläschen  ver- 
laufende V.  capitis  lateralis.  —  Dieselbe  entsteht  auch  bei  den 
Säugern  wieder  in  Teilstücken,  deren  erstes  im  Gebiete  des  Acustico- 
facialis,  des  Labyrinthbläschens,  des  N.  vagus  und  N.  glossopharyn- 
geus  zur  Entwickelung  kommt  (Fig.  173),  während  der  vorderste 
medial  vom  Trigeminus  gelegene  Abschnitt  der  V.  cardinalis  anterior 
etwas  länger  erhalten  bleibt.  —  In  diesen  münden,  gewissermaßen 
seine  Wurzeln  bildend,  die  Augenvene,  die  Vene  des  Vorderhirns  so- 
Zwischen-  und  Mittelhirns,  während  in  die  V.  capitis 
wo  sie    den    N. 


wie  Venen  des 
lateralis    dort. 


vagus 


kreutzt    sich    eine    vom 
Hinterhirn   herabkommende 
Vene  einsenkt  (Fig.  173). 


L.B,L 


^fc/v-.J/     \ 


Ss.s. 


Vccc. 


Fig.   173. 


Yis.  174. 


Fig. 


173. 
11  mm  Länge 
lateralis.  S.s.s. 
VII  N.  facialis. 

Fig.  174. 
länge  (nach  H. 
V.o.  V.  ophthalmica 
wie  in  Fig.  56. 


Die  Venen  des  Kopfes  eines  Meerschweinchenembryo  von 
(nach  H.  Salzer).  V.c.a.  V  cardinalis  anterior.  V.c.l.  V.  capitis 
Anlage  des  Sinus  sagittalis  superior.     A.   Auge.     V.  N.   trigeminus. 

XII  N.  hypoglossus. 
Kopfvenen  eines  Meerschweinchenembryo  von  77,  mm  Kopf- 
SALZEß).     V.j.i.  V.  jugularis  interna.     V.j.e.  Vena  juguläris  externa. 
S.t7\  Anlage  des   Sinus   transversus,     Uebrige  Bezeichnungen 


Um  ein  Beträchtliches  später  bilden  sich  die  Teilstücke  der  V. 
capitis  lateralis  lateral  vom  N.  trigeminus  und  vom  N.  hypoglossus, 
und  es  schwinden  auch  in  diesen  Gebieten  die  früher  noch  erhaltenen 
Abschnitte  der  V.  cardinalis  anterior,  deren  Wurzelzweige  gleichzeitig 
zu  den  Wurzelzweigen  der  V.  capitis  lateralis  werden  (Fig.  174),  — 
Diese  Vene  bildet  nun  die  Hauptabtiußbahn  für  das  venöse  Blut  der 
vorderen  Hirnabschnitte.  —  Sie  verläßt  die  Schädelkapsel  zwischen 
N.  trigeminus  und  N.  facialis  und  schließt  sich  dabei  an  den  letzteren 
eine  Strecke  weit  an  (Salzer  1S95).  —  Bei  Echidna  erhält  sich  dieser 
Zustand  dauernd  (Hochstetter  A.  1896),  indem  die  V.  capitis  lateralis 
dieser  Form  dort,  wo  sie  dem  N.  facialis  anhegt,  mit  ihm  in  einen 
Knochenkanal  eingeschlossen  wird.  —  Aus  demselben  hervortretend, 
sie  in  die  V.  jugularis  interna  über. 

10* 


geht 


148  HOCHSTETTER, 

Bei  allen  anderen  Säugern  treten  jedoch  noch  eine  Reihe  weiterer 
Veränderungen  im  Gebiete  der  Kopfvenen  auf.  —  Vor  allem  bildet 
sich  zwischen  der  mit  dem  Vagus  die  Schädelkapsel  verlassenden 
Hinterhirnvene  und  der  V.  capitis  lateraHs  von  der  Stelle  aus,  wo  die 
letztere  den  Schädel  verläßt,  dorsal  von  der  Labyrinthkapsel  eine 
Anastomose,  die  sich  rasch  erweitert,  so  daß  jetzt  ein  Teil  des  Hirn- 
venenblutes durch  das  Foramen  jugulare,  ein  anderer  Teil  durch  den 
neben  dem  N.  facialis  gelegenen  Venenkanal  die  Schädelhöhle  verläßt 
(Fig.  174).  —  Dieser  Zustand  persistiert  wieder  bei  Ornithorrhynchus, 
welche  Form  dadurch  mit  Rücksicht  auf  die  Verhältnisse  der  Kopf- 
venen ein  Zwischenglied  zwischen  Echidna  und  den  übrigen  Säugern 
bildet  (HocHSTETTER  A.  1896).  —  Bei  den  übrigen  Säugern  obliteriert 
nämlich,  nachdem  die  früher  erwähnte  Anastomose  gebildet  ist,  der 
zwischen  N.  trigeminus  und  N.  vagus  befindliche  Abschnitt  der  V. 
capitis  lateralis.  —  Dadurch  stellen  sich  Verhältnisse  her,  die  bei 
allen  jenen  Säugetieren,  die  eine  vollentwickelte  V.  jugularis  interna 
besitzen,  abgesehen  von  noch  hinzukommenden  Veränderungen,  ziem- 
lich unverändert  in  den  bleibenden  Zustand  übergehen. 

Bildung  d  e  s  S  i  n  u  s  s  a  g  i  1 1  a  1  i  s  s  u  p  e  r  i  o  r  und  des  Sinus 
trän  SV  er  SU  s.  Inzwischen  sind  nämlich  die  den  Mantelkanten  der 
Hemisphären  anliegenden  Abschnitte  der  Vorderhirnvenen  mitein- 
ander zum  unpaaren  Sinus  sagittalis  superior  verschmolzen  (Fig.  174) 
und  setzen  sich  seitlich,  dem  hinteren  Rande  der  Hemisphärenblasen 
folgend,  als  Anfangsstücke  des  Sinus  transversus  fort.  —  Die  Fort- 
setzung dieses  Sinus  bildet  dann  zunächst  das  kurze,  erhalten  geblie- 
bene Stück  der  V.  capitis  lateralis,  welches  ursprünglich  an  der  late- 
ralen Seite  des  N.  trigeminus  gelegen  ist  und  in  welches  die  V. 
ophthalmica  mündet,  und  sein  Endstück  endlich  ist  durch  die  vor- 
erwähnte Anastomose  zwischen  V  capitis  lateralis  und  der  Hinter- 
hirnvene, sowie  aus  dem  Endstücke  der  letzteren  gebildet.  —  Durch 
das  Foramen  jugulare  geht  der  Sinus  transversus  in  die  V.  jugularis 
interna  über ,  die  im  Bereiche  des  N.  hypoglossus ,  also  in  ihrem, 
dem  Schädel  zunächst  gelegenen  Abschnitte  noch  ein  Derivat  der  V. 
capitis  lateralis  ist,  während  sie  herzwärts  von  diesem  Nerven  aus 
dem  erhalten  gebliebenen  Abschnitte  der  V.  cardinalis  anterior  gebildet 
wurde. 

Bildung  des  Sinus  p e t r o - b a s i  1  a r i s ,  des  Sinus  caver- 
nosus und  des  Sinus  petrosus  superior.  Beim  Menschen 
und  einigen  Säugern  treten,  wenn  wir  von  den  Lageverschiebungen 
absehen ,  welche  der  Sinus  transversus  infolge  der  mächtigen  Aus- 
bildung der  Großhirnhemisphären  erleidet,  rücksichtlich  der  geschil- 
derten Verhältnisse  nur  insofern  noch  weitere  Veränderungen  ein, 
als  sich  von  der  V.  ophthalmica  aus,  medial  vom  N.  trigeminus  an 
der  Seite  des  Keilbeinkörpers  und  der  Pars  basilaris  ossis  occipitis, 
eine  Anastomose  mit  der  V.  jugularis  interna,  dort,  wo  dieselbe  aus 
dem  Foramen  jugulare  hervortritt,  ausbildet,  die  zum  Sinus  petro- 
basilaris  wird,  während  sich  die  V.  ophthalmica  an  der  Seite  des 
Türkensattels  jederseits  zum  Sinus  cavernosus  erweitert  und  ihr  ur- 
sprünglich ganz  kurzes,  in  den  Sinus  transversus  mündendes  Endstück 
sich  verlängert  und  so  zu  dem  der  Felsenbeinkante  und  dem  Ansätze  des 
Gezeltes  an  der  letzteren,  folgenden  Sinus  petrosus  superior  um- 
gestaltet (Salzer  1895).  —  Dazu  kommt  noch  die  Bildung  der  ober- 


Die  Entwickelung  des  Blutgefäßsystems.  149 

fläclilichen  Veneiibahnen  des  Kopfes   und  des  Gesichtes  und  die  Ent- 
wickelung der  V.  jugularis  externa  im  Gebiete  des  Halses. 

Bildung  der  V.  jugularis  externa.  Bei  älteren  Meer- 
scliweincheuembryonen  wird  die  nahe  der  Brustregion  in  die  V.  ju- 
gularis interna  mündende  V.  jugularis  externa,  durch  den  Zusammen- 
fluß der  V.  facialis  antica,  die  mit  der  V.  ophthalmica  in  Verbindung 
tritt  und  einer  von  der  Ohrgegend  herabziehenden  Vene  gebildet.  — 
Die  letztere  verbindet  sich  nun,  und  zwar  relativ  spät,  durch  eine 
das  sogenannte  Foramen  jugulare  spurium  des  Schläfebeines  passierende 
Anastomose  mit  dem  Sinus  transversus.  —  Diese  Anastomose  weitet 
sich  rasch  aus  uud  führt  der  V.  jugularis  externa  immer  mehr  von 
dem  Blute  des  Sinus  transversus  zu,  was  zur  Folge  hat,  daß  die  V. 
jugularis  interna  immer  schwächer  wird  uud  schließlich  gänzlich  zu 
Grunde  geht.  —  So  wird  bei  dieser  und  wahrscheinlich  auch  bei  allen 
anderen  ein  Foramen  jugulare  spurium  besitzenden  Säugerformen  die 
V.  jugularis  externa  zur  Hauptabflußbahn  für  das  venöse  Blut  des 
Kopfes  (H.  Salzer  1S95)  i). 

Entwickelung  d  e  r  V  e  n  e  n  d  e  r  E  x  t  r  e  m  i  t  ä  t  e  n.  Die  ersten 
Venen  der  Extremitäten  der  Säuger  und  des  Menschen  zeigen  dieselben 
Lagen-  und  Verlaufsverhältnisse  (Hochstetter  1891,  Grosser  1901), 
wie  sie  für  die  gleichen  Venen  der  Embryonen  von  Sauropsiden  be- 
schrieben wurden.  —  Nur  sind  hier  die  radiale  und  die  tibiale  Rand- 
vene ^)  von  vorne  herein  viel  schwächer  als  dort  und  gehen  spurlos 
verloren.  —  Beim  Kaninchen  (Hochstetter  1891)  entwickelt  sich 
dann  vom  Handrücken  aus  die  V.  cephalica,  die  zuerst  in  der  Ellen- 
bogenbeuge in  die  ulnare  Raudvene  einmündet,  sich  später  aber  auch 
auf  den  Oberarm  fortsetzt  und  schließlich  in  die  V.  jugularis  externa 
mündet.  —  Die  ulnare  Randvene  erhält  sich  nur  in  ihrem  Oberarm- 
abschnitte, und  ihre  Fortsetzung  bildet  die  V.  subclavia,  in  die  sich  eine 
der  Seitenrumpfvene  der  Sauropsiden  entsprechende  Vene  ergießt.  — 
Zuerst  zieht  die  V.  subclavia  an  der  Dorsalseite  des  Plexus  brachialis 
vorbei,  später  aber  kommt  sie  unter  Vermittelung  einer  Inselbildung 
an  seine  ventrale  Seite  zu  liegen. 

An  der  hinteren  Extremität  erhält  sich  beim  Kaninchen  die  fibu- 
lare  Randvene  in  ihrem  Unterschenkelabschnitte  als  V.  saphena  parva, 
in  ihrem  Oberschenkelabschnitte  als  V.  ischiadica  und  gelangt  mit  dem 
N.  ischiadicus  ins  Becken.  —  Sekundären  Ursprunges  sind  die  vom 
Fußrücken  aus  entstehende  und  in  die  fibulare  Randvene  in  der  Knie- 
gegend mündende  V.  tibialis  antica  und  die  V.  saphena  magna.  — 
Verhältnismäßig  spät  endlich  entwickelt  sich  als  Hauptvenenbahn  der 
Extremität  die  V.  femoralis.  —  Tertiären  Ursprunges  sind  ferner, 
sowohl  an  der  vorderen,  als  an  der  hinteren  Gliedmaße  die  Begleit- 
venen der  Arterien  (Hochstetter  1891). 

Entwickelung  des  Lymphgefässsystems. 

Nach  einer  ziemlich  allgemein  verbreiteten  Annahme  sollen  sich 
die  Lymphgefäße  aus  spaltförmigeu  Hohlräumen  im  embryonalen  Binde- 

1)  Bei  den  MikrocMropteren  entwickeln  sich  die  Venen  des  Kopfes  und  Halses 
(nach  Grosser  A.  1901)  in  ganz  ähnlicher  Weise  wie  beim  Meerschweinchen. 

2)  Nach  Grosser  (A.  1901)  fehlt  die  tibiale  Randvene  bei  den  Embryonen  der 
Mikrochiropteren . 


150  HOCHSTETTER, 

gewebe  entwickeln,  die  allmählich,  durch  Umwandlung  der  sie  be- 
grenzenden Bindegewebszelleu  in  Gefäßepithelien ,  eine  selbständige 
Wand  erhalten.  —  Doch  ist  die  Berechtigung  dieser  Annahme  noch 
keineswegs  sicher  erwiesen,  da  über  die  erste  Anlage  des  Lymphgetaß- 
systems  der  Wirbeltiere  nur  sehr  spärliche,  meist  fragmentarische  An- 
gaben vorliegen. 

Amphibien. 

So  wissen  wir  über  die  Entstehung  der  Lymphgefäße  der  Fische 
und  der  urodelen  Amphibien  gar  nichts,  und  über  die  Entwickelung 
der  Lymphgefäße  der  Anuren  ist  durch  Jourdain  nur  so  viel  bekannt 
geworden,  daß  bei  fußlosen  Larven  der  Kröte  das  Lymphgefäßsytem 
dem  bei  ausgebildeten  La-odelen  sehr  ähnlich  gestaltet  sei.  —  Nach 
Jourdain  (1883)  findet  sich  bei  solchen  Larven  um  die  Aorta  herum 
ein  ausgedehntes  Lymphgefäßnetz,  welches  zwischen  Nieren  und  Herz 
eine  Ausdehnung  geringen  Grades  aufweist.  —  An  Stelle  der  mächtig 
entwickelten  Lymphsäcke  der  ausgebildeten  Form,  die  noch  vollkommen 
fehlen,  besteht  ein  ausgebildetes  Netz  von  subcutanen  Lymphgefäßen. 
—  Dabei  ist  die  Mundöffnung  von  einem  Lymphgefäßsinus  umgeben, 
der  eine  median  gelegene,  ventrale  Erweiterung,  die  Anlage  des  späteren 
Kehllymphsackes,  besitzt. 

Mit  dem  Auftreten  der  hinteren  Extremitäten  entwickelt  sich  jeder- 
seits  an  der  Schwanzwurzel  das  hintere  Lym})hherz,  aus  dem  die  Lymphe 
in  einen  Ast  der  V.  cardinalis  posterior  abströmt,  während  ein  anderer 
Teil  der  Lymphe  den  vorderen  Cardinalvenen  zugeführt  wird.  —  Die 
vorderen  Lymphherzen  werden  erst  bemerkbar,  wenn  der  Schulter- 
gürtel entwickelt  ist.  —  Die  Lymphsäcke  entwickeln  sich  nach  und 
nach,  indem  das  subcutane  Bindegewebe  schwindet.  —  Zu  den  am 
frühesten  auftretenden  Säcken  gehören  der  periproctale  und  die  Lymph- 
säcke der  hinteren  Extremitäten,  am  spätesten,  wenn  der  Schwanz  der 
Larve  bereits  größtenteils  zurückgebildet  ist,  entsteht  der  dorso- 
craniale  Sack. 

Auch  über  die  Entstehung  der  Lymphgefäße  der  Reptilien  ist 
nichts  Näheres  bekannt. 

Vögel. 

Für  das  Hühnchen  hat  Sala  (1900)  nachgewiesen,  daß  die  beiden 
Ductus  thoracici  um  die  Mitte  des  8.  Brüttages  in  Form  zweier  Zell- 
stränge angelegt  werden,  die  sich  von  der  Gegend  der  A.  coeliaca  an 
bis  in  die  Schilddrüsengegend  cranialwärts  erstrecken.  —  Diese  beiden 
Zellstränge  beginnen  allmählich  sich  auszuhöhlen,  bis  gegen  das  Ende 
des  10,  Brüttages  die  l)eiden  Ductus  thoracici  vollkommen  entwickelt 
sind,  nachdem  sich  vorher  schon  jeder  von  ihnen  an  mehreren  Stellen 
mit  der  V.  cava  superior  seiner  Seite  in  Verbindung  gesetzt  hat.  — 
Die  Verbindung  der  D.  thoracici  mit  den  großen  Lymphstämmen, 
welche  die  A.  caudalis  und  die  Aorta  abdominalis  begleiten  und  in 
welche  sich  auch  die  Lymphe  aus  den  Lymphherzen  und  aus  den  die 
Arterien  der  Allantois  begleitenden  Lymphgefäßen,  deren  Injektion 
zuerst  BuDGE  (1887)  gelungen  ist,  ergießt,  ist  erst  am  12.  Brüttage 
hergestellt. 

Die  beiden  Lymphherzen  sind  beim  Hühnchen  als  embryonale 
Organe   zu   betrachten,   da   sie  sich  bald  nach  dem  Ausschlüpfen  (am 


Die  Eutwickelung  des  Blutgefäßsystems.  151 

30. — 35.  Tage)  wieder  zurückbilden  (Sala),  während  sie  bei  anderen 
Vögeln  zeitlebens  erhalten  bleiben.  —  Sie  werden  nach  Sala  (1900) 
am  7.  Brüttage  in  Form  von  spaltenförmigen  Hohlräumen  im  Binde- 
gewebe an  der  Seite  der  caudalen  Myotome,  in  der  Höhe  der  ersten 
5  V.  coccygeae,  mit  denen  sie  auch  in  Kommunikation  stehen,  ange- 
legt. —  Indem  sich  die  embryonalen  Bindegewebszellen  in  der  Um- 
gebung dieser  Spalten  dichter  gruppieren ,  erhalten  dieselben  eine 
eigene  Wand,  in  der  bald  glatte  Muskelfasern  in  größerer  Menge  auf- 
treten. —  Nun  kann  erst  von  eigentlichen  Lymphherzen  gesprochen 
werden.  —  Jedes  von  ihnen  kommuniziert  jetzt  nur  noch  mit  3  V. 
coccygeae  seiner  Seite  und  ist  am  Ende  des  10.  Brüttages  durch  1  oder 
2  Lymphgefäße  mit  den  Lymphräumen,  welche  die  Arteria  und  V. 
pudenda  umgeben,  in  Verbindung  getreten. 

BuDGE  (1877),  welcher  der  erste  war,  der  die  Entstehung  des  Lymph- 
gefäßsystems beim  Hühnchen  untersucht  hat ,  beschreibt,  außer  diesem 
soeben  besprochenen  spät  auftretenden  und  in  den  definitiven  Zustand 
übergehenden,  bei  jungen  Hühnerkeimen  ein  1.  Lvmphgefäßsystem,  dessen 
Injektion  ihm  durcli  Einstich  von  der  primitiven  Pericardialhöhle  aus 
gelungen  ist.  —  Es  stellt  ein  im  mittleren  Keimblatte  gelegenes,  mit 
Flüssigkeit  gefülltes  System  von  Spalten  und  Kanälen  dar,  welches  sich 
in  der  Area  vasculosa  bis  an  den  Sinus  terminalis  hin  erstreckt  und  hier 
in  einen  ringförmigen,  w^eiteren  Kanal  (Budge's  terminalen  Lymphsinus) 
übergeht.  —  Dieses  System  von  Spalten  und  Kanälen  hat  jedoch  an- 
scheinend mit  dem  Lymphgefäßsytem  nichts  zu  thun.  —  Ich  sehe  in  ihm 
vielmehr  das  Hohlraumsystem  des  Cöloms ,  welches  in  seinen  außer- 
embryonalen Teilen  beim  Hühnchen  nicht  als  ein  einheitlicher  durch- 
greifender Spalt  im  Mesoderm  auftritt,  sondern  als  ein  kompliziertes,  mit 
dem  embryonalen  Cölom  an  verschiedenen  Stellen  kommunizierendes 
System  von  untereinander  in  Verbindung  tretenden  Sj^alten  und  blasen- 
artigen Hohlräumen  (Drasch). 

Säuger. 

Auch  über  die  Eutwickelung  der  Lymphgefäße  der  Säuger  liegen 
nur  spärliche  Angaben  vor.  —  Nach  Gulland  (1894)  finden  sich  zuerst 
Lymphgefäße  im  subcutanen  Zellgewebe,  später  erst  in  der  Nachbar- 
schaft der  größeren  Gefäßstämme.  —  Saxer  (1896)  sieht  deuthch 
röhrenförmige  Lymphgefäße  zuerst  am  Halse  bei  einem  2^2  cii^  langen 
Rindsembryo.  —  Wie  diese  Lymphgefäßstämme  entstehen,  wird  jedoch 
nicht  angegeben.  -  Ran  vier  (1897 — 98),  der  die  Lymphgefäße  des 
Mesenteriums  von  Schweineembryonen  untersucht  hat,  kann  über  die 
erste  Anlage  derselben  auch  nichts  angeben  und  berichtet  nur,  daß  die 
Lymphgefäße,  wenn  sie  einmal  gebildet  sind  ^),  bereits  Klappen  be- 
sitzen und  gegen  den  Darm  zu  blind  endigen.  ^  Ihre  weitere  Eut- 
wickelung erfolgt  dann  in  der  Weise,  daß  aus  den  blinden  Enden  oder 
aus  den  intervalvulären  Strecken  der  Lymphgefäße  solide  Sprossen 
auswachsen,  die  später  hohl  werden.  —  Jeder  solcher  neue  Sproß 
entspricht  einem  zwischen  2  Klappenpaaren  gelegenen  Lymphgefäß- 
segment. —  Die  Lymphgefäße  würden  sich  somit  nach  Ranvier  vom 
Centrum  aus  gegen  die  Peripherie  hin  entwickeln. 


1)  Schweineembryonen  von  10  cm  Länge. 


152  HOCHSTETTER, 

Die  Lymphknoten,  lieber  die  Entwickelung  der  Lymphknoten 
lauten  die  Angaben  der  meisten  Beobachter  übereinstimmend  dahin, 
daß  dieselben  zuerst  in  Form  von  Lymi)hgefäßgeflechten  auftreten.  — 
Das  in  den  Maschen  dieser  Geflechte  l)alkenartig  angeordnete  Binde- 
gewebe ist  von  vornherein  engmaschiger  als  das  umgebende,  und  reich 
an  Blutgefäßen  (Gulland  1894,  Saxer  1896),  auch  sieht  Saxer  in 
demselben  zahlreiche,  sehr  feine  Lymphgefäße^).  —  In  diesem  Binde- 
gewebe treten  dann  frühzeitig  Herde  von  dichtgedrängten  kleinen 
Zellen  auf,  die  Zeichen  reger  Vermehrung  erkennen  lassen  ^).  —  Der 
ursprünglich  vorhandene  Lymphgefäßplexus  bildet  sich  nun  zu  dem 
äußeren  Sinus  des  Lymphknotens  um,  die  im  Innern  des  Knotens  be- 
findlichen Lymphgefäße  dagegen  entstehen  aus  den  früher  erwähnten 
feinen  Lymphgefäßen  des  Bindegewebskernes  der  Anlage  (Saxer  1896). 
—  Indem  die  kleinzellige  Infiltration  des  Gewebes  weiterschreitet  und 
so  Verwölbungen  gegen  den  Lymphsinus  sich  bilden,  entstehen  die 
Follikel  des  Knotens.  —  Durch  Fortsetzung  der  lymphoiden  Infiltration 
gegen  die  am  Hilus  des  Knotens  plexusartig  angeordneten  Lymph- 
gefäße entstehen  die  Markstränge  ^). 


Entwickelung  der  Milz. 

Ueberblickt  man  die  schon  recht  zahlreichen  über  die  Entwicke- 
lung der  Milz  der  Wirbeltiere  in  der  Litteratur  niedergelegten  Angaben, 
so  ergiebt  sich,  wie  dies  aus  dem  folgenden  hervorgehen  wird,  daß  die 
Meinungen  über  die  Herkunft  der  an  dem  Aufbau  dieses  Organs  be- 
teüigten  zelligen  Elemente  recht  erheblich  voneinander  abweichen.  — 
Nur  über  den  Ort,  an  welchem  die  Milz  zur  Entwickelung  gelangt, 
bestehen  erhebliche  Meinungsditferenzen  nicht. 

Selachier  und  Teleostier. 

Bei  den  Selachiern  (Acanthias)  und  den  Teleostiern  (Forelle) 
tritt  die  Milz  verhältnismäßig  spät,  nachdem  Leber  und  Pankreas  be- 
reits angelegt  sind,  in  der  mesodermalen  Wand  des  Duodenums,  in 
Form  einer  lokalen  Zellverdichtung,  unmittelbar  links  von  dem  Ansätze 

des  dorsalen  Gekröses,  im  Anschlüsse 
an  die  V.  subintestinalis  auf(LAGUESSE 
1890).  ■ —  Dieser  Anschluß  ist  besonders 
bei  der  Forelle  ein  inniger,  denn  hier 
umgiebt  (Fig.  175)  die  Milzanlage,  einen 
gegen  die  Leibeshöhle  zu  vorspringen- 
den Wulst  bildend,  diese  Vene.  -- 
Später,    wenn   sich    das  Mesogastrium 

Fig.  175.  Querschnitt  durch  die  Milzan- 
lage einer  jungen  Forelle  (nach  Laguesse). 
3Ii.  Milz.  S.i.v.  (Subintestinalvene.  D.  Darm. 
Mes.  Mesenterium. 

1)  Gulland  findet  solche  erst  verhältnismäßig  spät. 

2)  Nach  !Saxer  (1S96)  entstehen  sie  an  Ort  und  Stelle,  während  Gulland 
(1894)  angiebt,  daß  sie  aus  den  Blutgefäßen  einwandern. 

3)  lieber  die  Entwickelung  der  lymphatischen  Apparate  des  Darmsystems  ver- 
gleiche Bd.  2,  Kapitel  2. 


Die  Entwickelung   des  Blutgefäßsystems.  153 

entfaltet,  wird  dieser  innige  Zusammenhang  mit  der  Darmvene  allmäh- 
lich aufgehoben,  und  die  Milz  kommt  nun  in  das  Mesogastrium  zu 
liegen,  wo  sie  sich  an  die  große  Magenkurve  anschließt.  —  Ihr  caudales 
Ende  steht  schon  von  vornherein  in  inniger  nachbarlicher  Beziehung 
zum  Pankreas. 

An  dem  Aufbau  der  Milz  beteiligen  sich  nur  die  Zellen  der 
mesodermalen  Darmwand  und  des  Gekröses.  —  Das  Cölomepithel 
über  der  Milzanlage  ist  an  ihrer  Entwickelung,  wie  LAGUESse  (1898) 
Phisalix  (1885)  gegenüber  hervorhebt,  ganz  unbeteiligt,  und  auch 
eine  Beteiligung  entodermaler  Elemente  bei  der  Bildung  der  Milz  stellt 
dieser  Autor  in  Abrede.  —  Nach  ihm  besteht  die  Milzanlage  zuerst 
aus  einer  größeren  Zahl  verzweigter,  untereinander  zusammenhängender 
und  dadurch  ein  Netzwerk  bildender  Zellen,  in  dessen  Maschen  rund- 
liche Zellen  gelegen  sind.  -  Indem  nun  die  letzteren  frei  werden, 
entstehen  in  dem  Netzwerke  Hohlräume,  die,  wie  dies  besonders  bei 
der  Forelle  beobachtet  wurde,  mit  der  V.  subintestinalis  in  Verbindung 
treten.  So  entwickelt  sich  im  Innern  der  Milz  ein  Venennetz,  indem 
die  frei  werdenden  Zellen  ins  Blut  gelangen.  —  Arterieuzweige  erhält 
die  Milz  erst  verhältnismäßig  spät. 

Ganoiden. 

Vollkommen  anders  als  bei  den  Selachiern  und  Telostiern  würde 
sich  nach  Kupffer  (1892)  die  Bildung  der  Milz  bei  den  Ganoiden 
(Accipenser)  vollziehen.  —  Der  Stör  besitzt  nach  diesem  Autor  zwei 
dorsale  Pankreasanlagen,  von  denen  die  etwas  später  auftretende  und 
cranialer  gelegene  der  dorsalen  Pankreasanlage  aller  übrigen  Wirbel- 
tiere entspricht,  während  die  andere  früher  auftretende  ^),  weiter  caudal 
als  Eutodermdivertikel  am  Uebergange  des  Mitteldarms  in  den  Spiral- 
darm entsteht.  —  Diese  beiden  Pankreasanlagen  bilden  nun  nach  rechts 
sowohl,  wie  nach  links  seitliche  Ausbuchtungen.  —  Die  rechts  gelegenen 
setzen  sich  untereinander  in  Verbindung,  während  gleichzeitig  die 
caudale  dorsale  Pankreasanlage  ihre  Mündung  in  den  Darm  verliert, 
und  bilden  den  größten  Teil  der  Bauchspeicheldrüse.  —  Die  linken 
Ausbuchtungen  dagegen  sollen,  indem  sie,  wie  Kupffer  sagt,  splenisiert 
werden,  die  Anlagen  der  Milz  hervorgehen  lassen.  —  Sie  sind  zuerst 
getrennt  voneinander,  so  daß  eine  Zeit  lang  eine  vordere  und  eine 
hintere  Milz  besteht.  —  Später  vereinigen  sie  sich  aber  miteinander  zu 
einem  einheitlichen  Organ. 

Außer  der  hinteren  Milz  bildet  aber  auch  die  caudale  dorsale 
Pankreasanlage  einen  medianen,  ins  dorsale  Gekröse  einwachsenden 
Fortsatz,  der,  nach  Kupffer,  das  subchordale  (perivasculäre  und  peri- 
nephritische)  Lymphgewebe  liefern  soll. 

Cyolostomen. 

Auch  für  junge  Ammocöten  beschreibt  Kupffer  (1893),  daß  aus 
einer  nach  links  auswachsenden  Ausbuchtung  der  dorsalen  Pankreas- 
anlage lymphatisches  Gewebe  sich  entwickle,  welches  in  seiner  Ge- 
samtheit der  vorderen  Milz  von  Accipenser  entsprechen  würde. 


1)  Sie  fehlt  allen  übrigen  bis  jetzt  auf  die  Pankreasentwickelung  untersuchten 
Wirbeltieren. 


154  HOCHSTETTER, 

Amphibien. 

Bei  den  Amphibien  sollen  nach  Maurer  (1890)  die  Milzzellen  eben- 
falls entodermaler  Abknnft  sein,  aber  ihre  Quelle  wäre  nach  diesem 
Forscher  eine  vollkommen  andere  als  bei  Accipenser. 

Anuren. 

Bei  den  Anuren  entsteht  die  Milz  wie  bereits  Goette  (A.  L. 
III  7,  1875)  angiebt  und  wie  alle  späteren  Beobachter  bestätigen,  im 
Gekröse  des  Mitteldarmes  an  der  linken  Seite  der  Wurzeln  der  A. 
coeliaco-mesenterica ,  als  ein  flaches  Häufchen  indifferenter  rundlicher 
Zellen,  welches  sich  bald  vergrößert,  so  daß  dann  die  Milz  als  ein 
kleines  rundliches  Knötchen  über  das  Niveau  des  Gekröses  vorspringt. 
—  Nach  Maurer  (1890)  sollen  nun  die  die  Milzanlage  bildenden  Zellen 
bei  Rana  temporaria  aus  dem  Darmentoderm  ausgewandert  und  ent- 
lang den  Gekrösarterien  au  die  Stelle  gelangt  sein,  an  welcher  sich 
später  die  Milz  entwickelt. 

Kraatz  (1897),  der  die  Entstehung  der  Milz  an  Larven  von  Alytes 
obstetricans  und  Rana  temporaria  untersuchte,  konnte  die  Angaben 
Maurer's  nicht  bestätigen,  und  auch  Woit  ( 1897)  fand  keine  positiven 
Beweise  dafür,  daß  bei  Rana,  wie  Maurer  angiebt,  die  Milzzellen 
aus  dem  Entoderm  abstammen.  —  Choronshitzky  (A.  1899  und  1900) 
wieder  meint,  daß  zwar  ein  Teil  der  Milzzellen  entodermalen  Ur- 
sprunges sei,  daß  jedoch  ein  anderer  Teil  derselben  von  dem  eigen- 
artig gestalteten  Cölomepithel  über  der  Milzanlage  geliefert  werde. 
RuFFiNi  (1899)  hingegen  spricht  sich  ganz  entschieden  dahin  aus, 
daß  bei  Rana  die  Milz  sich  aus  den  mesodermalen  Zellen  des  Gekröses 
entwickle  und  daß  weder  Zellen  des  Darmeutoderms  noch  des  Pankreas, 
noch  auch  Zellen   des  Cölomepithels   an  ihrer  Bildung  beteiligt  seien. 

Urodelea. 

Bei  den  Urodelen  findet  man  nach  Woit  (1897)  und  Choron- 
shitzky (A.  1900)  die  erste  Anlage  der  Milz  in  Form  einer  Zellanhäufung 
in  der  mesodermalen  Wand  des  Magens  unmittelbar  nach  links  vom 
Ansätze  des  Mesogastriums.  —  Etwas  später  sieht  man  sie  dagegen 
in  der  unmittelbaren  Nachbarschaft  der  großen  Magenkurve  im  Meso- 
gastrium  selbst  gelegen.  —  Auch  die  Zellen  der  Urodelenmilz  sollen 
nach  Maurer  (1890)  entodermalen  Ursprungs  sein;  er  giebt  an,  daß 
sie  bei  Siredon  und  Triton  aus  dem  Verbände  des  Magenepithels 
auswandern.  —  Und  ebenso  läßt  Choronshitzky  (A.  1900)  bei  Sala- 
maudra,  Menobranchus  und  Siredon  aus  dem  Darmentoderm  stammende 
Zellen  an  der  Bildung  der  Milz  beteiligt  sein,  leitet  aber  die  meisten 
freien,  zwischen  den  fixen  verzweigten  Zellen  liegenden  Milzzellen  vom 
Cölomepithel  über  der  Milzanlage  ab.  —  Woit  (1897)  dagegen  be- 
hauptet, offenbar  beeinflußt  durch  die  Angaben  Kupffer's  und  ge- 
täuscht durch  die  nahen  nachbarlichen  Beziehungen  zwischen  Milz  und 
Pankreas,  daß  die  Müz  der  Urodelen  aus  dem  Pankreas  dorsale  sich 
entwickle,  eine  genetische  Beziehung,  die  Choronshitzky  (A.  1900) 
gewiß  mit  Recht  in  Abrede  stellt.  —  Nach  Kollmann  (1900)  beteiligt 
sich  bei  Siredon  weder  das  Entoderm  des  Darmes  noch  die  Zellen  des 
Pankreas  an  der  Bildung  der  Milz. 


Die  Entwickelung  des  Blutgefäßsystems.  155 

Sauropsiden. 

Bei  den  Sauropsiden  findet  sich  die  erste  Anlage  der  Milz  wieder 
als  eine  Zellauliäufung  unter  dem  an  dieser  Stelle  verdickten  Cölom- 
epithelüberzuge  des  Mesoduodenums  in  unmittelbarer  Nachbarschaft 
der  Anlage  des  dorsalen  Pankreas  und  der  V.  omphalo-mesenterica. 
Mit  der  Größenzunahme  der  Anlage  springt  sie  wulstförmig  gegen  die 
Leibeshöhle  zu  vor  und  erstreckt  sich 
allmählich    immer    weiter    ins    Meso-      .^ 

gastrium    hinein    (Fig.    176).   —   Eine     \^ — -Mea.g. 

innigere    nachbarliche    Beziehung    der       ^^ 

Milz   zum   Pankreas  erhält  sich  dabei  ^oy^  .-»««fe^ 

nur  bei  den  Schlangen.  V*^*^"^^. ML 

Auch  für  die  Sauropsiden  wurde,             '  ^        ^^ 
ersichtlich    unter   dem  Eindrucke   der              \"  ^^•?-«c.^ 
Arbeiten   Kupffer's    und   Maurer's,                                  \ 
eine    Beteiligung    entodermaler    Ele- 
mente  an    dem  Aufbau   der  Milz   be- 
hauptet. —  So   läßt  Choronshitzky  \     ^-"  — — ^9 

(A.  1900)  bei  Anguis  fragilis  Entoderm-  \  ' 

Zellen  aus  den  ersten  Pankreasknospen  \  / 

in  das  Gekröse,  welches  den  Mutter- 
boden für  die  Milzanlage  bildet,  ein- 
wandern   und    hält    auch    bei    dieser  .        „    ^        n    .     ,     ,    ,• 

Form  ein  Einwandern  frei  werdender  .,.,  f;f-i^^;,?Tf  mL^  pfni^ 
T-,    ,     -  ,,  1         TA  •         1         JVlilzanlasre    und    den    Magen    eines 

Eutodermzellen    des   Darmes    m    das    Embryo  von  Anguis  fragilis.' 3//. 
Gekröse  für  wahrscheinlich,   eine  Ein-    Milz.     3kj.   Magen.     Mes.<j.    Meso- 
wanderung,  die  er  bei  jungen  Hühner-    gastrium. 
embryonen    direkt    beobachtet    haben 

will.  —  Dagegen  leugnet  derselbe  Autor,  Woit  (1897)  gegenüber,  der 
bei  den  Vögeln  Pankreasknospen  sich  von  ihrem  Mutterboden  abschnüren 
und  in  Milzgewebe  umwandeln  läßt,  auf  das  entschiedenste  eine  direkte 
Beteiligung  der  Pankresanlage  an  der  Bildung  der  Milz.  —  Nach 
Choronshitzky  (A.  1900)  entsteht  die  Milz  bei  den  Sauropsiden  aus 
den  Zellen  des  Gekröses  unter  lebhafter  Beteiligung  der  Zellen  des 
über  der  Milzanlage  verdickten  und  Proliferationserscheinungen  dar- 
bietenden Cölomepithelüberzuges.  —  Eine  besonders  hervorragende 
Beteiligung  des  Cölomepithels  an  dem  Aufbau  der  Milz  findet  auch 
Janosik  (1895)  bei  den  Embryonen  von  Lacerta. 

ToNKOFF  (1900)  hat  nun  in  allerneuester  Zeit  die  Entwickelung 
der  Milz  bei  Lacerta  und  einigen  Vögeln  untersucht  und  kommt  zu 
dem  Resultate,  daß  bei  diesen  Tieren  eine  Einwanderung  von  aus  dem 
Darmepithel  stammenden  Zellen  ins  Gekröse  absolut  nicht  nachge- 
wiesen werden  könne  und  daß  somit  die  das  Gekröse  aufbauenden 
Zellen  rein  m esodermalen  Ursprunges  seien,  —  Die  Milz  entsteht 
aber  hauptsächlich  aus  diesen  Zellen  unter  gleichzeitiger  Beteiligung 
des  proliferierenden  Cölomepithels  über  der  Milzanlage,  ohne  daß 
dabei  diese  Proliferation  eine  energischere  wäre  als  über  anderen  Stellen 
des  Gekröses  oder  der  mesodermalen  Darmwand.  —  Eine  Beteiligung 
der  Pankreasanlage  an  der  Bildung  der  Milz  konnte  Tonkoff  aus- 
schließen. -  Nach  diesem  Autor  ist  somit  die  Milz  der  Sauropsiden 
ein  Organ  von  rein  mesodermaler  Herkunft,  eine  Ansicht,  der  sich  Ver- 
fasser auf  Grund  eigener  Beobachtungen  ebenfalls  anschließt. 


156  HOCHSTETTER, 

Mit  dieser  Ansicht  stehen  freilich  die  Angaben  von  Glas  (1900), 
der  die  Entwickeluug  der  Milz  von  Tropidonotus  untersucht  hat,  nicht 
im  Einklang.  —  Glas  will  bei  den  Embryonen  dieses  Tieres  gefunden 
haben,  daß  sich  die  Milz,  ähnlich  wie  dieses  Kupffer  (1892)  für 
Accipenser  angegeben  hat,  durch  Splenisation  eines  Teiles  der  dor- 
salen Pankreasanlage  entwickle.  —  Diese  Angabe  muß  jedoch  mit 
der  größten  Reserve  aufgenommen  werden,  weil  schon  durch  die  innigen 
nachbarlichen  Beziehungen,  die  bei  Tropidonotus  zwischen  den  An- 
lagen der  Milz  und  des  Pankreas  bestehen,  eine  Quelle  für  Beobachtuugs- 
fehler  gegeben  scheint  und  weil  bei  anderen  ReptiUenformen,  wie  bei 
Lacerta  und  Anguis,  eine  direkte  Beteiligung  der  Pankreasanlage  an 
der  Bildung  der  Milz  mit  ziemlicher  Sicherheit  ausgeschlossen  werden 
kann. 

Säuger. 

Bei  den  Säugern  entsteht  die  Milz  in  ähnlicher  Weise  wie 
bei  den  Vögeln.  ^  Sie  erscheint  hier  als  eine  Zellanhäufung  in 
dem  an  das  Mesoduodenum  anschließenden  Teile  des  Mesogastriums 
in  der  Nachbarschaft  des  dorsalen  Pankreas.  —  Auch  zeigt  sich  das 
Cöloniepithel  über  ihr  wie  bei  den  Vögeln  verdickt  und  in  Prolifera- 
tion begriffen  (Tonkoff  1900,  Kollmann  1900).  —  Die  Verdickung 
des  Cölomepithels  ist  jedoch  keineswegs,  wie  Toldt  (1889)  angiebt, 
als  die  Anlage   den  Milz  selbst   zu   betrachten.   —   Vielmehr   sind   es 

die  dicht  aneinander    gelagerten  Zellen 

Mes.q.       Mi  ^^'^    Gekröses    unter    der    Verdickung, 

/  "^   /      '  die  die    erste   Anlage   der   Milz   bilden 

/'l-T'v  (Tonkoff).  —  Jedenfalls  beteiligen  sich 

\  "   '  aber   auch   bei  den   Säugern  zahlreiche 

„j  -  ''  N  aus   dem   Verbände   des   Cölomepithels 

austretende     Zellen    an     dem    Aufbau 
/  des  Organes  (Choronshitzky  A.  1900, 

li  v***^^  ^        Tonkoff  1900,  Kollmann  1900), 

\fi  -^ — -.'■' — ^ 

If:  \^.y  '  Fig.  177.     Querschnitt  durch   Milzanlage 

^ und  Magen    eines  27  Tage   alten    menschlichen 

"^ '  Embryo.     Bezeichnungen  wie  in  Fig.  176. 

Schon  kurze  Zeit  nach  ihrem  Auftreten  sehen  wir  die  Milz  bei 
den  meisten  Säugetieren  einen  dem  Mesogastrium  aufsitzenden  wulst- 
förmigen  Vorsprung  bilden  (Fig.  177),  der  sich  in  der  Folge  bedeutend 
vergrößert  und  allmählich  bis  auf  die  Stelle  des  späteren  Hilus,  wo 
die  Blutgefäße  in  das  Organ  eintreten ,  vom  Magengekröse  ab- 
schnürt. 

lieber  die  rein  mesoderinale  Plerkunft  des  Milzgewebes  der 
Säuger  können  wohl  keine  Zweifel  bestehen.  —  Und  wenn  Choron- 
shitzky (1900)  auch  für  die  Säuger  ein  Auswandern  von  entoder- 
malen  Elementen  aus  dem  Epithelverbande  des  Darmes  in  das  Ge- 
kröse, in  dem  ja  die  Milz  zur  Entwickelung  kommt,  annimmt,  so  hat 
er  doch  keinerlei  Thatsachen  beobachtet,  welche  eine  solche  Annahme 
rechtfertigen  würden.  —  Darüber  aber,  daß  bei  den  Säugern  die  dor- 
sale Pankreasanlage  mit  der  Entwickelung  der  Milz  nichts  zu  thun 
habe,  bestehen  keinerlei  Meinungsdifferenzen. 


Die  Entwickelung  des  Blutgefäßsystems.  157 


Litteratur,. 

A     Arbeiten,  welche  die  Entwickelung  des   G  efäfssy  stemes  im  allge- 
meinen behandeln,    oder  welche,   obwohl   sie   die  Entwickelung  anderer 
Organsystem,e  betreffen,  doch  Angaben  über  das  Gefä/ssystem  enthalten  ). 
Allen,    W.      Omphalo-mesenteric  remains   in  Mavimals.     Journ.  Anat.  and  Phys.    Lond. 

Vol.  XVII.  1SS3.  ^        1    iti^n 

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Choroushitzky,  B.  Die  Entstehung  der  Milz.  Leber,  Gallenblase,  Bauchspeicheldrüse 
und  des  Pfortader  Systems  bei   den  verschiedenen  Abteilungen  der   Wirbeltiere.     Anat. 

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Endres,  H.  Anatomisch-entwickehmgsgeschichtliche  Studien  über  die  formbildende  Be- 
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-  Sur  la  circulation  embryonnaire  dans  la  tele  chez  l' Axolotl.  ^^^«'— ^^'^^  ^^  / 1^^- ^.^^J 

-  Quelques  mots  sur  la  circulation  dans  la  tete  chez  l' Axolotl.    Anat.  Anz.  Bd.  lA.  iSff*. 
Grosser,    O.     Zur  Anatomie  und  Entwickelungsgeschichte  des  Gefäßsystemes  der  Lhiro- 

pteren.     Anatom.  Hefte.  Bd.  XVIL  1901.  ^      ^.    ■         ,      ,  f^, 

Hochstetter,  F.  Entwickelnngsgeschichte  des  Gefäßsystems.  Ergebnisse  Anat.  u.  Ent- 
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-  Beiträge  zur  Anatomie   und  Entwickelungsgeschichte    des  Blutgefußsystems   der  Slono- 

tremen.     Semon,  Zoologische  Forschungsreisen.  Bd.  IL  1895.  „,   .     r-r      >>   ■ 

Hoff  mann,    C.  K.     Zur  'Entwickelungsgeschichte    des   Herzens   und   der  Blutgefajse  bei 

den    Selachiern.     Ein    Betrag    zur    Kenntnis    des    unteren    Keimblattes.     3Iorpholog. 

Jahrb.  Bd.  XIX.  1893.  ,  .      ,  .   •      j         ^t'h..£o 

Houssay,  F.     Quelques  mots  sur  le  dSveloppement  du  Systeme  circulatoire  des  verlebtes. 

Anat.  Anz.  Bd.  IX.  1894.  ,    ,     ■     j  ;?  „,. 

-  Etudes  d'embryologie  sur   les  vertSbrSs.     DSveloppement   et   morphologiedu  parablaste 

et  de  l'appareil  circulatoire.     Arch.  zool.  exp.  et  gen.  S.  3.   1.  1.  18Jö. 

-  La  metamUe  de  V endoderme  et  du  Systeme  vasculaire  primitif  dans  ^  regwn  postbran- 

chiale  du  Corps  des  vertebrSs.     C.  R.  Ac.  sc.  Paris  1891  und  C.  R.  Soc.  biol.  Paris. 

-  Sur  la  circulation  embryonnaire  dans    la    tete    de    V Axolotl.     C.  R.    Acad.   sc.    Paris. 

T    GXV   1892 
Julin,   Ch.  '  Recherches  sur  l'appareil  vasculaire  et  le  Systeme   nerveux  piripUrique  de 

l'Ammocetes  (Petromyzon  Planeri).     Arch.  biol.   T.   VLL  1886. 
Janosik,  J.     Le  devSloppement    des  vaisseaux  sanguins   et  des  »/r^«^'^^  "^^f  J/ ^g^" 

rieurs  chez  l'homme   et    chez   quelques   autres  animaux.     Archives   bohemes  de  mede- 

eine.   T.  LV.  1891.  ,     j-    a      4  i    t>i  ^,o    *«J81' 

Kastschenko.  Das  Schlundspaltengebiet  des  Hähnchens.   Arch    f  Anat.  und.  ^'>yj-f^,^''- 
Leboucq,   31.     Sur  le  deväoppement   des  capillaires  et  des   globules  sanguins    chez  l  em- 
bryon.    Bull.  Soc.  de  medec.  de   Gand.  T.  XLIL  1875.         ^     .      ^    ^,,^      .   ^.    „ 
Lockivood,   C.   B.     Abstract  of  Leetures  on  the    Development   of  the    Organs   of   Circu- 
lation  and  Respiration,   including   the   Pericardium,    Diaphragm ,    and   great    I  ems. 

British  medical  Journal.  1888.  ^  rr  ■  di.;i^„    t',- 

-  The  early  Development  of  the   Pericardium,  Diaphragm  and  great  Veins.     Philos.   n. 

R.  Sc.  London.    Vol.  CLXXIX.  1889. 

1)  Die   in  ■  diesem   Abschnitte    des  Litteraturverzeichnisses   enthaltenen  Arbeiten   sind 
bei   ihrer  Erxoähnung  im  Texte  durch    ein  der  .Jahreszahl  vorgesetztes  A.  gekennzeichnet. 


158  HOCHSTETTER, 

Macdonald,  IV.  On  the  Development  of  the  vascular  System  0/  the  Foetus  in  the 
Vertebrata,  ivith  the  vietv  to  determine  the  true  course  of  the  Circidation  throiigh  the 
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Prevost  et  Lebert,     Memoires   sur   La  formation    des   organes    de   la    circulation  et  du 

sang  dans  les  Batraciens.     Ann.  des  sc.  nat.  S.  S.   T.  I.   1844:, 

—  —  Siir  la  formation    des   organes    de    la    circulation    et    du    sang    dans  l'embryon    de 

Foulet.     Ann.  des  sc.  nat.  3.  S.   T.  I.  1844;   T.  II.  1844. 

—  —  Xote  complementaire  du  troisieme  ßlemoire  sur  le  developpement  des  organes  de  la 

circulation  et  du,  sang  dans  l'embryon   du  Foulet.     Ann.  des  sc.  nat.    3.  S,    2\  III. 

184.'y. 
Platt,    J.   B.     A   Contribution   to    the    3Iorphology   of  the   vertebrate  Head   based   on  a 

Study  of  Acanthias  vulgaris.     Journ.  of  Morphology.    Vol.    V.  1891. 
Popoff,   E,      Die  Dotter sackgefäfse  des  Huhnes.      Wiesbcoden  1894. 
Raffaele,  F.     Ricerche  sullo  svihtppo  del  sistema  vascolare  nei  Selacei.     3Iitth.  d.  zool. 

Station  zu  Neapel.  Bd.  X.  1892. 
Ravn,   F.     Zur  Entwickelung    des   Nabelstranges   der   iceifsen  3Iaus.     Arch.  f.  Anatom. 

1894. 
Reichert,  K.   B.     Beobachtungen  über    die    ersten  BlutgefäJ'se    etc.    bei  Fischembryonen. 

Studien  des  physiolog.  Instituts  zu  Breslaii.  Leipzig  1858. 
Riickert,  J.      Ueber   die    Entstehung    der    endothelialen   Anlage    des   Herzens    und   der 

ersten   GefäJ'sstämme  bei  Selachierembryonen.     Biol.   Centralbl.  Bd.    VIII.  1888. 
Saint  Ange,  Martin.      Circidation  du  sang  considvree    chez    le   foetus    de    l'homme    et 

comparativement  dans  les  quatre  classes  des    Vertebres.     Paris  1832. 
Schenk,   S.      Ueber  die  Entwickehmg  des  Herzens  mid  der  Pleuroperitonealhöhle  in  der 

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Schmidt,  H.  D,      On    the    Development    of    the    smaller    blood    vessels    in    the    human 

embryo.     3Ionthly  microsc.  Journ.    Vol.  XIII.  1885. 
Seinon,   R.     Studien  über  den  Baiiplan  des  Urogenitalsystems  der  Wirbeltiere,  dargelegt 

an    der    Entwickelung    dieses   Organsysetms    bei    Ichthyophis    glutinosus.      Jenaische 

Zeitschr.  f.  Naturic.  Bd.  XXVI.  1891. 

—  Ueber  die  Embryonalhüllen    und  den    Embryonalkreislauf   der   Amnioten.      Verh,    der 

Deutschen  zool.   Gesellsch.  zu  München.  1894, 
Sohotta,      Ueber  3Iesoderm-,    Herz-,    Gefäfs-  und  Blutbildung  bei  Salmoniden.      Verh,  d. 

Anatom.   Ges.  zu  StraJ'sburg.  1894. 
Strahl,   H.     Die    Anlage    des    Gefä/ssystems    in    der    Keimscheibe    von    Lacerta    agilis. 

3Iarburger  Sitzungsberichte.  1883. 
TJioma,   R.      Untersuchungen  über  die  Histogenese  und  Histomechanik  des  Gefä/ssystems^ 

Stuttgart  1893. 
Tlioinson,   Allen.      Ueber  die  Entwickelung  des  Gefäßssystems  in  dem  Fötus  der  Wirbel- 
tiere.    Edinburgh    new    jj^ilosophical   Jotirnal.     Vol.    IX.    1830;    Frorieps    Notizen. 

1831  uod  18.33. 
Virchotv,   H,      Ueber  die  Entwickelung  des  Gefä/sbezirkes  auf  dem  Selachier-Dottersack^ 

Sitzungsber.  der  Gesellsch.  naturf.  Fretinde  in  Berlin.  1895. 

—  Dottersacknaht  und  p>rimärer  Kreislauf  bei  Scyllium.     Sitzimgsber.  der  Gesellsch.  naturf. 

Freunde  in  Berlin.     1897, 
Wenchehacli,  K.  F.     The  Development  of  the  Blood  corptiscles  in  the  Embryo  of  Perca 

fluviatilis.     Journ.  Anat.  and  Phys.  London.    Vol.  XIX.  1885. 
Ziegenhagen.      Ueber    das    Gefäfssystem    bei    Salmonidenembryonen.      Verh.    der  Anat. 

Ges.  zu  Stra/sburg.  1894, 

—  Ueber  die  Enttcickelung  der  Cirkulation   bei  den  Teleostiem,  insbesondere  bei  Belone. 

Verh.  der  Anatom.   Ges.  zu  Berlin.  1896, 
Ziegler,  H,  E.     Die  Entstehung  des  Blutes  bei  Knochenfischembryonen,     Arch,  mikrosk. 

Anat.  Bd.  XXX.  1887. 
Ziegler,  H.  E.,  und  Ziegler,  E.     Beiträge   zur  Entwickelungsgeschichte   von  Torpedo. 

Arch.  mikrosk.  Anat.  Bd.  XXXIX.  1892, 


Die  Entwickelung  des  Blutgefäßsystems.  159 


B.    Arbeiten  über  die  Entwic kehmg  des  Herzens^). 

Arnold,  J.     Ein  Beitrag  siir  normalen  und  pathologischen  Entwickelungsgeschichte  der 

Vorhojsscheidexvand  des  Herzens.      Virchow's  Archiv.  Bd.  LI.  1870, 
JBernnys,  A.    C.     Entwickelungsgeschichte  der  Atrioventricularklap2Jen.    Morphol.  Jahrb. 
Bd.  II.  1S7G. 

—  The  Development  of  the  ventricular  Valves  of  the  Heart  and  of  the  Walls  of  the  Ven- 

tricles.     New   York  3Iedical  Record.   Vol.  XXXIV.  18S8. 

Boas,  J.  E,  V.  lieber  den  Conus  arteriosus  von  Butirinus  und  anderer  Knochenfische. 
3Iorphol.  Jahrb.  Bd.    VI.  1880. 

Boi'n,  G,  Ueber  die  Bildung  der  Klappen,  Ostien  und  Scheidewände  im  Säugetier- 
herzen.    Anat.  Anz.  Bd.  III.  1888. 

—  Beiträge   zur  Enttvickelungsgeschichte   des    Säugetierherzens.     Arch,   mikr.    Anat.   Bd. 

XXXIIL  1889, 

Bruch,  C.  Ueber  den  Schliefsungsprozefs  des  Foramen  ovale  bei  Menschen  und  Säuge- 
tieren.    Abh.  Senckenberg.  naturf.   Ges.  1863, 

Faur,  G,  EUide  physiologique  des  premiers  Stades  de  developpement  du  coeur  einbryon- 
naire  du  poulet.     Recherches  experimentales.     Arch.  ital.  biol,  T,  XIII.  1890. 

Gegenhaur,  C.  Zur  vergleichenden  Anatomie  des  Herzens.  Jenaische  Zeitschr.  Naturw. 
Bd.  II.  1866. 

—  Ueber  den  Conus  arteriosus  der  Fische.     3Io7-phol.  Jahrb.  Bd.  XVII.  1894. 
Gibson,    G.  A,      The  Thickness  of  the   Walls   of  the  Heart  during  Joetal   life,      Verh.  d. 

X.  Internat,  med.  Kongr.  Berlin  Bd.  II.  1891, 

—  Some  Deduction-s  from  a  Study  of  the  Development  of  the  Heart.     Edinburgh  Medical 

Journ.  No.  449.  1892. 

Grell,  A.  Beiträge  zur  vergleichenden  Anatomie  und  Entwickelungsgeschichte  des  Wirbel- 
tierherzens ^). 

Grosser,  O.  Ueber  die  Persistenz  der  linken  Sinusklappe  an  der  hinteren  Hohlvene  bei 
einigen  Säugetieren.     Anat.  Anz.  Bd.  XII.  1896. 

Handyside,  JP.  D,  On  Traces  in  the  adult  Heart  of  its  Transitions  in  Form  during 
foetal  Life.     Proc.  R.  Soc.  Edinburgh.    Vol.    VI.  1869. 

His,  W,  Ueber  die  Entwickelung  der  Form  tmd  der  Abteilungen  des  Herzens.  Congr-es 
period.  Internat,  des  sc.  med.  C.  R.  I884.     Copenhague  1886.    I.  Section  d'anatomie. 

—  Beiträge  zur  Anatomie  des  menschlichen  Herzens.     Leipzig,    Vogel,  1SS6. 
Hochstetter,  F,      Ueber  die  Pars  membranacea  septi.      Vortrag,  gehalten  in  der  wissen- 

schafllichen  Aerztegesellschaft  zu  Innsbruck.     Wiener  klinische   Wochenschrift.  1898. 
Hoyer,   H.     Zur  3Iorphologie  des  Fischherzens.     Bidl.  international    de  l'Academie  des 

sc.  de   Cracovie.  1900. 
Langer,   A.      Ueber  die  Entwickelungsgeschichte    des  Bulbus  cordis    bei  Amphibien   und 

Reptilien.     3Iorph.  Jahrb.  Bd.  XXI.  1894. 

—  Zur  Entivickelungsgeschichte  des  Bulbus  cordis  bei    Vögeln  und  Säiigetieren.      3Iorph. 

Jahrb.  Bd.  XXIL  1895. 
Lindes,    G.     Ein  Beitrag  zur  Entivickelungsgeschichte  des  Herzens.    Dissertation.    Dor- 

pat.  1865. 
Lockwood,    C.   B.     Developmeoit  of  the  Heart.    British  medical  Journ.  No.  1457.  1888. 
3Iasius,  J.      Quelques  notes   sur  le  developpement   du  coeur  chez  le  Poulet.     Arch.  biol. 

T.  IX.  1889. 
Ouenn,   E.     Developpement  du  coeur  et  du  2-)ericard.     Paris  1883. 
Ramstföm,  31.     Bidrag  tili  septi  atriorum  cordis  utvecklingshistoria.     Upsala  läkareför. 

Förhandl.  Ny  Följd  Bd.  III.  1898. 
Rose,  C.  Beiträge  zur  Entivickelungsgeschichte  des  Herzens.  Inaug.-Diss.  Heidelberg.  1888. 

—  Zur  Entivickelungsgeschichte  des  Säugetierherzens.     3Iorphol.  Jahrb.  Bd.  XV.    1889, 

—  Beiträge  z\ir  vergleichenden  Anatomie    des  Herzens  der   Wirbeltiere.     3Iorphol.  ,Iahrb. 

Bd.  XVL  1890. 
Rokitansky.      Ueber  Defect  der  Schcideicand  der   Vorhöfe.     Wiener  medic.  .Tahrb.  1871. 

—  Die  Defecte  der  Scheidewände  des  Herzens.     Wien  1875, 

Schmidt,  F.     Bidrag   tili  kundskaben   om   hjertets   utviklingshistorie.     Nord.   med.  Ark. 

Stockholm.  Bd.  II.  1870. 
Tonge,  3Iorris.    On  the  Development  of  the  semilunar  Valves  of  the  Aorta  and  Pidmonary 

Artery  of  the  Heart  of  the  Chick.  Philos.   Trans.  R.  Soc.   London.   Vol.  CLIX.  1870. 


1)  Die  Arbeiten   über   die    erste  Anlage   des    Wirbeltierherzens   sind   bereits   in  der 
Litteraturübersicht  zu  Kapitel  5,  Bd.  J,  angeführt. 

2)  Der  erste   Teil  ,, Reptilien"  dieser  im  Innsbrucker   anatom.  Institute  ausgeführten 
Arbeit  wird  demnächst  im  morphologischen  .lahrbuche  veröffentlicht  werden. 


160  HOCHSTETTER, 

Vaerst,  G.  Ueber  Vorkommen,  anatomische  und  histologische  Entivickeluvg,  soicie 'phy- 
siologische Bedeutung  der  Herzknochen  bei  Wiederkäuern.  Erlanger  Inaug.-Diss. 
Leipzig  188G  und  Deutsche  Zeüschr.  f.   Tiermedizin  und  vergl.  Path.  Bd.  XIII. 

C,    Arbeiten  über  die  Entw  icke  l  ung  des  Herzbeutels  und  des 

Zu  er  ch  feiles. 

Bertelli,  D,  Picghe  dei  reni  primitivi  nei  Rettili.  Contributo  allo  sviluppo  del  dia- 
framma.     Atti  della  Soc.  Toscana  di  sciencc  naturali  Pisa.  Memorie    Vol.  XV.  1896. 

—  Pieghe  dei  reni  primitivi.    Contributo  alla  morfologia  ed  allo  svihippo  del  diaframma. 

Atti  della  Soc.   Toscana  di  sc.  naturali  Pisa.  Ilemorie   Vol.  XVI.  1898. 

—  Sullo  sviluppo    del  diaframma  dorsale    nel  Polio.     Nota  preveniiva.     31onit.  zool.  ital. 

Anno  IX.  1898. 

—  Contributo    alla    ynorfologia    ed    allo    sviluppo    del     diaframma    ornitico.     Monit.    zool. 

ital.  Anno  IX.  1898. 
Blaschelc,   A.      Untersuchung  über  Herz,  Pericard,  Endocard  und  Pericardialhöhle.  Mitt. 

a.  d.  embryol.  Inst.  d.    Univ.    Wien.  1885. 
Brächet,   A.      Eecherches  sur  Ic  developpe^nent  de  la  cavitr  hepato-enterique  del'  Axolotl 

et    de    l'arriere    cavite    du   peritoine    chez    les    Ufammifc.res    (Lap)in).     Arch.    de  biol. 

T.  XIII  1895. 

—  Sur   le    develojypemeyit   de  la  cavite  hepato-enterique  chez  les  Amfhibiens.     Anat.  Anz. 

Bd.  XL  1896. 

—  Eecherches    sur   le  developpement    du    diaphragme    et    du  foie    chez  le  lajiin.     Journ. 

de  l'anat.  et  phys.  Par.   T.  XXXI.  1895. 

—  Eecherches   sur  l'evolution  de  la  portion  cej)halique  des  cavites  pleurales  et  sur  le  de- 

veloppement  de   la  membrane  pleuro-pericardique.      Journ.    de    l'anat.  et  j)f>ys.  Par. 
T.  XXXIII.  1897. 

—  Die  Entwickelung  der  grofsen  Körjjerhöhlen  un  d  ihre  Trennung  von  einan  der.  (Pericardial-, 

Pleural-    und    Peritonealhöhle.)    —    Die  Entwickelung  der  PleuropericardialmeTnbran 

und  des   Zwerchfelles.  Ergebnisse   Anat.  u.  Enttvickelungsgeschichte.    Bd.  VII.  1897. 
BrouJia,    M.     Eecherches    sur    le    developpement   du   foie,    du  pancreas,    de   la   cloison 

mesenterique    et    des  cavites  hepato-enteriques  chez  les   Oiseaux.     .lourn.  de  l'anat.  et 

2)hys.  Par.  T.  XXXIV.  1898. 
Butler,   G.,    W.      On    the    Subdivision  of  thc    Body   Cavity   in  Lizards,  Crocodiles  and 

Birds.     Proz.  zool.  Soc.  London.  1889. 

—  On    the  Subdivision    of  the  Body   Cavity    in  Snakes.     Proz.  zool.  Soc.  London.  1892. 
Cadiat.     Du    developpement    de    la   portion    cephalo  -  thoracique  de  l'embryon,  de  la  for- 

mation  du  diaphragme,    des  plerres,    du  pericarde,   du  j>harynx  et  de  l'oesophague. 

.lourn.  de  l'anat.  et  phys.  Par.  1878. 
Faher.      Ueber  den  angeborenen  Mangel  des  Herzbeutels  in  anatomischer,  entwickelung s- 

geschichtlicher  und  klinischer  Beziehung.      Virchotv's  Arch.  Bd.  LXXIV.  1878. 
Giglio-Tos.      Sull'omologia    tra    il    diaframma    degii  Anfibi  anuri  e  quello  dei  3Iammi- 

feri.     Atli.  E.  Accad.  sc.  Torino.      Vol.  XXIX.   1894. 
Guinard.     Note    sur   le  developpement  du  diaiyhragme.    Lyon  medical.    No.   29.   1889. 
His,   W.     Mitteilungen  zur  Ernbryologie  der  Säugetiere  und  des  3Ienschen.     Arch.  Anat. 

u.  Phys.  1881. 
Hochstetter,  F.      Ueber  das  Gekröse  der  hinteren  Hohlvene.    Anat.  Anz.  Bd.  III.  1888. 

—  Ueber  j^artielle   und   totale  Scheidewandbildung   ztvischen  Pleurahöhle  und  Peritoneal- 

höhle bei  einigen  Sauriern.     Morpholog.  Jahrb.  Bd.  XXVIl.  1899. 

—  Ueber  die  Entstehung  der  Scheideivand  zwischen  Pericardial-  und  Peritonealhöhle  und 

v,ber  die  Bildung  des  Canalis  pericardiaco-jieritonealis  bei  Embryonen  von  Acanthias 

vulgaris.     Blorpholog.  Jahrb.  Bd.  XXIX.  1900. 
LocJcwood,    C.  B.      The    early   Development   of  the  Pericardium,   Diaphragm  and  great 

Veins.    Phil.  Trans.  E.  Soc.  London.    Vol.'  GL XXIX.  1889. 
Mail,  P.     Development   of  the  lesser  peritonecd  Cavity  in  Birds  and  3Iammals.    Journ. 

3Iorphol.  Boston.    Vol.    V.   1891. 

—  On    the    dcvelopment    of    the    human    diaphragm.      Proc.    of   the    Assoc.    of   American 

Anatomists.     1900. 
Mathes,  F.      Zur    3Iorphologie    der   3Iesenterialbildxingen    bei    Amphibien.     3Iorpholog. 

Jahrb.  Bd.  XXIIL  1895. 
Bavn,   E.      Vorläufige  3Iilteilung  aber  die  Eichtung  der  Scheidewand  zwischen  Brust- und 

und  Bauchhöhle  in  Säugeticrembryonen.     Biol.   Gentralbl.  Bd.    VII.  1887 — 88. 

—  Ueber  die  Bildung    der  Scheide^vand   zwischen  Brust-   und   Bauchhöhle   in  Säugetier- 

embryonen.    Arch.  Anat.  und  Phys.  1889. 

—  Bemerkungen   über   die  mesodermfreie  Zone   in  der  Keimscheibe  der  Eidechse.     Anat. 

Am.  Bd.  IV.  1889. 


Die  Entwickelung  des  Blutgefäßsysteins.  161 

Ravn,  E,    Untersuchungen  über  die  Entwickelung  des  Diaphragmas  und  der  benachbarten 
Organe  bei  den   Wirbeltieren.     Arch.  Anat.  u.  Phys.  1889. 

—  lieber  das  Proamnion,  besonders  bei  der  3Iaus.  — •  Studien  über  die  Entivickelung  des 

Zwerchfells   und    der   benachbarten  Organe   bei    den   Wirbeltieren.     Arch.  Anat.  und 
Phys.  1895. 

—  Dh  Bildung  des  Septum  transversum  beim  Hühnerembryo.  Arch.  Anat.  und  Phys.  1896, 

—  lieber  die  Entivickelung  des  Septum  transversum.     Anat.  Anz.  Bd.  XV.  1899. 
Stoss,   A.     Untersuchungen  über  die  Entwickelung    der   Verdauungsorgane,   vorgenommen 

an  Schafembryonen.     Inaug.-Diss.  Leipzig.  1892, 
Strahl,   H.  u.   Carlus,   F.     Beiträge  zur  Entivickelungsgeschichte    des  Herzens  und  der 

Körperhöhlen.     Arch.  Anat.  und  Phys.  1889. 
Sivaen,   A,     Becherches  sur  le  developpement  dti  foie,  du  tube  digestive,  de  l'arriere  cavite, 

du  pcriioine  et  du  mesentere,  1.  et  2.  partie.  Journ.  de  l'anat.  et  phys.  Par.  1896, 

1897. 
Ushow,  N,      Ueber  die  Entwickelung  des  Zwerchfells,  des  PeHcardiums  und  des  Cöloms. 

Arch.  mikr.  Anat,  Bd.  XXII.  1883, 
Waldeyer,    W,      Ueber  die  Beziehungen  der  Hernia  diaphragmatica  congenita  zur  Ent- 

loickelungsiveise  des  Ziverchfelles.     Deutsche  med.    Wochenschrift.  1884, 

D.     Entw  ickelung  des  Arteriensy stems. 

Ayers,  H.  The  morp>hology  of  the  carotids  based  on  a  study  of  the  blood  vessels  of 
Chlamydoselachus  anguineus  (Garman).  Bidl.  Mus.  Comp.  Zool.  Harvard  College 
Vol.  XVII.  1889. 

Aschoff,  A.  Beitrag  zur  Entivickelungsgeschichte  der  Arterien  beim  menschlichen  Em- 
bryo.    Morphol.  Arb.  Bd.  IL  1892, 

Allis  Phelps,  E.  The  Pseudohranchial  Circulation  in  Amia  calva.  Zool.  Jbr.  Bd.  XIV. 
1900. 

V.  Baer,  E.  K.  Ueber  die  Kiemen  und  Kiemengefäfse  in  den  Embryonen  der  Wirbel- 
tiere.    SIeckel's  Arch.  1827, 

Beauregai'd.  L'artere  carotide  interne  des  Ruminants.  Assoc.  franq.  pour  l'avanc.  d. 
sc.   C.  R.  1892. 

Bemnielen,  J.  F.  van.  Entwikkeling  en  metamorjjhose  der  kieuw  of  vesceralspalten  en 
der  aortenbogen  bij  Embryonen  van  Tropidonotus  natri.v  en  Lacerta  m.uralis.  Kon. 
Akad.  V.    Wet.  Amsterdam.     Afd.  Naturk.  1885, 

—  Over  te  beteekenis  en  te  verwantschap  der  groote  Arterien,  die  bij  Reptilien  vant  hart 

naar   den   kop    opstiegen.     Tijdschr.  d.  Neederl.  Dierkund.    Vereenig.  R.  LL.  Deel  1. 
1886, 

—  Die    Visceraltaschen  und  Aortenbogen  bei  Reptilien  und  Vögeln.  Zool.  Am.  Jahrg.  LX. 

1886. 

—  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Halsgegend  bei  Reptilien.  L.  anat.  Teil.  Mededeelingen  tot  de 

Dierkunde,   Tijdschr.  van  het  Genotschap  Natura  artis  magistra  te  Amsterdam.  1887. 

—  Over  de  kieuivspleten  en  hare  overblyfseln  bij  de  Hagedissen.    Donders  Festbundel  van 

het  Xed.   Tijdschr.  roor  Geneeskunde.  1888. 

—  Ueber  die  Herkunft  der   Extremitäten-  und   Zungenmuskulatur  bei  Eidechsen.     Anat. 

Anz.  Bd.  IV.    1889. 

—  On  the  Development  of  the  branchial  Pouces  and  aortic  Arches  in  Marine  Turtles  from 

luvest igations  tqjon  Embryos  of  Chelonia.   Ann.  and  Mag.  Nat.  Hist.  S.  6.  Vol.  XII. 
1893. 

—  Ueber  die  Entwickelung  der  Kiementaschen  und   der  Aortabogen   bei    den    Seeschild- 

kröten, untersucht  an  Embryonen  von  Chelonia  viridis.    Anat.  Anz.  Bd.  VIII.  1893. 
Boas,   J.  E.    V.      Ueber   den  Conus  arteriosus   tmd   die    Arterienbogen    der  Amphibien. 
3Iorphol.  .lahrb.  Bd.    VIL  1882, 

—  Beiträge  zur  Angiologie  der  Amphibien.     Morphol.  Jahrb.  Bd.    VIII.  1883, 

—  Ueber  die  Arterienbogen  der   Wirbeltiere.     Blorphol.  Jahrb.  Bd.  XIII.  1888, 
Brandt,   E.      Ueber  einen  eigentümlichen,   .später  meist  obliterierenden  Ductus  caroticus 

der  gemeinen  Kreuzotter    (Pelias    berusj.     3Ielanges  biologiques.    T.    V.  1865. 

—  Ueber  den  Ductus  caroticus  der  lebendiggebärenden  Eidechse  (Lacerta  crocea  s.  Zootoca 

vivipara).     3Ielanges  biologiques.   T.    VI.  1867, 

—  Ueber  den  Ductus  caroticus  des  mississip>pischen  Alligators.     Bull.  Acad.  St.  Petersb. 

Bd.  XVIL   1872. 

Bremer,   S.  L,      On  the  origin  of  the  Pulmonary  Arteries    in  3Iamals.     The  American 
Journ.  of  Anat.    Vol.  I.  1902. 

Brenner,   A,      Ueber  das   Verhältnis  des  N,  laryngeus  inferior  vagi  zu  einigen  Aorten- 
varietäten   des    3fenschen    und   zu   dem    Aortensystem  der   durch  Lungen    atmenden 
Wirbeltiere.     Arch.  Anat.  und  Phys.  1883. 
Handbuch  der  Entwickelungslehre.     III.  2.  11 


162  HOCHSTETTER, 

Bvooni,  B.  On  the  arterial  arches  and  great  veins  in  the  foetal  Jlarsupials.  Journ. 
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Stut.  zu  Neapel.  Bd.    VII.  1886—87. 

—  Studien  zur  Urgeschichte  des   Wirbeltierkörpers.  XIII.   Ueber  Nerven  und  Gefäße  hei 

Ammocoetes  und  Petromyzon.     Mitt.    a.  d.  zool.  Stat.  zu  Neapel.    Bd.    VIII.    1888. 

—  Studien  zur  Urgeschichte  des  Wirbeltierkörpers.  XV.  Neue  Grundlagen  zur  Beurteilung 

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die  Entstehung  der  Ansa   Vieussenii.     Mo7-phol.  Jahrb.  Bd.  XVI.  1890-. 

—  Ueber  die  ursprüngliche  Hauptschlagader  der  hinteren  Gliedmaße  des  Menschen  und 

der  Säugetiere,    nebst  Bemerkungen  über   die    Entu'ickelung   der  Endäste    der   Aorta 
abdominalis.     3Iorphol.  Jahrb.  Bd.  XVI.  1890t. 

—  Ueber  die  Arterien  des  Darmkanales  der  Saurier.    Morphol.  Jahrb.  Bd.  XXVI.  1898. 

—  Ueber    Varietäten  der  Aortenbogen,  Aortenwurzeln  und-  der  von  ilcnen  entsjyring enden 

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Die  Entwickelung  des  Blutgefäßsystems.  163 

Mauver,  F.     Die  Kiemen  und  ihre  Gefäfse    bei   anuren   und   iirodelen   Amphibien  und 

die    Umbildung    der    beiden    ersten    Aortenbogen    bei    Teleostiern.      3Iorphol.   Jahrb. 

Bd.  XIV.  ISS««. 
Miillet',  F.    W.      lieber  die  Entwickelimg  und   morphologische  Bedeutung    der  „Pseudo- 

branchie"  und  ihrer  Umgebung  bei  Lepidosteus  osseus.  Arch.  mikr.  Anat.  Bd.  IL.  1897. 
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1856. 

—  Untersuchungen  über  die  Aortenwurzeln  und  die  von  ihnen  ausgehenden  Arterien  der 

Saurier.     Denkschr.    Wiener  Akad.    Wiss.  3Iath.-nat.  Kl.  Bd.  XIII.  1857. 

—  Bemerkungen  über  die  Entstehung  der  bei  manchen    Vögeln  und  den  Krokodilen  vor- 

kommenden unpaaren  gemeinschaftlichen  Carotis.      Arch.  f.  Anat.  und  Phys.  1858, 

—  Kiemen  bei   Vögeln.     Isis.  Bd.  XVIIL  1825. 

Ravri,    E.       Ueber    die    A.   omphalo  -  rnesenterica    der    Ratten    und    Mäuse.     Anat.  Anz. 

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Türstig,  J.     Untersitc hungen  über  die  Entwickelung  der  primitiven  Aorten  mit  besonderer 

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Valenti,    G.   e  iVAhundo,    G.     Sulla  vascolarisazione  cerebrale  di  alcuni  mammiferi  iyi 

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Vialleton,   L.     Developpement  des  aortes  posterieures  chez  l'embryon  de  poulet.     C.  R. 

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Young,  A.  H.  and  Robinson,  A,  The  Development  and  Morphology  of  the  vascular 
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E.   Arbeiten  über  die  Entw  ickelung  des   Venensystems. 

V.  Bardeleben,   K.      Die   Haxiptvene    des    Armes,    Vena  capitalis    brachii.      Ueber   die 

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Dural,   M.     A  propos  des  reines  ombilicales.     Bull.  soc.  biol.  Paris.  1889. 
Gösset,   A.      Contribution  d  l'etude  du  developpement   de  la  veine  cave    inferieur  et  des 

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Grosser,    O.  und  Brezina,   E.      Ueber   die  Entwickelung    der   Venen    des   Kopfes   und 

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Hahn,  H.      Ueber  Duplicität  im  Gebiete    der  oberen    und   unteren    Hohlvene   und    ihre 

Beziehimg  zur  Entwickelungsgeschichte.     Inaiog.-Diss.  München  1895. 
Hochstetter,   F.       Beiträge    zur    vergleichenden   Anatomie    und    Entwickelungsgeschichte 

des   Venensystems  der  Amphibien  und  Fische.     Morpholog.  Jahrb.  Bd.  XIII.  1888. 

—  Beiträge    zur   Entwickelungsgeschichte    des    Venensystems    der    Amnioten.       1.    Vögel. 

ßlorpholog.  Jahrb.  Bd.  XIIL  ISSS«. 

11* 


164  HOCHSTETTER, 

Hochstetter,  F.  l'eber  die  Bildung  der  hinteren  Hohlvene  hei  den  Säugetieren.  Anat. 
Ans.  Bd.  II.  1SS7. 

—  Ueber  den  Einßu/s  der  Entivickelung  der  bleibenden  Niere  avf  die  Lage  des  Urnieren- 

ahschnittes  der  hinteren    Cardinalvenen.     Anat.  Am.  Bd.  III.  1888. 

—  Ueber  die  Entirickehmg  der  Extremitätsvenen  bei   den  Amnioten.     Morpholog.  Jahrb. 

Bd.  XVIL  1891. 

—  Beiträge  zur  Entwickelungsgeschichte    des   Venensystems    der    Amnioten.      2.  Reptilien 

(Tropidonotus,  Lacerta).     Morpholog.  Jahrb.  Bd.  XIX.  1892. 

—  Beiträge    zur  Enticickelungsgeschichle    des    Venensystems    der    Amnioten.     3.     Säuger. 

JHorp'holog.  Jahrb.  Bd.  XX.  1893. 

—  Entwickelung  des    Venensystems  der    Wirbeltiere.     Ergebnisse  Anat.  u.  Entwickelungs- 

gesch.  Bd.  III.   1893'K 

—  Ueber  die   Entwickelung    der   Abdominalvene    bei   Salamandra  maculata.     Morpholog. 

Jahrb.  Bd.  XXL  1894. 

—  Zur  Entwickelung  der    Venae  spermaticae.     Anat.  Hefte.  1898. 

—  Bemerkungen  zu  Zumstein's  Arbeit  „über  die  Entwickelung  der  V.  cava  inferior  beim 

Maulu'urfe  und  bei  dem  Kaninchen"-     Anat.  Hefte.  H.  SS.  Bd.  X.   1898. 
Hoffmann,    C.  K,     Bijdrage  tot  de  kennis  der  entwikkelingsgeschiedenis  van  het  ader 
lijke  hloedvatenstelsel  bij  de  Bejytilien.     Natuurk.  Verh.  Kon.  Akad.  v.  Wetenschapen 
1890. 

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Bd.  XX.  1893. 
Kerschner,    L.     Zur  Morphologie    der   V.  cava  inferior.      Anat.  Anz.  Bd.  III.  1888. 

—  Nochmals  zur  Morphologie  der   V.  cava  inferior.     Anat.  Anz.   Bd.  III.  1888. 
Mftrshall,   J.     On  the  development  of  the   great  anterior   veins  in  man   and  remnants 

of  foetal  structure  found  in  the  adult,    a  comp>arative  view  of   these    great    veins    in 

the  different  Mammalia,  and  an  analysis  of  their  occasional  pecularities  in  the  human 

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1 


Fünftes  Kapitel. 

Die  Entwickelung  der  Form  der  Extremitäten  und  des 

Extremitätensi<eletts. 

s 

VOH 

Hermann  Braus  (Heidelberg). 

Einlcituni»-. 

Die  große  Thatsacbenfülle ,  welche  über  die  Entwickelung  der 
Extremitätenbildungen  der  Vertebraten  bekannt  ist,  steht  in  einem  ge- 
^Yissen  Mißverhältnis  zu  der  Sicherheit  der  Schlüsse,  welche  in  theoreti- 
scher Hinsicht  aus  dem  vorhandenen  Material  zu  ziehen  sind.  Unter 
den  mannigfachen  Beobachtungen  über  die  Entwickelungsvorgänge 
derselben  oder  ähnlicher  Formzustände  bei  verschiedenen  Objekten 
betinden  sich  manchmal  solche,  welche  sich  scheinbar  gegenseitig  auf- 
heben und  doch  hinreichend  durch  das  Zeugnis  gewissenhafter  Forscher 
beglaubigt  sind.  Wenn  auch  stets  solche  Fälle  zu  immer  wieder  er- 
neuter Nachprüfung  aneifern  müssen,  so  ist  es  doch  keineswegs  genug, 
die  eine  Thatsache  zu  vertreten  und  die  Zuverlässigkeit  der  Beobachtung 
■entgegengesetzter  Fälle  zu  bezweifeln.  Es  ergiebt  sich  vielmehr  mit 
Notwendigkeit  der  Schluß,  daß  unsere  morphologischen  Beobachtungs- 
mittel in  verschiedener  Beziehung  unzureichende  sind.  Speciell  in 
<ler  Entwickelungsgeschichte  des  Skelettes  (aber  auch  bei  anderen 
Organen)  stockt  die  kritische  Abschätzung  der  Befunde  häufig  an  dem 
Punkt,  daß  die  Frühanlage  der  Elemente,  wie  sie  uns  im  Präparat 
sichtbar  wird,  doch  nicht  als  die  Stätte  der  ersten  Differen- 
zierung strikte  erwiesen  ist.  Es  ist  denkbar  und  erscheint  nicht 
aussichtslos,  die  histiogenetischen  Bahnen  nachzuweisen,  welche  das 
skeletogene  Material  von  seiner  ersten  Differenzierung  an  durchwandelt 
(allerdings  mit  subtileren  Methoden  als  den  bisher  gebräuchlichen), 
und  höchst  wahrscheinlich  dürfte  sich  dabei  die  jetzt  als  Stätte  ersten 
Auftauchens  bekannte  Lokalität  durch  die  Embryonalanalyse  in  vielen 
Fällen  nur  als  ein  späterer  D  urchgaugspunkt  erweisen. 

Ist  also  die  Lösung  der  vielen  auf  dem  Extremitätenkapitel  zur 
Zeit  noch  lastenden  Probleme  vielfach  der  Zukunft  zugewiesen,  so  ist 
es  um  so  mehr  die  Aufgabe  dieses  Aufsatzes,  den  Schwerpunkt  auf  den 
Bericht  über  die  bisher  bekannten  Thatsache n  und  die  kriti- 
sche Sichtung  derselben  zu  legen.  Das  Theoretische  findet  nur 
insoweit  Berücksicktigung,    um  zu   zeigen,   in   welcher  Art   das    vor- 


168  H.  Braus, 

liandene  Material  für  Schlußfolgerungen  ver\Yendet  wurde*)  und  ver- 
wendbar ist.  Gerade  darin  bestellt  —  trotz  des  oft  fühlbaren  Mangels 
befriedigender  Lösungen  —  ein  ganz  besonderer  Reiz  so  viel  um- 
strittener, nie  veralteter  Gebiete,  wie  es  dasjenige  der  Extremitäten 
ist,  daß  jeweils  das  ganze  Rüstzeug  der  Wissenschaft  bei  ihrer  Be- 
handlung versucht  wurde,  und  daß  somit  dem  Forscher  Gelegenlieit 
gegeben  ist,  auch  das  Gesamtdenken  und  -wollen  moderner  Embryologie 
sich  hier  auf  kleiner  Fläche  widerspiegeln  zu  sehen. 

A.  Die  imi)aareii  Extreiiiitäteii. 

Als  unpaare  Extremitäten  werden  alle  diejenigen,  zur  Aequili- 
brierung  oder  Lokomotion  des  Tieres  benutzten  Auswüchse  des  Körpers 
bezeichnet,  welche  in  Form  einfacher  Zuschärfungen  oder  komplizierter 
Lappenbildungen  in  der  Körpermittellinie  —  dorsal  oder  ventral  — 
liegen  und  in  der  Richtung  derselben  verlaufen-')-  Die  Flossen, 
welche  hier  wesentlich  in  Betracht  kommen,  heißen  Pinna  e  (zum 
Unterschied  von  den  paarigen  Flossen,  den  Pterygia). 

I.  Die  Entwickelung  der  äußeren  Form  der  Pinnae  und  die  histo- 
genetisehen  Frühstadien  der  Differenzierung. 

1)  Der  eiiilieitliehe  unpaare  Flossen  säum.  Eine  einheit- 
liche Pinna  von  maximaler  Ausdehnung  über  die  Rückenseite  (Kopf. 
Rumpf  und  Schwanz)  und  über  w^eite  Strecken  der  Unterseite  des  Tieres 
ist  nur  bei  Acranieren  vorhanden. 

Beim  Amphioxus^)  bildet  sich  die  unpaare  Flosse  zuerst  aus- 
schließlich am  Hinterende  des  Körpers  (I  (3  Fig.  Im.  p.  6;  Fig.  1. 
p.  7).  Sie  wuchert  später  dorsal  und  ventral  kopfwärts  und  erreicht 
den  Anus  gerade,  wenn  dieser  durchbricht.  Der  ventrale  Saum 
wuchert  später  präanal  weiter,  indem  die  Kontinuität  mit  dem  postanalen 
Teil  durch  Verschiebung  der  Analöifnung  auf  die  linke  Körperseite 
erhalten  bleibt.  Beim  Schluß  des  Atrioporus  endet  er  noch  kaudal 
von  diesem,  wuchert  aber  in  später  Entwickelung  noch  ein  wenig 
zwischen  die  Metapleuralfalten  (Pterygia)  vor,  ohne  sich  mit  diesen 
zu  verbinden^). 

Auch  die  dorsale  Flosse  wächst  allmählich  kranialwärts.  zu- 
nächst nur  als  geringe  Zuschärfung  des  Körpers,  in  späteren  Stadien 
zur  deutlichen  Flosse  ausgestaltet,   erreicht  schließlich  den  Kopf  und 


1)  Schon  des  Platzmangels  wegen  mußte  ich  davon  Abstand  nehmen,  ein  voll- 
ständiges Referat  über  das  Theoretische  dieses  Kajjitels  zu  geben  (selbst  in  sachlicher 
Hinsicht  mußte  häufig  Beschränkung  bloß  auf  Andeutungen  stattfinden,  wo  mir 
größere  Ausführlichkeit  willkommener  gewesen  wäre).  Aber  ich  bin  auch,  abgesehen 
von  jedem  äußeren  Moment,  der  Ueberzeugung,  daß  der  Sache  und  dem  Leser  am 
besten  gedient  ist,  wenn  ich  den  mir  am  zuverlässigsten  gestützt  erscheinenden 
Standpunkt  ausführlicher  in  seiner  sachlichen  Unterlage  und  in  seinem  logischen 
Aufbau  referiere  und  dafür  weniger  plausible  Versuche  (ohne  sie  etwa  totzuschweigen) 
in  der  Breite  der  Behandlung  zurücktreten  lasse,  anstatt  sämtliche  Meinungen  iu 
gleicher  Kürze  abzuthun. 

2)  Ueber  die  Berechtigung,  sie  unpaar  zu  bezeichnen,  vgl.  Schlußkapitel  dieses 
Abschnittes. 

3i  Ich  folge  Hatschek  A.  L.  III',  1881,  Kowalevsky  A.  L.  III ',  Lankester 
und  WiLLEY  1899  (II ',  p.  3,  4).  (Ueber  fertige  hier  erwähnte  Zustände  vergl. 
Lankester  1899,  van  Wijhe  1901.) 

4)  Bei  Asymmetron  lucayanum  allerdings  Zusammenhang  zwischen  rechtem 
Pterygium  uud  Präanalflosse  (Andrews  cit.  nach  van  Wijhe  1901). 


Entw.   d.   Form  d.  Extremitäten  u.   d.  Extremitätenskeletts. 


169 


wurde  beim  fertigen  Tier  mit  einer  kontinuierlichen  Fortsetzung  sogar 
selbst  auf  der  Schnauze  und  rechten  Wange  des  Tierchens  gesehen. 
Bei  den  Cranioten  kommt  die  successive  Ausbildung  eines  so 
ausgedehnten  Flossensaumes  nicht  vor  ^).  Wohl  bilden  sich  große 
Strecken  noch  als  transitorische  Einheit.  Einzelpinnae  treten  mit  fort- 
schreitender Differenzierung  an  ihre  Stelle. 

Das  flössen  lose  Larvenstadium  des  Amphioxiis  v^^ird  als  Indif- 
ferenzstadium der  Entwickelung  unpaarer  Extremitäten  und  die  successive 
Entstehung  derselben  vom  Kör  per  ende  aus  als  Repetition  phyletischer 
Vorgänge  aufgefaßt  (Ryder  1885,  arcbicerkes  and  lophocerkes  Stadium). 
Auch  die  funktionelle  Verwendung  der  ünpaarflossen  bei  Fischen 
überhaupt  (Strasser  1882)  macht  dies  wahrscheinlich.  Die  Verbreiterung 
des  Körperendes  in  der  Medianebene  erzeugte,  wie^^h  glaube,  ein  pri- 
mitives lokomotorisches  Organ  (durch  Verwendung  hier  entstehender  me- 
tamerer Muskelanlagen),  welches  dazu  diente,  den  zunächst  wenig  beweg- 
lichen Rumpf  vorwärtszutreiben  '^). 

2)  Histiog'enetisclie  Differenzierungen  bei  komplett  und 
inkomplett  angelegten  P  i  n  n  a  e.  Der  Entwickelungsprozeß  setzt 
bei  den  Finnae  im  E  k  t  o  d  e  r  m  ein.  Beim  Amphioxus  äußert  er  sich 
in  einfachem  Höher  w  erde  u  der  Epithelzellen  in  der  Medianlinie, 
während  sich  im  übrigen  die  Epidermiszellen  abflachen.  Bei  Cranioten 
dagegen  iindet  wesentlich  vermehrte  Zellteilung  und  dadurch  bedingte 
geringe  Verdickung,  kurz  darauf  eine  Eiufaltung  der  durch  diesen 
Prozeß  vergrößerten  Epidermispartie  statt  (Fig.  179). 

Es  entsteht  so  ein  provisorischer  Epithelsaum,  der  je 
nach   dem  Bau    der    übrigen  Epidermis  bei  verschiedenen  Gattungen 


Fig.  178a. 


R 


'^    Fig.  178b. 


R 

Fig.  17Sa.  Querschnitt  durch  den  Eücken  eines  Embryos  von  Scyllium  stellare 
(ca.  12  mm  Länge). 

Fig.  178b.  Dasselbe  von  einem  äUeren  Embryo.  R  Eückenmark.  m  Mesoderm 
der  Flosse.    Kach  P.  Mayer. 


1)  Annähernd  so  ausgedehnte  Formen  allerdings  bei  hoch  specialisierten  Tele- 
ostiern. 

2)  Wenn  bei  der  Entwickelung  der  Pinna  von  Cranioten  geschildert  wird,  daß 
der  dorsale  Hautsaum  in  kraniokaudaler  Richtung  entsteht  (s.  u.),  so  bezieht 
sich  dies  auf  die  Schwanz  region  und  widerspricht  infolgedessen  nicht  obiger 
Auffassung.  Denn  der  Schwanz  wächst  von  dem  primären  Körperende  als  Neu- 
bildung aus  und  sein  Fiossensaum  folgt  dieser  Richtung.  Da,  wo  am  Rumpf  noch 
unpaare  Flossen  vorkommen,  entstehen  sie  wie  beim  Amphioxus  kaudo-kranialwärts 
(List  1887,  A.  L.  III  ^  Harrison  1895)  und  jedenfalls  im  frühesten  Entwickelungs- 


stadium' 
p.  112). 


am    Körperende   zuerst  (z.   B.   bei    Selachiern,    H.    ViRCHOW   1895. 


170 


H.  Braus, 


oder  bei  den  Stadien  ein  und  derselben  Species,  in  welcher  die  Dif- 
ferenzierung sich  vollzieht,  anfangs  ein-  oder  m e h r schichtig  gebaut 
ist  (z.  B.  einschichtig  bei  Selachiern,   Fig.  la;  zweischichtig,  und  zwar 


durch  Thätigkeit 

Später  wird  er 

Es    dringen 


Vergrößerung 


bloß    der  basalen  Schicht,    bei  Teleostiern,    Fig  2c). 

hichtig  (Fig.  178b). 
in    der    weiteren  Entwickelung    unter    gleichzeitiger 


die 


Anfangs 


Blätter 
ist 


lagerten  Zellen 


des  beteiligten  Ektoderms  Mesodermzellen  zwischen 
der  Falte  ein  und  di'ängen  diese  basal  auseinander, 
die  Mesodermausammluns'    noch   gering:    die  locker  ge- 


erfahren aber  eine  immer  stärker  zunehmende  Ver- 
dichtung, ohne  daß  man  über  die  Herkunft^)  dieser  Zellen  etwas 
Specielles  anzugeben  wüßte.  Ein  Rest  des  provisorischen  Epithelsaumes 
erhält  sich  anfangs  noch  auf  der  höchsten  Kante  der  Pinnae,  wird 
aber  schließlich  auch  durch  Eindringen  von  Mesoderm  auseinander- 
gefaltet (Fig.  17.Sb).  Die  Mesodermverdichtuug  erstreckt  sich  von  der 
ursprünglichen  Basis  der  Flosse  (bei  den  Rückenflossen  in  der 
Nachbarschaft  des  Rückenmarkes,  Fig.  178a)  bis  in  die  Spitze  derselben 
(Fig.  183,  p.  180). 

o)  Entstehung  diskontinuierlicher  E  i  n  z  e  1  f  1  o  s  s  e  n 
(P  i  n  n  a  e).  Die  Rückbildung  von  Teilen  einer  einheitlich  angelegten 
Flosse  (lophocerkes  Amphioxusstadium)  führt  bei  den  meisten  Fischen 
zur  Bildung  gesonderter  Pinnae.  Bei  Myxinoiden  existiert  eine  ein- 
heitliche Pinna  nur  in  der  Schwanzregion  und  bleibt  hier  auch  zeit- 
lebens bestehen  (Bdellostoma  I  6,  Fig.  3  i,  1,  p.  12).  Auch  bei  Pe- 
tromyzonten  kann  nur  eine  relative  Rückbildung  insofern  embryologiscli 
verfolgt  werden,  als  die  von  der  Mitte  des  Körpers  dorsal  bis  zum 
Schwanzende  des  Querders  einheitlich  verlaufende  Pinna  beim  erwach- 
senen Neunauge  eine  Sonderung  in  zwei  Dorsalflossen  erlitten  hat. 
welche  aber  noch  durch  einen  niederen  Hautsaum  verbunden  bleiben. 
Selachier^).  Bei  Selachiern  tritt  zuerst  ein  wirkHcher,  kom- 
pletter Zerfall  während   der  Ontogenie   ein.     Es   legt   sich   allerdings 

unter   diesen,    soweit  wir  wissen,    nur 
/( -        ^— ^:^.  bei  Scyllüdeu  (Pristiurus,  Scyllium 

stellare  und  canicula)  und  bei  Ovi- 
paren Rochen  ein  deutlich  promi- 
nenter   und    kontinuierlicher  Flosseu- 


Fig.  17Ua,  b  u.  c.  Drei  verschiedene  Sta- 
dien der  provisorischen  Ektodermfalte  bei  Sal- 
mo  salar  auf  Querschnitten,  m  MALPiGHi'sche 
Schicht  des  Ektoderms.  /;  Zellen  der  Horn- 
schicht  desselben.  ./'  beginnende  Einfaltung 
des  Ektoderms.    Nach  K.  G.  Harrison. 


saum  als  Grundlage  für  die  späteren  Einzelflossen  an  und  beginnt 
dort  am  hintersten  Teil  des  Rückens,  um  sich  gegen  das  Schwanz- 
ende   hin    zu   erstrecken.     Kranialwärts  von    dieser  Stelle    beschreibt 


1)  Ob  sie  sich  in  situ  vermehren  oder  von  anderen  Lokalitäten  her  Zuwachs 
erhalten,  ist  ungewiß,  auch  ist  als  ursprünglicher  Ausgangsort  nichts  Näheres  als  die 
Quelle  aller  Mesodermzeüen,  zu  deren  Kategorie  diese  gehören,  bekannt.  Ueber  die 
Bedeutung  der  Herkunft  vgl.  Entw.  des  Skelets  der  Pinnae. 

2)  Ich  verweise  vor  allem  auf  P.  Mayer  1885.  Vgl.  auch  schon  Joh.  MIjller 
1842,  p.  64;  ferner  Balfour  A.  L.  III  ^  1874,  1877 


Entw.   d.  Form  d.  Extremitäten  u.   d.  Extremitätenskeletts.  171 

Balfour  wohl  eine  Verdickung  des  Epithels,  welche  mit  dem  Schwanz- 
saum zusammenhängt  und  nach  vorn  bis  in  die  Höhe  des  vorderen 
Endes  der  Herzanlage  reicht.  Sie  verschwindet  jedoch,  ehe  sie  zur 
Falte  hätte  werden  können.  Da  nun  die  1.  Dorsalis  bei  den  genannten 
Haien  und;  Rochen  an  der  Grenze  zwischen  Rumpf  und  Schwanz  oder 
erst  auf  dem  Schwanz  selbst  gebildet  wird,  so  fällt  ihre  Anlage  wie 
die  der  übrigen  Unpaarflossen  (2.  Dorsalis,  Analis,  epi-  und  hypo- 
chordale  Schwanzflosse,  Fig.  ISO)  in  den  Bereich  der  einheitlichen  An- 
lage. Bei  vielen  Haien  jedoch  liegt  die  1.  Dorsalis  weiter  vorn  am 
Rumpf,  und  bei  diesen  (bei  allen  Familien,  bei  denen  Unter- 
suchungen vorliegen,  außer  den  oben  genannten)  kommt  sie 
getrennt  vom  einheitlichen  Flossen  säum  als  von  vorn- 
herein separate  Bildung  zur  Anlage.  Man  kann  natürlich  diese 
Fälle  nicht  von  den  erst  erwähnten  ableiten,  da  ja  bei  jenen  an  der 
betreffenden  Stelle  gar  keine  Flosse  entsteht,  muß  vielmehr  bei 
Selachiern  eine  partiell  bereits  so  hochgradige  Rückbildung  statuieren, 
daß  auf  dem  Rücken  nur  der  Ansatz  zur  Faltenbildung  (Ektoderm- 
verdickung  Balfour's)  übrig  blieb.  Es  scheint,  daß  bei  manchen 
Selachiern  auch  im  Schwanzbereich  von  vornherein  bereits  separate 
Sonderung  der  Einzelflossen  erfolgt. 

Ein  präanaler  Hautsaum  existiert  nicht.  Dagegen  ragen  die  An- 
lagen der  paarigen  Bauchflossen  manchmal  ein  wenig  über  den  Anus 
hinaus,  so  daß  auf  Querschnitten  dicht  hinter  demselben  3  Flossen 
getroffen  sind  (Rabl  1892,  p.  214).  Auch  hier  tritt  ebensowenig  wie 
im  präanalen  Gebiet  (Amphioxus)  Konkrescenz  zwischen  paarigen  und  un- 
paarigen  Flossenanlagen  ein. 

Während  sich  die  definitiven  Pinnae,  welche  innerhalb  des  einheit- 
lichen Saumes  entstehen,  aus  dem  Außenkontur  desselben  namentlich 
mit  ihrem  kaudalen  Ende  steil  emporheben  (Fig.  180),  leitet  sich  die 

ep.C  2D  ID 


hyp.C  A  Ba  Br 

Fig.  180.  Embryo  von  Scyllium  canicula  mit  einheitlicher  Saumflosse.  1  Dl.  Dor- 
salis (Rückenflosse).  2D  2.  Dorsalis  (Rückenflosse).  ep.C  epichordale  Caudalis 
(Schwanzflosse).  hyp.C  hypochordale  Caudahs  (Schwanzflosse).  A  Analis  (After- 
flosse). Br  (Brustflosse)  und  Ba  (Bauchflosse)  sind  die  Anlagen  der  paarigen  Flossen 
(Pterygia).     Nach  P.  Mayer. 

Rückbildung  der  zwischen  ihnen  liegenden  Partieen  ein,  Anfangs 
ist  dieselbe  eine  relative ,  indem  alle  Entwickelungsvorgänge  hier 
sistiert  sind,  dann  kommen  direkt  regressive  Prozesse  hinzu,  die 
äußerlich  sich  an  dem  eigentümlich  welligen  Kontur  der  Zvvischen- 
strecken  verraten. 

Die  sich  rückbildenden  Teile  des  Saumes  bei  Scylliiden  und  oviparen 
Rochen  kommen  in  der  progressiven  Entfaltung  nicht  über  das  Stadium, 
in  welchem  spärliches  Mesoderm    in  ihnen   angelegt  ist,    hinaus  ^).     Doch 

1)  Später  entstehen  in  jener  Gegend,  nachdem  bereits  der  Saum  verschwunden 


172  H.  Braus, 

ist  es  in  Einzelfällen  zu  weiterer  Differenzierung  gekommen.  Bei  älteren 
Rliinaembryonen  finden  sich  zwischen  den  beiden  Dorsales  sowohl  kranial 
wie  kaudal  von  ihnen  abortive,  aber  unverkennbare  Innenradien  des  ehe- 
maligen Flossenskelettes  ^).  Dies  (sowie  das  Vorkommen  einer  kontinuier- 
lich fortlaufenden  Einlage  von  Skelettstrahlen  in  der  einheitlichen  Unpaar- 
flosse  fossiler  Xenacanthiden)  giebt  uns  Gewähr,  daß  die  abortiven  Teile 
des  Saumes  einst  funktionstüchtige  Extremitäten  (mit  Innenskelett  und 
Muskulatur)  waren  und  nicht  nur  larvale  Gebilde    sind. 

Die  hypochordale  Kaudalflosse  vergrößert  sich  in  der  späteren 
Entwickeluug,  unter  Umständen  zu  einem  beträchtlichen  ventralen 
Lappen.  Es  bildet  sich  aus  dem  anfangs  symmetrischen  diphycerken 
Schwanz  auf  solche  Weise  eine  heterocerke  Form  (siehe  Skelett- 
entwickelung). 

G  a  n  0  i  d  e  n  -).  Der  unpaare  einheitliche  Saum  erscheint  in  der 
Ontogenie  manchmal  noch  in  weiter  Ausdehnung  über  Rumpf,  Schwanz 
und  Bauch.  Präanal  erstreckt  er  sich  bis  auf  den  Dottersack  (vergl. 
Abb.  I  6,  p.  24,  28,  32).  Die  Stellen,  an  welchen  sich  später  die 
Einzelflossen  sondern,  sind  bei  Lepidosteus  schon  in  relativ  frühen 
Entwickelungsstadien  durch  Pigmentanhäufungen  gekennzeichnet  (Fig.  h 
I  6,  p.  28). 

Ist  die  Sonderung  vollzogen,  so  treten  an  der  Schwanzflosse  Ver- 
größerungen des  h  y  p  0  c  h  0  r  d  a  1  e  n  A  b  s  c  h  n  i  1 1  e  s  ein,  indem  dieser 
sich  ganz  nach  Art  einer  separaten  Flosse  (der  Analis  vergleichbar) 
läppe nförmig  aus  dem  Niveau  der  übrigen  Kaudalis  erhebt  (Fig.  k^ 
I  G,  p.  28).  Diese  Partie  vergrößert  sich  immer  mehr  und  okkupiert 
schließlich  das  ganze  Schwanzende,  da  die  ursprüngliche  Spitze  des 
Schwanzes  in  der  Entwickelung'  stehen  bleibt  und  zu  einem  schmalen, 
von  dem  Rest  der  ursprünglichen  Flosse  umrandeten  Faden  verwandelt 
wird  (Fig.  1 ;  1.  c).  Derselbe  verrät  bei  älteren  Embryonen  noch  eine 
Weile,  daß  die  Körperachse  dorsalwärts  verdrängt  ist  (was  am  Skelett 
natürlich  stets  kenntlich  bleibt),  und  kommt  dann  ganz  in  Wegfall. 
Der  rein  ventral  entstandene,  einer  zweiten  Analis  vergleichbare 
Schwanzlappen  bildet  dann  den  symmetrischen  Abschluß  der  Kaudal- 
flosse (Homocerkie). 

T  e  1  e  0  s  t  i  e  r  •^).  Aehnlich  wie  bei  Ganoiden  ist  hier  der  einheit- 
liche Flossensaum  wohl  entwickelt  (im  allgemeinen  höher  als  bei 
Selachiern,  Harrison  (1895),  Salmo  salar,  Fig.  10,  o  I  6,  p.  35)  und 
präanal  bis  auf  den  Dottersack  fortgesetzt.  Bei  der  Differenzierung 
der  Einzelpinnae  entsteht  zuerst  die  Schwanzflosse.    Die  Dorsal-  und 

ist,  Mu  sk  el  anlagen  ähnlich  denen,  die  im  Gebiet  der  bleibenden  Pinnae  zum 
Aufbau  der  Muskulatur  derselben  dienen.  Doch  gehen  sie  in  den  Zwischen  strecken 
bald  zu  Grunde  (Abortivknospen,  P.  Mayer  1885).  Bei  Knochenfischen  bleiben 
übrigens  an  ähnlichen  Stellen  die  Muskelanlagen  nicht  abortiv,  sondern  entwickeln 
sich  zu  den  sog.  „muscles  greles"  (Cuvier,  Vogt:  Leptocephalus  und  Anguilla, 
Conger  u.  a.) 

1)  Aehnliches  ist  bei  ausgewachsenen  Haien  gefunden  (außer  bei  Rhina  noch 
bei  Acanthias  americanus  (Thacher),  Centrophorus  und  Pristis  (Mivart).  Auch 
Chimaera  hat  eine  fast  durchlaufende  unpaare  Flosse  mit  einer  Einlage  kontinuier- 
lich aufeinander  folgender  Skelettstäbe. 

2)  Litteratur  vergl.  I  6,  p.  22  u.  f. 

3)  Bei  Teleostierembryonen  wurde  die  einheitliche  Saumflosse  zum  erstenmal 
gesehen.  K.  E.  v.  Baer  entdeckte  sie  und  beschrieb  die  einzelnen  Teile  (1837,  p.  313). 
Von  späteren  Autoren  seien  erwähnt:  C.  Vogt  (A.  L.  III ^  1842),  A.Schneider 
(1879),  A.  Agassiz  (A.  L.  III*,  1877,  1878,  1882),  A.  Agassiz  and  Whitman  (A. 
L.  III*,  1885,  1889),  Cunnikgham  (1883/84),  Harrison  (1895). 


Entw.  d.  Form  d.  Extremitäten  u.   d.  Extremitätenskeletts.  173 

Aiialriosse  bilden  sich  ungefähr  gleichzeitig,  aber  bei  pelagischen  jungen 
Fischen  meist  die  zweite  Dorsalis  vor  der  ersten  Dorsalis.  Nur  wenn 
die  erste  Dorsalis  hohe  Ditferenzierungsstufen  zu  erreichen  hat  (Lo- 
pliius,  Cyclopterus  u.  a.),  so  setzt  ihre  Bildung  früher  ein  und  geht 
dann  der  zweiten  Dorsalis  voran.  Bei  den  Salmoniden  entsteht  die 
Analflosse  nicht  pari  passu  mit  der  Dorsalis,  bei  S.  salar  früher,  bei 
S.  irideus  später  als  letztere.  Die  Fettflosse  differenziert  sich  stets 
zuletzt. 

Die  Zwischenstrecken  des  Saumes  verschwinden  bei  den  meisten 
Teleostiern  vollständig,  besonders  die  ganze  präanale  Partie  ^). 

Die  hypochordale  Caudalis  besitzt  wie  bei  Lepidosteus  entweder 
anfangs  einen  Lappen,  der  sich  noch  besonders  gegen  die  ursprüng- 
liche, aber  rudimentäre  Schwanzspitze  absetzt  (I  6,  p.  40,  Fig.  11  c), 
oder  die  Grenze  zwischen  hypochordalem  Lappen  und  Schwanzspitze 
ist  von  vornherein  verschwnnden,  weil  die  letztere  sofort  von  dem 
ersteren  okkupiert  wird  -)  (Fig.  10  o,  I  6,  p.  35).  Auf  jeden  Fall 
bildet  sich  der  h  o  m  o  c  e  r  k  e  Typus  aus  (siehe  Skelettentwickelungj. 
Besonders  charakteristisch  ist  die  Aehnlichkeit  des  hypochordalen 
Flossenlappens  mit  der  Analis.  Von  A.  Agassiz  (A.  L.  III  ^,  1877) 
wird  er  als  direktes  Homodynam  der  letzteren  aufgefaßt  und  von 
DoLLO  (1892)  mit  der  zweiten  Analis  fossiler  Xenacanthiden  homo- 
logisiert. 

Nach  dieser  Ansicht  hätte  also  bei  Teleostiern  eine  zweite  Analis 
allmählicli  Besitz  von  dem  Territorium  der  eigentlichen  Caudalis  ge- 
nommen und  diese  als  Rudiment  dorsalwärts  verdrängt.  Die  Knochen- 
fische mit  besonders  stark  entwickelter  Schwanzflosse  besäßen  in  Wirk- 
lichkeit keine  Caudalis  mehr,  sondern  eine  besonders  entfaltete  zweite 
Analis.  Jedenfalls  illustriert  diese  Anschauung  die  große  Aehnlichkeit 
zwischen    hypochordaler  Caudalis  und  Analis,    die  ihr  zur  Basis  dient. 

Doppelbildungen.  Bei  Doppelbildungen,  die  sich  z.  B.  bei 
Salmonidenembryonen  bekanntlich  relativ  häufig  finden,  kommen  auch 
komplette  oder  inkomplette  Verdoppelungen  der  unpaaren  Saumflosse 
vor,  je  nachdem  die  Doppelbildung  der  ganzen  Keimanlage  von  Anfang 
an  oder  in  der  weiteren  Entwickelung  mehr  weniger  hochgradig  ist  und 
bleibt.  Die  Derivate  der  ventralen  Saumflosse  lenken  mit  allmählich 
fortschreitendem  Ausgleich  dieser  Art  von  Monstrositäten  immer  mehi- 
in  den  Lauf  ihrer  normalen  Bildungsgeschichte  ein,  während  diejenigen 
der  dorsalen  Partie    am  längsten  verdoppelt  bleiben  •''). 

Im  Gegensatz  dazu  neigen  Carassiusarten  (bekannt  als  japanische 
Schleierschwänze)  zu  Verdoppelungen  der  Abkömmlinge  des  ventralen 
Flossensaumes,  während  der  dorsale  Teil  ungeteilt  bleibt   (Watasb  1887, 


1)  Bei  manchen  jedoch  (z.  B.  Aalen)  ist  im  fertigen  Zustand  eine  voll  entwickelte 
einheitliche  Medianflosse  vorhanden.  Von  Balfour  and  Parker  (A.  L.  III  %  1882) 
wird  sie  als  Atavismus  bezeichnet.  Vielleicht  sind  aber  doch  hier  progressive  An- 
passungsvorgänge stark  mitbeteiligt.     Vergl.  auch  p.  171,  Anm.  1. 

2)  Entweder  ist  innerlich  an  der  Lage  der  Achsenorgane  der  heterocerke  Typus 
noch  erhalten  und  auch  bei  äußerer  Betrachtung  mehr  oder  minder  deutlich  erkenn- 
bar (Fig.  186,  p.  185),  oder  es  geht  durch  Rückbildung  die  ganze  asymmetrische  An- 
ordnung verloren,  so  daß  auf  diesem  Umweg  larval  oder  postlarval  wieder  eine  sym- 
metrische Schwanzform  entsteht:  Gephyrocerkie  (Ryder  1885,  p.  91).  Leptocephalus 
behält  die  filamentöse  Schwanzform  und  wurde  u.  a.  auch  deshalb  schon  früh  als 
Fischlarve  bezeichnet  (J.  V.  Carus  1861). 

3)  Franz  Schmitt  1901,  mit  Referaten  über  die  übrige,  hierhin  gehörige 
Litteratur. 


174 


H.  Braus, 


CoRi  1896).  Bei  k  ompletter  Verdoppelung  (Fig.  181)  entwickeln  sich  je 
zwei  Anal-  und  hypochordale  Kaudalflossen  (auch  doppelte  Präanalsäume, 
die  aber  später  wieder  verschwinden),  bei  ink  omp  letter  Verdoppelung- 

nur  das  eine  oder  das  andere.  Wichtig  ist 
das  Ergebnis  der  ontogenetischen  Untersuchung 
dieser  Mißbildung  (Watase,  1.  c.  p.  259),  welches 
ergab,  daß  die  Säume  anfangs  nahe  beieinander 
liegen  und  bei  fortschreitender  Entwickelung' 
weiter  a  vi  seinander  rücken.  Denn  darin 
tritt  noch  die  Divergenz  zu  Tage,  welche  hier 
von  der  einheitlichen  Bildung  aus  durch  eine  Art 
S  p  a  1 1 II  n  g  zur  Verdoppelung  geführt  haben 
muß  im  Unterschied  zii  den  oben  bei  Salmoniden 
besprochenen  Verdoppelungen,  bei  welchen  aus 
getrennten     Doppelanlagen 


k  0  n  V  e  !•  g  i  e  • 


Fig.  181.    Embryo  eines  Schleierschwanzes  (13  mm  L 
mit  verdoppelten  ventralen  Unpaarflossen. 
/  huks     r  rechts 
Brustflosse     (   paarige 
Bauchflosse  J     Flossen 

j   im    normalen    Zu- 
'   "^""-^  •     unpaare 


Br 

Ba 
A  Analflosse 
C  hyi^ochordale  Kaudalflosse 


Pr  Präanalsaum 
Nach  S.  Watase. 


stand 


Flossen. 


rend  endlich  eine  unpaare  Bildung  durch  Konkrescenz  zu  stände 
kommen  kann.  Ferner  verdient  hervorgehoben  zu  werden,  daß  präanal 
die  Anlagen  verdoppelter  Unpaai-säume  verschwinden,  ehe  die  Bauch- 
flossen sich  bilden,  oder  daß  sie  in  inkompletter  Verdoppelung  (wie  ge- 
wöhnlich bei  Teleostiererabryonen)  gefunden  wurden  (Fig.  181).  Nie  sind 
sie  in  Verbindung  mit  den  Anlagen  der  paarigen  Exti'e- 
m  i  t  ä  t  e  n  1). 

Dipnoer-).  Die  unpaare  Saumflosse  (Fig.  12  und  14  I  6,  p.  44,. 
51)  dehnt  sich  bei  Embryonen  in  stattlicher  Entfaltung  vom  Kopf 
über    den    Rücken    bis    zur    Schwanzspitze    und,    ohne    irgend welche- 


1)  Manche  Forscher  erblicken  in  Monstrositäten  ähnlich  den  beschriebenen  Be- 
weise für  ihre  Annahme,  die  unpaaren  teäume  seien  einst  paarig  gewesen 
(üooDSiR,  Watase,  Eyder),  ja  es  ist  von  der  „unzweifelhaften  Beweiskraft"  jener 
gedoppelten,  normalerweise  unpaaren  Flossensäume  für  die  Hypothese  von  der 
serialen  Homologie  der  paarigen  und  uni^aaren  Extremitäten  (die 
von  GooPSiR,  HuMi'HRY,  DoHRN  u.  a.  vertreten  wird)  gesprochen  worden.  Es  er- 
scheint demgegenüber  die  vorsichtigere  Auffassung  CoRi's  (1896)  zutreffender,  welcher 
ausdrücklich  hervorhebt,  daß  er  die  Verdoppelungen  nicht  als  Rudimente  einer 
hypothetischen  Doppelfalte  ansehe ,  sondern  nur  als  Beweis,  daß  ein  theoretisch 
postulierter  Zustand  thatsächlich  vorkommen  könne.  Bedenkt  man  aber,  daß  in  der 
Entwickelung  der  Schleierschwänze  die  Doppelleisten  sich  voneinander  allmählich 
entfernen  (s.  o.)  und  daß  Verbindungen  mit  den  paarigen  Extremitätenanlagen  selbst 
dann  nicht  beobachtet  wurden,  wenn  die  verdoppelte  präanale  Partie  bis  in  die 
Gegend  der  Bauchflossen  hineinreichte  (Fig.  181),  so  liegt  kein  Grund  vor, 
aus  diesen  Monstrositäten  zu  schHeßen,  wie  es  jene  Autoren  thun,  daß  hier  Ueber- 
reste  einer  mit  den  paarigen  Flossen  einst  kontinuierlichen  Doppel- 
falte vorlägen,  aus  welcher  jene  durch  Beibehaltung  des  ursprünglich  paarigen  Cha- 
rakters, die  unpaaren  aber  durch  sekundäre  Konkrescenz  entstanden  seien.  Bei 
Salmoniden  verbietet  der  Ausgangspunkt  der  Extremitätendoppelung,  nämlich  die  Ver- 
doppelung des  ganzen  Tieres,  vollends  die  phylogenetische  Verwertung  der  hier  ge- 
wonnenen Beobachtungen  für  das  Gliedmaßenproblem. 

2)  Litteratur  vergl.  I  G,  p.  42  u.  f. 


Entw.  d.  Form  d.  Extremitäten  u.  d.  Extremitätenskeletts.  175 

Unterbrecliimg,  ventral  bis  auf  den  Dottersack  aus.  Es  verschwindet 
später  nur  der  Dorsalsaum  vom  Kopf  bis  gegen  die  Mitte  des  Rückens 
hin  und  die  präanale  Flosse.  Dagegen  verliert  die  ganze  übrige 
Partie  ihre  Kontinuität  nie:  die  primäre  diphycerke  Flossen- 
form  erhält  sich  unverkennbar  durchs  ganze  Leben^). 

DiePräanalflosse.  Bei  Teleostiern  hat  diese  Anlage  die  Deutuna: 
erfahren,  es  handle  sich  um  eine  rein  embryonale  Faltenbildung,  welche 
durch  Schwund  des  Dotters  im  Dottersack,  auf  welchen  sie  sich  freilich 
stets  hinaufzieht,  bedingt  sei  und  dem  Dottersack  einen  Kiel  liefere 
(P.  Mayer  1885,  p.  253).  Hält  man  sie  für  eine  bloße  Runzelfalte,  wie 
es  hier  geschieht,  so  wäre  sie  (bei  Teleostiern ,  Ganoiden,  Dipnoern) 
nicht  mit  der  bei  Amphioxus  vorkommenden  und  dort  allein  im  fertigen 
Zustand  erhaltenen  Präanalflosse  zu  homologisieren.  Es  ist  ja  in  der 
That  das  völlige  Fehlen  derselben  in  der  Entwickelung  von  Myxinoiden, 
Petromyzonten  und  Selachiern  dieser  Anschauung  günstig.  Andererseits 
ist  aber  im  Präanalsaum  von  Teleostierembryonen  die  Anlage  von  Skelett- 
teilen (Hornfäden,  Harrison,  1893)  beobachtet  worden.  Dies  wäre  bei 
der  Entstehung  einer  Runzelfalte  unverständlich  und  deutet  auf  einstige 
lokomotorische  Funktionen,  also  auf  die  Homologie  mit  dem  Zustand  bei 
Amphioxus  hin. 

Tetra 23 ode  Wirbeltiere.  Bei  diesen  vorkommende  Hautsäume 
werden  entweder  im  larvalen  Zustand  während  des  Wasserlebens  gebildet 
und  nachher  auf  dem  Lande  reduziert  (Amphibien),  oder  sie  erhalten 
sich  zeitlebens  (Reptilien).  Inwieweit  bei  allen  diesen  Bildungen  Homo- 
loga  der  unpaaren  Fischflossen  vorliegen  ist  zum  Teil  recht  unsicher. 
Jedenfalls  kommen  bei  fossilen  Reptilien  Flossen  vor,  welche  bei  Fischen 
fehlen,  da  hier  die  ursprüngliche  Schwanzspitze  durch  die  Entwickelung 
einer  epichordaleh  Flosse  ventralwärts  verdrängt  gefunden  wurde 
(Ichthyosaurus,  Fraas  1892,  Dollo  1892 ;  bei  Teleostiern  umgekehrt 
dorsal wärts  gerichtete  Verdrängung  durch  hypochordale  Flosse,  s.  o.  p.  173). 
Bei  Säugern  (Cetaceen)  ist  die  unpaare  Schwanzflosse  ebenfalls  eine 
Bildung  sui  generis.  Ich  verweise  wegen  der  zahlreichen  Details  auf 
die  vergl.-anat.  Litt. 

Ursachen  der  Entstehung  von  Einzelpinnae  aus  der 
ursprünglich  kontinuierlichen  Sa  um  flösse.  Der  Entwicke- 
lung der  äußeren  Form  nach  könnte  man  schließen,  daß  aas  dem  Indiffe- 
renzstadium gleichmäßiger  Entwickelung  infolge  zunächst  unbekannter 
Ursachen  bereits  vorhandene  Elemente  an  bestimmten  Stellen 
stärker  auswuchsen  (vergl.  Fig.  180)  und  dadurch  die  Gesamtarbeit  über- 
nahmen, so  daß  die  Zwischenstrecken  abortiei'ten.  Diese  Ansicht  vertritt 
Ryder  (1885).  Ich  glaube  aber,  daß  sich  hinter  den  äußerlich  sichtbaren 
Prozessen    noch    ein  tieferer  Grund  verbirgt,  nämlich  der  Neuerwerb, 


1)  Es  sei  hier  bereits  hervorgehoben,  daß  auf  Grund  theoretischer  Vorstellungen 
über  die  Entstehung  des  Skelettes  der  Unpaarflossen  überhaupt  von  verschiedenen 
Autoren  die  Annahme  gemacht  wurde,  es  sei  entweder  die  Unpaarflosse  der  Dipnoer 
in  toto  eine  heterogenetische  Biklung  gegenüber  den  Unpaarflossen  aller  übrigen 
Fische,  und  zwar  nach  Verlust  der  letzteren  als  völlige  Neubildung  entstanden 
(Thacher  1876,  p.  292),  oder  es  sei  die  Schwanzpartie  der  Dipnoerflosse  eine  durch- 
aus andere  Bildung  als  die  Kaudalflosse  aller  anderen  Fische  (Balfour  and  Parker, 
A.  L.  III  ^  1882,  p.  410,  Dean  1894,  Dollo  1895,  Traquair  1900).  Die  Ent- 
wickelungsgeschicnte  der  Dipnoer  jedoch,  welche  damals  noch  nicht  bekannt  war, 
hat  diesen  Ansichten  keinerlei  Stütze  verliehen.  Denn  die  primäre  Kontinuität  der 
einheitlichen  Flossenleiste  geht  ohne  jede  Regression  in  den  definitiven  Zustand  über 
(Kerr,  A.  L.  III '-,  1900,  p.  327j. 


176  H.  Braus, 

den  die  bleibenden  Tlossenpartieen  seitens  des  einsjDrossenden  inneren 
Skeletes  (Knorpelstäbe  und  -platten,  s.  Skelett)  und  der  daraus  entsprin- 
genden starren  Verbindung  ihrer  Basis  mit  dem  Körper  des  Fisches 
erfahren.  Wenigstens  entwickeln  sich  da,  wo  solche  starren  Stützen 
wirklich  in  der  freien  Flosse  gebildet  werden  (Selachier,  Knorpel- 
ganoiden)  immer  kleine  separate  Pinnae,  während  bei  geschmeidigen 
Skelettfäden  (Myxinoiden,  Petromyzonten,  Weichstrahler  unter  den  Tele- 
ostiern)  oder  bei  in  besonderen  Gelenken  beweglichen  Knochenstützen 
(Außen strahlen  vieler  Teleostier,  s.  Skelett)  einheitlichere  Flossensäume 
sich  erhalten  haben  oder  aufs  neue  formieren.  Da  wir  durch  Strasser's 
Untersuchungen  (1882)  die  Bedeutung  der  undulierenden  Bewegungen 
des  Körpers  für  die  Lokomotion  kennen,  so  ist  es  begreiflich,  daß  die 
Flossenstützen,  welche  (wohl  infolge  des  Wassergegendruckes)  nach 
hinten  wie  die  Schilfsmaste  schräg  gestellt  sind,  bei  Entfaltung  über  weite 
Strecken  des  Unpaarsaumes  eine  Beschränkung  der  Lokomotion  her- 
vorbringen würden  i),  obgleich  sie  auf  der  anderen  Seite  durch  ihre 
Festigkeit  dieselbe  begünstigen.  Wir  sehen  deshalb  die  Pinnae,  je  höher 
das  Innenskelett  in  die  Flosse  hinein  entfaltet  und  je  fester  die  Ver- 
bindung mit  der  Wirbelsäule  entwickelt  ist,  um  so  mehr  in  ihrer  lon- 
gitadinalen  Ausdehnung  reduziert  und  auf  Köri3erstellen  topographisch 
beschränkt,  welche  relativ  unbeweglich  sind  (Unterdrückungen  bestehender 
Flossen,  Verschiebungen  von  Pinnae  etc.  sind  jedenfalls  durch  derartige 
mechanische  Momente  beeinflußt). 

4)  Ausgestaltung  d  e  r  E  i  u  z  e  1  f  1  o  s  s  e  ii.  Sind  einmal  einzelne 
Pinnae  entstanden,  so  kann  sich  jede  derselben",  entsprechend  den 
Specialaufgaben  ihrer  Lokalisation.  in  besonderer  Richtung  entwickeln. 
Doch  sind  dies  alles  späte  Ausgestaltungen  der  äußeren  Form,  die  in 
hohem  Grade  von  den  Skelettverhältnissen  abhängig  sind.  Ich  ver- 
weise deshalb  auf  das  folgende  Kapitel  2). 

II.  Die  Stützelemente  der  unpaaren  Flossen. 

Aus  dem  Mesoderm  der  Flossenanlagen   können   sich  entwickeln 

1)  median  liegende,  u  n  p  a  a  r  e  knorpelige  (oder  später  ver- 
knöchernde) Skelettteile:  Iiineiistrahlen  (und  deren  Derivate), 

2)  in  beiden  Antimeren  entstehende,  mehr  der  Peripherie 
der  Flosse  entstammende,  also  paarige  Skelettteile:  Außeii- 
strahleii  (oder  Hautstrahlen  und  deren  Differenzierungen). 

Da  die  Außenstrahlen  in  einer  ihrer  Formen  (Hornfäden)  sich 
früher  als  die  knorpeligen  Innenstrahleu  anlegen,  auch  bei  fossilen 
Pleuracaiithiden  (denen  ein  Innenskelett  in  der  freien  Flosse  noch 
fehlt)  bei'eits  reich  entwickelt  waren,  so  sind  sie  wahrscheinlich  die 
phyletisch  älteren  Stützelemente  ^).     Ich  stelle  sie  deshalb  voran. 


1)  Strassee  sah  beispielsweise  beim  lebenden  Karpfen,  daß  die  starren,  aber 
im  Gelenk  beweglichen  Knochenstrahlen  der  Flosse  niedergelegt  wurden,  um 
Auswärtsbiegungen  zu  ermöglichen.  —  Die  Schrägstellung  der  starren,  nicht  ge- 
lenkig befestigten  Knorpelstützen  ist  deshalb  hinderlich,  weil  die  Achsen  dieser  Stäbe 
die  senkrechte  Bewegungsachse  bei  undulierender  Lokomotion  überschneiden. 

2)  Die  meisten  Details  fallen  hier  der  beschreibenden  Litteratur  der  äußeren 
Körperform  fertiger  Tiere  zu. 

3)  Fraglich  ist  hier  die  Stellung  der  Myxinoiden  und  Petromyzonten  mit  ihren 
ungewöhnlich  ausgedehnten  unpaaren  Flossenstützen  (aus  Knorpel  von  allerdings 
eigenartiger  Beschaffenheit),  da  sich  bei  diesen  Klassen  Außenstrahlen  nicht  anlegen. 


Entw.  d.  Form  d.  Extremitäten  u.  d.  Extremitätenskeletts.  177 

1 .  D  i  e  E  11 1  w  i  c  k  e  1  u  n  g  d  e  r  A  u  ß  e  n  s  t  r  a  h  1  e  u  i)  (H a  u  t  s  t  r  a li  1  e  ii ). 

Dieselben  kommen  bei  Selachiern,  Ganoiden,  Teleostieru  und 
Dipnoern  zur  Anlage  und  zwar  in  zweierlei  Form:  a)  Hornfäden 
(Actinotrichia),  b)  Hautknochenstralilen '-).  Die  ersteren  finden 
sich  bei  allen  erwähnten  Fischen,  die  letzteren  fehlen  den  Selachiern 
und  Dipnoern  noch  völlig. 

a)  Hornfäden.  Das  Detail  ihrer  Entwickelung  ist  am  ge- 
nauesten bei  Teleostieru  studiert  worden  (Harrison  1893).  Sie  ent- 
stehen aus  Körnchen,  welche  sich  in  Fortsätzen  von  Mesoderm- 
z eilen  3)  entwickeln  und  anfänglich  im  ganzen  Innern  des  Flossen- 
saumes verteilt  sind.  An  der  Oberfläche  des  letzteren  ordnen  sich 
dann  mit  Körnchen  beladene  Zellfortsätze  ungefähr  der  Lage  der 
späteren  Hornfäden  entsprechend  an;  die  Körnchen  in  diesen  ver- 
schmelzen. Damit  ist  die  Zahl  der  sich  entwickelnden  Elemente 
wie  es  scheint,  definitiv  bestimmt.  Die  schließliche  Ausgestaltung  der 
Einzelfäden  vollzieht  sich  durch  Anlagerung  neuer  Körnchen,  welche 
von  besonderen,  den  jungen  Hornstrahlen  sich  anschmiegenden  Me- 
sodermzellen  (Pterygoblasten,  Ryder)  geliefert  werden. 

Selachier^).  Die  Hornfäden  bilden  sich  bei  ihnen  zunächst  in 
einlacher  Schicht  und  an  verschiedenen  Lokalitäten  in  verschiedener 
Stärke  (vergl.  Eig.  186  p.  185),  später  auch  vielfach  in  mehreren  Schichten 
und  gewinnen  konzentrisch  geschichteten  Bau.  Mesodermzellen  liegen 
ihnen  in  Form  einer  epithelartigen  Scheide  an  und  bilden  die  einzige 
für  sie  nachgewiesene  Matrix.  Die  ursprüngliche  Aufgabe  und  Beziehung 
der  Hornfäden  äußert  sich  noch  darin,  daß  die  Muskulatur  bei  ihrer  Ent- 
wickelung ausschließlich  an  ihnen  Insertionen  gewinnt  (mit  Ausnahme 
der  hvpochordalen  Caudalflosse,  von  welcher  P.  Mayer  angiebt,  es  seien 
nur  Anheftungen  am  Innenskelett  vorhanden)  ^). 

Teleostier.  Am  zahlreichsten  sind  bei  ihnen  die  Hornfäden  in 
der  Fettflosse  vertreten,  wo  sie  seit  langem  bekannt  sind  und  zeitlebens 
bestehen  bleiben  (Vogt  1842).  Jedoch  sind  neuerdings  embryologisch 
als  transitorische  Gebilde  auch  in  allen  übrigen  Flossen  und  selbst  in 
den  abortiven  Zwischenstrecken  Hornfäden  gefunden  worden  (R.  G.  Har- 
rison II*,  p.  457,  1893).  Sie  bilden  sich  in  der  Reihenfolge,  in  welcher 
das  Mesoderm  zeitlich  in  die  Flossenanlagen  einwandert  (p.   172). 

b)  Hautknochen  strahlen.  Sie  entstehen  bei  Teleostieru") 
in   denselben  Flossen    [mit  Ausnahme   der   Fettfiosse  ^)],   in    welchen 


1)  Vergl.  II  \  p.  368. 

2)  Flossenstrahlen,  Flossenradien  d.  Autoren. 

3)  Aeltere  und  neuere  Angaben,  welche  die  Entwickelung  von  Hornfäden  aus 
Ektodermzellen  behaupten,  haben  sich  nicht  bestätigen  lassen. 

4)  Litteratur  bei  O.  Hertwig  (II'',  p.  457)  1876,  Schneider  1879,  Rabl  1892 
u.  s.  w. 

5)  Bei  ausgewachsenen  Rochen  sind  Hornfäden  nur  auf  einen  ganz  schmalen 
Saum  der  Flossen  beschränkt.  Ob  sie  entwickelungsgeschichtlich  stärker  entwickelt 
sind,  ist  noch  unbekannt.  Auch  bei  G an  oi den  flössen  sind  die  Hornfäden  reduziert, 
indem  zwischen  den  je  einem  Innenradius  entsprechenden  Gruppen  Lücken  bestehen, 
in  welchen  Hornfäden  fehlen. 

6)  Da  die  Hautknochenstrahlen  bereits  in  einem  früheren  Kapitel  besprochen 
wurden,  sei  hier  nur  das  Notwendigste  erwähnt,  um  die  Beziehung  zu  den  Horn- 
fäden und  zum  Innenskelett  klarzustellen.     Litteratur  s.  II'  p.  368,  3(59. 

7)  Die  Fettflosse  ist  nur  von  Hornfäden  gestützt  und  repräsentiert  infolge- 
dessen einen  primitiven  Zustand.  Sie  findet  sich  auch  nur  bei  manchen,  der  Wurzel 
des  Teleostierstamraes  nahestehenden  Physostoinenfamilien. 

Handbuch  dvT  Entwickelungslehre.  III.  2.  12 


178 


H.  Braus, 


bereits  Hornfäden  augelegt  sind.  Aber  auch  sie  folgen  zeitlich  dem 
Etappeugaug,  welcher  vom  Flossenmesoderm  überhaupt  und  deu  ihnen 
vorangehenden  Hornfäden  (s.  o.)  eingehalten  wird.  Besondere  Osteo- 
blasten, welche  sich  aus  den  Mesodermzellen  an  der  Grenze  gegen 
das  Ektoderm  hin  sondern,  erzeugen  die  Strahlen.  Charakteristisch 
ist  ein  Zwischenstadium,  in  welchem  die  Osteoblasten  durch  den  von 
ihnen  geleiteten  Ossifikationsprozeß  in  kleine  Plättcheu  umgeluldet 
werden,  die  später  zu  den  Strahlen  verschmelzen  (s.  II  ^  p.  369).  Sie 
entstehen  also  von  vornherein  an  denselben  Lokalitäten  wie  die  Horn- 
fäden. Letztere  werden  von  der  Oberfläche  der  Flossen  durch  die 
sich    entwickelnden    Hautknochenstrahlen    abgedrängt,    geraten    aber 

manchmal  noch,  wie  Ryder  zuerst  sah. 
z  in   d a s  I n n e r e  d e r    K n o c h e n  h i n - 

ein.  Dies  findet  (zwar  nicht  regelmäßig 
und  in  sehr  wechselnder  Lokalisation)  an 
der  Basis  der  Flossen  statt :  in  den 
peripheren  Flossenteilen  entwickelt  sich 
der  Knochen  so  spät,  daß  durch  die  ein- 
leitenden Prozesse  bereits  die  Hornfäden 
in  das  Innere  der  Pinnae  verlagert  sind 
und  ein  Einschluß  nie  beobachtet  werden 
konnte. 


A.Str 


,  '-A.Str 


-  M 


Beziehungen  d  e  i'  H  a  u  t  k  n  o  c  h  e  n  - 
strahlen  zu  den  Inn  en  s  t  r  ahl  e  n. 
Beide  Gebilde  stimmen  bei  Teleostiern  in 
ihrer  Zahl  überein,  falls  nicht  Innenstrahlen 
rückgebildet  sind.  Im  letzteren  Fall  ( nament- 

Fig.  182.  Verbindung  zweier  antimerer  Außen- 
strahlen [A.Str.)  mit  einem  Innenstrahl.  Dorsal- 
ilosse  Pleuronectes  (Längsschnitt).  Ax  basales,  Bs 
terminales  Segment  des  Innenstrahls.  Kn  Knorpel- 
belag der  Gelenkflächen  an  den  Gliedern  des 
Innenstrahls.  L  Ligament,  welches  die  beiden 
Außenstrahlen  zu  einer  mechanischen  Einheit  ver- 
bindet. L'  Ligamente,  welche  den  Innenstrahl 
mit  den  Außenstrahlen  verbinden.  L"  Ligamente, 
welche  den  Innenstrahl  an  der  Haut  befestigen. 
31  Musculusabductor.     (Nach  Cole  and   Johx- 

STONE.) 


lieh  an  den  Rändern  der  Flossen)  können  dann  einzelne  Außenstrahlen 
überschießen.  Im  übrigen  aber  bilden  sich  enge  Beziehungen  zwischen 
je  zwei  antimeren  Hautknochenstrahlen  aus,  so  daß  diese  wie  ein  Strahl 
funktionieren,  und  ferner  Beziehungen  zwischen  je  einem  solchen  dem 
Hautskelett  entstammenden  Komplex  und  einem  Innenstrahl,  wie  dies 
Fig.  182  veranschaulicht  1).  Letzterer  verdient  jetzt  den  oft  gebrauchten 
Namen  Flossenstrahlträger. 


1)  Beim  fertigen  Tier  existieren  höchst  komplizierte  Ausgestaltungen  dieses  aus 
heterogenetischen  Elementen  zusammengesetzten,  aber  mechanisch  einheitlich  wirken- 
den Apparates.  Die  Flossenstrahlen  artikulieren  meist  gelenkig  auf  dem  Flossen- 
strahlträger, besondere  Sperrvorrichtungen  können  vorhanden  sein  und  die  höhere 
Differenzierung  endet  in  Weich-  oder  Stachel  Strahlbildungen.  Auch  kommen 
Verschiebungen  der  Außenstrahlen  auf  andere  Innenstrahlen  oder  fiedrige  Kom- 
binationen zu  Stande. 


Entw.   d.   Form  d.   Extremitäten  u.  d.  Extremitätenskeletts.  179 

Beziehungen  der  H  a  u  t  k  n  o  c  li  e  n  s  t  r  a  h  1  e  n  zu  den  H  o  i-  n  - 
fäden.  Es  ist  eine  oft  behandelte  Frage,  in  welchen  genetischen  Be- 
ziehungen diese  beiden  Gebilde  zu  einander  stehen.  Viele  Autoren  leiten 
die  Hautknoclienstrahlen  von  den  Hornfäden  ab  (Bruch  1862,  Lotz  II* 
p.  459,  18621),  SwiRSKi  1880,  Balfour  and  Parker  A.  L.  III  ^^  1882, 
Ryder  1886),  andere  halten  beide  für  voneinander  unabhängige  Bil- 
dungen   (GrEGENBAUR    1865,    LA    VALETTE    1880,    R.  G.  HarRISOX    II  *    1893, 

p.   457).     Dazu  bemerke  ich  Folgendes. 

Da  die  Hautknochenstrahlen  sich,  wie  oben  gezeigt  wurde,  zu  einer 
höheren  Modifikation  der  dermalen  Skelettteile  dadurch  entwickeln,  daß 
sich  etwa  wie  beim  Schädel  enge  Beziehungen  und  schließlich  feste 
Wechselwirkungen  zwischen  Bestandteilen  des  Innen-  und  Außenskelettes 
anbahnen,  so  unterscheiden  sie  sich  von  den  Hornfäden,  bei  welchen 
derartiges  nicht  entsteht,  wesentlich  durch  die  topographische  und  nume- 
rische Uebereinstimmung  mit  den  Innenstrahlen.  Sollten  sich  solche  Ein- 
richtungen aus  gleichmäßig  unter  sich  angeordneten,  aber  zu  den  Innen- 
radien in  keinem  festen  numerischen  Verhältnis  stehenden  Gebilden  wie 
den  Hornfäden  (Fig.  186  p.  185)  entwickelt  haben,  wie  es  die  eine  der 
beiden  Hypothesen  verlangt,  so  wäre  zu  erwarten,  daß  diejenigen  Horn- 
fäden, welche  gerade  günstig  für  den  Anschluß  an  die  Innenradien 
situiert  sind,  weiter  entwickelt,  die  übrigen  aber  zurückgebildet  werden. 
Beides  ist  aber,  wie  mir  scheint,  in  der  Teleostierentwickelung  nach- 
gewiesen. Denn  an  der  Basis  der  Flosse  sind  häufig  mehrere  Hornfäden 
von  einem  Knochenstrahl  hülsenartig  umschlossen  (s.  o.).  Sie  stellen 
meines  Erachtens  die  durch  ihre  günstige  Lage  zur  Ausgestaltung  höherer 
Einheiten  auserwählten  Elemente  dar,  auf  welche  sich  nun  der  Knochen 
ablagert  etwa  wie  ein  dermaler  Schädelknochen  um  eine  Spange  des 
Primordialcranium  2).  Die  nicht  qualifizierten  Hornfäden  aber  gelangen 
in  das  Innere  der  Flossen  hinein  und  verschwinden  hier  (s.  o.).  Die 
Hautknochenstrahlen  sind  also  wohl  höhere  Einheiten  als  die  Hornfäden 
und  von  verschiedenartigem  mesodermalen  Material  gegenübei' 
ihnen  gebildet,  aber  deshalb  doch  nicht  als  etwas  völlig  Neues  ent- 
standen zu  denken. 


2.  Die  E  n  t  w  i  c  k  e  1  u  n  g  der  I  n  n  e  n  s  t  r  a  h  1  e  n  der  P  i  n  n  a  e. 

a)  Die  frühesten  Eiitwickeluiigsstadieii. 

Die  unpaaren  Skelettstäbe  oder  deren  Derivate,  welche  sich  in  der 
Medianebene  der  Pinnae  entwickeln,  bieten  gerade  in  den  frühesten 
Stadien  ihres  Entstehens  ein  sehr  wechselvolles  Bihl,  sei  es  daß  man 
verschiedene  Familien  der  Fische  embryologiscli  miteinander  vergleicht, 
sei  es  daß  man  die  verschiedenen  Pinnae  desselben  Embryo  für  sich 
betrachtet.  Es  empfiehlt  sich  deshalb,  die  Entwickelungsvorgänge  in 
bestimmte  Gruppen  zu  sondern. 


1)  Nicht  18ß'2  erschienen,  wie  1.  c.  angegeben,  sondern  1864. 

2)  Gerade  so  wenig  wie  beim  Schädel  (um  bei  diesem  zwar  in  den  genetischen 
Bedingungen  sehr  verschiedenen,  aber  anschaulichen  Beispiel  zu  bleiben)  die  knor- 
pehge  Grundlage  innerhalb  eines  jeden  Deckknochens  gefunden  zu  werden  braucht, 
ebensowenig  ist  es  nötig,  daß  in  allen  Hautknochenstrahlen  Hornfäden  angelegt 
sind,  denn  die  letzteren  sind  ja  ohnedies  bei  Teleostiern  in  voller  Reduktion. 

12* 


180 


H.  Braus, 


a)  \^  0  u  (l  e  n  A  c  li  s  e  n  g  e  b  i  1  d  e  n  räumlich  g  e  t  r  e  u  u  t  e  A  n  1  a  g  e  ii 
(D  0  r  s  a  1  e  s .  A  n  a  1  i  s ,  e  p  i  c  h  o  r  d  a  1  e  C  a  u  d  a  1  i  s  b  e  i  S  e  1  a  c  h  i  e  r  n  . 

Ganoiden,   Teleos  tiern). 

Selachier^).  In  den  Dorsalflossen  ordnet  sich  bei  diesen 
das  Mesoderni  so  au ,  daß  sich  eine  kontinuierliche  Masse 
dichtgedrängter  Zellen  von  der  ersten  Stelle  des  Auftretens  in 
der  Nälie  des  Rückenmarkes  an  (Fig.  ITHb,  p.  169)  bis  an  die  oberste 
Kante  der  Flosse  mit  deren  allmählichem  Emporwachsen  ausdehnt 
(Fig.  183,  Fig.  185,  p.  183).    Dieses  dichtgedrängte  zelleureiche  Mesen- 

E' 


-> 


i.,n .  I  [  n .  1 1 1 u.mimJ  1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1  "^^ 


snrcniEniiiinn: 


/■; 


— ^rrmmz 


C 


Plg.  183.  Mesoderraverdichtung  in  der  ersten  Dorsalis  von  Spinax  niger  (20,5  mm  L.> 
Sagittalschnitt.  Der  Pfeil  zeigt  kranialwärts.  E  gewöhnliches  Ektoderm  der  Haut. 
E'  Rest  des  provisorischen  Ektoderm  säum  es,  etwas  von  der  Unterlage  abgehoben. 
m  Mesoderraverdichtung.  R  Rückenmark  mit  sagittal  angeschnittenem  Medullarkanal 
C  (vergl.  Fig.  184  C).   (Original. 1 


chym  ist  aber  von  der  Medulla  deutlich  getrennt,  und  Züge  embryonalen 
Bindegewebes  schließen,  wie  auf  Querschnitten  deutlich  ist  (Spinax), 
das  Innere  der  Flosse  gleichsam  gegen  die  Achsengebilde  zu  ab,  indem 
sie  von  der  einen  Seite  bogenförmig  zur  anderen  verlaufen.  Aus  dem 
dichten  Mesenchym  sondert  sich  später  das  Innenskelett  der  Flosse, 
indem  bei  solchen  Formen,  wie  den  Scylliiden,  bei  welchen  auch  im 
fertigen  Zustand  getrennte  Knorpelstäbe  dasselbe  zusammensetzen, 
separate  vorknorpelige  Streifen  auftreten.  Diese  verwandeln  sich  bald 
in  Knorpel,  und  nachträglich  gliedert  sich  ein  jeder  der  anfänglich 
einheitlichen  Knorpelstäbe  in  3  Abschnitte  (basales,  intermediäres, 
terminales  Segment).  Bei  den  vordersten  und  hintersten  Strahlen 
einer  Flosse  können  sich  weniger  Segmente  abtrennen.  Die  Gliederung 
der  Radien  ist  also  etwas  Sekundäres. 

Bei  Flossen,  welche  im  ausgebildeten  Zustand  keine  isolierten 
Innenradien,  sondern  statt  derselben  einheitliche  Knorpelplatten  be- 
sitzen, läßt  sich  vortreftlich  die  Reihenfolge  der  Differenzierung  beob- 
achten. Es  legen  sich,  wie  ich  bei  Spinax  finde,  die  Platten  als  solche 
an  2j    und   zwar   kommt   im   ersten  Stadium  in  der  einheitlichen  \o\'- 


1)  Für  Scylliiden  (Pristiurus,  Scyllium)  besitzen  wir  gute  Untersuchungen  von 
Balfoue  (A.  L.  III'',  1878,  1881),  Dohen  (A.  L.  III-')  und  P.  Mayee  (1885).  Ich 
folge  ihnen  in  den  Angaben  über  die  Entwickelung  dieser  Formen.  Bei  anderen 
Familien  fehlen  Beobachtungen  so  gut  wie  ganz.  Ich  suchte  diese  Lücke  durch 
eigene  Beobachtungen  an  Embryonen  von  Spinax  niger  Bonap.  auszufüllen  (Braus 
1904). 

2)  Die  zahlreichen  von  Thachee,  Mivaet,  Haswell  u.  a.  abgebildeten  Skelette 


Entw.'d.  Form  d.  Extremitäten  u.  d.  Extremitätenskeletts. 


181 


kuorpelanlage  des  Skelettes  die  basale  Platte  mit  der  Basis  des  Pulpa- 
knorpels  zum  Vorschein,  dann  bildet  sich  im  zweiten  Stadium  distal 
von  dieser  eine  zweite  Skelettplatte  aus,  und  im  letzten  Stadium 
entstehen  erst  die  den  Radien  anderer  Selachierpinnae  entsprechenden 
Knorjjelfortsätze  am  oberen  Rand  des  distalen  Basale,  von  Avelcheu 
nur  der  vorderste  und  in  geringerem  Maß  der  zweite  ausgesprochene 
Formen  annehmen  (auch  bei  der  fertigen  Flosse  sind  nicht  mehr  ent- 
wickelt). Das  zweite  Stadium  ist  in  Fig.  184  abgebildet. 
Unabhängig  von  dieser  bezüglich 


der  Richtung  zum  Achsenskelett 


axifugalen'j    Entwickelungsrichtung    kommt    in    späteren    Stadien 


bd 


Rf      22^ 


Rm  -  _ 


Ch 

V  G  Rp  A  W  K 

Fig.  184.  1.  Dorsalflosse  und  Wirbelsäule  eines  Spinax  niger  (ca.  30  mm  L.). 
Rekonstruktion  (nach  Kastschenko).  Vorknorpel  in  dunkelgraueni  Ton ;  Knorpel 
hell  und  punktiert,  b  proximales  Basale,  bd  distales  Basale.  P  Pulpaknorpel. 
Ä'  u.  Ä?  Vorknorpelanlagen  der  Radien,  m  Konturen  der  Musculi  radiales.  Rm 
Rückenmark  mit  C  (MeduUarkanal).  Ch  Chorda.  V  einheitliche  Vorknorpelanlage 
der  Wirbelsäule,  die  den  oberen  Rand  des  Rückenmarkes  noch  nicht  ganz  erreicht 
hat.  Rp  Rippenanlagen  mit  K  Knorpel.  W  Knorpelanlagen  der  Wirbel  (die  hinteren 
nur  teilweise  gezeichnet).  Ganglien  {G)  mit  hinteren  und  vorderen  Nerven  wurzeln, 
Austrittspforten  der  Nerven,  Arterie  {Ä)  sind  stellenweise  ganz  oder  partiell  einge- 
tragen.    Der  Pfeil  zeigt  kranialwärts.     (Original.) 


ausgebildeter  Pinnae  lassen  wohl  keinen  Zweifel,  daß  die  breiten  Basalplatten,  die 
an  Stelle  der  parallelen  Stäbe  bei  Selachiern  vorkommen  inid  durch  eine  große  Fülle 
von  Uebergangsformen  von  letzteren  abgeleitet  werden  können,  aus  ihnen  durch 
Konkreszenz  entstanden  sind.  Auch  die  fossilen  Xenacanthiden  besitzen  völlig  ge- 
trennte, pallisadenartig  aufgestellte  Innenradien,  die  bis  an  die  Basis  der  Flosse 
heranreichen.  Bei  Spinax  kommt,  soweit  meine  Beobachtungen  reichen,  diese  Kon- 
krescenz  embryologisch  in  nichts  mehr  zum  Ausdruck.  Doch  ist  dieselbe  hier  be- 
sonders hochgradig.  An  hierfür  günstigeren  Objekten  würde  sie  sich  vielleicht 
in  statu  nascendi  demonstrieren  lassen.  —  Auch  legen  sich  bei  Spinax  die  Quer- 
glieder ursprünglicher  Strahlen,  die  Basalplatten,  von  vornherein  als  Knorpel  getrennt 
an,  während  bei  Scylliiden  nach  Mayer  (s.  o.)  erst  sekundäre  Segmentierung  der 
Radien  eintritt. 

1)  P.  Mayer  hat  allerdings  angegeben,  bei  Scyllüden  erfolge  die  Anlage  von 
vornherein  centripetal.  Jedoch  vermisse  ich  völlig  eine  genauere  Beschreibung 
oder  Abbildung  nach  diesbezüglichen  Beobachtungen,  so  daß  ich  mich  hier  auf  das 
genau  untersuchte  und  wegen  der  getrennten  Anlage  der  Querglieder  hierfür  sehr 
günstige  Objekt  (Spinax)  stütze. 


182  H.  Braus. 

allerdings  auch  eine  geringe  a  x  i  p  e  t  a  1  gerichtete  Differenzierung 
vor.  Es  rückt  dann  die  proximale  Basalplatte  nicht  nur  mit  ihrem 
vorderen,  den  Pulpaknorpel  und  auf  diesem  den  spitzen,  starken 
Stachel  tragenden  Teil  an  das  Knorpelskelett  der  Achse  heran,  sondern 
auch  die  kaudale  Partie  des  proximalen  Basale,  welche  schräg  dorsal- 
wärts  von  der  Anlage  des  Achsenskelettes  abstand  (Fig.  184,  übrigens 
auch  schon  in  Fig.  18.')  erkennbar),  senkt  sich  und  befestigt  sich  mit  einer 
gabelförmigen  Verbreiterung  auf  den  Calar-  und  Intercalarknorpeln  dei' 
Wirbelsäule.  Zu  einer  direkten  Verwachsung  kommt  es  jedoch  nicht 
und,  wie  es  scheint,  nirgends  bei  Squaliden  (wohl  ist  bei  der  ersten 
Dorsalis  von  Holocephalen  und  bei  einzelnen  Rochen,  z.  B.  Pristis,  ein 
solcher  Zusammenhang  vorhanden). 

Die  Anlagen  der  Innenradien  (oder  der  von  ihnen  übrigen  Reste, 
nämlich  die  Fortsätze  des  distalen  Basale,  Fig.  184)  stehen  von  Anfang 
an  in  keiner  numerischen  Korrespondenz  m i t  de n  K n  o r - 
p  e  1  a  n  1  a  g  e  n  der  Wirbel  im  Achsenskelett.  Bei  ausgebildeten 
Tieren  ist  der  Zustand  meist  so,  daß  einem  Körpersegment  (reprä- 
sentiert durch  einen  Voll-  oder  zwei  Halbwirbel,  ein  Myotom  und 
einen  Spinalnerven)  durchschnittlich  ein  Innenradius  ganz  und  der 
Bruchteil  eines  zweiten  entspricht^). 

Der  Anschluß  des  Plossenskelettes  an  die  knorpelige 
Wirbelsäule  in  den  Dorsalflossen  von  Spinax  ist  also  der  Entwicke- 
lung  nach  ein  sekundärer  Prozeß  ^).  Es  kommt  dies  auch  in  der  histio- 
genetischen  und  topographischen  Entwickelung  zum  Ausdruck.  Denn  im 
Skelett  der  Elosse  ist  immer  die  Differenzierung  derjenigen  der  Wirbel- 
säule des  entsprechenden  Körperabschnittes  ein  wenig  voraus  (P.  Mayer) 
und  bei  Spinax  im  zweiten  Stadium  z.  B.  die  Vorknorpelanlage  noch 
nicht  bis  zur  oberen  Kante  der  MeduUa  und  der  Knorpel  wenig  über 
die  ventralen  Nervenlöcher  vorgedrungen,  während  Vorknorpel  und  Knorpel 
in  der  Flosse  selbst  schon  weit  gediehen  sind  (Fig.  184).  Man  wird  also 
die  Verbindung  der  Skelettelemente  der  Dorsalflossen  bei  Haien  mit  der 
Wirbelsäule  nicht  als  Zeugen  „für  ihre  vertebrale  Abstammung"  (Geuek- 
BAUR   1898)  verwenden  können. 

Innenradien  und  Muskeln.  Die  Muskulatur  der  Dorsalflossen 
legt  sich  metamer  in  Form  von  Knospen  an  (P.  Mayer).  Dieselben 
gleichen  den  Extremitätenknospen  der  Pter3^gien,  sind  aber  in  sen'aler 
Beziehung  von  ihnen  sehr  verschieden,  da  bei  den  Pinnae  in  einer 
Körperhälfte  auf  jedes  Segment  4  (oder  3)  3),  bei  den  Pterygien  auf  jedes 


1)  Bei  Carchariiden  sogar  2,5,  bei  Sphyrna  (Analflosse)  3,5  Radien  pro  Metamer 
(Thacher  1876,  p.  285^. 

2)  Es  entspricht  dem  die  Thatsache.  daß  nur  mit  starken  Basalplatten  ver- 
sehene, also  sekundär  sehr  veränderte  Flossenskeiette  (vergl.  p.  180,  Anm.  2)  m  Ver- 
bindung mit  dem  Achsenskelett  treten  (bei  Spinaciden,  Rhinlden,  Pristiden,  Pristio- 
phoriden),  während  diejenigen  Flossen,  welche  freie  oder  gering  gradig  verschmolzene 
Innenstrahlen  besitzen,  auch  größere  Abstände  zwischen  Achsen-  und  Eigenskelett 
aufweisen.  Der  sekundäre  Zusammenschluß  steht  gewiß  in  naher  Beziehung  zur 
Funktion,  da  in  diesen  Fällen  die  Flosse  entweder  zur  Waffe  mit  benutzt  wird 
(Stachelstrahl)  und  deshalb  einen  Haltpunkt  sucht  oder  vielleicht  zur  Balancierung 
des  Körpers  besonderer  Einrichtungen  bedarf  (bei  Anwendung  des  Rostrums  als  Säge) 
u.  dergl.  m. 

3)  Nach  F.  Mayer  produziert  anfangs  jedes  Myotom  2  Knospen  (Fig.  185),  und 
diese  teilen  sich  später  wieder  je  in  2  Tochterknospen.  Dieser  Vorgang  ist  aber 
durchaus  nicht  gleich  der  Teilung  der  Primärknospen  bei  den  Pterygia  in  Sekundär- 
knospen (DoHRN),  da  letztere  zu  je  zweien  verschiedenen  Seiten  der  Flosse  (der 
Streck-  und  Beuge seite)  zufallen.     Bei  den  Pinnae  bleiben  alle  4  Knospen  auf 


Entw.  d.  Form  d.  Extremitäten  u.  d.  Extremitätenskeletts.        18IJ 

2  Knospen  kommen.  Bei  Spinax  sehe  ich,  daß  die  metameren  Muskel- 
anlagen sich,  sobald  sie  in  die  Flosse  eingedrungen  sind,  sofort  durch 
Anastomosen  zu  dysmetameren  Muskelbündeln  verbinden  (Musculi  radiales 
der  Pinnae).  Gleichzeitig  bilden  die  Flossennerven  Geflechte  und  folgen 
darin  den  Umlagerungsprozessen  des  meta- 
meren Materials  in  den  Muskelanlagen.  Alles  '"[  >"-^ 
dies  geschieht,  bevor  die  peripheren  Radien- 
rudimente sichtbar  werden,   und  ohne  topo- 


Fig.  185.  2.  Dorsalis  eines  Pristiurusembryo.  m 
Mesoderm Verdichtung,  k  Ursegmente,  von  welchen 
sich  Muskelknospen  teils  gerade  ablösen,  teils  abge- 
löst sind.     Nach  P.  Mayer.  tf 

graphische  Beziehung  zu  diesen  (Fig.  184).  Die  ihrer  Genese  nach 
metameren  Muskeln  und  Nerven  sind  also  außer  jeder  Beziehung  zu  der 
am  Skelett  vorhandenen  Segmentierung  in  Radien,  ebenso  wie  letztere 
der  Beziehung  zur  Metamerie  der  Wirbelsäule  entbehrt  (s.  o.). 

Bei  der  epichordaleu  Schwanztiosse  sowie  bei  der  Analis  ist  die 
Bildung  der  Innenstralileu  ganz  gleich  der  bei  Dorsalflossen  (Scylliiden). 

Ganoiden.  In  den  Dorsalflossen,  in  der  epichordalen  Caudalis 
nnd  Analis  treten  wie  bei  Selachiern  die  Anlagen  der  Strahlen  ge- 
trennt von  der  Wirbelsäule  auf  (Lepidosteus,  Acipenser,  Calamoichthys ; 
Balfour  and  Parker  A.  L.  III 5,  1882;  ebenso  bei  Polypteruslarven, 
BUDGETT  190,3)  i). 

Teleostier  2).  Bei  Salmoniden  entstehen  die  Innenstralileu 
{auch  Flossenstrahlträger,  s.  p.  178,  oder  Interspinalia,  s.  Interliaemalia 
genannt),  als  Vorknorpelstreifen  in  einem  dichten  Blastem.  Dieses 
setzt  sich  aus  dem  ursprünglichen  Flossenmesoderm  und  aus  Muskel- 
gellen  zusammen,  welche  aus  Knospen  der  Ursegmente  stammen. 
So  entstehen  aus  demselben  Blastem  zu  jedem  Knorpelstab  gleich 
die  zugehörigen  Muskeln  (Mm,  erectores).  Anfangs  liegen  die  Skelett- 
stäbe ziemlicli  senkrecht  zur  Wirbelsäule,  um  sich  später  immer 
mehr  kaudalwärts  gegen  dieselbe  zu  neigen.  Eine  Kontinuität  oder 
numerische    Korrespondenz-   mit    den    Anlagen    der    Wirbel    besteht 

■der  gleichen  Seite  der  Flosse,  und  das  im  anderen  Körperantimer  korrespondierende 
Myotom  produziert  auch  4  Knospen,  deren  Derivate  als  Antagonisten  jener  4  funk- 
tionieren. Man  darf  also  durchaus  nicht  von  numerischer  tJebereinstimmung  der 
Knospen  bei  paarigen  und  unj^aaren  Flossen  sprechen,  wie  das  fast  allgemein  ge- 
schieht. 

1)  Nach  ausgebildeten  Tieren  zu  schließen,  ist  bei  Knorpelganoiden  wie  bei 
Selachiern  keine  numerische  Korrespondenz  zwischen  der  Zahl  der  Innenstrahlen  bei 
Flossen  und  den  Wirbeln  derselben  Körperregion  vorhanden,  bei  Knochenganoiden 
jedoch  nahe,  wenn  nicht  völlige  Zahlenübereinstimmung  (Mivart).  Ebenso  ist  von 
den  niederen  zu  den  höheren  Formen  zu  eine  allmähliche  Abnahme  der  Querseg- 
mente an  den  einzelneu  Innenradien  zu  sehen  (Reduktion  des  intermediären  und 
terminalen  der  3  ursprünglichen  Segmente  auf  kleine  Körperchen  oder  völliger  Ver- 
lust des  terminalen  Gliedes).  Endlich  sind  anfangs  mangelnde,  später  deutliche 
Zahlenübereinstimmungen  zwischen  Innen-  und  Außenstrahlen  nachgewiesen  (Bridge). 
In  allen  diesen  Punkten,  in  welchen  die  Ganoiden  den  Uebergang  zu  den  Teleostiern 
bilden,  fehlen  leider  noch  ontogenetische  Untersuchungen.  Büdgett  l.  c.  hat  jedoch 
bei  Polypterus  neuerdings  festgestellt,  daß  bei  der  Larve  ein,  zwei  oder  drei  Innen- 
strahlen zwischen  je  zwei  Dornfortsätzen  der  epichordalen  Caudalis  liegen. 

2)  Ich  folge  wesentlich  R.  G.  Harrison  (II^  1893,  p.  457),  s.  auch  Dücret 
<1894). 


184  H.  Braus, 

nicht.  Es  kommen  bei  Lachsembryonen  (Dorsalis)  auf  13  Innen- 
strahlen 12  Wirbel  V). 

Die  Innenstrahlen  der  Salmoniden  bilden  sich  nicht  wie  bei 
Knorpelfischen  in  rein  kranio-kaudaler  Reihenfolge,  sondern  sowohl 
die  kranialen  wie  kaiidalen  Randstrahlen  der  Pinnae  bleiben  in  der 
Diiferenzierung  etwas  gegen  die  mittleren  zurück.  Den  retardierten 
Strahlen  felilen  auch  manchmal  distale  Querglieder.  Diese  Verände- 
rungen sind  sekundärer  Natur. 

Die  zuerst  angelegten  Skelettstäbe  entsprechen  lediglich  den 
basalen  Segmenten  (Flossenstrahlträger,  axonost  nach  Cope).  Die  ter- 
minalen (baseost  Cope)  legen  sich  später  als  kleine  Knorpelkugeln  an. 
welche  sich  in  dem  indifferenten,  am  distalen  Ende  der  Flossenstrahl- 
träger liegenden  Gewebe  separat  differenzieren.  In  die  freie  Flosse 
wachsen  sie  nicht,  vielmehr  vereinigen  sich  die  basalen  Enden  der 
Außenstrahlen  mit  ihnen  an  der  Stätte  ihres  ersten  Auftauchens 
(Fig.  182,  p.  178). 

Ueber  die  Anlage  von  intermediären  Segmenten  ist  nichts  bekannt. 
Doch  sind  sie  bei  vielen  ausgewachsenen  Teleostiern  gefunden  (Bridge). 
Wahrscheinlich  differenzieren  sie  sich  in  späten,  bisher  wenig  beachteten 
Entwickelungsstadien  separat  wie  die  Terminalglieder  in  dem  indifferenten. 
Zwischengewebe  zwischen  basalem  und  terminalem  Segment.  Basales 
und  intermediäres  Segment  verknöchern  regelmäßig,  das  terminale  ver- 
hält sich  wechselnd. 

Das  Längenwachstum  der  Flossenstrahlträger  erfolgt  im  Anschluß- 
daran,  daß  die  Rumpfmuskulatur  sich  verdickt  und  dadurch  die  Flossen- 
leiste immer  höher  über  das  Achsenskelett  emporhebt. 

Es  entsteht  dabei  der  Anschein,  als  ob  die  Flossenstrahlträger  mit 
ihren  basalen  Enden  auf  die  Wirbelsäule  zu  wüchsen,  und  Harrison  (II  \ 
1893)  faßt  den  Prozeß  auch  als  solchen  auf.  Es  ist  mir  jedoch  kaum 
zweifelhaft,  daß  hier  wie  bei  allen  übrigen  Tischen  in  Wirklichkeit  a  x  i  - 
fugales  Wachstum  vorliegt,  welches  nur  dadurch  maskiert  wird,  daß 
sich  gleichzeitig  die  periphere  Marke,  d.  h.  der  dorsale  Kontur  des 
Rumpfes  verschiebt. 

ß)  Mit  den  A  c  h  s  e  n  g  e  b  i  1  d  e  n  r  ä  u  m  1  i  c  h  z  u  s  a  m  m  e  n- 
hängende  Anlagen  (h  y  p  o  c  h  o  r  d  a  1  e  C  a  u  d  a  1  i  s  aller  F  i  s  cli  e  ^ 

P  i  n  n  a  d  e  r  D  i  p  n  0  i). 

Alle  Autoren  -)  stimmen  darin  überein,  daß  die  hypochordalen 
Innenstrahlen  der  Caudalis  bei  allen  Fischen  in  der  Anlage  kontinuier- 
lich mit  den  Hämalbogen  der  Schwanzwirbel  zusammenhängen.  Sie 
werden  deshalb  als  verlängerte  Hänialdoruen  (Proc.  spinosi)  derselben 
bezeichnet. 

Selachier.  Ehe  sich  die  Knorpelanlagen  der  Hämalbogen 
über  den  Gefäßen  der  Schwanzwirbelsäule  knorpelig  geschlossen 
haben,  bildet  sich  in  kontinuierlichem  Verband  mit  dem  skeletogenen. 
den   Verschluß   vorbereitenden   Gewebe   eine   Reihe   dunkler   Streifen 


1)  Bei  Amiurus  (Mc  MuRRiCH  1884)  kommen  bis  zu  2,  bei  Pleuronectes  (Cole. 
1901)  bis  9  (oder  mehr)  Flossenstrahlträger  auf  ein  Körpersegment.  Im  letzteren 
Fall  ( Pleuronectes]  fassen  mehrere  auf  einem  besonders  großen  Strahl  Posto  (fiedrige 
Anordnung). 

2)  Mit  einer  Ausnahme,  siehe  unten  unter  Selachier. 


Entw.  d.  Form  d.  Extremitäten  u.  d.  Extremitätenskeletts.        185 

aus,   welche   aus   dicht  gelagerten  Mesodermzellen   bestehen  und  von 
welchen  je  einer  auf  einen  Halbwirbel  kommt  (Fig.  18(5).     Es  sind  das 


';'V  ■  :  -  v.A->\x>K'-\v::\:\  ^v\;  ,;v\ä'\v'' 


ep.C 


jii-^v^a\ji.:^•.vx..  .- 


N.B    -T 


-  Ch 


■^    H.B 


h.C- 


Fig.  186.  Anlagen  der  Neural-  imd  Hänialbogen  nebst  Hämaldornen  im  Schwanz 
eines  Spinaxembryos  (derselbe  Embryo  wie  bei  Fig.  7,  Eekonstruktion  nach  Kast- 
SCHENKO).  e2i.  C  epichordale  Kaudalflosse  (mit  dünnen,  dicht  stehenden  Horn- 
fäden).  h.C  hypochordale  Kaudalflosse  (mit  fast  doppelt  so  dicken,  weniger  zahl- 
reichen Hornfädenj.  R  Rückenmark.  Ch  Chorda.  NB  Anlagen  der  Neuralbogen. 
Es  kommen  je  zwei  Wirbelanlagen  auf  ein  Segment,  denn  immer  der  zweite 
Knorpelkern  umwächst  eine  ventrale  metamere  Nerven wurzel.  ILB  Anlagen  der 
Hämalbogen.  Sie  umschUeßen  die  Art.  und  Vena  caudalis.  Es  sitzen  ihnen  die  kaum 
als  Vorknorpel  zu  bezeichnenden  (dunkel  getönten)  Dornfortsätze  auf.     (Original.) 


die  Anlagen  der  Hämaldornen,  die  später  länger  terminalwärts  aus- 
wachsen,  bis  der  ausgebildete  Zustand  erreicht  ist.  Eine  Abgliederung 
findet  bei  vielen  Haien  (auch  bei  Spinax,  Fig.  186)  nie  statt. 

Bei  manchen  Selachiern  ist  im  fertigen  Zustand  eine  Quergliederung 
einiger  Hämaldornen  oder  eine  völlige  Loslösung  von  den  Hämalbogen 
gefunden  worden  (Fig.  187).  Es  vollziehen  sich  solche  Prozesse  also  wohl 
sekundär. 

Während  Balfour  and  Parker  (A.  L.  III 5,  1882,  p.  406)  ent- 
wickelungsgeschichtlich  die  Kontinuität  zwischen  hypochordalen  Innen- 
radien und  Hämalbogen  behaupten,  was  ich  bei  Spinax  niger  bestätigen 
kann,  und  die  vergleichend-anatomischen  Untersuchungen  sämtlich  für 
diese  eintreten  (Thachbr,  Mivart,  Hasw^ell),  behauptet  P.  Mayer  (1885, 
p.  242),  „daß  der  Knorpel  wie  bei  allen  anderen  Flossen    erst  sekundär 


186 


H.  Braus, 


mit  der  Wirbelsäule  in  Verbindung  tritt".  Vorläufig  steht  diese  Be- 
hauptung ganz  vereinzelt  da;  füi-  mein  Objekt  triift  sie  gewiß  nicht  zu  ^). 

G  a  u  0  i  d  e  u.  Bei  Lepidosteus  entwickelt  sich  das  Inuenskelet  der 
hyi^ochordalen  Schwanzflosse  auch  aus  Hämaldornen  (Balfour  und 
Parker  A.  L.  III  ^  1<S82,  p.  406).  Dasselbe  ist  bei  der  Larve  von 
Polypterus  gefunden  worden  (Budgett  1903). 

Tel  eo stier  ^).  Obgleich  gerade  der  hypochordale  Teil  der 
Schwanzflosse  bei  ihnen  später  starke  Veränderungen  eingeht,  (Homo- 

cerkie,  s.  diesen  Abschnitt  unter  b). 
so  sind  doch  die  frühesten  Stadien 
noch  an  den  meisten  Stellen  in 
Uebereiustimmung  mit  den  Be- 
funden bei  niederen  Fischen.  Die 
betreffenden  Innenradien  werden 
hier  Hypuralkno  chen  ge- 
nannt. 

Die  meisten  Strahlen  legen 
sich  knorpelig  als  typische  Hä- 
maldornen an.  Doch  entstehen 
immer  einige  (nach  der  Schwanz- 
spitze zu  liegende)  isoliert  von 
den  Hämalbogen  (Fig.  188,  der 
kaudalste  Strahl).  Von  den  Au- 
toren werden  Radien  wie  die  letz- 

Fig.  187.  Schwanzflosse  von  Lamna 
coruubica  (nach  Mivaet).  Die  am  wei- 
testen rechts  befindlichen  Hämaldornen 
sind  von  der  Wirbelsäule  durch  einen 
ziemlich  breiten  Zwischenraum  getrennt. 

teren  entweder  für  etwas  von  den  übrigen  Dornen  Verschiedenes  er- 
klärt und  mit  separat  sich  anlegenden  Strahlen  anderer  Flossen  (z.  B. 
des  epichordalen  Teiles  der  Caudalis)  verglichen,  oder  für  reduzierte 
Hämaldornen  gehalten,  bei  denen  Wirbelkörper  und  -bogen  verloren 
gingen,  und  deshalb  in  späteren  Stadien  Konkrescenzen  •^)  mit  anderen 
serialen  Elementen  des  Achsenskelettes  möglich  sind. 

Dipuoi.  Es  kommen  hier  sämtliche  Innenradien  der  ganzen 
Pinna   (sowohl   der   dorsalen  wie  ventralen  Partie)  in  Betracht;  denn 

1)  Die  einzige  Figur,  welche  nach  der  ganz  allgemein  gehaltenen  Bezugnahme 
P.  Mayer's  auf  seine  Tafeln  und  bei  dem  Mangel  näherer  Angaben  über  seine  Be- 
funde im  Text  zur  Beurteilung  in  Frage  kommen  könnte,  befindet  sich  Taf.  16, 
Fig.  5  1.  c;  denn  alle  anderen  seiner  Abbildungen  demonstrieren  im  Gegenteil  die 
Kontinuität  der  Hämaldornen  mit  den  ventralen  Bogen.  Diese  Figur  bildet  aber 
einen  reinen  Querschnitt  ab  und  ist  deshalb  nicht  beweiskräftig  für  die  Diskontinuität, 
welche  in  ihr  allerdings  dargestellt  ist;  denn  nach  des  Autors  eigener,  richtiger  Be- 
merkung sind  „reine  Querschnitte  nicht  zu  brauchen,  weil  sie  die  schräg  nach  hinten 
gerichtete  Flosse  (soll  heißen  :  Flossenstrahlen)  nicht  in  der  richtigen  Weise  treffen". 

2)  Litteratur:  Aug.  Müller  1853,  Lotz  1864  (H",  p.  459),  Balfour  u.  Parker 
1882  (A.  L.  ni-^  p.  78),  Dücret  1894,  F.  Schmitt  19U1. 

3)  Bei  ausgebildeten  Teleostiern  finden  sich  die  mannigfachsten  Variationen  in 
dem  Verhalten  der  verknöcherten  Innenradien  sowohl  zu  den  Wirbeln  wie  untereinander. 
Es  sind  manchmal  Knochenplatten  vorhanden,  welche  offenbar  durch  Konkrescenz 
entstanden  sind  und  nicht  mehr  mit  der  Wirbelsäule  zusammenhängen.  Alle  diese 
Befunde  sind  vergleichend-anatomisch  mit  den  einfachen  Zuständen  bei  Knochen- 
ganoiden  leicht  verknüpfbar  (Balfour  u.  Parker). 


Entw.  d.  Form  d.  Extremitäten  u.  d.  Extremitätenskeletts.       187 

alle  verhalten  sich  ganz  gleich,  indem  sie  von  der  Achse  des  Körpers 
aus  axifugal  auswachsen. 

epichordaler     e^^!?^95v"*'_ 
Fraecaiidalsaum  't>'^~ 
Fettflosse      \ 


,Ä 


,<.*«>« 


Afterflosse  hypochorda  er        c^oV^"" 
^    ^  Pi'aecaudalsauni 

Fig.  188.  Schwanz  eines  Bachforellenembryos  (Rekonstruktion).  Von  rechts  nach 
links  folgen  unter  den  eingetragenen  Knorpeln  (schwarz)  aufeinander :  a)  in  der  epi- 
chordalen  Schwanzflosse:  die  Neuralbogen  des  sechst-,  fünft- und  viertletzten  Wirbels 
und  der  zum  drittletzten  Wirbel  gehörige  epichordale  Flossenträger,  b)  in  der  hypo- 
chordalen  Schwanzflosse :  die  Hämalbogen  des  sechst-,  fünft-,  viert-  und  drittletzten 
Wirbels,  die  zwei  hypochordalen  Flossenträger  des  zweitletzten  und  die  beiden  des 
letzten  Wirbels  und  der  erste  freie  hypochordale  Flossenträger.    Nach  F.  Schmitt. 

„Die  unpaare  Flosse  von  Lepidosiren  wird  gestützt  durch  Elemente, 
Avelche  als  wahre  Dornfortsätze  zur  Wirbelsäule  gehören. 
Die  Innenstrahlen  der  dorsalen  und  ventralen  Teile  derselben  sind 
wirklich  homologe  Gebilde.  Es  existiert  keine  Spur  von  irgend- 
welchen Innenradien,  welche  zwischen  den  Dornfortsätzen  der  Wirbel- 
säule und  unabhängig  von  Neuraldornen  entständen"  (G.  Kerr  1902)  ^). 

Wie  bei  Selachiern  (Scylliiden)  legen  sich  die  Radien  als  einheit- 
liche Knorpel  an  und  zerfallen  nachträglich  in  die  typischen  3  Quer- 
glieder. 

Das  terminale  Längenwachstum  der  Innenradien  führt  dieselben 
nicht  über  die  Basis  der  Flosse  hinaus,  denn  die  freie  Flosse  ist 
lediglich  von  Elementen  des  Außenskelettes  gestützt. 


y)    Beurteilung    der    verschiedenartigen    Anlagen    von 

Innenradien  der  Pinna e. 
Da  die  unpaaren  Einzelflossen  sich  einerseits  aus  einer  einheit- 
lichen Saumflosse  ontogenetisch  dilferenzieren,  andererseits  ihr  Skelett 
sich  in  zwei  verschiedenen  Arten  anlegt,  befinden  wir  uns  der 
Ontogenese  gegenüber  in  dem  Konflikt,  welcher  dieser  beiden  That- 
sachengruppen  wir  für  die  phylogenetische  Beurteilung  die  größere  Be- 
weiskraft zuerkennen  sollen.  Denn  die  erstere  führt  dazu,  alle  Pinnae  für 


1)  Da  in  der  Litteratur  noch  keine  Angaben  über  die  Entwicklung  dieser  Teile 
bekannt  gemacht  sind,  hatte  mein  Freund  Herr  Professor  Kerr  (Glasgow)  die  Liebens- 
würdigkeit, mir  brieflich  diese  Beobachtungen  mitzuteilen. 


188  H.  Braus, 

serial  homologe  Bildungen  von  korrespondierendem  Bau  ^)  zu  halten : 
letztere  dagegen  legt  eine  primäre  Trennung  in  verschieden  ent- 
standene Extremitäten  (vom  Achsenskelett  abhängige  und  von  ihm  un- 
abhängige Bildungen)  nahe. 

In  der  That  gehen  die  Auffassungen  bei  den  verschiedenen  Autoren 
sehr  auseinander.  Es  giebt  verschiedene  Möglichkeiten  der  Deutung,  die 
sämtlich  ihre  Vertreter  gefunden  haben : 

1)  Alle  Unpaarflossen  sind  serial  homolog.  Ihr  Skelett  ist  von  der 
Wirbelsäule  aus  entstanden.  Die  separaten  Anlagen  beruhen  auf  Caeno- 
genese.     Gegenbaur,   1874,   1S98. 

2)  Alle  Unj^aarflossen  sind  serial  homolog.  Ihr  Skelett  ist  frei  in 
denselben  entstanden.  Alle  in  Kontinuität  mit  der  Wirbelsäule  auf- 
tauchenden Skelettteile  (soweit  überhaupt  solche  Anlagen  zugegeben 
werden)  entwickeln  sich  cäuogenetisch.  Thacher  1877,  Mivart  1879, 
DoHRx   1884  (A.  L.  3,  p.  76).  P.  Mayer  1886. 

3)  Die  Unpaarflossen  sind  nicht  homolog.  Es  gehören  diejenigen 
zusammen,  deren  Skelett  unabhängig  von  der  Wirbelsäule  entsteht 
(Gruppe  «,  p.  180),  und  diejenigen,  deren  Skelett  sich  als  Hämaldornen 
entwickelt  (einziger  Vertreter  ist  die  hypochordale  Schwanzflosse).  Die 
Pinna  der  Dipnoi  gehört  nicht  hierher,  da  sie  als  sekundäre  Neubildung 
gedeutet  wird.  A.  Schneider  1879,  Balfour  and  Parker  1882  (A.  L. 
III  5.  p.  78). 

Die  Entscheidung  für  die  Auffassung  der  Skeletogenese  bei  den 
Pinnae  liegt  bei  den  Dipnoern.  Denn  bei  ihnen  findet  sich  eine 
einheitliche  Flossenanlage  zusammen  mit  einer  einheit- 
lichen Anlage  des  Innenskelettes  in  allen  Teilen  der 
Flosse.  Da  dort  das  Skelett  als  wahre  Dornfortsätze-)  von  Neural- 
und  Hämalbogen  entsteht  (p.  187),  so  ist  damit  der  hypothetisch 
postulierte  Vorgang  thatsächlich  demonstriert. 

Bei  den  Pinnae  der  Selachier,  Ganoiden  und  Teleostier  ist  der 
gleiche  Vorgang  im  allgemeinen  nur  an  der  hypochordalen  Caudalis 
beobachtet.  Doch  kommt  auch  hier  ausnahmsweise  die  Separation  von 
Anlagen  ■^)  (Selachier,  Fig.  10,  p.  20)  oder  sogar  eine  v  o  n  v  o  r  n  - 
herein    separate   Entstehung  von    Strahlen    vor  (Teleostier,  p.  186). 


1)  Besonders  klar  ist  dies  bei  der  Analflosse  und  hypochordalen  Schwanzflosse 
der  Ganoiden  und  Teleostier.  Denn  letztere  ist  ersterer  in  der  Entwickelung  so  ähnlich, 
daß  sie  als  seriales  Homodynam  derselben  ihrer  Genese  nach  aufgefaßt  wird  (2.  Analis, 
A.  Agassiz,  s.  p.  173).  Trotzdem  gehört  bei  jeder  von  ihnen  die  Skelettentwickelung 
einem  anderen  Typus  an. 

2)  l^s  sei  hier  besonders  hervorgehoben,  daß  es  dabei  gar  nicht  so  sehr  auf 
einen  direkten  Zusammenhang  der  auswachsenden  Innenradien  mit  den  Neural- 
oder  Hämalbogen  ankommt.  Die  örtliche  Lokalisation  der  ersten  An- 
lagen im  skeletogenen  Bezirk  der  Körperachse  und  die  mit  der 
Metamerie  der  letzteren  übereinstimmende  Gliederung  sind  viel- 
mehr das  Bestimmende.  Es  kann  sehr  wohl  dabei  die  Chondrifikation  in  den 
Innenradien  der  Flosse  früher  auftreten,  als  die  Knorpel  der  Wirbelsäulenbogen  sich 
über  der  Medulla  oder  den  Kaudalgefäßen  geschlossen  haben.  Es  fließen  dann  erst 
in  den  folgenden  Stadien,  wenn  die  Radien  terminalwärts  (also  axifugal)  schon  aus- 
gewachsen sind,  die  Basalportionen  mit  den  Kuppen  der  Bogen  zusammen  (so  ist  es 
nach  G.  Kerr's  Mitteilungen  auch  bei  Lepidosiren).  Solche  territoriale  Gliederungen 
einheitlich  entstandener  Skelettanlagen  in  der  histiogenetischen  Differenzierung  (z.  B. 
auch  bei  den  Wirbelanlagen  selbst)  sind  aber  nichts  Besonderes.  Wir  werden  ihnen 
bei  den  paarigen  Extremitäten  noch  häufig  begegnen.  Ich  verweise  deshalb  auf  spätere 
Kapitel. 

3)  Auch  bei  Protopterus  findet  Jacquet  in  der  hypochordalen  Caudalis  einzelne 
separate  Innenstrahlen. 


Entw.  d.  Form  d.  Extremitäten  u.  d.  Extremitätenskeletts.        189 


F— 


Andererseits  ist  zwar  bei  den  Dorsalflossen,  der  Analis  und  e 
dalen  Caudalis  dieser  Fische  im  Allgemeinen  eine  separate 
beobachtet,  ausnahmsweise  scheint  aber  im  ersten  Sta- 
dium bereits  ein  Anschluß  von  Inuenradien  an  die  [ 
Neuralbogeu  zu  bestehen.  Wenigstens  bildet  P.  Mayer 
(1885)  einen  solchen  Fall  aus  dem  hintersten  Teil  der 
Schwanzwirbelsäule  bei  Selachiern  ab  (Fig.  189)  ^).  Bei 
aller  Verschiedenheit  in  der  Entwickelung  fehlt  es  also 
doch  nicht  an  Uebergängen  (Beginn  örtlich  von  der 
Wirbelsäule  getrennter  Anlagen  in  der  Gruppe  ß,  Reste 
örtlich  mit  dem  Achsenskelett  zusammenhängender  An- 
lagen in  der  Gruppe  a),  welche  die  Kluft  zwischen  den 
beiden  verschiedenen  Typen  als  keine  primäre  er- 
scheinen lassen.  Es  kommt  hinzu,  daß  bei  Dipnoern 
kein  Anhaltspunkt  für  die  Ansicht  gegeben  ist,  es 
könnten  dort  anstatt  primärer  Entwickelungsvorgänge 

Fig.  189.  Schrägschnitt  durch  die  Schwanzflosse  eines  Em- 
bryos von  Scyllium  canicula  (parallel  zu  den  epichordalen  Innen- 
radien geführt).  N  Neuralbogen.  H  Hämalbogen.  R  epichordaler 
Innenstrahl,  längs  getroffen.  R'  hypochordaler  Innenstrahl  (schräg 
getroffen).  F  epichordale  Hornfäden  (im  Längsschnitt).  F'  hypo- 
chordale  Hornfäden  (im  Querschnitt).  Rm  Rückenmark.  S  Seiten- 
linie.   Nach  P.  Mayer. 


pichor- 
Anlage 


Rm 


H-- 


sekuudäre  eingetreten  sein  (p.  175,  Anm.  1).  Besonders  wichtig  er- 
scheint mir  endlich  die  Thatsache,  daß  auch  die  örtlich  vom  Achsen- 
skelett entfernt  auftretenden  Innenstrahlen  ebenso  wie  die  primär  von 
ihm  aus  sich  entwickelnden  axi  f  ugal  wachsen  (Selachier,  p.  181).  Da- 
durch wird  noch  auf  die  allen  gleiche  Entwickelungsstätte  hinge- 
wiesen. 

Die  Fälle,  in  w^elchen  axipetal  es  Wachstum  vorkommt  (Dorsal- 
flossen mancher  Selachier,  hypochordale  Caudalis  mancher  Teleostier)  sind 
späte  Neubildungen. 

Phylogenetische  Schlüsse:  Aus  mechanischen  Gründen, 
welche  auf  p.  176  besprochen  sind,  muß  das  Bestreben  bestehen,  wenn 
das  starre  Innenskelett  sich  vergrößert  und  in  die  freie  Flosse  selbst 
hineinwächst,  eine  basale  Lösung  der  Radien  von  der  Körperachse  herbei- 
zuführen. Da  aus  den  gleichen  Gründen  eine  Auflösung  der  Gesamt- 
pinna  in  Einzelflossen  zu  stände  kam ,  so  wurde  auch  die  Konstanz 
der  serialen  Topographie  zu  der  Wirbelsäule  nicht  immer  gewahrt. 
Denn  Verschiebungen  von  Pinnae  an  weniger  bewegte  Stellen  des 
Rumpfes  waren  nicht  mehr  gehindert,  seitdem  die  Innenradien  zu  separaten 
Strahlen  geworden  waren.  In  der  Ontogenie  wird  offenbar  dieser  ganze 
komplizierte  Vorgang^  wie  er  durch  Kombination  der  Einzelbefunde  er- 
schlossen werden  kann,  nicht  mehr  in  seiner. Totalität  rekapituliert,  sondern 
das  Skelett  wird  für  unsere  Beobachtungsmittel  gleich  an  der  Stelle 
sichtbar,  an  welcher  es  beim  ausgebildeten  Tier  zu  finden  ist.     Da  in- 

1)  Auch  hat  R.  Semon  (1898,  p.  107,  allerdings  ohne  nähere  Beschreibung)  an- 
gegeben, solche  Zusammenhänge  in  der  Ontogenie  gesehen  zu  haben.  —  Bei  ausge- 
bildeten Tieren  (z.  B.  Carcharodon,  T.  J.  Parker  1887)  ist  beobachtet  worden,  daß 
an  der  Schvvanzspitze  eine  einheitliche  Knorpelplatte  bestand,  die  aus  Wirbeln 
samt  Hämal-  und  Neuraldornen  zusammengesetzt  war.  Dabei  entsprachen  die  letzteren 
serial  völlig  den  separaten  Innenstrahlen,  die  kranialwärts  von  ihnen  lagen. 


190 


H.  Braus, 


folgedessen  die  örtlichen  Beziehungen  zu  den  ausgang- 
gebenden  Metameren  nicht  mehr  bestehen,  kann  auch 
keine  Kontinuität  der  Anlage  mit  den  Segmenten  der 
Wirbelsäule  zum  Aiisdruck  kommen.  Ist  eine  solche  vorhanden, 
so  haben  sich  neuerdings  Verbindungen  dysmetamerer  Natur  a\is  be- 
sonderen Gründen  gebildet  (axipetales  Wachstum,  p.   182)  i). 

o)  Anhang:  Entwickelang  des  Innenskelettes  derPinnae 
bei  Petromyzonten  (Myxinoiden,  Acranier). 

Das  Skelettgewebe  in  den  Pinnae  bei  Querdern  ^)  besteht  aus 
einer  eigenartigen,  diesen  Gebilden  sowie  Teilen  des  Achsenskelettes 
und  Kiemenkorbes  jener  Tiere  eigentümlichen  Art  von  Knorpelgewebe. 

Die  Formentwickelung  verläuft  so,  daß  anfangs  ein  longitudinaler 
Verdichtungsstreifen  im  Mesoderm  auftritt  (Chondrodermis,  Schaffer). 
Avelcher  dicht  über  der  epaxialen  Achsenhülle  liegt,  dann  aber  mit 
zunehmender  Erhebung  des  unpaaren  Flossensaumes  der  Kuppe  des 
letzteren  folgt  und  sich  entsprechend  von  der  Körperachse  entfernt 
(Fig.  190).  An  der  Schwanzspitze  jedoch  bleibt  der  ursprüngliche 
Zusammenhang  mit  der  skeletogenen,  Chorda  und  Ptückenmark  um- 
hüllenden  Scheide   nocli  lange  erhalten  (Fig.  191).     Mit  dem  Empor- 


_^.  E 


ch   -■ 


Fig.  190.  Medianer  Längt^- 
schnitt  durch  die  Rückenflosse 
eines  Amniocoetes  (3  cm  L.).  ch 
Chondrodermis  mit  Anfängen  der 
Htrahlenbiklung.  A  arachnoidea- 
les  Füllgewebe  oberhalb  des 
Rückenmarkes.  e.a  epaxiales  Ge- 
webe. E  Epidermis.  Nach  J. 
Schaffee. 


A 


1)  Der  Mangel  von  Beziehungen  zur  Körpermetamerie  kommt  bei  den  Dorsal - 
flössen  auch  an  den  ontogeneti sehen  Verhältnissen  zwischen  den  Innenstrahlen  und 
Muskelanlagen  (Nerven)  zum  Ausdruck.  Beträchtliche  Discrepanzen  bestehen  hier 
gleich  von  der  ersten  Formierung  der  Mm.  radiales  an  (j).  183).  Untersuchungen  dar- 
über, ob  diese  aus  primär  konkordanten  Lagerungen  der  Skelettstäbe  luid  Muskel- 
knospen sich  entwickelten,  bestehen  nicht.  Der  bloße  Nachweis  von  Plexus bildimgen 
der  Nerven  (P.  Mayer)  sagt  nichts  aus  über  die  Genese  und  den  Verlauf  der  Ver- 
schiebungen bei  den  zugehörigen  Muskelelementen.  Es  sei  nur  darauf  hingedeutet, 
daß  primär  konkordante  Teile,  die  discrepant  geworden  sind,  unter  Umständen  in 
denselben  Zwischenstadien  angetroffen  werden  können,  wie  primär  discrepante 
Teile,  welche  im  Begriff  sind,  sich  in  konkordante  umzuwandeln.  Aufschluß  giebt 
also  nur  der  Nachweis  der  Entwickelungs  rieht  ung,  nicht  ein  einziges,  selbst 
durch  längere  ontogenetische  Etappen  stillstehendes  Entwickelungss tadium. 

Immerhin  ist  es  möglich,  daß  die  Discrepanz  zwischen  Innenradien  und  Mus- 
kulatur phyletisch  sehr  alt  und  für  die  jetzigen  Skelettstäbe  sogar  primär  wäre. 
Bei  Holocephalen  ist  nämlich  keine  ausgeprägte  Achsenskelettgliederung  in  diskrete 
Wirbel  vorhanden  (denn  die  vorkommende  Segmentierung  entspricht  nicht  der  Körper- 
metamerie) und  trotzdem  besitzen  die  Pinnae  bereits  Radien,  von  denen  mehrere  auf 
ein  Körpermetamer  kommen  (vgl.  auch  PetromyzonLcn  und  Myxinoiden).  Hätte  sich 
die  metamer  angelegte  Muskulatur  in  ähnlichen  phylogenetischen  Urzuständen  bereits 
zu  höheren,  polyneuren  Muskelindividuen  entwickelt  und  mit  den  polymeren  Radien 
verbunden,  so  wäre  bei  nachträglicher  Auswahl  je  eines  Radius  pro  Körper-  und 
Wirbelsegment  (und  Verlust  der  überschüssigen)  von  vornherein  Diskrepanz  zwischen 
Mm.  radiales  und  definitiven  Strahlen  vorhanden  gewesen. 

2)  Litteratur  bei  A.  Schneider  187Ü,  p.  58  (A.  L.  HI-),  Vogt-Young  1880 
—1894,  BuJOR  1891  (II',  p.  34),  Schaffer  1901.  Ich  folge  im  wesentlichen  der 
.sorgfältigen  Untersuchung  Schaffer's. 


Entw.  d.  Form  d.  Extremitäten  u.  d.  Extremitätenskeletts.       191 


rücken  der  Chondrodermis  bleiben  an  segmental  wiederkehrenden, 
zahlreichen  Stelleu  Teile  des  verdichteten  Gewebsstreifens  zurück,  die 
sich    gleichsam    aus    der    ersten  Anlage    bei    der  Fortbewegung   vom 


ch' 


eil 


Entstehungsort  ausspinnen  (Fig.  190,  191).     Indem  die  Matrix  weiter 

Fig.  191.     Schwanz-  R 

ende  eines  Ammocoetes 
(5  cm  L.,  Total präparat). 
A  Achsenstrang  mit  auf- 
liegender metaraerer 
Muskulatur  (Inscriptio- 
nes  tendineae:  hell).  In 
demselben  t^erborgen  die 
Chorda  und  dasRücken- 
mark  mit  seinem  arach- 
noidealen  Füllgewebe. 
ch  Chondrodermis  mit 
den  Radien  R.  ch'  Stelle, 
an  welcher  die  Chondro- 
dermis dem  freien  Ende 
des  Rückenmarkes  (e?i) 
unmittelbar  aufliegt.  G 
Gefäße.  Nach  J.  ScHAF- 

FER. 

und  weiter  peripherwärts  der  Kante  des  höher  emporwachsenden 
Flossensaumes  folgt,  verlängern  sich  die  von  ihr  sich  ausspinnenden 
Strahlen   successive  und  wandeln  sich  dabei  langsam  in  Knorpel  um. 

Wachstumsrichtung.  Die  dem  Achsenskelett  zunächst  liegenden 
Teile  der  ßadien  sind  die  ältesten  (auch  im  histiologischen  Aufbau  ist 
dies  daran  kenntlich,  daß  sich  hier  zuerst  Knorpelgrundsubstanz  bildet), 
die  apikalen  die  jüngsten.  Das  Wachstum  ist  also  axifugaH)  ge- 
richtet wie  bei  den  Innenradien  der  Fische ;  der  einzige  Unterschied  der 
Formentwickelung  der  Einzelradien  besteht  darin,  daß  ihre  Spitze  vom 
ersten  Beginn  bis  zum  Abschluß  des  relativen  Wachstums  mit  denen  der 
Nachbarn  verbunden  ist  und  so  eine  einheitliche  Matrix  (Chondrodermis) 
bildet.  Außerdem  aber  verlängern  sich  die  Knorpelstrahlen  bis  an  den 
Außenrand  der  Pinnae,  während  bei  Fischen  nie  eine  so  weite  Aus- 
dehnung in  die  freie  Flosse  hinein  stattfindet,  in  vielen  Fällen  sogar  die 
Innenradien  bereits  an  der  Basis  der  freien  Flosse  enden. 

Im  allgemeinen  entstehen  auf  die  geschilderte  Weise  zuerst  die 
dorsalen  Strahlen  im  ganzen  Bereich  der  Rücken-  und  Schwanzflosse 
und  zwar  kranio-kaudalwärts  einer  nach  dem  anderen.  Doch  können 
ausnahmsweise  ventrale  Radien  bereits  angelegt  werden,  ehe  alle  oder 
sogar  ehe  die  ersten  dorsalen  Strahlen  vorhanden  sind.  Die  Zahl 
der  angelegten  Radien  ist  sehr  beträchtlich  und  viel  größer  als  die 
Zahl  der  Metameren,  denen  die  Flosse  entspricht  (Fig.  191,  bei  Petro- 
myzon  marinus  bis  zu  4  Strahlen  pro  Metamer).  Auch  bewahren 
die  Radien  nicht  immer  ihre  Selbständigkeit.  Verschmelzungen,  Spal- 
tungen, Anastomosen  treten  häufig  während  des  Auswachsens  ein 
(Fig.  191)  und  geben  Anlaß  zu  zweizipfligen  Formen  und  dergl.  unter 
den  fertigen  Strahlen.  Trennen  sich  Teile  der  Matrix  als  kleine 
Inseln  ab,  wie  es  auch  vorkommt  (Fig.  192  J),  so  tritt  keine  Weiter- 
entwickelung derselben  ein. 


1)  Nimmt    man   die   Chondrodermis   als   Fixpunkt,    so  entsteht   allerdings   der 
Anschein,  als  ob  die  Radien  axipetal  entständen  (Schaffer). 


192 


H.  Braus, 


In  späteren  Stadien  der  Entwickelung  wachsen  die  proximalen 
Enden  der  Strahlen  mit  den  Zellen  der  skelettogenen  Scheide,  die 
das  Rückenmark  nebst  seinem  epaxialen  Fettgewebe,  sowie  die  Chorda 
und  hypaxialen  Blutgefäße  umgiebt,  zusammen  (Fig.  192).     Sie  biegen 

sich  dabei  basal  um   und   nä- 
^  Y  hern    sich  dadurch  den  Nach- 

\  /'  barstrahlen.  Durch  Apposition 

von  neuem,     aus    dem   skele- 
togenen  Gew^ebe  entstehenden 

Fig.  192.  Medianer  Längsschnitt 
durch  das  hypochordale  Gewebe 
und  die  basalen  Enden  der  Schwanz- 
flossenstrahlen eines  Ammocoetes 
(4,5  cm).  E  Elastica  chordae.  ha 
hyijochordales  Gewebe.  U  Ueber- 
gang  von  Zellen  des  hypochordalen 
Gewebes  in  Vorknorpel.  K  Kadien, 
aus  Vorknorpel  bestehend.  J  Vor- 
-S"  knorpelinsel.    (Nach  J.  Schaffer.) 

Knorpel  bilden  sich  schließlich  Knorpelleisten,  von  denen  je  eine  lon- 
gitudinal ,  epaxonisch  und  hypaxonisch,  verläuft.  Es  sind  dies  Ge- 
bilde, welche  mit  oberen  und  unteren  Bogen  bei  Fischen  vergleichbar 
sind  und  manchmal  auch  schon  eine  Gliederung,  entsprechend  diesen, 
erkennen  lassen. 

Während  so  in  der  Caudalflosse  ein  Konnex  zwischen  Strahlen 
der  Pinna  und  axialen  Skelettteilen  besteht,  bilden  sich  in  der  Gegend 
der  Dorsalilosse  die  oberen  Bogen  räumlich  getrennt  von  den  Radien. 

Phylogenetische  Schlußfolgerungen.  Thacher  (1876)  hat 
darin,  daß  die  Zahl  der  Radien  in  den  Pinnae  der  Petromyzonten  in 
keiner  direkten  Relation  zu  der  Metamerie  des  Körpers  steht,  einen 
Grund  gesehen,  der  gegen  die  Ableitung  dieser  Gebilde  vom  Achsen- 
skelett zeuge.  Doch  sind  die  erst  in  Anfängen  vorhandenen  knorpeligen 
Elemente  der  Wirbelsäule  selbst  bei  Petromyzon  nicht  streng  an  die 
Körpermetamerie  gebunden  i).  Und  doch  wird  niemand  leugnen,  daß  sie 
zum  Achsenskelett  gehören. 

Es  scheint  andererseits  eine  Kontinuität  des  Zellenmateriales, 
aus  welchem  die  Matrix  der  Knorpelstrahlen  (Chondrodermis)  und  die 
Knorpelbogen  der  Wirbelsäule  hervorgehen,  bei  der  Schwanzflosse  zu 
bestehen  -).  Dies  zeugt  dafür,  daß  das  skelettogene  Gewebe  der 
Körperachse  der  Entstehungsort  ist,  von  dem  die  Radien 
ausgehen.     Die  axifugale  Wachstumsrichtung  ist  ein  weiteres  Zeugnis. 


1)  Es  fallen  durchschnittlich  mehrere  auf  ein  Segment.  Ebenso  wie  bei  höheren 
Vertebraten  sich  hier  eine  mit  der  Körpermetamerie  korrespondierende  Gliederung 
(Wirbel)  herausbildet,  kann  dies  auch  bei  den  Radien  der  Pinnae  geschehen. 

2)  Schaffer  schildert,  wie  oben  beschrieben,  die  Lokalität,  an  weicher  die 
Chondrodermis  anfänglich  entsteht  und  an  welcher  sich  die  skeletogenen  Zellen  für 
die  Knorpel  des  Achsenskelettes  selbst  sondern,  wenn  ich  ihn  richtig  verstehe,  als 
dieselbe.  Seine  Auffassung,  daß  die  Radien  mit  ihren  basalen  Enden  in  das  vesiculöse 
Gewebe  mit  seinen  indifferenten  Zellen  „einwachsen",  ist  damit  nicht  im  Einklang.  Das 
„Wachsen"  findet  ja  gerade  am  anderen  apicalen  Ende  der  Strahlen  statt!  Viel- 
mehr scheint  mir  hier  ein  ganz  ähnlicher  Fall  zeitlicher  Differenzen  in  der  Son- 
derung von  Knorpelgewebe  innerhalb  einer  einheitlichen  Skelettanlage  vorzu- 
liegen, wie  manchmal  bei  Fischen  (vergl.  p.  188  Anm.  2).  Die  Zeitfolge  und  Lokali- 
sation der  ersten  Chondrifikationen  l)esitzt  keine  besondere  phylogenetische  Beweis- 
kraft (siehe  auch  Kapitel  über  Schultergürtel  der  Tetrapoden  etc.). 


Eutw.  d.  Form  d.  Extremitäten  n.  d.  Extremitätenskeletts.        193 

Wenn  andererseits  in  den  Rückenflossen  sich  die  Radien  der  Pinna  und 
die  Neuralbogen  örtlich  getrennt  ausbilden,  so  ist  daran  zu  erinnern, 
daß  bei  Eischen  Aehnliches  (in  der  Gruppe  a  p.  180)  auch  vorkommt, 
ohne  daß  daraus  der  Schluß  gezogen  werden  dürfte,  daß  gerade  diese  Dis- 
kontinuität das  Primäre  sei.  Auch  bei  den  Dorsalflossen  ist  die  Wachs- 
tumsrichtung noch  die  axifugale. 

M  y  X  i  n  o  i  d  e  n  und  A  c  r  a  n  i  e  r.  Bei  Myxinoiden  stehen  embryo- 
logische Untersuchungen  über  die  Skelettverhältnisse  der  Pinnae  noch 
aus.  Doch  haben  neuere  Untersuchungen  an  Bdellostoma  Dombeyi 
(Ayers  u.  Jackson  1901)  größere  Uebereinstimmung  der  ausgebildeten 
Zustände  mit  denen  von  Petromyzon  ergeben,  als  dies  nach  den  älteren 
Angaben  der  Fall  zu  sein  schien  ^).  Es  verläuft  deshalb  wahrscheinlich 
auch  die  Entwickelung  ähnlich  wie  bei  diesen. 

Beim  Amphioxus  ist  die  Frage  ungelöst,  ob  überhaupt  Gebilde 
existieren,  welche  als  Vorläufer  der  Radien  höherer  Vertebraten  gelten 
können.  Es  sind  sowohl  die  Flosse nkästchen  seiner  einheitlichen 
Pinnae,  wie  auch  die  Gallert papillen,  die  in  jenen  liegen,  ver- 
mutungsweise als  solche  bezeichnet  worden  2). 

b )  Das  Innenskelett  der  Pinnae  iu  der  späteren  Ent- 
wickeln n  g. 

Schwanzflosse.  Sie  macht  von  allen  Pinnae  die  größten 
Veränderungen  durch.  Bei  Selachiern  wachsen  die  hypochordalen 
Innenradien  besonders  stark  aus,  vor  allem  aber  bildet  die  Haut  meist 
einen,  von  starken  und  langen  Hornfäden  gestützten  hypochordalen 
Lappen  (Fig.  187  p.  1S6,  weiße  Partie).  Es  entwickelt  sich  so  sekundär 
die  Heterocerkie  des  Schwanzes'^).  Bei  Ganoiden  findet  sich 
dasselbe ;  bei  Knochenganoiden  kommen  aber  schon  sekundäre  Rück- 
bildungen hinzu,  da  die  in  jungen  Stadien  vorhandene  primäre  Schwanz- 
spitze zu  einem  fadenähnlichen  Anhängsel  wird  und  schließlich  ver- 
loren geht  (Lepidosteus,  Balfour  und  Parker,  A.  L.  III  ■',  1882). 
Bei  Teleostiern  legt  sich  häufig  noch  das  ursprüngliche  Schwanz- 
ende der  Wirbelsäule  als  ein  Skelettstück  an,  welches  schräg  dor- 
salwärts  aus  der  Anlage  der  definitiven  Flosse  herausragt  und 
auch  noch  mit  rudimentären  Hämaldornen   besetzt  ist.     Meistens  je- 


1)  Anlagen  von  Bogen  der  Wirbelsäule  sind  auch  bei  Bdellostoma  schon  vor- 
handen (am  Schwanz  sogar  ein  vollständiger  Bogen)  und  stehen  auch  hier  in  Konnex 
mit  den  Strahlen  der  Pinnae.  Die  im  kranialen  Teil  der  ßücken-  und  Schwanz- 
flosse liegenden  Radien  sind  nicht  wie  die  weiter  kaudalwärts  auf  sie  folgenden  basal 
mit  einer  ep-  oder  hypaxialen  Längsleiste  verbunden  und  ungefähr  metamer  an- 
geordnet.    Flossenmuskulatur  soll  bei  Myxinoiden  fehlen. 

2)  Die  erstere  Hypothese  stammt  von  Thacher  1877,  die  letztere  von  Lan- 
CESTER  und  WiLLEY  1890.  Die  Kästchen  sind  Hohlräume,  von  denen  in  der 
Dorsalflosse  4 — 5,  im  Präanalsaum  3  —  4  auf  jedes  Myomer  fallen.  Im  letzteren 
beginnen  sie  zu  einem  Längskanal  zu  verschmelzen  (ebenso  in  bestimmten  Teilen 
der  Caudal flösse).  Manche  Autoren  (Schneider  1879,  van  Wijhe  1901)  vermuten, 
daß  die  Zwischenwände  der  Kästchen  mit  Muskelelementen  belegt  sind.  —  Die 
Gallertpapillen  sind  kegelförmige  Erhebungen  auf  dem  Boden  der  Kästchen. 
In  manchen  Teilen  der  Flosse  (vorderster  Teil  der  Dorsalflosse,  Präanalsaura)  sind 
sie  paarig,  in  den  übrigen  unpaar,  und  in  den  aus  Kästchen  entstandenen  Kanälen 
abortiv.  Ob  das  paarige  Vorkommen  aus  dem  unpaareu  Zustand  abgeleitet  werden 
soll  oder  umgekehrt,  unterliegt  noch    Kontroversen. 

3)  Es  sei  kurz  erwähnt,  daß  manche  Paläontologen  umgekehrt  die  Diphycerkie 
von  der  Heterocerkie  abzuleiten  versuchen  (Dollo,  Traquair).  In  der  Ontogenie 
findet  diese  Ansicht  keine  Bestätigung. 

Handbuch  der  Kntwickelungslehie.     III.  2.  23 


194  H.  Braus, 

doch  ist  von  vornherein  die  Chorda  stark  nach  oben  gekrümmt  und  das 
Ende  der  Wirbelsäule  reduziert.  Dadurch  wird  der  Platz  ausgespart, 
in  welchem  sich  besonders  lange  Hämaldornen  entwickeln  (Fig.  188 
p.  187),  Auf  diese  Weise  ist  die  äußere  Form  des  Schwanzes  wieder 
symmetrisch  (homocerk)  geworden.  Aber  selbst  in  den  extremsten 
Fällen  zeigt  die  Ontogenese  noch  heterocerken  Typus  der  Skelett- 
entwickelung ^). 

Die  Dorsal-  und  Analflossen  sind  bei  Selachiern  und 
Knorpelganoiden  durch  die  oft  beträchtliche  Ausdehnung  ihres  Innen- 
skeletts, bei  Knochenganoiden  und  Teleostiern  durch  noch  weiter 
gehende  Spezialisierungen  des  Außenskeletts  ausgezeichnet.  Es  sei 
hier  wegen  des  Details  auf  die  Beschreibungen  fertiger  Formen  ver- 
wiesen, lieber  besondere  Stachelbilduugen  bei  den  I)orsalflossen  der 
Selachier  vergl,  II ",  p,  365, 

Schluß. 

Wenn  wir,  das  Kapitel  der  Un  paar  flössen  überblickend,  zum 
Schluß  die  Frage  berühren,  ob  der  Name  dieser  Organe  auch  sicher 
berechtigt,  oder  ob  eine  paarige  Entstehung  der  Pinnae  begründet 
ist  (GooDSiR  etc,  p.  174,  Anm.  1),  so  haben  sich  aus  der  Ontogenese 
der  Flossen  nur  Argumente  ergeben,  welche  für  die  primär  un- 
paare  Natur  derselben  zeugen.  Es  steht  also  die  Genese  der  paarigen 
Extremitäten  in  sofern  schon  in  einem  fundamentalen  Gegensatz  zu 
derjenigen  der  Pinnae,  w^eil  erstere  von  vornherein  paarig  an- 
gelegt werden.  Speziell  die  Versuche,  ontogenetisch  einen  Zu- 
sammenhang zwischen  der  Anlage  paariger  und  derjenigen  unpaarer 
Gliedmaßen  aufzusuchen,  sind  nicht  von  Erfolg  gewesen. 

Eine  Kontinuität  der  Säume  existiert  selbst  dann  nicht,  wenn 
monströser  Weise  eine  Fortsetzung  der  gedoppelten  Unpaarflossen  in  das 
Präanalgebiet  stattfindet  (p.  174).  Die  seriale  Kontinuität  der 
Muskelanlagen  der  paarigen  Abdominal-  und  unpaaren  Analflosse, 
welche  von  Dohrn  (A.  L.  III  ^  1884)  als  Beweis  für  den  ehemaligen 
Zusammenhang  angeführt  wurde,  ist  bald  darauf  von  P.  Mayer  (1885) 
als  irrtümlich  nachgewiesen  worden.  Denn  alle  in  Betracht  kommenden 
Muskelknospen  gehen  nachträglich  in  die  Bauchflosse  oder  atrophieren, 
die  Analflosse  erhält  ihre  besondere  Muskulatur. 

Schließlich  ist  der  Nachweis,  daß  sich  das  Innenskelett  der 
Pinnae  vom  Achsen  s  k  elett  aus  differenziert  hat,  welcher 
der  vergleichenden  Embryologie  entnommen  werden  konnte  (p.  188), 
jedem  Versuch,  die  Skelette  der  Pinnae  und  Pterygia  zu  homologi- 
sieren  -)  und  auf  diesem  Wege  die  Paarigkeit  der  Pinnae  zu  begründen, 
feindlich. 


1)  Z.  B.  bei  Pleuronectiden  A.  Agassiz,  A.  L.  III  ^,  1877,  Cole  und  Johnston 
1901.  —  Daß  hinter  der  Homocerkie  der  äußeren  Form  bei  Teleostiern  eine  Hetero- 
cerkie  des  {Skeletts  verborgen  sein  kann,  erkannte  bei  Embryonen  K.  E.  v.  Baer 
(A.  L.  III  ^  1835).  HuxLEY  (1859)  wies  bei  ausgebildeten  Teleostiern  noch  Reste 
heterocerker  Skelettbildung  nach.  A.  Agassiz'  großes  Verdienst  besteht  darin,  den 
Parallelismus  zwischen  Ontogenie  vmd  Paläontologie  in  der  Entwickelung  der  Caudal- 
flosse  bei  Teleostiern  nachgewiesen  zu  haben.  —  Solche  Fälle,  wo  das  ganze  heterocerk 
veränderte  SchwanzwirbeTsäulenende  beim  ausgebildeten  Tier  fehlt,  (z.  B.  Hippo- 
campus,  Gambusia,  Anguilla)  und  dadurch  eine  Art  sekundärer  Diphycerkie  (sog. 
Gephyrocerkie)  zu  stände  gekommen  ist,  sind  embryologisch  noch  nicht  untersucht, 
und  es  ist  deshalb  nicht  bekannt,  ob  auch  hier  die  einzelnen  Etappen  noch  erhalten  sind. 

2)  Siehe  darüber  das  Schlußwort  des  nächsten  Abschnittes  (Paarige  J^lossen). 


Entw.  d.  Form  d.  Extremitäten  u.  d.  Extremitätenskeletts.        195 

Aber  auch  direkt  ist  bei  der  impaaren  Beschaffenheit  dieser 
Matrix,  eben  des  Achseuskelettes,  und  der  Lokalisatiou  der  Skeletto- 
genese  der  Innenstrahleu  in  der  Medianebene  von  Anbeginn  an  eine 
ehemalige  Duplizität  unbegründet. 

Litteratur ' ). 

Braus,    H.       Thaisächliches   aus    der    Entwickelung    des    Extremitiitenskelettes    hei    den 

niedersten  Formen.     Zugleich    ein    Beitrag  zur   Entwickelungsgeschichte    der   Pinnae 

und  der  Visceralbogen.     Häckelfestschriß.     [Jenaer  Denkschriften  XI.)     Jena  1904. 
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—  Joh.     lieber    den   glatten  Hai    des  Aristoteles    und    über  die    Verschiedenheiten  xmter 

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—  On  the  origin  of  heterocercy  and  the  evolution,  of  the  fins  and  fin-rays  of  Fishes. 
Ann.  Rep.   U.  S.  Fish.  Comm.     1886. 

—  On  the  value  of  the  fin-rays  and  their  characteristics  of  development  in  the  Classi- 
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Unit.  Stat.  National  Mus.     1886'^. 

—  On   the    homologies    and   early  history  of  the  limbs  of  Vertebrates.     Proc.   Acad.  Nat. 

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La  Valette,  St.  G.  von.  Ueber  den  Bau  der  „Fettflosse".  Arch.  mikr.  A.  Bd.  XVII. 
Bonn.     1880. 


l)  Es  sind  hier  nur  die  Titel  der  wichtigeren  Abhandlungen  aufgezählt  (auch 
<iiese  nur,  soweit  nicht  im  Text  selbst  Bezug  auf  die  Litteraturzusammenstellungen 
anderer  Kapitf  dieses  Handbuches  Bezug  genommen  werden  konnte).  Um  die  Litte- 
raturverzeichnisse  dieses  Kapitels  nicht  zu  sehr  auszudehnen,  verweise  ich  wegen  der 
hier  nicht  angeführten,  aber  doch  im  Text  zitierten  Autoren  auf  die  betreffenden 
Jahrgänge  der  referierenden  Jahresberichte. 

13* 


196 


H.  Braus, 


Virclioic,   H,      Schwanzbüdnng  bei  Selachiern.     Sitz.-Ber.  Ges.  nahirf.  Freunde.    Berlin. 

1893. 
Vogt-Young.     Lehrbuch  der  praktischen  und  vergleichenden  Anatomie.    Bd.  II.    Braun- 

schiveid.     1SS9—1S94. 
Watase,   S.      On  the  caudal  and   anal   fins  of  gold-fitihes.      .lourn.   Coli.  Science  Japan. 

Vol.  I.   Tokyo  1887. 


B.  Paarige  Extremitäten. 

I.  Bei  Tetrapterygiern  (Fischen). 

1.  Die  Flossenlei  s  teil  ^). 

A  1 1  g  e  in  e  i  11  e  Entstehung  und  L  o  k  a  1  i  s  a  t  i  o  n.  Die  früheste 
Entwickelung  der  paarigen  Extremitäten  äußert  sich  bei  allen  Fischen 
in  der  Bildung  von  Leisten,  welche  ungefähr  oder  ganz  der  Rich- 
tung der  Körperachse  folgen  (horizontal  liegen).  Im  allgemeinen 
entspricht  dies  der  Anheftung  der  Flossen  an  die  Körperwand  bei 
ausgebildeten  Tieren.  Aber  auch  in  solchen  Fällen,  in  welchen  die 
Flossen  später  mit  ihrer  Fläche  und  auch  ganz  oder  partiell  mit 
ihrer  Anheftung  am  Rumpf  vertikal  orientiert  sind  (Ceratodus, 
manche  Ganoiden  und  Teleostier),  ist.  soweit  die  Entwickelung  unter- 
sucht wurde,  eine  völlige  Horizontalstellung  oder  doch  eine  der  Hori- 
zontalen nahe  kommende  Position  in  den  ontogenetischen  Anfaugs- 
stadien  gefunden  worden.  Aus  ihr  entwickelt  sich  dann  später  durch 
Drehung  erst  die  definitive  Lage.  Die  erstere  der  beiden  Stellungen 
ist  also  die  ursprüngliche. 

Histioge  netisch  er  Aufbau.  Bei  allen  Fischen  tritt  zuerst 
innerhalb   der   Somatopleura-^)   eine   Wucherung   ein   (1.    Sta- 


Fig.  193.  Verschiedene  Stadien  der  Brustflossenleiste  auf  Querschnitten  (a  und 
d  von  Pristiurus,  b  und  c  von  Scyllium ;  Stad.  a  bei  erheblich  stärkerer  Vergrößerung 
als  die  übrigen  gezeichnet).    Nach  C  Eabl. 

1)  Daß  die  Flossen  in  Form  von  Leisten  oder  Lappen  entstehen,  wurde  zuerst 
bei  Teleostierembryonen  entdeckt  (Fokchhammer  1819,  Rathke  1833,  v.  Baer 
u.a.).  Bei  Selachiern  fand  dasselbe  Balfour  (A.  L.  III'').  Seiner  Arbeit  folgte  bald 
die  Entdeckung  bei  allen  anderen  Fischklassen. 

2)  Nachgewiesen  hauptsächhch  durch  Boyer  1892  (Teleostier,  auch  Oei.- 
LACHER  1879)  und  Eabl  1893,  Mollier  1894  (Selachier)  u.  a.  Die  Grundlage 
unserer  Kenntnisse   über  die  Histiogenese   legte  Balfour   (A.  L.  III  ^,   1878).     Der 


Entw.  d.  Porm  d.  Extremitäten  u.  d.  Extremitätenskeletts.        197 

dium),  welche  durch  vermehrte  Zellteilungen  des  ursprünglich  ein- 
heitlichen Epithels  eingeleitet  wird.  Bei  Selachiern  sind  manchmal 
spaltförmige  Fortsetzungen  des  Cöloms  (Fig.  193a  bei  *)  in  die  Ver- 
dickungen der  Somatopleura  zu  beobachten  (Rabl  1892),  so  daß  an 
eine  ursprüngliche  Faltenbildung  gedacht  werden  könnte.  Doch  ist 
in  vielen  Fällen  diese  Beziehung  nicht  gefunden  worden  (Ganoiden, 
Teleostier,  Dipnoer  und  häufig  auch  bei  Selachiern  nicht).  Wenn  die 
Mesodermleiste  eine  gewisse  Stärke  erreicht  hat,  beginnt  sich  das 
Ektoderm  über  derselben  zu  verdicken  (2.  Stadium.  Fig.  193b). 
Später  erhebt  sich  das  Ektoderm  auf  der  Spitze  des  beträchtlich  ver- 
größerten Mesodermwulstes  in  Form  einer  Fal  te  (3.  Stadium,  Fig.  193c, 
Scheitelleiste,  L).  Die  Ektodermfalte  wird  schließlich  aus  einer  basalen, 
aus  hohen  Cylinderzellen  bestehenden  Schicht  gebildet,  auf  welcher  eine 
dünne  Plattenepithelschicht  liegt  (Fig.  193d).  Als  mesodermfreies  plattes 
Band  zieht  sie  rund  um  die  Peripherie  der  Flossenleiste  herum.  Nach- 
träghch  wächst  das  Mesoderm  der  Flosse  auch  in  die  Ektodermfalte 
hinein  und  füllt  sie  allmählich  aus.  Sie  ist  dann  verstrichen  (4.  Sta- 
dium).    Bei  Ceratodus  fehlt  die  Ektodermfalte  von  vornherein. 

Kontinuität  und  Diskontinuität  der  vorderen  ( t  h  o  - 
rakalen)  und  hinteren  (abdominalen)  paarigen  Leisten. 
Bei  Selachiern  entsteht  die  Leiste,  welche  der  vorderen,  und  die- 
jenige, welche  der  hinteren  Extremität  Ausgang  giebt,  getrennt  für 
sich  (Fig.  180,  p.  171).  Es  ist  nur  eine  Ausnahme  bekannt  (Tor- 
pedo s.  u.).  Es  kommt  zwar  bei  separaten  Anlagen  vor,  daß  die  an- 
fängliche Mesodermverdickung  über  die  Grenzen  der  sonstigen  An- 
lagen der  Extremität  und  über  das  spätere  Territorium  des  Flossen- 
mesoderms  hinausragt,  aber  auch  bei  ihr  kommt  es  nicht  zu  einer 
Verbindung  der  thorakalen  und  abdominalen  Anlage  ^). 

Wie  bei  Selachiern  verhalten  sich  sämtliche  Anlagen  paariger 
Extremitäten   bei  allen  übrigen  Fischen. 

Es  ist  zwar  von  Ryder  für  eine  Anzahl  von  Teleostiern  ein  Zu- 
sammenhang der  ersten  Anlagen  beschrieben  worden,  doch  konnten  durch 
BoYBR  u.  a.  diese  Angaben  nicht  bestätigt  werden.  Es  steht  heute 
fest,  daß  bei  Teleostiern  vordere  und  hintere  Extremitäten  getrennt  ent- 
stehen. 

Ebenso  sind  bei  Squaliden  alle  Autoren  (Balfour  1881  etc.)  über 
die  Diskontinuität  der  Anlagen  einig.  Dagegen  ist  bei  Torpedo  (T.  ocel- 
lata  und  marmorata)  ein  kontinuierlicher  Zusammenhang  zwischen  dem 
ektodermalen  Teil  der  thorakalen  und  abdominalen  Leiste  gefunden  und 


zeitliche  Zwischenraum,  welcher  zwischen  dem  Beginn  der  Mesoderm-  und  Ektoderm- 
wucherung  liegt,  scheint  verschieden  und  beispielsweise  bei  manchen  Teleostiern 
länger  als  bei  Selachiern  zu  sein.  Bei  Ceratodus  spielen  sich  beide  Vorgänge  gleich- 
zeitig ab  (Semon  1898),  ebenso  bei  Torpedo  (Ziegler  1888).  Vergl.  auch  Braus 
(1899,  p.  504). 

1)  Denkt  man  sich  die  Anlage  der  Vorderflossen  bei  Squaliden  so  weit  nach 
hinten  verlängert,  daß  sie  bis  in  die  Gegend  der  Hinterflosse  reichen  würde,  so 
könnte  doch  keine  Kontinuität  zwischen  beiden  entstehen.  Denn  die  thorakale  und 
abdominale  Anlage  liegen  nicht  in  einer  Fluchtlinie  (Balfour,  Mollier). 
—  Bei  Torpedo  kommt  die  Kontinuität  doch  zu  stände,  weil  hier  die  Brustflosse 
eine  andere  Lage  als  bei  Squaliden  hat.  Die  verschiedene  Stellung  der  Leisten  bei 
Squaliden  und  Batoiden  halte  ich  für  eine  Folge  von  Unterschieden  in  der  Skelett- 
entwickelung (Besitz  postaxialer  Radien  bei  ersteren,  Verlust  solcher  bei  letzteren 
s.  Skelettentwickelung)  und  deshalb  von  den  beiden  Arten  der  Position  die  der 
Squalidenembryonen  für  die  primitivere. 


198  H.  Braus, 

allgemein  bestätigt  worden  i).  Dieses  Stadium  einer  kontinuier- 
lichen Ektoderm leiste  (Scliei teileiste)  für  vordere  und 
hintere  Extremitäten  ist  deshalb  besonders  bekannt  geworden,  weil 
der  Entdecker  desselben,  Balfour  (A.  L.  III  ^,  1874),  es  als  die  Ausgangs- 
form der  paarigen  Gliedmaßen  überhaupt  bezeichnete  (Lateralfaltenhypo- 
these),  und  bedarf  deshalb  einer  besonderen  Betrachtung.  Zunächst  wissen 
wir,  daß  sich  das  Stadium  der  Kontinuität  thorakaler  und  abdominaler 
Extremitätenleisten  bei  Torpedo  nicht  primär  in  der  Ontogenie  ent- 
wickelt, sondern  anfänglich  separate  Leisten  nachträglich 
verbindet  (Rabl  1893).  Von  den  4  Stadien,  welche  oben  bei  der 
histogenetischen  Differenzierung  unterschieden  wurden,  werden  bei  Torpedo 
marmorata  die  beiden  ersten  (Mesoderm-  und  Ektodermwucherung)  von 
den  Anlagen  der  vorderen  und  hinteren  Extremität  völlig  selbständig 
zurückgelegt.  Im  3.  Stadium  entsteht  die  Verbindung  anfänglich  in  der 
Weise,  daß  im  Zwischenflossenraum  die  Mesodermwucherung  und  kurz 
darauf  die  Ektodermverdickung  auftritt.  Die  Ektoderm  falten  also 
bilden  sich  in  diesem  Stadiiim  anfänglich  auch  separat  auf  jeder  dei- 
beiden  Flossenleisten,  und  äußerlich  ist  von  einer  Verbindung  der 
Leisten  noch  nichts  zu  sehen.  Dann  aber  entsteht  (im  zweiten  Teil  des 
3.  Stadiums)  im  Zwischenflossenraum  eine  Ektodermfalte  in  Kontinuität 
mit  den  bereits  vorhandenen  Falten  der  vorderen  und  hinteren 
Leisten.  So  existiert  für  kurze  Zeit  ein  Zustand,  in  welchem  ein  kon- 
tinuierlicher Ektodermsaum  vom  Kopf  bis  zum  After  längs  der  Bauch- 
wand hinzieht  (das  Stadium,  welches  Balpour  sah  und  irrtümlich  für  den 
Anfang  der  Differenzierung  hielt).  Bald  verschwindet  die  Verbindungs- 
strecke,   und  die  Anlagen  beider  Flossen  bleiben  fortab  gesondert. 

Die  Kontinuität  der  beiden  Extremitätenleisten  bei  Torpedo  entsteht 
aber  nicht  nur  sekundär  in  der  Entwickelung,  sondern  sie  ist  auch  ihrer 
ganzen  Ausbildungsweise  nach  nichts  als  eine  Teilerscheinung  von  Ver- 
schiebungsvorgängen am  kaudalen  Rand  der  Brustflosse  und  dem  ihm  be- 
nachbarten rostralen  Rand  der  Bauchflosse  des  Embrj^os  (Braus  1899). 
Bei  der  ersteren  wird  successive  eine  Vergrößerung  nach  hinten  in  der  On- 
togenie herbeigeführt  (vor  welcher  die  hintere  Extremität  durch  Schwund 
ihrer  rostralen  Partie  zurückweicht)  und  damit  schließlich  die  enorme 
Flächenausdehnung  der  charakteristischen  Rochenbrustflosse  zu  Ende  ge- 
führt. Die  Verschiebung  tritt  besonders  darin  zu  Tage,  daß  die  Verbindungs- 
strecke beider  Extremitäten  nicht  fest  am  Rumpf  lokalisiert  ist, 
sondern  einer  beständigen  serialen  Umgestaltung  unterliegt,  solange  sie 
existiert.  Es  assimiliert  also  die  Brustflossenanlage  Teile,  welche  eben 
noch  territorial  zur  Beckenflossenanlage  gehörten,  und  setzt  sich  infolge- 
dessen in  Verbindung  mit  der  letzteren,  solange  diese  Austauschprozesse 
dauern.  Dann  verschwindet  die  Verbindung  sofort.  Die  Ektodermleiste 
ist  nur  das  äußere  Zeichen  der  im  Mesoderm  verlaufenden  sekundären 
Entwickelungsvorgänge  ^). 


1)  Bei  anderen  Rochen  ist  von  dem  Vorhandensein  einer  kontinuierlichen  em- 
bryonalen Ektodermleiste  nichts  bekannt. 

2)  Die  Ektodermleiste  selbst  wird  wohl  allgemein  nur  als  eine  besondere  Wachs- 
tumsform der  relativ  schmalen  und  dünnen  Extremitätenplatten  angesehen  (U.  a.: 
Peter  1902).  Es  ist  dabei  vielleicht  von  Bedeutung,  daß  das  Ektoderm  sich  beim 
Wachstum  der  Leiste  im  Quadrat,  das  Mesoderm  aber  im  Kubus  vergrößern  muß. 
Bei  gleichem  oder  ähnlichem  Tempo  der  Zellvermehrung  würde  also  ersteres 
zu  groß  im  Verhältnis  zu  letzterem  sein  und  die  Faltenbildung  plausibel  werden.  — 
Die  Flossenleiste  selbst  verlängert  sich  bei  Torpedo  ocellata  bei  der  Brustflossenanlage 
so,  daß  segmentale  Elemente  (Muskel-  und  Nervenanlagen)  vom  28.,  29.,  80.  und  31. 


Entw.  d.  Form  d.  Extremitäten  u.  d.  Extremitätenskeletts.        199 

Das  Vorkommen  einer  einheitlichen  Extremitätenleiste  für  beide 
Flössen  bei  Torpedo  berechtigt  bei  genauerer  Analyse  nicht  dazu, 
etwas  Primäres  in  ihr  zu  erblicken,  das  ein  Erbteil  ursprünglich  allen  Se- 
lachiern  zukommender  Verhältnisse  wäre  i),  wie  dies  Balfour  annahm. 
Es  fehlt  auch  allen  anderen  Fischen,  außer  den  Rochen,  die  beträchtliche 
Ausdehnung  der  Brustflosse  nach  hinten,  die  in  ihren  letzten  Etappen 
als  successiver  Erwerb  bei  Torpedo  noch  in  der  Ontogenie  erweislich 
ist  und  die  Ursache  für  die  Entstehung  der  Kontinuität  beider  Flossen- 
anlagen bei  diesen  Fischen  abgiebt. 

^^  e  r  g  1  e  i  c  h  d  e  r  p  a  a  r  i  g  e  n  u  n  d  u  n  p  a  a  r  e  n  F 1  o  s  s  e  n  I  e  i  s  t  e  n. 
Auch  hier  stoßen  wir  direkt  auf  dasselbe  Problem.  Denn  ist  eine 
gesetzmäßige  Beziehung  zwischen  den  Bildungsprozessen  bei  paarigen 
und  unpaaren  Extremitätenleisten  der  Fische  vorhanden,  so  liegt  der 
Schluß  nahe,  daß,  so  gut  wie  die  Pinnae  sich  aus  einer  einheitlichen 
Saumflosse  differenziert  haben,  so  auch  die  Pterygia  aus  einer  solchen 
entstanden  seien  ^).  Es  lohnt  sich  also,  nachzusehen,  worin  die  Aehn- 
lichkeit  der  Frühanlagen  von  paarigen  und  unpaaren  Anlagen  besteht. 

Wichtig  ist  es,  daß  alle  Versuche,  einen  ursprünglichen  Zusammen- 
h  a  n  g  von  paarigen  und  unpaaren  Flossen  und  die  ehemalige  Dupli- 
zität der  letzteren  nachzuweisen,  fehlgeschlagen  sind  (p.  174  u.  194). 
Denn  nur  in  dem  Falle,  daß  Thoracal-,  Abdominal-,  Anal-,  Kaudalflossen 
etc.  sich  aus  zwei  kontinuierlichen  Saumflossen  durch  Verlust  der  Zwischen- 
strecken gesondert  hätten,  könnte  von  einer  ursprünglichen  H  o  m  o  - 
dj'namie  jetziger  Pinnae  und  Pterygia  geredet  werden  (dabei  auch 
zwischen  dorsalen  und  ventralen  Bildungen  nur  in  besonderem  Sinne). 
Zwischen  primär  paarigen  und  primär  unpaarigen  Gebilden,  um  die  es 
sich  doch  nach  allen  positiven  Kenntnissen  handelt,  ist  aber  keine  Ho- 
modynamie,  geschweige  denn  Homologie  möglich.  Eine  beträchtliche 
Unsicherheit  aller  phjdogenetischen  Spekulationen  auf  dem  Gebiet  des 
Vergleichs  unpaarer  und  paariger  Extremitäten  liegt  also  von  vornherein 
darin,  daß  wirklich  verwandtschaftliche  Beziehungen  zwischen  beiden 
Gebilden  nicht  bestehen. 

Die  Extremitätenleisten,  welche  zu  Pinnae  und  Pterygia  auswachsen, 
stimmen  gemäß  ihrer  Form  und  Lage  (in  der  Richtung  der  Körper- 

Metamer  successive  in  sie  euitreten.  Bei  der  Beckenfiosse  kommen  am  Vorderrand 
der  Leiste  dagegen  successive  Elemente  des  27. — 31.  Metamers  in  Wegfall.  Die 
Verschiebung  des  Hinterrandes  der  Brustflossen  an  läge  um  4  Myo- 
tomienlängen  nach  hinten  ist  unmittelbar  beobachtet  (ebenso  die 
entsprechende  Verschiebung  des  Vorderrandes  der  Beckenflosse).  Da  gleichzeitig  mit 
diesen  serialen  Umbildungen  die  Mesodermverdichtung  in  der  jeweiligen  Verbmdungs- 
strecke  beider  Flossenanlagen  auftaucht  und  mit  dem  Abschluß  der  Materialver- 
schiebung wieder  verschwindet,  betrachte  ich  sie  als  die  Brücke,  welche  den  Trans- 
port des  (natürlich  indifferenten)  Bildungsmaterials  von  hinten  nach  vorn  vermittelt. 

1)  Auch  von  paläontologischen  P\uidstücken  wird  gesprochen,  die  „historische 
Urkunden"  einst  vorhandener  kontinuierlicher  Seitenfalten  seien  (Dean  1902).  Die 
eine  dieser  „Urkunden"  (Cladoselachiden)  hat  aber  völlig  getrennte  Brust-  und 
Bauchflossen,  die  nach  jenes  Autors  eigenem  Zeugnis  nicht  größer  sind  als  etwa 
die  von  recenten  Scylliiden.  Die  andere  „Urkunde"  (Acanthodier,  besonders  Clima- 
tius)  besitzt  Knochenstacheln  (also  sekundäre  H  a  u  tgebildelj,  die  im  Zwischenraum 
zwischen  den  auf  den  Fundstücken  völlig  getrennten  paarigen  Flossen  auf- 
gereiht sind  (siehe  übrigens  Braus  1898,  p.  436).  Eigentümliche  „Urkunden"  für 
eine  kontinuierliche  Seitenfalte!  —  Bei  keinem  fossilen  Fisch  ist  in 
Wahrheit  eine  durchlauf  ende  E  x  trem  it  ät  statt  zweier  separater 
Flossen  gefunden  worden. 

2)  Diese  Art  der  Betrachtung  inaugurierten  unabhängig  voneinander  Thacher 
1877  (UI^  p.  195)  und  Balfour  (A.  L.  I^^  1877). 


200  H.  Braus, 

achse)  miteinander  völlig  überein.  Die  histogenetische  Differenzierung 
bietet  allerdings  Verschiedenheiten  insofern,  als  bei  den  unpaaren  An- 
lagen das  Ektoderm,  soweit  wir  wissen,  die  Differenzierung  einleitet^ 
während  bei  den  paarigen  der  Regel  nach  das  Mesoderm  den  Vor- 
tritt hat.  Doch  kommen  bei  letzterem  auch  Abweichungen  vor  (Syn- 
chronismus bei  Ceratodus,  Torpedo,  p.  107),  so  daß  ein  prinzipieller 
Gegensatz  nicht  vorliegen  dürfte.  In  der  späteren  Differenzierung 
freilich  (Herkunft  des  Skeletts,  s.  dieses)  bilden  sich  beträchtliche 
Unterschiede  heraus.  Die  Frühentwickelung  jedoch  scheint  mir,  so- 
weit sich  mit  den  angewandten  Beobachtungsmitteln  ein  Resultat  erzielen 
ließ,  den  Wahrscheinlichkeitsschluß  zu  gestatten,  daß  ein  ähnliches 
Bildungsgesetz  bei  den  paarigen  wie  bei  den  unpaaren  waltete.  Ich 
halte  also  auch  die  Entstehung  aus  einer  primären  einheitlichen  Leiste 
für  möglich,  betone  aber  nachdrücklich,  daß  diese  nicht  der  Lateral- 
falte im  Sinne  der  Autoren  (Thacher,  Balfour,  Mivart  u.  a.)  ent- 
sprechen würde  ^). 

2.  Die  Lokalisation  der  Flossenanlagen. 

Verschiebungen  in  t o t o.  Die  Bestimmung  der  Position  von 
Flossenleisten  zu  den  Rumpfmetameren  (Myotonien)  ist  nicht  immer 
leicht.  Es  existieren  deshalb  noch  i-elativ  wenig  Untersuchungen  über 
den  ontogenetischen  Ortswechsel  der  Gliedmaßenanlagen.  Messungen, 
welche  die  Lage  der  Flossen  zu  der  Gesamtlänge  des  Embryos  be- 
stimmen, haben  deshalb  keinen  entscheidenden  Wert,  weil  die  Ver- 
kürzungsprozesse an  der  Grenze  von  Kopf  und  Rumpf  sowie  am 
Schwanzende  und  andere  Veränderungen  des  Körpers  dabei  nicht 
auszuschalten  sind. 


1)  Wirkliche  Bedeutung  erhält  dieses  Problem  erst,  wenn  positiv  nachzuweisen 
wäre,  daß  für  die  paarigen  Flossen  ein  direkter  Vorläufer  bestände,  bei  dem  statt 
zweier  Flossen  nur  eine  Leiste  oder  Falte  existiert.  Der  Amphioxus  hat  bekanntlich 
in  seinen  Metapleural  falten  (Il\  Fig.  8,  p.  8)  Gebilde,  welche  eine  nähere 
Prüfung  nach  dieser  Richtung  hin  verdienen  (Thacher  1877,  van  Wijhe  1889, 
1901,  Hatschek  1892  u.  a.  homologisierten  sie  mit  Pterygia;  Balfour  1881 
A.  L.  II),  Rabl  1901  u.  a.  lehnen  diese  Homologie  ausdrücklich  ab).  8ie  entwickeln 
sich  so,  daß  bis  dahin  platte  Ektodermzellen  cylindrisch  werden  und  eine  Ver- 
dickung bilden.  Ein  wucherndes  Mesoderm  drängt  dann  die  Leiste  vor  und  höhlt  sich 
nachträglich  aus  (Pterygocöl:  vielleicht  eine  Abspaltung  des  Cöloms  und  vergleich- 
bar den  Beziehungen  des  letzteren  zum  Mesoderm  der  Selachierflosse  Fig.  193a).  Die 
Muskulatur  besteht  aus  Fortsetzungen  des  Subatrlalmuskels  (der  von  Spinalnerven 
versorgt  wird)  und  vermag  höchst  wahrscheinlich  die  Falten  zu  bewegen,  um  da- 
durch zur  Balanzierung  des  Tieres  beizutragen.  Die  Lokalisation  der  Falten  beschränkt 
sich  auf  diejenigen  Körperstellen,  denen  die  Unpaar flösse  fehlt.  Nur  der  Präanal- 
saum dringt  ein  wenig  vor  den  Atrioporus,  an  welchem  die  P^alten  enden,  vor,  ohne 
sich  aber  mit  ihm  zu  verbinden.  —  Es  bestehen  also  mancherlei  Uebereinstimmuugen 
zwischen  den  MetapleuralfaUen  bei  Acraniern  und  paarigen  Frühanlagen  der  Extremi- 
tätenleisten bei  Cranioten.  Denke  ich  an  die  mutmaßliche  Herkunft  des  Skelettes 
der  letzteren  (siehe  dort),  so  ergiebt  sich  ein  weiteres  Vergleichsmoment  darin,  daß 
auch  die  Pterygia  wahrscheinlich  in  der  Kiemenregion  ursprünglich  lokalisiert  waren 
und  darin  mit  den  Metapleuralfalten  des  Amphioxus  übereinstimmten.  Wenn  ich 
also  der  Homologisierung  beider  als  einem  bestehenden  Problem  das  Wort  rede,  so 
halte  ich  doch  den  Zusammenhang  der  thorakalen  und  abdominalen  Leiste  für  einen 
phyletisch  sehr  weit  zurückliegenden  Zustand,  der  jedenfalls  verloren  ging 
oder  verloren  war,  als  das  Skelett  sich  entfaltete.  Es  unterscheidet  sich  also  meine 
Vorstellung  völlig  von  der  Idee  Balfour's  (u.  v.  a.),  dessen  Lateralfalte  noch  relativ 
hoch  entwickelten  Tieren  wie  den  Selachiern  zukommen  sollte,  oder  Thacher's,  der 
sogar  die  Ansicht  von  der  Entstehung  des  Skelettes  aus  isolierten  Stäben  für  un- 
trennbar von  seiner  Lateralfaltenhypothese  erklärte. 


Entw.  d.  Form  d.  Extremitäten  n.  d.  Extremitätenskeletts.       201 

Bei  Sei  ach  lern  wurde  gefunden,  daß  die  abdominale  Extre- 
niitätenanlage  (Spinax  niger,  Braus  1899)  anfangs  vom  21.— 31.  Ur- 
segment  reicht  und  sich  successive  soweit  kaudalwärts  verschiebt,  daß 
sie  später  im  Bereich  des  81.-39.  Myotoms  liegt.  Die  Brustflosse 
zeigt  keine  so  ausgesprochene  Verschiebung. 

Auch  Dean  (1902)  findet  bei  Heterodontus  japonicus  eine  beträcht- 
liche Verschiebung  der  Bauchflosse  ^).  Da  aber  das  Verhältnis  zur 
Körperlänge  der  gemessenen  Embryonen  bei  ihm  den  Maßstab  für  die 
Verschiebungen  bildet,  ist  das  Resultat  nicht  einwandsfrei  (s.   o.). 

Bei  Tele  0 stiem  ist  besonders  die  Verschiebung  der  ..Kehl- 
flossen"anlagen  untersucht.  Es  sind  Abdominalleisten,  welche  sich  wie 
gewöhnlich  kaudal  von  den  thoracalen  ausbilden  und  auch  hier 
ihre  Nerven  erhalten,  später  aber  sich  kranial wärts  vor  die  Brustflossen 
vorschieben.  Bei  Lophius  piscatorius  z.  B.  kann  man  durch  eine  Serie 
passender  Entwickelungsstadien  den  Wanderungsprozeß  illustrieren 
(NUSSBAUM  1898,  Paul  1902).  Die  Nerven  begeben  sich  dann  schließ- 
lich im  weiten,  geschwungenen  Bogen  von  ihrem  Ursprung  hinter  den 
Brustflossennerven  um  die  Thoracalflossen  herum  in's  „Kehr'gebiet. 

Letzterer  Befund  war  bei  ausgewachsenen  Teleostiern  lange  bekannt 
und  schon  für  ältere  Autoren  der  Grund,  eine  Wanderung  nach  vorn  an- 
zunehmen. 

An  einzelnen  Teilen  der  Elossenanlagen  (wie  hier  an  den  Nerven) 
lassen  sich  häufig  die  Verschiebungen  der  Leisten  leichter  erkennen,  als 
an  der  Gesamtanlage  selbst  2).  Es  kommt  auch  vor,  daß  die  Leiste  von 
vornherein  ihre  definitive  Lage  ganz  oder  annähernd  einnimmt  (wobei 
wir  freilich  die  Materialverschiebungen  nicht  kennen,  die  bei  ihrem  Auf- 
bau stattfinden),  daß  aber  noch  spätere  Bestandteile  derselben  einen  Orts- 
wechsel durchmachen,  um  ihre  definitive  Lage  zu  erreichen.  Bei  Selachiern 
z.  B.  gehen  die  im  Zwischenflossenraum  sich  abschnürenden  Muskelknospen 
(Dohrn's  Abortivknospen)  nicht  wirklich  alle  zu  Grunde,  sondern  ein  Teil 
von  ihnen  (bei  Spinax  4  Knospen  von  7  Stück)  bildet  nachträglich  in  der 
Becken  flösse  Muskulatur  (Braus  1899).  Dies  kommt  auch  an  den 
Anlagen  der  Spinalnerven  zum  Ausdruck.  Es  begeben  sich  nicht  nur 
diejenigen  in  die  Beckenflosse,  welche  der  Lage  derselben  zum  Rumpf 
in  irgend  einem  Entwickelungsstadium  entsprechen,  sondern  solche,  deren 
Ursprungsgebiet  oft  über  den  Bereich  der  Flosse  weit  hinausragt.  Letz- 
tere bilden  dann  infolge  ihrer  immermehr  einander  sich  nähernden  (anfangs 
schrägen,  später  longuitudinalen)  Lage  die  Nervenplexus.  Daß  es 
sich  hier  um  alte  Beziehungen  handelt,  geht  daraus  hervor,  daß  solche 
Muskel-  und  Nervenanlagen  rudimentär  sind  und  manchmal  nachträglich 
noch    ganz    zu  Grunde    gehen,    oft    ohne    ihren    Bestimmungsort   wie    die 


1)  Nach  Dean's  Diagramm  verschiebt  sich  die  abdominale  Leiste  anfangs  um 
ihre  ganze  Länge  nach  vorn,  in  späteren  Stadien  wieder  successive  kaudalwärts,  bis 
der  Kranialrand  ungefähr  die  Ausgangsstellung  wieder  erreicht  hat.  Der  Kaudalrand 
der  Flosse  reicht  weiter  nach  hinten  wie  in  den  Anfangsstadien,  da  inzwischen  eine 
Vergrößerung  der  ganzen  Anlage  eingetreten  ist.  Jedenfalls  zeigen  solche  Messungen, 
welche  beträchtlichen  Verschiebungen  generell   im  embryonalen  Körper  vorkommen. 

2)  Die  Extremitätengürtel  besitzen  bei  Fischen  Löcher,  in  welche  die  Extre- 
mitätennerven zum  Teil  eingeschlossen  sind.  Diese  Lage  ist  in  der  üntogenie  keine 
fixierte,  sondern  es  wechselt  sowohl  der  Einschluß  an  serlalen  Nerven  wie  auch  die 
Lage  mancher  Nervenlöcher  selbst.  Hier  besteht  eine  Art  Skala,  an  welcher  man  die 
successiven  Verschiebungen  des  Skelettes  an  den  Nerven  in  der  Ontogenese  ablesen 
kann. 


202  H.  Braus, 

anderen  ganz  erreicht  zu  haben.  Punnet  [1900]  fand  z.  B.  im  kranialen 
Plexus  der  embr^^onalen  Beckenflosse  von  Mustelus  9,4  Proz.  serialer 
Nerven  mehr  als  beim  erwachsenen  Tier. 

Die  verschiedene  Lokalisation  der  Flossen  am  Rumpf  erweist  sich 
nach  diesen  Befunden  als  eine  Folge  des  Ortswechsels  der  Glied- 
maßen. Ueberträgt  man  dies  auf  die  fertigen  Zustände^),  so  ergiebt 
sich  mit  großer  Wahrscheinlichkeit,  daß  die  in  den  verschiedensten 
Stellungen  am  Rumpf  gefundenen  Extremitäten  doch  alle  in  kontinuier- 
liche Entwickelungsreihen  gehören,  in  welchen  durch  allmähliche  Ver- 
schiebungen eine  Etappe  nach  der  anderen  erreicht  wurde.  Bei  genauerer 
Kenntnis  eines  größeren  embryologischen  Materiales  würden  die  Ueber- 
gänge  hier  sich  gewiß  demonstrieren  lassen.  Denn  die  Nervenverhältnisse 
in  den  fertigen  Einrichtungen  deuten  noch  auf  die  Zustände  hin,  welche 
voraussichtlich  embryonal  bestanden  haben.  Bei  den  Rochen  beispiels- 
weise ist  für  die  vordere  Extremität  eine  kontinuierliche  Verschiebungs- 
reihe zu  konstatieren,  welche  kaudalwärts  gerichtet  ist  und  an  deren 
Ende  die  Extremität  in  einer  Position  gefunden  wird,  welche  derjenigen 
der  Becken  flösse  bei  Squaliden  entspricht.  —  Die  Verschiebungen 
sind  nicht  immer  einheitliche.  Es  können  sich  z.  B.  an  kaudalwärts 
gerichtete  retrograde  anschließen,  welche  wieder  kranialwärts  führen. 

Vergrößerungen  und  Verkleinerungen  der  Flossen- 
anlagen. Diese  sind  bislang  fast  ausschließlich  bei  Selachiern  studiert 
worden.  Die  wesentlichsten  Veränderungen  sind  nachträgliche  Ver- 
größerungen der  Flosseuaulagen.  Durch  Messungen  fand  Dean 
(1902)  bei  Heterondontus  japonicus,  daß  bei  der  ersten  Anlage  der 
Brustflosse  das  Längenverhältnis  zur  Körp erlange  6  Proz.  beträgt, 
daß  dasselbe  aber  später  successive  anschwillt  bis  auf  ca.  24  Proz. 
(bei  der  Bauchflosse  von  6  Proz.  auf  12  Proz.).  Auch  hier  sind  be- 
sonders zuverlässig  solche  Maßbestimmungen,  welche  die  Größe  nach 
der  Zahl  der  Ursegmente  bemessen,  in  deren  Bereich  die  Extremitäten- 
basis fällt.  Bei  der  Brustflosse  von  Torpedo  fand  sich  eine  Vergröße- 
rung der  letzteren  um  3  ( — 4)  Urwirbelläugen.  von  Pristiurus  um  3 
solcher  Maßeinheiten  (Braus  1899)  Doch  kommen  auch  nachträgliche 
Verkleinerungen  vor.  Die  Brustflosse  von  Spinax  niger  wird  um 
ca.  3  Urwirbelläugen  kleiner. 

Es  sei  nur  darauf  hingewiesen ,  daß  diese  nachträglichen  Ver- 
größerungen der  Haiflossen  gerade  entgegengesetzt  der  Annahme  Thachbr's, 
Balpour's  u.  a.  nicht  die  g  r  ö  ß  t  e  n  Flossenfoi^men  als  die  iirsprünglichen 
und  die  kleinere.n  als  sekundäre  Formen  erweisen,  sondern  umgekehrt 
demonstrieren,  wie  die  großen  aus  den  kleinen  entstanden 
sind.  Regressionen  (namentlich  bei  rudimentären  Flossen)  in  Form  von 
Verkleinerungen  sind  natürlich  nicht  ausgeschlossen.  —  Die  Muskel-  und 
Nervenanlagen,  welche  außerhalb  des  serialen  Territorialbereiches  der 


1)  Für  die  verschiedene  Lokalisierung  der  Extremitäten  (bei  Fischen  und 
Vertebraten  überhaupt)  wird  von  manchen  Autoren  eine  ursächHche  Beteiligung  des 
Ortswechsels  geleugnet.  Entweder  wird  die  topographische  Verschiedenheit  als  Folge 
inkompleter  oder  kompleter  Heterogenie  bezeicnnet  (sodaß  also  die  Brustflosse  des 
einen  Fisches  in  keiner  verwandtschaftlichen  Beziehung  zu  der  eines  anderen  gedacht 
werden  kann)  Ryder  1887  (III  ^  p.  195),  Waite  1897  u.  a.  oder  es  werden  die 
paarigen  Flossen  zwar  für  homolog  untereinander,  die  verschiedenen  Positionen  aber 
nicht  für  Folgen  von  Eigenbowegungen  derselben,  sondern  von  Inter-  und  Ex- 
calationen  von  Wirbeln  im  Achsenskelett  gehalten.  Beide  Ansichten  halte  ich  durch 
den  ontogenetischen  Nachweis  des  Ortswechsels  der  Gliedmaßen  für  widerlegbar. 


Entw.  d.  Form  d.  Extremitäten  u.   d.  Extremitätenskeletts.        203 


Extremitätenleisten  entstehen  und  doch  in  dieselben  hineinwachsen  (s. 
p.  201),  wurden  vielfach  für  Beweise  einst  größerer  Elächenausdehnung 
der  letzteren  angesehen  und  daraus  eine  nachträgliche  Verkleinerung  der 
Extremitäten  abgeleitet  ' ).  Es  zeigt  sich  aber  direkt  in  der  Ontogenese, 
daß  eine  Vergrößerung  der  Anlagen  stattfindet  und  trotzdem  jene 
extraterritorialen  Muskel-  und  Nervenanlagen  vorhanden  sind.  Jene 
beiden    Vorgänge     stehen    also    in    keinem    ursächlichen 


Zusammenhang. 


Drehungen  der  Flossen  anlagen.  Es  kommen  liier  (im 
Gegensatz  zu  den  Extremitäten  der  Tetrapoden,  welche  verschieden- 
artigere Aenderungen  eingehen)  nur  solche  Drehungen  in  Betracht, 
welche  die  freie  Flosse  in  tote  in  eine  andere  Stellung  zum  Rumpfe 
bringen.  Es  wird  aus  der  anfänglich  horizontalen  eine  schräge  oder 
senkrechte  Stellung  der  Flossenfläche.  Entsprechend  dreht  sich  die 
Anheftuugslinie  am  Rumpf. 

Nicht  zu  verwechseln  hiermit  sind  embryonale  Stellungsänderungen 
der  Flossen  ohne  Stellungswechsel  der  Anheftungslinie.  Da  wo  der 
Darm  lange  durch  Dottermassen  aufgebläht  bleibt,  wird  auch  die  Lagerung 
der  Extremitätenleisten  beeinflußt  (Ganoiden,  Teleostier).  Liegen  die- 
selben oberhalb  des  Dotters,  so  sind  sie  vertikal  in  die  Höhe  ge- 
richtet (z.  B.  Eig.  95  I  •*,  p.  32).  Sind  sie  unterhalb  desselben  gelegen 
(wie  das  bei  dem  geblähten  Bauch  von  Anurenlarven  der  Fall  ist),  so 
stehen  sie  auch  vertikal,  aber  nach  unten  gerichtet.  Diese  rein  se- 
kundäre, durch  die  Bauchform  bedingte  Stellungsänderung  der  Extremität 
macht  oft  die  wirkliche  Rotation  schwer  ei'kennbar. 


Fig.  194.    Ceratodus  Forsten,     a  Anlage  der  Brustflosse,  b  Anlage  der  Becken- 
flosse.   Nach  R.  Semon. 


1)  Balfour  (1881,  p.  662,  A.  L.  II)  stellte  diese  Ansicht  als  möglich  hin. 
DoHKN  1884,  p.  64,  A.  L.  III  •'  suchte  ihr  absolute  Geltung  zu  verschaffen  und  be- 
zeichnete den  postulierten  Vorgang  als  Konzentration  der  Flossenanlagen. 
DoHRN,  Rabl,  Mollier  u.  a.  leiteten  aus  den  angenommenen  Konzentrationen  ein 
Argument  für  die  Lateralfaltenhypothese  ab.  Es  liegt  dieser  Vorstellung  die  An- 
nahme zu  Grunde,  daß  die  .Muskel-  und  Nervenanlagen,  welche  als  voll  entwickelte 
imd  als  rudimentäre  Bildungen  in  den  Extremitäten  gefunden  werden,  einmal  alle 
gleichzeitig  voll  entwickelt  waren.  Gerade  dies  aber  ist  unerwiesen.  Es  führt 
auch  zu  unhaltbaren  Konsequenzen.  In  der  Muskulatur  der  Bauch  flösse  eines 
Rhinaembrvo  konnte  ich  29  Spinalnerven  (in  sehr  verschieden  entwickeltem  Zustand* 
nachweisen!  Die  Brustflosse  eines  jungen  Torpedoembryo  erstreckt  sich  über 
26  Metameren.  Hätte  sich  also  einmal  die  Beckenflosse  der  Vorfahren  von  Rhina 
mit  29  vollwertigen  segmentalen  Bestandteilen  gleichzeitig  über  ebensoviele 
Metameren  ausgedehnt,  so  wäre  sie  größer  gewesen  als  die  höchstspezialisierten  Brust- 
flossen, die  wir  kennen.  Beckenflossen  sind  aber  stets  (auch  ontogenetisch  und  pa- 
läontologisch) relativ  kleine  Gebilde,  die  fast  stets  kleiner  sind  als  die  Brustflossen  der 
Squalidenform. 


204  H.  Braus, 

Bei  der  Brustflosse  der  Teleostier  wurde  eine  Drehung  gegen 
die  Ausgangsstellung  bis  zu  einem  Winkel  von  45",  bei  der  Becken- 
flosse von  60  ^  beobachtet  (Salmo  salar,  R.  G.  Harrison  1895,  III  ^ 
p.  195).  Hier  wie  bei  Ganoiden  legt  sich  der  ursprünglich  vordere 
Rand  dorsalwärts  um,  sodaß  die  obere  Fläche  der  in  Horizontal- 
stellung gedachten  Flosse  zur  medialen,  der  Körperwand  anliegenden 
wird.  Bei  Ceratodus  steht  die  Flossenleiste  bei  beiden  Extremitäten- 
anlagen gleich  anfangs  ein  wenig  schräg,  die  Anheftungslinie  aber  noch 
annähernd  horizontal.  Die  Vor  d  er  flösse  wächst  immer  deutlicher  in 
die  für  Ganoiden-  und  Teleostierembryonen  beschriebene  Vertikal- 
stellung hinein.  Die  hintere  Extremität  aber  wendet  sich  umgekehrt 
mit  dem  Vorderrand  ventralwärts,  sodaß  die  ursprüngliche  Dorsal- 
fläche nach  außen  (lateral),  also  vom  Körper  abgewendet  liegt  (Fig.  194). 
Es  bilden  hier  die  Dipnoer  (vgl.  auch  Lepidosiren,  Fig.  14 1,  1 2,  p.  51) 
die  einzige  bekannte  Ausnahme  in  der  Embryologie  der  Fische  ;  denn 
überall  sonst  wird  die  Vertikalstellung  durch  Drehung  nach  oben  (dor- 
salwärts) eingenommen  (Semon  1898,  III  ^  p.  195). 

Funktionell  ist  die  Extremstellung  in  möglichst  steilerhobener  Lage 
für  schwimmende  Tiere  ein  sehr  zweckmäßiger  Ausgangsjjunkt  für  kräf- 
tige Bewegungen  bei  der  Aequilibrierung  und  Steuerung  des  Körpers, 
weil  von  ihr  aus  sehr  kräftige  Bewegungen  nach  abwärts  ausgeführt 
werden  können.  Wie  diese  bewerkstelligt  werden,  ist  namentlich  bei 
plötzlicher  Sistierung  schneller  Vorwärtsbewegungen  an  Knochenfischen 
(Macropoden  etc.)  zu  beobachten.  Die  Ruhelage  in  der  dorsal  gerichteten 
Extremstellung  erhöht  also  die  Aktionsbereitschaft  der  Gliedmaßen  beim 
Schwimmen.  Andererseits  ist  die  ventral  gerichtete  Extremstellung  von 
Nutzen  beim  Aufstützen  des  Körpers  auf  den  Boden,  die  bei  Dipnoern 
(auch  sekundär  bei  einigen  Teleostiern)  beobachtet  ist  (Sbmom  1.  c, 
Kathriner  1899,  Braus  1900,  p.  174).  Hier  finden  sich  Anknüpfungen 
an  die  Drehungen  der  tetrapoden  Gliedmaßen. 

II.  Die  Entwickelung  des  Gliedmaßenskelettes. 

Das  äußere  Skelett  der  paarigen  Flossen  ist  gerade  so  gebaut 
und  besitzt  dieselbe  Entwickelung  wie  dasjenige  der  Pinnae.  Es 
braucht  deshalb  die  Entwickelung  der  beiden  Unterabteilungen  des- 
selben, der  Hornfäden  und  Hautknochen  strahlen  hier  nicht 
nochmals  geschildert  zu  werden  (vgl.  p.  177).  Diejenigen  Bestandteile, 
welche  bei  den  höher  entwickelten  Pterygia  als  dermale  Knochen  mit 
dem  inneren  Skelett  in  Connex  treten,  werde  ich  bei  den  einzelnen 
Familien  im  Zusammenhang  mit  dem  letzteren  besprechen. 

Das  innere  Skelett,  welches  bei  ausgebildeten  Fischen  als  Knorpel 
oder  Ersatzknochen  ^)  in  mannigfaltiger  Gliederung  gefunden  wird, 
legt  sich  bei  allen  Fischen  anfänglich  in  jeder  Körperhälfte  als  ein- 
heitliche Mesenchym-  oder  V  orkno  rpelplatte  an.  Ich  be- 
zeichne an  dieser  mit  Rücksicht  auf  die  folgenden  Entwickelungsstufen 
denjenigen  Teil,  welcher  in  der  Rumpfvvand  liegt,  als  Gürtel  an- 
läge oder  Zonoskelett  und  denjenigen  Teil,  welcher  sich  in  die 
freie  Flossenleiste  erstreckt,  als  Basiptery  giu  m  ^). 

1)  Einem  Vorschlag  Gaupp's  folgend,  bezeichne  ich  so  die  enchondral  und 
perichondral  entstehenden  Ossifikationen.  Dermale  oder  Belegknochen 
sind  bekanntlich  die  frei  im  Bindegewebe  auftretenden  Verknöcherungen. 

2)  Balfour  (A.  L.  III)   entdeckte  (bei  Selachiern)  die  einheitliche  Anlage  des 


Entw.  d.  rorm  d.  Extremitäten  u.  d.  Extremitätenskeletts.       205 

a)  Zono Skelett. 
a)  Entwickeluiig-  des  Schultergürtels. 
Selacliier.  Der  Scliultergürtel  entsteht  als  zwei  links  und 
rechts  in  der  Körperwand,  dicht  unter  der  Haut  liegende  Spangen, 
welche  voneinander  völlig  unabhängig,  in  sich  aber  völlig  einheitlich 
sind.  In  einem  Stadium,  in  welchem  die  Anlage  aus  dicht  gedrängt 
stehenden  Mesodermzellen.  noch  nicht  aus  eigentlichem  Vorknorpel 
besteht,  findet  sich  bei  Spinax  niger  ^)  eine  dünne  Platte,  deren  Form 
und  Lage  zur  Extremitätenleiste  und  zum  Kiemenkorb  in  Fig.  195 
abgebildet  ist.  In  einem  kurz  darauf  folgenden  Stadium  ist  die 
Platte    bereits   zu    einer  [Spange   von    dem    gleichen    histogenetischen 


<!--. 


Fig.  195.  Visceralskelett  und  vordere  Extremität  von  Spinax,  20,5  mm.  Re- 
konstruktion. Sch.g  Schultergürteianlage.  EL  Extremitätenleiste.  Kb  I—V  Kiemen- 
bogen.  H,  M.II  Hyoidbogen.  31,  Q,  P  Mandibularbogen.  L  Lippen knorpel.  Md  Ein- 
gang in  die  Mundhöhle.     (Original.) 

Zustand  ausgewachsen,  welche  ventral  beinahe  bis  zur  Bauchmittel- 
linie,  dorsal  bis  fast  in  Aortenhöhe  reicht,  und  welche  jetzt  beginnt, 
in  die  Extremitätenleiste  einen  kurzen  Fortsatz  hinein- 
zusenden (Fig.  196).  Von  vornherein  sind  dabei  die  vordersten  Spinal- 
nerven,welche  zur  Flosse  gehen,  in  die  Schultergürtelanlage  eingeschlossen 
(diazonale  Nerven)  und  zwar  an  der  Stelle,  wo  nach  außen  hin  der 
Fortsatz  auswächst.  Dieser  liefert  das  B  asipterygium,  für  dessen 
weiteres  Wachstum  der  Nervenkanal  eine  sehr  wichtige  Marke  ab- 
giebt.  Die  Spange  selbst  wächst  noch  als  Vorknorpel  mit  derjenigen 
der  anderen  Seite  zusammen  und  verlängert  sich  dorsal  etwas  über 
die  Höhe  der  Medulla,  also  zu  ungefähr  ihrer  endgültigen  Länge.  Bei 
anderen  Selachiern  (Mustelus,  Torpedo,  Mollier  1894)  wurden  ähn- 
liche Vorknorpelanlagen  gefunden,    nur  war  der  Fortsatz  in  der  freien 


Skelettes  und  führte  für  den  distalen  Teil  das  Wort  ,,Basipterygium"  ein.  Die  Be- 
zeichnung „Zonoskelett"  entlehne  ich  Häckel.  —  Von  einigen  Autoren  wurde  eine 
diskontinuierliche  Anlage  des  Skelettes  angegeben  (von  Dohrn  bei  Selachiern 
getrennte  Anlage  von  Scliultergürtel  und  Basipterygium,  von  Salensky  dasselbe  bei 
Acipenser  ruthenus).  Doch  stehen  diesen  Angaben  die  übereinstimmenden  Ergebnisse 
der  Arbeiten  von  Balfour,  Wiedersheim,  Mollier,  Braus,  E.  Rüge  entgegen, 
welche  alle  Kontinuität  der  Gesamtanlage  fanden.  Wegen  des  Details  verweise  ich 
auf  die  folgenden  Kapitel. 

1)  In  der  Darstellung  der  Skelettentwickeking  von  Spinax  niger  folge  ich  den 
Untersuchungen  von  E.  Rüge  (1902),  welche  ich  leitete  und  neuerdings  an  neuem 
Material  vervollständigte  (Braus  1904,  III",  p.  195). 


206 


H.  Braus, 


Extremitätenleiste  (Basipterygium)  bereits  in  den  frühesten  beobach- 
teten Stadien  vorhanden  und  zwar  zu  einem  einfachen,  kaudalwärts 
gerichteten  Stab  entfaltet.  Bei  Torpedo  ist  derselbe  im  frühesten  Sta- 
dium von  derselben  Form,  aber  beträchtlich  länger  als  bei  Mustelus, 
die  Anlage  des  Zonoskelettes  dagegen  ventral  weniger  weit  ausgedehnt 
und  schmächtiger  als  bei  letzterem. 

Bei   der    Verknorpelung   entstehen    bei    Spinax    zunächst    in 
jedem   Antimer   separate   Anlagen,   welche   auf  den  Schultergürtel 

beschränkt  sind  (denn  das  Basi- 
pterygium chondrifiziertfür  sich)  und 
in  der  Bauchmittellinie  nicht  zu- 
sammenhängen. Im  nächsten  Sta- 
dium tritt  der  Zusammenschluß  in 
der  Medianlinie  ein.  Bei  Mustelus 
und  Torpedo  erfolgt  die  Chondri- 
tikation  in  derselben  Weise,  nur  fand 
sich  hier  bereits  die  Vereinigung  der 
Knorpel  in  der  Medianlinie  im  frü- 
hesten beobachteten  Stadium  voll- 
zogen. 

Der  Vorkuorpelstreifen.  welcher 
zwischen  dem  Schultergürtel-  und 
dem  Basipterygiumknorpel  übrig 
bleibt,  wandelt  sich  später  in  Knor- 


Fig.  196.  Anlage  des  Schultergürtels 
von  Spinax,  23  mm.  fechrägschnitt,  welcher 
der  Längsrichtung  der  Anlage  folgt  und 
sie  voll  getroffen  hat.  G  Schultergürtel. 
b  Basipterygium.  n  Flossennerv.  Nach  E. 
Rüge. 


pel  mit  faseriger,  zum  Teil  elastischer  Grundsubstanz  um  und 
lockert  sich  durch  Auftreten  von  Spalten  in  dem  Gewebe  nachträglich 
auf.  Es  entstellt  eine  besondere  Art  von  Gelenkhöhle  (primitive 
Periarthrose,  Schultergelenk).  Trotz  der  inkompletten  Ausbil- 
dung eines  Hohlraumes  ist  die  Form  der  hyalinknorpeligen  Be- 
grenzungsflächen eine  den  Kugelgelenken  höherer  Tiere  ähnliche,  nur 
bildet  sich  der  Kopf  des  Gelenkes  auf  der  Schultergürtelanlage,  die 
Pfanne  an  den  Teilen  des  Basipterygium  aus.  Die  peripheren  Teile 
des  Faserknorpels,  welcher  das  Schultergelenk  ausfüllt,  sind  spalten- 
frei und  stellen  die  Kapsel  des  Gelenkes  dar.  Eine  komplette 
Auflösung  der  genetischen  Kontinuität  z  w  i  s  c  h  e  n  Z  o  n  o- 
skelett  und  Basipterygium  findet  also  nicht  statt  (Se- 
MON  1898,  III^  p.  195,  auch  Bernays  1878,  E.  Buge  1902). 

Auf  Grund  vergleichend-anatomischer  Betrachtungen  über  das  Skelett 
der  paarigen  und  unpaarigen  Flossen  der  Selachier  wurde  die  Hj^pothese 
gebildet,  daß  die  Extremitätengürtel  aus  dem  Basipterygium  durch 
sekundäres,  ax  ip  etale  s  Wachstum  desselben  in  die  ßumpfwand  hinein 
entstanden  seien  (Thacher,  Mivabt).  Als  embryologischen  Beweis  für 
diese  Meinung  gaben  Douun  (für  das  Becken  der  Selachier  [1884, 
A.  L.  IIJS]  und  WiEDEKSHEiM  [für  beide  Gürtel,  1892])  an,  daß  in  der  That 
in  der  Ontogenese  bei  Selachiern  das  successive  Aussprossen  des  Zono- 
skelettes   vom    Basipterygium    aus    zu    beobachten    sei.     Diese    Angaben 


Entw.  d.  Form  d.  Extremitäten  u.  d.  Extremitätenskeletts.       207 

haben  sicli  nicht  bestätigt.  Eine  Zeit  lang  schien  es,  als  sei  wenigstens 
relativ  die  Anlage  des  Basipterygium  derjenigen  des  Gürtels  an  Größe 
voraus  und  daraus  —  trotz  gleichzeitigen  Vorhandenseins  im  frühesten 
Stadium  —  die  Ableitung  des  Zonoskelettes  aus  dem  Basipterygium  zu 
folgern.  Die  Differenz  in  der  Ausbildung  an  Masse  wurde 
als  Argument  für  die  phylogenetische  Succession  in  der 
Zeit  aufgestellt  (Balfour  1881,  A.  L.  III,  Mollieu  1894).  Nun 
ist  aber  in  der  Entwickelung  von  Spinax  zu  sehen,  daß  sich  der  Schulter- 
gürtel zuerst  anlegt,  und  daß  erst  in  einem  späteren  Stadium  das 
Basipterygium  aussproß  t  (E.  Rüge).  Also  auch  die  gleichzeitige 
Anlage  ist  hier  nicht  vorhanden.  Wo  sie  vorkommt  (Mustelus,  Torpedo 
Mollier)  ist,  entgegengesetzt  jener  Schlußfolgerung,  die  Ausbildung  des 
Gürtels  früher  komplett  als  die  des  Basipterygium,  weil  bei  letzterem 
große  Partieen  (besonders  das  Propterygium)  in  der  Anlage  noch  völlig 
fehlen  (M.  Pürbringer  1902).  Vielleicht  sind  auch  bei  diesen  Objekten 
die  jüngsten  Stadien  noch  nicht  bekannt.  Jedenfalls  hat  die  Ontogenie 
der  Selachier  die  Hy^Dothese  Thachers  und  Miyarts  nicht  bestätigt. 


Fig.  197.  Entwickelung  des  Skelettes  der  vorderen  Extremität  von  Acipenser 
sturio.  Stadium  a)  137  Stunden,  b)  280  Stunden,  c)  18  Tage  alt,  d)  ausgewachsen, 
linke  Flosse.  Z  Schultergürtel.  I  Metapterygium.  (J  primäres  Basale,  1'  Stamm- 
radius, /"  Endglieder  des  Stammradius).  1—6  Seitenradien,  zum  Teil  am  primären 
Basale,  zum  Teil  direkt  am  Schultergürtel  befestigt,  a— c  nach  S.  Mollier,  d  nach 
Gegenbaue.. 


Ganoiden.  Der  Schultergürtel  entsteht  bei  Acipenser  sturio 
im  ersten  Stadium  gleichzeitig  mit  dem  Basipterygium  als  einheit- 
liche Vorknorpelplatte  (Fig.  197a).  Sie  umschließt  mit  dem  in  der 
Rumpfwand  liegenden  kranialen  Teil  von  vornherein  Nerven,  welche 
zur  Flosse  verlaufen,  und  erweist  auch  dadurch,  abgesehen  von  ihrer 
Lage,    daß    die   Anlage    des   Schultergürtels   in    ihr    enthalten    ist  ^). 


1)  In  der  Darstellung  folge  ich  im  wesentlichen  S.  Mollier  (1897),  schHeße 
mich  aber  in  der  Deutung  C.  Rabl  (1901,  p.  543)  an,  welcher  den  proximalen  Teil 
der  einheitlichen  Platte  (Basale  nach  Mollier)  als  Schultergürtel  erkannte. 
Außerdem  aber  erblicke  ich  in  einem  Teil  der  einheitlichen  Platte  noch  ein  be- 
sonderes Stück,  das  primäre  Basale  (I,  vgl.  Basipterygium).  Salexsky  (1879,  1898), 
V.  Rautenfeld  (1882),  Wiedersheim  (1892)  haben  beim  Sterlet  eine  in  mancher 
Beziehung  abweichende  Darstellung  von  derjenigen  Molliers  gegeben,  differieren 
aber  wieder  untereinander.     Wiedersheim  bestätigt  die  kontinuierliche  Anlage  mit 


208  H.  Braus, 

Später  wächst  das  Zouoskelett  in  der  Rumpfwand  dorsal-  und  ventral- 
wärts  aus.  Doch  kommt  es  nicht  zur  Verwachsung  der  antimeren 
Spangen  in  der  Medianlinie  (auch  beim  Erwachsenen  fehlt  sie),  da- 
gegen wohl  zu  einer  ligamentösen  Verbindung  zwischen  dem  ska- 
pularen  Fortsatz  und  dem  Schädel.  Noch  im  Vorknorpelstadium 
schnüren  sich  das  primäre  Basale  (I,  Fig.  197)  des  Basipterygium. 
welches  zwei  Strahlen  trägt,  und  drei  weitere  isolierte  Strahlen  von 
der  Anlage  des  Schultergürtels  ab.  Nachträglich  werden  dann  zwei 
Nerven,  welche  anfangs  frei  kaudal  vom  Schultergürtel  liegen,  von 
der  Anlage  umwachsen  und  in  einen  zweiten  Kanal  aufgenommen. 
(Der  erste  Nervenkanal  ist  oben  erwähnt.)  Bei  der  V  e  r  k  n  o  r  p  e  1  u  n  g 
bleibt  das  Zouoskelett  separat.  Später  erweitert  sich  das  zweite 
Nervenloch,  indem  Muskelursprünge  sich  hineinschieben,  zu  weiten, 
für  Acipenseriden  charakteristischen  Kanälen  (Gegenbaur  1864). 

Die  Ossifikation  (Wiedersheim  1892)  tritt  zuerst  dorsal 
dicht  unter  der  Haut  auf.  Mehrere  dünne  Knochenlamellen  verbinden 
sich  untereinander  und  schließen  da  und  dort  Markräume  ein.  Sie 
liegen  dem  Perichoudrium  des  Schultergürtels  von  außen  fest  auf. 

Teleo stier.  Die  Entwickelung  des  Schultergürtels  verläuft  im 
wesentlichen  wie  bei  Ganoiden.  Auch  hier  ist  anfangs  eine  einheit- 
liche Vorknorpelplatte  vorhanden,  welche  mit  ihrem  proximalen  Ende 
unmittelbar  an  die  Somatopleura  anstößt  ('Swirski  1880,  Wieders- 
heim 1892)  ^).  Dieser  Teil  der  Platte ,  durch  seine  Lage  als  der 
spätere  Schultergürtel  gekennzeichnet,  ist  in  der  Differenzierung  der 
distalen  Partie,  dem  späteren  Basipterygium  stets  voraus  ('Swirski  1.  c. 
Ducret  1894,  III^  p.  195).  Der  ventrale  und  dorsale  Fortsatz  bilden 
sich  allerdings  erst  später  und  zwar  in  raschem  Tempo  nach  Auf- 
treten des  Knorpelkerns  in  der  Schultergürtelanlage.  Der  dorsale 
Fortsatz  differenziert  sich  nicht  über  das  vorknorpelige  Stadium 
hinaus,  soll  aber  in  späteren  Stadien  noch  die  Grundlage  zum  Auf- 
treten von  Ersatzknochen  darstellen  (Wiedersheim,  Ducret  1.  c). 
Die  Abgliederung  des  Schultergürtels  vom  Basipterygium  erfolgt  bei 
Salmoniden  erst  nach  beendigter  Chondrifikation  (Ducret). 

Das  Spangenstück,  eine  Knorpelbrücke,  welche  die  überaus 
weiten  Kanäle  des  Schultergürtels  überspannt  (vgl.  Acipenseriden),  dif- 
ferenziert sich  nach  den  Autoren  in  sehr  verschiedener  Weise.  Bei 
Cyprinoiden  geben  'Swirski  (1.  c.)  und  Emery  und  Simoni  (1886)  Auf- 
treten je  eines  Fortsatzes  am  ventralen  und  dorsalen  Abschnitt 
des  Zonoskelettes  an,    die    sich    nachträglich  vereinigen.     Ducket  findet 

dem  Basipterygium  beim  Stör  und  beschreibt  einen  Vorknorpelstreifen  in  der  dor- 
salen Verlängerung  des  Schultergürtels,  welcher  als  Grundlage  für  die  Verknöche- 
rung dient.  Knorpelig  wird  dieses  Gewebe  jedoch  nicht.  Die  Beobachtungen  über 
die  Entstehung  des  knöchernen  Schultergürtels  sind  ganz  fragmentarisch  (Göldi  1884, 
Wiedersheim  1892).  Sie  beschränken  sich  zu  sehr  auf  die  früheste  Genese  des 
Knochens.  Ob  derselbe  als  Dermal-  oder  Ersatzknochen  entsteht,  ist  noch  fraglich 
(vgl.  auch  Gegenbaur  1898,  p.  475). 

1)  Die  einheitliche  Anlage  sahen  bereits  Eathke  1833,  C.  Vogt  1842  (A.  L. 
III*),  Mettenheimer  1847.  Wiedersheim  1892  setzt  sich  allen  anderen  Autoren 
gegenüber  in  Widerspruch,  indem  er  eine  Entwickelung  des  Skelettes  von  außen  nach 
innen  (axipetal)  angiebt.  Harrison  1895  (UV;  p.  195)  schildert  die  früheste  Anlage 
als  eine  Zellansammlung,  welche  central  in  der  Mitte  der  Flossenleiste  sich  bilde. 
'Swirski  glaubte  beim  Hecht  zwei  getrennte  Anlagen  an  Stelle  des  Schultergürtels 
zu  sehen,  die  nachträglich  verschmelzen.  Eine  gründliche  Neuuntersuchung  ist  bei 
diesen  mannigfachen  Kontroversen,  namentlich  auch  bezüglich  der  Osteogenese, 
Desiderat. 


Entw.  d.  Form  d.  Extremitäten  u.  d.  Extremitätenskeletts.       209 

bei  Salmoniden  nur  eine  ventrale  Anlage,  die  sich  später  mit  dem  dor- 
salen Fortsatz  des  Schultergürtels  vereinigt.  Wiedersheim  (1892)  giebt 
an,  daß  das  Spangenstück  bei  verschiedenen  Teleostiern  in  inkonstanter 
Weise  entsteht,  findet  aber  unter  anderem,  daß  rein  dorsale  Anlage 
und  sekundäre  Vereinigung  mit  dem  ventralen  Abschnitt  des  Schulter- 
gürtels vorkommt.     Dieselbe  verknöchert  mit  separatem  Kern. 

Ein  ventraler  Fortsatz  des  primären  Schultergürtels,  welcher 
in  späteren  Stadien  kaudalwärts  in  fast  horizontaler  Lage  aussproßt, 
unterliegt  noch  Kontroversen  in  der  Deutung.  'Swirski  hält  ihn  für 
das  wahre  Coracoid,  den  ausganggebenden  Teil  für  das  Procoracoid ; 
"Wiedersheim  dagegen  (auch  Ducrbt)  deutet  das  letztere  Stück  als 
Coracoid,  den  Auswuchs  als  eine  progressive,  den  Teleostiern  eigene 
Bildung. 

Die  Ossifikation  soll  nach  Swirski  beim  Hecht  anfänglich 
unabhängig  vom  Perichondrium  des  Knorpels  erfolgen.  Wieders- 
heim und  Ducret  finden  dagegen  bei  Salmoniden  die  Ossifikation 
anfangs  auf  letzterem  („exoperichondral")  lokalisiert.  In  der  Deutung 
stehen  sich  dieselben  Ansichten  gegenüber  wie  bei  Ganoiden  ^).  Auch 
der  Knorpel  selbst  ossifiziert  (von  2  Punkten  aus:  Scapula  und 
Coracoid). 

Phylogenetisches.  Bei  Ganoiden  und  Teleostiern  tritt  zwar 
in  den  Anfangsstadien  die  Anlage  des  Schultergürtels  bereits  auf  und 
behält  in  der  histiogenetischen  Diiferenzierung  vor  den  peripheren  Teilen 
den  Vorrang,  aber  gegenüber  den  Selachiern  ist  doch  eine  Differenz 
darin  gegeben,  daß  namentlich  der  v  e  n  t  r  a  1  e  Foi'tsatz  erst  relativ  spät 
entsteht.  Es  ist  zu  bedenken,  daß  die  Aufhäufung  von  Dotter  im  Bauch 
der  Embryonen  nicht  nur  die  Stellung  der  Vorderflosse  (s.  p.  203),  sondern 
auch  das  Zustandekommen  des  Gürtels  beeinflussen  muß.  Würde  sich  der- 
selbe vor  Aufzehrung  des  Dotters  komplett  anlegen,  so  wäre  er  für  die 
definitive  Bauchwand  zu  groß  und  müßte  nachträglich  wieder  resorbiert 
werden.  Dies  wird  durch  die  verspätete  Anlage  vermieden.  Im  übrigen 
herrscht  Uebereinstimmung  mit  Selachiern. 

Dipnoer.  Bei  Ceratodus -)  legt  sich  das  Innenskelett  einheitlich 
an.  Der  Schultergürtel  geht  in  der  Differenzierung  den  peripheren 
Skelettteilen  der  Flosse  voraus.  Eine  komplette  Trennung  im  Scliulter- 
gelenk  tritt  so  wenig  ein  wie  bei  Selachiern,  denen  die  Frühentwicke- 
lung völlig  zu  entsprechen  scheint.  Doch  kommt  später  Ossifikation 
hinzu,  die  in  Form  zw^eier  Platten  „unmittelbar  über  dem  Knochen'' 
erfolgt.  Auch  hier  stehen  sich  die  Deutungen,  ob  Dermal-  oder  Er- 
satzknochen, noch  unvermittelt  gegenüber. 

[3.  Entwiekelung-  des  Beckens. 
Selachier'').     Das    Zonoskelett    der    abdominalen    Gliedmaßen 
bildet  sich  in  analoger  Weise  wie  bei  den  thorakalen.    Jederseits  ent- 
steht in   der   Rumpfwand   ein  isoliertes  vorknorpeliges  Spangen- 


1)  Wiedersheim  und  Ducret  verwerten  ihren  Befund  für  die  Ansicht,  der 
Knochen  sei  ein  Ersatzknochen  (auch  Göldi  1884,  Götte  1877).  Gegenbaur  (1898) 
widerspricht  dem  und  homologisiert  ihn  mit  dem  Cleithrum,  einem  rein  der- 
malen Knochen. 

2)  Nach  R.  Semon  1898  (III',  p.  29). 

3)  Siehe  Arbeiten  von  Balfour  1881,  Dohrn  1884,  A.  Thompson  1885, 
MoLTJER  1894,  Braus  1904.  Ich  folge  im  wesentlichen  Mollier  und  meinen  eigenen 
ün  tersuchun  gen . 

Handliuch  der  Entivicke'ungslehTe.  III.  2.  14: 


210 


H.  Braus, 


stück,  in  welchem  Nerven  eingeschlossen  sind.  Der  ventrale  Fortsatz 
reicht  bis  in  die  Nähe  der  Mittellinie,  der  dorsale  über  die  Nerven- 
kanäle hinaus  (Fig.  198).  Später  bahnt  sich  vom  ventralen  Teil  der 
Anlage  aus  ein  Zusammenschluß  des  vorknorpeligen  Gewebes  in  der 
Medianlinie  an   (s  Fig.  199).     Inzwischen  hat  sich  der  Knorpel  an- 


m 


vereinigt   sich  aber  nicht  mit  der  anderen  Seite.") 
Abschnittes.   P.  ^^r.  Processus  praepubicus.   n  Borste 
ginal.) 


Fig.  198.  1.  Anlage  des  Skelettes 
in  der  ßeckenflosse  von  Torpedo,  Quer- 
schnitt. P  Becken  (Vorknorpel).  P' 
Beckenanlage  des  anderen  Antimers. 
d  dorsaler  Fortsatz  des  Beckens  (Ileum). 
A^Nerv;  teilt  sich  in  dorsalen  und  ven- 
tralen Ast,  von  welchen  jeder  separat 
den  Vorknorpel  durchsetzt,  m  Musku- 
latur der  Flosse.  3f  Rumpfmuskulatur. 
Nach  MoLLiER. 

Flg.  199.  Skelettanlage  der  Hinter- 
gliedmaße von  Spinax  niger.  (Plastische 
Rekonstruktion  von  vorne  gesehen.)  Die 
rechte  Beckenhälfte  in  etwas  anderer 
Stellung  als  die  linke.  Die  Kuorpel- 
anlagen  sind  punktiert,  die 
Vorknorpelanlage  im  Halbton 
wiedergegeben.  P  Becken- 
knorpel. Pp  Propterygium. 
S  Zusammenhang  zwischen 
den  Antimeren  (oberhalb  der 
schmalen  Brücke  trennt  ein 
schmaler  Spalt  die  Anlagen 
noch  völlig ;  ein  vorspringender 
Fortsatz  des  linken  Bogens 
schiebt  sich  vor  den  Spalt, 
d  höchster  Punkt  des  dorsalen 
im  Nervenkanal  steckend.    (Ori- 


gelegt,  welcher  separat  im  Becken  (P)  und  distalen  Skelett  (Pj))  auf- 
tritt und  (wenigstens  bei  Spinax)  anfangs  von  dem  des  anderen  Anti- 
mers in  der  Medianlinie  ziemlich  weit  entfernt  ist.  Später  kommt  es 
zu  kompletter  vorknorpeliger  und  dann  knorpeliger  Konkrescenz  in 
der  Mitte  des  Bauches,  so  daß  von  der  ursprüngliclien  Trennung  nichts 
mehr  zu  sehen  ist.  Dagegen  können  noch  kleine  mediane  Fortsätze 
aus  der  einheitlichen  Beckenflosse  auswachsen,  die  gerade  da  ent- 
stehen, wo  die  Verwachsung  erfolgte  {Pr.  i.  a.  u.  p.,  Fig.  200). 

Während  anfänglich  die  Bogenform  des  Zonoskelettes  deuthch 
ist  (Fig.  198,  199),  bildet  sich  später  der  dorsale  Teil  (Ileum,  d)  zu- 
rück ;  es  tritt  außerdem  eine  erhebliche  A  b  p  1  a  1 1  u  n  g  des  ventrale  n 
Teiles  ein  (Fig.  200).  Die  beim  ausgebildeten  Tier  vorhandene  ebene 
Platte,  an  welche  ungefähr  in  gleicher  Flucht  seitlich  das 
Skelett  der  freien  Flosse  anstößt,  ist  also  eine  reduzierte  Bil- 
dung. 

Phylogenese.  Die  Ontogenie  beweist,  daß  die  Becken  mit  deut- 
lichem dorsalen  Fortsatz  i)  iind  von  charakteristischer  Bogenform, 


1)  v.  Davidoff  hielt  den  mit  P.  pr.  Fig.  200  bezeichneten  Fortsatz  für  den 
Rest  des  dorsalen  Abschnittes  des  Beckens  und  nannte  ihn  Proc.  iliacus.  Er  besteht 
jedoch  ontogenetisch  neben  der  wirklichen  Spitze  des  Dorsalfortsatzes  [d,  P'ig.  199). 
Während  sich  die  dorsale  Partie  zurückbildet,  wächst  der  fragliche  Fortsatz  weiter 
aus.    Es  ist  der  Processus  praepubicus  (nach  J.  Pakker,  A.  Thompson,  Wiedees- 


Entw.  d.  Form  d.  Extremitäten  u.  d.  Extremitätenskeletts.       211 

wie  sie  bei  Holoceplialen  zeitlebens  besteht,  die  phylogenetisch  ältere, 
die  Platte  der  recenten  Squaliden  und  Batoiden  eine  davon  abgeleitete 
Ausbildung  vorstellt.  Die  Homodynamie  des  Beckenbogens  mit  dem 
Schulterbogen  ist  also  in  der  Ontogenie  deutlich  (vergl.  Fig.  198  und  195, 
p.  205),  im  ausgebildeten  Zustand  aber  verwischt.    Dadurch  ist  die  An- 

Fig.  200.  Beckeiiplatte  mt 

und  ■  peripheres  Skelett 
■eines  ausgewachsenen  tSpi- 
nax  niger.  Ansicht  von 
vorn.  Während  beim  em- 
bryonalen Becken  in  der- 
selben Stellung  das  distale 
Skelett  nur  in  seinem  vor- 
deren Eand  [Pp.  Fig.  199) 

sichtbar,   im  übrigen    aber  p  ^  Pr.i.p  d 

durch    den    dorsalen    Ab-  ■'  " 

schnitt  verdeckt  ist,  ist  dasselbe  hier  (in  starker  Verkürzung)  zu  sehen.  Bezeichnung 
wie  bei  Fig.  199.  Pr.i.a.  Proc.  impar  anterior  (am  Vorderrand,  hell  beleuchtet).  P)\i.i). 
Proc.  impar  post.  (am  Hinterrand,  im  Schatten).  Mt  Metapterygium.  R  Radien. 
{Original.) 

nähme  Dohrn's  (A.  L.  III  3,  1884)  hinfällig,  welche  in  der  Ontogenese  von 
Schultergürtel  und  Becken  der  Haie  einen  Beweis  sah,  daß  beide  ihrer 
Entstehung  nach  ohne  jede  Aehnlichkeit  (heterogenetisch)  seien. 

Thacher  und  Mivart  vertraten  aus  vergleichend  anatomischen 
■Gründen  (vergl.  auch  p.  206)  die  Ansicht,  daß  die  Beckenplatte  ausge- 
wachsener Haie  der  Urform  des  Zonoskelettes  näher  stehe  als  die 
Bogenform,  wie  sie  nur  bei  Holocephalen  im  Beckengürtel,  sonst  im 
.Schultergürtel  fertiger  Tiere  vorliegt.  Es  gehört  diese  Meinung  in  den 
Vorstellungskreis  hinein,  daß  das  Zonoskelett  als  axipetaler  Auswuchs 
aus  dem  Basipterygium  entstanden  sei,  wozu  die  geringe  Größe  des 
Beckens  und  seine  Lage  (mit  dem  Basipterj^gium  in  einer  Flucht, 
Fig.  200)  eine  Illustration  bilden  sollte.  Gerade  die  Plattenform  und  die 
in  Betracht  kommende  Lage  des  Beckens  ist  aber  der  Ontogenie  nach 
etwas  spät  Erworbenes.  Der  Schultergürtel  darf  also  nicht  mit  dem 
reduzierten,  ausgebildeten  Becken  bei  Selachiern  verglichen  werden,  son- 
dern nur  mit  dem  ontogenetischen  Anfangsstadium  des- 
selben. In  diesem  Stadium  ist  die  Bogenform  kaum  weniger  ausge- 
sprochen als  beim  Schultergürtel.  Denn  d  erseht  sich  über  dem  Nerven- 
loch ungefähr  so  hoch,  wie  dieses  über  dem  tiefsten  Punkt  des  Beckens 
S  (Fig.  199).  Beim  Schultergürtel  verhält  sich  die  Höhe  der  Scapula  zu 
derjenigen  des  ganzen  Gürtels  auf  der  gleichen  Entwickelungsstufe  wie 
4 : 7,  beim  Becken  wie  4 : 8,  also  fast  ebenso.  Freilich  ist  die  Gesamt- 
höhe des  Beckenbogens  kleiner  als  diejenige  des  Schulterbogens,  wie  bei 
der  geringen  Entfaltung  der  hinteren  Extremität  gegenüber  der  vorderen 
zu  erwarten  ist. 

Dipuoer.  Die  Anlage  des  Beckens  erfolgt  nach  Semon  1898, 
(III  °,  p.  195)  bei  Ceratodus  in  continuo  mit  dem  distalen  Skelett.  An- 
fangs sind  die  antimeren  Anlagen  wie  bei  Selachiern  separiert,  später 
fließen  sie  in  der  Medianebene  zusammen.  Von  der  Symphyse  aus 
bildet  sich  erst  sekundär  der  Processus  impar,  der  aber  hier  zu  einem 


HEiMi.  Im  fertigen  Zustand  wäre  die  Stelle  der  ursprünglichen  dorsalen  Spitze  an 
dem  mit  d  bezeichneten  Punkt  zu  lokalisieren  (Fig.  200).  —  Bei  vielen  Eochen  wächst 
der  Proc.  praepubicus  sekundär  weit  stärker  aus  (Torpedo,  Mollier). 

14* 


212  H.  Braus, 

langen  Fortsatz  auswäclist.   Die  späteren  Stadien,  besonders  die  Ossi- 
fikation, sind  noch  unbekannt. 

Ganoiden  und  Teleo stier.  Beide  Familien  behandle  ich 
hier  zusammen,  weil  ihnen  eine  separate  Stellung  gegenüber  Selachiern 
und  Dipnoern  bezüglich  des  Beckens  zukommt.  Daß  bei  ihnen  ur- 
sprünglich ein  wahres  Zonoskelett  vorhanden  war,  dafür  zeugen  fos- 
sile Ueberreste  von  Crossopterygiern  (Eusthenopteron).  Inwieweit  in 
der  Ontogenese  der  recenten  Vertreter  noch  Reste  davon  vorkommen. 
ist  zur  Zeit  noch  unbekannt  (die  Frühentvvickelung  des  Beckens  von 
Polypterus  oder  Calamoichthys  würde  Aufschluß  versprechen).  In  der 
Ontogenese  der  genauer  bekannten  Formen  (Acipenseriden,  Teleo- 
stier)  ist  die  typische  Entwickelung  eines  Beckens  nicht  vorhanden, 
der  Prozeß  vielmehr  durch  andere  Vorgänge  ersetzt.  Denn  die  Top  o- 
graphie  und  E  n  twickel  ungsfolge  der  Skelettanlagen  ist  eine 
ganz  andere  als  bei  dem  Brustgürtel  derselben  Embryonen  (oder  Se- 
lachier),  ein  ganz  anderer  auch  als  bei  dem  Becken  der  Selachier 
und  Dipnoer.  Es  bildet  sich  nämlich  die  Skelettanlage  zu  erst  peri- 
pher in  der  Basis  der  freien  Flossenleiste  aus  und  wächst  erst  nach- 
träglich (axipetal)  in  die  Rumpfwand  vor 
^'  ^  (Fig.  201).     In  dieser  findet  sich  dann  später  eine 

^^:rj  '  Platte,    die  freilich  äußerlich    einer   Beckenplatte 

::-.-;J-— — --•'  >^  ^l^g  fertigen  Zustaudes  von  Selachiern  manch- 

mal gleicht,  von  der  embryonalen  Form  des 
Selachierbeckens  ganz  verschieden  und  auch 
ihrer  centripetalen  Entstehung  nach  nicht  mit  der- 


^r^ 


Fig.  201.  Frühanlage  des  Skelettes  der  Bauchflosse  von 
Acipenser  sturio :  weiß,  der  Kontur  mit  ausgezogenen  Linien. 
In  punktierter  Darstellung  ist  ein  späteres  Stadium  auf  die 
Figur  aufgepaust,  um  zu  zeigen,  daß  sich  die  Platte  B'  axi- 
jietal  als  Auswuchs  von  B  ausbildet.     Frei  nach  Molliek. 

selben  zu  vergleichen  ist^).    Sie  wird  bei  dem  Basipterygium,  zu  dem 
sie  gehört,  Besprechung  finden. 

Die  axipetale  Vorwanderung  wiesen  bei  Acipenseriden  Mollier  1897, 
bei  Polypterus  Budgett  1903  (III  ^,  p.  195),  beiT  el  e  os  t  iern  v.  Rau- 
TENFELD  (Hecht  1882),  Harrisox  1895,  Ducket  1894  (beide  bei  Salmo- 
niden, III  ^,  p.  195)  nach.  Beim  Hecht  schiebt  sich  in  späteren  Stadien 
die  gesamte  Anlage  des  Innenskelettes  der  Beckenflosse  soweit  axipetal, 
daß  nur  noch  das  terminale  Ende  in  die  Basis  der  freien  Flosse  hinein- 
ragt. Da  im  frühesten  Entwickelungsstadium  der  basale  Rand  der 
Anlage  erst  jenseits  dieser  Stelle,  also  bereits  in  der  freien  Flosse  b  e  - 
ginnt,  so  ist  die  Verschiebung  größer  als  die  relative  Breite 
der  ganzen  Skelettanlage.  Anfangs  sind  deshalb  auch  die  anti- 
meren  Anlagen  weit  voneinander  entfernt,  später  nähern  sie  sich  bis  zur 
Berührung  oder  Verschmelzung. 

b)  Basipterygium  und  dessen  Derivate, 
a.  Brustflosse  der  Selachier  und  Dipnoer. 

Das  primäre  Basale  und  seine  Radien  (Metapterygium), 
Die  erste  Anlage  des  Basipterygium  2)  der  Selachierbrustflosse  wurde 

1)  Diejenigen  Autoren,  welche  aus  vergleichend-anatomischen  Gründen  eine 
axipetale  Entwickelung  des  Zonoskelettes  vom  Basipterygium  aus  annehmen,  stützen 
sich  vornehmlich  auf  die  Beckenflosse  der  Ganoiden  (Thacher,  Mivart,  vergl.  p.  206). 

2)  Balfour    (1881)   entdeckte  die  einheithche  Entstehung  des  Basipterygium 


Entw.  d.  Form  d.  Extremitäten  u.  d.  Extremitätenskeletts.       213 


bereits    bei    der    Entstehung    des    Schultergürtels    beschrieben.     Bei 
Spinax    entwickelt    sich    aus    dem    Zonoskelett    ein    kleiner    Fortsatz, 
welcher  in  die  Flosse  hineinwächst.  Bei  Mustelus  ist  derselbe  im  frühesten 
Stadium  länger  als  bei  Spinax ;  bei  Torpedo 
wurde  er  am  längsten  gefunden.    In    allen 
Fällen  hat  der  Zapfen  das  Gemeinsame,  daß 
er  eine  Zeitlang  glatte  Konturen,  keine  Fort- 
sätze   hat.      Ich   nenne    ihn    das    „primäre 
Basale"  (Fig.  202).     Es  fangen  nun  —  bei 
dem  einen  Objekt  etwas  früher  als  bei  dem 
anderen   —   aus    diesem    primären    Basale 
Fortsätze  an  auszuwachsen:  die  Radien. 
Dieselben    entstehen    zunächst    am    late- 

Fig.  202.  Anlage  des  Basipterygium  bei  Torpedo, 
Brustflosse.  Horizontalschnitt.  Das  primäre  Basale 
(Vorknorpel)  zieht  als  glatt  konturierter  Streifen  in 
der  Flosse  kaiidalwärts.  Nerven  schwarz.  G  Gefäße. 
Nach  S.  MoLLiER. 


G  :: 


—  B 


Fig.  203.  Anlage  des  Basipterygium  bei  Spinax  niger  in  den  frühesten  Bildungs- 
stadien (Vorknorpel).  Bei  derselben  Vergrößerung  gezeichnet.  Die  Linie  AA  geht  bei 
allen  4  Stadien  durch  den  Nervenkanal  der  Schultergürtelanlage  (welche  kontinuier- 
lich ins  Basipterygium  übergeht).  Die  Linie  BB  ist  von  dem  zuerst  entstandenen  prä- 
axialen Seilenradius  aus  parallel  zu  AA  gezogen.  Stad.  a,  b  und  c  von  27  mm  langen 
Embryonen,  Stad.  d  von  31  mm  1.  Embryo,  Pp  Anlage  des  Propterygiums.  Nach 
E.  Rüge. 

ralen  (präaxialen)  ^)  Rand  der  Flosse.  Bei  Spinax  ließ  sich  ver- 
folgen,  in  welcher   Reihenfolge   diese    Sprossen   successivej  entstehen, 

und  schilderte  die  Differenzierung  des  Metapterygium  bei  Scyllium.  Er  hielt  die 
Radien  für  inkomplette  Sonderungen  aus  einer  einheitlichen  Anlage,  die  terminal 
noch  im  Knorpelstadium  zusammenhängen  sollten.  Mollier  (1894)  wies  dagegen 
bei  Torpedo  ein  Stadium  nach,  in  welchem  noch  keine  Radien  bestehen  und  das 
Basipterygium  ganz  schmal  ist.  Er  stellte  damit  zuerst  fest,  daß  die  Radien  als 
Seitensprossen  auftauchen.  Ich  folge  vornehmlich  Mollier  (Mustelus,  Torpedo),  E. 
Rüge  1902  (Spinax)  und  eigenen  Untersuchungen  1904  (III ",  p.  195). 

1)  Der  laterale  Rand  der  Flosse  wird  von  Nerven  (motorisch  und  sensibel) 
versorgt,  welche  weiter  kranialwärts  entspringen,  als  diejenigen,  welche  den 
medialen  Rand  innervieren.  Denkt  man  sich  also  eine  Achse  durch  die  Flosse  von 
ihrer  Basis  zur  Spitze  gelegt,  so  ist  die  laterale  Partie  pr  ä-,  die  mediale  postaxial 
zu  ihr  orientiert.  Diese  Ausdrücke  sind  von  Huxley  (1876,  p.  47)  geprägt  worden, 
dem  sie  viele  Autoren,  so  auch  ich  (1900,  p.  102),  entlehnten,  weil  sie  dieselben  für 
vortrefflich  halten.  C.  Rabl's  Angaben  (1901,  p.  542,  Anm.  11)  bezüglich  derselben 
sind  irrtümlich. 


214 


H.  Braus. 


indem  der  Nervenkanal  in  der  Schultergürtelanlage  als  Marke  benutzt, 
und  von  da  aus  die  Länge  des  primären  Basale  und  der  Abstand  der 
Radien  in  den  verschiedenen  Stadien  gemessen  wurde  (Fig.  203).  An- 
fangs (Stad.  a,  b,  c)  entstehen  die  Radien  in  kranio-kaudaler  Rich- 
tung einer  nach  dem  anderen.  Später  (Stad.  d)  setzt  sich  diese  Art 
der  Entwickelung  unter  beständig  fortwachsendem  Längenwachstum 
des  primären  Basale  auch  noch  fort;  es  treten  aber  außerdem  vor 
dem  zuerst  entstandenen  Radius  kranialwärts  neue  Sprossen  auf. 
Denn  bei  zunehmendem  Wachstum  der  Strecke  zwischen  den  Linien 
ÄÄ  und  BB  müßte  ja  der  zuerst  gebildete  Radius  von  dem  Nerven- 
kanal weiter  abrücken.  Statt  dessen  entstehen  an  einer  vorher  schon 
erkennbaren  diffusen  Randzone  neue  Radien  näher  an  Linie  AA. 
Diese  sollen  vorläufig  nicht  weiter  verfolgt  werden.  Ich  behandle  sie 
später  zusammen  mit  den  sekundären  Basalia,  zu  denen  sie  ge- 
hören. 

Bisher  bestand  die  ganze  Anlage  des  Basipterygium,  d.  h.  die 
Gesamt  anläge  des  Skelettes  der  freien  Gbedmaße.  aus  einer 
zusammenhängenden  Vorknorpelmasse.  Die  V  e  r  k  n  o  r  p  e  1  u  n  g 
(Fig.  209  a  b,  p.  223)  setzt  in  den  primären  Basalia  und  kurz  darauf  in 
den  Radien  mit  separaten  Centren  ein  (indem  gleichzeitig  auch 
zwischen  Schultergürtel  und  Basipterygium  die  Abgrenzung  erfolgt). 
Die  Radien  chondrifizieren  in  derselben  Reihenfolge,  wie  sie  ent- 
standen. Bei  Spinax  legen  sich  die  Querglieder  der  Einzelstrahlen 
so  an,  daß  der  zuerst  entstehende  Knorpelkern  das  Basalglied  liefert. 

Fig.  204. 


Fig.  204.  Briistflossenskelett  eines  ausgewachsenen  Embryos  von  Centrophorus 
granulosus  (Original). 

Fig.  205.  Spitze  des  Brustflossenskelettes  eines  Heptanchusembryo  103  mm  L. 
(plastische  Rekonstruktion,  Original). 


Entw.  d.  Form  d.  Extremitäten  u.  d.  Extremitätenskeletts,        215 

Separat  von  ihm  entwickelt  sich  darauf  an  der  Spitze  der  Vorknorpel- 
sprosse ein  zweiter  Knorpelkern,  das  zweite  Glied,  und  endlich 
ebenso  das  Endglied.  Bei  Mustelus  und  Torpedo  wurde  eine  zu- 
sammenhängende Knorpelanlage  für  die  ganzen  Radien  und  un- 
mittelbar nach  dem  Auftauchen  derselben  Zerfall  in  die  Querglieder 
beobachtet.  Das  vorknorpelige  Zwischengewebe  zwischen  den  Knorpel- 
centren verhält  sich  wie  dasjenige  in  der  Schultergelenkgegend  (p.  206). 
Nur  tritt  in  dem  elastischen  Faserknorpel  keine  Spaltbildung  wie  dort 
auf.  Die  Bewegung  zwischen  den  Teilen  ist  hier  in  der  freien  Flosse 
nicht  so  ausgiebig,  so  daß  die  faserigen  Zwischenplatten  der  Funktion 
genügen. 

Das  primäre  Basale  verknorpelt  in  einem  Guß.  In  ihm  treten 
nachträglich  Gliederungen  auf,  indem  bereits  angelegte  hyaline  Grund- 
substanz sich  wieder  auflöst.  Bei  Spinax  gliedert  sich  ein  terminales 
Stück,  der  Stammradius,  von  der  Basalplatte  ab  (Fig.  209c  bei  T)\ 
in  späteren  Stadien  entsteht  wahrscheinlich  ebenso  ein  E  n  d  r  a  d  i  u  s 
<Fig.  207e). 

Das  terminale  Ende  des  primären  Basale  wächst  während  der 
Verknorpelungsperiode  weiter  fort,  indem  sich  ständig  neues  Vor- 
knorpelgewebe an  ihm  bildet  und  neue  präaxiale  Seitensprossen 
erzeugt  werden.  Wenn  ungefähr  alle  Radien  angelegt  sind,  entsteht 
jedoch  bei  Spinax  auch  am  postaxialen  Rande  des  Stammstrahles 
ein  Auswuchs  ^),  in  welchem  sich  später  ein  Knorpelplättchen  diffe- 
renziert (Fig.  207  e  bei  x).  Bei  Centrophorusembryonen  findet  sich  an 
Stelle  desselben  eine  reiche  Gliederung  (Fig.  204).  Drei  freie  Radien 
1^ — 5*  und  eine  Platte  mit  4  ihr  aufsitzenden  Strahlen  {h:p  und  4* 
—  7*)  reihen  sich  aneinander.  Da  beim  ausgebildeten  Tier  die  hier 
noch  freien  Radien  mit  der  Platte  h.p  verschmolzen  sind,  so  ist  an- 
zunehmen, daß  die  Platte  überhaupt  durch  eine  Konkrescenz  der 
Basalglieder  getrennter  Strahlen  (i*— 7*  oder  mehr)  entstand.  Beim 
Embryo  von  Heptanchus  sind  noch  komplette  oder  inkomplette  Glie- 
derungen in  5  Teile  nachgewiesen  (Fig.  205  i*— 5*),  die  beim  fertigen 
Tier  völlig  verschwunden  sein  können.  Ich  nenne  das  einheitliche 
Konkrescenzprodukt  Basale  postaxiale.  Bei  Spinax  verschwindet 
das  Basale  postaxiale  in  älteren  Entwickelungsstaclien  wieder,  es  ist 
also  absortiv  ^j. 

Während  das  primäre  Basale  anfangs  ein  wenig  schräg  zur 
Rumpfwand  steht  (bei  Spinax  in  einem  Winkel  von  ca.  15 — 20*^), 
legt  es  sich  in  späteren  Stadien  der  Rumpfwand  an  ^)  und  biegt  sich 


1)  Die  postaxialen  Radien  können  natürlich  erst  in  späteren  Entwickelungs- 
stadien  auftauchen,  weil  sie  terminal  allein  erhalten  sind.  Sie  differenzieren  sich 
gleichzeitig  mit  der  Spitze  und  ihren  Vis-Ti-vis  auf  der  präaxialen  Seite.  Biseriale 
Anordnung  von  Muskelanlagen  in  viel  früheren  Stadien  (Mollier)  sind  vielleicht 
Reste  einer  ähnlichen  Topographie  des  Skelettes,  die  an  letzterem  selbst  der  späteren 
Anlage  wegen  nicht  mehr  zur  Anlage  kommt. 

2)  Bei  fossilen  Xenacanthiden  ist  dieser  postaxiale  Radienbesatz  viel  reich- 
licher entwickelt  gewesen  (Goldfuss,  Fritsch,  Brogniart,  Döderlein,  s.  Fig.  207  d). 
Auch  bei  fossilen  Crossopterygiern,  bei  welchen  schon  aus  der  Form  der  Flossen 
Aehnliches  vermutet  wurde,  sind  neuerdings  biseriale  Skelettformen  beschrieben 
worden  (Eusthenopteron  nach  Sm.  Woodward,  Goodrich).  —  Ueber  Reste  von 
solchen  Strahlen  bei  recenten  Haien  siehe  Gegenbaur  1873,  Bunge  1874. 

3)  Balfour  (1881)  hielt  die  Existenz  postaxialer  Radien  bei  Selachiern  für 
unmögiieh,  weil  er  glaubte,  daß  bei  Scyllium  das  Basale  anfangs  dem  Rumpfe  an- 
liege (keinen  Raum  für  diese  Gebilde  lasse)  und  sich  erst  später  durch  Ro- 
tation   im    Schultergelenk   schräg    stellen    könne.     Dagegen   ist  einmal   der  positive 


216 


H.  Braus, 


manchmal  sogar  auf  dieselbe  zu,  so  daß  die  Endpartie  mit  den  ])ost- 
axialen  Radien  Platz  hat,  sich  unter  dem  Bauch  nach  der  Mittellinie 
des  Körpers  zu  auszudehnen  (Fig.  20o  u.  209). 

Die  bisher  geschilderten  Skelettteile,  welche  sich  aus  dem  pri- 
mären Basale  heraus  entwickeln,  nenne  ich  insgesamt  Metaptery- 
gium  (Gegenbaur).  Dasselbe  umfaßt  also  einmal  die  Seitenradien, 
welche  aus  dem  primären  Basale  heraussprossen  (präaxial  und  post- 
axial) und  ferner  die  Gliederungen  des  primären  Basale  selbst  (Basale 
metapterygii,  Stammradius  und  Endradius).  Ebenso  wird  als  Meso- 
pterygium  und  Propterygium  (Gegenbaur)  je  ein  sekundäres 
Basale  mit  den  zugehörigen  Seitenradien  bezeichnet.  Ehe  ich  mich 
diesen  und  anderen  Formen  des  Metapterygium  zuwende,  gebe  ich 
einen  Ueberblick  über  die  Einteilung  des  Selachopterygium  und  die 
hier  verwendete  Nomenclatur. 

Basipterygium  (Balfour)  =  Gesamtskelettanlage  in  der  freien  Flosse 

zerfällt  in 


Bas  ali  a 


Seitenradien 


primäres  Ba- 
sale 

dessen  Quer- 
glieder : 

Basale    metapte- 
rygii 
(I,  l\.  204  u.  a.) 
Staramradius(II) 
Endradius  (III) 


sekundäre  Basalia 


präaxial  jjostaxial 


präaxiale  postaxiale 

(1,2,3  etc.  in Figg.)  (l*,2*,3*inFigg.> 

Seitenradien    am      Seitenradien 

primären    Basale     am  primären 


Basale    mesopte- 

rygii 
Basale  propte- 

rygii 
(vgl.  Fig.  209  u.a.) 


Basale  post- 
axiale 
(Vgl.  Fig.  204) 


Seitenradien     an 

den     sekundären 

Basalia 


Basale 


von 


Ehe  ich  die  weiteren  Derivate  des  Basipterygium  (sekundäre 
Basalia)  bei  Selachiern  bespreche,  ist  es  zweckmäßig,  die  Ent Wicke- 
lung bei  Dipnoern  zu  schildern,  weil  bei  diesen  nur  das  Meta- 
pterygium zu  Stande  kommt. 

Bei  Ceratodus-Embryonen  (Semon  1898,  III  \  p.  195)  wächst 
der  Anlage  des  Schultergürtels  aus  ein  Auswuchs  vorknorpeligen 
Gewebes  in  die  junge  Flosse  hinein:  das  primäre 
Basale  (Fig.  206).  Kurz  nachdem  im  Zonoskelett  die 
Verknorpehmg  begonnen  hat,  treten  in  proximo-distaler 
Reihefolge  Chondrifikationscentren  im  primären  Ba- 
sale der  freien  Flosse  auf.  Aus  der  zwischen  den 
Centren  übrig  bleibenden  Zwischenschicht  aus  Vor- 
knorpel sprossen  fernerhin,  nachdem  etwa  6 — 7  Cen- 
tren   im    primären    Basale    aufgetreten    sind,    Seiten- 

Fig.  206.  Frühe  Anlage  des  Skelettes  der  freien  Brust- 
flosse bei  Ceratodus.  Das  j^rimäre  Basale  als  Vorknorpelstreifen 
in  kontinuierlichem  Zusammenhang  mit  der  Schultergürtelanlage 
(letztere  nur  teilweise  gezeichnet).  Z  Knorpelcentrum  im  Schulter- 
gürtel. /  Knorpel  für  das  basale  Achsenglied.  //  Knorpel  für 
das  zweite  Achsenglied.    Nach  R.  Semon. 

strahlen  hervor.  Dieselben  entstehen ,  wie  .  bei  der  Selachierflosse. 
zuerst  präaxial   und   verknorj)elu   bald,    indem    sich    für  jedes  Quer- 

Befund  des  Auftretens  solcher  Radien  bei  Centrophorusembryonen  etc.  geltend  zu 
machen  und  andererseits  der  Nachweis,  daß  umgekehrt  die  schräge  Lage  die  ur- 
sprüngliche, die  anliegende  Position  die  spätere  ist. 


Entw.  d.  Form  cl.  Extremitäten  u.  d.  Extremitätenskeletts.       217 

glied  ein  besonderes  Chondrifikatiouscentrum  bildet  (Fig.  207a).  Aeltere 
Eutwickelnngsstadien  als  das  in  Fig.  207  abgebildete  sind  zwar  nicht 
bekannt  (die  Semon 'sehen  Serien  gehen  nicht  über  dieses  Stadium 
hinaus).  Da  aber  bei  der  fertigen  Form  zahlreiche  prä-  und  post- 
axiale Radien  sich  finden  (Fig.  207b),  ist  es  gewiß,  daß  nach  dem 
ersten  präaxialen  Radius  entsprechende  in  den  Winkeln  zwischen  den 
Gliedern  des  primären  Basale  sich  bilden  werden,  an  Stelleu,  welche 
in  Fig.  207a  bereits  durch  Vorknorpelauswiichse  kenntlich  sind.  An 
der  Spitze   ausgebildeter  Flossen    sind   noch  immer  Bildungsprozesse 


3  2   1 


B.m 


Fig.  207.  a  Brustflossen skelett  eines  Ceratodusembryo.  Nach  K.  Semox. 
b  Aus  dena  Brustflossenskelett  eines  ausgewachsenen  Ceratodus.  Nach  Bräus. 
c  Aus  dem  Bauchflossenskelett  eines  ausgewachsenen  Ceratodus.  Nach  Braus. 
d  ßrustflossenskelett  von  Xenacanthus.  Nach  Fritsch.  e  Brustflossenskelett 
eines  Embryo  von  Spinax  niger.  Nach  E.  Rüge.  SämtUche  Figuren  stehen  über- 
einstimmend so,  daß  die  präaxiale  Seite  nach  rechts,  die  postaxiale  Seite. nach  links 
gewendet  ist.  Einander  entsprechende  Teile  sind  mit  denselben  Ziffern  bezeichnet. 
Z  Schultergürtel.  B.m  Basale  metapterygii.  St  Stammradius,  er  Endradius.  Die 
übrigen  Buchstaben  siehe  Text. 


218  H.  Braus, 

neuer  Seitenstrahlen  im  Gange.  Nach  Analogie  mit  solchen  entstehen 
die  zahlreichen  präaxialen  Seitenradien  zum  Teil  durch  Sprossen. 
die  sich  von  der  vorknorpeligen  Randzone  der  Knorpelcentren 
(bei  V  Fig.  207  a)  aus  entwickeln. 

Nachträglich  treten  bei  Ceratodus  Verluste  an  Seitenstrahlen  ein. 
Bei  der  Brustflosse  des  ausgebildeten  Tieres  fehlt  der  erste  prä- 
axiale Radius  (l)  regelmäßig  (Fig.  207b).  Im  Beckenflossenskelett  ist  er 
zwar  distal  noch  vorhanden,  basal  jedoch  nicht  zu  sehen,  und  zwar 
wahrscheinlich  mit  dem  zweiten  Achsenglied  verschmolzen  (Fig.  207  c  1, 
die  vermutliche  Konkrescenzlinie  gestrichelt,  Braus  1900,  p.  256). 
Auch  beim  postaxialen  Radienbesatz  kommen  Reduktionen  vor.  Zwar 
ist  es  bei  den  bekannten  Embryonalstadieu  fraglich,  ob  an  der  mit  P 
bezeichneten  Stelle  der  Skelettaulage  in  Fig.  207a  überhaupt  knorpe- 
lige Strahlen  zu  stände  kommen,  doch  finden  sich  beim  ausgebildeten 
Tier  Reste  von  Radien,  welche  wahrscheinlich  von  solchen  herstammen 
(Fig.  207b  1*).  Andererseits  fehlen  sie  und  die  zu  II  gehörigen 
Postaxialradien,  die  in  der  Regel  reich  entfaltet  sind,  gelegenthch  bis 
auf  geringe  Ueberreste  (Fig.  207  c).  Auf  diese  Weise  wird  bei 
Ceratodus  das  erste  Quersegment  des  primären  Basale  (I)  nachträg- 
lich von  Seitenradien  entblößt  und  liefert  das  „Zwischenstück",  ein 
sekundäres  Gebilde. 

Die  vorknorpeligen  Zwischenzonen  zwischen  den  Knorpelcentren 
wandeln  sich  wie  bei  Selachiern  nachträglich  noch  in  Faserknorpel 
um.  Es  entsteht  bei  Ceratodus  außer  im  Schultergelenk  noch 
in  dem  zwischen  erstem  und  zweitem  Achsenglied  be- 
findlichen Zwischenknorpel  ein  System  von  Spalten 
(primitive  P  eriar  throse).  Alle  übrigen  bleiben  wie  bei  Se- 
lachiern solid  (Synarthrosen). 

Phylogenese.  Vergleicht  man  das  lang  ausgedehnte  primäre 
Basale  von  Selachierembryonen  (besonders  Fig.  202,  p.  213)  mit  dem 
hier  ebenso  benannten  Gebilde  bei  Ceratodus,  so  ist  die  Aehnlichkeit 
der  Form  und  der  Genese  so  komplett,  daß  ich  die  Homologisierung 
beider  für  gerechtfertigt  halte  ^).  Auch  die  Entstehung  der  prä-  und 
postaxialen  Radien  und  die  Ausbildung  der  Gliederung  ist  in  allem 
Wesentlichen  die  gleiche.  Die  postaxialen  Radien,  welche  bei  Ceratodus 
bereits  in  Rückbildung  begriffen  sind  (Fig.  207  a,  b,  c),  erleiden  noch 
höhere  Reduktionen  bei  Selachiern,  wo  sie  zwar  bei  fossilen  und  embryo- 
nalen Formen  auftreten  (Fig.  207d,  e  Fig.  204),  schließlich  im  entwickelten 
recenten  Zustand  häufig  ganz  fehlen.  Die  präaxialen  Radien  hingegen 
bilden  sich  bei  Ceratodus  ebenfalls  successive  zurück,  entwickeln  jedoch 
bei  Selachiern  progressiv  die  sekundären  Basalia,  auf  die  unten  zurück- 
zukommen sein  wird. 

Es  wird  jedoch  von  vielen  Autoren  bestritten,  daß  das  primäre 
Basale  der  Selachier  wirklich,  wie  es  in  der  Ontogenie  der  Fall  ist, 
phylogenetisch    einheitlich    gewesen    sei.      Dasselbe    soll    durch    die 


1)  Versuche,  das  Basale  meso-  oder  propterygli  der  Selachier  mit  der  Achse 
des  Ceratodusskelettes  vergleichend-anatomisch  zu  homologisieren  (Huxley,  Mivart) 
sind  mit  der  Ontogenie  der  Formen  unvereinbar. 

2)  Auch  bei  Dipnoern  wurde  eine  Entstehung  der  Achse  durch  Konkrescenz 
von  Radien,  allerdings  in  ganz  anderer  Richtung  als  bei  Selachiern,  angenommen 
(Haswell  u.  a.).  MOLLIER,  vpelcher  diese  Meinung  eine  Zeitlang  teilte,  hat  sie  in- 
zwischen wieder  aufgegeben.  Semon,  Braus,  Rabl,  FtJRBRi:NGER  u.  a.  halten  die 
Anlage  bei  Ceratodus  für  primär  einheitlich. 


Entw.  d.  rorm  d.  Extremitäten  u.  d.  Extremitätenskeletts.       219 

Konkrescenz  der  basalen  Enden  ursprünglich  separater  Radien 
nachträglicli  entstanden  zu  denken  sein.  Wenn  das  ihm  äußerlich  ähn- 
liche und  ontogenetisch  gleich  entstehende  Skelettstück  der  Dipnoer 
phylogenetisch  gerade  so  wie  on  to  gen  etis  ch  als  Einheit  gebildet 
wurde,  so  wäre  es  allerdings  unmöglich,  beide  zu  homologisieren  -).  Da 
dieses  Problem  zwar  viel  umstritten  ist,  aber  die  Entstehung  des  ge- 
samten Gliedmaßenskelettes  der  Vertebraten  betrifft,  kann  ich  nicht  an 
demselben  vorbeigehen,  sondern  will  in  kurzen  Zügen  die  logischen 
Schlußfolgerungen  skizzieren,  welche  an  das  vorhandene  Material  ge- 
knüpft wurden  i). 

Es  besteht  ohne  Zweifel  die  Möglichkeit,  daß  ein  anfänglich  in  der 
Phylogenese  aus  freien  Stäben  bestehendes  Skelett,  welches  nachträg- 
lich partiell  oder  auch  total  zu  einer  Einheit  verschmolzen  ist,  onto- 
genetisch direkt  als  Continuum  angelegt  wird.  Man  bezeichnet 
ganz  allgemein  eine  solche  Abkürzung  der  Entwickelung  durch  Fortfall 
der  frühesten  Stadien  als  C  ä  n  o  g  e  n  e  s  e.  Bei  den  Extremitäten- 
bildungen selbst  sind  derartige  Cänogenesen  höchst  wahrscheinlich  ein- 
getreten z.  B.  bei  den  Skelettstäben  der  unpaaren  Flossen  (p.  180j  und 
bei  den  sekundären  Basalia  der  jDaarigen  Flossen  (p.  222).  Wenn  es  also 
auf  der  Hand  liegt,  daß  im  primären  Basale  der  Selachier  trotz  seiner 
individuellen  Entwickelung  als  Einheit  eine  Vielheit  versteckt  liegen 
könnte,  so  ist  dieselbe  doch  dadurch  nicht  bewiesen.  Denn  der  Beweis 
bei  den  vorhin  genannten  Beispielen  besteht  darin,  daß  bei  homologen 
Gebilden  niederer  Zustände  wirklich  getrennte  Skelettstäbe 
beobachtet  sind.  Der  Atavus,  auf  welchen  die  cänogenetisch-einheit- 
lichen  Basalia  zurückgeführt  werden,  ist  also  bekannt.  Für  das 
primäre  Basale  der  Selachierflossen  ist  aber  ein  Atavus  mit  getrennten 
Skelettstäben  anstatt  der  Einheit  nicht  bekannt.  Es  ist  bisher 
keine  Form  mit  metameren  Sk  eletts  tu  cken  an  Stelle  des 
kontinuierlichen  Basale  m  e  t  ap  t  er  j^gi  i  gefunden  worden^). 
Aber  es  giebt  eine  Anzahl  von  Argumenten,  welche  das  ursprüng- 
liche Vorhandensein  einer  solchen  Form  indirekt  erweisen  sollen. 
Dieselben  haben  den  Bau  der  Weich  teile  der  Flossen  (Muskeln 
und  Nerven)  zum  Gegenstand.  Diese  sind  von  metamerer  Her- 
kunft (wie  für  die  Nerven  und  damit  indirekt  für  die  Muskeln  bei 
Selachiern  A.  Mokro  1785  nachwies,  ein  Befund,  der  auch  ontogenetisch 
durch  die  Entdeckung  metamerer  Muskel-  und  Nerven  a  nlagen  durch 
Balfour    1881    [A.  L.  II]    und    Dohrn  1884    [A.  L.  III 3]    Bestätigung 


1)  Historisch  ist  zuerst  Thacher  und  kurz  darauf  Mivart  für  die  Entstehung 
des  Gliedmaßenskelettes  aus  isolierten  Stäben  eingetreten.  Der  Vergleich  mit  den 
separaten  Radien  mancher  Pinnae  und  der  Beckenflossen  bei  Ganoiden  war  der 
Ausgangspunkt  bei  ihnen.  Ontogenetisch  müßte,  bei  getreuer  Rekapitiüation  eines 
derartigen  phylogenetischen  Prozesses,  verlangt  werden,  daß  zuerst  getrennte  Radien 
auftreten  und  daß  diese  sich  nachträglich  verbänden.  In  der  That  glaubten  auch 
Dohrn  und  Wiedersheim,  dies  gesehen  zu  haben.  Rabl,  Mollier,  Braus  und 
E.  Rüge  stimmen  aber  darin  überein,  daß  die  ältere  Angabe  Balfour's  von  der 
einheitlichen  Anlage  des  Skelettes  richtig  sei.  Die  separate  Anlage  von  Radien 
ist  also  nicht  bestätigt.  Während  Thacher,  Mivart,  Mollier  u.  a.  von  dem 
durch  Konkrescenz  entstandenen  Basale  aus  nachträglich  das  Zonoskelett  in  die 
Rurapfwand  hineinwachsend  sich  dachten,  ist  embryologisch  umgekehrt  zuerst  die 
Anlage  des  Schultergürtels  gefunden  und  von  diesem  aus  das  Aussprossen  des 
Basipterygium  beobachtet  worden  (^s.  p.  206). 

2)  Die  fossilen  Funde,  welche  als  solche  gedeutet  werden  (Cladoselache, 
Dean  1894 — 1902),  haben  vielleicht  doch  eine  Basale  besessen,  wie  nahe  verwandte 
Fossilien  auch  (Cladodus,  Symmorium);  vgl.  Jäkel  1892,  Sm.  Woodward  1898, 
Braus  1901,  1904.    Sie  sind  also  keine  Beweise. 


220  H.  Braus, 

fand).  Es  wird  nun  der  Beweis  für  die  Metamerie  des  Skelettes  darin 
gefunden  i),  daß  die  Metamerie  der  Muskel-  und  Nervenanlagen  1)  nume- 
risch und  2)  topographisch  mit  der  partiellen  Gliederung  des  Ske- 
lettes (d.  h.  also  den  Radien)  koincidiere.  Daraus  wird  eine  völlig 
metamere  Struktur  der  gesamten  Tlossen anläge  erschlossen 
(Rabl,  Mollier),  die  das  allein  Wichtige,  Primäre  sei.  Sie  gilt  als  Be- 
weis für  die  ursprüngliche  Metamerie  des  jetzt  cäuogenetisch ,  kon- 
zentriert als  Einheit  gebildeten  Basale  metapterjgii. 

Numerische  Beziehungen  der  Metamerie  von  Muskeln 
und  Nerven  zur  Anlage  desExtremitätenskeletteis 
(Radien).  „Die  Zahl  der  Strahlen  ist  gleich  der  doppelten  Zahl  der 
Wirbel,  die  sich  an  der  Bildung  der  Flossen  beteiligen.  Dieser  Satz 
gilt  in  gleicher  Weise  für  die  Squaliden  wie  für  die  Rajiden."  So 
lautet  die  Basis  für  die  numerische  Relation  bei  Rabl  (1892,  p.  203). 
Es  ist  damit  behauptet,  daß  jeder  in  die  Plossenanlage  einwachsenden 
Muskelknospe  ein  Skelettradius  entspräche.  Da  von  jedem  Myotom 
ausnahmslos,  wie  Rabl  glaubt,  zwei  DoHRx'sche  Primitivknospen  in  die 
Plossenanlagen  einsprossen  (soweit  überhaupt  die  betreffenden  Myotome 
an  der  Muskularisierung  einer  bestimmten  Plosse  beteiligt  sind),  so  muß 
als  Konsequenz    daraus    gefolgert    werden,    daß   je    zwei  Strahlen    einem 

Myotom,    alle    Strahlen    also    der    doj)pelten    Zahl    aller    beteiligten 

■p 

Myotome  entsprechen  (oder  -—  =  W,  wenn  R  die  Anzahl  der  Radien  und 

W  die  Anzahl  der  Urwirbel  bezeichnet)  2).  Es  hat  sich  aber  heraus- 
gestellt, daß  die  Zahl  der  Muskelknospen  nicht  immer  mit  der  Zahl  der  Ra- 
dien übereinstimmt.  Bei  Spinax  finden  sich  beispielsweise  statt  20  Kospen 
bei  20  Radien,  wie  man  erwarten  müßte,  deren  3  7  (Braus  1898,  1904). 
Eine  ausgedehnte  Prüfung  der  nimierischen  Relation  ermöglicht  die 
Zahl    der    metameren    Nerven,    welche    die    Flossen    der    verschieden- 

sten    Selachier   versorgen.      Anstatt    der    Formel    -—  =  W,     prüfte    ich 

also  die   Formel  -— -  =  N,    indem    von    der    allgemein    als    richtig    aner- 

kannten  Annahme  ausgegangen  wurde,  daß  die  Zahl  der  metameren 
Extremitätennerven  (N)  gleich  der  Zahl  der  Material  liefernden  Ur- 
segmente  (W)  sei.     Es  ergab  sich  bei  20  daraufhin  untersuchten  Species 

(Squaliden,    Rajiden,    Holocephalen)    nie  Uebereinstimmung    von  -—  mit 

Li 

N  (W),    dagegen    kamen  Abweichungen    bis    zu   17  im  positiven  und  bis 

■p 

zu  6  im  negativen  Sinn  auf  Seite  der  Radien  zur  Beobachtung,     -- — |-  17 

Li 
"p 

=  N    und    — 6  -=  N   bezeichnen    die    Extreme.     Auch    embr3^ologisch 

Li 

1)  Es  ist  klar,  daß  die  metamere  Anlage  der  Weichteile  schlechthiu  keiu  Be- 
weis für  die  segmentale  Urstruktur  des  Skelettes  sein  kann,  ebensowenig  wie 
jemand  sich  würde  einfallen  lassen,  aus  der  metameren  Anlage  der  Augenmuskulatur 
etwa  die  segmentale  Herkunft  des  Bulbus  herzuleiten  (Semon).  Trotzdem  ist  viel- 
fach die  Ansicht  verbreitet  (z.  B.  auch  von  Dohrn  1902  wieder  vertreten),  daß  die 
spinalen  Muskelknospen  an  sich  verböten,  eine  andere  als  metamere  Entstehung  des 
Skelettes  anzunehmen. 

2)  Die  RABL'sche  Formel  (s.  I*^,  p.  166)  ist  eine  weitere  Ableitung  dieser 
Folgerungen.  Rabl  prüfte  dieselben  an  zwei  Species  (Torpedo  und  Eaja)  und  hielt 
sie  daraufhin  bei  Rajiden  für  richtig.  Sie  ist  jedoch  weiler  für  Rajiden  mi  allge- 
meinen, noch  für  Raja  und  Tor2)edo  zutreffend,  noch  sind  die  theoretischen  Voraus- 
setzungen erwiesen  (s.  oben  im  Text). 


Entw.  d.  Form  d.  Extremitäten  u.  d.  Extremitätenskeletts.       221 

wurden  ähnliche  Abweichungen  bei  einzelnen  Species  beobachtet  (Pux- 
XETT  1901).  Die  numerische  Relation  im  Rabl' sehen  Sinne 
besteht  also  nicht,  wenn  alle  Knospen-  und  Muskelanlagen  in 
Betracht  gezogen  werden.  Nur,  wenn  —  ganz  willkürlich  —  ein  Teil 
aus  denselben  (die  der  Extremitätenleiste  zunächst  liegenden)  ausgewählt 
wird,    ist  eine  Zahlenüberstimmung  mit  den  Radien  vorhanden.  *) 

Topographische  Beziehungen,  metamer er  Muskel-  und 
Nerven  anlagen  zum  Extremitätenskelett.  Die  topographische 
Relation  gilt  für  besonders  überzeugend  und  hat  —  abstrahiert  man 
zunächst  von  der  Frage  nach  der  Metamerie  —  etwas  Bestechendes.  Faßt 
man  nämlich  solche  Fälle  in's  Auge,  in  welchen  getrennte  Muskelstreifen 
junger  Flossen,  die  Musculi  radiales,  so  orientiert  sind,  daß  ein  dorsaler 
und  ein  ventraler  Streifen  einen  Radius  der  Skelettanlage  genau  zwischen 
sich  faßt,  so  liegt  die  Vermutung  nahe ,  daß  die  Lage  der  früh  vor- 
handenen Muskeln  die  Entstehung  der  später  auftretenden  Skelettstäbe 
leite,  und  daß  deshalb  letztere  wie  erster  ursprünglich  getrennt  gewesen 
seien.  Bei  einem  solchen  genetischen  Verhältnis  kommt  es  also  natürlich 
auf  genaueste  Konkordanz  der  Teile  an.  Denn  selbst  geringe  Ab- 
weichungen, namentlich  in  den  Achsenstellungen  der  Muskel-  und  Skelett- 
streifeu  (Discrepanz  der  Lage)  widerstreben  der  Annahme  genetischer 
Wechselwirkungen.  Für  mich  ist  deshalb  die  Beobachtung  bei  Spinax 
niger,  bei  welchem  in  der  jüngsten  Anlage  der  Flosse  Discrepanzen 
zwischen  Skelett  und  Muskulatur  bestehen,  die  beim  ausgebildeten  Tier 
in  Konkordanzen  übergeführt  sind  der  Beweis ,  daß  die  letzteren 
nichts  Primitives  und  auch  nichts  Notwendiges  in  der  Ent- 
wickelang sind  (Braus   1899,   1904). 

Auch  bilden  sich  bei  Selachierembryonen  die  engen  Lagebeziehungen 
zwischen  Musculi  radiales  und  Radienanlagen  erst  insofern  allmählich 
heraus,  als  anfänglich  ein  ziemlicher  Zwischenraum  zwischen  Muskel-  und 
Skelettanlagen  und  beispielsweise  keinerlei  Berührung  zwischen  ihnen 
besteht.  Erst  später  heften  sich  die  Ursprünge  der  Muskeln  an  die 
'Skelettanlagen  an.  Die  Insertionen  thun  dies  bei  Selachiern  nur  an 
ganz  beschränkten  Stellen,  da  sie  im  übrigen  an  den  Hornfäden,  also  am 
Litegumentalskelett  befestigt  sind  (v.  Davidoff,  Mollier,  Braus). 
Man  müßte  also  schon  in  den  Frühstadien  eine  Einwirkung  per  distans 
annehmen,  wenn  die  Muskelanlagen  dirigierend  auf  die  später  entstehenden 
Skelettanlagen  wirken  sollen. 

Das  Hauptargument  schließlich  beruht  darin,   daß  die  Metamerie 

—  welche  wir  vorläufig  beiseite  ließen  und  die  doch  die  Hauptsache  ist 

—  gar  nicht  mehr  in  den  Muskelanlagen  existiert,  wenn 
sich     zwischen     ihnen     die     Skelettradien     anleg-en.       Wie 


o 


1)  Diese  ßelation  bezieht  sich  übrigens  nur  auf  die  Radien,  nicht  oder 
mir  indirekt  auf  die  Körpermetamerie.  Zieht  man  alle  Extremitätenknospen  bei 
Fischen  in  Betracht,  die  bekannt  sind,  so  schwanken  die  Zahlen  zwischen  1—4  pro 
Myotom  (bei  den  Pterygia  von  Ganoiden,  Teleostiern,  manchmal  bei  Selachiern  1;  im 
allgemeinen  bei  letzteren  2;  bei  den  Pinnae  der  Selachier  3  oder  4).  Es  erklärt  sich 
die  verschieden  große  Zahl  aus  der  verschiedenen  Dicke  der  Skelettstäbe  im  Verhältnis 
zur  Länge  der  Urwirbel.  Am  übersichtlichsten  ist  dies  bei  den  Dorsales  der  Scylliiden. 
Die  -.  Dorsalis  liegt  ganz  im  Bereich  der  Halbwirbel.  Diese  sind  nicht  merklich 
kürzer  als  die  Vollwirbel,  entsprechen  also  der  Dicke  von  je  2  Radien  der  Flossen. 
Da  aber  auf  2  Halbwirbel  erst  ein  Myotom  kommt,  liefert  dasselbe  hier  4  Knospen. 
Bei  demselben  Embryo  steht  die  1.  Dorsalis  auf  der  Grenze  zwischen  Halb-  und 
Ganzwirbeln:  es  entstehen  dort  3  Knospen.  Die  Pterygia  liegen  gänzlich  im  Be- 
reich von  Vollwirbeln:  sie  haben  2  Knospen.  Die  Metamerie  bei  einem  solchen 
Embryo  ist  natürlich  überall  dieselbe. 


222 


H.  Braus, 


MoT.LiER  (1894)  nachwies ,  verbinden  sich  die  Muskelknospen  durch 
Anastomosen  und  verlieren  dadurch  ihren  segmentalen  ^  haploneuren 
Charakter.  Dies  äußert  sich  auch  in  den  Entwickelungsprozessen  der 
Extremitätennerven  (Braus   1890). 

Ich  halte  deshalb  die  metamere  Struktur  der  Haiflossen  nicht  für 
erwiesen  und  ebensowenig  die  Einheit  der  Skelettanlage  für  eine  Cäno- 
genese.  Vielmehr  macht  die  Ableitung  des  primären  Basale  der  Selachier 
von  dipnoerähnlichen  Zuständen,  also  von  doppelt  gefiederten 
Skeletten,  wie  sie  oben  nachgewiesen  wurde,  es  sehr  wahrscheinlich,  daß 
die  Einheit  desselben  nicht  durch  Konkrescenzen  innerhalb  der  Pterygia 
entstand. 


Die    sekundären  B  a  s  a  11  a  (E  n  t  w  i  c  k  e  1  u  n  g   des   P  r  o  p  t  e  r  y  - 

g  i  u  m  und  M  e  s  o  p  t  e  r  y  g  i  u  m). 

Im  V  orknorp  elstadiu  m  entsteht  bei  Spinax  uiger  ein 
Fortsatz  des  Basipterygium,  welcher  kranialwärts  gerichtet  ist  und  sich 
dann  abschnürt  (Fig.  203  d  P^?,  p.  21?)).  Noch  deutlicher  ist  die  se- 
kundäre kranialwärts  gerichtete  Entstehung  bei  Torpedo,  da  dort 
der  Fortsatz  beträchtlich  größer  wird  und  schließlich  sogar  das  pri- 
märe Basale  an  Länge  übertriff't.  Bringt  man  die  Skelette  junger 
Entwickelungsstadien  in  entsprechende  Lage  (Fig.  208),  so  sieht  man 
unmittelbar,   daß   in    dem  jüngeren  Stadium  (a)   von    dem  gewaltigen 


G  - 


Pp 


mK 


R 


Fig.  208.  Zwei  Stadien  der  Entwickelung  des  Basipterygium  in  der  Brustflosse 
von  Torpedo.  Horizontalschnitte.  Die  Figuren  stehen  so,  daß  der  Nervenkanal 
der  Schultergürtelanlage  (in  Fig.  a  durch  die  dicht  zusammengedrängten  Nerveii 
gekennzeichnet)  bei  beiden  auf  derselben  Horizontalen  liegt.  G  Gefäße.  N  Nerv  (in 
Fig.  a  sind  die  Nerven  mit  schwarzen  Strichen  wiedergegeben).  A'  Nervenkanal  im 
Schultergürtel.  3It  Basale  metapterygii.  3fs  B.  mesopterygii.  Pp  B.  propterygii. 
Nach  S.  MoLLiER. 


Entw.  d.  Form  d.  Extremitäten  u.  d.  Extremitätenskeletts.       223 


Fortsatz  Fp  des  Stadiums  b  noch  nichts  vorhanden  ist  (Fürbringer 
1902).     Derselbe  ist  in  den  zwischen  a  und  b  liegenden  Stadien  succes- 


sive  ausgewachsen. 


zeitig 


Bei   der  V  e  r  k  n  o  r  p  e  1  u  n  g 
mit    den    anderen  Basalia) 
besonderes    Kuorpelcentrum   an, 
pterygii  auswächst  (Fig.  209). 
dralen  Entwickelung  nach  zu  den 


des  Basipterygium  legt  sich  (gleich- 
in   diesem   sekundären  Fortsatz  ein 
das   allmählich   zum    Basale    pro- 
Dasselbe  rechne  ich  seiner  prochon- 
sekundären  Basalia. 

Vei'gleicht  man  bei  Spinax  niger  die  Formen  des  Basipterygium 
in  frühen  Stadien  mit  einander,  so  zeigt  sich,  daß  die  anfangs  schlanke 
Platte  kurz  nach  ihrer  Entstehung  an  dem  stielartigen  proximalen  Teil 
verbreitert  wird.  Schon  im  Stadium  d  der  Fig.  203  ist  jenseits  der  Linie 
(r,  welche  ungefähr  der  ursprünglichen  lateralen  Kante  der  Stadien  a 
bis  c  entspricht,  eine  neue  Partie  des  Basipterygium  entstanden,  die 
den  Stiel  zu  einem  gerade  so  breiten  Stück  umgestaltet,  wie  es  ur- 
sprünglich nur.  die  apicale  Partie  des  Basipterygium  war.  Bei  der 
Verkno  rpelung  bildet  sich  (jenseits  der  ursprünglichen  Lateral- 
kante, siehe  Linie  G,  Fig.  209a)  ein  separater  Knorpelkern:  das  Ba- 
sale mesopterygii.  Dasselbe  entsteht  also  auch  in  einem  se- 
kundär im    Basipterygium   gebildeten   Teil,    der  jedoch   innigere 


Beziehungen  zum   primären  Basale  bewahrt  als  die 


Anlage 


des  Pro- 


Fig.  209.  3  Stadien  des  Basipterygium  von  Spinax  während  der  Verknorpelung. 
Buchstabenbezeichnung  wie  bei  Fig.  28  (s.  auch  im  Text).     Nach  E.  Rüge. 

pterygium,  da  er  sich  als  Vorknorpel  nicht  wie  letzteres  selbständig 
maciit  (E.  Buge).  Bei  T  o  r  p  e  d  o  ist  letzteres,  wenigstens  partiell, 
wohl  eingetreten.  Dort  entsteht  der  Vorknorpel  für  das  Basale  me- 
sopterygii {Ms  Fig.  208b)  auch  sekundär,  lateral  vom  Rayon  des  ur- 
sprünglichen Basipterygium.  Bei  der  Verknorpelung  ist  auch  hier  das 
Centrum  in  Ms  ein  separates. 

Ueberblickt  man  die  Differenzierungen  des  Basipterygium 
der  Selachier,  so  sieht  man  3  einheitliche  Knorpelplatten  in  ihm  auf- 
treten (Basalia).  Eine  bildet  sich  in  dem  zuerst  allein  bestehenden 
Abschnitt  des  Basipterygium,  dem  primären  Basale  (s.  p.  216). 
Sie  stellt  sich  dadurch  in  Gegensatz  zu  den  beiden  anderen  Platten, 
die    in   sekundär   auftretenden   Partien    des    Basipterygium   lokalisiert 


224  H.  Braus, 

sind,  den  sekundären  Basalia.  Von  diesen  ist  das  Basale 
propterygii  durch  sekundäre  Differenzierung  der  Matrix  in  rostra- 
1er  Richtung  (nach  dem  Kopf  des  Embryos  zu)  entstanden,  das  Basale 
mesopterygii  dagegen  durch  nachträgliches  lateralwärts  ge- 
richtetes Wachstum  derselben  (Fig.  213c,  Pfeile)  ^). 

Auch  in  dem  späteren  Bereich  der  sekundären  Basalia  liefert  das 
vorknorpelige  Basipterygium  Sprossen,  die  R  a  d  i  e  n.  Ihre  Entwickelung 
dauert  noch  an.  wenn  bereits  die  Verknorpelung  eingesetzt  hat  (Fig.  209). 
Bei  Spinax  niger  bilden  sich  die  Radien  der  sekundären  Basalia 
successiv  in  kaudo- kranialer  Reihenfolge,  also  gerade  in 
umgekehrter  Richtung  wie  die  Radien  des  Metapterygium,  die  kranio- 
rostralwärts  aussprossen  (E.  Rüge  1902,  vgl.  Fig.  2Ö3  und  207).  Auch 
bei  Torpedo  ist  am  Propterygium  die  kaudo-rostral  gerichtete  Ent- 
stehungsfolge der  Radien  beobachtet  worden  (Mollier  1894,  s. 
Fig.  29b). 

Sind  die  Radien  verknorpelt,  ein  Prozeß,  der  sich. in  der  für  alle 
typischen  Weise,  aber  hier  auch  kaudo-kranialwärts,  abspielt 
(Fig.  209c),  so  besteht  das  Basipterygium  der  Brustflosse  aus  M  e  t  a  - , 
Meso-  und  Propterygium. 

Die  frühe  Genese  zeigt  also  auch  die  Radien  der  sekundären 
Basalia  als  etwas  Verschiedenes  gegenüber  denen  des  primären  Basale. 
Die  kaudo-kraniale  Richtung  ihres  Entstehens  entspricht  der  Succes- 
sion,  welche  beim  Auswachsen  der  Matrix  für  die  sekundären  Basalia 
selbst  konstatiert  wurde. 

Phylogenese.  Vergleicht  man  die  Entstehung  des  Pro-  und 
Mesopteiygium  bei  Selachiern  mit  den  Differenzierungen  des  primären 
Basale  bei  Ceratodus,  so  zeigt  sich,  daß  der  Unterschied  ein  nicht  un- 
beträchtlicher ist.  Während  im  p  o  s  t  axialen  Bereich  des  primären  Basale 
bei  Dipnoern  und  Selachiern  in  gleicher  Weise  Rückbildungen  auftreten, 
sind  im  präaxialen  Gebiet  bei  Dipnoern  auch  regressive,  bei  Se- 
lachiern dagegen  pr  ogressive  Differenzierungen  (eben  die  Bildung  von 
Meso-  und  Proptervgium)    zu  verzeichnen  (Fig.   207). 

Da  bei  fossilen  Vorläufern  der  Selachier  manchmal  nur  ein  schmales, 
radienähnliches  Propterygium  und  noch  kein  Mesopterygium  vorhanden  ist 
(Fig.  207 d)  und  da  bei  den  recenten  Brustflossen  entwickelungsgeschichtlich 
noch  ein  allmähliches  Auswachsen  der  sekundären  Basalia 
mit  ihren  Radien  von  eben  derselben  Stelle  aus  kenntlich 
ist,  erweist  sich  die  Differenz  zwischen  Dipnoern  und  Selachiern  als  eine 
historisch  begründete.  Beide  Gruppen  sind  in  verschiedener  Ausbildungs- 
richtung begriffen,  welche  jedoch  von  einer  gemeinsamen  Grund- 
form mit  gieicllllläßigeill  prä-  und  postaxialen  Radienbe- 
satz abgeleitet  werden  kann.  Bei  den  Dipnoern  ist  die  allmähliche 
E  i  n  s  c  h  m  e  1  z  u  n  g  prä  axialer  Teile,  bei  den  Selachiern  die  allmähliche 
Vermehrung  von  solchen  ontogenetisch  verfolgt  worden.  Es  sei  hier 
schon  erwähnt,  daß  das  Skelett  der  Tetrapoden  (Chiridium)  an  keine 
dieser  beiden  divergierenden  Richtungen  angeschlossen  werden  kann,  wohl 


1)  Bälfour  (1881)  gab  an,  daß  im  Basipterygium  die  Anlage  des  Basale  meso- 
und  propterygii  stecke.  Doch  hielt  er  beide  noch  im  knorpeligen  Zustand  für  eins 
(ein  geraeinsames  Centrum  für  beide).  Rabl  (1892),  Mollier  (1892,  1894)  und  E. 
Rüge  fanden  alle  3  Basalia  als  separate  Knorpelkerne  im  Basipterygium.  E. 
Rüge  (1902,   auch  M.  FtiRBKiNGER  1902)  haben  besonders  die  Succession  der  Aus- 


bildung betont 


Entw.  d.  Form  d.  Extremitäten  u,  d.  Extremitätenskeletts.       225 

aber   mit  Wahrscheinlichkeit    an    die    beiden    zu  Grunde    liegende,  ent- 
wickelungs  ges  chich  tlich  noch  erkennbare  Grundform  ^j. 

ß.  Brustflossoiiskelett  der  Ganoiden  und  Teleostier. 

Die  jüngste,  bei  Acipeuser  beobachtete  Anlage  des  Basiptei\y- 
gium  besitzt  bereits  Radien  (über  den  Zusammenhang  mit  dem 
Schultergürtel  siehe  p.  207,  Fig.  197a).  In  welcher  Reihenfolge  die- 
selben entstanden,  ist  also  nicht  bekannt"^).  Noch  im  Vorknorpel- 
stadium gliedert  sich  von  der  Schultergürtelanlage  derjenige  Teil  ab, 
mit  welchem  die  beiden  terminalen  Radien  zusammenhängen  (Fig.  197b, 
I).  Es  ist  dies  das  primäre  Basale,  dessen  erster  Seitenradius 
der  Strahl  4  ist  und  dessen  2.  Seitenradius  (5)  sich  erst  in  einem 
späteren  Stadium  entwickelt  (s.  Fig.  197c).  Vielleicht  ist  der  Strahl  6 
der  fertigen  Form  (Fig.  197d)  noch  ein  dritter  entstehender  Seiten- 
strahl, welcher  sich  bildet,  wenn  sich  mit  dem  Auswachsen  von  I  die  Ur- 
sprünge der  Seitenradien  verschieben.  Doch  sind  die  Zwischenstadien 
zwischen  dem  letzten  Stadium  der  Entwickelungsserie  (c)  und  dem 
ausgebildeten  Tier  (d)  noch  unbekannt.  Auch  wissen  wir  nicht,  wie 
sich  die  Längsspaltuugen  mancher  terminaler  Querglieder  der  fertigen 
Form  im  speciellen  bilden. 

Die  Abgliederung  der  Radien  aus  der  gemeinsamen  Anlage  er- 
folgt, ehe  die  Verknorpelung  einsetzt.  Es  bilden  sich  die  knorpligen 
Strahlen  also  von  vornherein  separat. 

Von  der  reichen  Entfaltung  des  Metapterygium  wie  bei  Selachiern 
ist  freilich  bei  Acipenser  auch  in  der  Ontogenese  nichts  zu  sehen.  Ob 
andere  Ganoiden  in  ihrer  Entwickelung  mehr  davon  aufweisen,  wissen  wir 
noch  nicht.  Immerhin  sei  darauf  hingewiesen,  daß  bei  fossilen  Crosso- 
pterygiern  (Eusthenopteron,  Sm.  Woodward)  ein  doppeltgefiedertes  Meta- 
l^terygium  gefunden  wurde.  Die  von  Budgett  (III 5,  p.  195)  untersuchte 
ältere  Polypteruslarve  zeigt  eine  bemerkenswerte  Aehnlichkeit  des  Brust- 
flossenskeletts mit  dem  der  Selachier.  Speziell  findet  sich  auch  an  der 
Stelle  des  post  axialen  Basale  von  Heptanchus  eine  knorplige  Fort- 
setzung des  medialen  Flossenrandes,  welche  beim  ausgewachsenen  Fisch 
verloren  gegangen  ist.  —  Alle  Radien  der  Störflosse  für  einander 
gleichwertig  zu    halten,  geht  nicht  an ;    denn    die    Ontogenese    zeigt 


1)  Gegenbaur  (1870)  hat  daraus,  daß  an  Stelle  der  sekundären  Basalia  bei 
manchen  ausgewachsenen  Formen  nur  einzelne  Radien  vorkommen,  vergleichend- 
anatomisch  geschlossen,  daß  dieselben  aus  isolierten  Radien  durch  Concrescenz  ent- 
standen seien.  Die  Paläontologie  hat  eine  glänzende  Bestätigung  der  Schluß- 
folgerungen Gegenbaur's  geliefert,  da  bei  primitiven  fossilen  Selachiern  an  Steile  der 
einheitlichen  sekundären  Basaha  zahlreiche  isolierte  Stäbe  vorhanden  sind 
(Cladodus  Traqüar  und  Symmorium  Cope).  Der  mutmaßliche  Atavus  ist 
also  bekannt  (Braus  1901).  Die  Formen  besitzen  ein  einheitliches  primäres 
Basale.  Freilich  ist  in  der  Ontogenie  von  separaten  Anlagen  von  Radien  an  Stelle 
der  sekundären  Basalia  nichts  zu  sehen.  Wohl  aber  bestätigt  die  Entwickelungs- 
geschichte  noch  die  kaudo-kraniale  Differenzierungsrichtung  der  sekundären  Teile, 
welche  Gegenbaur  (1876)  vergleichend-anatomisch  postulierte,  nachdem  er  seine 
ältere  Anschauung  (von  der  Differenzierung  derselben  in  loco  [1870J)  aufgegeben 
hatte.  —  Die  von  Thacher  u.  a.  vertretene  Meinung,  daß  die  3  Basalia  des  Basi- 
pterygium  gleichwertige  Homodyname  seien,  widerstreitet  der  ontogeneti- 
sche  Entwickelung  derselben. 

2)  Die  kranialsten  (1  u.  2  Fig.  197a)  sind  viel  kleiner  als  die  übrigen,  möglicher- 
weise also  später  angelegt.  Entwickelung  in  kaudo-kranialer  Reihenfolge  würde  der 
Auffassung  Gegenbaur's  entsprechen,  welche  in  den  frei  am  Schultergürtel  be- 
festigten Radien  der  Ganoiden  Homologa  der  sekundären  Basaha  der  Haie  er- 
blickt. 

Handbuch  der  EiitwiclieUingslehre.     III.  2.  15 


226 


H.  Braus, 


deutlich  I  in  Beziehung  zu  zwei  und  später  zu  drei  Radien.  Es 
ist  aber  charakteristisch  für  Basalia,  daß  sie,  wie  hier  die  Pai'tie  I,  die 
gemeinsame  Matrix  für  allmählich  an  Zahl  zunehmende 
Radien  in  der  Ontogenese  bilden.  Die  geringe  Zahl  der  Seiten- 
sprossen gegenüber  Selachiern  und  Dipnoern  scheint  mir  nichts  daran 
zu  ändern,  daß  das  Prinzip  doch  deutlich  dasselbe  ist.  Der  Lage  nach 
kommt  nur  das  primäre  Basale  als  Homologen  in   Betracht  ^). 

Bei  Teleostiern  entstellt  eine  Vorknorpelplatte,  welche  einheit- 
lich ist  und,  wie  es  scheint,  das  Innenskelett  der  Brustflosse  von 
vornherein  in  toto  in  sich  birgt.  Denn  in  späteren  Entvvickelungs- 
stadien  wird  durch  partielle  Entwickelungshemmung  und  Auflösung 
des  Vorknorpels  ('Swirski  1880,  Wiedersheim  1892)  oder  gar 
schon  verknorpelter  Partien  (Ducret  III  ^,  p,  195)  aus  der  Platte 
(einmal  der  Scliultergürtel  und  ferner)  ein  System  isolierter  Radien 
(I — V  Fig.  210a)  erzeugt.  Letztere  entstehen  also  wesentlich  anders 
als  bei  den  bisher  besprochenen  Fischen  (etwa  so,  wie  Balfour  früher 
auch  bei  Selachiern  die  Entstehung  der  Radien  gefunden  zu  haben 
glaubte,  aber  nicht  durch  Sprossung,  wie  sie  in  Wirklichkeit  bei  jenen 
sich  anlegen). 

Etwas  später  bilden  sich  distal  von  diesen  Radien  zalilreiche 
kleine,  separate  Knorpelherde  (beim  Hecht  12,  Fig.  210a,  beim  Gold- 


Fig.  210.  a  Brustflossenskelett  eines  Hechtembryos  (Korabination  zweier  Figuren 
von  'SwiRSKi).  b  [Skelett  der  fertigen  Hechtflosse.  (Nach  Gegenbaur.)  z  Schulter- 
gürtel. 


liegen.  Zwischen  ihnen  und  den  Radien 
('SwiRSKi)  noch  intermediäre  Knorpel- 
die  mit  den  distalen  durch  Vorknorpel 
den  basalen  stets 


fisch  10),  die  in  einer  Reihe 
wurden    dann    beim    Hecht 
inseln  (a,    ß,   y)   angegeben, 
zusammenhängen,   aber   von 
sind. 

Es  ossifiziert  endlich  ein  Teil  der  Radien  (II — V  Fig.  210b, 
punktierte  Partien).  Auch  kommt  es  vor,  daß  dermale  Knochenstrahlen 
einzelne  Knorpel  umwachsen,  so  bei  Salmo  salar  der  kräftige  „Rand- 


biudegewebig  getrennt 


1)  Wegen  der  Litteratur  verweise  ich  auf  Wiedersheim  (1892),  Salensky 
(1892,  1898),  Mollier  (1897),  Kabl  (1902).  Ich  folge  speciell  der  Schilderung 
Mollier's,  deute  aber  mit  Rabl  das  „Basale"  Mollier's  anders  (s.  p.  207,  Anm.  l]. 
Doch  kann  ich  auch  Rabl  nicht  ganz  beipflichten,  da  dieser  das  ganze  „Basale"  MoL- 
eier's  für  die  Anlage  des  Schultergürtels  hält.  Denn  aus  dem  im  Text  angeführten 
Gründen  ist  für  mich  das  mit  I  bezeichnete  Stück  der  Fig.  197  wirkUch  ein  Basale, 
also  die  durch  die  punktierte  Linie  von  mir  in  Fig.  197a  abgegrenzte  terminale  Partie 
des  „Basale"  Mollier's  nicht  zum  Schultergürtel  gehörig.  —  S-^lensky's  Dar- 
stellung (Sterlet)  ist  sehr  abweichend  von  derjenigen  der  übrigen  Autoren.  Er  be- 
hauptet z.  B.  isolierte  Anlage  der  Radien  und  frühere  Differenzierung  bei  diesen  als 
bei  den  proximalen  Partien. 


Entw.  d.  Form  d.  Extremitäten  u.  d.  Extremitätenskeletts.       227 

strahl"  den  äußersten  Knorpelradius  (Gegenbaur  1864).     Es  bleiben 
dann  nur  4  Radien  übrig. 

Da  der  radialste  Strahl  in  der  frühesten  Entwickelung  eine  Ein- 
kerbung zeigt  (Eig.  210a,  V),  welche  an  die  Anlage  des  Metapterygium 
bei  Acipenser  (Fig.  197b,  I)  erinnert,  könnte  an  eine  Homologie  beider 
gedacht  werden.  Bei  den  übrigen  Differenzen  der  Ontogenese  der  Te- 
leostierflosse  gegenüber  den  anderen  Pterygia  gemäß  den  bisherigen  Er- 
fahrungen, kann  dies  aber  nicht  mehr   als  eine  Vermutung  sein. 

y.  Entwickelung  des  Basipterj  giuni  der  Beckenflosse. 

Selacliier.  Wie  bei  der  Brustflosse  entwickelt  sich  zuerst  das 
primäre  Basale  (Fig.  211a,  Mollier  1894).  Bei  Torpedo  ist  es, 
ebenfalls  wie  beim  thorakalen  Basipterygium,  in  dem  jüngsten  beob- 
achteten Stadium  bereits  von  ziemlicher  Länge.  Es  produziert  seit- 
lich Radien  und  wächst  dabei  weiter  terminalwärts  aus  (Fig.  211a 
und  b).     Auch    die    kranio-kaudale    Successiou    ist    also    vorhanden. 


'    '  V  ;  ■ '.  r,:r'-/i-;A»'-*-'  _,^ 

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pr.B 


Fig.  211.    Zwei    Stadien   der   vorknorpeligen    Anlage  des    Basipterygium  (und 
Beckens)  bei  Torpedo.    Nach  Mollier. 


Das   primäre  Basale   mit   seinen  Radien   ist  homodynam 
dem  Metapterygium  der  Brustflosse. 

Auch  ein  sekundäres  Basale  bildet  sich.  Es  entsteht  am 
kranialen  Rand  der  Brustflosse  eine  schmale  Skelettplatte  (Fig.  211b, 
Pp),  welche  anfangs  2,  später  3  Seitenradien  (Fig.  212)  produziert, 
also  völlig  einem  Basale  entspricht.  Auch  sie  bildet  sich,  wie  die 
sekundären  Basalia  der  Brustflosse,  erst  nachträglich  (in  Fig.  211a 
ist  dieselbe  noch  nicht  vorhanden).  Bei  der  Verknorpelung  der 
Skelettanlage  sondern  sich  die  Basalia  vom  Beckenknorpel  und  die 
Radien  von  den  Basalia  (Fig.  212). 

Da  das  sekundäre  Basale  der  Beckenflosse  das  einzige  ist  seiner 
Art,  hat  Gegenbaur  (1870)  dasselbe  dem  auch  bei  der  Brustflosse  manch- 
mal   allein   vorhandenen  Basale    propterygii  verglichen.     In  der  Ent- 

15* 


228 


H.  Braus, 


Wickelung  bildet  sich  dasselbe  melir  in  der  Richtung  des  Basale  meso- 
pterj^gii  der  Brustflosse.  Es  ist  jedoch  möglich,  daß  auch  in  der 
Brustflosse  sich  das  Propterygium  bei  Formen,  welche  kein  Mesopterj^- 
gium  besitzen,  in  etwas  anderer  Art  entwickelt  als  gewöhnlich.  Es 
harren  beim  abdominalen  Basipterj^gium  noch  manche  entwickelungs- 
geschichtliche  Detailfragen  der  Bearbeitung  ' ). 

Einer  befriedigenden  ontogenetischen  Durcharbeitung  harrt  auch 
noch  der  Kopulationsapparat  (Mixiptery gium)  der  Sel^chier.  Der- 
selbe besteht  aus  primären,  sich  knorpelig  anlegenden  Teilen,  die  zum 
Innenskelett  der  Flosse  gehören,  und  aus  d  erm  alen  krallenartigen 
Gebilden  (meist  5,  aber  bis  zu  11  Stück).  Letztere  differenzieren  sich 
im  Mesoderm  von  Hautfalten  oder  direkt  im  Innern  des  Begattungsfort- 
satzes (Petri  1877).  Sie  bestehen  aus  einer  eigentümlichen,  harten 
Substanz  (Chondrodentin,  Hubeii  1901).  Eine  Drüse,  welche  zwischen 
den  Gliedern  des  Innenskelettes  im  Mixipterygium  liegt,  entwickelt  sich 
aus  dem  Ektoderm  der  Haut  (Petri,  Huber).  Am  wenigsten  wissen 
wir  über  die  Ableitung  der  Knorpelstrahlen  aus  dem  Basipterygium. 
MoLLiER  (1894)  findet  bei  Torpedo  ein  einheitliches  Blastem  am  ter- 
minalen Ende  des  letzteren.  Aus 
diesem  differenzieren  sich  2  Strahlen 
(Fig.  212  mx\  welche  das  fragliche 
Skelett  bilden.  Ein  dritter  soll  nach 
MoLLiER  frühzeitig  abortiv  werden,  bei 
Mustelus  aber  nicht  verloren  gehen. 
Dafür,  daß  diese  Strahlen  zusammen 
das  Ende  des  Stammstrahles  re- 
präsentieren (von  dem  die  einzelnen 
Teile  durch  Längsspaltung  entstanden 
wären)  sind  aus  vergleichend-anato- 
mischen Gründen  Gegenbaur,  Junger- 
SEN,  Rabl  eingetreten.  Andere  halten 
außer  dem  Stammstrahl  noch  Seiten- 
radien für  mitbeteiligt  am  Aufbau  des 
Skelettes.  Nach  Huber  sind  es  aus- 
schließlich präaxiale ;  ich  glaube  bei 
Chlamydoselachus  einen  postaxialen^) 
Radius  zu  erkennen. 

Fig.  212.     Basipterygium    (und    Becken) 
bei  Torpedo  nach  der  Verknorpelung.     Nach 

MOLLIER. 


D  i  p  n  0  e  r.     Die    früheste  Anlage  des  primären  Basale  bei  Cera- 
todus  ist  dieselbe  wie  in  der  Vorderflosse  (Semon,  1898,  III  ^  p.  195). 


1)  Es  ist  jedoch  der  ontogenetischen  Entstehung  nach  unzweifelhaft,  daß  nur 
die  primären  BasaUa  beider  paariger  Flossen  miteinander  verglichen  werden  können 
und  ebenso  nur  unter  den  sekundären  Basalia  Homodyname  zu  finden  sind.  C.  Rabl 
(1901)  vergleicht  dagegen  das  primäre  Basale  der  Brustflosse  mit  dem  sekundären 
der  Beckenflosse  und  umgekehrt.  Darauf  baut  sich  sein  Versuch  auf,  aus  der 
Skelettanordnung  der  Pterygia  die  Abstammung  der  letzteren  von  einer  einheitlichen 
Lateralflosse  nachzuweisen. 

2)  Es  wäre  dies  ein  Beispiel  des  Vorkommens  postaxialer  Reste  im  abdomi- 
nalen Basipterygium,  von  denen  auch  in  der  Ontogenie  sonst  bisher  noch  nichts  ge- 
funden wurde. 


Entw.  d.  Form  d.  Exti-emitäten  ii.  d.  Extremitätenskeletts.       229 

Spätere  Stadien  sind  noch  nicht  bekannt.  Beim  ausgebildeten  Tier 
ist  jedoch  zu  sehen,  daß  der  präaxiale  Seitenstrahl  des  1.  Quergliedes 
nicht  völlig  verloren  geht,  wie  meist  bei  der  Brustflosse  (Fig.  207c). 
Auch  stehen  im  fertigen  Zustand  die  präaxialen  Radien  ven- 
tralwärt s,  die  postaxialen  dorsal  wärts,  während  bei  der 
thorakalen  Flosse  gerade  das  Umgekehrte  der  Fall  ist  (A.  Schneider). 
Aus  d  e  r  E  n  t  w  i  c  k  e  1  u  n  g  der  ä  u  ß  e  r  e  n  F  o  r  m  d  e  r  F 1  o  s  s  e  n 
des  Ceratodus  ergiebt  sich  mitEvidenz,  daß  diese  \'er- 
s  c  h  i  e  d  e  n  h  e  i  t  durch  entgegengesetzte  Drehungen  der 
Flossen  (also  auch  der  S k e  1  e 1 1 a n  1  a g e n)  um  je  90"  zu 
Stande  gekommen  ist^)  (Fig.  194,  p.  203).  Die  fertigen  Flossen 
sind  also  um  180^  gegeneinander  gestellt,  wie  auch  aus  ihrer  ganzen 
Struktur,  besonders  der  Topographie  des  Nervensystems  hervorgeht 
(A.  Schneider,  Hatschek,  Semon,  Braus).  Infolgedessen  müssen 
sie  sich  in  ihrer  Ruhelage  spiegelbildlich  zu  einander  verhalten. 

Ein  Mixipterygium  fehlt  bei  Dipnoern  auch  in  der  Entwickelung. 
Lepidosiren  hat  ein  eigentümliches,  der  Respiration  dienendes  Anliangs- 
gebilde  an  der  Bauchflosse,  welches  aus  der  Haut  in  Form  großer  Büschel 
hervorsproßt  (Ehler  1894,  Kerr  A.  L.  III  c,   1900). 

G  a  n  0  i  d  e  n.  Beim  Stör  entsteht  das  Skelett  der  Bauchflosse  als 
einheitlicher  Gewebsstreifen,  welcher  lateralwärts  in  Seitenradien 
fortgesetzt  ist  (Mollier  1897).  In  dem  kontinuierlichen  Streifen  sind 
jedoch  dichtere  Gewebssäulen  an  ihrem  dunklen  Aussehen  zu  er- 
kennen, welche  Fortsetzungen  der  Radien  in  ihn  hineinbilden  (Fig.  213). 
Zwischen  denselben  ist  das  Gewebe  nur  lockerer,  nicht  unterbrochen. 
Später,  bei  der  Vorknorpelung,  tritt  im  k  a  u  d  a  1  e  n  Teil  der  Flosse 
völlige  Isolierung  der  Radien  ein,  indem  die  Verbindungsstreifen 
zwischen  den  dichten  Gewebssäulen  sich  auflösen  und  letztere  zu- 
sammen mit  den  von  Anfang  an  vorhandenen  Radien  einheitliche 
Knorpelstäbe  bilden.  Im  hintersten  Flossengebiet  treten  häufig  nach- 
trägliche Einschmelzungen  ein,  indem  Radien  nicht  fertig  ausgebildet 
werden.  Im  kranialen  Teil  der  Extremität  dagegen  unterbleibt 
die  Sonderun  g  in  einzelne  Stäbe  stets.  Es  entsteht  hier 
eine  breitere  Platte,  die  später  dorsal  und  ventral  an  die  Stelle  vor- 
wächst, an  welcher  bei  den  bisher  behandelten  Fischen  das  Becken 
liegt.  In  Fig.  201  p.  212  sind  in  die  mit  ausgezogenen  Linien  reprodu- 
zierte Vorknorpelanlage  die  definitiven  Knorpel  mit  punktierten  Linien 
eingetragen. 

Die  Deutung  des  einheitlichen  Vorknorpelstreifens  2)  ist  noch  zweifel- 
haft.  Mollier  (1897)  hält  denselben  für  ein  Homologon  des  Beckens  -)- 

1)  HowES  (1887)  vertrat  dagegen  die  Ansicht,  die  spiegelbildliche  Ausbildung  sei 
nicht  durch  Drehung  entstanden,  sondern  durch  konvergente  Entwickelung  der  ent- 
gegengesetzten Ränder  beider  Flossen.  Diese  Meinung  muß  als  widerlegt  gelten. 
Rabl  (1901)  hat  sie  jedoch  wieder  aufgenommen,  indem  auch  erden  Vorderrand 
des  Skelettes  der  Brustflosse  dem  Hinter  ran  d  des  Skelettes  der  ßauchflosse  (und 
umgekehrt)  bei  Ceratodus  gleich  setzt  (vergl.  auch  p.  228,  Anm.  1). 

2)  V.  Rautenfeld  (1882)  hatte  für  den  Sterlet  und  Wiedersheim  (1892)  für 
den  Stör  angegeben,  daß  die  Radien  von  vornherein  isoliert  aufträten.  Mollier 
(1897)  zeigte  jedoch,  daß  in  einem  früheren,  dem  von  jenem  Autor  beobachteten  vor- 
ausgehenden Stadium  statt  der  Diskontinuität  eine  ei  nheitliche  Anlage  vor- 
handen ist.  Besonders  abweichend  ist  Mollier's  Befund  von  den  früheren  darin, 
daß  das  einheitliche  Basale  (B'  Fig.  35)  von  Anfang  an  kontinuierlich  ist 
und  seine  Kontinuität  nie  verliert,  während  nach  Rauteneeld  und  Wie- 
dersheim auch  dieses  aus  separaten  Stäben  entstände. 


230 


H.  Braus, 


primären  Basale  und  glaubt,  da  nach  ihm  ursprünglich  diese  beiden 
Skelettteile  aus  isolierten  Stäben  durch  Konkrescenz  entstanden  sein 
sollen,  es  liege  eine  cänogenetische  Verschmelzung  der  Radien  im  ersten 
Moment  ihres  Entstehens  vor.  Ich  würde  eher  glauben,  daß  keine 
Cänogenese  vorliegt,  sondern  daß  die  einheitliche  Grewebsplatte  mit  ihren 
Radien  (Fig.  213)  ein  typisches  Bas  ip  t  ery  gium  darstellt,    wie  es 


Fiff.  213. 


Fig.  214. 


Fig.  213.  Frühanlage  des  Skelettes  der  Beckenflosse  voo  Acipeaser  sturio. 
Nach  MoLLiER. 

Fig.  214.  Bauchflossen sklett  von  Polyodon  foliura.  Die  Grenzen  der  Skelett- 
teile mit  ausgezogenen  Linien,  die  Grenzen  der  daraufliegenden  Muskelindividueu 
mit  gestrichelten  Linien  wiedergegeben.     Nach  Braus  190ü. 

überall  bei  niederen  Fischen  auftritt.  Die  axipetal  gerichtete  Ver- 
größerung der  Radien  würde  schon  bei  diesem  ersten  uns  bekannten 
Entwickelungsstadium  eingesetzt  haben,  so  daß  die  Radien  in  Form 
der  dichten  Gewebssäulen  sich  in  das  Basale  fortsetzen,  um  in 
späteren  Stadien  zum  Teil  weiter  in  die  Rumpfwand  in  derselben  Rich- 
tung vorzudringen  und  in  dem  vorderen  Teil  als  größere  Platte  die  Baucli- 
mittellinie  zu  erreichen.  Besonders  deutlich  lassen  sich  noch  die  hier 
waltenden  Prozesse  an  den  Nervenverhältnissen  gewisser  ausgewachsener 
Knorpelganoiden  (Polyodon)  ablesen.  Denn  die  axipetal  vorwachsende 
Platte  B'  (Fig.  201  p.  212)  umwächst  Nerven,  die  ihr  in  den  Weg 
kommen  und  besitzt  deshalb  Löcher.  Bei  Polyodon  kommen  bis  zu  neun 
Nervenlöcher  vor,  die  auf  den  Interradialgrenzen  (oder  auf  den  ihnen 
entsprechen  Muskelgrenzen)  liegen  (Fig.  214)  also  nur  so  entstanden 
sein  können,  daß  isolierte  Skelettstäbe  zwischen  den  Nerven  hindurch 
vorwuchsen  und  sich  dann  verbanden  ^). 

Teleo stier.  Bei  ihnen  tritt  in  der  Beckenflosse  ein  einheitliches 
Basale   wie    bei    Ganoiden   auf,   welches   wie   dort  erst  sekundär   in 


1)  Die  zahlreichen  kleinen  Basalia  des  Polyodon  sind  natürlich  auch  ein  Argu- 
ment gegen  die  Homologisierung  dieser  neuen tstandeneu  Teile  mit  dem  phylogene- 
tisch allen  Becken. 


Entw.  d.  Eorm  d.  Extremitäten  u.  d.  Extremitätenskeletts.       231 

die  Baucliwand  vordringt.  Aus  dem  distalen  Rand  der  einheit- 
lichen Platte  differenzieren  sich  später  kleine  Strahlen  (Wieders- 
HEiM  1892,  Ducket  III -^  1894,  p.  195).  Diese  bilden  diskrete  ver- 
schieden gestaltete  Knorpelchen,  die  sich  in  der  an  den  ursprüng- 
lichen Rand  der  primär  gebildeten  Platte  anschließenden  Zone  ver- 
schiedenartig lagern. 

Die  Autoren  sind  darüber  einig,  daß  die  Verhältnisse  im  allgemeinen 
auf  diejenigen  bei  Ganoiden  beziehbar  sind.  Doch  sieht  v.  Rautenfbld 
(1882)  in  der  Platte  der  Teleostier  ein  Homologon  einzig  der  sekun- 
dären Basalplatte  des  Störs  (B'  Eig.  201),  während  Wiedbrsheim  glaubt, 
daß  auch  Homologa  der  freien  Radien  mit  in  dieselbe  eingetreten  seien. 
Die  distalen  Knorpelchen  hält  Wiedersheim  für  Homologe  der  Radien 
der  Ganoiden,  während  v.  Rautenfeld  auch  die  Möglichkeit  anei'kennt, 
daß  in  ihnen  Neubildungen  vorliegen  könnten. 

Schluß. 

D  a  s  A  b  s  t  a  m  m  u  n  g  s  p  r  0  b  1  e  m  des  G 1  i  e  d  m  a  ß  e  n  s  k  e  1  e  1 1  e  s. 
Es  giebt  im  wesentlichen  zwei  einander  scharf  gegenüberstehende 
Hypothesen,  die  zu  einer  Lösung  desselben  führen  sollen.  Die  eine 
geht  von  der  freien  Flosse  aus  und  findet  ein  Vergleichsobjekt 
für  diese  in  den  unpaaren  Flossen  (Lateralfaltenhypothese).  In 
dieser  allgemeinen  Fassung  wurde  sie  bereits  von  Gervais  (1856), 
Maclise,  Humphrey  u.  a.  vertreten.  Andere  Autoren  legten  den 
Schwerpunkt  der  Vergleichung  in  das  Zonoskelett  und  fanden  in 
Rippen  oder  Visceralbogen  etwas  diesem  Entsprechendes.  Von  diesen 
letzteren  Annahmen  hat  sich  allein  die  Kiemenbogenhypothese  Ge- 
oenbaur's  (1870,  1873)  lebensfähig  erwiesen. 

Die  Schwierigkeit  zu  einem  Resultat  zu  kommen,  liegt  namentlich 
in  der  ungemeinen  Plastizität  der  peripheren  Teile,  die  sich  verän- 
derten Funktionen  entsprechend  offenbar  leicht  umformen.  Davon 
giebt  z.  B.  einen  Begriff'  die  Nebeueinauderstellung  dreier  einfiedriger 
Skelettformen  (Monostichopterygia,  Fig.  215),  von  denen  das  erste 
einer  unpaaren  Flosse,  das  zweite  dem  Radienbesatz  eines  Visceral- 
bogens  und  das  dritte  einer  paarigen  Flosse  entnommen  ist.  Es  wäre 
leicht,  Zwischenformeu  zwischen  diese  3  Bilder  aus  den  bekannten 
Objekten  einzureihen  und  so  das  Pterygium  sowohl  zum  Visceral- 
skelett  wie  zu  den  Pinnae  in  Beziehung  zu  bringen  (auch  doppel- 
fiedrige  Skelette,  Distichopterygia,  mit  vielerlei  Zwischenformen  aus 
allen  drei  Lokalitäten  sind  bekannt).  Die  äußere  Aehnlichkeit  genügt 
also  nicht,  bestimmte  Lösungen  zu  finden.  Ließe  sich  dagegen  die 
Genese  der  scheinbar  gleichen  oder  ähnlichen  Bildungen  feststellen, 
so  wäre  zu  entscheiden,  was  von  ihnen  durch  nachträgliche  Konvergenz 
aus  verschiedener  Ausgangsform,  was  aus  gleichem  Boden  un- 
mittelbar in  verwandtschaftlicher  Aehnlichkeit  entstanden  ist. 

Die  Entwickelungsgeschichte  scheint  mir,  als  Ausgangspunkt  aller 
Skelettbildung  (Innenskelett)  die  proximale  (trunkale)  Partie 
derselben  zu  erweisen.  Bei  den  paarigen  Extremitäten  entsteht  bei  den 
niedersten  Entwickelungsformen  das  gesamte  Pterygium  als  ein  Aus- 
wuchs des  Zonoskelettes  (p.  206).  Damit  stehen  die  Ergebnisse  der 
Vergleichung  fertiger  Formen  in  gutem  Einklang.  Bei  den  Pinnae 
ist  ebenfalls  sicher  eine  axifugale  Entwickelung  erwiesen  und  der 
Ausgangspunkt    der    ganzen  Entwickelung   höchst    wahrscheinlich   im 


232 


H.  Braus, 


Achsen  Skelett  selbst  gelegen.  Wenn  wir  also  die  genetische  Methode 
befolgen,  so  müssen  wir  die  proximalen  (triinkalen)  Teile  der  paarigen 
und  unpaaren  Extremitäten  vergleichen,  nicht  die  peripheren,  den  freien 
Flossen  eingelagerten  Skelettteile.  Gerade  bei  diesen  bestehen  aber 
so  große  Verschiedenheiten  in  der  Form,  Lage  und  Genese, 
daß  jede  Vergleichbarkeit  ausgeschlossen  ist  ^). 

Andererseits  hat  das  Zonoskelett  der  vorderen  paarigen  Flossen 
mit  den  Kiemenbogen  in  der  Form  und  Lage  eine  solche  Aehnlichkeit 
(Fig.  195,  p.  205),  daß  auch  solche  Forscher,  welche  im  übrigen  die 
Ableitung  des  Extremitätenskelettes  (Basipterygium)  von  Kiemenradien 
verwerfen,  die  Homodynamie  des  S  c  h  u  1 1  e  r  b  o  g  e  n  s  mit  den  V  i  s  - 
ceralbogen  zugaben  (Dohrn,  Jäkel,  Kerr  u.  a.,  auch  Rabl  be- 
dingungsweise). Die  Versuche,  hier  die  Genese  wirklich  zu  begründen, 
stützen  sich  auf  Befunde  an  fertigen  Formen  -)  (Nachweis  der  Ver- 
sorgung des  Zonoskelettes  selbst  und  einzelner  Muskeln  durch  den  vis- 
ceralen Nervus  vagus).   Die  Schwierigkeiten  negativer  Art,  welche  beim 


Fig.  215.  i  Drei  Monostichopterygia.  a  Pinna  von  Raja  (nach  Thacher).  b  Kie- 
menradius von  Isistius  (nach  Garman).    c  Pterygium  Torpedoembryo  (Mollier). 


Becken  in  der  großen  Entfernung  vom  Kiemenkorb  erblickt  wurden, 
können  auch  ontogenetisch  als  behoben  gelten,  da  Verschiebungen 
beträchtlicher  Art  beobachtet,  also  möglich  sind  und  speziell  auch 
kaudalwärts  gerichtete  Wanderungen  vorkommen.  Positiv  hat  die 
Ontogenie  hier  ebenfalls  Aufklärung  geschaffen,  da  sie  noch  die  Bogen- 
form  des  Beckens  bei  Formen  erkennen  läßt,  die  im  fertigen  Zustand 
eine  solche  vermissen  lassen  und  deshalb  Veranlassung  für  manche  Au- 
toren gaben,  an  der  Homodynamie  von  Schulter-  und  Beckenbogen 
zu  zweifeln.  Das  also  kann  als  gesichert  gelten,  daß  die  Ableitung 
des  Schulterbogens  von  Visceralbogen  auch  die  des  Beckenbogens 
von  solchen  eo  ipso  bedeuten  muß. 

So  kühn  die  Visceralbogenhypothese  auf  den  ersten  Blick  er- 
scheint und  so  oft  sie  auch  angefochten  und  selbst  totgesagt 
worden  ist,    so  scheint  sie  mir  doch  —  immer  nur  im  Rahmen  einer 


1)  Nur  wenn  man  solche  Pterygia  zum  Vergleich  auswählt,  bei  welchen  wie  bei 
den  Bauchflossen  der  Ganoiden  —  aber  auch  in  der  Ontogenese  nachweislich  se- 
kundär! —  eine  Entwickelung  von  außen  nach  innen  stattfindet,  und  damit  Pinnae 
vergleicht,  bei  welchen  gleichfalls  nachträglich  Konkrescenzen  und  axipetale  Wachs- 
tumsprozesse eingetreten  sind,  dann  —  aber  nur  dann  ist  eine  äußere  Aehnlichkeit 
der  Entwickelungsprozesse  vorhanden,  die  aber  natürlich  hier  nicht  in  Rechnung  ge- 
setzt werden  kann.     (Vergl.  Braus  1904.) 

2)  Ich  registriere  hier  vorläufig  nur  die  neue  Mitteilung  Dohrn's  (1902),  daß 
das  Kiemenskelett  ektodermaler  Herkunft  sei  und  infolgedessen  ektodermale  Visceral- 
und  mesodermale  Gliedmaßenbogen  nicht  in  Beziehung  gebracht  werden  könnten. 
(Vergl.  auch  A.  Brauer,  Zool.  Jahrb.  1904.  p.  394.) 


Entw.  d.  Form  d.  Extremitäten  u.  d.  Extremitätenskeletts.  233 

Hypothese  —  in  gutem  Einklang  mit  den  zur  Zeit  bekannten  mor- 
phologischen Thatsachen  zu  stehen  und  für  weitere  Untersuchungen 
großen  heuristischen  Wert  zu  besitzen.  Die  Lateralfaltenhypothese 
in  ihrer  historischen  Form  hat  jedenfalls  kein  Recht,  sich  speziell  auf 
ontogeuetische  Fakta  zu  berufen  ;  denn  diese  sind  ihr  in  fast  allen 
Punkten  ungünstig. 

Es  wurde  jedoch  schon  früher  erwähnt  (p.  200,  Anm  1),  daß  mög- 
licherweise die  äußeren  Leisten,  welche  in  der  frühen  Embryonalent- 
wickelung die  Entstehung  der  paarigen  Extremitäten  bei  Fischen  ein- 
leiten, auf  einen  Vorfahren  der  jetzt  lebenden  Tetrapterygier  zurück- 
weisen, bei  welchem,  ähnlich  etwa  den  Metapleuralfalten  des  Amphioxus 
im  Bereich  des  Kiemenkorbes,  zu  jeder  Seite  des  Tieres  ein  einheitlicher 
kurzer  Saum  bestand,  der  noch  kein  Innenskelett  aufwies.  Ob  ein 
solcher  Saum  von  dermalen  Elementen  gestützt  war  (Hornfäden).  ent- 
zieht sich  der  Vermutung.  Doch  wäre  er  ähnlich  der  unpaaren  Saum- 
bildung in  der  Medianlinie  des  Körpers  zu  denken,  der  er  entwicke- 
hmgsgeschichtlich  so  ähnlich  ist.  Erst  mit  dem  Einwuchern  des  Innen- 
skelettes im  Sinne  der  Visceralbogenhypothese,  also  mit  dem  Einsprossen 
von  knorpeligen  Abgliederungen  disponibel  gewordener  Kiemenbogen, 
leitete  sich  dann  die  eigentliche  Bildung  paariger  Ex- 
tremitäten ein. 

Daß  nur  zwei  und  nicht  mehr  Gliedmaßenpaare  bei  Fischen  und 
Tetrapoden  sich  ausbildeten,  ist  zweifellos  eine  Folge  der  mechanischen 
Bedürfnisse  der  Lokomotion  und  bei  Land  tieren  im  allgemeinen  nicht 
wunderbarer,  als  daß  wir  Tischen  und  Stühlen  4  Beine  geben.  Bei 
schwimmenden  Formen  ist  die  Beschränkung  in  der  Ausbildung 
von  Extremitätenpaaren  jedenfalls  plausibler,  wenn  jedesmal  eine  neue 
transformatorische  Kombination  verschiedener  Kompo- 
nenten nötig  war,  um,  der  Kiemenbogenhypothese  gemäß,  aus  einem 
Visceralbogenpaar  Material  für  das  Knorpelskelett  eines  Flossenpaares 
zu  gewinnen.  Die  Bildung  beruhte  auf  einem  Kompromiß  zwischen  den 
funktionellen  Bedürfnissen  und  der  vorhandenen  Matrix,  nämlich  succes- 
sive  verfügbar  werdenden  Kiemenbogen.  Glaubt  man  dagegen,  daß  alle 
Rumpfmetameren  gleichmäßig  im  Besitz  kompletten  Materiales  für  die 
Bildung  paariger  Extremitäten  waren,  so  wäre  es  viel  wunderbarer,  warum 
nicht  bei  Wassertieren  und  hier  und  da  bei  Landtieren  mehr  Glied- 
maßenpaare als  gerade  zwei  entstanden. 

Litteratur  ^). 

Balfour,  F.  M.  On  the  development  of  the  skeleton  of  the  paired  fins  of  ElasmobrancMi, 
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Naturiv.  Bd.  XXXL  (N.  F.  XXIV.)  Jena  1898. 


V\  Vergl.  p.  195,  Anm.  1.  —  Eine  Anzahl  der  Abhandlungen,  welche  über  die 
Pterygia  handeln,  ist  dort  schon  aufgezählt,  da  sie  sich,  gleichzeitig  mit  den  Pinnae 
beschäftigen.  Ich  habe  auf  dieselben  im  Text  durch  den  Zusatz  III",  p.  195  ver- 
wiesen. 


234  H.  Braus, 

Braus,  H.      Ueber  die  Extremitäten  der  Selachier.      Verh.  Anat.  Ges.  Jena  1898'^. 

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Gegenbaur,  C,    Untersuchungen  zur  vergleichenden  Anatomie  der  Wirbeltiere.  IL  Schulter- 

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Leipzig  1898. 
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liche  Studien  zur  Deckknochenfrage.     Lnaug.-Diss.  Jena  1884. 
Gölte,   A.      Beiträge    zur  vergleichenden  ßlorphologie  des  Skelettsystems  der   Wirbeltiere: 

Brustbein  und  Schultergürtel.     Archiv  f.  mikr.  Anat.  Bd.  XIV.  Bonn  1877. 
Guitel,   F.    Recherches  sur  le  developpement  des  nageoires  paires  du  Cyclopterus  libmjyus  L. 

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II.  Die  paarigen  Extremitäten  der  tetrapoden  Wirbeltiere. 

1.  Die  äußere  Form  der  Gliedmaßenanlagen  und  die 
histogenetisclien  Früh  Stadien  der  Differenzierung. 

a.  Die  Formentfaltung'. 

Die  pentadaktylen  Extremitäten  entstehen  bei  den  verschiedenen 
Klassen  als  Formen,  welche  beträchtlich  voneinander  abweichen.  Bei 
Amphibien  bilden  sich  anfänglich  warzenförmige  Höckerchen,  bei  den 
Amuioten  dagegen  ausgedehnte  Längsleisten  zu  Seiten  des  Körpers. 
Bei  ersteren  findet  infolgedessen  eine  andauernd  progressive  Ent- 
faltung mit  fortschreitender  Entwickelung  statt,  bei  letzteren  dagegen 
zunächst  eine  relative  Einschränkung  auf  den  dem  späteren  Ex- 
tremitätenstiel  entsprechenden  Umfang.     Die    späteren  Prozesse,    die 


236 


H.  Braus, 


Bildimg  der  scbaufelförmigen  Endplatte  und  des  Extremitätenstieles, 
besitzen  bei  allen  Pentadaktyliern  eine  große  Aehnlicbkeit.  Die  Ent- 
stehung der  Finger  (Zehen)  weist  dagegen  mannigfache  Differenzen 
in  der  Art  und  Reihenfolge  der  Entwickeluug  auf. 

Im  allgemeinen  ^\h\\  die  vordere  Extremität  ein  wenig  früher 
als  die  hintere  angelegt;  sie  behält  auch  diesen  Vorsprung  während 
der  späteren  Ausgestaltung. 

Im  einzelneu  ist  folgendes  beobachtet  worden : 

Amphibien.  Beim  Triton  (Fig.  216)  entsteht  zuerst  ein  kleines,  rund- 
liches Höckerchen,  dessen  Durchmesser  an  der  Basis  anfänglich  kaum 
die  Länge  eines  einzigen  Ursegmentes  überschreitet.  Später  wächst  das 
Höckerchen  zu  einem  kurzen  Stummel  aus  und  gleichzeitig  verlängert 
sich  die  Basis  ein  wenig  in  der  Horizontalebene,  in  welcher  sie  liegt, 
ohne    aber    die  Länge    eines  Ursegmentes    beträchtlich    zu  überschreiten. 


Fig.  216. 
2  3  4  5 


M  a!  y.  0  i> 


Fig.  217. 


Fig.  21G.     10  Stadien    der  Entwickelung   der    vorderen    Gliedmaße   bei    Triton 
taeniatus.    Nach  Strasser. 

Fig.  217.     8  Stadien    der  Entwiclcelung    der    hinteren    Ghedmaße    bei    Triton 
taeniatus.    Nach  Strasser. 


Nun  sprossen  am  Ende  desselben  zwei  Knötchen,  a  und  b,  hervor, 
von  welchen  das  ulnar  liegende  b  etwas  größer  ist  als  das  radiale  a. 
Es  folgen  in  späteren  Stadien  noch  zwei  Knötchen,  c  und  d,  welche 
ulnarwärts  von  den  beiden  primären  inzwischen  vergrößerten  Knötchen 
successive  aus  einer  Anschwellung,  dem  „Randhöcker",  hervorsprossen. 
Bei  der  vorderen  Extremität  ist  damit  die  für  Urodelen  endgültige  Zahl 
von  Fingern  (4)  erreicht.  Bei  der  Fußanlage  (Fig.  217)  entstehen  im 
ganzen  5  Sprossen  (a  — e).  Hier  erfolgt  die  Anlage  der  ersten  Zehe  (a) 
und  des  Randhöckers,  welche  bei  der  vorderen  Extremität  zeitlich  dif- 
ferieren, synchron  ^). 


1)  Die  Sprossung  der  Extremitäten  und  Finger  schildern  im  wesenthchen  über- 
einstimmend bei  Triton  RuscoNi  (A.  L.  III'),  Götte  1879,  Strasser  1879,  Rabl 
1901  (111%  p.  195) ;  bei  Amblystoma  HoY  1871 ;  bei  Necturus  Baur  1891,  Rabl  1901 1.  c. 
—  Während  nach  Strasser  die  Spitze  des  ursprünglichen  Höckers  zur  Zehe  b 
wird  und  a  etwas  später  als  b  aussproßt,  bilden  sich  nach  Rabl  die  Zehen  a  und  b 


Entw.  d.  Form  d.  Extremitäten  u.  d.  Extremitätenskeletts.  237 

Bei  Perennibranchiaten  ist  von  Proteus  anguineus  (Zeller 
1889  (L.  16,  p.  176),  WiEDERSHEiM  1890  (A.  L.  III  ^)  bekannt,  daß  die 
Entwickelung  der  äußeren  Form  ähnlich  verläuft  wie  bei  Salamandrinen. 
Doch  bilden  sich  an  der  Hand  zunächst  nur  2  Fingeranlagen.  Bei  aus- 
geschlüpften Larven  wurde  neben  dem  kleineren  ulnaren  Zipfel  noch 
ein  dritter  gefunden.  Beim  Fuß  bleibt  es  bei  den  beiden  primären 
Anlagen;  eine  dritte  fehlt.  Messungen  über  das  Verhältnis  der  Breite 
der  vorderen  Extremität  von  Proteus  im  Vergleich  zum  Dickendurch- 
messer der  Larve  in  den  entsprechenden  Stadien  (Fürbringer  1902, 
III  ^,  p.  234)  ergaben,  daß  mit  zunehmender  Entwickelung  eine  Einengung 


aus  dem  ursprünglichen  Stummel  durch  Spaltung,  nur  Zehe  c  und  d  sprossen 
aus.  Es  erhebt  sich  sofort  die  Frage,  ob  bei  den  Fingeranlagen  der  vorderen  Ex- 
tremität diejenige,  welche  beim  Fuß  als  letzte  sich  anlegt,  e,  ausbleibt  (also  der  5. 
Finger)  oder  ob  eine  der  4  radialen  Fingeranlagen  ausgelassen  oder  übersprungen  wird? 
Von  der  letzteren  Möglichkeit  erscheint  ein  Ausfall  innerhalb  der  Reihe  (z.  B..  von 
Perrijt  1896  für  den  4.  Finger  als  Möglichiieit  behauptet)  deshalb  a  priori  als  sehr 
unwahrscheinlich,  weil  die  Fingeranlagen  ohne  erkennbare  Störung  des  Gleich- 
maßes in  der  Succession  aufeinanderfolgen  und  weil  auch  sonst  im  Bau  der 
Extremitäten  keine  Anzeichen  eines  deutlichen  Ausfalles  zu  entdecken  sind.  Be- 
züglich der  beiden  übrig  bleibenden  Möglichkeiten  (Existenz  des  1.,  2.,  3.,  4.  oder 
des  2.  3.,  4.,  5.  Fingers)  sind  die  Ansichten  der  Autoren  sehr  geteilt.  Da  die  Be- 
weisgründe für  die  eine  oder  andere  Auffassung  meistens  den  Skelettverhältnissen 
entnommen  sind,  ist  dort  dieses  Problem  zu  behandeln.  Hier  sei  nur  hervorgehoben, 
daß  die  Ontogenie  der  äußeren  Form  keinen  Aufschluß  üljer  die  schwierige  Frage 
giebt.  Denn  es  ist  kein  äußeres  Kennzeichen  der  einzelnen  Finger  bekannt,  welches 
konstant  genug  wäre,  um  für  uns  dieselben  Finger  für  Finger  zu  markieren. 
Mehnert  (1897,  p.  56)  freilich  ist  der  Ansicht,  daß  das  spätere  Aussprossen  der 
Finger  c  und  li  ein  Zeichen  von  Reduktion  sei  und  schließt  daraus,  daß  c  rück- 
gebiideter  als  a  und  h,  d  noch  abortiver  als  c,  schließlich  daß  e,  also  der  5.  Finger, 
gänzlich  verschwunden  sei.  Doch  ist  dieser  Schluß  keineswegs  zwingend,  da  einmal 
das  successive  Aussprossen  nicht  als  Reduktionserscheinung  erwiesen,  ferner  das 
Auftreten  von  Reduktionen  nicht  notwendig  auf  einer  Seite  der  Hand  lokalisiert  ist. 
Es  t;ei  auf  die  Thatsache  hingewiesen,  daß  bei  manchen  Säugern,  bei  welchen  nach- 
weislich der  1.  Finger  abortiv  geworden  ist,  auch  ontogenetisch  ein  komplettes  Aus- 
bleiben der  Anlage  desselben  konstatiert  wurde  (z.  B.  beim  Schaf).  Die  äußere 
Forment Wickelung  bestätigt  also  bei  Urodelen  nur  den  Maugel  eines  5.,  der 
fertigen  Form  fehlenden  Fingers,  nicht  denjenigen  eines  bestimmten  (etwa  das 
Fehlen  des  5.  Fingers). 

Eine  weitere  Streitfrage  ist  die,  ob  ein  5.  Finger  deshalb  nicht  angelegt  wird, 
weil  bei  den  Vorfahren  keiner  bestand  oder  ob  es  sich  um  den  sekundären  Fortfall 
eines  phylogenetisch  einst  vorhandenen  Fingers  handelt.  Auch  hier  sind  die  Argu- 
mente wesentlich  den  Skelettverhältnissen  entlehnt  und  werden  später  besprochen 
werden.  Bei  regenerierenden  Gliedmaßen  von  Urodelen  (Salamandra  und  Triton), 
die  im  allgemeinen  dieselben  Entwickelungsvorgänge  der  äußeren  Form  darbieten 
wie  die  normale  Ontogenese  (Fraisse  1885,  Tai  II,  Fig.  13,  14),  sind  jedoch  manch- 
mal 5  Finger  statt  4  auch  bei  der  vorderen  Extremität  beobachtet  worden.  Aeltere  An- 
gaben darüber  (Platteretti,  J.  Fr.  Meckel,  Darwin)  wurden  neuerdings  durch  eine 
Beobachtung  von  Barfurth  (1900)  bei  Triton  taeniatus  vermehrt  und  als  Atavismus 
gedeutet.  (Falls  es  sieh  nicht  doch  um  eine  Mißbildung  wie  sie  bei  Vermehrung 
der  gewöhnlichen  Zehenzahl  beim  Schwein,  Pferd  etc.  beobachtet  wurde,  handeln 
sollte,  würde  eine  genaue  Analyse  des  Skelettes  solcher  Mißbildungen  am  ehesten 
erkennen  lassen,  ob  der  überzählige  Finger  der  1.  oder  5.  in  der  Reihe  ist  und 
dieses  Problem  der  Lösung  näher  bringen.)  5  Finger  haben  auch  die  fossilen 
Ueberreste  mancher  kleiner  und  besonders  primitiver  Stegocephalen  (Lepospondylu, 
Jäkel  1896),  während  die  meisten  Stegocephalen  bereits  4-fingrig  waren.  Es  ist 
deshalb  kaum  zweifelhaft,  daß  die  4-fingrige  Form  auf  nachträglicher  Reduktion 
beruht,  zumal  auch  beim  Fuß  der  Urodelen  der  Verlust  einer  Zehe  vorkommt, 
und  gelegentlich  bei  der  Hand  und  beim  Fuß  stärkere  Reduktionen  bis  zum 
völligen  Schwund  führen  [s.  besonders  M.  FÜRBRESTGER  1902  (IIP,  p.  234); 
Baur  1888  und  Rabl  1901  (III^  p.  235)  halten  dagegen  das  successive  Aussprossen 
der  Finger  und  den  Mangel  eines  5.  Fingers  an  der  Urodelenhand  m  der  Onto- 
genese für  den  Beweis,  daß  hier  primäre  Oligodaktylie  bestehe.] 


238  H.  Braus, 

der  Extreniitätenanlage  (von  27  Proz.  auf  16  Proz.  des  Dickendurch- 
messers) stattfindet.  Es  ist  dies  ein  Ausdruck  für  die  Reduktion, 
welche  aus  einer  anfänglich  voluminösen  Anlage  eine  relativ  kleine 
fertige  Extremität  hervorgehen  läßt  (s.  Anm.    1,  p.   236). 

Bei  Cöciliern,  welche  im  ausgebildeten  Zustand  bekanntlich  fuß- 
los sind,  legen  sich  in  der  Entwickelung  noch  vordere  Extremitäten  als 
kleine  Verdickungen  an  der  typischen  Stelle  an,  um  bald  zu  verschwinden. 
(Hypogeophis,  Brauer  1899,  A.  L.  III'').  Ein  wenig  nach  dem  Auf- 
treten der  vorderen  Gliedmaßen  und  während  letztere  noch  bestehen,  ent- 
wickeln sich  auch  hintere  Extremitäten  als  Verdickungen ,  welche  bei 
Hypogeopsis  kurze  Zeit  (Brauer  1.  c),  bei  Ichthyophis  dagegen  länger  be- 
stehen und  im  letzteren  Eall  zu  ziemlich  großen  Höckerchen  auswachsen 
(P.  und  F.  Sarasin  [A.  L.  III ''].  Schließlich  gehen  auch  sie  spurlos 
verloren.  Durch  die  Ontogenie  erweist  sich  also  hier  dies  Eehlen  als 
komplette  Reduktion  (s.  Anm.   1,  p.  236). 

Die  Entwickelung  der  Gliedmaßen  bei  den  Anuren  unterscheidet 
sich  zunächst  von  allen  bisher  besprochenen  Prozessen  durch  das  zeit- 
liche Verhalten  zwischen  Auftreten  der  vorderen  und  hinteren  Extremi- 
täten. Es  hat  sich  zwar  nicht  die  umgekehrte  Folge  im  Vergleich  zu 
Urodelen  bestätigt  (hintere  Extremität  zuerst,  vordere  Extremität  zuletzt, 
wie  manche  Autoren,  so  Wiedersheim  1892  [III  ^,  p.  235]  und  Mehnert  1897 
angaben),  aber  die  vordere  Extremität  ist  doch  der  hinteren  nicht  voraus  ; 
beide  entstehen  synchron  (außer  älteren  Angaben  bei  v.  Baer  und  Rathke 
siehe  besonders  Jordan  1888,  Lignitz  1897).  Die  vordere  Extremität 
entwickelt  sich  außerdem  bei  den  meisten  Anuren  innerhalb  der  Kiemen- 
höhle, wo  sie  neben  der  Vorniere  liegt.  Sie  beginnt  dort  zu  prominieren, 
wenn  die  Kiemendeckelbildung  bereits  abgeschlossen  ist  (bei  Larven  von 
Dactylethra  ist  sie  dagegen  nicht  unter  dem  Kiemendeckel  versteckt)  und 
bricht  bei  Rana  erst  durch  den  Kiemendeckel  hindurch,  wenn  die  einzelnen 
Teile  der  Extremität  (Hand,  Untei--  und  Oberarm)  fertig  differenziert 
sind.  Es  wird  dabei  die  Stelle  des  Kiemendeckels  resorbiert,  an  welcher 
die  Extremität  zuerst  sichtbar  wird.  (Ich  folge  darin  Rösel  vom  Rosen- 
hof [A.  L.  I],  Steixheim  1820,  Barfurth  1887,  Jordan  1888,  Wieders- 
heim [L.  III 5,  p.  235],  Lignitz  1897  und  eigenen  Beobachtungen ;  andere 
Autoren  geben  an,  daß  die  Extremität  durch  Häutung  der  Larve  sicht- 
bar   werde :    v.  Baer,  Balfour,  Claus,  C.  K.  Hoffmann.) 

Die  weiteren  Vorgänge  vollziehen  sich  als  Sprossungen  wie  bei 
Urodelen.  Jedoch  wächst  die  Spitze  des  Stummelchens  hier  zu  Einger  e 
aus  (DuGEs  1834).  Der  Vorsprung  in  der  Entwickelung  bleibt  diesem 
Finger  auch  weiterhin  gewahrt.  Er  erhält  zuerst  von  allen  Pigmentein- 
lagerungen, die  Cutis  wird  bei  ihm  zuerst  mehrschichtig,  auch  treten  bei  ihm 
die  ersten  Gefäßanlagen  auf  und  er  ist  stets  der  längste  unter  den  Finger- 
anlagen (Fig.  218).  Eine  bauchige  Vorwölbung,  welche  die  radiale  Seite 
der  meißelartig  verbreiteten  Endpartie  des  Stummels  schon  in  Stadium  1 
einnimmt,  entwickelt  sich  später  zu  den  Fingern  a  und  b.  Finger  d 
entsteht  aus  einer  Vorwölbung  am  ulnaren  Rand.  Beim  Fuß  folgt  noch 
ein  5.  Finger  (e)  auf  diesen.  Ueber  die  genaue  Reihenfolge  existieren 
jedoch  nicht  so  eingehende  Beobachtungen  wie  bei  Urodelen.  Nur  so  viel 
steht  fest,  daß  dieselbe  von  der  bei  letzteren  beobachteten  Succession 
namentlich  durch  Bevorzugung  von  Finger  c  anstatt  a  und  b  sehr  auf- 
fällig abweicht.  Da  bei  der  Skelettentwickelung  die  Reihenfolge  der 
Ausbildung  von  Metacarpus  und  Phalangen  bei  Anuren  noch  stärker  zu 
Gunsten  der  ulnaren  Seite  der  Extremität  verschoben  ist,   so  ist    stets 


Entw.  d.  Eorm  d.  Extremitäten  u.  d.  Extremitätenskeletts. 


23& 


dieser  Differenz  zwischen  Urodelen  fzeitliche  Prävalenz  radial  gelegener 
Teile)  gegenüber  Anuren  (zeitliche  Prävalenz  ulnar  gelegener  Teile)  bei 
Hand  und  Fuß  Bedeutung  beigemessen  worden.  (Auch  wird  der  Be- 
ginn   der    Fingerbildung    bei    Anuren    nicht    als    reine    Sprossung    be- 


Fig.  218. 
1  '  2 


Fig.  218.  6  Stadien  der  Entwickekmg 
der  vorderea  Extremität  bei  Rana  esculenta. 
Nach  Jordan. 

Fig.  219.  Stadien  der  Entwickelung 
der  vorderen  Extremität  von  Emys  lutaria 
taurica.  H  Herz.  All  Allantois.  Nach 
Mehnert. 

schrieben.  Es  sollen  vielmehr  Furchen 
zuerst  von  der  Ober-,  dann  von  der 
Unterseite  in  die  abgeplattete  distale 
Partie  des  Stummels  einschneiden 
und  schließlich  die  Fingeranlagen  von- 
einander trennen.  Es  erinnert  dies 
an  den  Vorgang,  der  bei  Amnioten 
die  Regel  ist.) 

In  der  vorstehenden  Schilderung 
folgte  ich  im  wesentlichen  Jordan 
1888.  Auch  Mehnert  1897  und  C. 
E-ABL  1903  geben  einige  Daten. 

Amnioten  1).  Gegenüber  den  Amphibien  besteht  bei  allen  Am- 
nioten das  Gemeinsame  in  der  Entwickelung  der  Gliedmaßen,  daß  von 
Anfang  an  eine  größere  Entfaltung  in  der  Horizontalen  beobachtet  wird. 
Die  Form  der  Extremitäten  ist  infolgedessen  mehr  scheibenförmig ;  eine 
Dorsal-  und  Ventralseite  ist  gleich  beim  ersten  Auftreten  der  Anlagen 
besonders  ausgeprägt.  Dabei  entstehen  die  vorderen  und  hinteren  Glied- 
maßen  auf  einer  manchmal  sehr  deutlichen  Längsleiste,   der  WoLFF'schen 


8     S 


1)  Fast  in  allen  Extremitätenarbeiten  über  Amnioten  finden  sich  naturgemäß 
Angaben  über  die  äußere  Formentwickelung.  Besonders  eingehend  beschäftigen  sich 
von  neueren  Autoren  mit  derselben  Mehnert  1898,  Bardeen  und  Lewis  1901, 
Voeltzkow  1902,  1903,  Peter  1903. 


240  H.  Braus, 

Leiste  1),  welche,  vom  Branchialfeld  ausgehend,  längs  der  ganzen 
Seitenwand  des  Körpers  bis  zum  Ende  des  Bauches  jederseits  verläuft 
(Fig.  219, 1  W),  später  aber  zwischen  den  beiden  Gliedmaßen  verschwindet. 
Aus  der  anfangs  leistenförmigen  Erhebung  der  Extremität  wird  bald  ein 
platter  Zapfen  („palette"  der  französischen  Autoren)  mit  kolbenförmig 
ano'eschwollenem  Ende.  Letzteres  wandelt  sich  in  ein  Scheiben- 
förmiges  Plättchen  um  (Fig.  219,  4),  dessen  äußerer  Rand  von  einer  nur 
aus  Ektoderm  gebildeten  Falte  umsäumt  wird  (Ektodermkappe 
V.  KöLLiKER  [Fig.  221a,  p.  248]).  So  hebt  sich  die  Anlage  der  Hand 
resp.  des  Fußes  zuerst  aus  dem  anfangs  einheitlichen  Gfebilde  ab.  Sie  ist 
manchmal  ein  wenig  gegen  den  Stiel  abgeknickt  (Fig.  221b).  Etwas  später 
beginntin  dem  Stiel,  welcher  die  Handscheibe  trägt,  eine  zweite  Knickung 
sich  auszubilden,  welche  mit  dem  stärkeren  Längenwachstum  des  Stieles 
deutlicher  wird  (Fig.  219,  5,  7  u.  S;  Fig.  221c)  und  jetzt  als  Ellenbogen- 
(resp.  Knie-)beuge  die  äußerliche  Abgrenzung  von  Ober-  und  Unterarm  (resp. 
Schenkel)  gegeneinander  ermöglicht.  In  der  Handscheibe  machen  sich 
bald  nach  deren  Auftreten  Einkerbungen  bemerkbar  (Fig.  219,  6'),  nach- 
dem bereits  etwas  früher  in  ihr  bei  durchfallendem  Licht  die  An- 
lagen des  Fingerskelettes  als  isolierte  Säulen  sichtbar  geworden  sind 
Beim  Menschen  speciell  entstehen  diese  Einkerbungen  zuerst  auf  der 
dorsalen  Fläche  der  Scheibe,  dann  am  freien  Rande  selbst.  Endlich 
wachsen  aus  dem  Rand  der  Handplatte  die  einzelnen  Finger  aus.  Dabei 
ist  eine  besondere  Reihenfolge  in  der  Sonderung  und  Entwickelung  der 
einzelnen  Finger  bei  Amnioten  nicht  vorhanden,  alle  entfalten  sich 
synchron  ^).      Wenn     dagegen    im    ausgebildeten    Zustand    weniger    als 


1)  C.  E.  V.  Baer  (1887,  A.  L.  I)  beschreibt  die  WoLFF'sche  Leiste  beim  Hühn- 
chen als  einheitliche  Grundlage,  auf  welcher  am  3.  Brüttag  die  vordere  und  hintere 
Extremität  entstehen  und  durch  welche  beide  zusammenhängen.  Er  sagt  (p.  100): 
„Wir  bemerkten  auch,  daß  nachdem  man  eine  ganz  kurze  Zeit  hindurch  auf  jeder 
Seite  einen  Wulst  in  der  ganzen  Länge  des  Rumpfes  beobachtet  hat,  jeder  Wulst 
sich  in  zwei  getrennte  Leisten,  eine  vordere  und  eine  hintere,  sammelt,  indem  die 
Mitte  undeutlich  wird."  Von  den  Säugern  sagt  v.  Baer,  daß  bei  ihnen  ebenfalls 
eine  lange  allgemeine  Leiste  als  Basis  für  die  Entwickelung  der  Extremitäten  be- 
stehe und  daß  die  Extremitäten  in  früher  Zeit  denen  der  Vögel  völlig  gleich  seien 
(p.  209).  Diese  Beobachtung  hat  fast  allgemein  Bestätigung  gefunden.  Insbesondere 
hat  Mehnert  1897,  p.  9  bei  Reptilien  (Emys  taurica)  eine  keineswegs  nur  kurz  vor- 
übergehende, sondern  mehrere  Tage  hindurch  in  der  Entwickelung  bestehende  ein- 
heitliche WoLFF'sche  Leiste  beobachtet.  Sie  wächst  in  den  ersten  Tagen  nach  ihrem 
Auftauchen  progressiv  zu  einer  relativ  breiten  Platte  aus  (Fig.  219,  1  W),  in  welcher 
die  Ghedmaßen  an  zwei  Stellen  als  diffuse  Anschwellungen  entstehen.  Später  bildet 
sich  dann  die  Zwischenstrecke  zurück.  —  Voeltzkow  (1902,  1903)  findet  bei  Rep- 
tilien (Crocodilus,  Chelone)  keine  derartige  Leiste. 

2)  Ob  die  Finger  (Zehen)  aus  dem  Rand  der  Extremitätenplatte  durch  die  Ein- 
kerbungen ausgeschnitten  werden  oder  ob  sie  durch  Sprossung  aus  demselben  ganz 
oder  teilweise  hervorwachsen,  hat  man  dadurch  festzustellen  versucht,  daß  man  prüfte, 
welche  Teile  des  Fingerskelettes  sich  etwa  in  der  Platte  selbst  bilden,  v.  Baer 
(1828,  A.  L.  I)  kam  beim  Hühnchen  zu  der  Ansicht,  daß  die  Fingeranlagen  in  toto 
in  der  einheitlichen  Endplatte  der  Extremitäten  vorhanden  seien.  Da  die  Endplatte 
allen  Amnioten  gleichmäßig  zukommt,  wurde  daraus  der  Schluß  gezogen,  daß  sich  die 
Finger  bei  allen  wie  beim  Hühnchen  entwickeln  (Chr.  Vogt  1884,  Thilenius  1897, 
Leboticq  1899).  W.Nagel  (1878)  Retterer  (1874,  1885,  1902),  Hagen  (1900)  finden 
dagegen  bei  Säugern  nur  Metacarpus-(tarsus-)Anlagen  und  Basalphalangen  innerhalb 
der  Platte  selbst  entwickelt.  Daraus,  daß  die  folgenden  Phalangen  (2.,  3.)  erst  in  den 
freien  Zehen  entstehen,  zieht  Retterer  den  Schluß,  daß  diese  selbständig  hervor- 
sprossen  und  steht  so  im  Gegensatz  zu  der  allgemein  geltenden  Vorstellung.  Das 
Problem,  welches  hier  vorliegt,  ist  anzuerkennen,  aber  die  bisher  zur  Lösung  ver- 
wendeten Mittel  sind  unzulänglich,  da  selbst  die  Befunde  der  letzterwähnten  Autoren 
die  Ansicht  v.  Baer's  nicht  aufheben.  —  Nach  Rabl  (1904)  entwickeln  sich  bei 
Reptilien  nicht  alle  Fingeranlagen  synchron;  diejenige  des  4.  Fingers  geht  vielmehr 
den  übrigen  voran. 


Entw.  d.  Form  d.  Extremitäten  u.  d.  Extremitätenskeletts.  241 

5  Finger  vorhanden  sind,  so  kann  in  der  frühesten  Entwickelnng  noch 
eine  äußere  Anlage  für  einige  derselben  sich  finden.  Dieselbe  kann  im 
ersten  Entstehen  völlig  ähnlich  den  später  komplett  auswachsenden  An- 
lagen sein  oder  wird  von  Anfang  an  reduziert  gefunden  (sie  ist  kleiner 
als  die  übrigen,  tritt  später  auf  und  verschwindet  bald  wieder  ganz). 
Häufiger  sind  die  Fälle,  wo  überhaupt  keine  äußere  Anlage  solcher 
Finger  mehr    gesehen  wird. 

Unter  den  reduzierten  Extremitäten  liefern  die  Vögel  (besonders  der 
afrikanische  Strauß)  das  beste  Beispiel  für  den  abgeänderten  Typus  der 
Entwickelnng  (Mehnert  1897).  Beim  Fuß  legen  sich  noch  3  Zehen- 
anlagen synchron  an  (Fig.  220,  1  a,  b,  c),  doch  bleibt  Zehenanlage  c  bald 
zurück  und  verkümmert  endlich  völlig.  Der 
ausgebildete  Lauf   hat   nur    2  Zehen.      Bei   der  1  2 

Flügelanlage  des  Straußes  kommt  ebenfalls  ein 
Höcker  mehr  zur  Anlage,  als  die  Zahl  der 
späteren  fertigen  Finger  beträgt.  Nachdem  sich 
nämlich  dort  die  Höcker  a,  b  und  c  entwickelt 
haben,  entsteht  etwas  später  noch  ein  ulnar  ge- 
legenes Höckerchen  (d),    welches  später    wieder 

Fig.  220.     Zwei  Stadien  aus  der  Entwickelung  des 
Fußes  von  Struthio  camelus.    Nach  Mehnert.  , 

0 

verschwindet.  Obgleich  in  der  Skelettentwickelung  noch  Reste  des  5. 
Fingers  sich  bilden,  also  kein  Zweifel  sein  kann,  daß  er  einst  vorhanden 
war,  ist  auch  in  den  frühesten  Stadien  äußerlich  von  einer  solchen  An- 
lage nichts  zu  bemerken.  Aehnliches  ist  bei  Säugern  mit  reduzierten 
Extremitäten  beobachtet.  Je  nach  der  späteren  Form  des  Fußes  legen 
sich  die  Finger-  und  Zehenanlagen  in  ihrer  Zahl  und  Lage  komplett 
oder  abweichend  vom  Primitivstadium  an,  befinden  sich  in  einer  Ebene 
oder  in  einer  gebogenen  Platte  oder  schließlich  hintereinander  gestellt 
(Retterer  1902). 

Gänzlich  rudimentäre  Extremitäten  legen  sich  bei  Amnioten 
manchmal  noch  als  kleine  Höckerchen  an.  So  ist  bei  der  extremitäten- 
losen Auguis  fragilis  von  Born  (1883,  I^,  p.  174)  noch  eine  niedrige 
Platte  als  Anlage  einer  vorderen  Extremität  gefunden  worden.  Dieselbe 
entwickelt  sich  ein  wenig  weiter,  verschwindet  aber  schnell  völlig  (I  ^, 
Fig.  32  c?,  e,  f,  p.  88).  Die  bei  erwachsenen  Cetaceen  und  Sirenen  fehlende 
Hintergliedmaße  ist  wenigstens  in  jungen  Entwickelungsstadien  bei  ersteren 
noch  nachgewiesen  worden  (Guldberu  1894  A.  L.  10,  1894*  1899  i), 
13,   p.  174). 

Bei  Fledermäusen  bilden  sich  die  Extremitäten  wie  gewöhnlich  als 
lappenförmige  Anlagen.  Nach  diesem  freien  Stadium  entsteht  nach- 
träglich eine  Hautfalte,  welche  die  vordere  und  hintere  Extremität 
verbindet  und  später  die  Flughaut  bildet.  Sie  ist  am  ulnaren  Rand 
der  vorderen  und  tibialen  Rand  der  hinteren  Extremität  befestigt.  Zu- 
letzt geraten  auch  Hand-  und  Fußplatte,  die  anfänglich  noch  frei  bleiben, 
in  die  Anlage  der  Flughaut  hinein  und  zwar  die  erstere  komplet,  die 
letztere  partiell  (Leboucq  1899). 

1>)  Histiogenese  der  pentadaktylen  Extremitäten  beim  ersten  Entstehen. 

Die  Reihenfolge,  in  welcher  Ekto-  und  Mesoderm  in  die  Extre- 
mitätenbildung eintreten,  scheint  nach  den  Angaben  der  Autoren  eine 

1)  Entgegen  der  älteren  Auffassung  von  Ryder  (1887j  und  den  Beschreibungen 
und  Einwendungen  von  KtJKENTHAL  1893  A.  L.  10,  1895). 

Handbuch  der  Entwickelungslehre.  Hl.  2.  16 


242  H.  Braus, 

wechselnde  zu  sein.  Bei  Amphibien  biklet  sich  nach  Wiedersheim 
(1892,  p.  88  III  ^  p.  235)  zuerst  eine  Ektodermverdickung,  welcher 
dann  eine  Wucherung  des  Mesoderms  nachfolgt.  Bei  Amnioten  (Lacerta 
nach  MoLLiER  1894,  1895)  geht  das  Mesoderm  voran,  die  Ektoderm- 
verdickung folgt  später.  Letztere  verhält  sich  ganz  ähnlich  wie  bei 
den  Pterygia. 

Peter  (1902)  hat  neuerdings  bei  Eidechsenembr3'onen  Bilder  der 
vom  Ektoderm  gebildeten  Scheitelleiste  gegeben,  welche  denen  bei  niederen 
Tischen  (Fig.  193  L,  p.  207)  zum  Verwechseln  ähnlich  sehen.  Beim 
Hühnchen  fand  er  Aehnliches,  bei  Säugern  bildet  sich  dagegen  keine 
eigentliche  Palte,  vielmehr  eine  dilFuse  Verdickung  des  ihr  entsprechenden 
Epithelbezirkes.  Der  große  Unterschied  in  der  weiteren  Entwickelung 
gegenüber  der  gleichen  Bildung  bei  den  Fischen  beruht  darin,  daß  bei 
Amnioten  nie  Mesoderm  in  die  Ektodermleiste  eindringt  und  daher  bei 
der  späteren  Reduktion  ein  völliger  Verlust  des  Gebildes  eintritt,  während 
bei  Pischen  derjenige  Teil,  in  welchen  das  Mesoderm  einwuchert,  be- 
kanntlich in  die  Gliedmaße  aufgenommen  wird  und  an  ihrem  Aufbau  teil- 
nimmt. 

Die  histiogenetischen  Prozesse  bestehen  in  Wucherungen,  welche 
durch  Zellvermehrungeu  in  der  Somatopleura  und  dem  sie  bedeckenden 
Ektoderm  hervorgerufen  werden.  Auf  diese  Weise  werden  die  Ver- 
dickungen erzeugt,  welche  äußerlich  sichtbar  werden  und  oben  be- 
schrieben wurden.  Aber  auch  außerhalb  der  Grenzen  der  makrosko- 
pisch sichtbaren  Formveränderuugen,  welche  zur  Extremitätenbildung 
offensichtlich  gehören,  sind  manchmal  noch  Fortsetzungen  derselben 
histiogenetischen  Prozesse  zu  erkennen,  welche  innerhalb  dieser  Grenzen 
die  Gliedmaßenbildung  einleiten.  Nur  bilden  sich  diese  Ditferenzierungen 
später  zurück  ^). 

Bei  Amnioten  besteht  kein  Zweifel,  daß  eine  Ausdehnung  der  An- 
lage über  weite  Strecken  stattfindet.  Besonders  genau  ist  bei  Lacerta 
durch  MoLLiER  (1894.  1895)  beschrieben  worden,  daß  die  Mesoderm- 
und  nachfolgende  Ektodermverdickung  über  die  ersten  8  Rumpfsegmente, 
den  Rayon  der  vorderen  Extremität,  hinaus  sich  deutlich  kaudalwärts 
über  fast  alle  vorhandenen  Urwirbel  verfolgen  läßt.  Ehe  sie  die  Stelle, 
an  welcher  sich  die  hintere  Extremität  bildet,  erreicht,  ist  allerdings  der 
Zusammenhang  mit  der  vorderen  Extremität  wieder  durch  Reduktion 
verschwunden.  Bei  Betrachtung  eines  einzelnen  Entwickelungsstadiums 
ist  also  n  i  e  eine  kontinuierliche  Verbindung  der  beiden  Extremitäten- 
anlagen durch  die  Differenzierungen  in  der  Zwischenstrecke  zu  beobachten, 
wohl  ist  aber  eine  solche  vorhanden,  wenn  man  den  Entwickelungsgang 
als  Ganzes  ins  Auge  faßt. 

1)  Manche  dieser  Angaben  sind  unsicher.  So  beschreibt  Wiedersheim  (1892, 
1.  c.  p.  88 — 188)  bei  Urodelen  eine  Epidermisiciste  (Embryonen  von  Triton  und 
Salamandra),  welche  horizontal  liege  imd  als  sehr  schmale  lineare  Zone  über  das 
Gebiet  der  vorderen  Extremität  kaudalwärts,  ebenso  über  das  der  hinteren  Glied- 
maße kranialwärts  hinausreiche.  Eine  gegenseitige  Berührung  beider  sah  er  nicht, 
vermißte  auch  bei  Anuren  diese  Bildungen  in  der  Zwischenstrecke  zwischen  den 
Extremitäten  gänzlich.  Während  Wiedersheim  andererseits  betont,  daß  die  Meso- 
derm Verdickung  zapfenförmig  sei,  sieht  Field  (1894),  ebenfalls  bei  Amphibien,  seitens 
der  Somatopleurawucherung  ein  Ueberschreiten  der  von  der  Extremitätenanlage  selbst 
innegehaltenen  Grenzen.  Dagegen  sagt  dieser  Autor  nichts  von  der  ausgedehnten 
Epithelleiste,  die  Wiedersheim  sah.  Eabl  (1895,  1901)  betont,  daß  die  Anlage  der 
Extremität  bei  Triton  sich  nur  über  eine  Ursegmentlänge  erstrecke,  und  daß  hier  die 
Beteiligung  anderer  Segmente  an  der  ersten  Entstehung  der  Gliedmaße  auszu- 
schließen sei. 


Entw.  d.  Form  d.  Extremitäten  u.  d.  Extremitätenskeletts.  243 

c)   Das  Problem   der  Bezielmiig'eu   der  äußeren  Formgestaltung'  bei  den  Tetra- 
podeu  zu  derjenigen  bei  den  tetrapterygialen  Wirbeltieren. 

V.  Baer,  welcher  die  Anlage  der  tetrapoden  Extremitäten  bei 
Amnioten  auf  einer  einheitlichen  Grundlage,  der  WoLFF'schen  Leiste, 
zuerst  genauer  studierte  (s.  o.  p.  240),  suchte  nach  einem  ähnlichen 
Prozeß  bei  Fischen,  weil  er  in  dem  Vorgang  etwas  allgemein  Giltiges 
zu  erblicken  glaubte.  Aber  er  fand  bei  den  paarigen  Flossen  nichts 
dergleichen.  Thacher  (1877  III  s,  p.  235)  und  Mivart  (1879  III  ^ 
p.  234),  welche  von  den  Fischen  ausgingen  und  bei  diesen  auf  Grund 
theoretischer  Annahmen  eine  einheitliche  Anlage  für  beide  Flossen 
postulierten,  sahen  in  der  WoLFp'schen  Leiste  der  Amnioten  deren 
Homologon.  Balfour  schließlich  fand  zwar  die  kontinuierliche  Seiten- 
falte bei  Torpedo  (p.  198),  war  aber  zurückhaltend  gegenüber  den 
Homologisierungsversuchen  Thacher's  und  Mivart's.  So  schwanken 
die  Ansichten  über  die  Vergieichsobjekte  und  -berechtigungen  hin 
und  her^). 

Bei  einer  Anlage  wie  der  WoLFF'schen  Leiste,  die  aus  indifferentem 
Gewebe  besteht,  solange  sie  überhaupt  existiert,  kann  die  Lokalisation 
der  Extremitäten  innerhalb  derselben  eine  Folge  ursprünglich  geneti- 
scher Beziehungen  sein,  es  muß  aber  ein  solcher  Znsammenhang 
nicht  postuliert  werden.  In  der  That  hat  man  in  der  WoLFF'schen 
Leiste  auch  eine  Anlage  erblickt,  welche  am  Aufbau  anderer  Teile 
des  Körpers,  z.  B.  bei  Homo  an  der  Ausbildung  der  Bauchwand,  noch 
jetzt  beteiligt  sei  (Bardeen  and  Lewis  1901).  Wenn  nun  die 
Leiste  zu  früh  verschwindet,  als  daß  bisher  mit  unseren  Methoden 
hätte  sichergestellt  werden  können,  welche  Fähigkeiten  in  dem 
Material  derselben  vorhanden  sind,  so  sind  wir  zur  Entscheidung  der 
Frage,  was  sie  in  frühereu  phylogenetischen  Zuständen  hervorzubringen 
vermochte,  auf  zwei  Auskunftsmöglichkeiten  angewiesen.  Wir  fragen 
1)  Existieren  Tiere,  welche  eine  ausgebildete  Seitenfalte  haben?  Es 
könnte  auf  diese  die  WoLFF'sche  Leiste  eventuell  als  Rudiment  be- 
zogen werden.  Und  2)  Ist  bei  primitiveren  Tierforraen  als  den  Amnioten 
ein  stärkeres  oder  schwächeres  Auftreten  der  Leiste  in  der 
Ontogenie  als  bei  Amnioten  zu  beobachten?  Im  ersteren  Fall  wäre 
ein  größeres,  im  letzteren  ein  geringeres  phyletisches  Alter  derselben 
zu  folgern. 

Daß  wir  keine  Tiere  mit  Seitenfalten  kennen,  ist  ausführlich  bei 
den  paarigen  Flossen  der  Fische  erörtert  worden  (p.  199).  Es  fehlt 
also  der  Atavus,  auf  welchen  die  WoLFF'sche  Leiste  als  Extremitäten- 
rudiment zu  beziehen  wäre.  In  der  Ontogenie  niederer  Formen  ist 
außerdem  gerade  bei  den  primitivsten  Tetrapoden,  den  Amphibien, 
eine  ausgebildete  Leiste  nicht  vorhanden,  ja  die  Leiste  fehlt  nach  den 
zuverlässigeren  Angaben  bei  ihnen  völlig;  bei  Fischen  ist  nur  bei 
Torpedo  eine  Leiste  gefunden,  so  daß  man  unvermittelt  die  Amnioten 
an  die  Torpediniden  zu  reihen  hätte,  wenn  nicht  selbst  dies 
durch    den    rein    sekundären  Charakter    der  Kontinuität   bei  Torpedo 


1)  Von  der»  neueren  Autoren,  welche  auf  dem  Boden  der  BALFOUR'schen  Seiten- 
faltenhypothese  stehen,  haben  sich  nur  wenige  bestimmt  für  die  Homologie  der 
WoLFF'schen  Leiste  mit  einer  primitiven  hypothetischen  Lateralfalte  erklärt :  Fraisse 
1885,  Mehnert  1897  (letzterer  nennt  dieselbe  direkt  „Extremitätenleiste").  Die 
meisten  Autoren  halten  mit  ihrer  Ansicht  zurück  oder  betonen,  wie  Mollier  (1897, 
III'',  p.  234)  ausdrücklich,  daß  Schlüsse  bezüglich  der  Homologisierung  nicht  ge- 
zogen werden  könnten, 

16* 


244  H.  Braus, 

von  vornherein  unmöglich  wäre  ^).  Selbstverstäncüich  ist  dadurch  nur 
die  Unzulänglichkeit  der  bisherigen  Erklärungsversuche  der  Wolff- 
schen  Leiste  als  Extremitätenrudiment  hervorgehoben.  Für  eine  sichere 
positive  Deutung  fehlt  noch  das  Material  -). 

Vergleichen  wir  jedoch  die  Extremitätenanlagen  der  Tetrapoden 
als  solche  (ohne  Beachtung  der  WoLFF'schen  Leiste,  auf  welcher  sie 
bei  Amnioten  entstehen)  mit  den  Flossenanlagen  der  Fische,  so  besteht 
zwar  ein  mannigfacher  Wechsel  im  einzelnen,  der  aber  doch  nicht 
die  auffallende  allgemeine  U  e  b  e  r  e  i  n  s  t  i  m  m  u  n  g  zwischen 
beiderlei  Bildungen  verdecken  kann.  Die  Ontogenie  zeigt  bei  Tetra- 
poden keine  anderen  Schwankungen  in  der  Frühanlage  der  Form  als 
solche,  welche  auch  bei  Fischen  vorkommen.  Warzenförmige  Anlagen 
wie  bei  Amphibien  sind  auch  bei  Dipnoern  beobachtet.  Extremitäten 
mit  langausgedehnter  Basis  kommen  in  gleicher  Weise  den  Amnioten 
und  Squaliden  zu.  Die  Ektodermleiste  auf  der  lateralen  Kante  der 
Gliedmaßenanlage  ist  tetrapterygialen  und  -poden  Gliedmaßenanlagen 
gemeinsam  und  bei  Amnioten,  bei  denen  sie  keine  Verwendung  beim 
Aufbau  der  Extremität  findet,  nur  als  Ueberrest  früherer  Zustände 
verständlich,  bei  denen  sie,  nämlich  bei  Fischen,  noch  mit  bei  der 
Bildung  der  Gliedmaße  beteiligt  ist  (Peter  1902).  Auch  die  frühe 
Ausbildung  der  Hand-(Fuß-)Platte  bei  Tetrapoden  bewahrt  der  Früh- 
anlage eine  viel  größere  Aehnlichkeit  mit  der  Fischflosse  als  dies  in 
späteren  Stadien,  nachdem  sich  der  Extremitätenstiel  des  Chiridiums 
herausgebildet  hat,  der  Fall  ist.  Denn  letzterer  fehlt  dem  Pterygium. 
Endlich  sind  in  den  Anfängen  der  Entwickelung  noch  nicht  die  zahl- 
reichen Stellungs-  und  Formveränderungen  vorhanden,  welche  sich 
namentlich  bei  terrestren  Gliedmaßen  später  einstellen  (siehe  auch 
nächster  Abschnitt).  Es  ist  die  ontogenetische  Entstehung  von  Höckern 
mit  horizontal  gestellter  Basis  und  dorso-ventral  orien- 
tierten Oberflächen  allen  Vertebraten  gemeinsam  (Huxley  187ß  III  ^ 
p.  234).  Die  Ontogenie  der  äußeren  Form  bei  den  paarigen  Ghed- 
maßen   dokumentiert   also   die   Homologie  der  Pterygia  und  Chiridia. 

Die  kurzen  warzenförmigen  Höckerchen  sind  Fi-ühstadien  solcher 
Gliedmaßen,  welche  wie  bei  Amphibien  in  allen  Bestandteilen  sehr  dürftig- 
entwickelt  sind.  Es  entsteht  gerade  bei  Amphibien  beispielsweise  die 
Gliedmaßenmuskulatur  aus  einer  geringeren  Anzahl  von  Segmenten, 
als  sich  bei  der  rudimentärsten  uns  bekannten  Form  der  Glied- 
maßen bei  Reptilien  manchmal  noch  beteiligt  finden  3).  Da  die  Muskulatur 
sich   sehr   früh    bildet  und  auf  die  eine  oder  andere  Weise  ihr  Material 


1)  Abortive  Muskelanlagen  oder  Bildungen,  die  mit  solchen  nur  entfernt  ver- 
glichen werden  können,  fehlen  in  der  Zwischenstrecke  zwischen  den  beiden  Glied- 
maßen bei  Amnioten.  Gerade  bei  Erhaltung  eines  Rudimentes  der  ,, Extremitäten- 
leiste" würde  man  jedoch  nach  allgemeinen  Gesetzen  eher  das  Vorhandensein  von 
Muskelrudimenten  erwarten  müssen,  als  etwa  bei  Squaliden,  wo  keine  Leiste  im 
Zwischenflossenraum  vorhanden  ist  und  die  dort  befindlichen  Abortivknospen  doch, 
als  Ueberreste  der  einheitlichen  Gliedmaßen  gedeutet  wurden.  Auch  darin  be- 
stehen unvereinbare  Gegensätze  zwischen  den  Verhältnissen  bei  niederen  Fischen 
und  Amnioten. 

2)  Mit  großer  Wahrscheinlichkeit  ist  die  WoLFF'sche  Leiste  als  jüngere  Bildung 
anzusehen.  Da  sie  erst  bei  Tieren  auftaucht,  welche  ein  Amnion  besitzen,  und  da  sie 
mit  der  Anheftung  desselben  in  Beziehung  steht,  ist  vielleicht  durch  die  Ent- 
wickelung dieses  Gebildes  aus  Teilen  der  Bauchwand  ihre  Entstehung  im  Zusammen- 
hang. 

3)  Bei  Schlangen,  welche  noch  Rudimente  hinterer  Extremitäten  besitzen 
(Caelsson  1886). 


Entw.  d.  Form  d.  Extremitäten  u.  d.  Extremitätenskeletts.  245 

aus  ihrer  Matrix,  in  der  Rumpf  wand,  bezieht,  so  ist  es  nicht  auffällig, 
daß  die  Eintrittspforte  für  dieselbe,  nämlich  die  basale  Verbindungs- 
stelle der  Extremität  mit  dem  Rumpfe,  bald  eingeengt,  bald  erweitert 
angelegt  wird,  je  nachdem  mehr  oder  weniger  segmentales  Material 
in  der  Extremität  Verwendung  finden  soll.  Bei  den  niederen  Fischen  be- 
ruht  die  Länge  der  Extremitätenbasis  auf  denselben  Korrelationen. 

Die  spätere  Ausgestaltung  der  tetrapoden  Gliedmaßen  ist  nur  bei 
Berücksichtigung  der  inneren  Organisation  mit  den  Fischflossen  in 
Vergleich  zu  stellen.  Es  wird  bei  Besprechung  der  Skelettverhältnisse 
darauf  zurückzukommen  sein. 

2.    Verschiebungen     und    Drehungen     der    Gliedmaßen- 
anlagen im  ganzen  und  einzelner  Teile  derselben. 

Die  metamere  Position  der  Gliedmaßen  längs  des 
Rumpfes.  Dieselbe  ist  bei  den  Tetrapoden  wie  auch  bei  den  Fischen 
eine  sehr  verschiedene.  Auch  hier  erhebt  sich  die  Frage,  ob  in  der 
Entwickelungsgeschichte  ein  Ortswechsel  der  Extremitäten  zu  be- 
obachten sei  und  ob  durch  einen  solchen  die  Extremitäten  aus  an- 
fänglich identischen  Stellungen  phylogenetisch  in  die  jetzt  bei  fertigen 
Tieren  so  verschiedenen  Positionen  allmählich  einrückten,  oder  ob 
andererseits  Unabhängigkeit  der  Extremitätenstellung  von  historischen 
Faktoren  oder  von  den  Bedingungen  der  speciellen  Entwickelungs- 
geschichte zu  konstatieren  sei. 

Es  ist  freilich  nur  wenig  von  Verschiebungserscheinungen  an  den 
frühesten  Gesamtanlagen  (Gliedmaßenhöcker  und  -leisten)  bei 
Tetrapoden  bekannt.  Doch  liegt  dies,  wie  es  scheint,  daran,  daß  bis- 
her wenig  darauf  geachtet  wurde.  Da,  wo  genaue  Untersuchungen 
vorliegen,  wie  beispielsweise  bei  Lacerta  (Mollier  1895,  p.  466),  ist 
die  Verschiebung  deutlich  zu  verfolgen. 

Bei  Lacerta  liegt  anfangs  die  s  tärks  te  Promin  enz  der  Leiste  i), 
welche  später  zur  vorderen  Extremität  auswächst,  über  dem  6.  Rumpf- 
segment. Sie  fällt  ein  wenig  kranialwärts  vor  die  Mitte  des  serialen 
Muskelterritoriums  der  Gliedmaße.  Denn  das  4. — 9.  Segment  steuert 
nur  (an  Stelle  der  vielen  Segmente,  über  welche  die  WoLFF'sche  Leiste 
dahinzieht)  zu  der  Muskularisierung  des  Extremitätenlappens  bei.  Doch 
hat  das  4.  Metamer  meistens  keine  Extremitätenknospe  mehr,  und  wenn 
sie  ausnahmsweise  vorkommt,  ist  sie  rudimentär.  Wenn  die  Nerven 
sichtbar  werden,  beschränken  sich  dieselben  regelmäßig  auf  Aeste, 
welche  dem  5. — 9.  Ursegment  angehören,  und  zwar  sind  diejenigen  aus 
dem  7. — 9.  Metamer  die  stärksten.  Auch  der  5.  Rumpfnerv  geht  aus 
dem  Plexus  brachialis  nachträglich  noch  durch  Reduktion  verloren.  Ein 
Ast  des  6.  Nerven  persistiert,  aber  als  schwächster  Ast  von  allen  Plexus- 
bestandteilen  (v.  Ihering  1877,  M.  Pürbringer  1901).  Es  hat  sich  also 
die  Extremität  zum  Schluß  ihrer  Ausbildung  soweit  kaudalwärts  verschoben, 
daß  das  6.  Metamer,  in  dessen  Territorium  anfänglich  die  stärkste 
Entwickelung   beobachtet   wurde    und   welches  lange  ungefähr  die  Mitte 


1)  Eine  genaue  Abgrenzung  derselben  ist  wegen  der  Beziehungen  zur  Wulff '- 
sehen  Leiste  nicht  zu  geben.  —  Die  Angaben  Mollier's  über  die  serialen  Ziffern 
der  Ursegraente  habe  ich  auf  die  übliche  Bezeichnungsweise  beim  fertigen  Tier  um- 
gerechnet, um  einheitliche  und  ohne  weiteres  vergleichbare  Bezeichnungen  zu  erhalten. 
Ich  lege  dabei  die  Angabe  von  van  Bemmelen  (die  Mollier  bestätigt)  zu  Grunde, 
daß  die  Kopf -Eumpf grenze  zwischen  4.  und  5.  Urwirbel  entsteht. 


246  H.  Braus, 

der  Extremitätenanlage  bildete,  zum  Schluß  mit  seinen  Derivaten  nur 
noch  am  vorderen  Rand  der  Gliedmaße  und  am  schwächsten  von  allen 
anderen  beteiligten  Segmenten  vertreten  ist. 

Zahlreicher  sind  bereits  Beobachtungen  über  die  ontogenetischen 
Verschiebungen  von  Skelett  anlagen.  Am  frühesten  wurden  die- 
selben am  Becken  konstatiert.  Da  letzteres  bei  Tetrapoden  mit  der 
Wirbelsäule  verbunden  ist,  so  besitzen  wir  hier  gleichsam  eine  Skala 
in  der  metameren  Gliederung  des  Achsenskelettes,  welche  die  Ver- 
schiebung von  Wirbel  zu  Wirbel  abzulesen  gestattet.  E.  Rosenberg 
(1875,  p.  32)  hat  beim  menschlichen  Sacrum  in  der  Ontogenie  eine 
successive  Aufnahme  von  lumbalen  Wirbeln  (mit  kostalen  Anhängen) 
am  kranialen  Ende  und  eine  entsprechende  Abgabe  von  Sakralwirbeln 
an  das  Os  coccygis  gradatim  verfolgt.  In  der  Umgestaltung  dieses 
Teiles  der  Wirbelsäule  liegt,  da  das  Becken  an  ihm  befestigt  ist,  die 
kranial  war  ts  gerichtete  Verschiebung  der  hinteren  Extremität  zu 
Tage  1). 

Beim  Schultergürtel  des  Menschen  ist  ebenfalls  neuerdings  eine 
ontogenetische  Verschiebung  nachgewiesen  worden  (Lewis  1902,  p.  182). 
Die  Anlage  der  Scapula  reicht  anfangs  (4Y2  Wochen  alte  Embryonen) 
vom  4.  Cervicalwirbel  bis  1.  Brustwirbel,  wird  aber  später  (am  An- 
fang der  6.  Woche)  so  angetroffen,  daß  die  größere  Partie  der  Sca- 
pula am  Anfang  der  1.  Rippe  liegt,  und  der  hintere  Winkel  sich  bis 
zur  5.  Rippe  ausdehnt.  Noch  spätere  Lageveränderungen  sind  wegen 
der  dann  eintretenden  Senkung  der  Rippen  nicht  mehr  rein  bestimmbar. 

Mit  der  Verschiebung  des  Schultergürtels  kaudalwärts  ändert  sich 
die  Lage  des  Plexus  brachialis.  Anfangs  sind  die  Nerven  senkrecht  zur 
Richtung  der  Wirbelsäule  gestellt.  Erst  später  bildet  sich  der  spitze 
Winkel  aus,  welchen  die  Nerven  bekanntlich  auch  beim  Erwachsenen 
mit  der   Körperlängsachse  bilden. 

Aehnliche  Befunde  bei  Amphibien  liegen  in  den  Beobachtungen  von 
Jordan  (1888)  vor  2). 


1)  Der  ancestrale  Typus  der  Befestigung  des  Beckens  um  einen  Wirbel  weiter 
kaudalwärts  als  gewöhnlich  (d.  h.  das  Bestehen  von  6  Lendenwirbeln)  erhält  sich  in 
seltenen  Fällen  beim  Erwachsenen.  —  Von  vielen  Autoren  (Paterson  1891,  Eisler 
1895,  BoLK  1899,  Lubsen  1903)  wird  aus  der  Nerven  Versorgung  der  Extremität  bei 
liöheren  Säugern  (auch  bei  Homo)  geschlossen,  daß  die  Hintergliedraaße  kaudal- 
wärts gewandert  sei.  Bardeen  and  Lewis  (1901)  sahen  beim  menschlichen  Em- 
bryo die  früheste  Anlage,  die  Extremitätenknospe,  in  verschiedenen  Stadien  in  ver- 
schiedener Position  und  zwar  bei  älteren  weiter  kaudalwärts  verschoben  als  bei 
jüngeren.  Es  scheint  mir  also,  daß  der  von  E.  Rosenberg  und  G.  Rüge  konsta- 
tierten kranialwärts  gerichteten  Verschiebung  eine  kaudalwärts  verlaufende  vorausging 
und  an  diesen  Anzeichen  noch  erkennbar  ist.  (Aufeinanderfolgende,  entgegengesetzt 
gerichtete  Verschiebungen  kommen  bereits  bei  Fischen  vor.  Es  heben  sich  also  nicht 
Anzeichen  entgegengesetzt  verlaufender  Bewegungen  auf,  und  E.  Rosenberg's  Be- 
funde sind  nicht  widerlegt  durch  die  Beobachtungen  der  oben  genannten  Autoren). 

2)  Credner  beschreibt  eine  Reihe  fossiler  Stegocephalen  derselben  Art,  aber 
verschiedener  Größe,  und  glaubt  aus  ihnen  eine  ontogenetische  Entwickelungs- 
reihe  dieser  Fossilien  rekonstruieren  zu  können,  nach  welcher  das  Becken  um  6 — 7 
Segmente  kaudalwärts  rückte.  —  An  die  relativ  spärlichen  ontogenetischen  Erfah- 
rungen über  die  Verschiebungen  von  tetrapoden  Gliedmaßen  reihen  sich  zahlreiche 
an  fertigen  Formen  aus  allen  Klassen  der  Tetrapoden  gewonnene  Erfahrungen  an, 
welche  die  mannigfachen  Positionen  der  Extremitäten  überall  durch  üebergänge  bei 
verwandten  Tieren  verknüpft  zeigen.  Vor  allem  ist  auch  hier  die  seriale  Befestigung 
des  Beckens  und  Stellung  des  Sacrum  als  im  Flusse  befindlich  erwiesen  (v.  Ihering 
1878,  M.  Fürbringer  1879,  Baur  1897,  Adolphi  1898,  Cole  1901),  aber  auch  eine 
Verschiebung  des  Schultergürtels  erschlossen  worden.  Seriale  Veränderungen  des 
Plexus  brachialis  wurden  auch  ontogeaetisch  als  successive  Stadien  eines  Verschie- 
bungsprozesses erwiesen  (Fürbringer  1879). 


Entw.  d.  rorm  d.  Extremitäten  u.  d.  Extremitätenskeletts.       247 

Die  ontogenetische,  in  Einzelfällen  erwiesene  Thatsache  des  Orts- 
wechsels beider  Extremitäten  znsanimen  mit  den  vergleichend-anato- 
mischen Befunden  von  Relikten  solcher  Verschiebungen  in  der  Orga- 
nisation der  fertigen  P'orm  bei  allen  Tetrapoden  lehren  auch  hier,  wie 
bei  Fischen,  die  Fähigkeit  zur  Wanderung  als  all  gemeines  Me  rk- 
m  a  1  d  e  r  G  1  i  e  d  m  a  ß  e  n  kennen.  Es  darf  daraus  geschlossen  werden, 
daß  die  verschiedenen  serialen  Stellungen  der  Extremitäten  durch 
diese  entstanden  sind,  wenn  wir  auch  im  einzelnen  noch  nicht  immer 
den  zurückgelegten  Weg  verfolgen  können. 

Achs  en dreh  un gen.  Bei  Tetrapoden  sind  in  ganz  besonderem 
Maße  nachträgliche  Drehungen  der  Extremitätenanlagen  zu  beobachten, 
welche  aus  der  allen  Vertebraten  einheitlichen  Ausgangsstellung  Hux- 
ley's  allmählich  ein  kompliziert  angeordnetes  Hebelsystem  hervor- 
gehen lassen,  wie  es  die  höheren  Amnioteu  in  ihren  Gliedmaßen  be- 
sitzen. 

Es  sind  zu  unterscheiden: 

1)  Drehungen  der  ganzen  Extremität  zur  Körperachse  (dorsal-,  ventral-, 
kranial-  oder  kaudalwärts).  Diese  Bewegungen  können  sich  mit 
oder  ohne  Beteiligung  des  Extremitätengürtels  abspielen. 

2)  Drehungen  innerhalb  der  freien  Gliedmaße  selbst: 

a)in  den  Gelenken  und  zwar  entweder  durch  specialistische  Aus- 
bildung derselben,  so  daß  eine  bestimmte  Stellung  und  Be- 
wegungsform durch  deren  Konfiguration  erzielt  wird  (z.  B.  Knie- 
und  Ellenbogengelenk)  oder  durch  allmähliche  Umlagerung  der 
am  Gelenk  beteiligten  Knochen  (z.  B.  Pronationsstellung  von 
Radius  und  Ulna) ; 

b)  z  w  i  s  c  h  e  n  den  Gelenken  durch  Torsionen  der  Skelettstücke  und 
angelagerten  W^eichteile  um  die  Längsachse  des  Gliedmaßenab- 
schuittes. 

Ich  beginne  die  specielle  Darstellung i)  mit  der  vorderen  Ex- 
tremität. Im  frühesten  Stadium  ist  die  Anlage  bei  allen  Tetra- 
poden so  orientiert,  daß  der  spätere  radiale  Rand  kranialwärts,  der 
spätere  ulnare  Rand  kaudalwärts  liegt.  Es  geht  dies  beim  Hervor- 
treten der  Nerven  daraus  hervor,  daß  die  den  radialen  Rand  der  Ex- 
tremität versorgenden  Stämme  (welche  im  Rückenmark  mehr  kranial- 
wärts als  die  übrigen  Extremitätennerven  entspringen)  in  den  vor- 
deren (kranialen)  Rand  der  Anlage  vorwachseu,  die  den  ulnaren 
Rand  versorgenden  Plexusbestandteile  (welche  im  Rückenmark 
mehr  kaudalwärts  entspringen)  an  dem  hinteren  (kau dalen)  Rand 
derselben  erscheinen.  Mit  Huxley  (187(3)  bezeichne  ich  deshalb  den 
vorderen    (radialen)   Rand    als    präaxiale,     den    hinteren  (ulnaren) 


1)  Die  successive  aufeinander  folgenden  wichtigsten  Stelluugsänderungen  in  der 
Ontogenie  verlaufen  meist  sehr  rasch  in  den  frühen  Anfängen  der  Skelettentwicke- 
lung. Dieselben  bedürfen  einer  viel  ausgiebigeren  Erforschung  und  namenthch  einer 
anschaulicheren  Darstellung  als  wir  sie  bisher  in  der  Litteratur  besitzen.  Es  liegt 
hier  ein  ergiebiges  Feld  für  Eekonstruktionen  in  plastischer  Form  vor.  Die  spär- 
lichen auf  den  Menschen  beschränkten,  aber  ergebnisreichen  Erstlingsversuche  auf 
diesem  Gebiet  (Hagen  1900,  Baedeen  and  Lewis  1901,  Lewis  1902)  ermuntern 
hoffentlich  recht  bald  andere  Forscher  zu  planmäßig  angestellten  Untersuchungen 
ähnlicher  Art  bei  allen  Wirbeltierklassen.  —  Die  von  mir  in  Fig.  221  und  222  gege- 
benen Abbildungen  sind  nach  Modellen  angefertigt  worden,  die  ich  zum  Teil  nach 
den  besten  zur  Zeit  vorliegenden  Zeichnungen  und  nach  den  Objekten  selbst  als  Vor- 
lage frei  formte,  zum  Teil  Reproduktionen  nach  den  Modellen  der  genannten  ameri- 
kanischen Forscher. 


248 


jH.  Braus, 


als  postaxiale  Seite  der  Extremität  (s.  p.  213).  Diese  Bezeichnimgs- 
weise  bietet  für  die  folgende  Darstellung  den  Vorteil,  daß  sie  bei  allen 
Stellungsänderungen  der  Extremitätenanlagen  beibehalten  werden  kann, 
während  Bezeichnungen  wie  kranial,  kaudal  etc.  natürlich  nach  der 
jeweiligen  Lage  umgeformt  werden  müssen. 

Anfänglich  schaut  die  Spitze  der  Extremität  kaudalwärts  und  bei 
Amphibien  und  Sauropsiden  ein  wenig  dorsalwärts  (Fig.  221a).  Gleich- 
zeitig erhebt  sich  die  Extremitätenplatte  ein  wenig  dorsalwärts.  Ver- 
folgen wir  zunächst  die  weiteren  Umwandlungen  der  Stellung  bei 
Lacerta^).     Während  bis  dahin  der  prä-  und  jtostaxiale  Rand  noch 


Fig.  221a— c.    Rechte    vordere  Extremität    von  Lacerta    in    drei    Stadien    der 
Drehung. 


ungefähr  in  einer  Horizontalebene  lag,  tritt  im  folgendem  Sta- 
dium (Fig.  221b)  eine  Drehung  ein,  welche  den  präaxialen  Rand  ven- 
tralwärts,  den  postaxialen  Rand  dorsalwärts  führt.  Die  ehemals  dor- 
sale Fläche  der  Extremitätenplatte  ist  nun  kranialwärts.  die  ehemals 
ventrale  Fläche  kaudalwärts  gewendet.  Im  folgenden  Stadium  (Fig.  221c) 
kommt  noch  die  Beugung  in  der  Ellenbogengegend  dazu.  Es  liegen 
prä-  und  postaxialer  Rand  jetzt  nicht  mehr  übereinander  (ventral 
und  dorsal),  sondern  hintereinander  (kranial  und  kaudal).  Die  Volar- 
fläche  der  Hand  des  Tieres  schaut  nunmehr  nach  dessen  Bauchwand  hin. 

Da  mit  der  Drehung  der  Extremität  im  Stadium  b  eine  Torsion  der 
Weichteile  verbunden  ist  (durch  die  spiralige,  punktierte  Linie  ange- 
deutet, welche  den  Verlauf  der  dorsalen  Nerven  schematisch  wiedergiebt), 
so  liegt  hier  vermutlich  eine  Torsion  des  ganzen  Extremitäten- 
stieles  vor.  Am  Skelett  ist  dieselbe  in  diesen  Stadien  nicht  zu  er- 
kennen,  da  dasselbe  erst  in  der  frühen  Anlage  begriffen  ist. 

Die  Ellenbeuge  in  Stadium  c  ist  wesentlich  eine  Biegung  an  der 
Stelle  des  hier  später  entstehenden  Gelenkes,  welches  sich  dann  so  spe- 
cialisiert,  daß  die   Oeffnung  des  Gelenkwinkels  auf  der  ursprünglich  ven- 


1)  In  der  Darstellung  der  thatsächlichen  Vorgänge  in  der  Entwickelung  von 
Lacerta  folge  ich  hauptsächlich  Mollier  (1895)  und  Peter  (1902).  Beim  Menschen 
verwerte  ich  außer  den  Angaben  von  Henke  und  Reyher  (1876),  Kölliker  (A.  L. 
II,  1879),  HoLL  (1891)  und  Hultkrantz  (1897)  hauptsächlich  die  Rekonstruktionen  von 
Bardeen  and  Lewis  (1901)  und  Lewis  (1902)  (vergl.  auch  p.  247,  Anm.  1).  Da  an  diesen 
beiden  Objekten  die  wesenthchen  Veränderungen  der  Stellung  hei  niederen  und  höheren 
Amnioten  zu  verfolgen  sind,  beschränke  ich  mich  auf  die  Schilderung  derselben. 


Entw.   d.  Form  d.  Extremitäten  u.   d.  Extremitätenskeletts.       249 

tralen  Extremitätenfläche  liegt.  Es  kommt  aber  zu  dieser  Biegung  noch  eine 
Stellungsänderung  des  Unterarms  gegen  den  Oberann  hinzu;  denn 
bei  einer  gewöhnlichen  Knickung  des  in  Fig.  221b  abgebildeten  Stieles 
würde  ja  die  Stellung  der  Handfläche  und  des  prä-  und  postaxialen 
Randes  unverändert  bestehen  bleiben  müssen.  Das  ist  nicht  der  Fall 
(Fig.  221c).  Die  Ursache  der  an  der  Ellenbogenbeuge  zu  Tage  tretenden 
Stellungsänderung  liegt  hier,  wie  auch  bei  menschlichen  Embryonen  (bei 
welchen  der  Vorgang  unten  genau  geschildert  ist)  daran,  daß  die  Anlage 
des  Radius  mit  ihrem  proximalen  Ende  (Radiusköpfchen)  nicht  ventral 
von  derjenigen  der  Ulna  stehen  bleibt  (wie  dies  in  Fig.  221b  der  Fall 
sein  müßte,  falls  dort  schon  Skelettanlagen  beständen),  sondern  daß  das 
Radiusköpfchen  sich  kranial  stellt,  das  proximale  Ende  der  Ulna  dagegen 
kaudalwärts  davon  gefunden  wird.  Ich  nenne  dies  eine  zirkumduktorische 
Bewegung  ^ ). 

In  der  Entwickelung  des  Menschen   entsteht  die  Extremitätenan- 
lage gleich  so,  daß  die  dorsale  Fläche  allein  frei  ist  und  lateralwärts 


c  b 

Fig.  222.    Rechte  vordere  Extremität  menschlicher  Embryonen  in  drei  verschie- 
denen Stadien,   a  äußere  Form,  h  mit  teilweLser  Entblößung  des  Skelettes,  c  Skelett. 


1)  Bei  Amphibien  und  Sauropsiden  bilden  sich  in  verschiedenem,  bei  den 
höher  entwickelten  Formen  (besonders  bei  den  meisten  karinaten  Vögeln)  in  immer 
mehr  vervollkommnetem  Maß  besondere  Einrichtungen  der  Trochlea  ulnaris  et 
radialis  humeri  heraus,  welche  eine  Längsverschiebung  des  Radius  gegen  die 
Ulna  und  gegenseitige  Annäherung  beider  Skeletteile  ermöglichen.  Die  Tiere  können 
durch  diesen  Mechanismus  rein  automatisch  Bewegungen  im  Ellenbogengelenk  auf 
das  Handgelenk  übertragen.  Ich  habe  dieser  eigenartigen  Komijlikation  wegen  im 
Text  nur  die  Frühstadien  von  Lacerta  benutzt  und  wende  nn'ch  wegen  der  höheren 
Entwickelung  direkt  zum  Menschen,  bei  welchem  nichts  Analoges  zur  Anlage  kommt. 


250  H.  Braus, 

schaut,  während  die  ventrale  Fläche  der  Baiichwand  zugewendet  ist 
(Fig.  222a).  Es  ist  hier  die  Torsion,  welche  bei  Lacerta  sich  erst  suc- 
cessive  entwickelt  (Fig.  221b  und  c),  von  vornherein  schon  größtenteils 
vollzogen.  Denn  sobald  Nerven  auftauchen,  besitzen  sie  die  spiralige 
Krümmung,  welche  den  vollzogenen  Vorgang  verrät  (Fig.  222b,  Nervus 
radialis.) 

Gegenbaur  (1864)  fand  durch  Winkelmessungen  an  den  Humeri 
einer  kontinuierlichen  Reihe  menschlicher  Föten,  daß  eine  successive  Ver- 
schiebung der  Knochencristae  nach  Art  einer  Torsion  stattfindet,  welche 
in  gleichem  Sinne  wie  die  soeben  beschriebene  Torsion  der  Weichteile 
verläuft^).  Die  Differenz  des  Torsionswinkels  zwischen  Embryonen  aus 
der  16.  und  solchen  aus  der  33.  Schwangerschaftswoche  beziffert  sich 
nach  Geoenbaur  auf  durchschnittlich  30  ^.  Le  Damany  (1903)  bestätigt  dies 
durch  zahlreiche  Messungen  an  menschlichen  Embryonen  vom  3.  Monat 
ab.  Da  aber  die  Weichteile  schon  längst  in  der  Entwickelung  die  spiralige 
Lage  besitzen,  ehe  sich  die  hier  konstatierte  Torsion  abspielt,  so  kann  die 
letztere  höchstens  als  Endphase  des  ganz  früh  einsetzenden  Prozesses  an- 
gesehen werden.  Wahrscheinlicher  ist  es  mir,  daß  ihr  keine  Torsion  des 
ganzen  Skelettteils  zu  Gnmde  liegt,  sondern  daß  es  sich  bloß  um  eine 
Verschiebung  des  oberflächlichen  Reliefs  des  Humerus  als  Folge  der 
Muskelwirkung  handelt  und  daß  also  die  Torsion  nur  indirekt  (in  der 
Wirkung  der  Muskeln,  deren  Lage  durch  sie  beherrscht  ist)  eine  Rolle 
spielt. 

Außerdem  tritt  beim  Menschen  sehr  früh  die  circumduktorische 
Bewegung  des  Radiusköpfchens  an  der  Elleubeuge  auf.  Denn  gleich- 
zeitig mit  der  ventralwärts  gerichteten  Einknickuug  an  der  Stelle  des 
späteren  Ellenbogengelenkes  beginnt  das  proximale  Ende  des  Radius 
sich  so  zu  verschieben,  daß  der  präaxiale  Rand  nicht  mehr  rein 
kranialwärts  sieht  (wie  etwa  noch  bei  Lacerta,  Stadium  c,  Fig.  221), 
sondern  daß  er  schräg  lateral  von  dem  postaxialen  Rand  (Ulna) 
sich  befindet  (Fig.  222b).  In  späteren  Stadien  (Fig.  222c)  ist  dies  soweit 
fortgeschritten,  daß  das  Radiusköpfchen  schon  fast  rein  lateral  neben 
dem  proximalen  Ende  der  Ulna  liegt.  Im  fertigen  Zustand  ist  ja  die 
Lage   von  Ulna   und  Radius   am  Ellenbogen  eine  rein  medio-laterale. 

In  kurzen  Zügen  kann  man  also  für  die  Gesamtentwickelung  der 
vorderen  Extremität  folgende  mehr  oder  weniger  ineinander  greifende 
Stellungsphasen  bis  zu  der  bisher  besprochenen  Ausbildung  der 
Drehung  unterscheiden : 

1)  primäre  Pr onation  s stell  ung  des  Unterarms  und  der 
Hand  infolge  von  Torsion  des  Extremitätenstieles ; 

2)  Knickung  in  der  Ellenbeuge  nach  der  ursprünglich  ventralen 
Seite  hin ; 

3)  sekundäre  Prouationsstellung  des  Unterarms  infolge 
von  Ueberkreuzung  der  Unterarmknochen  durch  ventro-laterale  Cir- 
cumduktion   des  Radiusköpfchens    um   das  proximale  Ende  der  Ulna. 

Bei  Primaten  schließt  sich  als  Endglied  der  langen  Reihe  von 
Drehungen  eine  Supinationsbewegung  der  gekreuzten  Vorderarm- 
knochen an  die  sekundäre  Pronationsstelluug  an,  welche  den  prä- 
axialen  Rand   von  Unterarm   und    Hand    vollends    lateral,    den   post- 


1)  Gegenbaur  trat  daraufhin  der  bei  Maclise  (1840)  bereits  andeutungs- 
weise erwähnten,  von  Martins  (1857)  vergleichend-anatomisch  ausgebauten  Torsions- 
hypothese bei. 


Entw.  d.  Form  d.  Extremitäten  u.  d.  Extremitätenskeletts,       251 

axialen  medial  verlagert.  Es  liegen  dann  Radius  und  Ulna  wieder 
parallel.  Doch  ist  diese  Stellung  gegenüber  der  ursprünglichen 
Parallellagerung  beider  eine  hoch  differenzierte  ^). 

Bei  den  Hinterglied  maßen  der  Tetrapoden  treten  Circum- 
duktionen  wie  bei  der  sekundären  Pronationsstellung  der  vorderen 
Extremität  nicht  auf.  Unterschenkel  und  Fuß  stehen  in  primärer 
Pronation.  Der  Oberschenkel  ist  jedoch  nicht  torquiert,  da  er  auch  mit 
seinem  proximalen  Ende  dieselbe  Drehung  vollzieht,  welche  am 
Humerus  nur  das  distale  Ende  ausführt.  Während  sich  der 
Humerus  kaudalwärts  dem  Rumpf  anlegt,  ist  umgekehrt  das  Femur 
kranialwärts  demselben  angeschmiegt.  Es  kommen  darin  die  ver- 
schiedenen Aufgaben  der  beiden  Gliedmaßen  (vordere  Extremität 
zum  Ziehen,  hintere  Extremität  zum  Schieben)  zum  Ausdruck ^j. 
Alle  Verschiedenheiten  der  Endstellung  bei  der  vorderen  und  hinteren 
Extremität  sind  also  um  so  ausgeprägter,  je  mehr  man  sich  dem 
proximalen  Ende  der  Gliedmaßen  nähert;  am  distalen  Ende 
(Hand  und  Fuß)  besteht  völlige  Uebereinstimmung  bis  auf  die  erst 
ganz  sekundär  zu  stände  kommende  Supination  der  Hand  der  Pri- 
maten, welche  sich  natürlich  am  Fuß  nicht  ausbilden  kann. 

Die  mechanischen  Ursachen  der  geschilderten  Drehungen  erblicke 
ich  im  wesentlichen  in  den  von  Cuenod  1888  und  Mollier  1895  gege- 
benen Darlegungen.  Von  den  zum  Schwimmen  bestimmten  Platten  der 
Fische  erhalten  sich  die  Teile,  welche  zum  Aufstützen  auf  dem  Boden 
dienen  (Palma  und  Planta)  in  gleicher  Stellung  (auch  schon  nach 
KöLLiKER  1879  (A.  L.  II)  und  besonders  Hatschek  1889,  III 5, 
p.  234).  Die  Verschiedenheiten,  welche  sich  am  sekundär  sich  ver- 
längei'nden  Extremitätenstiel  ausbilden,  beruhen  auf  der  Inanspruchnahme 
der  Skelettteile  bei  der  Adduktion  an  den  Körper,  welche  die  Fort- 
bewegung auf  dem  Trockenen  erfordert.  Es  läßt  sich  dabei  die  Cir- 
kumduktion  der  Unterarmknochen  aus  dem  Ineinandergreifen  der  Ad- 
duktion der  Extremität  an  den  Rumpf  und  der  primären  Pronations- 
stellung mechanisch  ableiten  ^). 


1)  HoLL  1891  erschließt  aus  den  Verhältnissen  des  Plexus  brachialis  beim 
Menschen  (Torquierung  der  Nerven)  eine  postembryonale  Drehung  der  Scapula. 
Nach  den  Rekonstruktionen  von  Lewis  1902  scheint  mir  schon  embryonal  eine 
solche  einzusetzen. 

2;  Nach  der  Geburt  tritt  beim  Menschen  nach  Holl  1891  noch  eine  stärkere 
Drehung  des  Oberschenkels  im  Hüftgelenk  hinzu,  welche  die  ursprüngliche  Dorsal- 
fläche ganz  nach  vorn  (kranialwärts)  bringt  und  sich  in  Torquierung  der  Bänder 
des  Hüftgelenkes  äußert.  —  Le  Damany  1903  beschreibt  bei  menschlichen  Embry- 
onen eine  Torsion  des  Femurkopfes,  welche  vor  der  Geburt  rückläufig  wird,  aber 
nicht  ganz  in  die  Ausgangsstellung  zurückführt.  —  Ueber  die  Entwickelung  des  Nei- 
gungswinkels beim  menschlichen  Becken  berichten  Petersen  1893,  F.  Merkel  1894. 

3)  Die  Litteratur  über  die  Drehungen  der  Ghedmaßeu  ist  eine  außerordent- 
lich große  und  die  Divergenz  der  Meinungen  beträchtlich.  Da  die  Argumente  meist 
nicht  der  Ontogenie  entnommen  sind,  fehlt  hier  der  Raum  für  eine  Aufzählung 
derselben  (neuere  kritische  Litteraturberichte  findet  man  bei  Holl  1891,  Eisler 
1898,  L.  Stieda  1898).  Die  primäre  Pronationsstellung  beider  Extremitäten  ist 
schon  bei  Fischen  manchmal  vorhanden  und  speciell  diejenige  der  Hinterflossen  des 
Ceratodus  von  Hatschek  1889  zuerst  mit  der  Stellung  der  Extremitäten  bei  Tetra- 

Soden  homologisiert  worden.  Hatschek  sprach  sich  nicht  näher  über  den  Sitz 
ieser  Bewegung  aus  (während  Semon  1898  [III '',  p.  195]  dieselbe  bei  Ceratodus 
im  zweiten  Gelenk,  d.  h.  also  im  Kniegelenk  lokalisiert),  dachte  aber  wohl  an  eine 
Torsion  im  Estremitätenstiel  (1.  c.  p.  88  Anm.)  Für  mich  spricht  die  Torsion  der 
Weichleile  an  der  vorderen  Extremität  der  Tetrapoden,  namentlich  der  spiralige 
Verlauf  des  Nervus  radialis  während  des  Voi-knorpelstadiums  des  Skelettes  (be- 
sonders   in  den  Rekonstruktionen  von  Lewis  1902)  entschieden  für  die  letztere  An- 


252  H.  Braus, 

3.  Die  Entwickelung  des  Extremitätenskelettes. 

a)  Zoiioskelett. 

a)  E  n  t  w  i  c  k  e  1  u  n  g  des  S  c  h  u  1 1  e  r  g  ü  r  t  e  1  s.  Da  maimigfache 
Schwierigkeiten  in  der  Auffassung  der  Entwickelungsprozesse  beim 
Sclmltergürtel  bestehen,  welche  namentlich  auch  die  anzuwendende 
Nomenklatur  beeintiusseu,  wird  es  zunächst  notwendig  sein,  vom  ent- 
wickelungsgeschichtlichen  Standpunkt  aus  möglichst  klare  Präcisionen 
aufzustellen,  um  nicht  mit  der  Benennung  von  vornherein  Hypothesen 
zu  verquicken.  Die  hauptsächlichsten  Meinungsverschiedenheiten  der 
Autoren  betreffen  die  Histiogenese  und  die  Lokalisation  der 
einzelnen  Skelettteile. 

Das  histiogene tische  Problem  besteht  darin,  daß  ergründet 
werden  soll,  ob  alle  Teile  des  Schultergürtels  eine  gleichartige 
Anlage  haben  oder  ob  sich  Elemente  aus  ungleichartigen 
Quellen  im  Zonoskelett  kombinieren.  Die  Vertreter  beider  Ansichten 
stimmen  darin  überein,  daß  es  vorknorpelige  und  knorpelige  Anlagen 
giebt,  welche  in  Ersatzknochen  ^)  en-  oder  perichondraler  Art 
umgebildet  werden.  Als  solche  stehen  außer  Frage:  das  Cora- 
00 id  und  die  Scapula.  Die  für  die  Gleichartigkeit  der  histio- 
genetischen  Prozesse  eintretenden  Autoren  (Götte  u.  a.)  geben  nur 
diese  Art  der  Osteogenese  zu.  Die  Ansicht  dagegen,  welche  eine 
Ungleich artigkeit  derselben  behauptet  (Gegenbaur  u.  a.),  sieht 
in  manchen  Skelettteilen  keine  Ersatzknochen ,  sondern  solche  Ele- 
mente, welche  unabhängig  vom  Vorknorpel-  und  Knorpelskelett  im 
Mesoderm  als  Beleg  knocken  entstehen.  Das  Problem  ist  also 
wesentlich    ein  osteogenetisches.     Als  Belegknochen  kommen  in 


schauung.  Die  Aehnlichkeit  meiner  Ansicht  mit  der  Torsionshypothese  von  Mar- 
tins ist  dabei  nur  eine  oberflächliche  (s.  p.  250,  Aum.  1).  —  Hatschek  leitete  nun 
aus  der  primären  Pronationsstellung  die  Position  der  vorderen  Gliedmaße  durch 
eine  auf  jene  folgende  entgegengesetzte  Drehung  des  Ellenbogengelenkes  nach 
hinten  ab.  Bei  der  hinteren  Gliedraaße  aber  nahm  er  eine  gleichsinnige  Drehung 
nach  vorn  an.  Beim  Arm  kommt  nach  ihm  durch  die  Gegensätzlichkeit  der  Prozesse 
die  Ueberkreuzung  von  Radius  und  Ulna  zu  stände.  Ich  folge  Hatschek  in  dieser 
Auffassung;  während  aber  jener  hier  die  Drehbewegungen  in  die  Gelenke  verlegt 
(Schulter-  und  Hüftgelenksrotationen),  scheint  mir  diese  Annahme  nicht  zutreffend, 
da  durch  einen  soicnen  Supinationsvorgang  am  Oberarm  alle  durch  die  primäre 
Pronationsstellung  hervorgerufeneu  Torsionserscheinungen  wieder  rückläufig  werden 
müßten.  Dagegen  spricht  die  Entwickelung.  Auch  sieht  man  in  letzterer  deutlich 
die  Circumductio  des  Eadius  um  die  Ulna.  Eine  ähnliche  Bewegung,  aber  mit  er- 
hebhcher  Divergenz  der  Gesamtauffassung  der  Gliedmaßenstellung,  postulierte  bereits 
auf  Grund  vergleichend-anatomischer  Argumente  Albrecht  1875.  Da  bei  der  hin- 
teren Extremität  die  Circumductio  nicht  auftritt,  unterbleibt  bei  ihr  die  Gegen- 
drehung  zwischen   dem  proximalen    und  distalen  Extremitätenabschnitt. 

Die  Ausgangsstellung  der  Gliedmaßen,  welche  Huxley  1876  zuerst  nachwies, 
kann  als  primäre  Supinationsstellun  g  bezeichnet  werden.  Indem  später  viel- 
fach die  sekundäre  Supin  ationsstellung  der  Primaten,  sjJecieU  des  Menschen, 
mit  jener  primitiven  Ausgangsstellung  irrtümlich  identifiziert  und  die  primäre  und 
sekundäre  Pronatious  Stellung  übersehen  wurden,  entstanden  mannigfache 
Verwechselungen.  Ontogenie  und  vergleichende  Anatomie  erweisen  jedoch  gleich 
deutlich  die  Supination  des  Unterarms  beim  Menschen  als  End Stadium  eines  langen, 
verwickelten  Ausbildungsprozesses. 

Den  wesentlich  auf  die  Annahme  von  Flexionen  in  entgegengesetzter  Richtung 
sich  beschränkenden  Erklärungsversuchen  (z.  B.  Stieda  u.  a.)  und  allen  Hypothesen, 
welche  die  Großzehe  und  den  5.  Finger  (anstatt  Pollex  und  Hallux)  homo- 
dynamisieren (Antitropie,  B.  Wilder,  Eisler  u.  a.)  kann  ich  nicht  beistimmen  (vergl. 
dazu  C.  Rabl  1903). 

1)  Ich  folge  der  von  Gaupp  1001,  p.  !)28  vorgeschlagenen  Benennung. 


Entw.  d.  Form  d.  Extremitäten  u.  d.  Extremitätenskeletts.       253 

Frage  die  C 1  a  v  i  c  u  1  a  und  das  E  p  i  s  t  e  r  ii  u  m.  Diese  werden  also  von 
GÖTTE  wie  alle  anderen  Schnltergürtelbestandteile  zu  denErsatzknoclien 
gerechnet. 

Betrachten  wir  beispielsweise  die  frühe  Schnltergürtelanlage  einer 
Amphibienlarve  (Fig.  223),  so  erkennen  wir  eine  einheitliche  Platte, 
welche  doi-sal  von  der  Schultergelenkgrube  (O)  in  einen  Fortsatz, 
ventral  in  zwei  Fortsätze  ausläuft.  Während  der  ventro-kaudale  all- 
gemein als  Coracoid  (Co)  und  der  dorsale  als  Scapula  (S)  bezeichnet 
werden,  ist  der  ventro-kraniale  je  nach  den  über  seine  späteren  Schick- 
sale bestehenden  Hypothesen  verschieden  benannt  worden.  Götte 
glaubt,  daß  aus  ihm  hier  und  bei  höheren  Vertebraten  als  Ersatz- 
k  u  0  c  h  e  u  die  Clavicula  (und  das  Episternum)  hervorgingen  und  be- 
zeichnet ihn  deshalb  als  Clavicula.  Gegenbaur  faßt  Clavi- 
cula und  Episternum  als  Belegknochen  auf,  die  sich  anfänglich 
in  der  Umgegend  des  ventro-kranialen  Fortsatzes 
(Pr)    bilden    und  höchstens  sekundär  mit  ihm  ver-  ■■'""'^\ 

schmelzen ;    er  bezeichnet  deshalb  den  Fortsatz  Pr  {         \     g 

zum    Unterschied   von    diesen    als   P  r  o  c  o  r  a c  o  i  d. 
Bezüglich  der  Entstehung  des  Fortsatzes  Pr  selbst 
besteht    also    gar    keine    Meinungsverschiedenheit; 
dieselbe  betrifft  lediglich  die   Osteogenese   und  die       ^" 
an  diese  gebundene  Nomenklatur.  Vlf^    L   Pr 


Fig.  'J23.     Schultergürtelanlage  von  Rana.     Nach  Götte. 
Der  punktierte  Kontur  der  Scapula  ist  frei  ergänzt. 


Co-\ 


Da  nun  aber  so  übersichtliche  Verhältnisse  wie  hier  bei  Am- 
phibien unter  den  höheren  Tetrapoden  meistens  nicht  vorkommen,  so 
erhebt  sich  die  weitere  Frage,  ob  dieselben  Teile  des  in  Fig.  223  dar- 
gestellten primären  Schultergürtels,  speziell  der  Fortsatz  Pr,  vor- 
handen und  wo  sie  zu  suchen  seien.  Es  ist  das  ein  topographi- 
sches Problem.  Indem  dasselbe  meistens  mit  dem  histiogenetischen 
verquickt  wurde  ^),  ergaben  sich  je  nach  der  Auffassung  die  ver- 
schiedensten Benennungen  oft  für  dasselbe  Skelettstück. 

Ich  werde  deshalb  den  Ausdruck  „Procoracoid"  rein  topo- 
graphisch gebrauchen  und  damit  den  ventro-kranialen  Fortsatz  der 
primären  Knorpelanlage  (Fig.  233,  P?-)  bezeichnen,  unbeschadet  der 
osteogenetischen  Frage,  ob  fernerhin  die  Clavicula  auf  und  in  ihm 
als  Ersatzknochen  oder  neben  ihm  als  Belegknochen  entsteht.  Eine 
knorpelige  Clavicula  giebt  es  nach  dieser  Bezeichnungsweise 
nicht-^)  (im  Sinne  Götte's  würde  vielmehr  der  Procoracoidknorpel  als 
Grundlage  der  Clavicula  zu  bezeichnen  sein). 


1)  Die  Verquickung  beider  Probleme  ist  wesentlich  dadurch  bedingt  worden,  daß 
nach  Götte's  Ansicht  die  Anlage  des  Fortsatzes  Pr  und  diejenige  der  Clavicula 
identisch  sein  müssen,  da  ja  letztere  in  ersterem  entstehen  soll.  Ein  Auftreten  des 
Fortsatzes  Pr  und  der  Clavicula  an  getrennten  Oertlichkeiten,  was  nach  Gegen- 
baitr's  Hypothese  möglich  wäre,  ist  nach  Götte  ausgeschlossen.  So  wurde  die  Topo- 
graphie als  Kriterium  der  Histiogenese  verwertet. 

2)  Ich  betone  ausdrücklich,'  daß  durch  diese  Anwendung  des  Wortes  „Pro- 
coracoid" keine  Stellung  zu  den  beiden  Problemen  (topographisches  und  osteo- 
genetisches  Problem)  bezeichnet  ist.  Ich  würde  der  größeren  Klarheit  wegen 
sogar  vorschlagen,  den  Namen  Clavicula  nur  dem  fertigen  Skelettteil  zu  be- 
lassen ,  onto  genetisch  dagegen  ein  knorpeliges  Procoracoid  und 
knöchernes  Cleidium  als  Bausteine  der  Clavicula  zu  unterscheiden,  wenn 
nicht   diese  Aenderung    bei   der  althergebrachten    Anwendung  des  Wortes  Clavicula 


254 


H.  Braus, 


Ich    behandle    im 


anlagen 


folgenden    zinu 


die  Genese  der  Fiüh- 
des  Schultergülteis  und  seiner  Teile  (topographisches 
Problem)  und  in  einem  folgenden  Kapitel  die  V  e  r  k  n  ö  c  h  e  r  u  n  g 
des  Schultergürtels  (osteogenetisches  Problem). 

Primäre  Anlage  des  S  c  h  u  1 1  e  r  g  ü  r  t  e  1  s  und  seiner 
Teile  (Vorknorpel  und  Knorpel).  Bei  allen  Tetrapoden  legt 
sich  der  Schultergürtel  als  ein  einheitliches  verdichtetes  Blastem 
in  dem  Mesenchym  der  Bauchwand  an  und  zwar  an  der  Stelle,  wo 
letzterer  die  Wurzel  der  freien  Extremitäteuaulage  aufsitzt.  Die 
erste  Anlage  steht  in  kontinuierlicher  V  e  r  b  i  n  d  u  n  g  mit  der 
Skelettanlage  in  der  freien  Gliedmaße.  Die  Einheitlichkeit  bleibt  im 
ganzen  Vorknorpelstadium  bestehen. 

Bei  Amnioten^)  beginnt  sich  die  Mesenchymverdickung  in  der 
glenoidalen  Partie  des  späteren  Gürtels  auszubilden  und  faßt  dabei 
die   proximale  Partie   des    späteren  Humerus   gleich   in    sich.     Da  es 

schwierig  ist,  in  so  frühen  Stadien  genau 
zu  lokalisieren,  so  ist  der  Einschluß  von 
Nerven  und  Gefäßen  in  die  früheste  Anlage 
von  Wichtigkeit  (Fig.  224).  Derselbe  ist  für 
den  S  c  h  u  1 1  e  r  g  ü  r  t  e  1  an  der  betreffenden 
Stelle  charakteristisch. 


dm 


Fio-  224 


vm 


Extremitätenanlage  von  Lacerta  muralis 
(60  Somiten).  Nach  Mollier.  Ske  Skelettanlage. 
A  Arterie,  vsj)  ventraler  Sproß  eines  Somiten.  dm 
dorsale,  i^m  ventrale  Extremitätenmuskulatur,  n  Nerv. 


Für  Amphibien  giebt  es  verschiedene  Angaben.  Nach  Götte 
187.5  (A.  L.  III')  sproßt  das  Skelett  der  freien  Extremität  aus  der 
Schultergürtelanlage  hervor ,  letztere  wäre  also  zeitlich  früher  vor- 
handen. Strassbr  (1879)  findet  im  jüngsten  Stadium  von  Triton  die 
Gürtelanlage  und  den  Beginn  des  Humerus  nebeneinander  vorhanden. 
WaEDERSHEiM  endlich  (1 890  [A.  L.  III ',  1892])  sagt,  daß  bei  Proteus  und 
Triton  sich  die  Verdichtung  für  den  Humerus  etwas  früher  als  diejenige 
im  Schultergürtelbereich  bilde. 

Bei  der  Verknorpeln  ng  wiederholt  sich  bei  Amnioten  dieselbe 
Reihenfolge  (Köi.liker  1879  [A.  L.  II],  Mollier  1895).  Bei  Amphibien 
bestehen  Differenzen  in  den  Angaben  2)^  doch  scheint  bei  ihnen  meistens 
der  Humerus  dem  Schultergürtel  in  der  Chondrifikation  voranzugehen. 


eine  so  eingreifende  wäre.  Es  wäre  das  Problem  bei  dieser  Bezeichnungsweise  so  zu 
formulieren,  daß  festzustellen  sei,  ob  das  Cleidium  sich  als  ein  Ersatz-  oder  Beleg- 
knochen  des  Procoracoid  bilde  und  ferner,  wo  das  Procoracoid  und  wo  das  Cleidium 
in  der  Ontogenese  entstehe.  Verwechselungen  durch  die  Verwendung  desselben 
Namens  für  Dinge,  von  denen  es  nicht  sicher  steht,  ob  sie  dasselbe  oder  ver- 
schiedenes sind  (Procoracoid  und  Clavicula  nach  der  üblichen  Benennung),  wären 
bei  dieser  Nomenklatur  unmöglich.  Bei  der  Genese  des  Skelettteiles  beispielsweise, 
den  wir  im  fertigen  Zustand  Mandibula  nennen,  unterscheiden  wir  ja  auch  nach 
der  üblichen  Auffassung  den  MECKEL'sehen  Knorpel  imd  das  knöcherne  Dentale. 

1)  Ich  folge  hier  den  Angaben  von  Mollier  1895  für  Reptilien  (Lacerta)  und 
von  Bardeen  and  Lewis  1902  für  Säuger  (Homo). 

2)  Bei  Amphibien  giebt  für  Triton  in  einzelnen  Fällen  Wjedersheim  (1892, 
p.  190),  gleichzeitiges  Auftreten  von  Knorpel  in  Schultergürtel  und  Humerus 
an.  In  den  meisten  Fällen  bei  Urodelen  imd  stets  bei  Auuren  geht  nach  ihm  der 
Humerus  voran.  Lignitz  1897  sah  dasselbe  beim  Frosch  und  finde  ich  bei  Bom- 
binator. —  WiEDERSHEiM  (1.  c.)  giebt  für  Krokodile  an,  daß  zuerst  Humerus  und 
An  tebrächiu  m  ,   dann  erst  die  Scapula  verknoriiele. 


Entw.  d.  Form  d.  Extremitäten  u.   d.  Extremitätenskeletts.      255 

Aus  dem  einlieitlicheu  Vorknorpel  wachsen  Fortsätze  innerhalb 
der  Bauchwand  dorsal-  und  ventralwärts  aus.  So  bildet  sich  die 
Gürtelform  der  Anlage  allmählich  von  der  glenoidalen  Partie  aus 
(Fig.  225).  Es  entsteht  bei  Amnioten  der  Coracoidfortsatz  eher  etwas 
früher  als  der  Scapularfortsatz,  der  Pro- 
coracoidfortsatz  jedenfalls,  soweit  ein  solcher  *"' 

bekannt  ist,  später  als  die  beiden  anderen. 

Bei  anuren  Anii)hibien  ^)  entwickelt 
sich  jedoch  der  Scapularteil  früher  als  die 
übrigen  (Jordan  1888,  AViedersheim  1892, 
LiGNiTZ  1897).  Erst  nach  Rückbildung  des 
anfangs  aufgeblähten  Darmes  bei  der  Larve  1  N^ivJ^^^^"    ~ '  #- -s^e 

Fig.  225.  Extremitätenanlage  von  Lacerta  mu- 
ralis,  etwas  älter  als  in  Fig.  224.  Bezeichnung  wie 
dort.    Nach  Mollier. 


V  m. 


wächst  der  ventrale  Teil  der  Schultergürtelanlage  aus.  Es  ist  zu  be- 
denken, daß  eine  frühere  Anlage  (in  der  geblähten  Bauchwand)  eine 
nachträgliche  Verkürzung  des  Skelettes  im  Gefolge  haben  müßte.  Die 
Anlage  erfolgt  dagegen,  sowie  die  Bauchwand  in  eine  den  späteren 
Zuständen  ausganggebende  Entwickelungsphase  getreten  ist. 

Innerhalb  des  Schultergürtels  erfolgt  meistens  die  Verkorpelung  i  n 
einem  Guß.  Jedoch  bildet  sich  in  diesem  Stadium  keine  Kontinuität 
mit  der  knorpeligen  Humerusanlage  aus.  Es  bleibt  vielmehr  anfänglich 
eine  Vorknorpelzone  an  der  Stelle  des  späteren  Schultergelenkes  be- 
stehen, welche  sich  nachträglich  in  das  Gelenk  (Kapsel  und  Höhle) 
umwandelt.  Der  Knorpel  des  Schulterbogens  selbst  entsteht  in  der- 
selben Reihenfolge  wie  der  Vorknorpel  -■). 

Die  einzelnen  Fortsätze  der  Schultergürtelanlage  differen- 
zieren sich  in  mannigfach  variierender  Weise.  Scapula  und  Coracoid 
verhalten  sich  am  konstantesten.  Das  Procoracoid  kann  jedoch  so 
starke  Differenzen  seines  Auftretens  zeigen,  daß  an  der  Stelle  eines 
regulär  vorknorpelig  und  später  knorpelig  sich  entwickelnden  Skelett- 
teiles nur  eine  mesenchymatische  Verdichtung  beobachtet  wird,  welche 
von  den  einen  Autoren  als  Rudiment  eines  Procoracoides,  von  den 
anderen  als  eine  nur  angelagerte,  rein  bindegewebige  Bildung  be- 
trachtet wird.  Oder  aber  es  fehlt  jede  Spur  eines  Procoracoidfort- 
satzes. 

Amphibien.  Hier  liegen  in  den  Frühstadien  der  Skelettent- 
wickelung die  Verhältnisse  sehr  übersichtlich.  Bei  Triton  (Götte  1877) 
ist  das  Procoracoid  noch  ein  kurzer  Fortsatz  in  einem  Stadium,  in 
welchem  das  Coracoid  schon  eine  beträchtliche  Länge  erreicht  hat. 
Es  entspringt  an  der  glenoidalen  Partie  des  Schultergürtels,  speciell 
von  der  Basis  des  Scapularfortsatzes.  und  schiebt  sich  mit  fort- 
schreitendem Wachstum  allmählich  ventralwärts  neben  dem  kranialen 

1)  WiEDERSHElM  1892  glaubt,  daß  allgemein  bei  Wirbeltieren  die  Scapula 
vorangehe.  Doch  trifft  dies,  wie  er  übrigens  für  die  Chelonier  selbst  angiebt, 
nicht  zu. 

2)  Bei  Amnioten  verknorpelt  zuerst  das  Coracoid,  dann  die  Scapula,  endlich,  wo 
vorhanden,  das  Procoracoid.  Bei  Amphibien  geht  die  Scapula  voran,  dann  folgt  das 
Coracoid,  schließlich  auch  hier  das  Procoracoid  als  letztes.  —  Wiedersheim  (1892) 
giebt  für  Amphibien  an,  daß  diskontinuierliche  Knorpelcentren  im  vorknorpeligen 
Schulterbogen  auftreten.  Ich  finde  dasselbe  bei  Bombinator  (je  einen  Knorpelkern 
für  Scapula,  Coracoid  und  Procoracoid). 


25G 


H.  Braus, 


Rand  des  Coracoides  herunter.  Es  entstellt  so  ein  Bild  ähnlich  dem, 
wie  es  p.  253,  Fig.  223  für  Rana  gegeben  ist.  Bei  den  meisten 
Urodelen^)  ist  damit  die  Entwickelung  der  Form  abgeschlossen. 
Nach  vollzogener  Verknorpeliing  bilden  Procoracoid  und  Coracoid  zwei 
distal  (ventral)  völlig  getrennte  Spangen.  Die  Incisur  zwischen  ihnen 
ist  jedoch   von  einer  Membran  verschlossen    (Membrana    obturatoria). 

Bei  Auuren  [Götte  1877,  p.  571 -)j  schließt  sich  regelmäßig  an 
das  vorknorpelige  Zangenstadium  zuni 
ohne  wesentliche  Formveränderung  an 
längern  sich  die  frei  endenden  Spangen 
coracoides ;  dann  aber  tritt  in  einem  späteren  Stadium  eine  Verschmelzung 
der  ventralen  Enden  bei  den  genannten  Fortsätzen  ein,  indem  das 
Coracoid  sich  distal  verbreitert  bis  zur  Vereinigung  mit  dem  Pro- 
coracoid. Die  Verschmelzungsstelle  heißt  Epicoracoid  (Fig.  22(3b  E). 
Dasselbe  entsteht  also  zuletzt  von  allen  Teilen  des  Schultergürtels. 
Schon  bevor  seine  Entwickelung  erfolgt  ist,  berühren  sich  übrigens 
bereits  die  ventralen  Teile  des  Zonoskelettes  der  einen  Körperseite 
mit  denjenigen  der  anderen  in  der  Medianlinie.    Sobald  die  Epicoracoide 


die     Verknorpeln  ng 
(Fig.   226  a).      Wohl     ver- 
des    Coracoides   und  PrO- 


Co. 


-  Co 


Fig.  226.  Zwei  Entwickelungsstadien  des  Schultergürtels  von  Rana  esculenta 
(Knoriielstadium).  Die  Scapula  ist  nur  in  ihrem  basalen  Teil  gezeichnet.  G  Pars 
glenoidalis.  S  Scapula.  P  Coracoid.  Pr  Procoracoid.  E  Epicoracoid.  F  o  Incisur 
resp.  Foramen  obturatorium.    Nach  Götte. 

Fig.  227.  Vordere  Brustwand  einer  Larve  von  Rana  esculenta.  Frontalschnitt. 
Co  Coracoid.  Pr  Procoracoid.  P.  a  kranialer  Fortsatz  des  Procoracoides.  Prost  Pro- 
sternum.     Nach  Lignitz. 


1)  Bei  Menopoma  (Götte,  Wiedersheim),  Siren  (Wiedersheim,  Gegex- 
BATJR)  u.  a.  sind  jedoch  beim  ausgewachsenen  Tier  die  sonst  freien  Enden  des  Pro- 
coracoides und  Coracoides  durch  eine  Knorpelspange  (Epicoracoid,  s.  u.  Text)  verbunden. 
Es  besteht  dann  keine  Incisur,  sondern  eio  geräumiges  Loch  im  ventralen  Teil  des 
Schultergürtels,  ähnlich  wie  bei  Anuren  (Fig.  226b  F  o\.  Dasselbe  ist  von  einer 
Membrana  obturaroria  verschlossen  und  manchmal  (Cryptobranchus,  Osawa  1902) 
so  eng,  daß  der  ganze  ventrale  Abschnitt  des  Schultergürtels  (Coracoid  +  Pro- -f 
Epicoracoid)  beim  ersten  Anblick  aus  einer  dünnen  Knorpelplatte  zu  be- 
stehen scheint.  Leider  ist  die  Entwickelungsgeschichte  dieser  Formen  noch  unbe- 
kannt. —  Häufig  wachsen  nachträglich  die  ventralen  Fortsätze  soweit  aus ,  daß 
sie  über  die  Medianlinie  hinaus  in  das  andere  Körperantimer  hmein  ragen.  Der  linke 
Schultergürtel  schiebt  sich  dabei  über  den  rechten  (so  wie  man  einen  Rock  über  der 
Brust  zuzuknöpfen  pflegt).   Dies  kommt  sowohl  bei  Urodelen  wie  auch  bei  Anuren  vor. 

2)  DuGES  (1834)  beschrieb  bereits  die  erste  Anlage  des  Schultergürtels  bei 
Kaulquappen  und  die  Bildung  des  Loches  im  ventralen  Teil  desselben  durch  Um- 
wachsung. Doch  stammt  die  erste  detaillierte  Untersuchung  nach  neueren  Gesichts- 
punkten von  A.  Götte  (1875,  1877). 


Entw.  d.  Form  d.  Extremitäten  u.  d.  Extremitätenskeletts.       257 
gebildet  sind,  tritt  Yerschmelzuiiff  ^)  der  autimeren  Teile  in  der  Brust- 


fe'- 


mittellinie  ein. 

Prostern  um.  Wibdershbim  (1892)  und  Lignitz  (1897)  beschreiben 
bei  Rana  paarige  Knorpelinseln ,  welche  isoliert  kranialwärts  vom 
Procoracoid  entstehen  (Fig.  227  Pr.st)  und  nachträglich  zu  einem  un- 
paaren  Skelettstück  verschmelzen.  Wiedersheim  vergleicht  es  seiner 
Entstehung  nach  mit  dem  Sternum  der  Anuren.  Es  wäre  also  hier  ein 
P  r  0  s  t  e  r  n  u  m  2 )  in  der  Anlage  vorhanden. 


*»^ 


Reptilien.     Ein   ganz   paralleles  Verhalten  der  Schnltergürtel- 
anlage    zu    dem    bei   Amphibien    beschriebenen    ist    bei    älteren   Em- 
bryonen   von    Schildkröten    beobachtet     worden    (Rathke    1848 
A.  L.  III  ^).     Es  existiert   hier   ein   einheitlicher 
Knorpel,    welcher  vom  glenoidalen  Centrum  aus 
einen  scapularen  Fortsatz  dorsalwärts  und  einen 
coracoidalen    sowie     procoracoidalen     Processus 
veutralwärts    entsendet    (Fig.   228).      Außerdem 
aber   biegt   das    Coracoid   an    seinem  terminalen 
Ende  hackenförmig  um,  zeigt  sich  hier  ligamentös 
mit   dem   nahen  Procoracoid  verbunden  und  er- 


innert darin  an  die  Zustände  bei  Anuren  (Götte).  (-^      ^^-''^•'' 

G  -  - 

Fig.  228.  Schultergiirtelknorpel  eines  Schildkrötenem- 
Ijryo  (wahrscheinlich  Podocnemis).  Alle  Stücke  in  einer 
Ebene  dargestellt.  Bezeichnung  wie  bei  Fig.  226.  Lig 
Ligament.    Nach  Götte. 

Freilich    wissen    wir    nicht ,    ob    dieses    entwickelungsgeschichtliche 
Einzelbild  (Fig.  228)  auch  in  derselben  Weise  entsteht  wie  bei  Amphibien, 


1)  In  einzelnen  Fällen  kann  eine  Verschmelzung  ausbleiben  [(Microps),  auch 
kann  das  Epicoracoid  ganz  fehlen  oder  durch  ein  Ligament  ersetzt  sein  (Dactylethra). 
Es  sind  das  urodelenartige  Zustände  bei  Anuren,  die  ebenfalls  noch  der  Klärung 
durch  die  ontogenetische  Untersuchung  harren  wie  die  wichtigen  an  arenähnlichen 
Befunde  bei  Urodelen  (s.  p.  256,  Anm.  1). 

2)  Wiedersheim  behält  für  den  Knorpel  den  Xaraen  Episternum  bei,  trotz 
der  von  ihm  betonten  Ahomologie  mit  dem  gleichnamigen  Element  etwa  der  Saurier 
(s.  w.  u.  Text).  Es  entsteht  dadurch  eine  weitere  Komplikation  in  der  Nomenklatur, 
welcher  ich  (wie  bei  Procoracoid  und  Clavicula)  mit  dem  Vorschlag  begegnen  möchte, 
jede  knorpelige,  nicht  mit  dem  primären  Schultergürtel  genetisch  zu- 
sammenhängende Anlage  an  dieser  Stehe  als  Prosternum  zu  bezeichnen. 
—  Episternum  nenne  ich  allein  das  Ossifikationsprodukt,  gleichgiltig  ob 
dasselbe  als  Ersatzknochen,  wie  die  einen  meinen,  oder  als  Belegknochen,  wie  die  anderen 
glauben,  entsteht.  Allerdings  kommt  bei  der  Episternumfrage  noch  die  Schwierigkeit 
hinzu,  daß  auch  das  Substrat,  auf  welchem  die  Ossifikation  sich  aufbaut,  je  nach  den 
verschiedenen  Auffassungen  schwankt,  da  die  einen  Autoren  diesen  Knochen  zum 
Sternalapparat  rechnen  (aus  Prosternum  entstanden),  die  anderen  zum  ventralen  Teil 
des  primären  Schultergürtels  (Praeclavium,  Gegexbaur  1898).  Ich  werde  die  Wörter 
Episternum  und  Interclavicula  rein  topographisch  und  zwar  proraiscue  ge- 
brauchen (manche  Autoren  bezeichnen  mit  Episternum  die  prosternalen,  mit  Inter- 
clavicula die  zonalen  Knochen,  s.  Abschnitt  „Episternum"). —  Götte  (1877)  hatte  für 
ßana  angegeben ,  daß  sich  von  einem  Teil  der  vorknorpeligen  Procoracoidanlage  aus 
{bei  *  Fig.  226b)  ein  Knorpel  bilde,  der  später  als  Kiel  des  Sternum  erhalten  bleibe 
(ursprünglich  hatte  er  sogar,  im  Anschluß  an  W.  K.  Parker,  eine  direkte  Abgliederung 
vom  knorpeligen  Procoracoid  behauptet  [1875]).  Ligxitz  (1897,  p.  43)  zeigte  jedoch, 
daß  zwar  ein  Knorpelfortsatz  vom  Procoracoid  aus  sich  bildet  (P.  o  Fig.  227),  daß 
dieser  aber  nichts  zu  thun  hat  mit  dem  isoliert  entstehenden  Prosternum  iPrst.). 
Andererseits  fanden  er  sowie  vor  ihm  Wiedersheim  ( 1892 ) ,  daß  der  Kiel  des 
Sternum  vom  letzteren  aus  im  Anschluß  an  die  erhöhte  Funktion  des  Muse,  pectoralis 
entsteht. 

Handbuch  der  Entwickelungslehre.  III.  2.  17 


258 


H.  Braus, 


ob  also  das  Epicoracoid  durch  progressive  Aussprossung  vom  Coracoid 
zu  stände  kommt  oder  ob  nicht  eine  Reduktion  einer  einst  kompletten 
Knorpelverbindung  zwischen  den  beiden  ventralen  Spangen  in  dem 
Ligament  {Lig)  vorliegt.  Denn  eine  kontinuierliche  Reihe  von  Embryonen 
derselben  Species    ist    bisher  auf  diesen  Punkt  hin  noch  nicht  untei'- 


Fig.  230. 


S 


F.spc 


Lese 


Ep 


b 

F.cor.a  Cl 
Pr.Ggb    \      i 


F.c.sc 


F.cor.a      «,;;       Cl 
F.c.sc    :  F.cor.p  \ 


F.cor.p 


-  F.spc 


Fig.  229.  Entwickelung  des  Schulter- 
gürtelapparates von  Sphenocion,  a,  b  von 
Embryonen,  c  vom  eben  ausgeschlüpften 
Tier.  Nach  Bchauinsland.  Bezeichnungen 
wie  bei  den  vorigen,  cl  Clavicula  (Clei- 
dium).  F.spc.  Foramen  supracoracoideum. 
Lese  Incisura  coraco-scapularis.  Ep  Epi- 
sternum.     St  Sternura.     0  Ossifikationen. 

Fig.  230.  Entwickelung  des  Schultergürtelapparates  von  Cnemidophorus.  Nach 
GöTTE,  Bezeichnung  wie  bei  den  vorigen.  Proc  Ggb.  Procoracoid  GtEGENBAUr's. 
F.c.sc  Foramen  coraco-scapulare.  F.cor.a  und  jj  Foramen  coracoideum  anterius  und 
posterius.  *  siehe  Text. 


Entw.  d.   Form  d.  Extremitäten   u.   d.  Extremitätenskeletts.        259 

sucht.  GröTTE  (1877),  welcher  den  ersteren  Standpunkt  vertritt,  stützt 
sich  dabei  auf  den  Vergleich  verschieden  alter  Embryonen  von  ver- 
schiedenen Schildkrötenspecies.  Es  kommen  aber  auch  in  der 
fertigen  Form  mannigfache  Differenzen  bei  den  verschiedenen  Schild- 
kröten an  dieser  Stelle  vor.  So  sind  hier  und  auch  bei  älteren  Enibi'vonen 
Bildungen  bekannt,  bei  welchen  das  Epicoracoid  nur  durch  einen  ganz 
geringen  Zwischenraum  vom  völligen  Zusammenhang  mit  dem  Procoracoid 
getrennt  ist  (Götte,  Sabatier,  Füebringer).  Procoracoid,  Epicoracoid 
und  Coracoid  erscheinen  dann  als  fast  völlig  einheitliche  Platte,  welche 
central  durchbohrt  ist.  Gegenbaur  (1864,  1898)  und  FCrbringbr  (1901j 
gehen  von  diesen  Befunden  mit  langem  Epicoracoid  aus  und  leiten  die 
anderen  durch  Rückbildung  des  Epicoracoides  von  ihnen  ab,  indem  sie 
das  Ligament  als  Rest  der  einst  kompletten  Bildung  auffassen  (Lig.  epi- 
coracoideum).  Es  ist  das  genau  der  umgekehrte  Weg  als  der  von  Gtötte 
postulierte  und  in  der  Ontogenese  von  Amphibien  thatsächlich  nachge- 
wiesene 1).     Siehe  auch  w.  u. 

Bei  L  a  c  e  r  t  i  1  i  e  r  11  und  R  h  y  n  c  li  o  c  e  p  h  a  1  i  e  r  u  besteht  nur  inso- 
fern eine  klare  Uebereinstimmung  der  Schultergttrtelanlage  mit  der- 
jenigen bei  Chelouiern,  als  auch  hier  eine  einheitliche  Kuorpelspange 
entsteht.  Es  fehlt  jedoch  die  Teilung  der  ventralen  Partie  in  Coracoid 
und  Procoracoid  beim  frühen  Auswachsen  derselben.  Bei  Sphenodon 
hat  Schauinsland  1900,  1903  eine  von  Anfang  an  einheitliche  (nur 
von  einem  kleinen  Nervenloch,  F.  spc.)  durchbohrte  Platte  gefunden 
(Fig.  229a).  Dieselbe  besitzt  einen  acromialen  P'ortsatz,  au  welchen  sich 
eine  rein  bindegewebige  Anlage  (cl)  anschließt.  Dieselbe  ver- 
knorpelt nicht.  (Erst  durch  die  spätere  Ossifikation  entwickelt  sich 
aus  ihr  ein  Skelettteil,  siehe  Clavicula  [Cleidiumj.)  Eine  klare  Homo- 
logie mit  den  Bildungsprozessen  bei  Cheloniern  oder  Amphibien  liegt 
also  nicht  vor.  Andererseits  weisen  die  Saurier  Durchbrechungen 
der  ventralen  Platte  des  Schultergürtels  auf.  Wie  aber  Götte  1877 
zeigte,  entstehen  dieselben  so,  daß  auch  hier  anfänglich  der  ventrale 
Teil  im  Vorknorpelzustand  völlig  einheitlich  ist  (abgesehen  von  dem 
kleinen  Nervenloch  F.  spc,  Fig.  230a),  und  daß  erst  beim  Uebergang  vom 
vorknorpeligen  in  den  knorpeligen  Zustand  bestimmte  Stelleu  ausge- 
spart bleiben,  au  welchem  sich  das  Prochondralgewebe  in  Bindegewebe 
umwandelt  (Fig.  230b,  c).  Es  entstehen  auf  diese  Weise  Löcher  im 
Knorpel,  welche  aber  durch  die  gemeinsame  Umhüllung  des  ganzen 
Skelettteiles  (Perichondrium)  verschlossen  sind  (Membranae  obtura- 
toriae).  Bei  Cnemidophorusembryonen  finden  sich  schließlich  drei 
solcher  Perforationen  (zwei  im  ventralen,  eine  im  dorsalen  Teil  der 
Gürtelaulage,  Fig.  230c). 

An  den  acromialen  Abschnitt  der  Scapula  schließt  sich  wie  bei 
Sphenodon  ein  Mesenchymstreifen  an,  der  nie  verknorpelt,  aber  später 
verknöchert  (Clavicula  [Cleidium]  s.  u.). 

1)  Es  giebt  noch  eme  andere,  allerdings  nicht  auf  entwickelungsgeschichthchen 
Argumenten  basierende  Auffassung  des  vorderen  ventralen  Schenkels  im  Schildkröten- 
schultergürtel,  welche  in  demselben  kein  Procoracoid,  sondern  ein  verlängertes  A  c  r o- 
m  i  0  n  erblickt  d.  h.  einen  Auswuchs  der  Scapula,  welcher  beim  Ausbleiben  oder  nach 
Verlust  des  Procoracoides  als  Neubildung  entsteht  (von  neueren  Autoren  vertreten 
von  Baur  1891,  1896,  Seeley  1892—1895,  Koken  1893,  Andrews  1895. 
Genaues  Litteraturverzeichnis  und  kritische  Widerlegung  dieser  Ansicht  besonders  bei 
FÜRBRiNGER  1901,  p.  313—316).  —  Alle  übrigen  Arbeiten  halten  an  der  Homologie 
des  vorderen  ventralen  Schenkels  bei  Schildkröten  und  Amphibien  fest,  allerdings 
schwankt  die  Bezeichnung  desselben,  je  nachdem  der  sich  hier  entwickelnde  Knochen 
aufgefaßt  wird  (Procoracoid  oder  Clavicula  genannt). 

17* 


260  H.  Braus, 

Es  bestehen  tiefgreifende  Meinungsverschiedenheiten  darüber,  wo  das 
Homologon  des  Procoracoides  der  Amphibien  und  Chelonier  bei  diesen 
Formen  zu  suchen  sei.  Gegenbaur  (1864 — 1898)  vergleicht  unter  den 
Foramiiia  des  Schultergürtels  das  konstanteste  bei  den  verschiedenen 
Formen  (Hauptloch,  Fig.  230  F.spc)  mit  der  Incisur  resp.  dem  mehr 
oder  minder  komplett  durch  das  Epicoracoid  abgeschlossenen  Loch  jener 
anderen  Tieren  (Fig.  223,  226,  228).  Nach  dieser  Ansicht  wäre  die  vor 
diesem  Loch  liegende  Spange  der  ventralen  Schultergürtelhälfte  alsPro- 
coracoid  zu  bezeichnen  (Fig.  230  b  Pr.  Ggb.).  Andere  Autoren 
halten  dagegen  den  ganzen  ventralen  Teil  des  Schultergürtels  lediglich 
für  homolog  dem  Coracoid  und  glauben  entweder,  daß  das  Procoracoid 
ganz  fehlt,  oder  daß  ein  Rudiment  desselben  in  dem  Mesenchymstreifen 
vorliegt  (cl  Fig.  229  und  230),  welcher  sich  vom  Acromion  aus  ventral- 
wärts  fortsetzt  und  bei  der  Ossifikation  zur  Clavicula  wird.  Namentlich 
die  letztere  Ansicht  hat  viele  Anhänger  gewonnen,  nachdem  sie  von 
GöTTE  (1877)  aufgestellt  und  besonders  intensiv  vertreten  wurde.  Nach 
ihr  wäre  der  Spalt  zwischen  der  knorpeligen  Anlage  des  ventralen 
Schultergürtels  und  dem  Mesenchymstreifen,  in  welchem  die  Clavicula 
entsteht  (*  Fig.  230a),  homolog  der  Incisur  zwischen  Procoracoid  und 
Coracoid  (Fig.  226a  F.o).  Es  liegt  hier  ein  noch  ungelöstes  Problem 
vori). 


1)  Eine  große  Rolle  hat  gerade  die  ontogenetische  Beweisführung  in  diesen 
Kontroversen  gespielt.  Götte  (1877,  p.  573)  erblickt  einen  fundamentalen  Gegensatz 
darin,  daß  bei  Amphibien  (Anuren)  Coracoid  und  Procoracoid  zangenförmig  aus- 
wachsen,  das  Foramen  zwischen  ihnen  also  primär  ausgespart  bleibt,  während  bei 
Lacertiliern  die  Foramina,  falls  solche  vorhanden  sind,  als  sekundäre  Durchbrechungen 
des  anfangs  einheitlichen  Vorknorpels  auftreten.  Der  Einwand  Gegexbaur's  [18G8, 
p.  458],  daß  die  Verknorpelung  in  beiden  Fällen  den  gleichen  Etappengang  ein- 
halte, entkräftet  diese  Gegensätzlichkeit  der  frühesten  Anlage  nicht.  Es  ist  jedoch 
fraglich,  ob  solche  Entwickelungsvorgänge  phylogenetischen  Wert  beanspruchen  dürfen 
und  ob  also  die  Differenz  eine  fundamentale  ist.  Die  Ontogenie  des  Schädels  hat 
eine  Reihe  von  Beispielen  kennen  gelehrt,  bei  welchen  das  ursprünglich  einheitliche 
Cranium  inTrabekel  aufgelöst  ist  und  nun  diese  successive  von  einem  einheitlichen  Pnnkte 
aussprossen  (Gaupp,  Peter),  ähnlich  wie  dies  bei  Amphibien  mit  den  ventralen  Fortsätzen 
des  Schultergürtels  der  Fall  ist.  Die  primäre  Durchlochung  eines  einheitlichen  Skelett- 
teiles kann  also  zweifellos  ontogenetisch  so  zur  Anlage  kommen,  daß  von  vornherein  die 
Löcher  ausgespart  bleiben,  indem  die  Skeletogenese  von  einem  Punkt  aus  fortschreitend 
die  betreffende  Lokalität  successive  umgreift.  Damit  verliert  das  Argument  Cötte's 
seine  bindende  Kraft.  —  Andererseits  sind  diejenigen  ontogenetischen  Argumente  wenig 
beweisend,  welche  für  das  Vorkommen  einer  rudimentären  Procoracoidanlage außer- 
halb des  knorpeligen  Schultergürtels  angeführt  wurden.  Es  handelt  sich  hier  um  den 
Mesenchymstreifen  rl  (Fig.  229, 230).  Götte,  Hoffmann,  Wiedersheim  u.  a.  betrachten 
ihn  als  Homologon  eines  Procoracoides  (nach  meiner  Fassung  des  Wortes,  p.  253), 
1)  weil  das  Gewebe  bei  der  Ossifikation  halbrinnen  förmig  vom  Knochen  um- 
faßt wird  (Fig.  231),  ähnlich  wie  dies  beim  echten  Procoracoid  der  Amphibien  seitens 
der  Knochenanlage  geschieht  (Fig.  233).  Gerade  bei  niederen  Reistilien,  wie  Sphenodon, 
hat  sich  aber  von  der  Rinuenform  nichts  gefunden.  Die  Clavicula  (Cleidium)  wird 
als  solider  cylindrischer  Stab  angelegt,  in  welchem  der  Markraum  erst  später  durch 
sekundäre  Aushöhlung  entsteht  (Schauinsland  1903).  Auch  ist  bei  Lacertiliern 
die  Rinnenform  wenig  verbreitet  (übrigens  dort,  wo  sie  Götte  selbst  vermißte  —  bei 
Anguis  —  neuerdings  von  MÜLLER  [1900]  angegeben)  und,  wenn  sie  vorkommt, 
auf  das  costale  Ende  der  Anlage  beschränkt,  gerade  am  seapularen  Teil  aber  nicht  vor- 
handen. —  2)  wird  für  die  Deutung  des  Mesenchynistreifens  cl  als  Procoracoidrudiment 
der  Zusammenhang  mit  der  Scajiula  beim  ersten  Auftauchen  u.  a.  (Rathke) 
angeführt.  Gelegentliche  Zusammenhänge  von  Clavicula  und  Acromion  im  fertigen 
Zustand  erscheinen  nach  dieser  Auffassnng  als  Reste  der  primordialen  Kontinuität. 
Jedoch  fehlt  hier  den  ontogenetischen  Beobachtungen  das  entscheidende  Moment:  der 
Nachweis  knorpeligen  Zusammenhanges.  Die  Behauptung,  das  betreffende  Gewebe 
sei  „Vorknorpel",   kann  nicht  genügen,  da  dasselbe  sich  nicht  zu  Knorpel,   sondern 


Entw.  d.  Form  d.  Extremitäten  u.   d.  Extremitätenskeletts.        261 

Bei  K  roko  dilembrjonen  wurde  von  Wiedersheim  1892,  p.  234, 
ein  Fortsatz  der  Scai)ula  gefunden,  welcher  wesentlich  aus  indifferentem 
Mesenchym  besteht  (punktierte  Partie  Fig.  232b),  aber  mit  knorpeliger 
Basis  kontinuierlich  in  den  Schultergürtelknorpel  übergeht.  Wegen 
diesei-  topographischen  und  geweblichen  Beziehung  zu  letzterem  ist 
der  Fortsatz  mit  dem  Procoracoid  der  Chelonier  (Fig.  228)  vergleichbar. 

WiEDER.sHEiji  selbst,  Welcher  die  Clavicula  als  Ersatzknochen  aus 
dem  Procoracoid  hervorgehen  läßt,  nennt  infolgedessen  den  Fortsatz 
Clavicula,  während  Gegenbaur  und  Eürbringer  ihn  wegen  ihrer  ab- 
weichenden Auffassung  der  Clavicula  als  Processus  procoracoideus  be- 
zeichnen. Das  ist  für  unsere  Frage  hier  natürlich  belanglos.  Dagegen 
ist  nicht  erwiesen,  daß  der  Fortsatz  der  Clavicular(Cleidium)anIage  der 
Lacertilier  homolog  sei,  wie  Wiedersheim  behauptet,  wenn  schon  dieser 
Befund    bei    Crocodiliern    die   Ansicht    Götte's    von    einer    allmählichen 


Fig.  231. 


Fig.  232. 


7 


Fr 


-s 


Fig.  231.  Querschnitte  durch  die  Claviculaanlage  eines  jüngeren  und  älteren 
Embryo  von  Cnemidophorus.  s  Zusammenschluß  der  Knochenspange  nach  Götte. 
m  Anlage  des  Knochenmarkes,    p  Periost.    Nach  Götte. 

Fig.  232.  Scapula  und  Procoracoidrudiment  eines  Krokodilembryo.  Aus  zwei 
anfeinander  folgenden  Schnitten  einer  Serie,  welche  die  Scapula  {S)  flach  getroffen  hat. 
P»'  Procoracoid.    Br  Brücke  zwischen  beiden.    Nach  Wiedersheim. 


zu  ossifizierendem  Bindegewebe  ausgestaltet.  Vorknorpel  ist  aber  histologisch  ein  so 
wenig  bestimmtes  Gewebe,  daß  ohne  die  sonst  an  dieser  Stelle  übliche  spätere  Um- 
wandlung in  Knorpel  zur  Zeit  seine  Diagnose  in  der  Luft  hängt. 

Die  neuesten  Autoren  treten  auf  Grund  ontogenetischer  Beobachtungen  dafür 
ein,  daß  der  Mesenschymstreifen  c?  eine  bloße  Anlagerung  an  den  primären  Schulter- 
giirtel,  kein  ihm  genetisch  verbundenes  Element  darstelle  (Schauinsland  [1903]  für 
Sphenodon,  Müller  [1900]  für  Anguis  fragilis). 

Die  vergleichende  Anatomie  (Gegenbaur)  sieht  in  den  Trabekeln  des  Schulter- 
gürtels der  Lacertilier  (Coracoid ,  Procoracoid ,  Epicoracoid)  zusammen  mit  den 
von  ihnen  umrandeten  Löchern  und  Incisuren  in  summa  die  ursprünglich  einheit- 
liche ventrale  Schulterplatte.  Die  Membranen,  welche  die  Löcher  bei  Amphibien 
und  Reptilien  verschließen,  werden  als  Reste  der  einstigen  Einheitlichkeit  aufgefaßt. 
Verschiedenen  Deutungen  unterliegen  dabei  wieder  die  imperforierten  Schulter- 
gürtel ,  bei  denen  es  zweifelhaft  ist ,  ob  die  primäre  Urform  vorliegt,  so  daß  also 
eine  Durchlochung  nie  vorhanden  war,  oder  ob  einst  vorhandene  Perforationen 
nachträglich  verschwanden.  Die  Ontogenie  von  Sphenodon  zeigt  von  Anbe- 
ginn an  einen  imperforierten  Schultergürtel,  scheint  aber  die  Annahme  FÜR- 
BRINGERS  (1901,  p.  531)  zu  Stützen,  daß  eine  Emargination  eines  Loches  stattgefunden 
habe,  indem  dasselbe  (wie  sich  Cope  diesen  Prozeß  denkt)  an  den  Rand  des  Schulter- 
gürtels rückte,  zur  Incisur  umgestaltet  wurde  und  schließlich  verschwand.  Denn  an- 
fänglich ist  eine  Incisura  coraco-scapularis  im  embryonalen  Schultergürtel  von 
Sphenodon  vorhanden  (Fig.  229a,  b  1.  c.  sc).  Nachträglich  wird  dieselbe  häufig  durch 
Knorpel  ausgefüllt  (Fig.  229c). 


262  H.  Braus, 

Reduktion    des  Procoracoidknorpels    bis    zum    völligen  Verlust    desselben 
bei  Lacertiliern  wohl  zu  illustrieren  vermag  (vgl.  Anm.   1,  p.  260). 

E  p  i  s  t  e  r  n  a  1  k  n  0  r  p  e  1.  Alle  Angaben,  welche  als  Grundlage  des  Epi- 
sternum  bei  Reptilien  K  n  o  r  p  e  1  r  u  d  i  m  e  n  t  e  betreffen,  sind  ebenso  zweifel- 
haft wie  die  Behauptung,  daß  die  Frühanlage  der  Clavicula  (Cleidinm)  bei 
Lacertiliern  Vorknorpel  sei  (siehe  Anm  1,  p.  260).  Wirklicher 
Knorpel  ist  nie  gefunden  worden,  wie  alle  Untersucher  (auch  Götte, 
Hoffmann,  Wiedershbim)  erklären.  Allein  Sabatier  (1897)  behauptet 
die  enchondrale  Natur  des  Episternum.  Vergl.  weiter  unten  die  Schilderung 
der  Ossifikation. 

Vögel.  Die  Coracoscapula  legt  sich  einheitlich  wie  bei  Reptilien 
au.  Fenstei'bildungen,  welche  bei  fertigen  Schultergürteln  vorkommeu 
(z.  B.  Struthio,  Apteryx  individuell)  sind  in  ihrei'  Genese  noch  nicht 
geuügeud  bekannt. 

C.  K.  Hopfmann  (1879)  untersuchte  fast  ausgewachsene  Struthio- 
embryonen.  Meist  besteht  statt  des  Loches  eine  Incisur  im  Schulter- 
gürtel, welche  von  einem  Fortsatz  flankiert  wird.  Bei  Embryoneu  von 
Apter3'x  (T.  J.  Parker)  und  Opisthocomus  (W.  K.  Parker)  besitzt  dieser 
eine  beträchtliche  Länge,  bildet  sich  aber  in  älteren  Stadien  und  bei 
ausgeschlüpften  Tieren  beträchtlich  zurück.  Fürbringer  (1902,  p.  303) 
nennt  ihn  Processus  procoracoideus. 

Der  vor  dem  Foramen  perforierter  Schultergürtel  liegende  Skelett- 
abschuitt  (resp.  der  Processus  procoracoideus)  wird  von  Gegenbaur 
und  FÜRBRINGER  als  Homologen  des  Procoracoides  der  Amphibien 
und  Schildkröten  aufgefaßt.  Ebenso  werden  von  diesen  Autoreu 
Knorpelinseln,  welche  als  Grundlage  der  Bildung  einer  Clavicula 
(Cleidium)  angegeben  werden,  auf  das  Procoracoid  zurückgeführt. 
Doch  ist  es  eine  noch  strittige  Frage,  ob  überhaupt  solche  Kuorpel- 
herde  vorkommen  ^). 

Episternalknorpel.  Eine  wirklich  knorpelige  Grundlage  bei  der 
Anlage  des  Episternum  ist  bei  Vögeln  noch  ungewiß.  W.  K.  Parker  hat  eine 
Knoqjelverbindung  der  Furculae  als  Interclavicula  beschrieben.  Es  könnte 
also  hier  ein  Rest  des  sternalen  Endes  des  Procoracoides  (Praeclavium, 
s.  Hypocleidium)  vorliegen.  —  Die  Deutung  indifferenter  Anlagen 
als  rudimentäre  Knorpel  beurteile  ich  wie  bei  Reptilien,  s.   o. 

Säuger.  Die  Coracoscapula  legt  sich  wohl  einheitlich  an,  ist 
aber  (abgesehen  von  den  Monotremeu)  hier  in  ihrem  coracoidalen 
Abschnitt  von  vornherein  reduziert.  Immerhin  ist  letzterer  beim  ersten 
Auftreten  ontogenetisch  relativ  beträchtlich  größer  an  Länge  und  Vo- 
lumen, als  der  Fortsatz  im  ausgebildeten  Zustand  erscheint  (z.  B.  bei 
Homo,  Fig.  222c  Co).  Andererseits  entwickelt  sich  an  der  Scapula 
das  A  c  r  0  m  i  0  n  ,  welches  bereits  bei  Reptilien  auftaucht  (Fig.  229a), 
regelmäßig  zu  einem  großen,  später  das  Coracoidrudiment  an  Größe 
übertreffenden  Fortsatz. 

Die  Scapula  erhält  eine  an  ihrer  Außenseite  vorspringende  Leiste, 
Spina   scapulae.     Angaben    von  Broom  (1899,   1902),    daß  sich  diese 


1)  Litteratur  ausführlich  bei  Fürbringer  (1902).  Gegenbaur,  Fürbringer, 
Parker,  8abatier,  Lindsay  fanden  einen  Knorpelherd ;  dagegen  leugnen  ihn 
Bruch,  Rathke,  Götte,  C.  K.  Hoffmann,  Zehnter,  Kulczyki.  Der  letzte  von 
diesen  (Kulczyki  1901)  hält  es  für  nicht  unwahrscheiuhch,  daß  die  Verschiedenheit 
der  Angaben  sich  aus  der  Verschiedenheit  der  untersuchten  Species  erkläre,  daß 
also  beides  vorkomme. 


Entw.   d.   rorm  d.  Exti-emitäteu  u.   d.  Extremitätenskeletts.        26o 

lind  Teile  der  Scapula  selbst  bei  Marsupialiern  nicht  auf  knorpeliger 
Orundlage,  sondern  als  membranöse,  direkt  ossifizierende  Bildungen  ent- 
wickeln, erscheinen  mir  noch  unsicher  und  rechtfertigen  nicht  den  Ver- 
gleich  der  Spina  mit  dem  Cleithrum,   welchen  der  Autor  darauf  gründet. 

Ein  Procoracoid  ist  nicht  mit  Sicherheit  nachgewiesen'). 

Die  Clavicula  des  Menschen  hat  bekanntlich  eine  knorpelige  Grrund- 
lage  in  der  Entwickelung  (Gegenbaur  1864,  1865).  Während  bei  Mar- 
supialiern ein  rein  bindegewebiges  Substrat  der  Clavicula  (Cleidium) 
gefunden  wurde  (Broom  1899),  haben  Götte  (1877)  und  C.  K.  Hoffmann 
(1879)  bei  zahlreichen  Placentaliern  namentlich  im  sternalen  Teil  des 
Gebildes  einen  Knorpelstreifen  beobachtet  und  beim  Menschen  die  An- 
gaben Gegenbaur's  bestätigt.  Auch  Lewis  (1902,  p.  176)  beschreibt  bei 
menschlichen  Embryonen  eine  Choudrifikation  der  Stelle,  wo  die  Clavi- 
■cula  entsteht,  und  giebt  an,  daß  der  Knorpel  etwas  später  auftauche  als 
die  Anlage  der  Coracoscapula  und  histologisch  etwas  anders  aussehe  als 
letztere. 

(Jb  es  sich  in  diesen  Knorpelinseln  um  den  Rest  eines  Procoracoides 
handelt,  ist  deshalb  zweifelhaft,  weil  ein  kontinuierlicher  Zusammenhang 
mit    der  Coracoscapula  nicht  sichergestellt  ist  '^). 

Episternalknorpel.  Die  knorpelige  Grundlage,  welche  in  der 
Anlage  des  Episternura  gelegentlich  beobachtet  wird  (Götte),  ist  ihrer  Be- 
deutung nach  trotz  der  großen  ihr  gewidmeten  Litteratur  noch  unklar.  Sie 
könnte  einerseits  auf  das  primäre  Skelett  bezogen  werden,  wobei  entweder 
der  primäre  Schultergürtel  oder  das  Sternum  in  Betracht  kämen,  anderer- 
seits eine  Neubildung  darstellen.  Die  Cartilago  interarticularis  des 
■Sterno-claviculargelenkes  wird  entweder  als  Teil  dieser  Anlage  oder  als 
selbständige  Bildung  angesehen.  Götte  (1877)  und  C.  K.  Hoffmann 
(1879)  halten  außerdem  einen  Teil  des  Manubrium  sterni  wegen  des  Zu- 
sammenhanges   mit    dem   Knorpelkern  der  Clavicula  für  ein  Derivat    des 


1)  Bei  Monotremen  besteht  vor  dem  Coracoid  ein  knorpeUges  Skelettstück, 
welches  vielfach  als  Procoracoid  angesehen  wird.  Leider  ist  dasselbe  noch  nicht 
ontogenetisch  untersucht.  —  Broom  (1902)  hält  die  Anlage  des  Ligamentum  coraco- 
claviculare  bei  Beuteljungen  der  Marsupialier  für  ein  Rudiment  des  Procoracoid. 

2)  Es  existieren  wohl  Angaben  über  eine  Kontinuität  der  indifferenten  Anlagen 
(Rathke,  Götte,  Hoffmann),  aber  nicht  über  Kontinuität  des  Knorj^els,  auf 
welche  es  allein  ankommt.  Es  besteht  deshalb  die  Möglichkeit,  daß  der  Knorpel 
in  den  frühen  Clavicularan lagen  bei  Mammalia(und  Vögeln)  rein  sekundärer  Natur 
sei,  wie  etwa  die  Knorpelkerne  an  solchen  Stellen  des  Schädelskelettes,  an  welchen 
nach  unseren  Kenntnissen  in  der  phylogenetischen  Vorgeschichte  kein  Teil  des  Pri- 
mordialcranium  oder  der  Visceralbogen  vorhanden  gewesen  ist  (Knorpelkerne  im  auf- 
steigenden Ast  des  Unterkiefers  der  Säuger,  Knorpel  der  Schläfenschuppe,  des  Stirn- 
beines namentlich  bei  Bildung  der  Geweihe  und  Stirnzapfen,  Verwachsungsnaht  des 
•Gaumens  u.  a.,  auch  Knorpel  im  Callus  experimentell  erzeugter  Frakturen  an  Deck- 
knochen, ferner  Knorpelherde  im  Herzen  etc.).  Mit  manchen  dieser  progredienten 
Knorpelinseln  besteht  auch  insofern  Aehnlichkeit  als  die  Ossifikation  hier  wie  dort 
in  besonderer  Art  (metaplastischer  Typus,  s.  u.)  verläuft.  Eine  Entscheidung  untei' 
diesen  verschiedenen  Möslichkeiten  zu  treffen,  ist  Sache  der  Zukunft.  Heute  ist 
jedenfalls  das  bloße  Vorhandensein  von  Knorpel  in  der  Anlage  eines  Skelettteiles 
isolango  unterstützende  Momente  topographischer  Art  oder  dergl.  fehlen)  kein  ge- 
nügendes differentialdiagnostisches  Merkmal  für  die  Ableitung 
desselben  vom  primären  Skelettgerüst.  Es  wird  uns  dies  auch  noch  bei 
den  überzähligen  P^/lementen  des  Carpus  und  Tarsus  beschäftigen. 

Außer  dem  Knorpel  in  der  Clavicularanlage  wurden  noch  andere  Elemente  für 
Homologa  des  Procoracoides  angesehen,  so  eine  selbständig  ossifizierende  Knorpelpartie 
an  der  Basis  des  Processus  coracoideus  (Howes  1893,  auch  Sabatier's  (1897)  etwas 
abweichende  Auffassung  rechnet  mit  diesem  Kern),  ferner  Bindegewebsmem brauen 
zwischen  Clavicula  und  Coracoid  (BROOit  1899). 


264  H.  Braus, 

primären  Schiiltergürtels.  Derartige  vermutliche  Abgiiederungen  desi 
primären  Schultergürtels  wären  unter  dem  Namen  Praeclavium 
(Gkgbnbaur,  Om. oster num  W.  K.  Parker)  zusammenzufassen.  Da- 
gegen wären  Abgiiederungen  des  Sternum  als  P  r  o  s  t  e  r  n  u  m  zu  be- 
zeichnen. Beim  Menschen  sollen  die  Ossa  suprasternalia,  welche  sich 
knorpelig  anlegen  (Gr.  Rüge  1880,  Paterson  1901,  1902),  Resten  eines 
Prosternum,  die  Menisci  des  Sterno-claviculargelenkes  Resten  eines  Prä- 
clavium  entsprechen  (Eggeling   1903;  vergl.  auch  Paterson   1902). 

E  n  t  w  i  c  k  e  1  u  n  g  von  Ersatz-  und  D  e  c  k  k  n  o  c  h  e  n  des 

S  c  h  u  1 1  e  r  g  ü  r  t  e  1  s. 

Ossifikationen  der  Cor acoscapula.  Sie  gehören  zweifel- 
los zu  den  Ersatzknochen  (perl-  und  enchondrale  Ossifikationen).  Bei 
Amphibien  verknöchert  regelmäßig  der  scapulare  Teil  von  einem 
isolierten  Kuochenkern  aus,  welcher  als  erster  Kern  überhaupt  im 
Schultergürtel  auftritt  und  sich  von  der  Glenoidalgegend  aus  dorsal- 
wärts  vorschiebt,  aber  bei  Urodelen  immer  noch  einen  meist  beträcht- 
lichen Teil  der  Scapula  freiläßt.  Letzterer  wird  dann  als  S  u  p  r  a  - 
scapula  von  der  Scapula  unterschieden,  obgleich  es  sich,  wie  die 
Entwickelung  zeigt,  um  morphogenetisch  durchaus  zusammenhängende 
Teile  handelt.  Bei  Anuren  kann  allerdings  die  Suprascapula  für  sich 
verkalken  oder  verknöchern  und  frei  gegen  die  Scapula  beweglich 
werden. 

Im  Coracoidteil  des  Schultergürtels  tritt  bei  den  meisten  Urodelen 
keine  Ossifikation  auf,  wohl  aber  bei  Anuren,  welche  dort  einen  selb- 
ständigen Knochenkeru  erhalten.  Das  Procoracoid  ist  bei  Urodelen 
stets  unverknöchert  (bezügl.  der  Anuren  siehe  Clavicula  bezw.  Clei- 
dium  w.  u.) 

Da  bei  fossilen  Amphibien  (Stegocephalen)  das  Coracoid  verknöchert 
war  und  bei  manchen  recenten  Urodelen  in  demselben  Ossifikationen  ae- 
funden  werden  (bei  Siren  ganz  ähnliche  wie  bei  Stegocephalen  etc.),  so 
beruht  der  Mangel  des  Coracoidknochens  bei  den  meisten  recenten  Uro- 
delen höchst  wahrscheinlich  auf  Rückbildung. 

Die  Amnioten  besitzen  sämtlich  Ossifikationen  des  Coracoides 
und  der  Scapula.  Dieselben  treten  getrennt  auf  und  bleiben  es  ent- 
weder zeitlebens  oder  verschmelzen  später^).  Reste  des  Knor])el& 
erhalten  sich  bei  manchen  Lacertiliern  noch  im  vorderen  (kranialen) 
Teil  des  Coracoides  (Gegenbaur's  Procoracoid,  z.  B.  bei  Anguis 
fragilis). 

Die  Ossifikation  dieser  Partie  kann  vom  Knochenkern  des  Coracoides 
ausgehen  (Götte),  bei  anderen  Formen  jedoch  von  einem  isolierten 
Knochenkern  aus  erfolgen  (Gegenbaur).  Der  erstere  Fall  ist  als  Be- 
weismittel für  die  Zugehörigkeit  der  betreffenden  Zone  zum  Coracoid, 
der  letztere  für  seine  selbständige  Bedeutung  als  Procoracoid  angeführt 
worden.     Das  Auftreten  von  Knochenkernen  ist  aber  im   allgemeinen   so 


1)  Im  ersteren  Fall  besitzt  die  fertige  Form  eine  Synchondrose  (bei  Fossilien 
scheinbare  Trennung  an  dieser  Stelle),  im  letzteren  eine  Synostose  in  der  glenoidak^n 
Zone.  Namentlicti  bei  Vögeln  werden  funktionelle  Verschiedenheiten  der  mehr 
federnden  Synchondrose  und  starren  Synostose  in  Beziehung  zum  Flugvermögen 
ausgestaltet  (erstere  bei  guten  Fliegern,  letztere  bei  Rückbildung  des  Flugvermögens). 
Die  Rückbildung  des  Coracoides  bei  Mammaliern  führt  bei  diesen  regelmäßig  zur 
Synostose. 


Entw.   d.  Form  d.  Extremitäten  u.   d.  Extremitätenskeletts.        265 

schwankend,  daß  bindende  phylogenetische  Schlüsse  nicht  auf  dasselbe  zu 
gründen  sind. 

Eine  knorpelige  Suprascapula  bleibt  bei  den  Rei)tilien  meistens 
nocli  ausgespart,  bei  Säugern  jedoch  nur  in  wenigen  Ausnahmefällen 
(Monotremen,  Ungulaten).  An  Stelle  echter  Verknöcherungen  können 
Verkalkungen  der  Schulterblattränder  zu  einer  nachträglichen  Verbreite- 
rung der  Platte  führen  (z.  B.  Schwein).  Treten  starke  Rückbildungen 
ein  wie  bei  den  schlangenartigen  Sauriern,  so  bleibt  schließlich  die 
Ossitikation  in  der  Ontogenese  ganz  aus.  Es  erhält  sich  dann  nui- 
ein  knorpeliges  Coracoid. 

Die  höhere  Ausgestaltung  der  Scapula  bei  Amnioten  äußert  sich 
in  der  Ontogenese  oft  durch  Vermehrung  der  Knochenkerne.  Beim 
Menschen  kommen  zu  den  kanonischen  Kernen  des  Coracoides  (offenbar 
infolge  der  Reduktion  verspätet  und  zwar  erst  im  ersten  Lebensjahr  an- 
gelegt) und  der  Scapula  (perichondral  in  der  Nähe  des  Collum  im  3.  Eötal- 
monat  auftauchend)  noch  mehrere  Centren  in  der  Gelenkpfannengegend, 
am  inneren  Rand  der  Scapula,  Spina  scapulae  etc.  hinzu  (siehe  Lehr- 
bücher d.  Entw.  des  Menschen  und  Speciallitteratur  bei  Schwegel  1858, 
Rambaud  et  Renault  1864,  Bade   1899,  Lambbrtz   1900  etc.) 

Verspätetes  Auftreten  (die  meisten  zur  Zeit  der  Pubertät),  Variabi- 
lität und  Beschränkung  auf  die  höchsten  Extremitätenformen  charakteri- 
sieren die  epiphysären  Knochencentren  als  accessorische  Bildungen,  welche 
keinen  tieferen  historischen  Wert  besitzen  ^). 

C 1  a  V  i  c  u  1  a  (C 1  e  i  d  i  u  m).  Diese  Ossifikation  kann  hier  nur  kurz 
behandelt  werden,  weil  das  histiogenetische  Problem  wohl  formuliert, 
aber  m.  E.  mit  den  vorliegenden  ontogenetischen  Materialien  nicht 
gelöst  werden  kann.  Dasselbe  ist  deshalb  wesentlich  zur  Zeit  Gegen- 
stand vergleichend-anatomischer  Argumentation,  welche  hier  nur  ge- 
streift werden  soll. 

Es  handelt  sich  darum,  ob  die  Clavicula  (Cleidium)  in  der  Um- 
gebung des  Procoracoides  als  D  eckknochen  oder  in  der  Peripherie 
des  genannten  Knorpels  selbst  als  Ersatzknochen  (perichondral) 
entsteht.  Entwickelungsgeschichtlich  könnte  man  von  vornherein  ver- 
sucht sein,  gegen  die  Ersatzknochenhypothese  einzuwenden,  daß  bei  zahl- 
reichen Tieren  keine  knorpelige  Anlage  des  Procoracoides  existiert 
und  sich  dej'  Knochen  doch  bildet.  Es  ist  jedoch  von  anderen  Stellen 
des  Wirbeltierkörpers  her  bekannt  (z.  B,  von  der  Schädelverknöche- 
rung,  Gaupp  1901,  p.  909),  daß  periostale  Verknöcherungen  manchmal 
in  der  individuellen  Entwickeluugsgeschichte  keine  knorpelige 
Grundlage  erkennen  lassen  an  Stellen,  wo  aus  vergleichend-ana- 
tomischen Gründen  ein  knorpeliges  Substrat  in  der  Vorgeschichte 
einst  vorhanden  gewesen  sein  muß  (z.  B.  das  Chondrocranium).  So 
läßt  sich  denn  immer  der  Ausweg  finden,  daß  da,  wo  der  sup]ionierte 

1)  Auch  rückgebildete  Ossifikationen,  wie  der  Coracoidkern,  können  nachträg- 
lich unter  besonderer  funktioneller  Beanspruchung  wieder  stärker  auswachsen.  So 
verlängert  sich  bei  Fledermäusen  das  Coracoid  zu  einem  Knochen  von  fast  derselben 
Vollkommenheit  wie  das  bei  Vögeln  bestehende  ursprünghche  Coracoid,  offenbar 
eine  Folge  ähnlicher  Benutzung  beim  Fhige.  Der  differenzierte  Ausgangspunkt  ist 
jedoch  am  frühen  synostotischen  Zusammenhang  mit  der  Scapula  in  der  Ontogenese 
zu  erkennen  (Eimer  1901,  p.  223).  —  Besondere  Fortsatzbildungen  wie  das  Acro- 
coracoid  der  Vögel,  Uebergreifen  von  Ossifikationen  auf  benachbarte  Bandapparate 
(Lig.  coraco-acromiale  etc.)  und  Besonderheiten  des  Acromion  entstehen  so  spät,  daß 
sie  aus  der  eigentlichen  Entwickelungsgeschichte  ausscheiden  und  der  Beschreibung 
fertiger  Formen    überlassen  bleiben  müssen. 


266 


H.  Braus, 


Oiitogenie 


fehlt,    eine   totale 


Rückbildung 


desselben 


Knorpel    in    dei 
anzunehmen  sei  ^). 

Die  ausganggebenden  Objekte  sind  aber  naturgemäß  solche,  be. 
welchen  die  für  den  Knochen  in  Betracht  kommende  Grundlage,  das- 
Procoracoid,  als  wohlentwickelter  Knorpel  außer  Frage  steht.  Es 
sind  das  in  erster  Reihe  die  anuren  Amphibien.  Während  sich 
hier  bei  der  Verknöcherung  des  C  o  r  a  c  o  i  d  e  s  der  gewöhnliche  Typus 
peri-   und   enchoudraler  Knochenbildung  lindet  (Fig.  23oa),  zeigt   sich 


.p 


/iii 


Fig.  233.     Querschnitte    durch  die  ventralen  Spangen  des  Schultergürtels  einer 
älteren  Froschlarve   (Rana  esculenta).     Nach  Götte.     a  Coracoid.     b  Procoracoid. 


bei  dem  benachbarten  Proco  racoid  [(von  Rana  und  Bufo).  eine 
rinuenf örmige  Knochenschale  (Fig.  2o8b),  welche  einen  auch  im 
fertigen  Zustand  in  dieser  Form  persistierenden  Knochen  liefert^). 
Der  Knorpel,  welcher  also  nur  partiell  von  Knochen  bedeckt  ist, 
verkalkt  später,  verknöchert  aber  nicht.  Zwischen  ihm  und  der  rinnen- 
förmigen  Knochenschale  befindet  sich  eine  Zwischenschicht  von  in- 
differentem Mesenchym  {m  Fig.  23ob),  welches  bei  typischen  Ersatz- 
knochen, wie  etwa  beim  Coracoid  desselben  Stadiums  (Fig.  23oa),  völlig 
fehlt.  Außerdem  sind  Knorpel  und  Knochen  von  einer  gemeinsamen 
bindegewebigen  Hülle  umgeben  {p).  Bei  anderen  Anuren  umschließt 
die  Clavicula  (Cleidiumj  das  Procoracoid  ganz  und  dringt  später  auch 
in  den  Knorpel  selbst  als  Ersatzknochen  ein.  Es  findet  sich  dann 
beim  ausgebildeten  Tier  an  Stelle  des  Knorpels  eine  Markhfihle.  Histo- 
logisch ist  das  hier  entstandene  Knochengebilde  vom  Coracoid  nicht 
mehr  zu  unterscheiden. 

Dieser  Entwickelungsprozeß  wird  von  Götte  (1877)  so  gedeutet, 
daß  die  gemeinsame  Hüllschicht  von  Knorpel  und  Knochen  bei  Rana 
(Fig.  223b  p)  das  einheitliche  Periost   (Perichondrium)    darstelle    und 


1)  Ueber  die  Versuche,  thatsächlich  Rudimente  des  Procoracoides  nachzu- 
weisen, vergl.  die  kritische  Darstellung  p.  260,  Anni.  1. 

2)  Schon  Gegenbaur  (18(J4)  hatte  den  Knochen  unabhängig  vom  Procoracoid 
entstehen  sehen  und  giebt  sogar  an,  daß  anfänglich  eine  gewisse  Entfernung  zwischen 
beiden  bestehe,  welche  sich  mit  fortschreitender  Entwickelung  verringere.  Genauere 
Angaben  machte  dann  Götte  (1877,  p.  535  f.),  denen  ich  hier  folge. 


Entw.   d.   Form  d.   Extremitäten  u.   d.   Extremitätenskeletts.        2(37 

die  genetische  Zusammengehörigkeit  beider  Elemente  darthue.  Es 
ist  das  Götte's  Beweis  für  die  Ersatz knochennatur  (perichondrale 
Ossifikation)   der  Clavicula  (Cleidium) 

Auf  die  Zwischenschicht  p  wird  dabei  kein  AVert  gelegt  und  über- 
all da,  wo  der  Knorpel  nicht  erhalten  ist  oder  eine  ungewöhnliche  Art 
der  Verknöckerung  (Metaplasie)  statthndet,  dies  durch  eine  Abkürzung 
der  chondrostotischen  Prozesse  erklärt. 

Gegenbaur  (1898)  legt  dagegen  auf  die  gemeinsame  Bindegewebs- 
hülle p  keinen  besonderen  Wert,  da  es  vorkomme,  daß  auch  hetero- 
genetische Anlagen,  die  sich  sekundär  zusammengefunden  haben,  von 
einer  solchen  umschlossen  werden.  Dagegen  vindiziert  er  der  Zwischen- 
schicht m  die  größte  Bedeutung.  Sie  ist  für  ihn  ein  ontogenetischer 
Beweis  dafür,  daß  die  Clavicula  (Cleidium)  in  frühester  Anlage  mit 
dem  Procoracoid  nichts  zu  thun  hat,  vielmehr  ein  dermaler  Beleg- 
knochen   ist,  welcher  nur   topographisch  dem  Knorpel  nahe  rückte  ^). 

Gerade  umgekehrt  wie  bei  Götte  sind  für  Gegenbaur  die  Fälle, 
in  w^elchen  die  Clavicula  (Cleidium)  in  das  Procoracoid  eindringt  und 
dasselbe  durch  peri-  und  enchondrale  Ossifikation  ersetzt  (manche  Anuren, 
vielleicht  manche  Vögel,  gewisse  Säuger,  s.  u.)  weitere  Fort- 
bildungen des  Prozesses,  welche  •  einen  allmählichen  Ersatz  des  Pro- 
coracoides  durch  den  ursprünglichen  Belegknochen  herbeiführen.  Doch 
gelten  ihm  gewisse  Eigentümlichkeiten  dieser  höher  entwickelten  Formen 
(frühes  Auftreten  der  Ossifikation  [7.  Woche  Homo] ,  metaplastischer 
Typus)  als  Kennzeichen  der  besonderen  Stellung  der  Ossifikation  der 
Clavicula  gegenüber  derjenigen  der  Coracoscapula. 

Wenngleich  Gegenbaur's  Auffassung  keine  bindende  ist,   so  ist 

1)  Götte  fand  auch  zwischen  dem  Knorpel  der  Suprascapula  und  einem  ihr 
aufliegenden  Knochenbelag  eine  ähnliche  Zwischenschicht  wie  beim  Procoracoid 
(m  Fig.  233b).  Es  ist  daraus  jedoch  kein  zwingender  Einwand  gegen  Gege:nbauii's 
Auffassung  abzuleiten,  da  auch  bei  der  isolierten  Knochenbildung  an  der  Supra- 
scapula ein  Belegknochen  beteiligt  sein  könnte  (Cleithrum  oder  Supracleithrale). 
Jedenfalls  steht  fest,  daß  die  dem  Procoracoid  m  Lage  und  Entstehung  nächst 
stehende  Partie  des  primären  Schultergürtels,  das  Coracoid,  die  betreffende  Zwischen- 
schicht nicht  besitzt. 

Gegenbaur  stützt  seine  Argumentation  übrigens  wesentlich  auf  die  Ver- 
gleichung  der  höheren  Tiere  mit  den  Fischen.  Bei  letzteren  kommen  in  der  Nach- 
barschaft des  Schultergürtels  Belegknochen  vor  (Clavicula,  Cleithrura,  Supraclavicuiare, 
Supracleithrale) ,  welche  zum  Teil  zweifellose  Integuraentalverknöcherungen  sind. 
Auch  fossile  Amphibien  besaßen  einen  Hautpanzer  (Stegocephalen),  in  welchem  diese 
Deckknochen  wieder  zu  erkennen  sind.  Schließlich  hat  die  Ansicht  mehrerer  Autoren 
(Oken,  Anonymus,  Owen,  Stannius,  Rütimeyer,  Huxley,  W.  Parker,  Bou- 
LENGER  u.  a.)  Wahrscheinlichkeit,  daß  sie  nämlich  in  dem  Bauchschild  der  Schild- 
kröten wiederkehren.  (Bei  diesen  ist  übrigens  neben  den  Knochen  des  Bauchschildes 
Ossifikation  des  Procoracoides  vorhanden.)  So  ergiebt  sich  für  Gegenbaur,  Für- 
bringer  u.  a.  eine  vergleichend-anatomische  Reihe,  welche  aus  successiven  Stadien 
eines  fortschreitenden  Ersatzes  von  Teilen  des  primären  Schultergürtels  durch 
solche  des  sekundären  besteht.  Die  Clavicula  ersetzt  zunächst  das  Procoracoid 
und  schließlich  durch  funktionelle  Ausschaltung  auch  das  Coracoid. 

Der  Versuch  ontogenetischen  Nachweises  dieser  Anschauung  hat  mit  der 
anderen  Annahme  zu  rechnen,  daß  auch  die  übrigen  Ossifikationen  des  Skelett- 
systeras  von  Gegenbaur,  Vrolik,  Sagemehl  u.  a.  in  letzter  Linie  als  ehemalige 
Belegknochen  angesprochen  werden.  Der  Unterschied  gegenüber  Knochenbildungen 
wie  dem  sekundären  Schultergürtel,  der  hier  in  Frage  steht,  würde  danach  nur  auf 
einer  graduellen  zeitlichen  Abstufung  beruhen ,  indem  jene  primären  Knochen  in 
weiter  zurückliegenden  Zeiten  sich  m  Ersatzknochen  umgewandelt  haben  als  die 
sekundären.  Feine  Unterschiede,  wie  diese,  ontogenetisch  zu  erkennen,  dazu  reichen 
gegebenen  Falles  unsere  Beobachtungsmittel  meist  nicht  aus,  wie  auch  die  Genese 
der  Schädelknochen  vielfach  erwiesen  hat. 


268  H.  Braus, 

doch  eine  wesentliche  Stütze  für  dieselbe  in  der  Yergleichiing  ent- 
wickelter Formen  gegeben,  so  daß  ihr  die  größere  Wahrscheinlichkeit 
zukommt  (p.  207  Anm.). 

Ich  füge  noch  einige  specielle  Notizen  über  die  Anlage  der  Clavi- 
cula  (Cleidium)  bei  A  m  n  i  o  t  e  n  hier  bei. 

Reptilien.  Der  Knochen  legt  sich  entweder  rinnenförmig  an 
(manche  Saurier  nach  Gtöttk  1877,  Wiedersheim  1892,  Mülleu  11)00) 
oder  als  cylindrischer  Stab  (Anguis  nach  Götte  1877,  Lacerta  nach 
Wiedersheim  1892 ,  Sphenodon  nach  Schauinsland  1900).  Er  ver- 
knöchert von  allen  Teilen  des  Schultergürtels  zuerst.  Grotte  beschreibt 
eine  von  dem  Markraum  aus  erfolgende  sekundäre  Apposition  von  Knochen 
und  deutet  diese  als  eine  rudimentäre  Art  enchondraler  Verknöcherung 
(Hinweis  auf  ein  Procoracoid  als  Grrundlage  des  Knochens  vgl.  p.  260). 
Doch  wird  von  Schauinsland  bei  Sphenodon  diese  Apposition  vom  Mark- 
raum aus  gänzlich  in  Abrede  gestellt.  —  Obgleich  fossile  Krokodiliei- 
eine  Clavicula  besaßen,  ist  bei  recenten  auch  ontogeuetisch  kein  Rudi- 
ment einer  solchen  gefunden   worden. 

Vögel.  Auch  hier  wurde  angegeben  (Götte  ,  C.  K.  Hoffmanx), 
dal»  die  Anlage  der  Clavicula  rinnenförmig  sei.  Neuerdings  wird  dies 
in  Abrede  gestellt  (Kulczvcki  1901).  Es  tindet  sich  außerdem  im 
mittleren  Verbindungsstück  der  Claviculae  jüngerer  Tiere  ein  separater 
Apophysenkern.  Ob  derselbe  enchondral  oder  aus  der  rein  binde- 
gewebigen Clavicularanlage  entsteht,  ist  noch  nicht  sicher,  und  ebenso- 
wenig steht  die  Deutung  dieses  Knochenkernes  fest  ^). 

Säuger.  Das  größte  Postulat  ist  hier  eine  mit  modernen  Hilfs- 
mitteln dui'chzuführende  vergleichende  Untersuchung  des  histiogenetischen 
Aufbaues  der  Clavicula.  Gegexbaur  (1864,  1865)  fand  eine  Metaplasie 
des  Knorpels  in  Knochen  an  der  Clavicularanlage  von  Homo.  G<)tti<: 
(1877)  und  C.  K.  Hoffmaxx  (1879)  trafen  bei  anderen  Säugern  (Lepus, 
Mus,  Talpa  etc.)  viel  mehr  Knorpelgewebe  als  beim  Menschen  an, 
leugnen  jedoch  für  diese  Tiere  eine  Metaplasie. 

Bei  Säugern  mit  rein  pendeiförmiger  Bewegung  der  vorderen  Ex- 
tremität ist  meist  die  Clavicula  rückgebildet.  Auch  beim  Menschen 
kommen   angeborene,  manchmal  erbliche  Defekte  vor. 

E  pistern  um.  Es  bestellt  hier  ein  im  einzelnen  noch  vielfach 
ungelöstes  Problem ,  bei  welchem  uns  derselbe  Widerstreit  dej- 
Meinungen  wie  bei  dem  Thema  der  Clavicula  entgegentritt,  Götte 
faßt  die  Ossifikation  als  Ersatz knochen  auf  rudimentärer  knorpe- 
liger Basis,  Gegenbaur  als  Belegknochen  auf.  Beiden  sind  viele 
andere  Autoren  gefolgt  ^), 


1)  Er  wurde  von  Huxley  u.  a.  Hypocleidium  genannt.  W.  K.  Parker  be- 
trachtet ihn  als  Homologon  des  Episternum.  Doch  erheben  Lindsay,  Gadow, 
Gegenbaur,  Fürbringer,  Kulczycki  u.  a.  dagegen  Einspruch.  Die  letzteren 
Autoren  sehen  in  dem  spat  auftretenden ,  variablen  Knochenkern  eine  sekun- 
däre, accessurische  Ossifikation. 

2)  Götte  und  mit  ihm  C.  K.  Hoffmann,  Wiedersheim  u.  a.  leiten  die  von 
ihnen  als  Knorpelrudiinent  betrachteten  paarigen  Mesenchymstreifen  (Fig.  2S0c  **) 
von  den  sternalen  Enden  der  Clavicularanlagen  ab  und  erblicken  deshalb  im  späteren 
unpaaren  Kpisternalknochen  ein  abgegliedertes  Konkrescenzprodukt  beider  pri- 
märer Öchultergürtel.  Für  Gegenbaur,  FtJiiBRiNGER  u.  a.  ist  das  Episternum 
das  Homologon  eines  unpaaren  Hautknochens  gewisser  Fische  (Ganoiden,  Crosso- 
pterygier),  fossiler  Amphibien  (Stegocephalen)  und  Reptilien  (z.  B.  Palaeohatteriai 
und  der  recenten  Schildkröten  (Entoplastron  des  Bauchschildes),  welches  sich  als 
„dermales"  Sternum  der  dermalen  Clavicula  hinzugesellt  hat.  Clavicula  und  Epi- 
sternum   bilden    nach   ihnen    den   dermalen  Brustschulterapparat    und    entstehen 


Entw.   d.   Form  d.  Extremitäten  u.   d.  Extremitätenskeletts.        289 

Es  erscheint  aber  eine  noch  weitere,  dem  Episternumprobleni 
eigentümliche  Schwierigkeit,  welche  in  den  Beziehungen  zu  gelegent- 
lich vorkommenden  knorpeligen  Grundlagen  besteht.  Götte  und 
C.  K.  Hoffmann  glaubten  allerdings,  daß  diese  sämtlich  Abgliede- 
rungen  der  knorpeligen  Grundlage  der  Clavicula,  also  des  Procora- 
coides  seien  (Praeclavium).  Es  ist  jedoch  höchst  wahrscheinlich, 
daß  außer  solchen  (deren  Vorkommen  als  Knorpel  nicht  ein- 
mal völlig  sicher  ist)  weitere  Knorpelanlagen  (bei  Amphibien  und 
Mammaliern)  vorkommen,  welche  zum  primären  Sternum  gehören 
(Prosternum).  Es  fi'agt  sich,  ob  trotzdem  das  Episternum  ein  ein- 
heitlicher Knochen  ist,  welcher  bei  den  einen  Vertebraten  Beziehungen 
zu  Abgliederungen  des  Procoracoides,  bei  anderen  zu  solchen  des 
Sternum  gewonnen  hätte.  Dies  wäre  nach  Gegenbaur's  Hypothese 
ebenso  gut  möglich,  wie  ein  völliges  Fernbleiben  des  Belegknochens 
von  allen  Knorpelbildungen,  Es  könnte  sich  aber  auch  um  ver- 
schiedene Belegknochen  handeln.  Nach  Götte's  Ansicht  müßten 
in  allen  Fällen  gänzlich  verschiedene-  Ossifikationen  vorliegen. 

Es  erscheint  mir  deshalb  zweckmäßig,  das  Wort  Episternum 
(s.  Interclavicula,  vgl.  p.  257,  Anm.  2)  in  solchen  Fällen,  in  welchen 
eine  bestimmte  lokale  Beziehung  zu  Knorpelanlagen  nachgewiesen 
ist  oder  angenommen  wird,  mit  Beiwörtern  zu  versehen,  mit  diesen 
jedoch  keine  histiogenetische  Bedeutung  zu  verbinden.  So 
nenne  ich  die  Episternalanlage,  welche  in  lokaler  Beziehung  zu 
knorpeligen  Schultergürtelteilen  getroffen  wird ,  zonales  Epi- 
sternum; diejenige,  welche  dem  knorpeligen  Sternalapparat  als 
Abkömmling  der  Rippen  vergesellschaftet  ist,  costales  Epi- 
steinum;  Episternum  schlechthin  bleibt  dann  reserviert  für 
solche  Anlagen,  welche  isoliert  für  sich  auftreten. 

Ich  wende  mich  zu  den  einzelnen  Befunden  ' ). 

Reptilien.  Bei  Spheuodon  wurde  keinerlei  Beziehung  des  Epi- 
sternum zu  Knorpelanlagen  gefunden  (Schauii^sland  190Ü.  1903, 
HowES  and  Swinnerton  1902).  Es  entwickelt  sich  in  einem 
Mesenchjmstreifen,  welcher  vom  Acromialfortsatz  der  einen  Scapula 
zu  demjenigen  der  anderen  zieht  (Fig.  229a  c/,  p.  258),  und  in 
welchem  seitlich  jederseits  die  Ossifikation  der  Clavicula  (Clei- 
dium)  erfolgt,  etwas  später  als  diese  ein  völlig  isolierter,  median 
liegender  Knochenherd,  welcher  kaudalwärts  in  der  Medianlinie  aus- 
wächst. Es  ist  dies  die  Anlage  des  Episternum  (Fig.  2,-Ua  Ep). 
Schauinsland  (1.  c.)  giebt  an.  daß  trotz  der  Einheitlichkeit  der  An- 
lage Spuren  einer  Bilateralität  zu  bemerken  seien,  die  später  noch  in 
einer  medianen  Rinne  des  Knochens  sich  erhielten.  Doch  ist  eine 
solche  Bedeutung  derartiger  Merkmale  allemal  zweifelhaft "-).  Kurz 
nach   dem    Auftreten    des   Episternum   wachsen   vom   kranialen    Ende 


outogenetisch  als  Belegknochen  ;  Coracoscapula  (mit  Procoracoid)  und  Sternum  da- 
gegen sind  Teile  des  knor2:)elig  präformlcrten,  also  primären  Brustschulterapparates 
und  treten  infolgedessen  als  Ersatzknochen  auf. 

1)  Bei  anuren  Amphibien  (Rana)  verwachsen  die  beiden  knorpeligen 
Prosternalia  (vgl.  p.  257).  Die  Ossifikation,  welche  sich  bildet,  ist  ein  costales 
Episternum.  Nach  Wiedersheim  (1892)  und  Lignitz  (1897)  ist  es  ein  Ersatz- 
knochen. 

2)_  Götte  (1877,  p.  51;")),  Wiedersheim  (1892,  p.  227)  und  Müller  (1900),  p.  7 
beschreiben  bei  iSauriern  eine  völlig  getrennte  paarige  Anlage  des  Episternum 
(entgegen  älteren  Befunden  von  Rathke  1850,  p.  23).  Bei  fossilen  Sauriern  ist  das 
dermale  Episternum  stets  unpaar. 


270 


H.  Braus, 


Fortsätze  auf  die  Clavicularkiiochen  (Cleidia)  zu.  ludem  sich  auch 
letztere  in  der  Richtung  auf  jene  verlängern,  kommt  es  zur  Be- 
rühiiing  (Fig.  2o4b)  und  bei  erwachsenen  Tieren  auch  manchmal  zui- 


Csc    - 


E 


Fig.  234.  Zwei  mittlere  Stadien  der  Entwickelung  des  Schulterapparates  von 
Sphenodon.  esc  Coracoscapula.  cl  Clavicula.  ep  Episternum.  St  Sternum.  R  Rippen, 
Nach  Schauinsland. 

Synostose    dieser    Knochen.      Die   Konkrescenz    ist    also   hier   in   der 
Ontogenese  etwas  Sekundäres. 

iSiacli  diesen  Beobachtungen  haben  wir  es  bei  Sphenodon  mit  einem 
Episternum  schlechthin  7a\  thun.  Bei  Eidechsen  haben  jedoch 
GöTTE,  C.  K.  Hoffmann  und  Wiedehsheim  ein  indifferentes  Mesen- 
chym,  um  welches  sich  der  Knochen  rinnenförmig  anlegt,  beschrieben 
und  dies  als  Knorpelrudiment  gedeutet.  Da  der  betreifende  Mesenchym- 
streifen  (Eig.  230c  **,  p.  258)  mit  der  ebenfalls  als  Knorpelrudiment 
bezeichneten  Mesenchymleiste  der  Clavicula  zusammenhängt,  wird  von 
jenen  Aiitoren  weiterhin  behauptet,  daß  das  Episternum  der  Reptilien 
der  Ersatzknochen  eines  Schultergürtelabkömmlings  sei.  Müllek  (^1900) 
findet  jedoch  bei  Anguis,  daß  hier  das  Episternum  viel  früher  auftritt, 
als  G(')TTE  angab,  und  zwar  b  ev  o  r  die  Clavicidaranlagen  bis  zur  Median- 
linie des  Körjjers  vorgedrungen  sind.  Auch  W.  K.  Parker  (18G8,  p.  09) 
und  Leydkj  (1872,  p.  35)    hielten  die  Episternalanlagen  für  selbständig. 

Vögel.  Von  W.  K.  Parker  ist  ein  zonales  Episternum  angegeben 
worden.     Doch  ist  dieses  sehr  zweifelhaft  (vgl.  p.   262) 

Säuger.  Bei  Monotremen  scheinen  zonale  und  costale  Episterna 
nebeneinander  vorzukommen.  Unsere  entwickelungsgeschichtlichen  Kennt- 
nisse sind  jedoch  hier  noch  lückenhaft   (vgl.  p.   263). 

ß.  Die  Entwickelung  des  Beckens. 

Die  Entwickelung  des  Beckens  veidäuft  Ijei  allen  Wirbeltieren  in 
einfacher,  übersichtlicher  Weise.  Es  bestehen  deshalb  auf  diesem 
Gebiet  keine  so  einschneidenden  Kontroversen  wie  bei  dem  vorher- 
gehenden Abschnitt.  Vielmehr  sind  gerade  durch  die  ontogenetisclie 
'  Behandlung  einige  früher  strittige  Fundamentalfragen  (Pubis  der  ^'ögel 
etc.  betreffend)  zu  einer  glücklichen  Lösung  geführt  worden.  Im 
Detail  bedarf  freilich  noch  manches  genauerer  Durcharbeitung. 

F  rü  beste  Anlagen  (Vorknorpel  und  Knorpel).  Wie 
beim  Schultergürtel  erfolgt  die  vorknori)elige  Anlage  des  Beckens  in 
der  rechten  und  linken  Körperhälfte  in  einem  Guß  und  zwar  in  cou- 
tinuo    mit    dem    Skelett   der   freien  (iliedmaße.     Erst  später  wachsen 


n 


Entw.  d.  Form  d.  Extremitäten  u.  d.  Extremitätenskeletts.       271 

die  Fortsätze,  welche  vom  glenoidalen  Teil  des  Elementes  dorsal-  und 
ventralwärts  fortschreiten  (Fig.  235,  //.,  Isch.,  Pub.),  soweit  ans,  daß 
es  in  der  ventralen  Medianlinie  zur  Symphysenbilduug  kommt  (sofern 
eine  solche  nicht  ausbleibt  wie  z.  B.  fast  stets  bei  Vögeln)  und  daß 
später  Verbindung  mit  dem  Achsenskelett  und  dessen  Anhängen 
(Rippen.  Wirbelfortsätzen  oder  Sacral wirbeln  selbst)  gewonnen  wird. 

Die  erste  Sonderung  erinnert  insofern  an  die  Erühdifferenzierung 
des  Beckenbogens  bei  Eischen,  als  die  Ausgestaltung  des  dorsalen 
Teiles  (Ileum)  mit  all  seinen  Besonderheiten  erst  spät  auftritt,  die  Früh- 
form dagegen  übereinstimmt  mit  dem  einfachen  dorsalen  Fortsatz  des 
pterygialen  Beckens.  Da  letzterer  bei  Knorpelfischen  fast  stets  reduziert 
wird,  sind  die  ausgebildeten  Formen  des  Beckens  bei  Land-  und  Wasser- 
tieren auf  entgegengesetzten  Entwickelungsbahnen  fixiert.  Bei  terrestren 
Tieren  speciell  ist  die  Verbindung  des  Ileum  mit  dem  Sacrum  wohl  eine 
Folge  der  erhöhten  Inanspruchnahme  der  Ex- 
tremität als  Stützorgan,  da  sie  in  erster  Linie 
beim    Vorw^ärtsschieben    des    Körpers     Verwen-  )ii^. 

düng  findet.  — Die  ventrale  Vereinigung  der  l^^^i. 

Beckenplatten  bei  Fischen  ist  viel  ausgeprägter  ^l^s^Ppi  Puh 

Fig.  235.    Vorknorpelige  Beckenanlage  eines  Vogel-        hch_i^0    \      ■'"^j; 
embryos    (Podiceps    cornutus).     11   Proc.    iliacus.     Isch        '  'i^^ 

Proc.  ischiadicus.    Pub  Proc.  pubicus.    Cd  Canalis  dia-  C'.c/ 

zonalis.     Nach  Mehnert. 

als  bei  Tetrapoden.  Bei  letzteren  findet  dagegen  eine  Spaltung  dieser 
Zone  statt  (Fig.  235,  Pub.  und  Isch.).     Ueber  diese  s.  w.  u. 

Die  Chondrifikation  setzt  mit  separaten  Centren  innerhalb 
des  einheitlichen  Vorknorpelstratums  ein.  In  weitaus  den  meisten 
Fällen  ^)  wird  für  jedes  Beckenantimer  eine  gesonderte  Anlage  ange- 
geben, so  daß  symphysäre  Synchondrosen  erst  sekundär  zu  stände 
kommen  (wenn  überhaupt  solche  sich  bilden).  Innerhalb  einer  jeden 
Körperhälfte  selbst  herrscht  noch  Unsicherheit  über  die  Lokalisation 
der  frühen  Knorpelcentren.  Bei  Amphibien  und  Reptilien  werden 
von  verscliiedenen  Autoren "-)  entweder  e  in  einheitliches  Centrum  oder 


1)  Gelegentlich,  wie  in  dem  von  Mehnert  (1897,  p.  70)  beschriebenen  Fall  von 
Emys  lutaria  taurica,  kann  auch  der  Knorpel  (und  selbst  der  Vorknorpel)  beider 
Beckenhälften  von  vornherein  als  eine  Einheit  auftreten.  Die  Symphysen konkrescenz 
ist  dann  in  der  Ontogenie  übersprungen  (Konnascenz);  denn  bei  nah  verwandten 
Tieren  findet  sich  der  übliche  Gang,  bei  welchem  anfänglich  getrennte  Anlagen  erst 
sekundär  verschmelzen. 

2)  Einen  einheitlichen  Beckenknorpel  fanden  jederseits  bei  Amphibien  (Triton) 
Bunge  (1880),  bei  ßhynchocephaliern  (Sphenodonj  Bchauinsland  (1!)00,  1903),  Ho- 
wes  and  Swinnerton  (1901,1902)  bei  Chelnniern  und  Crocodiliern  Kathke  (A.  L. 
III^  1848),  bei  Lacertiliern  Bttnge  (1880).  A.Johnson  (1884,  p.  13)  hat  auch  beim 
Hühnchen  eine  einheitliche  Anlage  gesehen.  Wiedersheim  (1892)  giebt  dagegen  für 
Urodelen  (Species?)  an,  daß  successive  zwei  getrennte  Knori^elcentren  auftreten,  das 
erste  im  ventralen  Teil(Puboischium),  das  zweite  im  dorsalen  Teil  (Ileum)  der  Becken- 
anlagp.  Mehnert  (1890)  fand  bei  Emys  eine  separate  Anlage  des  Ileumknorpels. 
Aber  auch  Ischium-  und  JPubisknorpel  waren  an  ihrem  acetabularen  Ende  voneinander 
isoliert  (über  die  Konkrescenz  in  der  Bauchmittellinie  siehe  Anm.  1).  Wiedersheim 
(1889,  1892)  wiederum  hat  bei  anderen  Schildkröten  (Chelone  imbr.)  drei  völlig  isolierte 
Knorpel  gesehen.  Dasselbe  fand  dieser  Autor  bei  Lacertilier-  und  Crocodilembryonen.  — 
Bei  Vögeln  ist  das  Hühnchen  besonders  lehrreich.  Es  scheinen  hier  alle  3  Möglichkeiten 
vorzukommen:  1)  einheitliche  Anlage,  A.  Johnson  (1884),  siehe  oben ;  2)  zwei  Centren 
(eines  im  Pubis,  eines  für  Ischium  +  Ileum),  A.  Bunge  (1880),  Mehnert  (1888) 
(letzterer  für  die  Mehrzahl  der  Fälle);   3)  drei  separate  Centren  (für  Ischium,  Pubis 


272  H.  Braus, 

mehrere  separate  Kuorpelpimkte  beschrieben.  Bezüglich  der  V  ö gel 
und  Säuger  herrscht  in  der  Litteratur -)  ziemliche  Uebereinstimmmung 
darin,  daß  mehrere  frühe  Centren  diskontinuierlich  auftreten. 
Doch  schwanken  die  Angaben  über  Zahl  und  Lage  derselben  je  nach 
der  untersuchten  Species  (und  sogar  individuell)  oft  beträchtlich,  wie 
namentlich  bei  Vögeln  durch  Mehnert  (1888)  nachgewiesen  wurde. 
Es  fragt  sich,  ob  nicht  auch  bei  Amphibien  und  Reptilien  derartige 
Schwankungen  vorkommen  und  die  Ditferenzen  der  Befunde  zum  Teil 
erklären.  Jedenfalls  kann  ich  den  Avechselnden  Centrierungen  des 
Knorpels  hier  ebensowenig  wie  anderswo  eine  besondere  phylogene- 
tische Bedeutung  beimessen. 

lieber  die  zeitliche  Differenz  zwischen  der  Anlage  des  Beckens  und  der- 
jenigen des  Femur  existieren  auch  recht  verschiedene  (und  dabei  in  der 
Litteratur  sehr  verstreute)  Angaben.  Ich  hebe  hervor,  daß  Wiedersheiji 
(1892)  sowohl  für  das  Vorknorpel-  wie  das  Knorpelstadium  betont,  es  lege 
sich  allemale  das  distale  Extremitätenskelett  früher  an  als  das  Becken,  daß  er 
bei  der  Chondrifikation  sogar  in  einigen  Fällen  (Anuren,  Crocodilier)  im 
Unterschenkel  früher  hyaline  Grundsubstanz  beschreibt  als  im  Becken. 
Im  Einzelfall  stimmen  andere  Autoren  (z.  B.  Mehnert)  damit  überein. 
Strasser  (1879,  p.  296)  dagegen  sah  bei  Urodelen  den  Beckenknorpel 
früher  auftreten  als  den  Femurknorpel.  Vielfach  wird  auch  die  Früh- 
anlage von  Becken  und  distalen  Skelettteilen  als  synchron  beschi-ieben. 
Jedenfalls  scheint  das  zeitliche  V^orangehen  distaler  Teile  in  der  Diffe- 
renzierung, welches  bei  der  vorderen  Extremität  selten  ist,  bei  der  hin- 
teren häufiger  aufzutreten. 

Forment  Wickel  u  ng  des  Beckens.  Amphibien.  Anfangs 
bildet  sich  eine  einheitliche,  ventral  gelegene  Platte.  Bei  Urodelen 
schließt  dieselbe  später  beim  Herabwachsen  nach  der  Bauchmittellinie 
hin  den  Nervus  diazonalis  (obturatorius)  ein  ^),  während  sie  bei  Anuren 


und  IJeura),  Mehnert  (1888)  (iu  einem  Falle).  Bei  allen  untersuchten  wildlebenden 
Vögeln  fand  Mehnert  1.  c.  drei  isolierte  Centren ;  dasselbe  gaben  W.  K.  Parker 
(1868)  und  Wiedersheim  (18!)2)  an.  Zehnter  (1890,  p.  30)  findet  bei  Cypselus 
einen  einheitlichen  Knorpelkern  für  Pubis  -f  Ischium.  —  Bei  Manimaliern  ist  in 
vielen  Fällen  die  Anlage  dreier  isolierter  Centren  gefunden  worden  [Schaf,  Katze, 
Kaninchen  und  Maus,  s.  Mehnert  (1889),  Wiedersheim  (1892)],  beim  Menschen  da- 
gegen ein  separater  Knorpelkern  für  das  Pubis  und  ein  zweiter  für  Ileum  -f  Ischiuni 
(E.  Rosenberg  187(3,  A.  Bunge  1880).  Petersen  1893  fand  auch  bei  Homo  drei 
separate  Centren. 

Bei  separaten  Knorpelkernen  erfolgt  später  regelmäßig  eine  Verwachsung  zu 
einem  einheitlichen  Ganzen.  Dabei  sind  die  mannigfachsten  Variationen  beobachtet, 
sei  es,  daß  die  Konkrescenz  synchron  erfolgt  oder  bald  dieser,  bald  jener  Chondri- 
fikationspunkt  sich  zuerst  mit  seinem  Nachbar  verbindet. 

Die  Bedeutung,  welche  Mehnert  (1889,  p.  108)  dem  isolierten  Auftreten 
dreier  sejDarater  Knorpelkerne  bei  so  versclüedenen  Tiergruppen  wie  Vögeln  und 
Säugern  zuschrieb,  kann  ich  angesichts  dieser  großen  Variabilität  nicht  anerkennen 
und  seinen  Schluß  nicht  teilen,  daß  diese  Dreiteilung  von  der  Staninigruppe  der 
Amnioten  herrühre  und  sich  aus  Zusammensetzung  des  Beckens  derselben  aus  drei 
Strahlen  herleite.  Mit  ähnlichem  Rechte  könnten  alle  diskreten  Knorpelcentren  der 
Querglieder  in  den  Radien  der  Fischflossen,  die  einzelnen  Chondrifikationspunkte  des 
Schädels  u.  dergl.  m.  phyletisches  Bürgerrecht  beanspruchen.  Die  Einheitlichkeit  der 
Knorpelanlage,  welche  Mehnert  irriger  Weise  als  caenogenetische  Konnascenz  deutet, 
ist  für  mich,  entsprechend  dem  einheitlichen  v  or  knorp  eligen  Stadium  bei 
allen  Vertebraten  und  entsprechend  dem  einheitlichen  knorpeligen  Stadium 
bei  den  Fischen  das  primitive  Ausgangsstadium.  Die  separierte  Verteilung  des  Knorpels 
tritt  um  so  regelmäßiger  in  der  Üntogenie  auf,  je  differenzierter  die  Bestandteile  des 
Beckens  sich  gestalten  (höhere  Amnioten).  Auch  dies  deutet  auf  das  Sekundäre  dieses 
Prozesses. 

1)  A.  Bunge  1880,  Mehnert  1890,  Wiedersheim  1892,  A. 


Entw.  d.  Form  d.  Extremitäten  u.  d.  Extremitätenskeletts.        27^) 


eiiilieitlich  bleibt  (die  Nerven  verlaufen  hier  sämtlich  prä-  oder  post- 
zonal). Die  Vereinigung  der  beiderseitigen  Beckenanlagen  in  der 
Medianlinie  erfolgt  manchmal  inkomplett  oder  gar  nicht,  in  den  meisten 
Phallen  jedoch  wohl  und  zwar  bei  Urodelen  kranio-kaudalwärts  fort- 
schreitend, bei  Anuren  gerade  in  umgekehrter  Richtung.  Die  ein- 
heitliche Knorpelplatte  wächst  nach  oben  in  einen  dorsalen,  an  einer 
Sacralrippe  Befestigung    gewinnenden    Fortsatz,    die  Pars  iliaca,    aus. 

Bei  der  Ossifikation  kommt  ein  separater  Knochenherd  im 
Ileum  und  ebenfalls  nur  ein  einziger  in  der  ventralen  Platte,  speciell 
im  kaudalen  Teil  derselben  zur  Anlage.  Die  ganze  vordere  (kraniale) 
Partie  der  letzteren  erhält  sich  in  den  meisten  Fällen  als  hyaliner 
Knorpel.  Bei  Urodelen  ist  der  Nerv  von  solchem  umgeben.  Alle 
Ossifikationen  sind  reine  Ersatzknochen.  Belegknochen  wurden  nicht 
beobachtet. 

Man  betrachtet  jetzt  wohl  allgemein  die  einheitliche  ventrale  Partie 
des  Amphibienbeckens  als  Homologon  der  Pars  pubica  +  Pars  ischi- 
adica  des  Beckens  höherer  Formen  und  den  konstanten  Knochenkern  im 
kaudalen   Teil  als  Beginn  der  Differenzierung  eines  Ischium  ^). 

Reptilien-).  Die  Formentwickelung  verläuft  in  derselben  Weise 
wie  bei  Amphibien.  Statt  eines  ventralen  Fortsatzes  entstehen  jedoch 
von  vornherein  deren  zwei,  ein  kranialer  Processus  pubicus  und  ein 
kaudaler  Proc.  ischiadicus.  Sie  sind  durch  die  Incisura  pubo-ischi- 
adica  voneinander   getrennt  (Fig.  236a).     Bei  Lacertiliern    bleibt    die 


^\oht  '  "  ^ 

Pub 

\         \  \  \        ' 

-/--  Pub 

Isch        Jpf 

Isc/i  Jpi 

Fig.  236.  Zwei  Stadien  der  Beckenentwickelung  von  Lacerta  vivipara.  Zeicheu- 
erkl.  siehe  Fig.  235.  N.obt.  Nervus  obturatorius.  Ipi.  Incisura  pubo-ischiadica.  fein 
Femur.    Nach  Bunge. 

Incisur  als  solche  zeitlebens  bestehen.  Doch  ändert  das  Pubis  seine 
anfangs  transversale  Stellung  (Fig.  2o6a)  derart,  daß  es  später  schräg 
kranialwärts  mit  dem  freien  ventralen  Ende  verschoben  ist  (Fig.  2o(3b). 
Die  Incisura  pubo-ischiadica  wird  dadurch  erweitert.  Zwischen  den 
gleichnamigen  Beckenbestandteilen  der  beiden  Körperhälften  tritt  zu- 
letzt eine  symphysäre  Synchondrose  hinzu.  Bei  Sphenodon  schließt 
sich  an  die  Symphysenbildung  das  Ausw^achsen  medianer  Fortsätze  an. 
welche  in  der  Incisur  einander  zugewendet  sind  (Fig.  237).  Schließlich 
treten  sie  nach  Schauinsland  durch  ein  Ligament  miteinander  in 
Verbindung.    Bei  Landschildkröten  geht  der  Prozeß  noch  weiter.    Im 

1)  Aeltere  Auffassungen,  welche  in  der  ventralen  Beckenpartie  lediglich  ein 
Ischium  erblicken  wollten,  sind  auch  von  ihren  ursprünglichen  Vertretern  verlassen. 

2)  Ich  folge  A.  Bunge  (1880)  für  Lacertilier,  Schauinsland  (1900,  1903)  und 
HowES  and  Swinnerton  (1901,  1902)  für  Sphenodon,  Mehnert  (1890)  für  Schild- 
kröten. 

Handbuch  der  lintwickelungslehre.     III.  2.  18 


274 


H.  Braus, 


Anschluß  an  ein  freies  getrenntes  Herabwachsen  von  Pubis  und  Ischiuni 
(Fig.  2:58a)   erfolgt   ein  Zusammenschluß    beider  Teile  in  der  Median - 


oss 


Fig.  238. 


Pub 


R.ac 


Isch 


oss 


Fig.  287.  Drei  ältere  Ent- 
wickelungsstadien  des  Beckens 
von  Sphenodon.  Das  Ileuni 
künstlich  nach  abwärts  ge- 
bogen. Zeichenerkl.  wie  bei 
den  vorigen,  b  Bindegewebige 
Zwischenstücke  zwischen  Pu- 
bes  und  Ischia.  fpi  Foramen 
pubo-ischiadicum.  oxs  Ossi- 
fikationscentren.  tri  Tren- 
nungslinie zwischen  Pubis  und 
Ischium.  tre  dasselbe  zwischen 

Ileuni  und  Puboischium.     hi  Hypoischium,  Imjy  Ligamentum  medianum  pelvis.    Nach 

Schauinsland. 

Fig.  238.  Anfangs- und  Endstadium  der  Beckenentwickelung  von  Emys  lutaria. 
Zeichenerkl.  siehe  vorige  Figg.  unrl  Text.  E.  ac  Regio  acetabuli  (noch  aus  Vor- 
knorpel bestehend).     Nach  Mehnert. 

linie  durch  eine  breite,  hyalinknorpelige  Spange  ^)  (Fig.  2oSb,  Sept. 
med.).  Dasselbe  ist  nach  Howes  and  Swinnerton  (1901)  auch  bei 
Sphenodonembryonen  der  Fall. 

In  der  späteren  Entwickelung  treten  bei  Reptilien  allgemein  drei 
Ossifikationsherde  auf,  je  einer  im  Ischium,  Pubis  und  Ileuni.  Sie 
entwickeln  sich  als  typische  Ersatzknochen.  Belegknochen  linden  sich 
nicht. 

Der  Nervus  diazonalis  (s.  obturatorius)  wird  bei  Lacerta  von  dem 
herabwachsenden  Processus  pubicus  umschlossen  und  liegt  hier  (auch 


1)  Bei  Seeschildkröten  bleibt  die  Incisura  puboischiadica  zeitlebens  bestehen.  — 
Bei  Crocodiliern  lös^t  sich  sekundär  der  Processus  pubicus  am  acctabularen  Ende  aus 
dem  gemeinsamen  Beckenknorpel  heraus,  so  daß  nach  erfolgter  Ossifikation  llenm 
und  Ischium  allein  die  Pfanne  l)ilden. 


Entw.  d.  Form  d.  Extremitäten  u.  d.  Extremitätenskeletts.       275 

bei  Sphenoclon)  iu  einem  besonderen  Canalis  diazonalis^)  (Fig.  236,  237). 
Bei  Scliildki'öten  dagegen  liegt  der  Nerv  von  vornherein  in  der  In- 
cisnra  (bezw.  Foramen)  pubo-ischiadica.  Ein  besonderer  Canalis 
diazonalis  kommt  hier  nicht  zur  Anlage.  Es  ist  bisher  kein  onto- 
genetisches  Faktum  bekannt,  aus  Melchem  zu  ersehen  wäre,  ob  der 
Canalis  diazonalis  sich  ursprünglich  von  der  Incisura  pubo-ischiadica 
ablöste  und  dadurch  selbständig  wurde  (Lacertilier,  Rhynchocephalier. 
Krokodile),  oder  ob  umgekehrt  ein  anfänglich  selbständiger  Canalis 
diazonalis  sich  nachträglich  mit  der  Incisur  vereinigte  (Schildkröten). 
Da  eine  Verschiebung  von  Nervenkanälen  im  Extremitätengürtel  der 
Fische  ontogenetisch  bekannt  ist  (p.  201,  Anm.  2)  und  bei  ReptiHen  der 
fragliche  Nerv  in  verschiedenen  Entwickelungsphasen  eine  differente  Lage 
zum  Becken  einnimmt  (Fig.  236a,  b),  so  ist  durchaus  die  Möglichkei  t 
einer  Beziehung  zwischen  Canalis  diazonalis  und  Incisura  puboischiadica 
vorhanden.  Ich  halte  es  für  verfehlt,  wie  Bunue  (1880)  u.  v.  a.  thun, 
aus  dem  ontogenetischen  Faktum,  daß  bei  Lacerta  der  Kanal  außerhalb 
der  Incisura  puboischiadica  entsteht,  den  Schluß  zu  ziehen,  daß  auch 
phylogenetisch  keine  Beziehung  bestanden  haben  könne.  Das  Gleiche  gilt 
für  die  weiteren,  darauf  fußenden  Ableitungen,  daß  nämlich  der  Canalis 
diazonalis  ausschließlich  homolog  dem  Nervenkanal  der  Urodelen,  die  Incisura 
puboisch.  dagegen  eine  den  Amnioten  eigene  Neubildung  sei.  Ebensogut 
wäre  es  möglich,  daß  sich  das  Nervenloch  der  Urodelen,  welches  übrigens 
gerade  so  wie  das  For.  puboisch.  durch  Herab  wachsen  des  Skelettes 
zu  Seiten  des  Nei'venstammes  und  nachträgliches  Umschließen  desselben 
entsteht,  in  dieser  Eutwickelungsphase  von  vornherein  erweitert  und  sich 
dadurch  zur  Incisura  puboisch.  und  später  zum  gleichnamigen  Foramen 
umgestaltet  hätte.  Der  Nerv  selbst  könnte  dann  bei  anderen  Reptilien 
seine  eigene  Bahn  eingeschlagen  haben.  Die  Ontogenese  läßt  das  zur 
Zeit  im  Dunkeln:  sie  entscheidet  speciell  die  Frage  nicht  im  Sinne  der 
ersteren  Annahme  ^). 

Vögel.  Auch  hier  ist.  wie  bei  Reptilien,  der  dreistrahlige  Typus 
(Proc.  iliacus,  pubicus  und  ischiadicus)  der  Frühanlage  des  Beckens 
sehr  deutlich.  Während  der  Verknorpelung  erleidet  jedoch  das 
Pubis   eine    Drehung   um   sein   acetabulares   Ende,    so  daß  der    Fort- 


1)  Da  es  sich  um  ein  durchgängiges  Nervenloch  handelt,  vermeide  ich  den  oft 
gebrauchten  Ausdruck  Canalis  obturatorius. 

2)  Der  eigentümliche  Befund  beim  Pubis  der  ausgebildeten  Crocodilier,  welches 
dort  als  separater  Knochen  besteht,  hat  eine  Zeit  lang  viele  Autoren  veranlaßt, 
das  oben  als  Ischium  bezeichnete  Skelettstück  als  Pubis  oder  Pubo-Ischium  zu 
deuten,  den  isolierten  Knochenstab  jedoch  als  ein  den  Reptilien  eigentümliches 
Gebilde  aufzufassen  (GoRSKi,  M.  Fürbringer,  Leydig,  Seeley,  Baur).  Das 
letztere  wurde  wieder  in  verschiedener  Weise  abgeleitet  (als  Fortsatz  des  Ileum, 
Os  pyramidale  etc).  Die  von  Cuvier  bereits  vertretene,  dann  von  C.  K.  Hoffmann, 
Bunge,  Mehnert,  neuerdings  auch  von  Wiedersheim  und  Gegenbaur  acceptierte 
Auffassung,  welcher  ich  oben  gefolgt  bin,  sieht  bei  allen  Reptilien  in  den  fraghchen 
Teilen  ein  Pubis  und  Ischuuu.  Denn  in  der  frühesten  Anlage  verhalten  sie  sich  völlig 
gleich.  —  Bei  fossilen  Reptilien  (Dinosauriern)  ist  ein  dritter  ventraler  Fortsatz  des 
Beckens  vorhanden,  welcher  wegen  der  auch  bei  Vögeln  vorkommenden  Dreizahl  be- 
sondere Beachtung  gefunden  hat.  Er  wird  als  Auswuchs  der  Pubis  gedeutet  und,  je 
nachdem  der  vorderste  oder  mittlere  der  drei  Fortsätze  als  ursprüngliches  Pubis  auf- 
gefaßt wird,  Postpubis  iMarsh  1878,  1881,  1894  B  etc.)  oder  Präpubis  is.  Proc 
pubis  anterior,  s.  Proc.  pectineus,  Hiixley  1888,  Dames  1897)  genannt.  Die  onto- 
genetischen Verhältnisse  der  Vögel  haben  gelehrt,  daß  der  3.  ventrale  Beckonfort- 
satz  der  letzteren  nicht  auf  die  Organisation  bei  Dinosauriern,  wie  man  diese  auch 
deuten  möge,  zurückführbar  ist,  da  sich  bei  Vögeln  der  dritte  Fortsatz  vom  Ileuni 
aus  entwickelt. 

18* 


276 


H.  Braus, 


satz  später  kaudal  wärts  gerichtet  ist.  In  Fig.  239  ist  aus  dem  ur- 
sprünglich (wie  in  Fig.  235)  nach  vorn  kraniahvärts  verhiufenden  Stal) 
Fab  bereits  ein  transversal  liegender,  in  Fig.  240c  ein  kaudalwärts  ge- 
richteter [c]  geworden.  Es  kann  schließlich  das  Pubis  mit  dem  Ischium 
partiell  verschmelzen  und  dadurch  zwischen  ihnen  ein  Foramen  pubo- 
ischiadicum  (wie  bei  den  Reptilien)  entstehen. 

In  der  späteren  Entwickehmg  bildet  sich  noch  ein  ventraler  Fort- 
satz des  Ileum  (eine  Spina  ilei),  welcher  vielfach  für  das  eigentliche 
Pubis  gehalten  wurde.  Doch  redet  hier  die  Entwickelung  eine  un- 
zweideutige Sprache.     Es   ist   ein  zunächst   vor  kn  or  p  el  iger  Aus- 


Fig.  239. 


11 


■■■■■■■-%. 


Fem   -  -  '4 


Isch 


Fig.  239.  Becken  von  Larus  ridibun- 
dus  mit  Knorpelcentren.    Nach  Mehxert. 

Fig.  240.  Beckenskelett  eines  Vogel- 
embryos (a),  emes  fossilen  Dinosauriers  (b) 
lind  eines  ausgewachsenen  Vogels  (c). 
Zeichenerklärung  s.  Anm.  1  (a  und  c  nach 
Mehnert,  h  nach  Marsh)'). 

wuchs  des  Ileum.  der  auch  vom  Ile- 
um aus  V  e  r  k  n  0  r  p  e  1 1.  Schließlich 
geht  auch  die  Ossifikation,  wie  übri- 
gens schon  lange  bekannt  war,  vom 
Ileum  aus.  Verbindungen  mit  dem 
Pubis  bei  Carinaten  kommen  in  der 
Entwickelung  erst  nachträglich  zu 
Stande. 

Dagegen  kommt  bei  Ratiten 
außer  dem  Fortsatz  des  Ileum  noch 
ein  solcher  des  Pubis  vor  (Mivart 
1880,  Sab  ATIER  1880,  Mehnert  1888). 

1)  Die  äußere  Aehnlichkeit  des  Beckens  der  Dinosaurier  und  ausgewachsenen 
Vögel  brachte  viele  Autoren  (Hulke,  Marsh,  Huxley  u.  a.)  dazu,  den  Fortsatz  c 
mit  y'  (Fig.  240b  und  c)  zu  liomologisieren  und  in  der  kleinen  Spina  d  einen  Rest  des 
bei  Dinosauriern  wohlentwickelten  Fortsatzes  y  zu  sehen.  Marsh,  der  y  als  Pubis, 
y'  als  Postpubis  bezeichnet  (s.  Anm.  2,  p.  275),  glaubt  deshalb,  daß  bei  recenten  Reptilien 
(Fig.  240a)  das  Postpubis  rudimentär  und  lediglich  das  Pubis  entwickelt  sei,  daß  bei 
Vögeln  andererseits  (Fig. 240c)  das  Pubis  bis  auf  den  kleinen  Fortsatz  d  unterdrückt  und 
hauptsächlich  das  Postpubis  ausgebildet  sei.  Diese  Hypothese  ist  widerlegt  durch  den 
Nachweis  von  Bunge  (1880)  und  Mehnert  (1888)  (mit  welchen  in  der  thatsächlichen 
Beobachtung  auch  A.  Johnson  1883  übereinstimmt),  daß  in  der  Ontogenese  anfäng- 
lich das  Pubis  in  der  Lage  von  C  wie  bei  Reptilien  (Fig.  24Üa)  auswächst,  dann  aber 
nach  hinten  rotiert  und  dadurch  in  den  Fortsatz  c  (Fig.  240c)  successive  verwandelt 
wird.  Ich  folgte  deshalb  oben  der  Darstellung  der  letztgenannten  Autoreu,  insbe- 
sondere Mehnert,  welche  die  ältere  Auffassung  von  Meckel  (1825)  und  Cuvier  (1835) 
wieder  herstellte. 


Entw.   d.  rorm  d.  Extremitäten   u.   d.  Extremitätenskeletts. 


1>77 


Es    ist    noch    nicht    ontogenetisch 
Auswuchs     des    Ileum    vereinigt     einen 
bildet.     Bai-r  (1885,    p.    614)    hat    es    aus 


untersucht,    ob 
vorderen 
einer 


dieser    etwa 

Fortsatz    des 

Trennungslinie 


Fortsatzes  beim  Carinaten- 
sichten  derjenigen  Autoren, 
des  Pubis    an    dem  Aufbau 


mit    dem 

Beckens 

in    dem 

fraglichen    Gebilde    eines    jungen    Kasuar    geschlossen,    Mehxert    (1888, 
p.   282)    ist    dagegen    mehr    für    eine    komplette  Homologie  des  vorderen 

und  Ratitenbecken  eingetreten.  Auf  die  An- 
welche  auch  bei  Carinaten  eine  Beteiligung 
des  vorderen  Fortsatzes  behaupten  oder  in 
letzterem  einen  selbständigen  vierten  Beckenbestandteil  erblicken,  gehe 
ich  nicht  ein,  da  mir  die  genealogische  Ableitung  durch  die  Ontogenie 
in   der  oben  dargelegten  Weise  hinreichend  geklärt  erscheint. 

Sekundär  vergrößert  sich  das  Ileum  der  Vögel  außerordentlich 
und  gewinnt,  um  den  aufrechten  Gang  zu  ermöglichen,  eine  sehr 
breite,  prä-  und  postacetabulare  Verbindung  mit  der  Wirbelsäule.  Die 
mit  den  einheitlichen  Ilea  beiderseits  zusammenhängenden  Wirbel 
verschmelzen,  sobald  sie  durch  diesen  Zusammenhang  die  Möglichkeit, 
sich  gegeneinander  zu  bewegen,  verloren  haben.  Die  ausgewachsene 
Form  zeigt  hier  noch  mannigfaltige  andere  hohe 


Differenzierungen. 


Fig.  241. 


Fig.  242. 


R.un ' 


II 


R.ac 


Isdi 


N.obt 


Pub 


R.hif 


Pub 


Fig.  241.  Zwei  Stadien  der  ßeckenentwickelung  beim  Schaf.  Nach  Mehnert. 
11  Ileuni^.  R.sup  und  inf.pub  auf-  und  absteigender  Schambeinast.  R.un.isch  Ramus 
imiens  ischii.     R.ac  Regio  acetabuli. 

Fig.  242.     Beckenanlage  eines  Kaninchenembryos.    Nach  Mehnert. 

Säuger.  Wie  bei  allen  Amnioten  entsendet  die  Beckenanlage 
einen  dorsalen  Fortsatz  (Ileum)  und  zwei  ventrale  (Ischium  und  Pubis 
[Fig.  241a]).  Die  beiden  ventralen  vereinigen  sich  nachträglich  in  der 
Art,  daß  vom  ventralen  Ende  des  Ischium  ein  Fortsatz  auf  das  von 
Anfang  an  kaudalwärts  gebogene  Pubis  auswächst  und  mit  ihm  (häutig 
nur  inkomplett)  verschmilzt  (Fig.  241b).  Mehnert  (1898),  dem  ich 
in  der  Beschreibung  folge,  nannte  den  Auswuchs  Ramus  uniens  ischii. 
Bei  Vögeln  und  Säugern  ist  der  Nervus  diazonalis  (s.  obturatorius) 
von  vornherein  in  der  Incisura  pubo-ischiadica  (bezw.  in  dem  gleich- 
namigen Foramen)  gelegen. 

Die  Vereinigung  der  drei  Knorpelstrahlen  im  Acetabulum  erfolgt 
mit  besonderen  Fortsätzen,  welche  teils  dünne  Platten  sind  und  den 
Boden  der  späteren  Pfanne  bilden,  teils  dickere  Wülste  darstellen  und 
sich  zum  Pfannenrand  ausgestalten.  Während  bei  Vögeln  auch  zwischen 
Pubis   und    Ischium  Wülste   auftreten,    fehlen   sie   hier   bei    Säugern. 


278  H.  Braus, 

Der  Ausfall  bewirkt  die  Incisur.  welche  das  Ligamentum  teres  in  sich 
einschließt  (bei  Monotremen  jedoch  kompletter  Pfannenrand). 

Von  Welckek  ist  bekanntlich  die  Entstehung  der  Incisur  im  Pfannen- 
rand  und  die  Einwanderung  des  Ligamentum  teres  in  das  Acetabulnm  als 
Folge  der  veränderten  Körperstellung  bezeichnet  worden.  Die  onto- 
genetischen  Thatsachen  verraten  zur  Zeit  von  einem  solchen  Kausal- 
nexus nichts,  da  im  wesentlichen  der  fertige  Zustand  von  vornherein 
zur  Anlage  kommt. 

Beim  Kaninchen  ist  das  Pubis  schon  in  der  ersten  Anlage  vom 
Hüftgelenk  ausgeschlossen  (Fig.  242).  Die  Selbständigkeit  erinnert  an 
ähnliche  Verhältnisse  bei  Krokodilen  (s.  o.),  ohne  daß  deshalb  eine 
genetische  Beziehung  anzunehmen  wäre  (Geoenbaur  dachte  an  eine  solche, 
hält  aber  neuerdings  [1898,  p.  561]  die  Uebereinstimmung  für  eine 
Konvergenzerscheinung). 

Die  Ossifikation  des  Beckens  liefert,  wie  bei  allen  übrigen  Amnioten, 
den  typischen  Ersatzknochen,  der  an  '^  Punkten  (Os  ilei,  ischii,  pubis) 
separat  auftritt.  Ueber  die  zeitliche  Folge  beim  Menschen  und  die 
zahlreichen  sekundären  Ossifikationen  vergl.  Lehrbücher  d.  Entw.  des 
Menschen  und  Röntgenlitt.  (z.  B.  Lambertz  1900,  Bade  11»00). 

Bei  Reduktionen  des  Beckens  bleiben  die  ventralen  Teile  (Pubis 
und  Ischium)  am  längsten  erhalten  (Cetaceen,  Sirenen),  wohl  als  Folge 
von   Beziehungen  zum   Genitalapparat  ^). 

Vergleich  der  Becken-  und  S  c  h  u  1 1  e  r  g  ü  r  t  e  1  e  n  t  - 
Wickelung.  Wenn  wir  einen  kurzen  Rückblick  auf  die  wesentlichen, 
in  den  vorhei'geheuden  Kapiteln  mitgeteilten  Thatsachen  werfen  (ohne 
hier  auf  die  kritische  Beurteilung  des  einzelnen  zurückzukommen),  so 
ergiebt  sich  eine  sehr  ausgesprochene  Parallelität  zwischen  der  Ent- 
wickelung  des  Schultergürtels  und  Beckens.  Die  vorkuorpelige  Anlage 
ist  bei  beiden  eine  einheitliche,  und  von  der  primären  glenoidalen 
Partie  wird  dorsalwärts  e  i  n  Fortsatz  (Scapula-Ileum),  ventralwärts 
deren  zwei  (Coracoid-Ischium,  Procoracoid-Pubis)  entsendet.  Die 
ventralen  Fortsätze  einer  Körperseite  können  bei  beiden  Gürteln  ent- 
weder in  der  Medianlinie  mit  einander  verwachsen  und  dadurch  aus 
der   zwischen    ihnen   liegenden  Incisur  ein  Foramen  erzeugen  -)    oder 


1)  Bei  vielen  Säugern  übernimmt  das  Pubis  allein  die  Symphysenbildung;  die 
Symphysis  ischii  kommt  nicht  mehr  zur  Ausbildung.  Auch  die  Symphysis  pubis 
kann  rückgängig  werden  (Insectivoren,  Leche  ISSO).  Doch  erhält  sich  bei  Talpa- 
embryonen  ein  Knorpelstreit'  als  Verbindung  der  knöchernen  Piibes.  Bei  Mono- 
tremen und  einigen  Marsupialiern  bleibt  die  Verwachsung  der  3  kanonischen  Becken- 
bestandteile in  der  Pfannengegend  inkorafilctt.  Daraus  resultiert  ein  Loch  im  Aceta- 
bnlum.  Es  kommt  dies  übrigens  gelegentlich  auch  bei  Amphibien  (Necturus)  und 
Ueptiüern  (Crocodilier)  vor. 

2)  Auch  beim  Beckcngürtel  der  Amnioten  ist  aus  der  ontogenetischen  Entstehung 
des  Foramen  pubo-ischiadicum  durch  allmähliche  Umschließung  einer  Lokalität  durch 
zwei  von  einem  Punkt  aus  zangenförinigum  sie  herum  auswachsende  Fortsätze  die  Vor- 
stellung abgeleitet  worden,  das  Fenster  könne  unmöglich  phyletisch  aus  einer  einheit- 
lichen Platte  durch  nachträglichen  Durchbruch  entstanden  sein  (Mehnert  18Si),  1800). 
Ich  bestreite  auch  hier  das  Zwingende  eines  solchen  Schlusses,  indem  ich  auf  die 
gleichen  principiellen  Erörterungen  beim  Schultergürtel  der  Lacertilier  (p.  2(30,  Anm.  1 ) 
und  auf  die  Konsequenz  für  das  Amphibienbecken  verweise,  dessen  auch  ontotienetisch 
einheitliche  ventrale  Beckenplatte  als  etwas  sekundäres  im  Lichte  dieser  Auffassung 
erscheinen  müßte  (durch  fast  völligen  oder  komjjletten  Verschluß  des  Fensters).  Die 
von  A.  Bunge  (1880)  besonders  vertretene  Fensterungshypothese  erscheint  aus  ver- 
gleichend-anatomischen Gründen  besser  fundiert,  ist  aber  freilich  embryologisch  nicht 
bewiesen.     Weiterhin  wurde  aber  bereits  entgegen  A.  Bunge  hervorgehoben,  daß  auch 


Entw.   d.   Form  d.  Extremitäten  u.   d.  Extremitätenskeletts.  279 

Ständig  getrennt  bleiben.  Die  in  definitiven  Zuständen  meist  so  ver- 
schieden großen  Skeletteile  (wie  Ileum  und  Scapula)  sind  ontogenetisch 
auch  ihrer  Größe  und  Form  nach  anfänglich  noch  einander  sehr  ähn- 
lich (selbst  bei  Homo,  Merkel  1(S94,  Hagen  1900).  Auch  die  späteren 
Vorgänge  der  Ossifikation  sind  ganz  ähnliche,  insofern  Ersatz- 
kn  0  ch  e  n  in  den  knorpelig  präformierten  Anlagen  in  Betracht  kommen. 
Deckknochen  dagegen,  deren  Vorkommen  von  mir  beim  Schulter- 
gürtel  als  Problem  behandelt  wurde,  sind  beim  Beckengürtel  zweifel- 
los ausgeschlossen. 

Die  höhere  Ausgestaltung  des  Beckens  bei  Säugern  ist  ebenfalls  mit 
■den  späteren  Differenzierungen  des  primären  Schultergürtels  verglichen 
Avorden  (Homodj^namie  der  Spina  scapulae  und  Crista  ilei  nach  Huxley 
1864  oder  der  Spina  scap.  mit  der  Linea  ileo-pectinea  Mivart  1866  u. 
dergl.).     Siehe  auch  vergl.-anat.  Litt.  (Lubsek   1904). 

S e  k  u  n  d ä r  e  F 0 r t s a  t z b i  1  d u n  g e n  d e  s  B  e c k  e  n  s  in  der 
Bauchmittellinie  (Epipubis,  Hypois  chium).  Unter  den 
Amphibien  ist  besonders  das  Urodelenbecken  durch  knorpelige 
Anhänge  ausgezeichnet,  welche  sich  in  der  Linea  alba  vom  Vorder- 
rand des  Beckens  kranialwärts  erstrecken.  Dieselben  entwickeln  sich 
viel  später  als  die  Anlage  des  Beckens  und  zwar  in  continuo  mit  dem 
Pe  r  ichondrium  der  beiden  zur  Pubissymph3^se  sich  vereinigenden 
Beckenknorpel  (Bunge  ISSO).  Bei  eintretender  Verknorpelung  ist 
«in  Zusammenhang  zwischen  der  Cartilago  ypsiloides  ')  in  der  Linea 
alba  und  dem  Puboischiadicum  vorhanden.  Die  Knorpelzellen  an  der 
Grenze  zwischen  beiden  besitzen  jedoch  von  vornherein  eine  besondere 
Anordnung,  welche  von  Mehnert  1890  als  Beginn  der  bald  folgenden 
sekundären  Abgliederung  aufgefaßt  wird.  Die  Zinken  am  kranialen 
Ende  der  Cartilago  ypsiloides  sprossen  zuletzt  aus  der  einheitlichen 
Anlage  aus. 

Hiernach  gehört  der  Knorpel  in  der  Linea  alba  bei  den  Urodelen 
zum  Becken.  Er  ist  dem  unpaaren  Fortsatz  vergleichbar,  welcher 
bereits  bei  Fischen  in  späteren  Entwickelungsstadien  das  Becken  in 
der  Bauchmittelliuie  verlängert  (Fig.  200.  p.  211). 

Baur  1891,  p.  356  giebt  jedoch  auf  Grund  von  ontogenetischen 
Untersuchungen  bei  Necturus  an ,  daß  die  Cartilago  ypsiloides  separat 
entstehe.  Wiedersheim  1892,  p.  102  findet  bei  Triton  alpestris  dasselbe, 
jedoch  bei  anderen  Urodelen  eine  von  Anfang  an  völlig  einheitliche 
Knorpelverbindung  zwischen  den  fraglichen  Teilen. 

Eine  paarige  Anlage  ist  in  keinem  Fall  beobachtet  worden.  Aus 
vergleichend-morphologischen  Gründen  nehmen  eine  solche  Mehnert  1890, 
Baur  1891,  Wiedersheim   1892  u.  a.  an. 


eine  direkte  Umwandlung  des  Canalis  diazonalis  der  Amphibien  in  die  Incisura 
pubo-ischiadica  der  Amnioten  durch  nachträgliche  Erweiterung  durch  die  Ontogenie 
keineswegs  widerlegt  wird.  Paläontologisch  ist  dies  wahrscheinlich  gemacht  durch  den 
Befund  bei  Paläohatteria,  wo  das  Loch  nicht  größer  als  beispielsweise  bei  Necturus 
war  (Baur  1891,  p.  858). 

1)  Cartilago  ypsiloides  wird  der  Knorpel  deshalb  genannt,  weil  er  meist  am 
kranialen  Ende  gegabelt  ist.  In  den  meisten  Fällen  ist  der  Knorpel  beim  ausgebildeten 
Tier  mit  dem  Becken  bindegewebig  verbunden.  Selten  ist  der  Zusammenhang  knorpelig 
(Tylotnton,  üiese  1891).  Bei  Anuren  hat  nur  Dactylethra  einen  solchen  Anhang.  — 
C.  K.  HoFFMAXX  und  Mehnert  betrachten  ein  von  Hyrtl  bei  Menopoma  abge- 
bildetes Knöchelchen  hinter  dem  Becken  als  Os  cloacae  (siehe  Reptilien,  s.  o.).  Es 
fehlt  allen  übrigen  Amphibien. 


280 


H.  Braus, 


Unter  den  Sauropsiden  besitzen  nur  die  Reptilien  in  der 
Medianlinie  Skelettanlagen  (Gastrale,  Baur  1S91).  Besonders  bei 
Schildkröten  und  Lacertiliern  treten  am  kranialen  Rand  der  Becken- 
anlage unpaare  Knorpelstücke  auf,  von  welchen  Mehnert  1891  nach- 
wies, daß  sie  in  continuo  mit  dem  Pubis  entstehen  (Fig.  243.  Ep), 
Sie  werden  Epigastroid  (Baur)  oder  Epipubis  (Wiedersheim. 
Mehnert)  genannt.  Bei  Lacerta  beginnen  die  aus  Vorknorpel  be- 
stehenden Anlagen  sich  zu  bilden,  ehe  die  Schamfuge  konsolidiert 
ist.  Dabei  zeigt  sich,  daß  beide  Pubes  in  gleicher  Weise  Material 
für  das  Skelettstück  liefern.  Denn  es  besteht  auch  eine  inkom])lette 
Trennung  in  der  Bildungszoue  des  Epipubis  (Fig.  24.'>).    Weiter  kranial- 

wärts  ist  die  Anlage 
Fig.  244.  einheitlich  und  spä- 

ter wii'd  in  den 
meisten  Fällen  das 
ganze    Skelettstück 


Fig.  243. 


Pub 


Isch 


KL 


Isch. 


Isch 


Hyp 


ein  Continuum  (vgl. 
auch  die  von  An- 
fang an  unpaare 
Anlage  bei  Hatteria. 
Fig.  237).    Bei  der 

Verkn()cherung, 

welche     rein     nach 

dem  Typus  der  Er 

Fig.  243.  Horizontalschnitt  durch  die  Linea  alba 
eines  Embryos  von  Lacerta  vivipara.  Ep  Epipubis.  Kl 
Kloake.    Nach  Mehnert. 

P'ig.  244.  Horizontalschnitt  durch  das  hintere 
Beckenende  eines  Embryo  von  Lacerta  vivipara.  Hy2> 
Hypoischium.  Isch  die  Ischia  der  beiden  Becken- 
hälften angeschnitten.     Nach  Mehnebt. 


satzknochen  auftritt,  entwickeln  sich  in  manchen  Fällen  zwei  Knochen- 
kerne nebeneinander,   in  den  meisten  freilich  nur  einer. 

Mehnert  1.  c.  und  Wiedersheim  1.  c.  halten  den  paarigen  Zustand 
für  den  primitiven,  den  unpaaren  für  den  abgeleiteten.  Mir  scheint 
jedoch  nach  diesen  Beobachtungen  nur  das  festzustehen,  daß  das  Material 
für  die  Bildung  des  dauernd  unpaaren  Epipiibis  jmarig  entsteht,  was 
übrigens  bei  der  paarigen  Anlage  des  Beckens  überhaupt  a  priori  er- 
wartet werden  muß.  Wird  also  das  Epipubis  (vielleicht  infolge  steigen- 
der funktioneller  Bedeutung  früher  als  gewöhnlich)  in  einer  Epoche  der 
Ontogenese  angelegt,  wo  die  Beckenanlagen  noch  nicht  in  der  S_ymphyse 
vereinigt  sind,  so  kann  dadurch  ein  phjdetisch  unpaarer  Skelettteil  seiner 
geweblichen  Rekrutierung  nach  in  zwei  paarige  Anlagen  sekundär  auf- 
gelöst werden  ^).  —  Auch  bei  Struthio  entsteht  sekundär  aus  der  knor- 
peligen Beckensymphyse  ein  Epipubis  (Mehnert   1902). 

Am  kaudalen  Rand  des  Beckens  der  Lacertilier  entwickelt  sich 
in   ganz  ähnlicher  Weise  ein  Hypogastroid  (Baur)  oder  Hypoischium 


1)  Phyletisch  wäre  also  dieser  Auffassung  nach  das  Epipubis  nach  Vereinigung 
der  Pubes  in  der  Symphyse  aus  letzterer  entstanden.  Es  entspricht  dem,  daß  den 
Vögeln,  welche  (abgesehen  von  seltenen  Ausnahmen),  keine  Symphyse  haben,  auch 
ein  Epipubis  fehlt. 


Entw.  d.  Form   d.  Extremitäten   u.  d.   Extremitätenskeletts.  281 

(C.  K.  Hoffmann).  Nur  entsteht  dasselbe  ein  wenig  später  als  das 
Epigastroid  und  kommt  deshalb  nie  paarig  zur  Anlage,  da  die  Sitz- 
beinfuge bereits  gebildet  ist  (Fig.  244).  Später  löst  sich  der  unpaare 
Knori)el  ab  und  liegt  nach  der  enchondral  erfolgenden  Ossifikation 
häufig,  aber  nicht  immer,  der  Kloakenwand  an  (Os  cloacae.  Für- 
bringer).  Immer  verbindet  ein  Bindegewebsstrang  den  Knochen 
noch  mit  dem  Ausgangspunkt  am  Ischium  ^). 

Bei  manchen  Landschildkröten  bleibt  zwischen  der  Pubis-  und 
Ischium-Symphyse  ein  Rest  der  einheitlichen  knorpeligen  Schoßfuge 
übrig  und  bildet  dann  einen  zwischen  den  verknöcherten  Teilen  ein- 
geschalteten Knorpelkern  (Mesogastroid,  Baur).  Nach  Back  1891  kann 
an  Stelle  desselben  ein  hbröses  Band  treten.  Bei  Sphenodon  läßt  sich 
ontogenetisch  die  allmähliche  Umwandlung  des  medianen  Knorpels  in 
ein  Ligamentum  median  um  pelvis  verfolgen  (Howes  u.  Swinnerton  1900). 

Die  Säugetiere  weisen  zum  Teil  (Monotremen,  viele  Mar- 
supialier)  paarige  Skelettstücke  kranial  vom  Becken  in  der  Ihxuch- 
wand  auf  (Ossa  marsupialia  -).  Ihre  Ontogenie  ist  noch  nicht  ganz 
geklärt.  Leche  1S91  und  Wiedersheim  1892*  beschreiben  bei  älteren 
Embryonen  und  jungen  Tieren  einen  kontinuierlichen  knorpeligen 
Zusammenhang  zwischen  ihnen  und  dem  Pubis  (Didelphys,  Macropus). 
Aeltere  Autoren  gaben  an,  daß  die  Ossa  marsupialia  separat  in  der 
Linea  alba  entstehen. 

Bei  Ornithorhynchus  kommt  im  Pubis  ein  zweiter  Knochenkern  zur 
Anlage,  der  entweder  auf  eine  hier  stattfindende  Verbindung  des  Os 
marsupiale  mit  dem  Pubis  bezogen  wurde  (Wiedersheim)  oder  auf  ein 
Os  acetabulare  (Howes). 

Die  ähnliche  Entstehung  der  Schamfugenabkömmlinge  bei  Am- 
phibien und  Amnioten,  besonders  derjenigen  am  kranialen  Becken- 
rand, berechtigt  dazu,  eine  einheitliche  Abstammung  für  sie  anzunehmen. 
Cuvier  1836,  HuxLEY  1879,  Leche  1880,  Wiedersheim  1892  leiten 
alle  genealogisch  von  einem  Epipubis  ab.  Daß  sie  teils  unpaar,  teils 
paarig  entstehen,  bietet  kein  Hindernis  für  die  Homologisierung  mehr, 
seitdem  bei  Lacertiliern  die  oben  beschriebenen  Uebergänge  zwischen 
unpaareu  und  paarigen  Anlagen  gefunden  sind.  Doch  ist  die  Stel- 
lung der  Ossa  marsupialia  zu  dieser  Reihe  noch  zweifelhaft. 

Sucht  man  in  der  Genese  des  Schultergürtels  nach  horaodj-namen 
Elementen,  so  kommt  nur  das  Hypocleidium  (Praeclavium),  si^eciell  der 
in  ihm  nach  den  Angaben  mancher  Autoren  sich  bildende  Knochen 
(zonales  Episternum)  in  Betracht.  Mit  einem  Beleg  knochen  oder  einem 
vom  primären  Schultergürtel  genetisch  unabhängigen  Skelettteil  kann 
jedenfalls  nie  Parallelität  bestehen.  Es  ist  in  dieser  Beziehung  sehr 
charakteristisch,  daß  bei  Reptilien  nie  eine  wirkliche  knorpelige  Grundlage 
des  Epistei'num  gefunden  wurde,  während  das  Epipubis  bei  denselben  Tieren 
rein    knorpelig    auftritt    und    meistens    gar  nicht  verknöchert.     Die  topo- 


1)  Wegen  der  oft  weiten  Entfernung  vom  Ischium  im  ausgebikleten  Zustand 
hielt  C.  K.  Hoffmann  das  Os  cloacae  für  eine  Verknöcherung  in  diesem  Bande. 
M.  FtJRBEiNGfEE,  (1869,  p.  39)  wies  die  knorpelige  Genese  nach,  Mehnf.rt  (1891, 
p.  123)  zeigte  den  Zusammenhang  der  ersten  Anlage  mit  dem  Ischium. 

2)  Bei  höheren  Säugern  fehlen  solche.  Es  werden  allerdings  Ligamente,  welche 
an  derselben  Stelle  sich  finden  (Huxley)  oder  sekundäre  Knochenkerne  in  der 
Schambeinfuge  (Albrecht,  Wiedersheim,  Anderson)  als  Beste  von  solchen  oder 
als  Pelvisternum  gedeutet.  —  Bei  einigen  Beuteltieren  (z.  B.  Didelphys)  soll  auch 
ein  Hypoischium  vorkommen  (Mehnert  1891,  p.  132). 


282  H.  Braus, 

graphischen   Differenzen    sind    ebenso    scharfe.      Das    Becken    geht    also 
hier  gegenüber  dem  Brustschulterapparat  seine  eigenen  Wege. 

Mit  Mehnert  1891,  p.  42  sind  alle  Differenzierungen  von  Skelett- 
teilen am  Becken gürtel  in  der  Linea  alba  für  sekundäre  Spätbildungen 
anzusehen. 

b)  Die  Entwickelung-  des  Skelettes  der  freien  Extremität  (Cheiropteryginm '), 

Chiridium). 

Die  vorderen  und  hinteren  freien  Gliedmaßen  der  Tetrapodeu 
besitzen  in  den  verschiedenen  Wirbeltierklassen  eine  große  Aehnlich- 
keit  der  Entwickelung  innerhalb  der  homodynamen  Abschnitte.  Sie 
äußert  sich  auch  in  der  Histiogenese.  So  fällt  hier  der  Grund  fort, 
welcher  beim  Zonoskelett  eine  gesonderte  Besprechung  der  Vorder- 
und  Hintergliedmaße  (namentlich  wegen  des  Problems  der  Ei'satz- 
und  Belegknochenbildungen)  nötig  machte.  Ich  leite  deshalb  diesen 
Abschnitt  mit  einer  beide  Gliedmaßen  betreffenden  Darstellung  der 
Histiogenese  und  frühesten  Formgestaltung  des  Skelettes  ein  und 
gliedere  die  specielle  Darstellung  der  Differenzierungen  des  Skelettes 
nach  den  einzelnen  Abschnitten  desselben.  Man  hat  zu  diesem  Be- 
hufe  für  die  einzelnen  Abschnitte  Bezeichnungen  nötig,  welche  all- 
gemein für  beide  Gliedmaßen  gelten.     Ich  wähle  folgende  ^) : 

1)  Stylopodium    (oder    Stelepodium)  =    Oberarm-    bezw.    Ober- 
schenkelskelett ; 

2)  Zeugopodium  =  Unterarm-  bezw.  Unterschenkelskelett; 

3)  Autopodium  =  Hand-  bezw.  Fußskelett: 

a)  Basipodium  =  Carpus  bezw.  Tarsus ; 

b)  Metapodium  =  Metacarpus  bezw.  Metatarsus ; 

c)  Acropodium  =  Phalanges. 

a.  Allgemeine  Histiogenese  und  Formgestaltung. 

V  orknorpelstadium.  Bei  sämtlichen  Tetrapodeu  entsteht 
die  früheste  Anlage  des  Skelettes  als  eine  einheitliche  Mesenchym- 
verdickung,  welche  ohne  Unterbrechung  von  der  Anlage  des  Ex- 
tremitätengürtels  aus  in  dem  Gliedmaßenstummelcheu  des  Embryo 
terminalwärts  zieht.  Während  der  ganzen  Vorknorpelperiode  bleibt 
die  Kontinuität  der  Anlage  gewahrt.  Jedoch  werden  schon  früh 
partielle  Durchbrechungen  und  Einschnitte  dieser  Skelettplatte  be- 
merkbar, welche  zur  späteren  Ausbildung  diskreter  Skelettteile  in  Be- 
ziehung stehen.  Die  basale  Partie  der  Platte  ist  in  allen  Fällen 
stielförmig  gestaltet.  Weiter  distal  verhalten  sich  die  Extremitäten- 
anlagen   bei   den   verschiedenen  Wirbeltierklassen    etwas  verschieden. 

Unter  den  Amphibien  zeigen  die  Urodelen  (Triton)  •^)  anschließend 
an  den  Stiel  eine  Zweiteilung  (Fig.  245a);  die  beiden  Spangen  umgreifen 


1)  Mit  diesen  Termini  bezeichne  ich  nach  Huxley  (1876)  das  Skelett  der 
ganzen  freien  Gliedmaße.  Manche  Autoren  beschränken  den  Ausdruck  auf  Teile 
desselben  (Unterarm  und  Hand  oder  Hand  allein). 

2)  Dieselben  sind  von  Häckel  (1895,  p.  93)  angewendet  worden.  Doch  be- 
vorzuge ich  statt  Stelepodium  das  gleichbedeutende,  aber  bereits  früher  (Emery 
1894)  eingeführte  Stylopodium.  Emery  bezeichnet  übrigens  mit  Basipodium  etwas 
ganz  anderes  als  Häckel  (nämlich  dessen  Zeugopodium).  Diese  Bezeichnung,  sowie 
die  übrigen  von  Emery  vorgeschlagenen  Ausdrücke  kann  ich  wegen  der  innigen 
Verknüpfung  derselben  mit  den  theoretischen  Voraussetzungen  dieses  Autors  nicht 
acccptieren.     Die  Nomenklatur  Häckel's  ist  rein  descriptiver  Natur. 

3)  Ich  folge  den  genauen  Beschreibungen  von  Strasser  (1878)  und  C.  Rabl(1901). 


Entw.  d.  Form  d.  Extremitäten  u.  d.  Extremitätenskeletts. 


283 


das  Ende  der  Arteria  iuterossea.  Später  vereinigen  sie  sich  distal  von  dem 
letzteren  und  bilden  so  eine  Masche,  von  deren  distaler  Begren- 
zung zwei  Strahlen  auswachsen.  Während  in  den  basalen  Teilen 
der  Skelettanlage  bereits  Verknorpeluug  eintritt  (bei  H,  Fig.  24ö 
b),     schieben     die     beiden     distalwärts     auswachsenden    \'orknori)el- 


b 

H 


^/- J 


u  - 


-  R 


-   R 


~a 


Fig. 
taeniatus. 


245.    Drei  Stadien  der  Entwickelung  der  vorderen  Extremität  von  Triton 

Nach  Rabl. 


Zeichenerklärung  siehe  Text. 


streifen  a  und  ß  die  Haut  des  Extremitätenstummels  gleichsam  vor 
sich  her.  So  entstehen  die  Höckerchen  der  Fingeranlagen  a  und  b 
(vgl.  p.  236).  Eine  geringe  Verdickung  am  postaxialen  Rand  der 
Gliedmaße  wächst  in  der  Folge  und  zwar  je  nach  der  Species  bald 
etwas  früher,  bald  etwas  später  zum  Strahl  y  aus  (Fig.  245c),  und 
endlich  entsteht  an  der  gleichen  Stelle  ein  vierter  Zacken  (Strahl  o). 
Nur  bei  der  hinteren  Extremität  schließt  sich  in  derselben  Weise 
noch  die  Bildung  eines  Strahles  (s)  an. 

Bei  Amnioten  ^)  bildet  sich  zunächst  wie  bei  Amphibien  ein  Stiel, 
der  sich  distal  verbreitert,  spaltet  und  ein  Gefäß  umschließt,  welches 
bei  der  späteren  Ausgestaltung  die  Skelettplatte  im  Basipodium  per- 
foriert. Während  die  proximalen  Teile  bereits  verknorpeln,  bildet 
sich  nun  aber  bei  Amnioten  distalwärts  eine  breite  Platte  aus,  das 
Basipodium,  kenntlich  an  der  bald  darauf  in  ihm  erfolgenden  Dif- 
ferenzierung der  Carpalia  resp.  Tarsalia.  Es  ist  die  für  alle  Amnioten 
charakteristische  „Paddelform"  des  Skelettes.  Von  der  Platte  wachsen 
meist  gleichzeitig  fünf  Strahlen  divergierend  aus  (Fig.  240).  Sie 
erzeugen  Vorbuchtungen  der  Haut,  welche  äußerlich  sichtl)ar  sind, 
die  Fingeranlagen.  Die  Druckwirkung  der  auswachsenden  Vorknorpel- 
streifen konnte  Hochstetter  1891  an  der  Einengung  peripherer 
Blutsinus  durch  dieselben  abschätzen. 

Auf  den  Synchronismus  der  5  Radienanlagen  bei  Amnioten  wurde 
von    Mehnert  (1897)     besonders    nachdrücklich    hingewiesen.      Er    iand 

1)  Ich  folge  MoLLiER  (1895),  Mehnert  (1897)  u.  a.  (siehe  Text). 


2S4  H.  Braus, 

denselben  selbst  noch  bei  stark  reduzierten  Extremitäten,  wie  denen  des 
afrikanischen  Straußes,  wo  von  den  anfänglich  kompletten  Anlagen  sich 
schließlich  nur  3  (Flügel)  resp.  2  (Fuß)  fertig  ausgestalten.  Auch  bei  Säugern 

mit  reduzierten  Extremitäten  (Katze,  Rind) 
fand     Mehxekt     den     Synchronismus     von     5 

primären  Anlagen  erhalten.  Thilenius  (1896, 
Fem  . 

p.  531)  macht  dagegen  mit  Ausnahmen  be- 
kannt. So  tauchen  beim  Fuß  von  Cavia  co- 
baya  anfänglich  nur  3  Strahlen  synchron  auf. 
Die  beiden  rudimentären  bilden  sich  später. 
Nach  C.  Rabl  (1903*)  gehen  bei  allen  Rep- 
tilien die  in  der  Richtung  der  4.  Zehe  liegen- 
den Elemente  in  der  Entwickelung  allen 
anderen  vora.n. 

Fig.  24(3.  Anlage  des  Basipodium  mit  seinen 
fünf  Radien.  Fuß  eines  Embryo  von  Emys  lutaria. 
Nach  Mehnert. 

Der  Versuch  Mehxert's,  auch  für  Amphibien  eine  Synchronie  der 
Radienentstehung  nach  den  Angaben  der  älteren  Autoren  (Götte, 
Stras8er)  zu  konstruieren,  war  nicht  glücklich.  Die  von  jenen  voll- 
kommen deutlich  geschilderte  Succession  wurde  neuerdings  bestätigt 
durch  die  Beobachtungen  von  Zwick  (1898)  und  C.  Rabl  (1901).  (Vgl. 
den  späteren  Abschnitt  über  Vergleich  der  tetrapoden  und  tetraptery- 
gialen  Formen.) 

Verknor  peliing.  Dieselbe  tritt  in  Form  separater  Cen- 
tren auf,  von  denen  im  allgemeinen  ein  jedes  je  einem  der  späteren 
Skelettteile  der  Extremität  entspricht..  Mit  der  Chondritikation  erlischt 
also  die  volle  Einheitlichkeit  des  Skelettes.  An  ihre  Stelle  tritt  ein 
Mosaik  zahlreicher  knorpeliger  Einzelindividuen,  die  in  verschiedener 
Weise  bei  den  einzelnen  Gliedmaßenformen  auswachsen. 

Gegenüber  Götte  (1877),  welcher  infolge  unvollkommener  Unter- 
suchungsmethoden noch  das  Auswachsen  eines  einheitlichen  Knorpelbaumes 
bei  der  Tritonextremität  beschrieb,  liegt  der  entscheidende  Fortschritt 
der  Arbeit  Strasser's  (1878)  darin,  daß  hier  die  multiple  Centrierung  der 
Chondritikation  bei  Triton  festgestellt  wurde.  Dadurch  wurde  die  gleiche 
bei  höheren  Amnioten  (Homo)  bereits  von  Bruch  (1852)  u.  a.  vertretene 
Beobachtung  als  etwas  auch  den  primitiven  pentadactylen  Extremitäten 
Zukommendes  erwiesen.  Alle  neueren  Arbeiten  haben  dies  hier  und  bei 
höheren   Tetrapoden  bestätigt. 

Nachträglich  kommt  bei  Amphibien  (Strasser  1.  c.)  doch  noch  eine 
knorpelige  Verbindung  der  einzelnen  Elemente  zustande,  so  daß  auf  die 
Diskontinuität  wieder  eine  Kontinuität  der  Anlage  folgt.  Dieselbe  er- 
streckt sich  auch  auf  die  Schulter-  und  Hüftgelenkgegend.  Aus  den 
nachträglichen  Verbindungsstrecken  bilden  sich  dann  die  Gelenke  (s.  u.). 
Bei  Reptilien  entstehen  nachträglich  noch  Knorpelbrücken  zwischen 
allen  Carpalia  und  Tarsalia  (Mehnert  1897),  bei  Säugern  an  diesen 
Lokalitäten  solche  nur  hier  und  da  (Leboucq   1884,  p.  89). 

Der  Verknorpelungsprozeß  erinnert  ganz  an  das  beim  Ichthyopter}-- 
gium  bekannte  diskontinuierliche  Auftreten  der  Knorpelcentren  für  die 
einzelnen  Skelettteile.    Ohne  weitere  Begründung  darauf  phylogenetische 


•  Entw.  d.  Form  cl.  Extremitäten  u.  d.  Extremitätenskeletts.  285 

Schlüsse  zu  bauen  1),    erscheint  mir  unstatthaft  (vergl.   das  beim  Becken 
übe]-  Chondrifikationscentren  Erörterte  p.  271,  Anm.  2). 

Die  Kuorpelcentren  für  die  verschiedensten  Skelettstücke  besitzen 
bei  ihrem  ersten  Auftreten  ungefähr  gleiche  Größe.  Mehnert 
(1897)  hat  dies  z.B.  bei  Emys  sehr  anschaulich  illustriert,  indem  er 
die  jeweilig  jüngste  Anlage  eines  jeden  Knorpelkerns  aus  den  ver- 
schiedenen Stadien  in  einem  Schema  vereinigte  und  dabei  die  topo- 
graphischen Verhältnisse  möglichst  naturgetreu  wiedergab  (Fig.  247). 
Selbst  die  Anlage  des  Humerus  ist  danach 
nur  unwesentlich  größer  als    diejenige    der  ^ 

l)eripheren  Skelettteile  im  Autopodium.   Die  ^  '"  vj 

Differenz  in  der   Länge,    welche   bei  vielen  f"  /7   Ov    p 

Extremitätenknochen   so  sehr  in  die  Augen  „.      /_yry^  '  ,'  '■ 

springt,    kommt  also   erst  nachträglich   zur  c    -i.^oQ*^'  ^ 

Entfaltung.  Zehnter  (1890.  p.  22)  hat  ,„,y'-^  }?'oO<^ %.'  2^/ 
die  letztere  zahlenmäßig   in    der  Entwicke-  '"^     "     0    fV  O 

°ö ÖQ^ 

Fijj;.  24<.     Kombinationsbild  aus  verschiedenen  ö-     n  ^^ 

ytadien    der    Handskelettanlage    von    Emys    Intaria.  " ■()     "0 

Nach  Mehnert.  ^  0 q      c 

lung  eines  Vogels  (Cypselus  alba)  verfolgt.  Seine  Messungen  zeigen, 
daß  der  Humerus  anfangs  relativ  schneller  wächst  als  das  Zeugo- 
podium.  dieses  schneller  als  das  Autoj)odium.  In  der  w^eiteren  Ent- 
wickelung  erfolgt  aber  dann  eine  völlige  Umkehr.  Die  Hand  wächst 
schneller  als  der  Unterarm,  dieser  schneller  als  der  Oberarm  und  hier- 
durch wird  (besonders  noch  nach  dem  Ausschlüpfen)  der  „cypseloide" 
Typus  der  betreffenden  Extremität  hervorgebracht.  Die  Frühstadien  sind 
also  in  hohem  Maß  unabhängig  vom  schließlichen  Endprodukt  und 
nur  als  altes  Erbteil  der  Vertebi'aten  verständlich  -). 

Die  zeitliche  Entstehung  der  Knorpelcentren  ist  im  allgemeinen 
derart,  daß  successive  die  Anlagen  für  das  Stylopodium,  dann  die- 
jenigen des  Zeugopodium  und,  mit  Ueberspringung  des  Basipodium, 
an  dritter  Stelle  die  Elemente  des  Meta-  und  Acropodium  auftauchen. 
Die  basipodialen  Teile  verknorpeln  nachträglich,  zugleich  mit  oder 
nach  denen  des  Acropodium  ^). 

Innerhalb  der  einzelnen  Gliedmaßenabschnitte  kommen  wieder  zeit- 
liche Differenzen  im  Auftreten  der  einzelnen  Knorpelkerne  vor  (besonders 
im  Carpus  und  Tarsus).  Sie  sind  so  vei'schiedenartig,  daß  erst  im  spe- 
ciellen  Kapitel  über  die  Entwickelung  dieser  Elemente  berichtet  werden 
kann  und  der  Bedeutung,  welche  ihr  seitens  mancher  Autoren  beigelegt 
\vird,  Rechnung  getragen  werden  soll.  Es  können  übrigens  so  starke 
zeitliche  Verschiebungen  innerhalb  eines  Abschnittes  vorkommen,  daß  die 
Reihenfolge    der    Hauptabschnitte    dadurch  gestört  wird.      So  fand  z.   B. 


1|  Pfitzner  (1892,  p.  529)  hat  solche  in  dem  Sinne  angeregt,  daß  ein  Mosaik 
getrennter  Ökelettteile  den  Urzustand  der  pentadactylen  Extremität  gebildet  habe. 

2)  Der  ursprüngliche  Zustand  annähernd  gleich  großer  Skelettelemente  findet 
sich  —  als  Rest  früherer  Einrichtungen  oder  Rückschlag  auf  solche  —  l)ei  wasser- 
lebenden Tetrapoden  (fossilen  Ichthyo-  und  Sauropterygiern,  recenten  Cetaceen)  und 
hat  seine  Parallele  im  Ichthyopterygium  (Dipnoer). 

3)  Nur  bei  der  Hand'  von  Emys  lutaria  wurde  angegeben  (Mehnert  1897, 
p.  15),  daß  sich  die  Carpalia  entsprechend  ihrer  Lage  zwischen  die  Chondrifikation 
des  Zeugo-  und  Metapodium  chronologisch  einschalten. 


286  H.  Braus, 

Strasser  bei  Triton  taeniatus  den  Knorpelkern  für  die  UIna  erst  aiif- 
treten,  als  sich  bereits  im  Metapodium  und  in  der  distalen  Carpalreihe 
Chondrifikationen  zeigten. 

Eine  besondere  zeitliche  Bevorzugung  einer  Seite  der  Gliedmaße 
vor  der  anderen  ist  nicht  selten.  Doch  ist  es  bald,  wie  bei  Urodelen. 
bei  der  hinteren  Extremität  von  Emys  (nach  Mehnert)  und  vom  Hühn- 
chen die  präaxiale  Seite,  bald,  wie  bei  Anuren,  dem  Carpus  und  Tar- 
sus von  Reptilien  (C.  E,abl)  und  dem  Carpus  des  Menschen  die  p  o  s  t  a  x  i  - 
a  1  e  Seite.  Häufig  erfolgt  auch  die  Verknorpelung  der  Glieder  einer  Quer- 
reihe ganz  oder  annähernd  synchi'on  (vordere  Extremitäten  von  Emys, 
Säuger  mit  nicht  reduzierten  Extremitäten)  oder  die  mittleren  Strahlen 
verknorpeln  zuerst  (4.  Zehe  bei  Reptilien   C.  Rabl)  i). 

Unbeschadet  aller  Differenzen  im  einzelnen  besteht  das  allgemeine 
Gesetz,  daß  die  proximalen  Knorpel  früher  angelegt  werden  als  die 
distalen.  Beschleunigungen  oder  Verlangsamungen  des  Entstehens 
der  Einzelelemeute  richten  sich  nach  dem  zu  erreichenden  Endstadium 
und  beeinflussen  die  Entwickelung  so  sehr,  daß  für  phylogenetische 
Spekulationen  zeitliche  Momente  nach  dem  Stand  unserer  jetzigen 
Kenntnisse  kaum  Verwendung  finden  können  (vergl.  Abschnitt :  Basi- 
podium  p.  308). 

Gelenke.  Zwischen  den  Hauptabschnitten  der  Gliedmaßen  und 
meist  auch  zv/ischen  den  einzelnen  Bestandteilen  dieser  Abschnitte 
(soweit  dieselben  nicht  durch  Konkrescenz  zu  einem  Element  ver- 
schmelzen, s.  unten)  kommen  in  der  weiteren  Entwickelung  Gelenke 
zur  Ausbildung.  Bei  den  niedersten  Formen,  den  Synarthrosen, 
findet  einfach  eine  Umwandlung  der  Knorpelbrücken  in  Faserknorpel 
statt.  Trotzdem  also  eine  Gelenkhöhle  fehlt,  gestalten  sich  doch  die 
Grenzflächen  des  hyalinen  Knorpels  zu  Gelenkflächen  aus  (Semon 
1899)  -).  Bei  solchen  Formen,  welche  später  eine  Gelenkhöhle  er- 
halten, differenzieren  sich  ebenfalls  die  Gelenkflächen  ontogenetisch 
früher  als  der  Gelenkspalt  (Bernays  1878,  Schulin  1879,  Hult- 
KRANTZ  1897).  Sie  entsprechen  in  ihrer  Form  von  vornherein  den 
Ebenen,  in  welchen  Stäbe  sich  gegeneinander  abschleifen,  wenn  sie 
durch  Kräfte  an  den  Angriffspunkten  der  vorhandenen  Muskeln  und 
in  der  Richtung  des  Zuges  dieser  Muskeln  bewegt  werden  (Experi- 
mente von  R.  Fick).  Die  Thätigkeit  der  Muskeln  kann  in  jenen 
Entwickelungsstadien  keine  direkte,  jedesmal  in  der  Ontogenie  aufs 
neue  durch  Druckwirkung  die  Gelenkflächen  erzeugende  Kraft  sein. 
Denn  eine  solche  Thätigkeit  ist  noch  nicht  in  Funktion.  Es  ist  viel- 
mehr ein  durch  lange  Zeiträume  wirkender  und  durch  Vererbung  über- 
tragener funktioneller  Einfluß  der  Muskeltliätigkeit  anzunehmen. 

Bei  den  höheren  Geleukformen  •^),    welche  überall  bei  Tetrapoden 

1)  Vergl.  Gegenbaur  (1864,  p.  126),  E.  Rosenberg  1876,  Götte  1879,  Stras- 
ser 1879,  Baur  1883,  Leboucq  1884,  .Jordan  1888,  Zehnter  1890,  Mehnert 
1897,  Zwick  1898,  Rabl  1901,  1908*. 

2)  Der  histologische  Unterschied  zwischen  hyalinem  und  faserigem  Knorpel 
repräsentiert  offenbar  genügende  Unterschiede  in  der  Festigkeit,  um  eine  Adaptation 
der  widerstandsfähigeren  hyalinknorpeligen  Skelettteile  zu  ermöglichen.  Durch  die 
faserige  Struktur  wird  vermehrte  Geschwindigkeit  in  den  Bewegungen  erzielt. 

3)  Bei  manchen  Synarthrosen  (namentlich  des  Carpus  und  Tarsus  der  Urodelen) 
tritt  nachträglich  in  dem  Gelenkknorpel  ein  Spalt  auf,  welcher  den  Charakter  einer 
Gelenkhöhle  annimmt,  aber  von  der  echten  Diarthrose  (s.  o.)  dadurch  unterschieden 
ist,  daß  er  nach  außen  nicht  durch  eine  Gelenkkapsel,  sondern  durch  einen  breiten, 
stehenbleibenden    Knorpelring    abgeschlossen    ist.     Der   Knorpelring   zusammen    mit 


Entw.  d.  Torm  d.  Extremitäten  u.  d.  Extremitätenskeletts.  287 

(außer  im  Autopodium  der  Urodelenj  eutwickelt  sind,  entsteht  ent- 
weder durch  AuHösung  der  Knorpelbrücken,  soweit  solche  vorhanden 
sind,  oder  aus  dem  dichten  Mesenchym  der  Skelettanlage,  welches 
zwischen  den  Knorpelcentren  übrig  bleibt,  eine  weite  Gelenkhöhle. 
Diese  ist  nur  von  dem  Perichondrium,  der  späteren  Gelenkkapsel, 
nach  außen  abgeschlossen.  Diese  Form  der  Gelenke  wird  als  Diar- 
throse  bezeichnet.  Nach  Retterer  (1902)  entwickelt  sich  bei  Säuge- 
tieren eine  Art  schleimigen  Bindegewebes  (ähnlich  dem  Gewebe  in 
den  perilymphatischen  Eäumen  des  sich  entwickelnden  Ohres),  welches 
sich  später  autlöst  und  die  Synovia  bildet^),  (lieber  die  mannigfachen 
Specialisierungen  der  Gelenke,  welche  manchmal  schon  früh  in  der 
Entwickelung  einsetzen,   vergi.  Henke  u.  Reyher  1875). 

Ossifikation.  Die  Yerknöcherungen  treten  stets  nur  als  Er- 
satzknochen auf.     Deckknocheubildungen  kommen  nirgends  in  Frage. 

Die  Ossifikation  der  Skelettteile  bleibt  [außer  im  Basipodium  ge- 
wisser Urodelen  -)]  nur  selten  und  zwar  nur  bei  rudimentären  Ele- 
menten aus.  Bei  den  niederen  Formen  des  Chiridium  ist  die  Ver- 
knöcherung wesentlich  perichondraler  Natur.  Der  Kuorpelkern  bleibt 
auch  im  fertigen  Zustand  in  den  Röhrenknochen  erhalten  (Amphibien). 
In  den  kurzen  Elementen  (Carpalia,  Tarsalia)  tritt  am  ehesten  bei 
Beginn  der  Verknöcherung  eine  enchondrale  Ossifikation  hinzu.  Die 
perichondrale  Verknöcherung  bleibt  bei  Vögeln  stets  und  meist  auch 
bei  Säugetieren  der  Prozeß,  welcher  die  Ossifikation  einleitet;  der 
enchondrale  Typus  setzt  erst  etwas  später  ein. 

Die  Knochenbildung  folgt  im  allgemeinen  dem  Etappengang, 
welchen  die  Chondrifikation  eingeschlagen  hat.  Das  Stylopodium  ossi- 
fiziert also  zuerst,  dann  das  Zeugo-,  schließlich  das  Autopodium.  Doch 
werden  in  letzterem  die  Elemente  des  Basipodium  (Carpalia  und  Tar- 
salia), wie  auch  bei  der  Verknorpelung,  zunächst  überschlagen,  um 
zuletzt  an  die  Reihe  zu  kommen. 

Bei  den  niederen  Tetrapoden  l)ildet  sich  für  jeden  Knochen  ein 
einziger  Ossifikationspunkt.  Auch  bei  den  höheren  Formen  ist  i  m 
Anfang  der  Ossifikation  nur  ein  solcher  vorhanden.  Wenn  jedoch 
Konkrescenzen  von  Knorpelcentren  zu  einer  Einheit  eingetreten  sind, 
können  2  oder  mehr  Knochenkerne  zugleich  auftreten.  Diese  repe- 
tieren dann  die  ursprüngliche  Polymerie.  Ganz  anderer  Art  sind 
sekundäre  Knochenkerne,  welche  namentlich  bei  den  langen  Knochen 
(im  Stylo-,  Zeugo-,  Meta-  und  Acropodium)  auftauchen  und  dem  pri- 
mären Knochenkern  in  der  Diaphyse  gleichsam  einen  Teil  seines  Os- 
sifikationsgebietes  abnehmen.  Sie  entstehen  zeitlich  später  als 
der  primäre  Diaphysenkern. 

dem  Perichondrium  bildet  eine  synarthrosenartige  Verbindungsscheibe  der  beiden 
Skelettteile.  Semon  (18!)9)  nennt  solche  Uebergangsgelenke  Per  iar  thros  en.  In 
der  Entwickelung  der  Diarthrosen  bei  höheren  Vertebraten  kommt  ein  derartiges 
Zwischenstadium  nicht  zur  Ausbildung,  es  wird  übersprungen.  —  Nach  Semon  1.  c. 
ist  bei  Amphibien  am  Aufbau  der  Gelenkkapsel  auch  eine  schmale  periphere  Schicht 
von  Knorpel  beteiligt,  welche  sich  nachträglich  in  Bindegewebe  umwandelt.  Da- 
nach wäre  also  die  Diarthrose  nur  eine  P'orm  der  Periarthrose,  bei  welcher  der  syn- 
arthrotische  Knorpelring  von  vornherein  extrem  dünn  ist,  nicht  mehr  funktioniert  und 
nachträglich  histologisch  umgeformt  wird. 

1)  Die  Bindegewebszellen  in  den  Gelenkhöhlen  differenzieren  sich,  wie  allgemein 
angegeben  wird,  zu  platten  Epithelien,  welche  die  Wand  der  Höhle  austapezieren; 
doch  soll  nach  manchen  Autoren  ein  solcher  Belag  fehlen  (Hüter  1866,  1870,  Hagen- 
ToRX  1882,  Hammar  1894). 

2)  Im  Basipodium  aller  Perennibranchiaten,  von  Geotriton. 


288  H.  Braus, 

Nach  einer  ansprechenden  H3'pothese  Mehxert's  (1897,  p.  114)  ent- 
stehen die  Ossifikationspunkte  als  Stemmwirkung  gegen  den  Zug  der 
Muskeln  und  treten  infolge  der  frühen  Beanspruchung  der  langen  Knochen 
an  den  Enden  besonders  an  diesen  auf.  Da  die  Länge  der  Skelettteile 
etwas  sekundäres  ist  (p.  285),  tritt  in  dieser  Betrachtung  die  vicariierende 
Natur  der  Epiphysenkerne  für  den  Diai^hysenkern  (der  nicht  schnell  ge- 
nug bis  zu  den  Enden  des  Skelettteiles  vorwachsen  kann)  zu  Tage^). 

Auch  Reduktionen  der  Epiph3'senkerne  kommen  vor  (besonders  im 
Autopodium),  indem  statt  an  beiden  Enden  eines  Röhrenknochens,  nur 
an  einem  Ende  sich  ein  solcher  findet.  An  alle  diese  Ossilikations- 
verhältnisse  knüpfen  sich  mannigfache  Detailfragen  und  -probleme  für 
die  Greschichte  der  einzelnen  Skelettteile,  welche  zum  Teil  bei  diesen  Be- 
sprechung finden  werden. 

Reduktionen.  Bei  allmählichem  Verlust  der  freien  Glied- 
maßen verlaufen  die  Rückbildungen  am  Skelett  meist  so  ab,  daß  von 
der  distalen  Spitze  nach  dem  Zonoskelett  zu  ein  Abschnitt  nach  dem 
anderen  verschwindet,  bis  schließlich  auch  der  Extremitätengürtel  selbst 
in  Fortfall  kommt.  In  der  Ontogenie  können  noch  Anlagen  von  Skelett- 
teilen auftreten,  die  weiter  distal  liegen  als  diejenigen,  welche  im 
endgültigen  Zustand  erhalten  bleiben.  In  den  speciellen  Kapiteln 
soll  im  einzelnen  darüber  berichtet  werden. 

Bei  Mißbildungen  kaun  außer  totalen  äußerlichen  Defekten 
(Ektromelie),  welche  vielfach  an  die  normalen  Reduktionen  erinnern  (Er- 
haltung von  Rudimenten  proximaler  Skelettteile)  auch  eine  Verkleinerung 
in  toto  eintreten.  Es  ist  dies  z.  B.  in  Fällen  von  Hemimelie 
der  Fall,  in  welchen  einem  kurzen  Stumpf  Fingerrudimente  aufsitzen; 
ferner  bei  der  Phocomelie  welche  ein  unmittelbar  dem  Rumpf  auf- 
sitzendendes Autopodium  zeigt  u.  dergl.  Inwieweit  dabei  in  der  Ent- 
wickelung  eine  Verkürzung  proximaler  Abschnitte  oder  ein  Ausfall  von 
solchen  stattfindet,   ist  nicht  hinreichend  bekannt. 

Regeneration.  Manche  Gliedmaßen  (besonders  bei  Amphibien) 
sind  im  hohen  Maße  einer  solchen  fähig.  (Spallanzani  A.  L.  I, 
GÖTTE  1879,  Fraisse  1883,  Barfurth  1894,  Tornier  1896,  1897, 
Semon  1899,  G.  WoLFF  1902).  Sie  verläuft  in  vielen  wesentlichen 
Punkten  nach  dem  Typus  der  normalen  Eutwickelung  (vgl.  Kap.  III  ^ 
p.  63). 

ß.  S  p  e  c  i  e  1 1  e  E  n  t  w  i  c  k  e  1  u  n  g  der  S  k  e  l  e  1 1  e  l  e  m  e  n  t  e 

des  Chiridiu  m. 

Stylopodium.  Humerus  und  Femur  entwickeln  sich  überall 
bei  den  Tetrapoden  in  gleicher,  einander  ganz  ähnlicher  Weise.  Aus- 
nahmslos wurden  sie  als  die  ersten  in  der  Gliedmaße  auftretenden 
Skelettstücke  (Fig.  245b)  gefunden.  Alle  Verschiedenartigkeiten  sind 
späte  Specialisierungen  (Krümmungen ,  Verlängerungen  oder  Ver- 
kürzungen, Verbreiterungen,  Abplattungen,  Cristae,  Apophysen  etc.), 
die  im  einzelnen  in  der  Litteratur  der  fertigen  Formen  behandelt 
werden. 


1)  Außer  den  Epiphysenkernen  können  noch  separate  Ossifikationspunkte  iu 
besonderen  Fortsatzbildungen  der  Skelettteile  hinzukommen.  Handelt  es  sich  um 
Muskelapophyscn,  so  ist  die  Beziehung  zur  Muskelwirkung  besonders  deutlich. 

Nach  Pfitzner  (1892)  bilden  sich  im  Alter  beim  Menschen  manchmal  noch 
besondere  Knochenschalen  dicht  unter  dem  hyalinen  Knorpelbelag  der  Gelenkfläche. 


Entw.  d.  Form  d.  Extremitäten  u.   d.   Extremitätenskeletts.  2^9 

Ueber  die  Torsion sfiage  vgl.  p.  250.  Eine  kurze  Besprechung  er- 
fordert die  Genese  der  Kanäle  im  Humerus  ^).  Häufig  bilden  sich 
solche  schon  im  Vorknorpelstadium,  indem  von  vornherein  ein  Gefäß  im 
skeletogenen  Gewebe  eingebettet  liegt  [z.  B.  Mollier  1895 :  Humerus 
von  Lacerta  2] ;  frühe  Anlage  auch  bei  Sphenodon  nach  Howes  und 
Savixxerton  1901].  M.  Eürbrixger  (1886,  p.  486)  giebt  an,  daß  bei  Säuge- 
tierembryonen eine  radiale  Incisur  mit  wenig  hervorragenden  Bändern 
am  Humerus  zu  beobachten  sei ;  die  Bänder  werden  später  höher  und 
schließen  dann  sekundär  den  zwischen  ihnen  eingebetteten  Nerven   ein  ^). 

Mit  G.  Buge  (1884),  Eürbrixoer  (1901),  Eimer  (1901)  u.  a.  halte 
ich  deshalb  diese  Kanäle,  welche  übrigens  auch  bei  Amphibien  in 
der  Entwickelung  fehlen,  für  Späterwerbungen  des  Stylopodium,  die  mit 
der  starken  Verbreiterung  des  distalen  Humerasendes  und  der  besonderen 
Entwickelung  der  Beugemuskulatur  bei  grabender  Lebensweise  (um 
welche  es  sich  in  diesen  Fällen  handelt),  zusammenhängt.  Infolge  der 
frühen  Differenzierung  der  Nerven  können  die  Umschließungen,  wie  bei 
den  Kanälen  des  Zonoskelettes,  in  der  Ontogenese  gleich  beim  Auf- 
tauchen des  skeletogenen  Gewebes  vorhanden  sein ,  anstatt  daß  sie 
successive  entstehen.  Jedenfalls  kann  ich  weitgehende  Schlüsse,  wie  sie 
WiEDERSHEiM  (1892)  und  ihm  folgend  Osawa  (1898)  an  die  Kanäle  ge- 
knüpft haben,  indem  sie  dieselben  als  Zeugen  einer  ehemaligen  K  o  n  - 
krescenz  des  Humerus  aus  mehreren  getrennten  Strahlen  hinstellten, 
nicht  für  gerechtfertigt  halten.  Im  Gegenteil  haben  alle  neueren  Unter- 
suchungen Froriep's  Angabe  (1888)  bestätigt,  daß  von  einer  ehemaligen 
metameren  Lä,ngsgliederung  am  Cheiropterygium,  speciell  auch  am  Stiel 
desselben,  nichts  nachzuweisen  sei. 

Die  Angabe  Strasser's  (1879,  p.  279),  daß  die  Frühanlage  des  Humerus 
bei  Triton  distalwärts  zwischen  Badius  und  Ulna  weit  hineinrage  und 
sich  erst  nachträglich  zurückziehe,  hat  bei  Babl  (1901)  keine  Bestätigung- 
erfahren. 

Bei  Bediiktionen  der  Extremität  legt  sich  manchmal  (Angiiis  fra- 
gilis,  Born  1883,  I*',  p.  174)  die  freie  Gliedmaße  noch  als  Stumniel- 
chen  an,  das  sich  bald  zurückbildet.  Bei  anderen  Reptilien  (Pseu- 
dopus  Pallasii)  erhält  sich  von  einer  solchen  Oberarmanlage  ein  kleines 
Knorpelchen,  welches  als  freies  Kügelchen  in  der  Pfanne  des  Schulter- 
gelenkes liegt.  FÜRBRiNGER  (1870)  bezeichnet  dasselbe  als  Rest 
eines  Humerus. 

Müller  (1900)  bestreitet  die  knorpelige  Beschaffenheit  dieses 
Elementes.  —  Ueber  Ossifikationscentren  siehe  Lehrbücher  der  Ent- 
wickelung   des  Menschen. 


1)  Dieselben  finden  sich  bei  Eeptilien  und  Säugern  im  distalen  Ende  des 
Humerus.  Sie  schheßen  Nerven  mit  Gefäßen  ein.  Es  giebt  einen  Canahs  nervi 
radiahs  s.  ectepicondyloideus  und  einen  Canalis  nervi  mediani  s.  entepicondyloideiis. 
Bei  Sphenodon  finden  sich  beide  gleichzeitig  (Bayer  1884,  Dollo  1881,  Für- 
bringer  188(j,  Batjr  1887,  Credner  u.  a.).  Bei  anderen  Reptilien  und  bei  Säugern 
kommt  in  der  Regel  nur  ein  Kanal,  bei  letzteren  speciell  der  Medianuskanal  (als 
Varietät  auch  bei  Homo)  vor. 

2)  Mollier  (1895,  p.  504)  bezeichnet  das  Gefäß  als  A.  brachialis.  Bei  aus- 
gewachsenen Lacertiliern  kommt  nur  ein  Canalis  nervi  radialis  vor.  Es  fragt  sich 
also,  ob  hier  vorübergehend  in  der  Ontogenese  ein  Canalis  n.  mediani  besteht  ? 

3)  Die  Angaben  (Sutton,  Dollo),  daß  der  Canalis  entepicondyloideus  bei 
Mammaliern  in  der  Epiphysenlinie  entstehe,  sind  bereits  von  Baur  (1887,  p.  305) 
als  irrtümlich  zurückgewiesen  worden. 

Handbuch  der  Entwickelungslehre.  III.  2.  19 


290  H.  Braus, 

Zeugopodium.  In  diesem  Abschnitt  differenzieren  sich  zwei 
Skelettelemente  ungefähr  gleichzeitig:  Ulna  und  Radius  im  Unterarm, 
Fibula  und  Tibia  im  Unterschenkel.  Ihrer  Orientierung  nach  bei  der 
ersten  Entstehung  sind  Ulna  und  Fibula  Homodyname  und  ebenso 
Radius  und  Tibia.  Beide  Elemente  stoßen  an  das  distale  Ende  des 
Stylopodium  an.  Die  Grenze  gegen  letzteres  ist  immer  scharf  (Ellen- 
bogen- oder  Kniegelenk:  über  die  Patella  s.  u.).  Nicht  so  einfach 
ist  die  Abgrenzung  gegen  das  Autopodium.  Am  distalen  Ende  ist 
nämlich  das  Intermedium  manchmal  von  vornherein  in  das  Zeugo- 
podium eingeschaltet,  manchmal  ganz  im  Autopodium  gelegen.  Es 
entsteht  daraus  das  Problem,  zu  welchem  Abschnitt  das  Intermedium 
phylogenetisch  zu  rechnen  sei  (s.  u.).  Auch  Konkrescenzen  von  ein- 
zelnen Carpalia  oder  Tarsalia  mit  Elementen  des  Zeugopodium  kommen 
gelegentlich  vor  (s.  nächsten  Abschnitt)  und  beteiligen  sich  an  der 
A^erwischung  der  distalen  Grenze. 

Von  den  beiden  Hauptelementen  des  Zeugopodium  kann  nach- 
träglich eines  in  der  Entwickelung  zurückbleil)en  ^).  Doch  ist  in 
Fällen,  wo  im  fertigen  Zustand  die  Fibula  oder  Ulna  inkomplett  erhalten 
sind,  ontogenetisch  manchmal  noch  eine  komplette,  dem  Nachbar- 
kuocheu  ähnliche  Anlage  zu  beobachten  -). 

Bei  Sängern  ist  manchmal  in  der  Entwickelung  des  an  Größenentfal- 
tung später  zurückbleibenden  Elementes  von  vornherein  eine  gelinge  Ver- 
spätung der  Chondrifikation  und  Ossifikation  beobachtet  worden.  Auch 
können  die  histiogenetischen  Prozesse  anfänglich  inkomplett  lokalisiert 
sein  und  erst  nachträgiich  den  richtigen  Umfang  gewinnen  (Mehxekt 
1897).  Es  sind  dies  Retardationen,  welche  als  sekundäre  Folgeer- 
scheinungen durch  die  endliche  Formverschiedenheit  der  zeugopodialen 
Elemente  bedingt  sind.  —  Die  Membrana  interossea  zwischen  den  Unter- 
arm- bezw.  Unterschenkelknochen  wird  meistens  für  einen  Abkömmling 
des  skeletogenen  Blastems  gehalten,  welches  ursprünglich  mit  diesen 
Anlagen  eine  Einheit  bildet.  Doch  geben  Gallois  und  Cade  1903  für 
menschliche  Embryonen  (Ende  des  3.  Monates)  an,  daß  dieselbe  viel 
später  als  Neubildung  nach  Art  von  Muskelfascien  entstehe  (v.  Baude- 
LBBEN    1881). 

Eine  besondere  Besprechung  erfordert  das  I  n  t  e  r  m  e  d  i  u  m 
wegen  des  mit  ihm  verknüpften  Problems  (s.  o.)  und  der  Mannig- 
faltigkeit der  Einzelbefunde,  welche  bei  ihm  erhoben  wurden.  Um 
ein  Urteil  darüber  zu  gewinnen,  ob  das  Intermedium  ursprünglich 
im  Zeugopodium  entstand  und  ins  Autopodium  verlagert  wurde,  oder 
ob   der  umgekehrte  Prozeß  stattfand,   bedarf  es   zunächst  einer   Zu- 


1)  Besonders  die  Fibula  und  zwar  bei  Tieren  mit  aufrechtem  Gang  (Vögel, 
Homo).  Auch  manchmal  die  Uhia,  wenn  sie  am  Handgelenk  nicht  mehr  direkt 
beteiligt  ist. 

2)  Bei  Vögeln  ist  dies  ontogenetisch  selten  (Baur  1885,  Shufeldt  1894),  von 
manchen  Autoren  sogar  gänzlich  geleugnet  (Gadow  189:3);  bei  Säugern  ist  es  für 
Schaf  und  Pferd  von  C.  Bruch  (LSfö),  A.  Rosenberg  (1872),  für  Chiropteren 
von  Leche  (1879),  für  Homo  von  Mehnert  (1897),  Hagen  (1900),  Lewis  (1902) 
angegeben  worden.  Dasselbe  kommt  bei  der  vorderen  Extremität  an  der  Ulna  gelegent- 
lich vor  (bei  Fledermäusen  Gervais  1853,  Leche  1879,  Leboucq  1884;  beim 
Pferd  A.  Rosenberg  1872).  —  Bei  Anuren  sind  Ulna  und  Radius  als  Knorpel- 
anlagen  noch  getrennt.  Bei  der  Ossifikation  verschmelzen  sie  zu  einem  Knochenstab, 
der  nur  noch  eine  Winkelbewegung  im  Ellonbogengelenk  ausführen  kann.  Aehnliches 
kommt  bei  Vögeln  zwischen  Tibia  und  Fibula  sehr  häufig,  aber  nicht  regelmäßig  vor. 
Auch  bei  Talpa  ontogenetisch  getrennte  Anlagen  letzterer. 


/ 


Entw.  cl.  Porm  d.  Extremitäten   u.  d.  Extremitätenskeletts.  2U1 


saininenstellung 


der  Lagen,   in    welchen   das   betreffende  Element 


in 


der  Genese  der  verschiedenen  Tierformen  angetroffen  wird.  Seinen 
Namen  erhielt  es  dnrch  Gegenbaur  (1S64)  deswegen,  weil  es  manch- 
mal bei  ausgebildeten  niederen  Formen  ganz  oder  partiell  zwischen 
Ulna  und  Radius  resp.  Tibia  und  Fibula  liegt. 

Bei  Urodelen  ist  besonders  wichtig  die  Entwickelung  von  Iso- 
dactylium  (s.  Salamandrella).  Nach  Shitkov  (1899)  entsteht  hier 
das  Intermedium  als  selbständiger  Knorpel  völlig  zwischen  den 
Anlagen    der   Ulna   und    des   Radius  (Fig.  248a,  b)  und  zwar 


H 


-'  R 


-R 


d- 


mc  C' 


H 


u  — 


CI+II 


CII 


mc  D 


mcÄ 


mc  C         I         ' 
mc  B    mc  A 


Fig.  248.  Entwickelung  der  vorderen  Extremität  von  Isodactylium.  a  und 
b  Larven,  c  ausgewachsenes  Exemplar.  H  Humerus.  R  Radius.  U  Ulna.  i  Inter- 
medium. u  Ulnare,  r  Radiale.  C'y  Centrale  I.  Cn  Centrale  II.  mc  A—D  Metacar- 
palia.     a — 8  Fingeranlagen.     Nach  Shitkov. 


ungefähr 


Es 


gleichzeitig  mit  letzteren  (1.  c.  p.  254).  Dasselbe 
ist  im  Zeugopodium  der  hinteren  Extremität  der  Fall.  Eine  direkte 
Berührung   mit   dem    Stylopodium   besteht   seitens    des   Intermedium 

füllen    vielmehr  Mesodermzellen    der  primären 

den   Zwischenraum   zwischen   Stylopodium   und 

späteren  Stadien  rückt  das  Intermedium,  indem 

resp.  Fibula  (Fig.  249)  anschließt,   immer  mehr 

des    Zeugopodium   heraus.      Bei   der   vorderen 

schließlich  fast  völlig  distal  von  der  Verbindungs- 

Ulna-Radiusenden,    während    es    doch    anfänglich 


Anlage 


nicht   (s.  Figur) 
skeletogeneu 
Intermedium  aus.     In 
es  sich  eng  der  Ulna 
aus   dem   Territorium 
Extremität  liegt  es 
linie    der    apicalen 

völlig  proximal  von  dieser  Linie  lag  (punktierte  Linie  *  *  in  Fig.  248b 
und  c):  so  verschiebt  sich  die  Anlage  aus  dem  Zeugo-  ins  Auto- 
podium. Bei  der  hinteren  Extremität  bleibt  zeitlebens  ein  mittleres 
Stadium  dieses  Vorganges  bestehen ,  indem  dort  auch  beim  aus- 
gebildeten Tier  das  proximale  Ende  des  Intermedium  noch  zwischen 
Tibia  und  Fibula  gefunden  wird  (entsprechend  dem  Embryonalstadium. 
Fig.  249). 

Schon  Gegenbaur  (1864)  fand  bei  Salamandralarven,   daß  das  Inter- 
medium in  frühen  Stadien  zur  Hälfte    zwischen  Ulna  und  Radius 


sowie 


19=^ 


292 


H.  Braus, 


der 


podium 


.{■■■• 


Tibia    und    Fibula)    hineinrage ,    daß    aber    beim    ausgebildeten    Tier 
außerhalb  des  Basipodium  liegende  Abschnitt  zurückgebildet  sei. 

Bei  Tritonen  ^j  legt  sich  das  Skelettstück  von  vornherein  im  Basi- 
an  (oft  von  vornherein  mit  proximalen  Carpalia  oder  Tarsalia 
verschmolzen)  und  verändert  seine  Lage  dann 
nicht  mehr.  Auch  hier  besteht  eine  innige  An- 
lagerung an  die  Ulna  (besonders  deutlich  bei 
der  regenerierten  vorderen  Extremität).  Auch 
die  zeitliche  Entwickelung  koincidiert  hier  mit 
den  Elementen  des  Basipodium. 

Bei  Anuren  ist  wegen  der  Konkressenz 
zwischen  Radius  und  Ulna  höchstwahrscheinlich 
kein  Intermedium  vorhanden  (Geuenüal'r  1864). 
Doch  glaubt  Emekv  (1894)  bei  Pelobateslarven 
ein  separates  Centrum  für  dasselbe  entdeckt  zu 


Fib 


^ 


Flg. 


249.  Hintere  Extremität  eines  Embryos  von 
Isodactylium  (30  mm  Länge).  Bezeichn.  wie  in  Fig.  248. 
Nach  Shitkov. 


haben.  Trotz  der  hier  bestehenden  Meinungsverschiedenheiten  2)  stimmen 
doch  alle  Untersucher  darin  überein,  daß  auch  ontogenetisch  im  Zeugo- 
podium    keine  Intermedium  anläge    vorkommt. 

Unter  den  Reptilien  besitzen  die  Schildkrötenembryonen  (Emys, 
Mehnert  LS97)  ein  Intermedium,  welches  in  der  frühesten  Anlage, 
ähnlich  wie  das  von  Salamandra,  zwischen  Ulna  und  Radius  liegt, 
hier  aber  zeitlebens  verharrt  (Gegenbaur  LS64).  Zeitlich  entwickelt 
es  sich  vor  den  Elementen  des  Basipodium.  Auch  bei  Sphenodon- 
embryonen  fand  Schauinsland  (1900,  1903)  ein  dem  Zeugopodium 
mit  einem  kleinen  Abschnitt  eingelagertes  Intermedium  bei  beiden 
Gliedmaßen  ^). 

Bei  Lacertaembryonen  beschreiben  Born  (1877)  und  Baur  (1885)  ein 
zwischen  den  distalen  Enden  von  Radius  und  Ulna  liegendes  Knorpel- 
centrum, welches  sich  auch  beim  erwachsenen  Tier  erhält  und  sogar  ver- 
knöchern kann^). 


1)  Litteratur  bei  Gütte  (1879),  Strasser  (1879),  Zwick  (1898),  Semon  (1899). 
Eabl  (1901). 

2)  Gegenbaur  (1864)  dachte  an  eine  Konnascenz  des  Intermedium  mit  dem 
Ulnare.  Doch  ist  dagegen  einzuwenden,  daß  das  Loch  der  Arteria  carpi  perforans, 
welches  stets  zwischen  jenen  beiden  Centren  gefunden  wird,  sich  zwischen  den  beiden 
proximalen  Elementen  des  Basipodium  anlegt  (Born  1890).  Es  kann  also  in  dem 
ulnar  von  dem  Gefäßloch  liegenden  proximalen  Element  außer  dem  Ulnare  kein 
radial  von  dem  Gefäßloch  zu  suchender  Skelettteil  stecken.  Dagegen  sind  von 
Emery  (1894)  bei  Pelobateslarven  an  Stelle  des  Radiale  Gegenbaur's  zwei  Knorpel- 
ceutren  gefunden  worden,  welche  später  miteinander  (und  mit  noch  einem  3.  Bestand- 
teil, einem  Centrale  nach  Emery)  verschmelzen.  Von  diesen  deutet  Emery  das  neben 
der  Arteria  perforans  liegende  Stück  als  Intermedium,  das  andere  als  Radiale.  Doch 
leugnet  Perrin  (1896)  diese  Konkrescenz  und  deutet  das  Radiale  als  Intermedium. 
Zwick  (1898)  konnte  das  Intermedium  Emery's  bei  Ranalarven  nicht  finden. 

3)  Gewisse  fossile  Reptilien,  welche  im  Wasser  lebten  (Baptanodon,  Ichthyosaurus ) 
hatten  ein  Intermedium,  das  völlig  zwischen  den  beiden  kanonischen  Bestandteilen 
des  Zeugopodium  innerhalb  dessen  Bezirk  lag.  Es  stößt  hier  proximal  sogar  an 
das  Stylopodium. 

4)  Bei  erwachsenen  Sauriern  auch  von  Kehrer  (1886)  beschrieben.  Gegenbaur 
(1864,  1898)  vermißte  bei  Lacertaembryonen  eine  dem  Intermedium  entsprechende 
Anlage,  ebenso  Baur  (1885)  bei  Krokodilen. 


Entw.   d.  Form  d.  Extremitäten  u.   d.  Extremitätenskeletts.        293 

Bei  Vögein  konnten  die  meisten  Autoren  i)  ein  isoliert  entstehendes 
Intermedium  nicht  finden.  Umso  zahlreicher  sind  die  Hypothesen  darüber, 
in  welchem  Element  des  Basipodium  ein  Intermedinm  konnascent  enthalten 
sei.  Sicher  steht,  daß  sich  im  Zeugopodium  selbst  kein  Intermedium 
anlegt,  und  daß  auch  keine  zeitliche  Koincidenz  irgend  einer  Anlage  mit 
denjenigen  von  Ulna  und  Radius  (bezw.  Tib.  und  Eib.)  bisher  beobachtet 
wurde. 

Die  meisten  Säiigetierembrj'onen  besitzen  ein  isoliertes  Inter- 
medium in  der  vorderen  Extremität.  Es  liegt  im  proximalen  Teil 
des  Carpus  sowohl  bei  der  ersten  Anlage  wie  auch  später  und  ver- 
schmilzt bei  manchen  Säugern  mit  dem  Radiale ;  bei  anderen  behält 
es  seine  separate  Natur  (auch  bei  Homo :  Os  lunatum).  Der  Zeit 
nach  entsteht  es  später  als  die  übrigen  Carpalia  (Leboucq  1S84, 
1886)  und  also  sicher  erst  weit  nach  dem  Auftauchen  des  Zeugopodium  '^). 
Es  ist  mit  der  Anlage  der  Ulna  durch  eine  Bindegewebsbrücke  ver- 
bunden. 

Bei  der  hinteren  Extremität  der  Säugetiere  halten  'die  meisten 
Autoren  ^)  das  Intermedium  für  konnascent  mit  einem  Tarsale  proximale 
(mit  dem  Tibiale  im  Astragalus  enthalten,  nach  Ctegenbavr  1864  u.  v.  a). 
Bei  Marsupialiern  wird  jedoch  von  Baur  (1886)  ein  ihm  entsprechendes 
separates  Knorpelcentrum  angegeben. 

Ueberblickt  man  die  mannigfaltigen  Befunde  der  Embryonalanlage 
des  Intermedium,  so  ist  für  isoliert  auftretende,  unzweideutig  ihm 
entsprechende  Centren  ein  mehr  oder  minder  tiefes  Hineinragen  in 
das  Zeugopodium  und  Synchronismus  mit  den  kanonischen  Bestand- 
teilen desselben  bei  beiden  Extremitätenpaaren  charakteristisch  (ge- 
wisse Urodelen,  Schildkröten,  Rhynchocephalier).  Nur  bei  den  hoch- 
stehenden Mammalia  kommt  eine  isolierte  Intermediumanlage  vor, 
von  welcher  bis  jetzt  ein  Hineinragen  ins  Zeugopodium  in  keinem 
Fall  beobachtet  wurde  und  welche  auch  zeitlich  mit  den  Elementen 
des  Autopodium  zusammen  auftritt.  Dagegen  ist  bei  den  niederen 
Formen  während  der  Ontogenese  eine  Verschiebung  des  Inter- 
medium aus  dem  Zeugo-  in's  Autopodium  nachzuweisen,  welche  bei 
Isodactylium   nach  Shitkov's  Darstellung   sogar   eine    komplette   ist. 


1)  GrECiENBAUR  uiid  A..  ßosENBERG  Vermuten  das  Intermedium  im  Ulnare. 
Studer  (A.  L.  IIU')  im  Centrale,  W.  K.  Parker  (1888)  im  Radiale.  Dagegen  fand 
Zehnter  (A.  L.  III'',  1890)  ein  isoliertes  Knorpelcentrum  (bei  Embryonen  vou 
Cypselus  im  proximalen  Teil  des  Basipodium),  welches  er  als  Intermedium  bezeichnet. 
Es  verschmilzt  später  mit  dem  Ulnare.  Aehnliches  sah  Morse  (1880)  bei  Wasser- 
vögelembryonen. Nassonov  (1896)  und  Mehnert  (1897)  beschreiben  beim  Strauß 
als  Intermedium  ein  Knorpelcentrum,  das  partiell  zwischen  Radius  und  Ulna  auftritt. 
Der  erstere  giebt  an,  daß  es  ungefähr  gleichzeitig  mit  den  Carpalia  entstehe  und 
sich  später  mit  dem  Radiale  vereinigt.  Nach  Mehnert  taucht  es  viel  später  als  die 
Carpalia  auf,  ossifiziert   nicht  selbständig  und  fehlt  manchmal  völlig. 

2)  Bei  ausgewachsenen  Delphinen  ragt  das  Intermedium  in  das  Zeugopodium 
hinein  (Gegexbaur  1864,  p.  44). 

3)  Namentlich  v.  Bardelebex  hat  ein  bei  Flacentaliern  schon  früher  bekanntes 
Ökelettstück  (Trigonum  tarsi,  als  Varietät  auch  bei  Homo),  welches  isoliert  auftritt 
und  dem  Talus  anliegt,  für  ein  Intermedium  erklärt.  Doch  ist  diese  Deutung 
unsicher.  Denn  die  Behauptung  v.  Bardeleben's  (1883),  daß  bei  Homo  der  Astra- 
galus aus  zwei  isoUerten  Knorpelcentren  entstehe  (eines  gleich  Intermedium,  das 
andere  gleich  Tibiale),  wurde  nicht  bestätigt  (Baur  1880,  p.  477,  auch  nicht  bei  anderen 
Placentaliern).  Hasselwander(1903)  leugnet  gleichfalls  (auf  Grund  der  Ossifikation), 
daß  bei  Homo  der  Talus  aus  zwei  getrennten  Elementen  entstehe.  Der  Knochenkern 
deb  Trigonum  entsteht  separat  erst  im  9.  Lebensjahr  (vergl.  auch  Gruber  1864). 


294  H.  Braus, 

Es  ist  deshalb  an  einer  Homologie  der  zengopodial  und  basipodial 
lokalisierten  Elemente  nicht  zu  zweifeln  ''-)  und  der  Weg  erkennbar,  auf 
welchem  das  Interinedium  ins  Basipodium  auch  bei  höheren  Tetra- 
poden  hineingelangt  sein  kann,  wenn  diese  Verschiebung  auch  bei  letz- 
teren selbst  nicht  direkt  erkannt  worden  ist.  So  ist  nach  dem  jetzigen 
Stand  unserer    Kenntnisse    die   Anschauung  gerechtfertigt  -),    daß  das 

1  u  t  e  r  m  e  d  i  u  m  genetisch  zum  Z  e  u  g  o  p  o  d  i  u  m  g  e  h  ö  r  t. 

.  Wie  man  sich  im  Detail  die  genealogische  Abstammung  zu  denken 
hat,  ist  sehr  unsicher.  Die  ontogenetischen  Thatsachen  deuten  darauf 
hin,  daß  das  Intermedium  im  distalen  Abschnitt  des  Zeugopodium 
entstanden  ist ,  nicht  aber ,  daß  wir  ein  den  beiden  Hauptbestand- 
teilen gleichwertiges  Element  in  ihm  vor  uns  haben  3).  Besondere  Be- 
ziehungen zum  postaxialen  Komponenten  der  letzteren  (Ulna,  Fibula) 
werden  durch  den  so  oft  wiederkehrenden  Befund  nahe  gelegt,  daß  die 
früheste  Anlage  bereits  diesen  fest  angeschlossen  ist  und  später  in  dieser 
Lage  zeitlebens  verharren  kann.  Freilich  ist  eine  direkte  Abstammung 
(Abspaltung)  aus  der  Anlage  des  postaxialen  Bandknochens  nicht  nach- 
gewiesen. 

Bei  Säugetieren  (außer  bei  Monotremen)  kommt  an  der  Grenze 
von  Stylo-  und  Zeugopodium  der  hinteren  Extremität  die  Patella 
zur  Entwickelung.  Sie  entsteht  knorpelig,  jedoch  viel  später  als  die 
Elemente  des  benachbarten  Zeugo-  und  Autoi)odiuni  (Bernays  1878). 
Ich  rechne  sie  deshalb  zu  den  sekundären  Elementen,  welche  beim 
Autopodium  eine  zusammenfassende  Besprechung  finden  werden.  Die 
Anlage  der  Patella  liegt  außerhalb  der  Quadricepssehne. 

In    der    Gegend    des    Kniegelenkes    wurden    beim    Menschen    noch 

2  tibiale,  2  fibulare  sowie  ein  interartikuläres  Ossiculum  sesamoideum 
gefunden,  die  sich  knorpelig,  aber  sehr  verspätet  anlegen  (W.  Grurer 
1875,  Retterer  1884,  1885).  Vielleicht  verhält  sich  die  Patella  olecrani 
ontogenetisch  gerade  so.  Thilenius  (1895)  rechnet  daraufhin  diese  Elemente 
zu  den  primären  Bestandteilen ,  doch  halte  ich  dies  für  unbegründet 
(vergl.  folg.  Abschnitt). 

A  u  1 0  p  0  d  i  u  m.  Die  Elemente,  welche  sich  in  diesem  Extremitäten- 
abschnitt finden,  bedürfen  (besonders  die  Carpalia  und  Tarsalia)  be- 
sonderer einheitlicher  Bezeichnungen,  da  die  beim  Menschen  seit 
früher  Zeit  üblichen  nicht  für  alle  Tetrapoden  genügen.  Ich  acceptiere 
das  Schema  Gegenbaur's  (siehe  p.  295) : 

Die  hier  genannten  Elemente  sind  die  konstantesten.  Ich  nenne 
sie   die  kanonischen  ^)    Bestandteile    des    Autopodium.     Es    giebt 


1)  Thilenius  (1895.  1897)  unterscheidet  bei  Menschen  ein  besonderes  Inter- 
medium antebrachii  [La  Fig.  250)  und  ein  davon  verschiedenes  Intermedium  carpi. 
Zu  ersterem  rechnet  er  allein  das  bei  Baptonodon  im  Zeugopodium  liegende  Inter- 
medium (vergl.  p.  292,  Anm.  3). 

2)  Sie  wird  vertreten  von  Marsh  (1880),  Thompson  (1886),  Pollard  (1892), 
Klaatsch  (189G),  Mehnert  (1897),  Shitkov  (1899). 

3)  Aus  dem  Anschhiß  des  Intermedium  an  das  Stylopodium,  welches  nur  bei 
Baptonodon  wirklich  beobachtet  ist,  kann  deshalb  kein  lAylogenetischer  Schluß  ge- 
zogen werden,  wie  dies  viele  thun.  Denn  sekundäre  Verkürzungen  der  Knochen  bei 
jenen  Fossilien  sind  sehr  wahrscheinlich;  sie  können  nachträglich  das  Inter- 
medium dem  Stylopodium  genähert  haben  (VoGT  1881,  Seeley  1882,  Baur  1886, 
1887). 

4)  Den  oft  angewendeten  Ausdruck  , .primär"  möchte  ich  zunächst  vermeiden, 
weil  unter  den  als  „accessorisch"  bezeichneten  Elementen  vielleicht  auch  noch  primäre 
Bestandteile  vorhanden  sind. 


Entw.  d.  Form  d.  Extremitäten  u.  d.  Extremitätenskeletts,       295 


vordere  Extremität 


hintere  Extremität 


ßasi- 
podium 


Meta- 
podium 


Homo: 

Scaphoid  .  . 
Lunatum  .  . 
Triquetrum  . 
Centrale  (nur 
ontogenetisch) 
Trapezium 
Trapezoides  . 
Capitatuni 

Haraatum 


allgemeine  Bezeichnung 
Radiale  (r)  Tibiale  (t)  \ 

Intermedium  (i)^)      Intermedium  (/)( 
Ulnare  (vt)  Fibulare  (f)     .    . 


Centrale  (C)  Centrale  (C) 

Carpale  1  (ci)  Tarsale  1  (^, ) 

.  Carpale  2  (c,)  Tarsale  2 

.  Carpale  3  (Cg)  Tarsale  3 

I  Carpale  4  (c^)  Tarsale  4 

\  Carpale  5  (cg)  Tarsale  5 

Metacarpalia  I — V 
{3Ic  I—V) 
.  ,.         f  Phalanges 

Acropoclium  ^  ^^^^  jj^^j^  ^^^^j^  gpj^^e  zu  mit  ph^,  ph 


(t,)  . 


Homo: 
AstragaUis 
Calcaneus 

Naviculare 
Cuneiforme  I 
Cuneiforrae  II 
Cuneiforme  III 


Cuboides 


Metacarpalia  I — V 

{3It  I—V) 


bezeichnet). 


große 


aiil^erdem    aber    noch    eine 
inkonstant   auftreten,   große  Verschiedenheiten 
verschiedenen    Tetrapoden    besitzen    und    auch 
Elementen    differente    Beziehungen   aufweisen, 
noch    zweifelhaft,    wie    sie    sich 

den    kanonischen  u^ 


Zahl    von    Skelettanlagen,    welche 


untereinander  bei  den 
zu  den  kanonischen 
Es   ist   infolgedessen 


genetisch 


zu 


Bestandteilen      verhalten, 
werden  überzählige  oder 


Sie 
acces- 


Fig.  250.  Schema  der  selbständigen 
Anlagen  accessorischer  Elemente  des 
jnenschlichen  Carpus.  (Die  Carpo-meta- 
carpalia  2,  5  und  6  sind  bisher  nur  beim 
Erwachsenen  selbständig  gefunden  — 
mit  Kreuzchen  bezeichnet.)  Die  dor- 
salen Elemente  mit  Konturlinie,  die 
volaren  ohne  eine  solche.      Nach   Thi- 

LENIUS. 


r.e 


sorische  Elemente  des  Autopodium  (auch  Sesambeine,  Ossicula  se- 
samoidea)  genannt.  Einen  Begriff  von  der  Zahl  derselben  und  von 
ihren  Lagebeziehungen  zu  den  kanonischen  Teilen  giebt  Fig.  250  für 
die  menschliche  Hand.  In  dieser  sind  schematisch  alle  bei  den  ver- 
schiedensten Individuen  embryonal  und  im  fertigen  Zustand  gefundenen 
Bestandteile  des  Handwurzelskelettes  vereinigt  (Thilenius  1896  nach 
dem  Vorgang  Pfitzner's  1893). 

Es  erscheint  mir  wichtiger  bei  der  Behandlung  dieser  Elemente 
eine  kritische  Uebersicht  über  die  Versuche  und  Möglichkeiten  zu 
geben,  dieselben  von  dem  primären  Extre  nii täten skelett  ab- 
zuleiten oder  ihre  autochthone  Natur  nachzuweisen  als  für  alle  in 
«ine  gleich  ausführliche  Detailbeschreibung  einzutreten.  Denn  nur 
die  ersteren,  primären  Bestandteile  des  Extremitätenskelettes  be- 
sitzen für  eine  historische  Untersuchung  große  Wichtigkeit ;  die  letzteren 
als  sekundäre  Neubildungen  können  eine  solche  nicht  beanspruchen. 
Es  wird  sich  deshalb  nur  für  die  sicher  primären  Bestandteile  dieser 
Vorfrage  ein  specieller  Teil  anschließen. 

Das    Problem    de r    p  r  i  m  ä  r  e  n    u n  d    s  e k u  n d ä r  e n    B  e - 


1)  i  ist  hier   nochmals   angeführt   wegen   der  (sekundären)  Einlagerung  in  das 
Autopodium  bei  vielen  Tetrapoden. 


296  H.  Braus, 

stand  teile  des  Aiitopodium  ^).  Die  ontogenetische  Behaiulluiig- 
hat  ergeben,  daß  gerade  so  wie  im  Stylo-  und  Zeugopodinm  auch  im 
Autopodium  innerhalb  der  Vorknorpelplatte  Chondrifikatiouscentren, 
nur  in  viel  größerer  Zahl,  auftreten.  Es  ist  dabei  von  größter 
Wichtigkeit,  daß  bei  niederen  Tetrapoden  aus  diesen  Frühanlagen 
wohlentwickelte  und  funktionierende  Bestandteile  des  fertigen  Glied- 
maßenskelettes  hervorgehen,  und  daß  bei  höheren  Wirbeltieren  sich 
zweifellose  Homologa  dieser  Elemente  nachweisen  lassen.  Es  ist  dies 
z.  B.  bei  allen  oben  als  kanonische  Bestandteile  des  Autopodium  auf- 
geführten Centren  der  Fall.  Es  kann  allerdings  bei  höheren  Tetra- 
poden eine  Rückbildung  im  fertigen  Zustand  eingetreten  sein  (z.  B. 
beim  Centrale  der  vorderen  Extremitäten).  Diese  kann  aber  meistens 
in  der  Ontogenie  noch  gradatim  verfolgt  werden.  Vor  allem  steht  die 
Homologie  mit  den  vollentwickelten  entsprechenden  Elementen  bei 
niederen  Vertebraten  fest-). 

Viel  schwieriger  ist  es  bei  solchen  Skelettelementen,  deren  An- 
lagen von  diesen  Merkmalen  wohl  einiges,  aber  nicht  alles  besitzen, 
die  Frage  zu  entscheiden,  ob  sie  sich  zu  den  primären  Bestandteilen 
heterogenetisch  verhalten  (d.  h.  ob  sie  ihre  mehr  oder  minder 
große  Uebereinstimmung  mit  letzteren  einer  konvergenten  Entwickelung 
verdanken)  oder  ob  das  Verhältnis  ein  homoiogenetisches  ist 
(d.  h.  ob  sie  nicht  ursprünglich  einander  gleich  und  nur  nachträglich 
einander  unähnlicher  geworden  sind).  Das  erstere  nimmt  die  [>  r  o  - 
gr  essivistische,  das  letztere  die  atavistische  Hypothese 
an.  Unter  diese  Frage  fallen  alle  accessorischen  Elemente  des 
Gliedmaßenskelettes. 

Trotz  der  großen  Untersuchungs-  und  Geistesarbeit,  welche  auf  dieses 
Problem  verwendet  wurde,  ist  es  nicht  gelöst.  Doch  offenbart  sich  hier 
dem  kritischen  Beobachter  ein  Hebelpunkt,  an  welchem  fast  alle  Rich- 
tungen der  Morphologie  ihre  ganze  Kraft  angesetzt  haben  und  ihre 
methodische  Eigenart  bekunden.  Ich  kann  nur  das  Charakteristischste 
der  ontogenetischen  Versuche  hier  anführen,  ohne  auf  Vollständigkeit 
der  Berichterstattung  bei  der  Fülle  des  Materiales  ausgehen  zu  können. 
Anderes  berühre  ich  nur  kurz  da,  wo  die  kritische  Abwertung  es  verlangt. 

Die  Argumente,  welche  zur  Lösung  der  Frage,  ob  und  welche 
accessorischen  Elemente  primärer  Natur  seien,  verwendet  wurden,  sind 
zunächst  histiogen  etischer  Natur.  Die  meisten  Accessoria  ent- 
stehen in  der  Ontogenie  knorpelig'^).  Dies  allein  wurde  schon  als 
Beweis  für  ihre  Abstammung  vom  primären  Skelett  angesehen  (vor 
allem  von  Thilenius  n.  v.  a.)  Doch  sind  uns  mancherlei  Stellen 
des  Körpers  bekannt,  wo  Knorpel  auftritt,  ohne  daß  an  einen  direkten 

1)  Manche  Autoren  reservieren  die  Bezeichnung  Chiridium  (und  natürlich 
damit  alle  dessen  Teile)  ausschließlich  für  die  primären  Elemente.  Doch  fasse  ich 
den  Begriff  nicht  so  enge,  weil  gerade  die  Grenze  zwischen  primären  und  sekundären 
Bestandteilen  des  Gliedmaßenskelettes  zur  Zeit  nicht  scharf  gezogen  werden  kann. 

2)  Einen  völlig  anderen  Standpunkt  nimmt  neuerdings  Strasser  (^1902)  ein. 
Vorläufig  liegt  nur  ein  kurzes  Referat  über  den  Vortrag  vor. 

3)  Nesbitt  (1736),  W.  Gruber  (1875),  Born  (1876),  Leche  (1879),  Retterer 
(1884,  1885),  Baur  (1888),  E.  Rosenberg  (1892),  Pfitzner  (1892),  Mehnert 
(1897),  Nassonow  (1896),  Thilenius  (1896,  1897),  E.  Fischer  (1903)  u.  a.  —  Auch 
im  fertigen  Zustand  ist  die  ehemals  knorpelige  Anlage  noch  an  den  restierenden 
hyalin-knorpeligen  Gelenkflächeu  zu  erkennen. 


Entw.  d.  Form.  d.  Extremitäten  u.  d.  Extremitätenskeletts.       2\)1 

Zusammenhang  mit  primären  Skelettanlagen  gedacht  werden  kann. 
Es  ist  dieses  Argument  also  allein  nicht  stichhaltig'). 

Bei  den  der  Clavicala  höherer  Amnioten  zu  Grunde  liegenden 
Knorpelanlagen  wurde  bereits  darauf  hingewiesen,  daß  dort  eine  Be- 
ziehung derselben  zum  primären  Skelett  fraglich  ist  (p.  263,  dort  auch 
Beispiele  von  anderen  Körperteilen).  Das  rein  histiogenetische  Merk- 
mal des  Vorhandenseins  von  Knorpel  ist  also  differential- diagnostisch 
für  unsere  Frage  ziemlich  wertlos.  Bei  manchen  Sesambeinen  der  Ex- 
tremitäten kommt  eine  besondere  topographische  Schwierigkeit 
hinzu,  die  darin  besteht,  daß  manche  dieser  Chondrifikationen  sich  in 
beträchtlicher  Entfernung  vom  primären  Skelett  entwickeln  und  zwar 
an  Stellen,  wo  verschiedenartige  Sehnen  sich  miteinander  verbinden  oder 
wo  irgendwelche  Faserverfilzungen  vorhanden  sind  2).  Auch  besitzen  diese 
Knorpel  ein  besonderes  histiologisches  Merkmal^),  welches  sie  dem 
„vesikulösen  Stützgewebe"  der  Myxinoiden  (J.  Sciiaffer)  an  die  Seite 
stellt.  E-ückbildungserscheinungen  am  Knorpel  sind  davon  völlig  ver- 
schieden. Es  wird  vielmehr  dieses  Gewebe  als  ein  Knorpel  in 
statu  nascendi  histologisch  bezeichnet  und  dadurch  begreiflich,  daß 
es  auch  entfernt  von  dem  bereits  vorhandenen,  alten  Knorpelskelett  der 
Gliedmaße  entsteht.  So  ist  gerade  bei  den  Sesambeinen  die  Neubildung 
von  Knorpelgewebe  wohl  begründet  ^). 

Selbstverständlich  entscheidet  unsere  Feststellung,  daß  die  knorpelige 
Anlage  an  sich  nichts  für  die  primäre  Abstammung  eines  Elementes  be- 
weise, generell  keineswegs,  daß  etwa  überhaupt  kein  Accessorium 
solcher  Herkunft  sei.  Es  liegen  vielmehr  Versuche  vor,  für  einzelne 
Sesambeine  durch  andere  histiogenetische  Argumente  eine  Ableitung 
vom  primären  Skelett  zu  begründen.  Die  Knorpel  entstehen  bei 
letzterem  wohl  als  separate  Centren,  aber  immerhin  als  Einlagerungen 
in  einer  allen  gemeinsamen  v  o  r  k  n  o  r  p  e  l  i  g  e  n  Grundlage. 
Man  ist  also  darauf  ausgegangen  (so,  wie  ich  die  hier  folgenden  Ver- 
suche   auffasse)  entweder   für   mehrere  Anlagen   von    Accessoria    eine 


1)  Die  bindegewebig  sich  differenzierenden  Sesambeme  (Sesamoide,  Pfitzner) 
sind  im  Sinne  der  progrevistischen  Hypothese  Vorstufen,  auf  welche  bei  höherer 
Ausbildung  Chondrifikation  und  Ersatzknochenbildung  folgen  würden  (Emery 
1901  u.  a.).  Die  atavistische  Hypothese  dagegen  vermutet  in  ihnen  Rudimente 
(insbesondere  Thilexius  1896).  Da  in  der  That  kanonische  Skelettstücke,  welche 
rudimentär  werden,  in  der  Ontogenese  manchmal  nur  mehr  in  Form  von  Mesenchym- 
verdichtungen  gefunden  werden  und  keine  Spur  hyalinen  Knorpels  erkennen  lassen,  seist 
die  M  ö  g li  c h  k  e i  t ,  die  Sesamoide  als  Rudimente  zu  deuten,  nicht  zu  bestreiten.  Selbst 
für  den  Fall,  daß  im  Specialfall  bewiesen  würde,  daß  ein  Sesamoid  lu'sprünglich 
knorpelig  war,  läge  der  Fall  jedoch  immer  noch  so  wie  oben  bei  den  Accessoria, 
deren  knorpelige  Anlage  außer  Frage  steht,  d.  h.  dieses  histiogenetische  Faktum 
würde  über  die  Zugehörigkeit  zum  primären  Skelett  nichts  entscheiden. 

2)  Von  Fürbringer  (1888,  p.  881)  ist  eine  Eeihe  solcher  Fälle  zusammen- 
gestellt worden  :  Knötchen  der  Achillessehne  des  Frosches,  Sesambein  in  der  Tendo 
achillis  von  Homo,  in  der  Sehne  des  Muse,  extens.  metacarpi  radialis  superficialis 
mancher  Vögel,  in  den  Mm.  flexores  perforantes  von  Hand  und  Fuß  gewisser 
Sauropsiden. 

3)  KoLLETT  (1871),  Renaut  (1872)],  Ranvier  (1889) ,  Schaffer  (1903,i  :  be- 
sonders auch  an  Höckern  und  Scheiden  des  Sehnenapparates  von  Vögeln  nach- 
gewiesen. 

4)  Es  ist  dabei  allerdings  noch  nicht  untersucht  (und  vielleicht  mit  unseren 
jetzigen  Methoden  auch  nicht  entscheidbar),  woher  die  Zellen  stammen,  welche  jene 
Neubildungen  einleiten.  Gemeinhin  nennt  man  den  histiogenetischen  Vorgang  eine 
Metaplasie,  ohne  damit  zu  rechnen,  daß  doch  auch  skeletogene  Zellen  aus  den 
primären  Anlagen  auswandern  und  sich  am  Aufbau  des  neu  entstehenden  Knorpels 
beteihgen  könnten. 


298 


H.  Braus, 


ihnen  gemeinsame  und  ihnen  zeitlich  in  der  Ontogenese  voraus- 
gehende Vorknorpellamelle  nachzuweisen  oder  nach  einer  skeleto- 
genen  Verbindung  mit  der  einheitlichen  Skelettplatte  selbst  zu 
suchen.  So  zeigt  sich  bei  Fledermausembryonen  (Leboucq  1899) 
an  Stelle  des  späteren  Pisiforme  eine  bauchige  Ausladung  der  Vor- 
knorpelplatte im  Chiridium  (Fig.  251a,  Pis).    Etwas  später  tritt  peripher 


III 


1 V     III 

Fig.  251.  Entwickelung  des  Handskelettes  von  Vespertilio  murinus.  Nach  Le- 
boucq.    Mit  Benutzung  der  Originalpräparate  des  Autors. 

in  der  Handplatte  eine  Verdichtung  auf  {p'  Fig.  251b),  aus  welcher 
sich  der  Knorpel  eines  den  Fledermäusen  eigentümlichen,  T-förmigen 
Accessorium  entwickelt  (Fig.  251c,  p').  Beide  Vorknorpel  {pis  und  p', 
Fig.  251b)  stehen  durch  einen  dünnen  Gewebsstreifen  miteinander  und 
also  mit  der  primären  Prochondralplatte  in  kontinuierlicher  Verbin- 
dung. Die  oben  geforderten  Kriterien  sind  also  vorhanden.  Später 
verlieren  die  separat  entstehenden  Centren  pis  und  p'  und  ihre  ossi- 
fizierten Abkömmlinge  jegliche  Verbindung  miteinander  und  rücken 
weiter  auseinander. 

Ich  erblicke  in  diesen  und  ähnlichen  Fällen  einen  gangbaren,  aber 
noch  nicht  völlig  sicheren  ^)  Weg,  über  die  Natur  von  Accessoria  Klar- 
heit zu  gewinnen. 

Wie  histiogenetisch  die  Entwickelung  der  Sesambeine  mit  der- 
jenigen der  kanonischen  Elemente  verglichen  werden  kann,  so  ist  es 
ferner  auch  möglich,  morpho genetische  Merkmale  dazu  zu  be- 
nutzen.    Es    wurde   bei  manchen  Skelettteilen  keine  selbständige  An- 

1)  Zur  Vorsicht  muß  der  Umstand  veranlassen,  daß  der  Vorknorpel  als  Ge- 
websforra  etwas  so  schwer  Bestimmbares  ist.  >So  braucht  auch  Leboucq  für  den 
Verbindungsstrang  zwischen  pis  und  ji'  nur  unbestimmte  histiologische  Bezeichnungen 
(trainde  fibrcuse,  trainee  des  cellules  trfes  nettement  visible).  Ich  bin  nach  der  Prü- 
fung der  Originalpräparate  des  Autors,  welche  mir  freundhchst  zur  Verfügung  ge- 
stellt waren,  der  Gewebsbeschaffenheit  des  betreffenden  Stranges  an  der  kritischen 
Stelle  nicht  sicher.  Gerade  darauf,  ob  die  gemeinsame  Grundlage  der  in  P'rage 
kommenden  Skelettstücke  wirklich  aus  primärem  skeletogencn  Material  besteht  und 
nicht  etwa  eine  sekundäre  Brücke  zwischen  heterogenetischen  Elementen  darstellt,  da- 
rauf kommt  CS  schließlich  allein  an.  Es  bedarf  neuer,  verfeinerter  Methoden,  um 
diese  histiogenetische  Frage  aufzuklären.  Nach  solchep  müßte  in  Zukunft  gesucht 
werden.     Vergl.  auch  Fälle  von  Emery  1891. 

In  dem  P'all  der  Fledermaus  tritt  übrigens  schon  ein  morphogenetisches  Mo- 
ment zu  Tage,  da  pis  und  2^'  zusammen  mit  ihrem  Verbindungsstrang  einem  vom 
Carpus  ausgehenden  (6.)  Skelettstrahl  verglichen  werden  können.  Ich  komme  darauf 
im  Text  zurück. 


Entw.  d.  Form  d.  Extremitäten  u.  d.  Extremitätenskeletts.       299 


läge,    sondern    eine   partielle,    sich    allmählich   komplettierende    Ab- 


derselben    von    kanonischen    Elementen    des   Autopodium 
Es    ist   hier    erforderlich,   die   einzelnen  Befunde  zu  be- 


Spaltung 
beobachtet, 
trachten. 

Bei  Walembryonen  sind  Abspaltungen  am  ulnaren  Rand  des  Hand- 
skelettes nicht  selten  (Kükenthal  1888,  1890,  von  Leboucq  bestätigt) 
Sie    kommen    bei  Phalangen  des  5.  Fingers  von  Beluga  vor  (Fig.  252b) 


Fig.  252.  Abspaltung  von  Accessoria  {A)  am  Eand  des  5.  Fingers  bei  Beluga 
leucas.  a,  b  von  verschieden  alten  Embryonen ,  c  vom  erwachsenen  Tier.  Nach 
Kükenthal. 

Auch  das  Pisiforme  ist  in  jüngsten  Stadien  gewisser  Wale  (Globio- 
cephalus)  individuell  in  Zusammenhang  mit  der  Ulna,  während  gemein- 
hin beide  voneinander  getrennt  sind.  GewiiS  ist  nach  diesen  Befunden 
nicht  zu  bezweifeln,  daß  sich  bei  Walembryonen  durch  Längsgliederung 
Elemente  von  den  kanonischen  Skelettstücken  abspalten.  Erheben  sich 
aber  diese  Fälle  über  gelegentliche  Spaltbildungen  bei  menschlichen  Glied- 
maßen i)    (Schizodactylie)  ? 

Es  werden  außerdem  die  Sesambeine,  welche  als  Varietäten  im  mensch- 
lichen Handskelett  gefunden  werden  (besonders  die  metacarpo-phalange- 
alen  und  carpalen  Accessoria)  als  Abspaltungen  von  den  kanonischen 
Elementen  angesehen  (Leboucq  1894).  Doch  sind  diese  Beobachtungen 
eigentlich  nicht  ontogenetischer  Art.  Denn  es  wird  daraus,  daß  bei  ganz 
jungen  embryonalen  Individuen  außer  den  kanonischen  Elementen  keine 
separaten  Anlagen  gefunden  wurden,  geschlossen,  daß  da,  wo  solche 
später  vorkommen,  eine  Abspaltung  stattgefunden  haben  müsse.  Eine 
wirkliche  Embryonalanlage  der  betreffenden  Accessoria  könnte  trotzdem 
ganz  andere  Resultate  zeigen.  Die  Befunde  von  Thilenius  (1896)  machen 
in    der  That    die    selbständige  Anlage    aller  Accessoria  wahrscheinlich  2). 


1)  Es  sind  die  Beobachtungen  bei  den  einzelnen  Walspecies  doch  zu  spärlich 
(was  bei  dem  seltenen  Material  gewiß  begreiflich  ist),  als  daß  sie  dem  Postulat  einer 
kompletten  Entwickehmgsserie  genügen  könnten.  Eine  solche  allein  würde  uns  auf- 
klären können  darüber,  ob  hier  typische  oder  gelegentliche  Prozesse  walten.  Die 
Varietätsstatistik,  welche  weiterhin  in  Betracht  käme,  ist  völlig  unmöglich  ohne 
großes  Material. 

2)  So  wie  die  Abspaltung  ist  auch  die  Verwachsung  von  Accessoria 
mit    kanonischen    Elementen   als   Kennzeichen   homoiogenetischer   Herkimft 


300  H.  Braus, 

Die  Versuche,  Accessoria  als  direkte  Abkömmlinge  von  ka- 
nonischen Elementen  nachzuweisen,  sind  also  zur  Zeit  noch  nicht 
hinreichend  fundiert.  Es  giebt  außerdem  Autoren,  welche  indirekte 
Verwandtschaftsnachweise  zwischen  accessorischen  und  kanonischen 
Elementen  auf  morphogenetischem  Wege  aufstellten.  Handelt  es  sich 
bei  den  ersteren  gegebenenfalls  um  Homologieen,  so  können  hier  nur 
Homonomieeu  als  Grundlagen  für  weitere  Schlußfolgerungen  gewonnen 
werden.  Denn  selbst,  wenn  die  Aehnlichkeiten  der  Entwickelungs- 
stadien  eines  bestimmten  Skelettteiles  im  Autopodium  noch  so  groß 
erscheinen  mit  der  Entwickelung  eines  Nachbarn  in  demselben  Auto- 
podium, so  kann  sich  doch  dahinter  weit  eher  eine  fundamentale  Ver- 
schiedenheit verbergen,  als  wenn  beide  in  die  direkte  Descendenz  eines 
gemeinsamen  Vorfahren  fallen,  wie  dies  bei  der  speciellen  Homologie 
der  Fall  ist.  Die  hier  zu  besprechenden  Fälle  sind  also  an  sich  schon 
weniger  beweiskräftig  als  solche,  welche  zu  der  an  erster  Stelle  er- 
wähnten Gruppe  gehören. 

Von  den  rudimentären  Baustücken  des  primären  Skelettes  ist  be- 
kannt, daß  sie  sich  noch  gelegentlich  in  den  ersten  Entwickelungs- 
stadien  komplett  anlegen,  vielleicht  auch  noch  eine  Weile  den  pro- 
gressiven Gang  der  weiteren  Entwickelung  mitmachen,  dann  aber 
unaufhaltsam  auf  regressiver  Bahn  bis  zu  dem  rudimentären  Endzu- 
stand herabsinken.  Für  eine  komplette  Anlage  nach  Art  der 
kanonischen  Elemente  ist  es  nun  charakteristisch,  daß  das  Skelett 
sich  durch  die  ganze  Dicke  des  Chiridium  erstreckt  (es  wurde  dies 
von  E.  Rosenberg  1892  beim  Centrale  von  Emys  lutaria  als 
jj^  wichtiges  Merkmal  nachgewiesen).     Auf  diesen 

Punkt  scheint  bei  den  Accessoria  wenig  ge- 
achtet worden  zu  sein.  In  vielen  Fällen  machen 
aber  die  Autoren  für  die  Anlage  von  solchen 
die  Angabe,  daß  sie  sich  auf  eine  Seite  des 
Autopodium  beschränke  (z.  B.  Anlage  des  Pi- 
■siforme  beim  menschlichen  Embryo  [Fig.  253, 
Leboucq  1884J,  viele  überzählige  Elemente 
des  Carpus  und  Tarsus  bei  Homo  [Thilenius 
mc  V  V  'V''l,       /  1895]).       Eine    komplette    Anlage    der    oben 

erwähnten   Art  ist  mir  nicht  bekannt. 

Fig.  253.     Dorso-ventraler  Längsschnitt  durch  die 
Haud  eines  menschlichen  Fötus.    Nach  Leboucq. 

Das  zeitliche  Moment,  welches  darin  besteht,  daß  die  kom- 
plette Anlage  synchron  mit  den  kanonischen  Elementen  auftauchen 

beider  bezeichnet  worden.  Solche  Konkrescenzen  wurden  häufig  gesehen  (E.  Rosen- 
berg 1892  bei  Emys  taurica:  Accessorium  ext.  mit  Radiocentrale ;  C.  K.  Hoff- 
mann ebenfalls  bei  Schildkröten,  Leche  1884  und  Tornier  1891  bei  Mammalia). 
Besonders  oft  kommen  solche  Konkrescenzen  zwischen  kanonischen  Elementen  selbst 
vor  (Carpalia  und  Tarsalia).  Aber  dies  involviert  nicht,  daß  nur  Elemente  gleicher 
Herkunft  miteinander  verschmelzen  könnten.  Die  heterogensten  Körperelemente 
haben  sich  an  gewissen  Stellen  zur  Bildung  neuer  Bauformen  des  Wirbeltierkörpers 
zusamengefunden  (Zusammentreffen  dermaler  und  autochthoner  Knochen  in  der 
Genese  des  Wirbelthierschädels,  der  Flossen  der  Teleostier  etc.).  So  existiert  denn 
auch  die  entgegengesetzte  Deutung  in  der  Litteratur,  daß  bei  den  Konkrescenzen 
von  kanonischen  und  accessorischen  Bestandteilen  des  Autopodium  sich  der  Ein- 
tritt sekundärer  Elemente  in  das  primäre  Chiridumi  vor  unseren  Augen  vollziehe 
(Tornier  1891,  p.  136). 


Entw.  d.  Form  d.  Extremitäten  u.  d.  Extremitätenskeletts.       301 

muß,  ist  planmäßiger  untersucht,  aber  ebenfalls  in  den  meisten  Fällen 
negativ  entschieden  worden.  Die  meisten  Accessoria  entstehen  spät, 
manche  sogar  erst  im  postfötalen  Leben  (viele  Fälle  von  Tornier 
[1891,  p.  194]  zusammengestellt).  Es  sind  jedoch  auch  einige  bekannt, 
^vo  gleichzeitige  Anlage  oder  doch  nur  geringe  Verspätung  gegenüber 
den  kanonischen  Elementen  konstatiert  wurde  ^).  Ich  nenne  das  Acces- 
sorium  tibiale  des  Tarsus  von  Cavia  cobaya  (Baur  1885,  von  diesem 
als  kanonisches  Tibiale  gedeutet,  s.  folg.  Al3schn,)  und  das  Pisiforme  bei 
Homo  (Leboucq  1884,  p.  79).  In  solchen  Fällen  besteht  ein  sehr 
beachtenswertes  Hilfsargument  für  den  Beweis  im  Sinne  der  atavisti- 
schen Hypothese. 

Dagegen  kann  weder  die  verspätete  noch  die  räumlich  inkomplette 
Anlage  von  Accessoria  im  Sinn  der  einen  oder  anderen  Hypothese  ver- 
wendet werden,  wie  dies  vielfach  geschehen  ist.  Excessive  Fälle  scheiden 
allerdings  hier  aus.  (So  ist  z.  B.  eine  Verspätung  der  Anlage  bis  auf 
späte  Fötal-  oder  sogar  Postfötalzeiten  bei  kanonischen  Elementen  nicht 
bekannt,  bei  accessorischen  dagegen  nicht  selten  und  deshalb  im  Sinne 
der  progressivistischen  Hypothese  wohl  verwendbai'.)  Es  werden  weiter 
unten  noch  viele  Fälle  mitgeteilt  werden,  in  welchen  auch  bei  kanonischen 
Elementen  eine  inkomplette  und  verspätete  Anlage  beobachtet  wurde. 
Umgekehrt  zu  behaupten,  daß .  Aehnlichkeiten  in  solcher  Beschränkung 
(zeitliche  Verspätung,  Unvollständigkeit  der  Frühanlage  und  andere, 
rudimentären  Primärbildungen  zukommende  Merkmale)  zwischen  acces- 
sorischen und  kanonischen  Elementen  auf  Homoiogenese  hinweise,  wie 
dies  auch  geschehen  ist,  erübrigt  sich  von  selbst.  Die  Gypsimitation  eines 
Marmorbildwerks  mag  dem  verstümmelten  und  verdorbenen  Original  zum 
Verwechseln  ähnlich  geraten  sein,  Kopie  wird  darum  nie  Original  und 
■Gyps  nicht  Marmor. 

Zu  den  indirekten  morphogenetischen  Argumentationen  gehört 
auch  der  Versuch,  eine  Rei  h  e  n  bi  1  du  n  g  zwischen  accessorischen  und 
kanonischen  Elementen  nachzuweisen.  Es  kommt  dabei  besonders  auf 
die  Situation  der  überzähligen  Anlagen  an.  Man  kann  flächen- und 
ran  d ständige  Accessoria  unterscheiden,  d.  h.  solche,  welche  sich 
ventral  oder  dorsal  im  Autopodium  selbst  ausbilden  und  solche,  welche 
lateral  von  ihm  (prä-  oder  postaxial)  situiert  sind  (vergl.  Fig.  2b0).  Beide 
Arten  könnten  aus  entfernterer  Lage  in  ihre  jetzige  Position  hinein- 
geraten und  so  dem  Autopodium  sekundär  angegliedert  worden  oder 
umgekehrt  auf  dem  Wege   sein,    die  Lage  innerhalb  des  Autopodium 


1)  Allerdings  sind  hier  manche  Fälle  auszuscheiden,  in  welchen  nämlich  nur 
indirekt  der  Zeitpunkt  des  ersten  Auftretens  einer  accessorischen  Anlage  erschlossen 
wurde,  weil  keine  kontinuierliche  und  hinreichend  umfassende  Serie  von  Entwicke- 
lungsstadien  zur  Verfügung  des  Untersuchers  war.  Es  ist  der  indirekte  Schluß  dann 
häutig  daraus  abgeleitet  worden,  daß  in  späteren  Stadien  die  histologische  Differen- 
zierung des  betreffenden  Accessorium  mit  derjenigen  eines  kanonischen  Elementes 
verglichen  und,  wenn  beide  gleich  hoch  differenziert  waren  (z.  B.  hyaline  Grund- 
substanz von  gleicher  Dicke  der  Ablagerung  besaßen),  angenommen  wurde,  es  müsse 
von  beiden  die  gleiche  Zeitspanne  der  Entwickelung  zurückgelegt  worden  sein,  um 
diese  Entwickelungsstufe  zu  erreichen.  So  ergab  sich  durch  diese  Art  der  Rekon- 
struktion Synchronismus  der  Anlage  mit  derjenigen  der  kanonischen  Elemente  (z.  B. 
radiales  Sesambein  des  Carpus  bei  Emys,  E.  Rosenberg  1892,  u.  a.).  Es  sind  aber 
große  Differenzen  im  Tempo  der  histiogenetischen  Entwickelung  auch  bei  kanonischen 
Elementen  bekannt  geworden  (insbesondere  bei  Mehnert  1897).  Der  erwähnte  Rück- 
schluß ist  also  keineswegs  zwingend.  Es  muß  vielmehr  der  direkte  Nachweis  für 
synchrone  Anlagen  durch  Beobachtung  einer  kompletten  Serienfolge  verlangt  werden. 


302  H.  ÜRAUS, 

zu  verlassen,  um  sich  gänzlich  von  ihm  zu  trennen.  Im  ersteren  Sinn 
sind  die  Konkrescenzen  von  Accessoria  mit  Primärbestandteilen  des 
Carpus  und  Tarsus,  über  welche  oben  berichtet  wurde,  vielfach  ver- 
wertet worden.  Für  die  letztere  Alternative  hat  Leboucq  (1884)  seine 
Beobachtung  gedeutet,  daß  bei  Mammaliern  die  Anlage  des  Pisiforme 
einen  Fortsatz  zwischen  Ulna  und  Ulnare  hineinsendet,  welcher  bis 
zum  Intermedium  zu  verfolgen  ist.  Der  Meniscus  interarticularis  im 
Handgelenk  und  ein  Knorpelchen  zwischen  Ulna  und  Radius  ^)  werden 
als  Derivate  dieses  Teiles  des  Pisiforme  bezeichnet,  und  demnach  als 
Relikte  aufgefaßt,  welche  jenes  Element  bei  seiner  Auswanderung  aus 
dem  Carpus  zurücklief. 

Es  gehen  also  hier  die  Ansichten  sehr  auseinander.  Wenn  auch 
ein  sicheres  Resultat  über  die  ursprüngliche  Situation  der  Accessoria 
und  ihre  nachträglichen  Verschiebungen  noch  nicht  erreicht  ist  (zum  Teil 
weil  für  unsere  heutigen  Beobachtungsmittel  die  meisten  Elemente  gleich 
dort  sichtbar  werden,  wo  sie  zeitlebens  liegen),  so  sind  doch  gerade  von 
solchen  Untersuchungen,  besonders  mit  verfeinerten  Methoden,  entschei- 
dende Aufschlüsse  zu  erwarten.  Generell  dürfte  natürlich  ein  Special- 
fund nicht  verwertet  werden.  Denn  sehr  Avohl  könnte  bei  der  Verschie- 
bung das  eine  Element  diese,  das  andere  eine  ganz  andere  Richtung  ein- 
geschlagen haben.  Schieben  sich  aber  wirklich  Accessoria  ursprünglich 
zwischen  die  kanonischen  Elemente  ein,  so  können  Reihenbildungen,  deren 
Komponenten  aus  kanonischen  und  accessorischen  Skelettstücken  bestehen, 
sehr  wohl  mit  den  Reihen  (Radien)  verglichen  werden,  welche  im  Meta- 
und  Acropodium  die  Regel  sind.  Es  fragt  sich  jedoch,  ob  auch  im  Basi- 
podium  Fortsetzungen  jener  Radien  der  terminalen  Partieen  nachzuweisen 
sind  (eine  Frage,  welche  später  noch  besonders  behandelt  werden  wird), 
und  so  sjiielt  in  dieses  Kapitel  jenes  andere  Problem  hinein,  ob  Acces- 
soria im  Meta-  und  Acropodium  allein,  oder  auch  im  Basipodium  an  einer 
Reihenbildung  beteiligt  sein  können. 

Wie  wir  uns  die  Reihen  denken  können,  um  die  es  sich  hier 
handelt,  illustrieren  die  Befunde  von  Born  (1875)  am  Tarsus  der 
Anuren.     Bei  Rana   liegen    am    tibialen  Fußrand  vier  in  einer  Längs- 

Knorpelchen  (Fig.  254),  von  welchen  das 
basale  a  mit  einem  Tarsale,  das  zweite  a^ 
mit  einem  Metatarsale,  die  beiden  letzten  a.^, 
«3  mit  Phalangen  der  typischen  5  Zehen,  aus 
welchen  sich  'der  Fuß  zusammensetzt,  ver- 
glichen   wurden  -).      Wegen    der    Aehnlich- 

Fig.  254.     Accessoria  am  tibialen  Fußrand  von 
Rana  esculenta.    Nach  Born. 

1)  Es  wurde  unter  anderem  auch  bei  nienschhchen  P^mbryonen  gefunden  (von 
Thilenius  (1895)  bestätigt  und  als  Os  intermedium  antebrachii  bezeichnet).  —  Le- 
boucq befindet  sich  übrigens  in  diesem  Punkt  in  Kontroverse  mit  Thilexiüs  (1895, 

§.  3  u.  4),  da  letzterer  gerade  den  Zusammenhang  zwischen  den  Anlagen  des  Meniscus, 
es  accessorischen  Knorpelchens  zwischen  Ulna  und  Radius  und  des  Pisiforme  für 
alle  Entwickelungsperioden  leugnet.  —  Auch  Leche  (1884)  hat  Anlagen  von  Acces- 
soria bei  Mammaliern  in  den  Eeihen  der  kanonischen  Carpalia  beschrieben,  hält  aber 
selbst  neuerdings  seine  frühere  Ansicht  nicht  mehr  aufrecht,  daß  jene  primärer 
Natur  seien.     Vergl.  auch  p.  298,  Anm.  1. 

2)  Bei  anderen  Anuren  kommen  sogar  :*  Knorpel,  welche  Phalangen  zu  ver- 
gleichen wären,  vor.  Selbst  ein  Nagel  wird  manchmal  (Xenopus,  Rhinophrynus)  auf 
dem  Endstück  gefunden.     Doch    wird   von   ähnlichen  Bildungen  bei  höheren  Tieren 


reihe 

aufeinanderfol 

a 

gende 

Fib 

Tib    /^Ki;?% 

a. 

^      - 

«3 

mt II  mt I 

Entw.  d.  Form  d.  Extremitäten  u.  d.  Extremitätenskeletts.       303 

keit  mit  den  von  kanonischen  Elementen  gebildeten  Reihen  werden 
diese  als  überzählige  Finger  (Zehen)  bezeichnet.  Wir  betreten 
hiermit  das  Gebiet  der  Hyper-  und  0  1  igodactylie  ^).  Indem 
ich  auf  dieses  eingehe,  habe  ich  gleichzeitig  die  vergleichend- 
morphologische n  Argumente  zu  berücksichtigen,  welche  bei  der 
Bestimmung  über  die  Herkunft  der  Accessoria  in  Betracht  kommen. 
Denn  diese  Argumente  sind  besonders  wichtig  für  die  Fragen  der 
Oligo-  und  Hyperdactylie. 

Um  eine  primäre  Hyperdactylie  wahrscheinlich  zu  finden, 
handelt  es  sich  zunächst  darum,  welche  Sesambeine  überhaupt  kon- 
stant genug  auftreten,  um  als  gemeinsames  Erbteil  aller  Tetrapoden 
zu  gelten '').  Leider  herrscht  hier  noch  ein  Wirrsal  der  verschiedensten 
Angaben  und  Deutungen.  Ich  beschränke  mich  deshalb  darauf,  eine 
tabellarische  Uebersicht  ■')  über  die  randstän  digen  Accessoria 
des  Autopodium  zu  geben,  um  wenigstens  zeigen  zu  können,  in  welcher 
Zahl  dieselben  gefunden  worden  sind  (p.  304). 

Einen  Ausweg  aus  dem  Wirrsal  schwankender  und  schwer  zu 
deutender  Befunde  hat  Gegenbaur  (1880)  zu  geben  gesucht,  indem 
er  die  Frage  aufwarf,  ob  denn  der  Atavus  bekannt  sei,  aufweichen 
diese  prä-  und  postaxialen  Rudimente  seitens  der  atavistischen  Hypo- 
these bezogen  werden  möchten.  Wüßten  wir,  daß  wirklich  einmal  bei 
Tetrapoden    eine  Hand    oder    ein  Fuß  mit  komplettem  Präpollex  oder 


(Bardeleben  1894)  neuerdings  angegeben,  es  handle  sich  nicht  um  Nägel,  sondern 
um  Hautschwielen  (Eimer  1902,  p.  213).  Pfitzner  (1892)  bezweifelt  andererseits, 
daß  Nägel  ein  Charakteristicum  eines  Fingerendes  seien,  weil  sich  bei  Amputationen 
auch  am  Stumpf  Nägel  als  Neubildung  eini^tellen  können. 

1)  In  der  Hypothese,  daß  ursprünglich  das  Chiridiura  mehr  als  5  Finger  (Zehen) 
besessen  habe,  hat  sich  die  atavistische  Hypothese  zu  dem  Versuch  erhoben,  die  bei 
den  verschiedensten  Tetrajaoden  vorkommenden  Sesambeine  zu  einem  einheitlichen 
Schema  zusammenzufassen.  —  In  der  Oligodactylie  wird  von  den  meisten  Autoren 
eine  Rückbildung  gegenüber  pentadactylen  Vorfahren  gesehen  (s.  Text  w.  u.).  Ich 
bespreche  sie  jedoch  hier  gleich  im  Anschluß  an  die  Hyperdactylie.  —  Zum  Ver- 
gleich der  fraglichen  Reihenbildungen  mit  primären  Strahlen  sind  auch  die  Bezie- 
hungen zu  den  Weichteilen  (Muskeln,  Gefäßen,  Nerven,  Carlsson  1890,  v.  Barde- 
leben 1894,  Leboucq  1898,  BALLOwaTZ  1904)  herangezogen  worden.  Es  sind  dies 
vergleichend-anatomische  Untersuchungen,  auf  die  hier  nicht  eingegangen  werden  kann. 

2)  Die  Konstanz  des  Auftretens  ist  erst  ersichtlich,  wenn  feststeht,  welche 
Sesambeine  bei  den  verschiedenen  Wirbeltieren  einander  homolog  sind.  Gerade  hier 
herrscht  eine  außerordenthche  Divergenz  der  Ansichten.  Zum  Teil  hat  dieselbe  darin 
ihren  Grund,  daß  Skelettstücke,  welche  sich  äußerlich  ähnlich  sehen,  an  nicht  identi- 
schen Lokalitäten  gefunden  werden.  Die  einen  Autoren  sehen  dies  als  Folge  von  Ver- 
schiebungen an  und  halten  an  der  Homologie  der  betreffenden  Elemente  fest ;  die 
anderen  betrachten  die  verschiedene  Lokalisation  als  Beweis  für  ahomologe  Ent- 
stehung (z.  B.  Pisiforme  bei  Reptilien  und  Mammaliern  A.  Carlsson  1890,  E.  Ro- 
senberg 1892,  Pfitzner  1892,  Thilenius  1896  u.  a.).  Ferner  wird  ein  und  das- 
selbe Stück  manchmal  von  der  einen  Gruppe  der  Autoren  als  Rest  eines  zu  Grunde 
gehenden  kanonischen  Strahles  gedeutet,  während  die  andere  es  auf  einen  überzäh- 
hgen  Finger  bezieht  (z.  B.  die  radiale  Reihe  von  Accessoria  beim  Carpus  der  Anuren 
gleich  Daumen  nach  Gegenbaur  1864  u.  v.  a.;  gleich  Präpollex  nach  Emery  1894, 
Perrin  1896  u.  a. ;  das  am  tibialen  Fußrand  der  Mammalier  liegende  Knorpel-  und 
Knochenstück  von  Baur  (1884)  zuerst  als  Prähallux  bezeichnet,  nach  Baur  seit  1889, 
Emery  1901  für  kanonisches  Tibiale  gehalten). 

3)  Die  meisten  hier  aufgeführten  Accessoria  sind  embryologisch  bekannt.  Die 
beigegebenen  litterarischen  Notizen  mögen  für  den  Anfang  einer  genaueren  Orien- 
tierung an  die  Hand  gehen.  Vollständig  sind  dieselben  nicht.  Die  mir  fraglichen 
Accessoria  bezeichnete  ich  durch  ?  .  —  Auch  die  flächensländigea  Sesambeine 
sind  auf  ihre  Konstanz  hin  geprüft  worden ;  doch  ist  bei  ihnen  die  Bestim- 
mung der  Homologien  noch  schwieriger,  auch  ihr  Vorkommen  bei  niederen  Tetra- 
poden   weit  spärlicher  als  bei  den  randständigen  Accessoria  (siehe  Thilenius  1896). 


304 


H.  Braus, 


R a  n  d  s  t  ä  n  d  i  g e  A  c  c  e  s  s  o  r  i  a  des  A  u  t o  p  o  d  i  u  in. 


Präaxiale  Accessoria 
(sog.  PräpoUex,  s.  -hallux) 

Hand                         Fuß 

Postaxiale  Accessoria 
(sog.  Postminimus) 

Hand                           Fuß 

Alle  Uro  delen  (Eme- 
ry    1894 ;     nach    den 
übrigen  Autoren  =  Cj 

Nur     bei     Crypto- 
branchus    (Kehrer 

1886,  OsAWA  1902) 

Alle  Anuren  (Emery 
1894,  Perrin  1896  u.a.) 

Vacat     bei     allen 
Amphibien  (Baur 
1890  u.  a.) 

1? 

1 
1-5? 

0 

1 

2? 

1 

Ve  r  einzelte 

ürodelen(WlE- 
dersheim  1876, 
Kehrer     1886, 
Baur  1888,  OsA- 
WA  1902,  u.  a.) 

Alle      Anuren 
(Gegenbaur 
1864,  Born  1875, 
Baur  1888  u.  a.) 

1-2 
2-4 

1? 
2 

a 

a 
< 

c 

Ol 

Vacat  bei  Am- 
phibien     (fast 
alle  Autoren) 

Pelobates:vor- 
übergehende   se- 
parate Existenz, 
sjjäter  Verwach- 
sung mit?«  (Eme- 
ry 1894) 

0 
1 

1 

1 

1 

3  bis 
viele 

Ver  einzelte 
U  r  0  d  e  1  e  n 
(Hyrtl     1865, 
Wiedersheim 

1876,  Baur  1888) 

1—2 

c 

&, 

S 

<1 

Chelonier      (Gegen- 
BAüR  1864,  E.  Rosen- 
berg 1875,  C.  K.  HoFP- 
mann  1877—78,  Keh- 
rer 1886,     Mehnert 
1897) 

Theriodesm  US  (fossil, 
Seeley  1889,  Barde- 
leben 1889) 

Lacertilier   (Emery 

1894) 

Chelonier  (em- 
bryonal     Baur 

1885) 

Plesiosaurus 

(fossil) 

Hatteria  (Gün- 
ther 1868,Baur 
1885,  Schauins- 
land 1903) 

Lacertilier 
(Born  1876,  C. 
Rabl   1903*) 

Chelon  ier 
(E.  Rosenberg 
1875, 1892,  Meh- 
nert 1897  ,    C. 
Rabl  1903^) 

Ichthyosau- 
rus,Baptano- 
d  0  n  (fossil) 

Vacat  (nach Baur 

(1885)  ist  der  7)/cv 
+    Zehe    gleich 
überzähligem 
Strahl  beiSchild- 
kröten embryo- 
nen) 

0 
0 

a 

Nach    AV.   K.  Parker 
(1888)  beim  Hühnchen, 
jedoch     nach     Norsa 
(1894)     ohne    separate 
Anlage 

0 
1-2 

1 

2 

2 

2 

2 

Vacat 

0 

'öS 
•.o 

> 

Vorübergehende 
Anlage  nach 

Norsa  1894 

1 

Vacat 

'S 
•■o 

> 

Monotremen,  Mar- 
supialier       (Emery 
1901) 

SesambeinimMusk. 
abd.  pollicisvieler 
M  a  m  m  a  1.      (Mivart 
1871,    E.   Rosenberg 
1875,  Leche  1884,  Le- 
boucq    1884,      Baur 
1885  u.  a.) 

Vereinzelte  Nager 
(Baur  1885,    Barde- 
leben 1885, 1890,  Eme- 
ry 1890,  1891) 

Proboscidier:  Hyrax- 
embryo  (E.  Fischer 
1903) 

Affen  embryo  (Keh- 
rer 1886) 

Homo  embryo  (Thile- 
Nius  1896) ' 

Monotremen 
(Emery  1901) 

Marsu  piali  er 
(Baur  1885, 
Emery) 

Raubtiere 
u.  V.  a.  Mamm. 
(Blainville  u. 
V.  a.,  s.  Tornier 

1891) 

Homo   (separate 
Anlage  der  Tu- 
berositas  navicu- 
laris        Barde- 
leben 1885,Thi- 

LENIUS    1896) 

1 
1-2 

4 
1 

a2 

Pisiforme  (Al- 
bin US  u.  V.  a. ; 
V.  Bardeleben 

(1894)  giebt  zwei 
Knöchelchen  au, 
aber      bestritten 
von  Eimer  1901 
u.  a.) 

Fledermaus- 
embryo         (Le- 
BOUCQ  1899) 

Kaninchen- 
embryo  (Emery 
1901) 

1 
2 

Vacat       (manche 
Autoren     halten 
den      Calcaneus 
bei    H  0  m  o   für 
partiell  horaody- 
nam  dem  Pisifor- 

me,BARDELEBEN 

1894.      Dasselbe 
nimmt  Leboucq 
1899  für  die  Fl  e- 
d  e  r  m  a  u  s  an) 

1? 

äs 

3 
:e3 

Entw.  d.  rorm  d.  Extremitäten  u.  d.  Extremitätenskeletts.       305 

Postminimus  existiert  hätte  und  wie  diese  überzähligen  Strahlen  zu- 
sammengesetzt und  dem  Autopodium  eingegliedert  gewesen  wären,  so 
hätten  wir  das  Instrument,  das  mit  größerer  Sicherheit  den  Vergleich 
der  Randaccessoria  ermöglichen  würde.  Da  aber  nur  Rudimente  außer 
den  5  kanonischen  Fingern  bekannt  sind,  so  sind  alle  Versuche  nicht 
über  vage  Vermutungen  hinausgekommen. 

Freilich  kommen  als  Varietäten  polydactyle  Mißbildungen  vor 
(vergl.  Kap.  III  '*).  Zum  größten  Teil  sind  sie  mit  anderen  Mißbildungen  verge- 
sellschaftet (z.  B.  Einschaltungen  von  Fingern  zwischen  die  gewöhnlichen 
in  der  Form  spiegelbildlicher  Veimehrung  der  normalen  Strahlen;  in  diesen 
Fällen  ist  die  Vermehrung  als  Doppelbildung  zu  bezeichnen:  Diplochirie, 
Diplopodie).  Oder  es  liegen  Spaltungen  einzelner  Finger  vor  (Schizo- 
dactylie),  wie  daraus  manchmal  erkannt  werden  kann,  daß  der  eine  oder 
andere  Bestandteil  —  Metacarpus,  Metatarsus  —  noch  beiden  gemeinsam 
und  einheitlich  ist.  Besonders  wichtig  für  die  Beurteilung  der  poly- 
dactylen  Mißbildungen  sind  Parallelfälle,  welche  bei  Säugern  mit  normal 
oligodactylen  Extremitäten  vorkommen.  Es  treten  hier  (z.  B.  beim  Pferd, 
Schwein  etc.)  gelegentlich  Varietäten  auf,  bei  welchen  mehr  Strahlen  als 
in  der  gewöhnlichen  Reduktion sform  vorhanden  sind.  Obwohl  unter  diesen 
Rückschläge  auf  uns  (zum  Teil  auch  paläontologisch)  bekannte  Vorstufen 
(wie  Hipparion)  vorkommen,  hat  sich  doch  in  einem  großen  Teil  der 
Fälle  erweisen  lassen,  daß  die  überzähligen  Elemente  als  Monstrositäten, 
nicht  als  Homonome  der  gewöhnlichen  Zehen  entstanden  waren  (Gegen- 
BAUR  1880,  1884,  Boas  1884).  Die  polydactyle  Varietät  als  solche  kann 
also  keine  Sicherheit  geben  und  nicht  die  direkte  Kenntnis  des  hyper- 
dactylen  Atavus  ^)  ersetzen. 

Dar-win  (1868),  welcher  in  der  Polydactylie  einen  Atavismus  er- 
blickte, begründete  dies  durch  die  Vererbbarkeit  derselben,  für  welche 
es  zahlreiche  (seitdem  noch  erhebliche  vermehrte)  Beispiele  in  der 
Kasuistik  der  Mißbildungen  giebt.  Es  hat  sich  jedoch  gezeigt,  daß  zweifel- 
lose Doppelbildungen  ebenso  häufig  generationenweise  bei  einer 
Species  auftreten  können  2) 

Die  Oligodactylie^)  gilt  bei  Amnioten,  soweit  sie  sich  in  der 
normalen    Entwickelung    bildet,    allgemein    als    Hemmungsbildung 

1)  Von  manchen  Autoren  wurde  die  polyaktinote  Flosse  der  Halisaurier  (Ichthyo- 
saurus, Baptanodon)  als  Atavus  angesehen  (üegenbaur  1870  [zeitweihg],  E.  Rosen- 
berg LS75,  Marsh  1880  u.  a.).  Doch  waren  auch  bei  diesen  keine  voll  funktionie- 
renden überzähligen  Strahlen  vorhanden.  Höchst  wahrscheinlich  sind  diese  poly- 
aktinoten  Formen  von  den  Extremitäten  der  Landreptilien  abzuleiten  und  also  se- 
kundärer Art.  —  Wollte  man  auf  die  Fischflosse  zurückgreifen ,  bei  welcher  die 
polyaktinote  Extremität  reich  vertreten  ist,  so  steht  dem  die  völlig  andere  Form  und 
Entwickelungsart  der  Accessoria  bei  Tetrapoden  entgegen.  —  Den  hypothetischen 
Grundplan  des  primären  Chiridium,  den  man  auf  Grund  der  Lagerung  und  Ent- 
wickelung der  kanonischen  Elemente  zu  rekonstruieren  versucht  hat,  zur  Basis  des 
Vergleiches  machen,  heißt  Hypothesen  auf  Hypothesen  gründen.  Denn  auch  über 
jenen  Grundplan  herrscht  keine  Klarheit. 

2)  Es  haben  also  auch  Regenerationen  gelegentlich  amputierter  hyperdactyler 
Finger,  welche  Darwin  für'  häufig  hielt  (was  übrigens  Rüdinger  1876  bestritt)  und 
als  atavistisches  Charakteristikum  der  Hyperdactylie  anführte,  kaum  diese  Bedeutung. 
Am  ehesten  würde  die  Verfolgung  der  Embryonalentwickelung  hyperdactyler  Extre- 
mitäten hier  neuen  Aufschluß  geben.  —  Daß  die  Polydactylie  nicht  bloß  auf  Defekt- 
bildungen durch  amniotische  Fäden  oder  ähnliche  äußere  Druckwirkungen  (Zander 
1801,  Turnier  1896)  zurückzuführen  sei,  ist  wohl  vorauszusehen.  Uebereinstimmende 
Polydactylieen  in  beiden  Körperhälften,  die  häufig  vorkommen,  widerstreben  solchen 
generalisierenden  Annahmen  völlig. 

3)  Vergl.  hierzu  den  Abschnitt :  Meta-  und  Acropodium. 

Handbuch  der  Entwickelungslehre.    III.  2.  20 


306 


H.  Braus, 


In  den  meisten  Tällen  ist  auch  ontogeuetisch  die  Anlage  von  fünf  vor- 
knorpeligen Radien  noch  zu  finden  (s.  p.  284)  und  dadurch  diese  Annahme 
beweisbar.  Bei  Amphibien  wird  jedoch  das  Vorkommen  von  nur 
vier  Zehen  an  der  Hand  als  etwas  Primitives  (als  eine  Zwischen- 
stufe zwischen  mono-  und  pentadactyleu  Extremitäten ,  vergl.  Schluß) 
betrachtet.  Baür  (1888),  Zwick  (1898)  und  Rabl  (1901)  sehen 
die  Oligodactylie  auf  Grund  des  successiven  Aussprossens  der 
Finger  in  der  Ontogenese  der  Urodelenhand  als  etwas  Primäres  an, 
andere  Autoren  (Shitkov  1899,  Wiedersheim  1892)  erörtern  daraufhin 
die  Möglichkeit  einer  solchen  Auffassung.  Doch  ist  bereits  von  Ejiery 
(1894)  und  Mehnert  (1897)  gegen  diese  Beweisführung  geltend  gemach^ 
worden,  daß  die  zeitliche  Folge  in  der  Entstehung  der  Finger  schon  he' 
Anuren  eine  andere  und  überhaupt  in  der  Vertebratenreihe  sehr 
wechselnde  ist.  Mit  gewissem  Recht  könnte  für  alle  diese  Modalitäten, 
soweit  sie  richtig  beobachtet  sind ,  eine  besondere  Urform  verlangt 
werden.  —  Von  besonderer  Wichtigkeit  für  diese  Frage  sind  die  Befunde 
von  VAN  Pee  (1903).  Jener  Autor  wies  bei  Larven  von  Amphiuma  noch 
Anlagen  von  3  Strahlen  nach,  während  bei  ausgewachsenen  Tieren  dieser 
Art  3,  2  oder  nur  ein  Finger  gefunden  wird  (Fig.  255).  Er  stellte  damit 
fest,  daß  bei  einer  Form  mit  weniger  als  4  Zehen,  welche  im  Licht  jener 
Hypothese  als  phylogenetische  Vorstufe  der  4-fingrigen  Arten  erschien,  in 
Wirklichkeit  eine  R  e  d  u  k  tion  eingetreten  ist.  FtJRBRiNciER  (1902,  ]  903) 
hat  auch  für  die  4-fingrigen  Formen  der  Amphibien,  bei  welchen  sich 
bisher  ontogenetisch  keine  weitere  Anlage  eines  Fingers  finden  ließ,  die 
vergleichend-anatomischen  Momente  (relative  Größe  des  Extremitäten- 
gürtels, allgemeine  Körperform)  und  paläontologischen  Funde  erörtert, 
welche  gegen  primäre  Oligodactylie  sprechen. 

Es  sind  schließlich  noch 
physiologische  Argu- 
mente geltend  gemacht  wor- 
den, welche  über  den  atavisti- 
schen oder  progressivistischen 
Charakter  der  Accessoria  Aus- 
kunft geben  sollten.  Die  Be- 
ziehungen der  Sesam- 
beine  zu  den  Muskelseh- 
nen sind  es,  welche  hier  eine 
große  Rolle  gespielt  haben  ^). 
T       Ontogenetisch    hat   sich  nach- 

Fig.  255.    Eückbikhmg  des  3. 

Fingers   bei  Amphiuma   (nach  van 

Pee).      a   vordere  Extremität    einer 

Larve  von  40  mm,    b    einer  solchen 

von  127  mm  Länge. 

1)  Im  Sinn  der  atavistischen  Hypothese  sind  diese  Beziehungen  so  ge- 
deutet worden,  daß  durch  die  Verwendung  von  Radienr  u  dim  enten  seitens  des 
motorischen  Apparates  der  Extremität  (als  Hypomochlion,  Verstärkungen  der  Ge- 
lenkkapsel, Widerlager  für  Bänderdruck  u.  dgl.)  ein  Funktionswechsel  eingeleitet  und 
dadurch  ein  völliges  Verschwinden  der  betreffenden  Elemente  verhindert  worden  sei. 
Ja,  nach  dieser  Auffassung  kann  auf  die  vorübergehende  Reduktion  eine 
Art  Nachblüte  durch  progressive  Entwickelung  in  neuer  Richtung  folgen.  Anderer- 
seits benutzt  die  rein  i^rogressivistische  Hypothese  die  Beziehung  der 
Accessoria  zu  den  Muskelsehnen,  um  die  Neu  en  tstehun  g  von  Sesambeinen  aus 
rein  mechanischen  Gründen  darzuthun.  Es  brauchen  selbstredend  beide  Auffassungen 
keine  generelle  Bedeutung  zu  haben.  Bei  dem  einen  Accessorium  könnte  dieser,  beim 
anderen  jener  Prozeß  gewaltet  haben. 


III . 


III  - 


Entw.  d.  Form  d.  Extremitäten  u.  d.  Extremitätenskeletts,       307 

weisen  lassen,  daß  in  vielen  Fällen  Anlagen  von  Accessoria  früher  auf- 
treten als  diejenigen  von  Gelenkspalten  und  Muskelselmen  überhaupt 
(Retterer  1884, 1885,  E.  Rosenberg  1892,  Pfitzner  1893,  Thilenius 
1895,  1896).  Auch  liegen  die  Sesambeine  den  Muskelsehnen  manch- 
mal nur  an.  wenn  letztere  zuerst  in  der  Entwickelung  hervortreten, 
und  verharren  in  dieser  Lage  häufig  zeitlebens.  Solche  zeitliche  und 
räumliche  Diskrepanzen  haben  besonders  Pfitzner  und  Thilenius 
Anlaß  gegeben,  eine  Beziehung  der  Accessoria  zu  den  Sehnen  und 
Bändern  gänzlich  in  Abrede  zu  stellen  und  die  progressivistische 
Hypothese  für  unanwendbar  zu  erklären,  weil  —  ohne  Beteiligung  der 
Sehnen  und  Bänder  an  der  Neuentstehung  der  Sesambeine  —  der 
zureichende  Grund  für  eine  Neubildung  fehle.  Dagegen  ist  jedoch  zu 
bedenken,  daß  häufig  in  der  individuellen  Entwickelung  Korrelationen 
zwischen  verschiedenen  Anlagen,  solange  ihre  Funktion  nicht  aktiviert 
ist.  hintangehalten  werden  können  und  doch  an  dem  Bestehen  solcher 
Korrelationen  in  der  Phylogenie  festgehalten  werden  muß  (z.  B.  Aus- 
bildung der  Gelenkform  ohne  Beziehung  zur  Muskel  Wirkung  p.  286 
u.  dgl.  m.).  Es  sei  hier  auch  auf  die  hochgradige  Selbstdifferen- 
zierung hingewiesen,  welche  nach  W.  Roux  in  frühen  Entwickelungs- 
epochen  allen  Em brj^onalan lagen  eigen  ist. 

Es  ist  bedauerlich,  daß  wir  über  die  Korrelationen  der  Acces- 
soria und  Sesambeine  im  entwickelungspbysiologischen  Sinn  keine  zu- 
verlässige Kenntnis  haben.  So  sind  noch  viele  Details  dunkel,  namentlich 
daß  manche  Sesambeine  überhaupt  nie  zu  Sehnen  in  Beziehung  treten ; 
ferner  daß  dort  gerade  Sesambeine  sich  finden  können,  wo  der  Funktion 
nach  keine  erwartet  werden  sollten,  und  daß  manchmal  da,  wo  viele  er- 
wartet werden,  keine  zu  finden  sind  (z.  B.  Metacarpo-pbalangealgelenk 
von  Daumen  und  Fingern  bei  Homo) ;  schließlich  die  oft  kolossale  Größe  der 
Sesambeine  im  Vergleich  zur  Stärke  der  benachbarten  Sehne.  Alle  diese 
Fälle,  welche  von  Pfitzner  und  Thilenius  positiv  gegen  die  progres- 
sivistische Hypothese  angeführt  werden,  stellen  aber  nichts  anderes  als 
Lücken   in  unserer  Erkenntnis  dar. 

Ueberblickt  man  die  Argumente,  welche  für  und  wider  die  primäre 
Natur  der  Accessoria  geltend  gemacht  worden  sind,  so  ist  keines  für 
ausschlaggebend  und  beweiskräftig  genug  zu  halten,  um  ein  sicheres 
LTrteil  darauf  zu  gründen  ^).  Ich  werde  mich  deshalb  im  folgenden 
auf  die  kanonischen  Elemente  beschränken. 


1)  Manche  Ansätze  sind  gemacht,  welche  zu  einer  Entscheidung  für  bestimmte 
Accessoria  führen  können.  Ich  verweise  auf  die  Versuche,  in  Frühstadien  der  Ent- 
wickelung die  feinere  Materialanordnung  und  -Verteilung  zu  verfolgen  ^p.  302).  Wenn 
ich  es  deshalb  nicht  für  ausgeschlossen  halte,  daß  die  primäre  Abkunft  einzelner 
Accessoria  einst  erwiesen  werden  könnte  und  vielleicht  für  viele  der  Form  nach  un- 
differenziertes, skeletogenes  Material  der  primären  Extremitätenplatte  durch  Aus- 
wanderung beisteuert,  so  ist  dies  alles  doch  nicht  erwiesen.  Der  Haupteinwand  gegen 
die  atavistische  Hypothese,  daß  ihr  der  Nachweis  des  Atavus  selbst  als  des  reellen 
greifbaren  Untergrundes  aller  Spekulationen  fehlt  (p.  305),  besteht  zu  Recht,  solange 
wir  nicht  wissen,  aus  welchem  Material  in  letzter  Linie  die  Accessoria  aufgebaut 
sind.  —  Von  den  Autoren,  welche  ursprünglich  oder  vorübergehend  die  atavistische 
Hypothese  vertraten,  haben  mehrere  ihre  Ansicht  nachträglich  geändert  (Gegenbaur 
1888,  Baur  18S9,  Leche  1894,  Wiedersheim  1902)  und  halten  die  primäre  Hvper- 
dactylie  nicht  mehr  für  bewiesen.  Andere  wie  Winge  (1887,  1888),  Tornier  (1889), 
A.  Carlsson  (1890),  Fleischmann  (1891  A.  L.  III  ^"j  haben  stets  die  progressivistische 
Hypothese  verteidigt.  Eine  vermittelnde  Stellung  nehmen  Kollmänn  (1888),  Emery 
(1890),  M.  Weber  (1904)  ein,  indem  sie  zwar  eine  Abstammung  vom  primären  Skelett 
(nämlich  von  indifferenten,  bei  Fischen  vorkommenden  ßadieu),  aber  nicht  eine  solche 

20* 


308 


H.  Braus, 


S  p  e  c  i  e  1 1  e  E  n  t  w  i  c  k  e  1  u  n  g  der  Elemente  des  A  u  t  o  p  o  - 
dium^)  Ich  beginne  mit  dem  Basipodium.  Im  Carpus  derUro- 
delen  finden  sich  entwickelungsgeschichtlich  Anordnungen  der  Ele- 
mente, welche  recht  verschieden  sind  vom  ausgebildeten  Zustand  und 
erst  allmählich  in  diesen  übergeleitet  werden.  Ein  gewisser  Gegensatz 
besteht  unter  den  bisher  untersuchten  Urodelen  zwischen  Salamandrinen 
einerseits  und  Tritonen  andererseits.  Was  erstere  angeht,  so  legen 
sich  nach  Shitkov  (1899)  bei  Isodactylium  die  Carpalia  besonders 
deutlich  in  Längsstrahlen  geordnet  an,  welche  zum  Teil  direkt  in  die 
stets  längs  gegliederten  Elemente  des  Metapodium  hineinführen 
(Fig.  256a:  r  und  a  in  Finger  Ä,  Centrund^  in  Finger  B ;  u  hat  zu 
den  beiden  Carpalia  distalia  y  und  o  und  den  zugehörigen  Fingern  C  und 


R 


u  R 


C         B 

C         y    B       A 

Fig.  25ü.  Entwickelung  des  Carpus  bei  Salamandrinen.  a)  Von  einer  Larve  des 
Isodactylium  (nach  Shitkov),  b)  von  einer  älteren  Larve  der  Öalamandra  maculosa 
(nach  GrEGENBAUR),  c)  vom  erwachsenen  Feuersalamander  (nach  Gegenbaur). 

JD  gemeinsame  Beziehungen].  Bei  einer  älteren  Larve  von  Salamandra 
maculosa  fand  Gegenbaur  (1864)  noch  eine  ähnliche  Reihenordnung, 
nur  sind  die  Elemente  völlig  gesondert  und  fest  aneinander  gerückt 
(Fig.  256b).  Das  Carpale  distale  y  ist  (wie  dies  beim  ausgewachsenen 
Isodactylium  auch  geschieht,  vergl.  Fig.  248c)  von  u  weggerückt,  o  aber 


ausgebildet 


und    u    benachbart 


geblieben. 


Beim    ausgebildeten    Tier 


--'& 


(Fig.  256c)  ist  Konkrescenz  zwischen  u  und  i  eingetreten  (doch  markiert 
die  Durchtrittsstelle  der  Arteria  perforans  carpi  noch  die  ursprüngliche 
Trennungslinie).  Es  hat  sich  außerdem  das  distale  Carpale  a  vom 
Finger  a  entfernt ;  statt  seiner  trägt  ß  die  beiden  Finger  n  und  h  (Ba- 
sale commune). 

Bei  Tritonen  sind  besonders  die  frühesten  Sonderungen  der  Carpalia 
bekannt  (Götte  1879,  Strasser  1879,  Zwick  1898,  Rabl  1901, 
Iir'',  p.  235).  Als  erstes  Skelettelement  legt  sich  ein  Carpale  distale 
an.     Dasselbe  liegt  wesentlich  an  der  Basis   des  Fingers  h  (Fig.  257a). 


vergrößert    sich    dann    aber  bald   und 


trägt 


fortab   Finger 


a  und   b 


von  typischen  Fingern  annehmen.  Entschiedene  Vertreter  der  atavistischen  Hypothese 
für  manche  Accessoria  sind  E.  Rosenberg  (1875),  v.  Bardeleben  (1884—1894), 
Kehrer  (1886),  KIjkenthal  (1889),  Retterer  (1898);  für  alle  Accessoria  huldigen 
dieser  Auffassung:  Pfitzner  (1892),  Thilenius  (1896). 

1)  Zur  Abkürzung  benutze  icli  die  in  Tabelle  p.  295  angemerkten  Buchstaben 
für  die  einzelnen  Skclettteile.  —  Wegen  der  Kontroverse,  welche  über  die  Beziehung 
der  Finger  bei  Amphibien  besteht  (p.  236,  Anm.  1),  benutze  ich  die  nichts  involvie- 
rende Bezeichnung  der  Carpalia  distalia  mit  a — d  und  der  Metacarjjalia  mit  Ä—D. 
Bei  diesen  Figuren  ist  deshalb  (um  keine  Verwechslung  mit  dem  mc.  C  herbeizu- 
führen) das  Centrale  mit  Centr  bezeichnet,  während  ich  dasselbe  im  Allgemeinen  kurz 
C  nenne  (p,  295). 


Entw.  d.  Form  d.  Extremitäten  vi.  d.  Extremitätenskeletts.        309 

gemeinsam  (Basale  commune),  immer  jedoch  Finger  h  mehr  als 
Finger  a  zugehörend  (Fig.  257  b).  Es  besteht  also  insofern  Aehn- 
lichkeit  mit  ß  bei  Salamandra  (Fig.  256),  als  sich  dieselbe  Ver- 
schiebung   wie     dort,     nur    in    viel    früherem    Entwickelungsstadium 


u 


E 


Fig.  257.  Entwickelung  des  Carpus  der  Tritonen.  a,  b  verschiedene  Entwickelungs- 
stadien  von  Triton  taeniatus  (nach  Rabl),  c  ausgebildeter  Carpus  von  Triton  punctatus 
(nach  Gegenbaur).  Die  Knorpel  sind  mit  ausgezogenen,  der  Vorknorpel  mit  ge- 
strichelten Konturen  angegeben. 


vollzieht.  Ich  halte  deshalb  beide  Carpalia  für  einander  homolog^). 
Zeitlich  an  zweiter  Stelle  tritt  bei  Triton  ein  Knorpelcentrum  radial 
vom  Foramen  arteriae  perforantis  auf,  welches  sich  später  in  Centr  und 
*  sondert  (Fig.  257  b  und  c).  Mit  ihm  ist  die  Anlage  von  u  in 
engem  Konnex  und  endlich  völlig  verschmolzen.  Auch  hier  tritt  uns 
in  der  Konkrescenz  von  u  und  i  ein  bei  Salamandrinen  (ähnlich  bei 
Necturus,  Baur  1888,  p.  18)  erst  in  späteren  Entwickelungsstadien 
sich  abspielender  Prozeß  schon  früh  als  vollzogen  entgegen.  Ob  der 
Zusammenhang  von  C  und  ^,  an  welchen  sich  in  späteren  Stadien 
Trennung  beider  anschließt,  bei  Salamandra  in  frühen  Stadien  auch  vor- 
handen ist,  ist  noch  unbekannt.  Bei  Salamaudrella  ist  nach  Shitkov 
etwas  derartiges  nicht  zu  sehen  (Fig.  256a).  Als  drittes  separates 
Centrum  entwickelt  sich  bei  Triton  (und  zwar  fast  gleichzeitig  mit  den 
zuletzt  geschilderten)  am  radialen  Carpalrand  ein  Knorpelkern  r,  welcher 
sich  später  verlängert.  Aus  seinem  terminalen  Ende  sondert  sich  das 
Carpale  distale  a.  Bei  einzelnen  Tritonenformen  (Fig.  257c)  bleibt  a 
zeitlebens  ungesondert  mit  r  verbunden.  Bei  Salamandrinen  (Fig.  256a) 
ist  eine  primäre  Beziehung  desselben  zu  Finger  a  nachweisbar. 
Wenn  sich  bei  Triton  diese  Beziehung  nicht  ausbildet,  sondern  direkt 
der  Endzustand  eintritt,  so  fällt  dies  meines  Erachtens  in  dieselbe 
Kategorie  der  Vereinfachung  seiner  Entwickelung,  welche  wir  schon  bei 
der  Konkrescenz  von  u  und  i,  der  Topographie  von  ß  und  in  einem 
früheren  Abschnitt  (p.  292)  bei  der  Anlage  von  i  bemerkten.  Die 
Knorpelcentren  u,  y  und  5  bilden  sich  zuletzt,  und  zwar  von  einem 
Knorpelring  aus,  welcher  sich  von  i  H-  C  aus  bildet,  die  Arteria  per- 
forans  carpi  umgreift  und  sich  dann  in  die  genannten  Elemente 
sondert.     Diese  Art  der  Sonderung  scheint  von  der  bei  Salamandrinen 


1)  Strasser  (1879),  Emery  (1894),  Zwick  (1898),  Rabl  (1901 1.  c,  1903*)  fassen 
dagegen  die  sekundäre  Lage  voji  a  (entsprechend  Fig.  256c  und  Fig.  257c)  als  die 
primäre  auf  und  leugnen  seine  Zugehörigkeit  zu  Finger  a.  Ich  folge  in  meiner  Auf- 
fassung Gegenbaur  und  Götte. 


310 


H.  Braus, 


beobachteten  keine  wichtige  Verschiedenheit  zu  besitzen.  Ich  betrachte 
deshalb  die  Entfaltung  des  Carpus  der  letzteren  als  den  einfachsten 
zur  Zeit  bei  Amphibien  bekannten  Entwickelungsmodus  des  Basi- 
podium,  von  welchem  die  Ontogeuie  bei  Triton  erst  in  vielen  Punkten 
abzuleiten  ist.} 

Rabl  (1901)    gründete    dagegen    auf   die  Topographie    und    zeitliche 
Succession   der  Knorpelcentren   bei  Triton   ein  Schema  nicht  nur  für  die 

Phylogenie  der  Urodelenextremität,  sondern  für 
das  Autopodium  der  Tetrapoden  überhaupt. 
Stkasser  (1902)  hat  auf  Grund  neuer  Unter- 
suchungen über  den  Carpus  von  Urodelen  imd 
Anuren  bestritten,  daß  der  Ausgangspunkt  Rabl's 
der  richtige  sei  (vergl.  auch  die  Einwände  M. 
Fürbringer's  1902,  III 5,  p.  234  und  van  Peb's 
1904  gegen  Rabl). 


mt  IV 


mt JII         mt  II    mt I 


Fig.  258.  Tarsus  einer  J^arve  von  Triton  taeniatus 
(nach  ÖTRASSER),  Die  Knorpel  mit  ausgezogenen  Linien, 
der  Vorkuorpel  mit  gestrichelten  Linien  bezeichnet.  Die 
Knorpelcentren  hängen  durch  Brücken  hyaliner  Grund- 
substauz  zusammen  (punktierte  Bänder). 


Im    Tarsus    der    Urodelen    vollziehen    sich    die  Sonderungen    der 
Elemente  so  ähnlich  dem  Carpus,    wenn  man    das   t^  mit  a,  U    mit  ß, 


t-,  mit  Y  etc.  vergleicht,  daß  ich  von  einer  besonderen  Schilderung 
absehe.  Die  Sonderung  des  5.  Tarsale  distale,  welches  neu  hin- 
zutritt, ist  bei  der  pentadactylen  Extremität  von  Triton  genauer 
bekannt  (Strasser  1879).  An  ein  Stadium  (Fig.  258),  welches  noch 
völlig  dem  bei  der  vorderen  Extremität  gleicht  und  dort  kurz 
auf  das  Stadium  Fig.  257b  folgt,  schließt  sich  ein  weiteres  an,  in 
welchem  neben  ^^4  ein  weiteres  Centrum  ^^5  besteht.  Anfangs  sind 
beide  Verdichtungen  nur  „durch  einen  dünnen  Hals"  verbunden.  Später 
wird  die  Vereinigung  eine  komplette  ((^4  +  5).  Bei  Salamanderlarven 
wurden  dagegen  die  beiden  Knorpel  noch  völlig  getrennt  gefunden 
(Gegenbaur  1864).  Also  auch  hier  haben  letztere  den  primitiven 
Zustand  reiner  bewahrt. 

Die  identische  Entfaltung  von  a  und  ^4,  ß  und  t^,  y  und  ^3,  ö 
und  t^  hat  GOtte  (1879)  und  Strasser  (1879)  veranlaßt,  zu  folgern,  daß 
diese  Gebilde  jedesmal  homodynam  seien,  daß  also  bei  der  Hand  das  Homo- 
dynam  von  tr,  fehle.  Damit  schien  bewiesen,  daß  der  fünfte  Finger  bei  der 
Hand  der  Urodelen  nicht  vorhanden  sei  ^).  Gegenbaur  (1898)  hält  die  beige- 
brachten Gründe  nicht  für  bindend,  da  Hand  und  Fuß  von  vornherein 
vei'schiedene    Entwickelungsbahnen     eingeschlagen    haben     könnten     und 


1)  WiEDERSHEiM  (187G  A,  p.  8)  hat  schon  vorher  auf  den  Vergleich  ausge- 
bildeter Hände  und  Füße  hin  behauptet,  daß  nur  danu  die  Carpalia  und  Tarsalia 
zwanglos  homodynam  gesetzt  werden  könnten,  wenn  man,  von  der  präaxialen  Seite 
anfangend,  Stück  für  Stück  miteinander  vergleiche.  Dasselbe  that  Rabl  (1901,  III '', 
p.  235)  an  einem  großen,  besonders  sorgfältig  untersuchten  Material.  Endlich  giebt  es 
eine  Reihe  Versuche  (auf  welche  aber  wegen  der  problematischen  Natur  der  in  Betracht 
kommenden  Skelettteile  weniger  Gewicht  gelegt  werden  kann) ,  noch  Reste  des 
supponierten  5.  Fingers  am  ulnaren  Rand  des  Carpus  nachzuweisen  (Baur  1888, 
Howes  and  Ridewood  1888,  Emery  1894)  und  als  Parallele  dazu  von  Rudimenten 
am  fil3ularen  Rand  des  tetradactylen  Urodelen -Tarsus  zu  zeigen,  daß  auch 
dort  die  fünfte   Zehe  verschwunden  sei. 


Entw.  d.  Porm  d.  Extremitäten  u.  d.  Exti^emitätenskeletts.       311 


dabei  nicht  homodyname,  aber  der  Funktion^)  nach  gleiche 
Strahlen  den  gleichen  Bau  (und  die  gleiche  Art  der  Entwickelung)  erlangt 
hätten.  Gegenbaur  schlägt  deshalb  vor,  den  Vergleich  nicht  auf  Homo- 
dynamieen  (Hand  und  Fuß),  sondern  auf  Homologieen  zu  stützen,  und 
vergleicht  deshalb  die  Autopodia  von  Urodelen  und  Anuren  miteinander. 
Dabei  erscheint  ihm  (1864)  der  „Daumen"  der  Anuren  als  rudimentärer 
erster  Finger,  und,  davon  ausgehend,  schließt  er  bei  Urodelen  auf  den 
Ausfall  des  Homologons  dieses  Daumens,  also  auf  das  Vorhandensein 
von  Finger  2 — 5.  Die  ausführlichste  embryologische  Untersuchung  über 
die  Anurenhand ,  welche  vorliegt  (Emery  1894),  sieht  dagegen  in  dem 
„Daumen"  der  Anuren  einen  Praepollex.  Zweifellos  gehört  das  Skelett- 
element zu  den  Accessoria,  auf  deren  Deutung  zur  Zeit  kein  Verlaß  ist. 
Es  scheint  mir  deshalb  trotz  aller  dieser  Frage  zugewendeten  müh- 
samen und  scharfsinnigen  Untersuchungen  noch  ein  „non  liquet"  am 
Platze. 

Auch  über  das  ursprüngliche  Verhalten  des  Centrale  (C)  existieren 
unausgeglichene  Kontroversen.  Dasselbe  wird,  namentlich  als  individuelle 
Variante,  doppelt-)  (sogar  drei-  bis  fünffach)  gefunden.  Entwickelungs- 
geschichtlich  entsteht  nun  beim  Axolotl  und  bei  Isodactylium  (Baur 
1888,  Shitkov  1899)  nur  ein  Knorpelcentrum  in  den  frühesten 
Stadien.  Es  wird  daraus  geschlossen,  daß  eine  sekundäre  Teilung  dieses 
Centrums  später  stattfinden  müsse,  um  die  beiden  definitiven  Elemente 
zu  liefern.  Direkt  beobachtet  ist  das  Spaltungsstadium,  soweit  ich  sehe, 
noch  nicht.  Jedoch  haben  Fürbrixger  (1888)  und  Baur  (1888)  die 
Entwickelung  neuer  Centralia  durch  Spaltung  bei  einem  alten  Exemplar 
von  Cryptobranchus,  dessen  Tarsus  5  Centralia  aufwies,  gefunden.  Für 
primäre  Di-  oder  Polymerie  des  Centrale  treten  ein  Gegenbaur 
(1864—1898),  Thacher  (1877),  Born  (1877),  Kehrer  (1886),  Emery 
(1894),  Thilenius  (1896);  die  primäre  Monomerie  behaupten 
GöTTE  (1879X  Baur  (1888),  Wiedersheim  (1893),  Zwick  (1898),  Jac- 
QüET  (1899),  Shitkov  (1899),  Rabl  (1901,  III  s,  p.  235). 

Die  Anuren  besitzen  einen  hochgradig  veränderten  Carpus  und 
Tarsus  ^),  deren  Elemente  auch  ontogenetisch  nicht  mehr  in  der  bei  Urodelen 


1)  Alle  oben  erwähnten  Aehnlichkeiten  wären  dann  Konvergenzen,  welche 
aus  der  gleichmäßigen  Bevorzugung  der  präaxialen,  nach  vorn  gewendeten  Seite 
der  Extremitäten  resultierten. 

2)  Treten  2  Centralia  auf,  so  liegen  dieselben  entweder  in  proxirao-distaler 
Richtung  hintereinander,  oder  in  radio-ulnarer  Richtung  nebeneinander.  Ver- 
rauthch  ist  die  Ursache  des  verschiedenen  Verhaltens  der  Centralia  keine  ein- 
heitliche. 

3)  Die  drei  bei  Anuren  in  der  proximalen  Reihe  des  Carpus  liegenden  Ele- 
mente werden  sehr  verschieden  gedeutet,  und  zwar  als 


I 

II 

III               i           Autoren 

Ulnare 

Radiale 

Centrale 

Gegenbaur,  Jungersen,  Hoff- 
mann,   Wiedersheim  u.  a. 

Ulnare 

Intermediura 

Radiale 

CuviER,  DuGES,  Ecker,  Born, 
Perrin,  Zwick 

Ulnare 

Radiale 

Centrale  praeaxiale 

HoWES  and  Ridewood 

Ulnare 

Radiale  +  Centrale 
+  Intermedium 

Carpale    des    Prae- 
po  lex 

Emeby^ 

Die  Carpalia  distalia  vperden  ebenfalls  verschieden  aufgefaßt,  nämlich  als 
c^— 5,  falls  der  „Daumen''  als  1.  Finger  angesehen  wird  (Gegenbaur),  dagegen 
als  t^arpale  des  Praepollex  und  Ci—^,  falls  derselbe  als  überzähhger  Strahl  gerechnet 


312 


H.  Braus, 


typischen  Lage  und  Trennung  gefunden  werden.  Beim  Tarsus  ist  sogar 
die  Frühanlage  von  vornherein  fast  identisch  mit  der  ausgebildeten  Form 
(Emery   1894). 

Unter  den  Reptilien  ist  der  Aufbau  des  Carpus  von  Sphenodon- 
embryonen  besonders  wichtig  (Fig.  259,  er  erhält  sich  in  dieser  Form 
manchmal  zeitlebens).     Jedem  Finger    entspricht    ein  Carpale  distale. 

Das  Intermedium,  welches  anfangs  nocli 
teilweise  im  Zeugopodium  lokalisiert  ist, 
wird  in  der  Regel  distal  von  zwei  Cen- 
tralia  begrenzt,  welche  nebeneinander 
liegen  (Centrale  ulnare  und  radiale).  In 
Ausnahmefällen  existiert  ein  drittes,  pro- 
ximal vom  ulnaren  C  liegendes  Knorpel- 
chen, welches  als  3.  Centrale  bezeichnet 
wurde  (Fig.  259,  Schauinsland  1900, 
HowES  1901).  Das  radiale  C  dringt 
häufig  zwischen  r  und  c^  bis  zum  Rand 
des  Carpus  vor  (siehe  Fig.),  ist  aber  in 
späteren  Stadien  und  beim  fertigen  Car- 
pus meistens  kürzer,  so  daß  r  unmittel^ 
bar  an  c,  angrenzt  ^). 

Fig.  259.    Knorpelige  Skelettanlage  der  vor- 
deren Extremität  von  Sphenodon.  Nach  Schau- 

•^  INSLAKD. 

Bei  vielen  Reptilien  ist  c^  mit  Cg  zu  einem  Knochenstück  verwachsen. 
Doch  konnte  E.  Rosenbbrg  (1892,  p.  8)  in  der  Ontogenie  von  Emys  noch 
getrennte  Anlagen  nachweisen  und  die  Konkrescenz  schrittweise  ver- 
folgen. Andere  Schildkröten  behalten  die  Trennung  beider  Elemente 
zeitlebens  (Gegenbauh  1864). 

Die  beiden  Centralia  von  Sphenodon  waren  bei  ausgebildeten  Tieren 
schon  lange  bekannt  (Bayer  1884,  Dollo  1884,  Baur  1886,  Kehree  1886). 
Es  erhob  sich  deshalb  schon  früh  die  Frage,  ob  auch  bei  anderen  Rep- 
tilien ontogenetisch  noch  Centralia  nachweisbar  seien.  Denn  den  fertigen. 
Formen  fehlen  sie  als  separate  Knochen.  Ein  ulnares  C  ist  bei  vielen 
Reptilien  gefunden  (Gtegbnbaur  1864)  oder  ontogenetisch  in  sekundärer 
Konkrescenz  mit  r  nachgewiesen  worden  (bei  Emys,  E.  Rosenberg  1892). 
Aber  auch  ein  zweites,  radiales  C  ist  anfangs  vorhanden.  Es  tritt  eben- 
falls später  in  Konkrescenz  mit  r^)  (Mehneet  1897). 

wird  (Emery,  Perrin).  Häufig  verschmelzen  mehrere  der  Carpalia  distaha.  Im 
Tarsus  verwandeln  sich  die  fibularen  Distalia  in  Ligamente  (Gegenbaur  18G4);  ßoRN 
(1875)  fand  noch  Knochenreste  und  Chomiakoff  (1894)  vier  distale  Knorpelceutren. 
Born  (1880)  hat  ferner  im  Carpus  entwickelungsgeschichtlich  noch  einen  Rest  von 
C  nachgewiesen.  Emery  (1894)  deutet  dasselbe  als  ulnares  C  (das  radiale  C  soll  mit 
i  -h  u  verschmolzen  sein,  s.  Tabelle). 

1)  Die  früheste  Anlage  der  Skelettstücke  ist  bei  Sphenodon  noch  nicht  unter- 
sucht. Bei  den  übrigen  Reptilien  hat  C.  Rabl  ausgedehnte  Beobachtungen  ange- 
stellt, über  welche  er  in  seinem  Vortrag  1903*  kurz  berichtete.  Danach  entsteht 
meistens  das  c^  anfänglich  als  Basale  commune,  d.  h.  es  sitzen  ihm  die  Metacarpalia 
/  und  II  auf.  Rabl  hält  diesen  Befund  für  die  Urform  (siehe  Amphibien,  p.  310) 
und  glaubt,  daß  Sphenodon  und  die  Schildkröten  (außer  Cheloniden)  sich  von  der- 
selben entfernt  haben,  da  bei  diesen  c-,  keine  Beziehung  zu  mt  I  besitzt  (Fig.  259). 
Auch  die  Polymerie  des  Centrale  bei  Sphenodon,  Land-,  Sumpf-  imd  Flußschild- 
krölen  wird  von  C.  Ra]5L  als  sekundär  bezeichnet. 

2)  Die  Ansicht  Baur's  (1889),  daß  das  r  der  Autoren  gleich  C.  rad  und  das 
Accessoriura  radiale  das  wirkliche  r  sei,  kann  ich  hier  nur  andeuten.  Auch  Emery 
(seit  1897**)  teilt  dieselbe. 


Entw.   d.  rorin  d.  Extremitäten  u.   d.  Extremitätenskeletts.       olo 

Erhebliche  Konkrescenzen  der  Carpalia  ließen  sich  in  der  Ontogenie 
von  Crocodiliern  verfolgen  (Kükenthal   1892). 

Der  Tarsus  von  Sphenodon  zeigt  in  jüngsten  Stadien  (Fig.  260a) 
manchmal  /'noch  als  separaten  Knorpel,  ebenso  alle  5  Tarsalia  distalia  *) 
isoliert  und  ein  kleines  C  (manchmal  auch  2).  i  und  t  kommen  in 
der  Regel  nicht  mehr  als  separate  Centren  zur  Anlage  (s.  Fig.),  wurden 


Fib 


Tib 


Fib 


Tib 


Tri  tib 


V      IV  III    II 

V        IV  III  II      I 
Fig.  260.    Entwickelimg   des  Tarsus  von  Sphenodon,    a  Embryo,   b  altes  Tier. 
Nach  SCHAUINSLAND.     f  Blndegewebsverdichtimg.    T7'itib  Tritibiale  (Eabl)  =  i  +  t 
+  C.    M  knorpeliger   Meniscus    im  Gelenk,     t.pr  Tarsale  proximale. 

aber  in  einem  Fall  von  Schauinsland  (1900,  1903),  noch  getrennt 
gefunden.  C.  Rabl  (1903*)  giebt  an  bei  Crocodilembryonen  eine  letzte 
Spur  der  Konkrescenz  von  t-\-  i  beobachtet  zu  haben.  Später  treten 
regelmäßig  starke  Konkrescenzen  und  Reduktionen  auf  (Fig.  260b). 

Beim  Lacertiliertarsus  verhält  sich  die  proximale  Reihe  der  Tar- 
salia in  der  Entwickelung  ähnlich  wie  bei  Sphenodon  (Born  1877).  Von 
den  distalen  Tarsalia  wird  bezüglich  des  t^  und  t^  aus  Lage  und  Ent- 
wickelung der  proximalen  Epiphysenkerne  geschlossen,  daß  sie  mit  Mt  1 
und  Mt  II  verschmolzen  seien  (Gegenbaur  1864,  Born  1877,  C.  Rabl 
1903)2),  —  Bei  Crocodilen  wird  die  Konkrescenz  ebenfalls  eine  hoch- 
gradige. 

Die  Entwickelung  des  Schildkrötentarsus  zeigt  ähnlich  primitive 
Verhältnisse  wie  bei  Sphenodon.  /",  C.  rad,  G.  uln  und  5  Tarsalia  distalia 
legen  sich  separat  an ,  i  -\-  t  treten  konnascent  auf  (Emys  lutaria, 
Mbhnert  1897,  p.  18).  Später  verschmelzen  Gl -{-  (7/7  untereinander  und 
darauf  mit  i  -\-  t  -{-  f.  Ebenso  bilden  t^  -\-  t^  im  fertigen  Zustand  einen 
Knochen. 


1)  <g  ist  durch  einen  ihm  entsprechenden  Zwischenraum  repräsentiert,  in  welchem 
das  Gewebe  „sogar  den  Eindruck  von  Vorknorpel  machen  kann".  Es  soll  später  mit 
Mt  V  verschmelzen  (Schauinsland).  Howes  (1901)  leugnet  bei  Sphenodonembry- 
onen  jede  Spur  eines  <,.  —  Das  erste  Tarsale  (t^)  verschmilzt  später  mit  dem  ersten 
Metatarsale  mt  I  (Howes  1901).     Der  Meniscus  (m)  ist  eine  Bildung  für  sich. 

2)  Baur,  welcher  eine  Zeitlang  das  Vorkommen  von  5  distalen  Tarsalia  bei 
Reptilien  leugnete,  da  meistens  statt  t^  und  t.  nur  ein  Centrum  existiert,  gab  1886 
diese  Ansicht  auf  und  nahm  seitdem  wie  alle  anderen  Autoren  Konkrescenz  von 
t^  +  t^  an.  C.  Rabl  (1903*)  hat  die  frühere  Ansicht  Baur's  wieder  aufgenommen. 
Er  sagt :  „Das  4.  Basale  (t^  ist  also  von  Hause  aus  ein  einfacher,  einheitlicher 
Knochen  und  nicht,  wie  ganz  allgemein  angenommen  wird,  aus  der  Verschmelzung 
zweier  Basalia  entstanden. 


314 


H.  Braus, 


Bei  den  Vögeln  ist  der  Carpus  zwar  embryonal  aus  zahlreicheren 
Elementen  zusammengesetzt  als  im  fertigen  Zustand.  Aber  die  Kon- 
krescenzen,  welche  zur  Vereinfachung  führen,  sind  doch  nur  zum  Teil 
und  nicht  alle  so  sicher  zu  verfolgen,  wie  bei  niederen  Reptilien. 
Manche  Elemente  treten  konnascent  auf  oder  verbinden  sich  sehr  schnell 
sclion  in  den  frühesten  Entwickelungsstadien  miteinander.  Es  sind 
keine  separate  knorpelige  ')  Carpalia  distalia  gefunden  worden.  Das  an 
ihrer  Statt  auftretende  einheitliche  Knorpelstück  {cd  Fig.  261)  ver- 
schmilzt (beim  Strauß,  Nassonov  1896,  Mehnert  1897)  nachträglich 
mit  dem  Metapodium,  so  daß  dann  auch  der  letzte  Rest  der  Carpalia 
distalia  nicht  mehr  erkennbar  ist.  In  der  proximalen  Carpalreihe 
wurden  (außer  i  p.  293)  mehrere  Knorpelanlagen  gefunden.  Die- 
selben sind  sehr  verschieden  gedeutet  worden  -). 


Fig.  261. 
U  R 


Fig.  262. 


mt  IVL 


c.'pr 


mt  I 


mt  II 


mt  III 


Fig.  261.     Flügel    eines  Straußenembryo.    Nach  Mehnert.      C.  pr  proximale 
Carpalia.     C.  d  distales  Carpale. 

Fig.  262.     Anlage    des  Fußskelettes    beim    Straußembryo.      Nach   Nassonov. 
ph  j  Grundphalaugen  der  Zehen. 


Den  meisten  Autoren  zufolge  sind  es  2  (Fig.  261,  c.jor),  nach  E.  No RS A 
(1894)  beim  Hühnchen  und  nach  Nassonov  (1896)  beim  Strauß  je  4, 
Nach  Mehnert  (1897)  legen  sie  sich  beim  Strauß  zeitlich  vor  den  Car- 
palia distalia  an,    nach  E.  Norsa   (1894)    beim  Hühnchen  nach  letzteren. 


1)  Vorknorpelige  Centrierungen,  welche  als  Anlagen  ehemals  knorpelig 
separater  Elemente  angesehen  werden,  sind  beim  Hühnchen  nachgewiesen  worden, 
und  zwar  2  von  A.  Rosenberg  (1873),  3  von  W.  K.  Parker  (1888),  J.  Parker 
(1892)  und  E.  Norsa  (1894). 

2)  Nassonov  bezeichnet  die  von  ihm  gefundenen  4  proximalen  Carpalia  (s. 
oben  im  Text)  als  r,  i,  C  und  u,  hält  aber  die  beiden  letzteren  Deutungen  (C  und  «.) 
selbst  für  unsicher,  r  -\-  i  verschmelzen  später  zu  einem  Intermedioradiale  (ebenso  W.  K. 
Parker  1888  und  Leighton  1894;  nach  Gegenbaür  1864  und  A.  Rosenberg  1873 
nur  gleich  Radiale),  C  geht  zu  Grunde  und  u  bleibt  erhalten  (ebenso  nach  Studer 
1900  =  w ;  nach  W.  K.  Parker  und  Leighton  =  Centraloulnare,  nach  Gegenbaür, 
A.  Rosenberg,  Zehnter  1900  =  Intermedioulnare,  nach  E.  Norsa  1894  =--  Pisiforme- 
Ulnare).  Jedenfalls  sind  beim  fertigen  Flügel,  mögen  nun  die  vier  ursprünglichen 
Aulagen  durch  Reduktion  oder  Konkrescenz  verringert  werden,  nur  zwei  Carpal- 
elemente  übrig,  welche  allein  den  Carpus  des  Vogelflügels  bilden. 


Entw.  d.  Form  d.  Extremitäten  u.  d.  Extremitätenskeletts.       ol5 

Noch  intensiver  sind  die  Veränderungen  des  Vogeltarsus.  Im 
ausgebildeten  Zustand  ist  überhaupt  kein  selbständiger  Rest  der  Tar- 
salia  mehr  vorhanden.  Gegenbaur  (1864)  war  der  erste,  welcher  in 
der  Entwickelungsgeschichte  des  Hühnchens  separate  Tarsusanlagen  (2) 
nachwies.  Beim  Strauß  ließen  sich  diese  Befunde  noch  erweitern 
(Nassono V  1896,  Mehnert  1897).  Hier  sind  2  isolierte  proximale 
Anlagen  zu  sehen  (Fig.  262),  ein  Tibiale  und  ein  Fibulare,  welche 
zuerst  unter  sich  und  dann  mit  der  Tibia  verschmelzen :  Tibiotarsus. 
Statt  der  Tarsalia  distalia  ist  wie  beim  Hühnchen  nur  eine  Anlage 
vorhanden,  welche  sich  frühzeitig  mit  dem  Metatarsus  verbindet:  Tarso- 
metatarsus.  Schließlich  entsteht  in  späteren  Entwickelungstadien  noch 
ein  Knorpelkern  im  Intertarsalspalt,  der  vielleicht  ein  C  repräsentiert  ^). 

Die  Säugetiere  knüpfen  durch  die  einfache  Bauform  ihres 
Carpus  an  sehr  niedere  Organisationen  in  der  Amniotenreihe  an. 
Nur  ontogenetisch  ist  der  Mammaliercarpus  mit  dem  Sauropsidencarpus 
zu  vergleichen.  Die  fertigen  Formen  sind  selbst  bei  den  einfachsten 
Zuständen  schon  so  divergent  differenziert,  daß  keine  direkte  Aehn- 
lichkeit  mehr  besteht '''). 

Am  einfachsten  liegen  die  Verhältnisse  in  der  distalen  Reihe  des 
Säugetiercarpus.  In  weitaus  der  Mehrzahl  der  Fälle  sind  allerdings 
nur  4  Carpalia  distalia  gefunden  worden.  Wahrscheinlich  ist  das  vierte 
konnascent  aus  c^  -h  c.^  entstanden  zu  denken  (Gegenbaur  1864). 
Bei  Walen  kommen  5  separate  Carpalia  distalia  vor,  von  denen  W. 
Kükenthal  angiebt,  daß  c^  mit  Cj  verschmelze. 

Die  Konkrescenz  von  c^  mit  c^  bei  Cetaceen  ist  nicht  direkt  onto- 
genetisch beobachtet  worden.  Sie  wurde  erschlossen  aus  dem  Befund 
von  2  Centren  an  der  Stelle  des  Hamatum  bei  gewissen  Walembryonen 
(Hyperoodon  etc.),  während  bei  anderen  Arten  nur  eines  gefunden  wird; 
auch  bei  erwachsenen  Walen  kommen  manchmal  5  getrennte  distale  Car- 
palia vor  (besonders  Kükenthal  1889,  1892*;  vgl.  anatomische  Arbeiten 
von  V.  Bakdeleben  1885,  Tükner  1885,  Weber  1888).  —  Lebgucq  (1884) 
betrachtet  das  Hamatum  wegen  seiner  einheitlichen  Anlage  bei  Säugern 
und  seiner  Position  zum  Mt  IV  lediglich  als  Homologen  von  c^  (c^  soll  mit 
einem  benachbarten  Element  verschmolzen  oder  gänzlich  reduziert  sein).  Baur 
(1885)  sah  in  dem  Hamatum  ein  Homologon  lediglich  von  Cg  und  be- 
zeichnete das  Accessorium  radiale  als  c^,  das  c^  der  meisten  Autoren 
als  c._j   etc.  3). 


1)  Gegenbaur  1.  c.  fand  beim  Hühnchen  statt  der  separaten  Anlagen  von  t 
und  /  ein  einziges  proximales  Tarsale.  Im  übrigen  sind  seine  Beschreibungen  über- 
einstimmend mit  dem  später  beim  Strauß  beobachteten.  Das  Knorpelchen  im 
Intertarsalspalt  sah  er  jedoch  nicht.  Bei  der  Ossifikation  fand  er  nochmals  vorüber- 
gehende Separierung  auftreten,  indem  die  ursprünglichen  Tarsalia  eigene  Knochen- 
kerne erhalten.  An  Stelle  des  proximalen  Knochenstückes  treten  2  oder  3  Knochen- 
kerne auf. 

2)  Aehnlichkeiten  wie  zwischen  dem  Carpus  gewisser  fossiler  Reptilien  und  Säuge- 
tiere sind  wohl  nichts  anderes  als  Konvergenzen. 

3)  Von  V.  Bardeleben  i.e.  und  Emery  (1894, 1901)  wird  angenommen,  daß  das 
Capitatum  aus  2  separaten  Elementen  (ulnares  C  und  c.^)  verschmolzen  sei.  Soweit 
sich  isolierte  Knorpelcentren  gefunden  haben  sollten  (Homo ,  Bardelebek),  ist 
dies  durch  die  Nachuntersuchungen  (Gegenbaur  1888,  Thilenius  1896)  nicht  be- 
stätigt worden.  Das  Epilunatum  Pfitzner's,  welches  mit  dem  problemadschen 
C.  uln  homolog  sein  soll,  verschmilzt  nach  Thilenius  mit  dem  Lunatum.  —  Bei 
Schwund  von  Fingern  (Oligodactylie)  können  auch  die  entsprechenden  Carpalia 
distalia  verloren  gehen.  Doch  finden  sich  manchmal  noch  Eudimente  (bei  Came- 
liden  Rest  des  Trapezium,  Baur  1885). 


316  H.  Braus, 

Die  proximo-centrale  Reihe  des  Carpus  umfaßt  4  kanonische 
Elemente.  Von  diesen  sind  3  (Scaphoides ,  Lunatum ,  Triquetrum) 
große,  einheitliche  Anlagen,  welche  in  den  meisten  Fällen  (so  auch 
bei  Homo)  zu  separaten  Knochen  auswachsen.  Von  den  meisten 
Autoren  werden  dieselben  für  primär  einheitlich  gehalten  und  als 
Radiale,  lutermedium  und  Ulnare  gedeutet.  Doch  sind  auch  andere 
Meinungen  (s.  unten)  vertreten  worden.  Das  vierte  Element,  das  Cen- 
trale ^)  (C,  radiale),  tritt  gleichzeitig  mit  den  anderen  kanonischen 
Carpalia  auf  und  verschmilzt  (bei  Homo)  entweder  nachträglich  mit 
dem  Scaphoides  oder  geht  zu  Grunde  (individuell  kommt  auch  Kon- 
krescenz  mit  c.^  vor,  Leboucq  1884), 

Das  Scaphoid  wird  (abgesehen  davon,  daß  das  Centrale  mit  dem- 
selben oft  nachträglich  verschmilzt,  Leboucq  1882)  von  manchen  Autoren 
als  Vereinigung  zweier  separater  Bestandteile  betrachtet  (v.  Barde- 
leben 1883,  1885,  Baur  [jedoch  nur  zeitweilig  1889],  Pfitzner  1893, 
Thilenius  1895,  Eisler  1895).  Es  haben  sich  jedoch  bei  keinem  Säuge- 
tier zwei  Knorpelcentren  an  Stelle  dieses  Elementes  finden  lassen 
(Emery  1901).  Die  Autoren  können  sich  nur  auf  den  gelegentlichen 
Befund  zweier  Ossifikationscentren  in  der  einheitlich  knorpeligen  An- 
lage bei  Homo  berufen  (Rambaut  et  Renault  1864,  von  Leboucq  1882 
nie  beobachtet)  und  auf  variationsweises  Auftreten  eines  Naviculare 
bipartitum  ^j.     Es  ist  das  eine  sehr  problematische   Grundlage. 

Dadurch,  daß  von  den  randständigen  (radialen  und  ulnaren)  Acces- 
soria  einzelne  für  primär  angesehen  wurden,  sind  von  manchen  Autoren 
andere  Homologisierungen  der  proximo-centralen  Reihe  versucht  worden. 
Manche  von  denselben  wurden  bald  wieder  verlassen.    Erhalten  hat  sich 


1)  Das  von  Henke  und  Reyher  (1874)  und  E.  Rosenberg  (1875)  unabhängig 
voneinander  beim  menschlichen  Embryo  gefundene  Centrale  {C.  rad)  entspricht  in 
Lage  und  Entstehung  vollkommen  dem  von  Gegenbaur  bei  Amphibien  und  Rep- 
tilien nachgewiesenen  kanonischen  Centrale.  Die  Sicherheit  des  Nachweises  beruht 
hier  auf  der  Möglichkeit,  die  direkte  Descendenz  feststellen  zu  können.  Während 
E.  Rosenberg  1,  c.  fand,  daß  das  Element  nachträglich  beim  Menschen  verloren 
gehen  kann  (als  Varietät  jedoch  hie  und  da  zeitlebens  als  isolierter  Knochen  bei 
Homo  persistierend,  Gruber  1869  u.  v,  a.)  und  glaubte,  es  sei  dies  immer  der  Fall, 
wies  Leboucq  (1882,  1884)  nach,  daß  sehr  häufig  Konkrescenz  mit  >•  eintrete  (nach 
Baur  1885  auch  bei  Marsupialiern,  nach  Kükenthal  1892  bei  Cetaceen).  Auch 
bei  vielen  anderen  Säugetieren  wurde  eine  separate  Anlage  von  C  gefunden  (bei 
Raubtierembryonen  von  E.  Rosenberg  1875,  Leboucq  1884,  Baur  1885,  Rjascheff 
1893,  bei  Affenerabryonen  von  Leboucq  1884,  Kehrer  1886  [speciell  bei  Anthro- 
poiden von  Gruber  1866,  Hartmann  1883,  Vrolick  1884],  bei  Insectivoren 
Rjascheff  1893,  Fledermäusen  Leboucq  1882,  Nagern  Thilenius  1896,  Walen 
Leboucq  1887,  Weber  1888,  KtJKENTHAii  1888,  1893,  Marsupialiern  Leboucq 
1884).  Eine  Doppelanlage  des  Centrale  (C.  rad)  verneinen  die  Autoren  im  allge- 
meinen. Angenommen  wird  sie  von  E.  Rosenberg  (1875)  und  v.  Bardeleben  (1885), 
welche  Konnascenz  von  ('.  rad  und  C.  uln  behaupten  (letzterer  glaubte,  Reste  einer 
ursprünglichen  Trennung  noch  zu  erkennen),  —  Auch  an  anderen  Stellen  wurde  nach 
einem  zweiten  Centrale  gesucht  (oder  sogar  nach  mehr  als  zwei  Aulagen).  Von 
Accessoria  sind  das  Epilunatuni,  Hypolunatum  und  Epipyramis  des  Menschen  als 
Centralia  bezeichnet  worden  (Fig.  250).  Doch  ist  die  primäre  Natur  dieser  Elemente 
sehr  zweifelhaft.  Leboucq  (1897)  giebt  für  einen  ßelugafötus  und  E.  Fischer  (li)03) 
für  Hyraxembryonen  2  Centralia  an. 

2)  Die  Variante  des  Naviculare  bipartitum  zusammen  mit  Fällen  von  in- 
kompletten Trennungen  des  Scaphoides  in  zwei  Teile  wurde  zu  einer  Reihe  von 
Formen  vereinigt,  welche  successive  zum  einheitlichen  Naviculare  überführen  und 
den  Entwickelungsgang  des  letzteren  illustrieren  sollten  (Pfitzner,  Thilenius  1896), 
Mit  demselben  Rechte  könnte  man  diese  Reihe  umdrehen  und  eine  Spaltung  des 
einheitlichen  Scaphoides  in  zwei  Stücke  annehmen.  —  Das  zweite  primäre  Naviculare 
im  Sinne  der  oben  referierten  Annahme  wurde  als  ein  zweites  Centrale  angesehen. 


Entw.  d.  Form  d.  Extremitäten  u.  d.  Extremitätenskeletts.       317 

■die  Deutung  Baur's  (1892),  daß  das  Accessorium  radiale  das  eigentliche 
Radiale,  das  Scaphoides  dagegen  ein  zweites  Centrale  sei.  Denn  Emekv 
(1901)  vertritt  für  Monotremen  und  Marsupialier  (mit  einer  gewissen 
Modifikation)  dieselbe,  da  dort  außer  dem  Praepollex  ein  der  Hypothese 
Baur's  völlig  adäquates  Skelettstück  am  radialen  Rand  der  ersten  Car- 
palreihe  vorhanden  sei.  Für  Placentalier  leugnet  Emery  dagegen  ein 
solches  Element  und  glaubt  deshalb,  daß  bei  ihnen  das  wirkliche  Radiale 
ganz  in  Verlust  geraten  sei.     Das  Scaphoides  deutet  er  wie  Baur. 

Vereinfachungen  des  Carpus,  welche  sich  bei  manchen  Mammaliern 
finden,  enthüllten  sich  ontogenetisch  als  Konkrescenzen  der  kanonischen 
Anlagen.  Besonders  häufig  kommt  Verschmelzung  von  Lunatum  und 
Scaphoides  (-|-  Centrale)  vor  (Monotremen,  Emery  1901 ;  Raubtiere,  E. 
RosENBERO  1875,  Leboucq  1884).  Doch  können  einzelne  dieser  Anlagen 
-auch  gänzlich,  selbst  in  den  frühesten  Entwickelungsstadien,  unterdrückt 
sein  (Schwein,  A.  Rosenberg   1872). 

Der  Tarsus  der  Säuger  ist  in  mancher  Beziehung  bei  seiner  An- 
lage noch  primitiver  als  der  Carpus,  in  anderer  Hinsicht  aber  auch 
wieder  höher  differenziert.  Die  distalen  Tarsalia  legen  sich  bei  Mar- 
supialierembryonen  (Fig.  263)  noch  als  fünf  diskrete  Knorpelcentren 
au  (Emery  1901).  t^  und  t^  verschmelzen 
später  zum  Cuboid.  Bei  den  Placentaliern 
legen  sich  ^4  +  5  als  Cuboid  konnascent  an,  Fih 
ähnlich  wie  das  Hamatum  ^)  im  Carpus  der 
Säugetiere. 

Andere  Konkrescenzen  bilden  sich  beispiels- 
weise zwischen  t  ^  und  t^  beim  Schaf  aus,  wurden 
aber  noch  ontogenetisch  verfolgt  (A.  Rosenberg 
1872).     Die  Ossifikation  erfolgt  mit  zwei  Kernen, 

Fig.  263.  Fuß  eines  kleinen  ßeuteljungen  von 
Didelphys.     Nach  Emery.    A  Accessorium. 

welche  den  primären  Anlagen  entsprechen  und  schon  lange  vor  letzteren 
bekannt  waren  (Bendz  1850,  etc.).  Bei  Bradypus  verschmelzen  die  Tar- 
salia  1,  2  und  3  mit  den  korrespondierenden  Metatarsen. 

Die  proximo-centralen  Elemente  legen  sich  (außer  dem  Inter- 
medium,  s.  p.  293)  separat  wie  im  Carpus  an.  Das  Centrale  bleibt 
hier  sogar  zeitlebens  als  besonderer  Skelettteil  bestehen.  Die  Astra- 
galusanlage  wird  von  den  meisten  Autoren  (Gegenbaur  1864  etc.) 
als  konnascentes  Tibiale  +■  Intermedium ,  der  Calcaneus  als  Fibulare, 
das  Naviculare  als  Centrale  gedeutet. 

Die  Suche  nach  anderen  Centralia  als  dem  einen,  dem  Naviculare 
entsprechenden  Element,  hat  wie  beim  Carpus  entweder  zu  Versuchen 
geführt,  für  einzelne  Tarsalia  eine  zwiefache  Zusammensetzung  anzunehmen 
(Calcaneus,    Naviculare,    Cuneiforme  III),    oder    durch  Aufnahme  accesso- 


-  •  acc 


1)  Auch  für  das  Cuboid  wurde  wie  für  das  Hamatum  die  Ansicht  vertreten 
(Baur  1885  u.  a.),  daß  es  nur  einem  Tarsale  distale  entsprcäche.  Dies  ist  durch 
die  manifeste  Konkrescenz  aus  zwei  primären  Elementen  bei  niederen  Säugern  wider- 
legt. —  Die  doppelten  oder  gar  dreifachen  Ossifüj^ationspunkte  im  Cuboid  des  Men- 
schen (Haselwander  1903)  kommen  für  diese  Frage  kaum  in  Betracht;  auch  in 
den  von  Haus  aus  einheitlichen  Epiphysen  der  Metatarsen  von  Homo  treten  häufig 
doppelte  Knochenkerne  auf. 


318  H.  Braus, 

rischer  Elemente  in  das  primäre  Tarsusschema  zu  den  abweichendsten 
Deutungen  der  kanonischen  Elemente  Anlaß  gegeben.  Was  die  Versuche 
ersterer  Art  angeht,  so  ist  hervorzuheben,  daß  wirklich  separate  K  n  o  r  - 
pelcentren  in  Zweizahl  in  keinem  der  Fälle  nachgewiesen  sind 
(und  daß  derartige  Angaben  sich  als  unrichtig  herausstellten.  Die  An- 
nahmen können  sich  lediglich  auf  das  Vorkommen  doppelter  Knochen- 
kerne in  einheitlichen  Aulagen,  auf  gelegentliche  Variationen  im  ausge- 
bildeten Zustand  oder  Vergleiche  mit  accessorischen  Elementen  stützen  i). 
Sie   erheben  sich  also  nicht  über  Vermutungen. 

Die  Versuche  ferner,  die  Tarsalia  gegenübei'  der  GEOEi^BAUR'schen 
Nomenklatur  umzudeuten,  beruhen  fast  ausschließlich  auf  der  Annahme^ 
daß  das  Accessorium  tibiale  (das  problematische  Homologen  der  Tube- 
rositas  navicularis,  s.  Anm.  1)  das  kanonische  Tibiale  sei.  Dadurch  wechselt 
dann  die  Auffassung  des  Astragalus.  Er  wird  für  ein  zweites  Centrale 
-|-  Intermedium  gehalten  (Albrecht  1884,  Bardeleben  1885,  Baur  1885, 
Emerv  1901)  oder  für  ein  reines  Intermedium  (Baur  1886).  Das  Navi- 
culare  (ohne  seine  Tuberositas)  gilt  diesen  Autoren  als  erstes  Centrale. 
Die  Deutung  des  Calcaneus  (Fibulare)  bleibt  dieselbe. 

Meta-  und  Acropodium.  Die  Elemente  dieser  Abschnitte 
sind  in  Reihen  angeordnet,  welche  stets  in  der  Ontogenie  und  meist 
auch  im  fertigen  Zustand  durch  das  ganze  Meta-  und  Acropo- 
dium zu  verfolgen  sind.  Es  entwickeln  sich  im  allgemeinen  fünf 
Strahlen  (über  Hyper-  und  Oligodactylie  siehe  p.  305,  sowie  w.  u.). 
Die  einzelnen  Bestandteile  der  Strahlen  entstehen  in  basoterminaler 
Folge,  so  daß  also  die  Knorpelcentren  für  das  Metapodium  zuerst, 
dann  diejenigen  für  die  Phalangen  auftauchen.  Auch  im  Acropodium 
legt  sich  zuerst  die  basale  Phalanx,  dann  die  zweite  u.  s.  w.  an.  Die 
Ossifikation  hält  wohl  im  allgemeinen  dieselbe  Reihenfolge  ein,  doch 
kommen  bei  ihr  Ausnahmen  vor. 


1)  Für  den  Calcaneus  ist  beim  Menschen  eine  Varietät  bekannt,  welche  Ver- 
doppelung zeigte  (Calcaneus  secundarius,  Pfitzner  1896).  Neuerdings  ist  die  Doppel- 
natur auch  aus  dem  Vorkommen  zweier  Knochenkerne,  die  ungefähr  gleichzeitig  auf- 
treten (5—6  Monat,  Hasselwander  1900,  1903,  Schomburg  1900),  abgeleitet  worden. 
[Außer  diesen  Kernen  tritt  vom  8.  Lebensjahr  ab  nach  Bade  (1896)  und  Hassel- 
wander  (1903)  noch  ein  Kern  in  der  Tuberositas  calcanei  auf,  welchen  v.  Barde- 
leben (1885)  für  die  Abstammung  des  Calcaneus  aus  2  Anlagen  zu  verwerten  suchte ; 
doch  ist  er  zweifellos  sekundär].  —  Das  Naviculare  soll  nach  v.  Bardelebex 
(1885)  beim  menschlichen  Foetus  in  Form  zweier  Knorpelcentren  entstehen,  von  welchen 
das  eine  als  Anlage  des  Körpers,  das  andere  als  solche  der  Tuberositas  navicularis 
beschrieben  wird.  Aus  beiden  entwickele  sich  durch  Verschmelzung  das  Naviculare, 
doch  sei  zur  Zeit  der  Pubertät  noch  ein  besonderer  Knochenkern  in  der  Tuberositas 
zu  finden.  Hasselwander  (1903)  konnte  jedoch  weder  das  eine  noch  das  andere 
dieser  Darstellung  bestätigen.  Dagegen  fanden  einige  Autoren  als  Varietät  ein  ver- 
doppeltes Naviculare  [Pfitzner  (1896)  beschreibt  neben  dem  Naviculare  ein  Acces- 
sorium als  Tibiale  externum,  Gruber  fand  ein  Naviculare  bipartitum,  Rambaud  et 
Renault  (1867)  sahen  zwei  Knochenkerne  in  der  Anlage  des  Naviculare,  welche 
Bade  (1896)  und  Hasselwander  (1903)  als  Varietät  bestätigten].  Bei  anderen 
Maramaliern  wurde  ein  Homologen  des  zweiten  Knochens  an  dieser  Stelle  beschrieben. 
Es  findet  sich  bei  l^chidna,  Beuteltieren  und  manchen  Placentaliern  ein  accessorischer 
Randknochen  neben  dem  Naviculare  (Baur  1885,  Emery  1901).  Bei  Didelphys 
kommt  bereits  ein  Zusammenhang  desselben  mit  dem  Naviculare  vor.  Es  ist  das 
der  Grund,  weshalb  Emery  die  Tul)erositas  navicularis  für  einen  einst  selbständigen 
Knochen  hält  (bei  Didelphys  aurita  auch  Andeiitung  einer  doppelten  Anlage  des 
Naviculare,  Emery  1995,  1897**). 

Beim  Cunei  forme  III  des  Menschen  ist  ebenfalls  die  Angabe  Bardeleben's 
(1885),  daß  es  sich  in  2  Stücken  anlege  (Processus  uncinatus  als  separates  Centrum) 
nicht  bestätigt  worden  (Hasselwander  1903).  Es  findet  sich  gelegentlich  an  Stelle 
des  Hackenfortsatzes  ein  Accessorium  (Pfitzner  1896,  ein  Fall).  Ebensowenig  wie 
dieser  Befund  kann  die  nicht  seltene  Teilung  des  Cuneiforme  1  in  2  Stücke  (Pfitz- 
ner 1896,  Hasselwander  1903)  besondere  Bedeutung  beanspruchen. 


Entw.  d.  Form  d.  Extremitäten  u.  d.  Extremitätenskeletts.       319 

Bei  Echidna  verknöchern  von  den  Phalangen  in  Hand  und  Euß  zu- 
erst die  Endphalangen,  dann  erst  die  anderen  (Emehy  1901).  Auch  bei 
Homo  ist  die  Diaphyse  der  Endphalanx  des  Hallux  der  erste  Knochen- 
kern im  Euß  überhaupt;  alle  anderen  folgen  der  Regel  (Hassel wanbbr 
1903). 

Die  Ossifikationscentren  im  Metapodium  und  in  den  Phalangen  der 
Säuger  bestehen  in  der  Regel  aus  einem  Hauptcentrum  für  die  Diaphyse 
und  aus  einem  Epiphysenkern  i).  Im  Metacarpus  des  Daumens  und  in 
sämtlichen  Phalangen  liegt  derselbe  im  proximalen  Ende,  bei  allen 
anderen  Metacarpalia  im  distalen  Ende  des  Skelettstückes.  Dasselbe 
findet  sich  beim  Hallux  und  in  den  Metatarsalia  des  menschlichen  Fußes. 
Doch  kommt  in  vielen  Fällen  im  Alter  von  7 — 8  Jahren  noch  ein  Epi- 
physenkern  am  distalen  Ende  des  Metacarpus  (resp. -tarsus)  des  Pollex 
und  Hallux  zum  Vorschein  (Schwegel  1859,  Grubek,  Lambertz).  Noch 
häufiger  finden  sich  sogen.  „Pseudoepiphysen"  in  den  sonst  der  Epi- 
physenkerne  ermangelnden  Enden,  d.  h.  Kerne,  welche  nicht  ganz  isoliert, 
sondern  durch  eine  schmale  Brücke  mit  dem  Diaphysenkern  in  Verbin- 
dung sind  (Uffelmann  1863  u.  a.).  Zwischen  Pseudoepiphysen  und  echten 
Epijjhysen  sind  nun  neuerdings  Uebergänge  gefunden  worden  (Hassel- 
waxder  1903).  Es  ist  also  der  Mangel  eines  zweiten  Epiphysenkernes 
in  den  vorliegenden  Fällen  eine  sekundäre  Ausfallserscheinung  2)  (Welcker, 
Gtecienbaur).  Bei  Cetaceen,  Pinnipediern  etc.  kommen  noch  regelmäßig 
Epiph3^senkerne  an  beiden  Enden   vor  (s.   u.). 

An  den  Endphalangen  hat  die  Diaphysenverknöcherung  die  Form 
einer  Kappe,  welche  das  terminale  Ende  des  Elementes  einnimmt  (Ret- 
terer  1884). 

Bei  der  großen  Gleichmäßigkeit  der  Elemente  des  Meta-  und 
Acropodium  ist  es  nicht  nötig,  auf  die  einzelnen  speciell  einzugehen. 
Einer  Besprechung  bedürfen  jedoch  die  r  ü  c  k g eb  i  1  cl  e  t  e  n  S  t  r  a h  1  e  n , 
da  bei  diesen  häufig  die  Entwickelungsgeschichte  Aufschluß  giebt  dar- 
über, welche  Radien  aus  der  Fünfzahl  reduziert  wurden.  Es  läßt 
sich  dies  meistens  aus  den  Anlagen  des  Met apo  diu  m  erkennen.  In 
der  Entwickelung  des  Acropodium  ist  dann  weiterhin  auf  die  Frage 
nach  der  ursprünglichen  Zahl  der  Phalangen  und  im  An- 
schluß daran  auf  die  Oligo-  und  Hyperphalangie  einzugehen. 

Die  Bestimmung  d  e  r  P  o  s  i  t  i  o  n  r  ü  c  k g  e  b  i  1  d  e  t  e  r  S  t  r  ah  - 
len^).     Ich  beginne  mit  den  Vögeln.    In   der  Anlage   des   Flügels 

1)  In  der  Regel  bilden  sich  in  Röhrenknochen  außer  dem  Diaphysenhauptcen- 
trum  zwei  Epiphysenkerne  aus,  je  einer  an  jedem  Ende  des  SkelettsLückes  (vergl. 
p.  288).  Uebrigens  erhalten  auch  Elemente  des  Basipodium,  welche  sich  in  die  Länge 
strecken,  eine  Art  Diaphysenverknöcherung  mit  nachträglicher  Markhöhlen bildung 
(Calcaneus  des  Menschen,  Retterer  1886,  Hasselwander  1903). 

2)  Von  Testut,  Ranke  u.  A.  wurde  die  Ansicht  ausgesprochen,  daß  beim 
Daumen  und  der  Großzehe  kein  Metacarpus  resp.  -tarsus  vorhanden  sei.  Denn  die 
mit  den  Phalangen  parallele  Ossifikation  dieser  Elemente  schien  diesen  Autoren  nur 
verständlich,  wenn  es  sich  in  ihnen  ebenfalls  um  Phalangen  handle.  Die  oben  an- 
geführten Befunde  haben  jedoch  dieser  Meinung  den  Boden  entzogen. 

3)  Bei  Amphibien  ist  das  Problem  der  rückgebildeten  Finger  wesentlich  durch 
Untersuchungen  am  Carpus  in  Angriff  genommen  worden,  da  weiter  distal  liegende 
Anlagen  dort  gänzlich  fehlen.  Ich  berichtete  deshalb  beim  Basipodium  (p.  306)  über 
dieselben.  Hier  bleiben  die  Amnioten  zur  Besprechung  übrig.  Unter  diesen  haben  die 
Reptilien  (abgesehen  von  völligen  Reduktionen  der  Gliedmaßen  und  von  Zuständen 
bei  fossilen  Formen,  Dinosauriern)  Extremitäten  mit  fünf  Strahlen.  Ich  begume  des- 
halb mit  den  Vögeln,  bei  welchen  regelmäßig  in  Flügel  und  Fuß  einzelne  Radien 
reduziert  sind.  Daran  schließen  sich  die  Säuger,  bei  welchen  dies  nicht  immer, 
aber  doch  in  vielen  Fällen  so  ist. 


320  H.  Braus, 

sind  noch  fünf  Vorknorpelstrahlen  gefunden  worden  (Norsa  1S94, 
Mehnert  181)7).  Beim  Strauß  bilden  sich  in  allen  fünfen  (allerdings 
nicht  synchron)  Centren  für  die  Metacarpalia,  Da  sich  von  diesen 
5  Anlagen  die  zweite,  dritte  und  vierte  in  der  Reihe  in  das  endgültige 
Metapodium  verfolgen  ließen  (Mehnert  1.  c),  die  erste  und  fünfte 
dagegen  zu  Grunde  gehen,  so  ist  das  reduzierte  Skelett  des  Vogel- 
flügels, falls  diese  Befunde  sicher  sind,  aus  dem  2.,  3.  und  4.  Finger, 
welche  jenen  Metacarpalien  entsprechen,  zusammengesetzt. 

Dies  Resultat  wäre  ein  sicheres,  wenn  die  Deutung  der  Anlagen 
für  die  Metacarpalia  außer  allem  Zweifel  stände.  Das  als  Mt  I  bezeich- 
nete Gebilde  (Fig.  261,  p.  314)  ist  aber  mehr  ein  Auswuchs  des  ersten 
kompletten  Strahles  und  möglicherweise  kein  selbständiger  Radius.  Nas- 
soNov  (1896),  welcher  gleichzeitig  und  unabhängig  von  Mehnert  dasselbe 
Objekt  (Strauß)  untersuchte,  bezeichnet  die  Finger  als  1.,  2.  und  3.  in 
der  Reihe,  allerdings  ohne  seine  Ansicht  näher  zu  begründen.  W.  K. 
Parker  (1888)  ist  bei  Hühnchenembrvonen  und  Zehnter  (]  890)  ist  bei 
Cypselusembryonen  zu  derselben  Ansicht  gekommen  (1.,  2.,  3.  Finger). 
Dagegen  stehen  Leighton  (1894)  und  E.  Norsa  (1895)  auf  dem  Stand- 
punkt von  Mehnert  (2.,  3.,  4.  Finger).  Die  eigentliche  Beweisführung 
liegt  bei  diesen  Autoren  jedoch  nicht  in  der  direkten  Verfolgung  des 
Schicksals  der  einzelnen  Strahlen,  sondern  in  Deutungen  der  Carpal- 
bestandteile  und  Ueberlegungen  allgemeinerer  Art  ^). 

Im  Vogelfuß  treten  die  Radienaniagen  als  sicher  erkennbare 
Strahlen  in  Fünfzahl  auf  (Baur  1883,  Johnson  1883,  Mehnert  1897 
u.  a.).  Es  entwickelt  sich  hier  ohne  allen  Zweifel  der  2.,  3.  und 
4.  Strahl  zu  den  bleibenden  Zehen.  Manchmal  bleiben  auch  Reste 
des  1.  und  5.  Metatarsus  (Apteryx)  oder  eine  erste  Zehe  als  Rudiment 
erhalten  -). 

Die  Metacarpalia  des  Flügels  verschmelzen  in  späteren  Entwicke- 
lungsstadien  am  basalen  Ende  miteinander;  die  Metatarsalia  des  Fußes 
verbinden  sich  sogar  meist  komplett  zu  einem  einheitlichen  Laufknochen, 
in  welchem  die  Komponenten  im  Verhältnis  zur  ursprünglichen  Lage 
gegeneinander  leicht  verschoben  sind.  Erst  entwickelungsgeschichtlich 
ließ  sich  diese  Konkrescenz  feststellen  (Tiedemann  1810,  v.  Baer  A.  L.  I, 
1828). 

Unter  den  Säugern  sind  vor  allem  die  Paar-  und  Unpaarhufer 
durch  Rückbildungen  charakterisiert.  Bei  der  vorderen  Extremität 
wurden  meist  sämtliche  (5)  Strahlen  in  der  frühen  Anlage  nachgewiesen  •^). 
Die  bleibenden  Finger  sind  bei  Paarhufern  der  3.  und  4.,  bei  Un- 
paarhufern der  3.     Sie  differenzieren  sich  histologisch  sehr  frühzeitig 


1)  Vergleichend-anatomisch  hat  Gegenbaur  (1864)  mit  Rücksicht  auf  die  Ver- 
hältnisse beim  Vor  der  fuß  der  Reptilien  die  Hypothese  aufgestellt,  daß  die  Finger 
des  Vogelflügels  dem  1.,  2.  und  3.  entsprächen,  während  Cuvier,  von  den  Verhält- 
nissen des  Vogelfußes  ausgehend,  dieselben  als  2.,  3.  und  4.  bezeichnete.  (Litteratur- 
angaben  bei  AI.  FtJRBRiNGER  1902,  p.  730  etc.;  vergl.  dort  auch  die  Hypothesen 
von  Tschan  und  Hurst,  welche  andere  Horaologieen  aufstellten,  aber  als  beseitigt 
gelten  müssen.) 

2)  Bei  8truthio  bildet  sich  das  31t.  II  zu  einem  dünnen  Stab  zurück,  welcher 
nur  anfangs  noch  den  Rest  einer  Phalanx  trägt  (Fig.  262).  Schließlich  ist  der 
Fuß  nur  zw  ei  zehig. 

3)  A.  Rosenberg  (1872)  fand  beim  Schwein  Anlagen  von  4  Fingern  (2.-5.),  G. 
Baur  (1884)  entdeckte  bei  demselben  Objekt  noch  die  Anlage  des  Metacarpus  des 
1.  Fingers.  Mehnert  (1897)  fand  bei  Embryonen  des  Rindes  5  Strahlen,  ebenso 
Emery  (1891)  bei  der  Ziege. 


Entw.  d.  Eonn  d.  Extremitäten  u.  d.  Extremitätenskeletts.       321 

iiiid  erfahren  auch  am  ehesten  eine  scharf  ausgeprägte  Gliederung  in 
ihre  einzelnen  Komponenten.  Bei  den  rudimentären  Strahlen  dagegen 
ist  die  Anlage  verspätet.  Entweder  bleibt  es  bei  der  vorknorpeligen 
Dift'erenzierungsstufe  durch  viele  Stadien  hindurch,  bis  völliger  Schwund 
einsetzt,  oder  es  tritt  noch  spät  Verknorpelung  ein.  Der  Knorpel  verfällt 
dann  am  p]nde  der  Embryonalperiode  oder  postfötal  der  Auflösung  ^). 

Bei  Embryonen  von  Einhufern  (Pferd,  Esel,  A.  üosenberg  1872, 
Retteker  1902)  wurden  keine  Anlagen  für  Mc  V  und  für  die  Phalangen 
des  2.  und  4.  Eingers  gefunden  -).  Wohl  zeigt  jedoch  die  gespreizte 
Lage  des  2.  und  4.  Metacarpus,  welche  bekanntlich  später  als  „Griffel- 
beine"  dem  Mc  Hl  fest  anliegen  und  verbunden  sind,  in  der  frühen  Ent- 
wickelung  die  ehemalige  Eorm  des  typischen  Metapodium. 

Der  Mc  III  des  Pferdes  verschiebt  sich  in  der  Ontogenie  allmählich 
von  Cg   auf  das  Hamatum. 

Bei  Cetaceen  kommt  nach  Kükenthal  (1890)  embryonale  Rückbil- 
dung des  3.  Fingers  in  der  Art  zu  stände,  daß  derselbe  später  zwischen 
den  übrigen  fehlt  (Balaenopterus  musculus).  Es  ist  das  bis  jetzt  eine 
singulare  Erscheinung,  denn  stets  wurden  sonst  Rückbildungen  nur  am 
Rand  und  von  diesem  aus  fortschreitend  gefunden. 

Auch  die  hintere  Extremität  läßt  noch,  besonders  bei  Wieder- 
käuern (A.  Rosenberg  1872  ^),  Anlagen  von  solchen  Strahlen  erkennen, 
welche  später  rudimentär  werden. 

Zahl  der  Phalangen.  Diese  ist  bei  Händen  und  Füßen 
der  Tetrapoden  eine  sehr  verschiedene  sowohl  bei  den  einzelnen 
Fingern  wie  auch  bei  den  einzelnen  Acropodia  je  nach  der 
Stellung  ihrer  Träger  im  System.  Erst  bei  den  höheren  Amnioten 
(Säugern)  bildet  sich  Konstanz  der  Phalangenzahl  heraus,  welche  beim 
Pollex  und  Hallux  auf  2.  bei  den  übrigen  Fingern  auf  3  normiert  ist 
(einige  Ausnahmen  s.  u.). 

Es  ist  nun  in  einigen  Fällen  nachgewiesen  worden,  daß  embryo- 
logisch mehr  Phalangen  entstehen,  als  im  fertigen  Zustand  vorhanden 
sind.  Es  findet  hier  eine  Rückbildung  von  Phalangen  statt.  Man  be- 
zeichnet die  Erscheinung  als  0  1  i  go  p  h  a  1  a  n  g  i  e.  Außerdem  aber  kommt 
in  der  Ontogenie  mancher  Formen  eine  sekundäre  Vermehrung  von 
Phalangenanlagen  vor  (namentlich  bei  wasserlebenden  Tieren).  Man 
nennt  sie  Hyper phalangie. 


1)  Die  einzelnen  Reduktionsformen  sind  in  der  vergl.-anat.  Litteratur  beschrieben. 
Als  Varietäten  kommen  gelegentlich  Atavismen  vor,  bei  welchen  die  Entwickelung 
nicht  an  dem  gewöhnlichen  Halt  sistiert  hat,  sondern  ausgebildete  Finger  statt  der 
rudimentären  liefert  (Kalb,  Boas  1890;  Pferd,  Struthers  1894  u.  a.).  Häufiger 
sind  progressivistische  Varietäten  durch  Verdoppelung,  vergl.  pag.  305. 

2)  EwART  (1894)  beschreibt  bei  vorderen  und  hinteren  Extremitäten  von  älteren 
Pferdeembryonen  Knorpelanlagen  am  Ende  der  CTriffelbeine,  welche  durch  Gelenk- 
spalten von  den  letzteren  getrennt  seien  und  sich  ganz  wie  Phalangen  (des  2.  und 
des  4.  Fingers)  verhalten.  Die  einzelnen  Phalangen"  findet  der  Autor  durch  Streifen 
im  Knorpel  gegeneinander  abgegrenzt.  Die  Ossifikation  soll  jedoch  nicht  durch  sepa- 
rate Kerne,  sondern  von  den  Knochenjjunkten  der  Griffelbeine  aus  erfolgen.  Die 
Untersuchungen  sind  durch  makroskopische  Präparation  angestellt  und  nicht  mit 
modernen  Methoden  kontrolliert  worden. 

3)  A.  ßosENBERG  (1872)  fand  in  der  Entwickelung  der  Wiederkäuer  Anlagen 
von  Mtll  und  IV.  Diese  bilden  sich  nicht  immer,  wie  jener  Autor  annahm,  völlig 
zurück,  sondern  die  proximalen  Teile  derselben  können  zeitlebens  restieren  (Traguliden, 
Boas  1890;  bei  Fossilien  schon  früher  bekannt,  Gaudry  1878).  —  Beim  Pferd  ver- 
hält sich  der  Hinterfuß  wie  der  Vorderfuß,  vgl.  auch  Anm.  2.  Bei  Hyraxembry- 
onen  Spuren  von  1.  und  5.  Zehe,  die  später  verschwinden  (E.  Fischer  1903).  — 
Anfängliches  Zurückbleiben  rudimentärer  Strahlen  schildern  A.  Rosexberg  (1872) 
und  Thilenius  (1896). 

Handbuch  der  Entwickelungslehie.  III.  2.  21 


322  H.  Braus, 

Eine  frühere  Hypothese,  welche  ganz  allgemein  in  der  Poly- 
phalangie  (also  auch  in  Fällen  von  Hyperphalangie)  einen  Atavis- 
mus sah  (Leboucq  1896)  und  alle  geringen  Phalangenzahlen  bei  Tetra- 
poden  für  Rückbildungserscheinungen  hielt  (vergl.  Anm.  2 1,  ist 
jetzt  wohl   allgemein   verlassen. 

Bei  Sauropsiclen  ist  Oligophalangie  häutig  i).  Krokodil- 
einbryonen  besitzen  am  4.  Finger  eine  ö.  (nach  Kükenthal  aus 
3  separaten  Anlagen  verschmolzene)  Phalanx,  welche  im  definitiven 
Zustand  verloren  gelit^)  (Kükenthal  ^)  1892,  Leboucq  1899).  Bei 
Vögeln  ist  die  Normalzahl  der  Phalangen  an  den  3  definitiven  Fingern 
1 — 2 — 1.  Sie  ist  freilich  nicht  so  fest  normiert  wie  bei  Säugern.  Bei 
Embryonen^)  fand  man  jedoch  2 — 3 — 2.  Auch  im  Fuß  ist  ein  ähnliches 
geringes  Plus  beobachtet  worden. 

Bei  Säugetieren  besitzen  vor  allem  die  Cetaceen  eigentümliche 
Vermehrungen  der  Elemente  in  den  Strahlen  des  Acropodium.  Nach 
KÜKENTHAL  (1890)  handelt  es  sich  nur  um  eine  scheinbare  Hyper- 
phalangie.  Er  findet,  daß  nicht  die  Anlagen  der  Phalangen  selbst 
in  der  Ontogenie  der  Wale  vermehrt  werden,  sondern  daß  bei  der 
Ossifikation  einmal  statt  des  üblichen  einen  Epiphysenkernes  deren 
zwei,  und  zwar  je  einer  an  jedem  Ende  der  Phalanx  (wie  bei  Röhren- 
knochen im  Stylo-  und  Zeugopodium)  auftreten.  Zweitens  bleibt  dann 
die  Vereinigung  dieser  Epiphysenkerne  mit  der  Diaphyse  aus.  Diese 
beiden  Momente  führen  nach  unserem  Autor  zu  der  oft  beträchtlichen 
Vermehrung  der  Glieder,  w eiche  danach  auf  eine  Zerfallser- 
scheinung zurückgeführt  wäre.  Es  entwickeln  sich  nämlich  alle 
Knochencentren    zu  selbständigen  Elementen  weiter. 

Nachträglich  können  dann  Konkrescenzen  zwischen  den  einzelnen 
Knochen  eintreten,  oder  aber  es  kann  eine  weitere  Zeispaltung  dadurch 
zu  Stande  kommen,  daß  sich  mehr  als  2  Epiphysenkerne  in  jeder  Phalanx 
bilden  5), 

Vieles  in  dieser  Darstellung  beruht  noch  auf  Kombination.  Eine  genaue 
Serienverfolgung  (für  welche  freilich  das  seltene  Material  schwer  zu 
beschaffen  ist)  müßte  durch  Nachweis  der  üblichen  Heterochronieen  zwischen 

1)  Bei  Amphibien  bilden  sich  die  Phalangen  von  vornherein  in  der  definitiven 
Zahl,  soweit  die  Verhältnisse  untersucht  sind.  Bei  Fossihen  wurde  jedoch  an 
Hand  und  Fuß  einzelner  Zehen  je  eine  Phalanx  mehr  als  bei  recenten  Formen  be- 
obachtet. 

2)  Die  Normalzahl  der  Phalangen  bei  Reptilien  ist  4,  doch  besitzen  Lacertilier 
häufig  noch  5  Phalangen  am  4.  Finger,  auch  im  ausgebildeten  Zustand.  —  Die  fos- 
silen Halisaurier  hatten  bis  zu  30  Phalangen  an  einem  Finger  (Ichthyosaurus).  Es 
ist  wohl  kein  Zweifel,  daß  dies  sekundäre  Hyperphalangie  war  (Baur  1887).  Doch 
ging  die  frühere  Annahme,  daß  die  Polyphalangie  etwas  Primäres  sei,  von  diesen  Be- 
funden aus. 

3)  Nach  Kükenthal  sind  auch  am  5.  Finger  von  Ivrokodilembryonen  mindestens 
2  Phalangen  überzählig.  Der  1.,  2.  und  3.  Finger  erhalten  von  vornherein  ihre 
definitive  Phalangenzahl. 

4)  Schon  Heusinger  (1820)  fand  bei  jungen  Hühnern  2—3—1.  A.  Rosenberg 
(1872)  vermuteto  beim  3.  Finger  des  Hühnchens  eine  weitere  Phalanx,  da  er  eine 
Vorknorpelpartie  an  der  betreffenden  Stelle  sah.  Einen  separaten  Knorpel  (also 
2—3—2)  wies  Baur  (1885)  bei  Embryonen  von  Anas  domestica  zuerst  nach. 
Uebrigens  besitzt  Archaeopteryx  lithographica  2—3—3  (nach  Bauk  1885  sogar 
2—4-3). 

5)  2  Epiphysenkerne  werden  auch  anderwärts  hier  und  da  in  einer  Epiphyse 
angetroffen  (vgl.  p.  317  Anm.  1).  —  Der  häufig  gebrauchte  Ausdruck  ,, doppelte  Epi- 
physenkerne" für  die  Fälle,  in  welchen  je  eine  Ossifikation  an  jedem  Ende  des  Skelett- 
stückes gefunden  wird,  ist  mißverständlich  wegen  des  Vorkommens  von  Fällen  mit 
2  Kernen  in  einer  Epiphyse. 


Entw.   d.   Form  d.  Extremitäten  u.   d.  Extremitätenskeletts.       o23 

Dia-  und  Epiphysenverknöcherungen  sicherere  Resultate  ergeben.  Leboicq 
(1899*)  ist  der  Ansicht,  daß  die  Vermehrung  der  Phalangen  durch 
Sprossung  der  Fingerspitzen  entstehe,  sobald  keine  knöcherne  Endkappe 
(ßETTERER)  an  der  Endphalanx  vorhanden  sei.  Bei  allen  Maramaliern, 
welche  konstante  Phalangenzahlen  aufweisen,  findet  er  diese  Endkappe 
und  schiebt  ihr  die  Ursache  zu,  daß  Neubildung  von  Phalangen  nicht 
stattfinden  könne.  Howes  (1888)  leitet  die  Hyperphalangie  nicht  von 
den  Anlagen  der  Phalangen  selbst,  sondern  von  intercalaren  Syndemosen 
derselben  ab,  welche  nach  ihm  verknöchern  und  in  die  Reihe  der  primären 
Ersatzknochen  eintreten  ^). 

Auch  Oligoplialangie  ist  bei  Säugern  beobachtet  worden.  Leboucq 
(ISilli)  sah  am  4.  Finger  von  Fledermausembryonen  eine  3.  Phalanx 
und  distal  davon  eine  zwar  inkomplett  gesonderte,  aber  sonst  den 
übrigen  Phalangenanlagen  entsprechende  Knorpelinsel  (4.  Phalanx?), 
Bei  der  Ossifikation  entstehen  nur  in  der  1.  und  2.  Phalanx  Knochen- 
kerne. Doch  dringt  von  demjenigen  der  2.  Phalanx  ein  Zapfen  in 
die  Knorpelanlagen  der  3.  (und  4.)  Phalanx  ein.  Wenn  also  beim 
fertigen  Tier  an  diesem  Finger  scheinbar  nur  2  Knochen  vorhanden 
sind,  so  ist  doch  in  dem  distalen  der  beiden  mehr  als  eine  ursprüng- 
liche Anlage  erhalten. 

Beim  Menschen  tritt  der  Knorpel,  welcher  die  Anlage  der  Mittel- 
phalanx der  5.  Zehe  bildet,  häufig  in  Konnex  mit  der  Endphalanx.  Beide 
Knorpel  bilden  dann  ein  Stück,  in  welchem  auch  nur  ein  Ossifikations- 
punkt  auftritt  oder  sonstige  regressive  Veränderungen  im  Verknöcherungs- 
prozeß  beobachtet  wurden.  Die  Mittelphalanx  ist  also  im  Beginn  der 
Verkümmerung  begriffen  (Pfitzner  1890,  Hasselwander  1903).  Uebrigens 
hat  EniER  (1901)  gezeigt,  daß  im  allgemeinen  das  menschliche  Fußgewölbe 
eine  Zunahme  der  Stärke  seiner  Elemente  zeigt  (als  Anpassung  an  die 
Aufgaben  der  aufrechten  Gangart).  Man  kann  also  aus  Reduktionen 
in  der  Kleinzehe  nicht  auf  solche  des  ganzen  fibularen  Fußrandes  schließen. 

Die  Verminderung  der  Phalangenzahl  des  Daumens  und  der  Groß- 
zehe bei  Säugetieren  wird  zwar  allgemein  für  eine  Folge  des  Verlustes 
der  Endphalanx  gehalten.  Doch  ist  dies  ontogenetisch  nicht  nachgewiesen, 
Pfitzner  (1892,  1897),  Pbrrin  (1893),  Lambertz  (1900).  Hasselwander 
(1903)  u.  a.  verteidigen  die  Annahme,  daß  nicht  die  3.,  sondern  die 
2.  Phalanx  verloren  gegangen  sei ,  weil  sie  die  RETXERER'sche  End- 
kappe der  Endphalanx  für  ein  Homonom  derjenigen  der  Terminalglieder 
der  anderen  Finger  halten  und  auch  sonst  Uebereinstimmungen  in  der 
Ossifikation  der  jeweils  apicalen  Phalangen  finden. 

c)  Tersrleich  des  Skelettes  der  tetrapoden  und  tetraptery^ialen  Forinen. 

In  einem  früheren  Abschnitt  (p,  243)  wurde  der  Schluß  gezogen,  daß 
die  ä  u  ß  e  r  e  E  n  t  w  i  c  k  e  1  u  n  g  der  Gliedmaßen  bei  Tetrapoden  und  ihre 
Stellungsänderungen  in  der  Ontogenese  zu  einer  Form 
der  ersten  Anlage  zurückleiten,  welche  in  allen  essentiellen  Punkten 
mit  dem  frühesten  Stadium  der  paarigen  FischÜossen  übereinstimmt. 
Wie  steht  es  nun  mit  dem  Skelett  beider? 

1)  Die  von  Eyder  (1885)  herstammende  Hypothese,  daß  ein  bei  Wasserraub- 
tieren angeblich  vorkommender  Knorpel  faden,  welcher  dort  als  Anhang  der  Endphalanx 
gefunden  wurde,  sich  nachträglich  gliedere  und  die  überzähligen  Phalangen  liefere, 
ist  hinfällig  geworden ;  denn  Leboucq  (1888)  wies  nach,  daß  jener  Faden  nicht  aus 
Knorpel  besteht,  sondern  eine  bindegewebige,  stark  verlängerte  Plngerkuppe  ist.  Auch 
bei  Walen  ist  ein  solcher  Knorjielfaden  nicht  bekannt. 

21* 


324  H.  Braus, 

Nach  den  in  den  vorhergehenden  Abschnitten  dieses  Kapitels 
gegebenen  speciellen  Nachweisen  ist  die  früheste  Skelettanlage 
bei  tetrapoden  wie  bei  tetrapterygialen  Formen  einheitlich. 
Das  Gewebe  ist  in  diesem  Stadium  ein  dichtes  Mesenchym  (Vor- 
knorpel) und  repräsentiert  einen  in  der  Kör  per  wand  gelegenen 
Abschnitt  (zonale  Anlage:  Schultergürtel,  Becken)  und  eine  in  der 
freien  Gliedmaße  sich  entwickelnde  Fktte  (Pterj'gium  bei  Fischen, 
Chiridium  bei  Tetrapoden),  w^elche  in  beiden  Fällen  successive  distal- 
wärts  aussproßt  in  dem  Maße,  wie  die  freie  Gliedmaße  wächst,  und 
basal  von  Anfang  au  mit  der  zonalen  Anlage  kontinuierlich  zusammen- 
hängt. Auch  später,  nachdem  diskontinuierliche  Knorpelcentren  auf- 
getreten sind,  kommt  es  nochmals  zu  einer  vorübergehenden  Xev- 
schmelzung  der  Knorpelinseln  durch  Brücken  aus  demselben  Gewebe 
(Knorpel),  also  zu  einer  Einheit,  welche  sowohl  bei  Fischen  wie  bei 
Tetrapoden  nachgewiesen  ist,  dann  aber  bei  der  Gelenkbilduug  regres- 
siven Prozessen  (Umwandlung  in  Faserknorpel  oder  völliger  Auflösung) 
verfällt.  Unter  den  Tetrapoden  ist  freilich  diese  zweite,  knorpelige 
Einheit  des  Gliedmaßenskelettes  auf  die  niederen  Formen  (vor  allem 
die  Amphibienentwickelung)  beschränkt.  Bei  Amnioten  kommt  sie 
nur  unvollständig  oder  gar  nicht  mehr  zu  stände ;  die  Gelenke  bilden 
sich  vielmehr  von  vornherein  in  den  vorknorpeligen  Partieeu  zwischen 
den  in  Betracht  kommenden  Knorpelinseln.  Es  hängt  dies  wahrschein- 
lich mit  dem  bei  Amnioten  durchweg  höheren  Entwickelungszustand 
der  Gelenkformen  (Diarthrosen)  zusammen,  welche  eine  längere  Ent- 
wickelungszeit  und  deshalb  frühere  Anlage  beanspruchen. 

Auch  die  zeitliche  Folge  der  Entwickelung,  welche  bei  der  Fisch- 
flosse darin  gefunden  wurde,  daß  bei  den  einfacheren  Formen  (Selachier, 
Dipnoer)  das  Zonoskelett  vorangeht  und  darauf  das  Pterygium  als  sein 
Sproß  baso-terminalwärts  von  diesem  auswächst,  ist  im  tetrapoden  Schema 
manchmal  rein  nachzuweisen  (Amnioten),  freilich,  wie  dies  bei  Fischen 
auch  der  Fall  sein  kann,  manchmal  gestört,  falls  besondere,  dem  Embryo- 
nalleben eigentümliche  Veränderungen  der  Bauchwand  (z.  B.  bei  der  Auf- 
blähung im  Larvenleben  von  Anuren)  eine  zeitige  Anlage  des  Zonoske- 
lettes  verhindern. 

Bei  der  Verknorpelung  sondern  sich  die  Teile.  Auch 
dies  ist  bei  tetrapterygialen  wie  tetrapoden  Formen  dasselbe.  Der 
zonale  Bogen  entsteht  bei  beiden  in  einem  Guß,  indem  sich  von  der 
glenoidalen  Partie  aus  chondrifizierende  Grundsubstanz  durch  Thätig- 
keit  der  entsprechend  angeordneten  Zellen  ventralwärts  und  dorsal- 
wärts  vorschiebt.  Als  wichtigstes  Merkmal  beim  Zonoskelett  ist  hervor- 
zuheben, daß  die  Bogenform,  welche  bei  Fischen  so  charakteristisch 
ist,  sich  auch  bei  Tetrapoden  (Schultergürtel  und  Becken)  in  diesem 
Stadium  noch  erkennen  läßt.  Allerdings  beginnen  hier  schon  Ab- 
weichungen aufzutreten,  indem  bei  vielen  Tetrapoden  (z.  B.  schon  bei 
den  niedersten,  den  Urodelen)  eine  tiefgreifende  Spaltung  des  ventralen 
Bogenteiles  in  zwei  Aeste  ^)  stattfindet.  Wenn  dann  bei  den  höheren 
Extremitäten  in  der  späteren  Entwickelung  Schultergürtel  und  Becken 


1)  Von  der  glenoidalen  Partie  aus  bildet  sich  als  dorsaler  Fortsatz  beim 
8chultergürtel  dessen  scapularer,  beim  Becken  dessen  iliacaler  Teil,  als  ventraler 
Fortsatz  bei  ersterem  Coracoid  +  Procoracoid,  bei  letzterem  Pubis  +  Ischium.  Es 
kommen  übrigens  auch  ungespaltene  ventrale  Fortsätze  der  Gürtel  bei  Tetrapoden 
vor.  —  Manchmal  treten  bei  Tetrapoden  separate  Centren  in  den  einzelnen  Teilen  an 
die  Stelle  des  einheitlichen  Knorpels. 


Entw.   d.  Form  d.  Extremitäten   u.   d.  Extremitätenskeletts.        325 

durch  Ausgestaltung  besonderer  Abschnitte  des  Zouoskelettes  und 
namentlich  beim  Auftreten  der  neuen  Gewebsform,  des  völlig  anderen 
mechanischen  Gesetzen  folgenden  Knochengewebes,  voneinander  und 
von  den  gleichnamigen  Gebilden  bei  Fischen  verschieden  werden,  so 
ist    das    deutlich    eine    späte   Differenzierung,    welche    der    Ueberein- 

/  II 


-\  ^--^      \  \         'praeax 

postax    \        f-Os       \  N^----^ 

L~-  2}raeax 
postax .  - 


A  A 

Fig.  264.  Vorknorpelplatten  im  Frühstadium  bei  einer  vorderen  Selachierextremität 
(I,  nach  E.  Rüge)  imd  bei  einer  Urodelenhand  (II,  nach  C.  Rabl).  a  Spitze  der 
Achse,  an  welcher  das  Wachstum  fortschreitet. 

Stimmung  der  frühesten  Anlagen  keinen  Abbruch  tliut.  Es  ist  daran 
zu  erinnern,  daß  bei  der  Fischflosse  gerade  im  G  ürtelskelett  der 
älteste,  primitivste  Bestandteil  des  ganzen  Extremitätenskelettes 
erkannt  wurde.  Die  ontogenetische  Uebereinstimmung  der  Entwickelung 
bei  Tetrapoden  mit  Fischen  an  dieser  Stelle  ist  also  von  fundamen- 
taler Bedeutung. 

Weit  schwieriger  gestaltet  sich  die  Frage  nach  den  genetischen 
Uebereinstimmungen  zwischen  Chiridium  und  Pterygium.  Betrachtet 
man  aber  hier  zunächst  die  Form  der  V  ork  n  orpelplatte 
während  des  terminalen  Wachstums  (es  setzt  zu  dieser  Zeit  häufig 
in  den  basalen  Teilen  bereits  die  Chondrifikation  ein),  so  ist  eine  all- 
gemeine Uebereinstimmung  zwischen  beiden  Gliedmaßen  unverkennbar 
(Fig.  2(34).  Denn  es  sprossen  beim  Chiridium  (II)  ebenso  aus  einem 
einheitlichen  Stiel  successive  Fortsätze  aus  wie  beim  Pterygium  (I). 
Diesen  Befund^)  halte  ich  für  fundamental  wichtig  für  die  Ver- 
gleichung  des  Chiridium  mit  dem  Pterygium. 

Mit  der  Bildung  der  Knorpelinseln  entsteht  dann  aber  ein  höchst 
variables  Bild  bei  den  pentadactylen  Gliedmaßen,  denn  zeitlich 
können  die  Centren  in  'der  verschiedensten  Folge  auftreten.  Als 
einzige  Konstante  ist  uns  in  diesem  Wechsel  zur  Zeit  bekannt,  daß 
sich  das  Stylopodium  zuerst,  dann  das  Zeugopodium  und  schließlich 
das  Autopodium  anlegt.  In  dieser,  baso-terminalen  Reihenfolge  ver- 
knorpeln auch  gewisse  Pterygia  (s.  u.).   Die  Succession  der  einzelnen 


1)  Es  sind  hier  ganz  allgemein  die  Fortsatzbildungen,  wie  sie  sich  bei  allen 
Fischen  und  bei  allen  Tetrapoden  finden  gemeint.  Es  sollen  nicht  etwa  speciell 
die  Fortsätze  des  Selachier-  und  Amphibien  Skelettes,  die  in  Fig.  264  nebeneinander 
gesetzt  sind,  homologisiert  werden.  Dagegen  zeigt  die  Nebeneinanderstellung  dieser 
beiden  Formen,  wie  ähnlich  die  Bildungsvorgänge  bei  der  Vorknorpelplatte  in  beiden 
Gruppen  sein  können.  Denn  die  Succession  der  Strahlen,  die  vom  präaxialen  Eand  der 
Extremität  zum  postaxialen  hin  einer  nach  dem  anderen  aussprossen,  ist  völlig  identisch. 
Wenn  bei  vielen  Tetrapoden  Synchronismus  im  Auswachsen  der  Fortsätze  auftritt 
(manche  Amnioten)  oder  gar  die  umgekehrte  Folge  (vom  postaxialen  zum  präaxialen 
Rand  hin)  sich  findet  (Anuren),  so  sei  daran  erinnert,  daß  Aehnliches  beim  Pte- 
rygium auch  vorkommt  (p.  214). 


326 


H.  Braus, 


Bestandteile  der  oben  genannten  Haui)tabsclinitte  ist  aber  (vor 
allem  im  Autopodium)  eine  so  verschiedenartige  bei  Tetrapoden.  daß 
hier  der  zeitlichen  P'olge,  wie  sie  uns  zur  Zeit  bekannt  ist,  meines 
Erachtens  keine  i)hylogenetische  Bedeutung  zugemessen  werden  kann. 
Das  Bestimmendere  für  den  Vergleich  ist  die  Formentwickelung  der 
einzelnen  Teile. 

Da  ist  mit  dem  zunächst  dem  Gürtel  und  auch  zuerst  entstehenden 
Element,  dem  Stylopodium,  zu  beginnen.  Als  Vergleichsobjekt 
unter  den  primitiven  Entwickelungsformen  des  Pterygium  kommt  am 
ehesten  das  proximalste  Stück  in  der  Skelettanlage  der  freien  Dipnoer- 
flosse  (Ceratodus :  1,  Achsenglied,  Fig.  265a  Z)  in  Frage.  Denn  es  ist, 
wie  im  Chiridium,  das  einzige  im  ersten  Abschnitt  der  Extremität 
separat  sich  anlegende  Element.     Nachbarn  sind  ihm  nicht  zur  Seite. 


Fig.  265. 
a  b 

Sch.g  Sch.g 


Fig.  266. 
a  b 


f^- 


posta.r 


2if<iea.i 


R 


Fig.  265.  Knorpelige  Skelettanlagen  im  Frühstadium  einer  Di- 
pnoerflosse  (a,  nach  Semon)  und  eines  [Jrodelenarmes  (b,  nach  Rabl). 
Die  einander  entsprechenden  Teile  sind  mit  identischer  Schraffierung 
versehen.  Die  lateinischen  Ziffern  bedeuten  die  Glieder  des  Achsen- 
strahles, die  deutschen  diejenigen  des  ersten  Seiten  Strahles  bei  Cera- 
todus.    Selig  Schultergürtel. 

Fig.  266.  Dasselbe  wie  in  Fig.  87,  nur  in  einem  etwas  älteren  Stadium,  a  Cera- 
todus (nach  Semon),  b  Isodactylium  (nach  Öhitkovj. 

Auch  das  Metapterygium  der  Selachier  kommt  hier  in  Betracht.  Doch 
erhält  dieses  bald  im  Meso-  und  Propterygium  Nachbarn,  die 
allerdings  sekundär  ontogenetisch  entstehen  und  außerdem  eine  so 
reiche  Fiederung  durch  zahlreiche  sich  terminal  bildende  Sprossen 
zeigen,  Vorgänge,  welche  beim  Chiridium  so  völlig  fehlen,  daß  eine  nur 
allgemeine  Aelinlichkeit  in  der  frühesten  Anlage  koustatiert  werden 
kann,  welche  aber  unverkennbar  ist. 

Für  den  örtlich  und  zeitlich  folgenden  Abschnitt  des  Chiri- 
dium, das  Zeugopodium,  besteht  ebenfalls  im  Dipnopterygium 
ontogenetisch  eine  komplette  Homologie  in  den  beiden  Hauptelementen. 
Das  zweite  Achsenglied  und  das  Basalsegment  des  ersten  präaxialen 
Seitenstrahles  bei  Ceratodusembryoncn  (Fig.  265a  71  und  J;  liegen  gerade 
so  zueinander  und  haben  dieselbe  Aehnlichkeit  in  Form  (annähernd  auch 
an  Breite)  wie  die  Frühanlagen  von  Radius  und  UIna  (resp.  Tibia  und 
Fibula)  bei  Tetrapoden  ^).     Etwas  später  bildet  sich  an  der  präaxialen 

1)  Dagegen  tritt  bei  Ceratodus  in  der  späteren  Entwickelung  Konkrescenz  dieser 
beiden  Skelettabschnitte  ein,  so  daß  also  das  fertige  Flossenskelett  dieses  Dipnoers 


Entw.   d.   Form  d.   Extremitäten  u.  d.  Extremitätenskeletts.        827 

Seite  des  Stammstrahles  beim  Dipnopterygiiim  ein  weiteres  Stück  aus 
(Fig.  26(3a,  ^),  dem  ein  neuer  Seitenstrahl  entsproßt.  Es  entsteht 
zwischen  den  distalen  Enden  der  beiden  Hauptbestandteile  des  zweiten 
Abschnittes  (welche  oben  mit  dem  Zeugopodium  verglichen  wurden) 
und  gleicht  darin  dem  lutermedium  der  Tetrapoden  (Fig.  26r)b,  i). 
Auch  die  Beziehung  zum  postaxialen  Element  des  Zeugopodium, 
welche  bei  der  Anlage  2  des  Dipnopterygium  charakteristisch  ist 
(Fig.  2G(3a),  fehlt  bei  Tetrapoden  nicht.  Sie  ist  jedoch  bei  letzteren 
meist  erst  in  ein  wenig  älteren  Stadien  deutlich  erkennbar  ^)  (Fig.  249, 
p.  292). 

Ob  auch  ein  Homologen  des  postaxial  im  Dipnopterygium  sich  an- 
legenden Stückes  (Fig.  266a,  <2*)  beim  Chiridium  vorkommt,  ist  zweifel- 
haft. Denn  das  Pisiforme,  welches  der  Lage  und  ontogenetischen  Be- 
ziehung zur  Ulna  nach  eine  große  Aehnlichkeit  mit  2*  besitzt,  ist  ein 
Accessorium,  und  als  solches  nicht  sicher  primärer  Herkunft  -). 

An  sich  könnte  die  lange,  schon  früh  bei  Ceratodus  in  reicher 
Quergliederuug  entstehende  Achse  des  Pterygium  (Fig  265a  Ä)  als 
Gegengrund  gegen  die  Homologisierung  mit  dem  Chiridium  gelten, 
weil  bei  letzterem  eine  solche  fehlt.  Doch  zeigt  die  frühe  Entwicke- 
lung  der  Selachier,  daß  gerade  hierin  uichts  Typisches  für  das  Ptery- 
gium liegt.  Auch  im  Selachopterygium  ist  ähnlich  wie  bei  Urodelen 
gleichsam  die  Spitze  des  auswachsenden  Baumes  verkümmert  (vgl. 
auch  Fig.  264  I,  II  bei  Ä),  so  daß  die  Seitenäste  bei  diesen  früher  und 
stärker  auswachsen,  als  dies  bei  Dipnoern  der  Fall  ist.  So  gleicht 
also  in  diesem  Punkt  die  Frühentwickelung  des  Chiridium  niederer 
Tetrapoden  mehr  den  gleichen  Stadien  des  Selachopterygium,  in  der 
Art  der  Anordnung  von  Stylo-  und  Zeugopodium  mehr  dem  Dipno- 
pterygium, Die  Stammform  des  Chiridium  muß  also  in  einer  dem 
Selacho-  und  Dipnopterygium  gemeinsamen  Uranlage  gesucht  werden, 
von  welcher  sich  das  letztere  durch  sein  enormes  terminales 
(Längen-)Wachstum  und  die  damit  verbundene  Ausgestaltung  der 
biserialen  Fiederunar   entfernt  hat  und  von  welcher  das  erstere  durch 


•ö 


frühe  lateral-  und  kranialwärts  gerichtete  Ditferenzierungen 
(Vermehrung  der  präaxialen  Strahlen,  Meso-  und  Propterygium)  ver- 
schieden ist.  Diese  Frühform  ist  noch  rein  hypothetisch ;  denn  in 
reiner  Ausbildung  ist  sie  weder  ontogenetisch  noch  paläontologisch 
bisher  bekannt  geworden.  Doch  verläßt  der  Vergleich,  wie  er  oben 
versucht  ist,  nicht  den  Boden  des  thatsächlich  bei  niederen  Formen 
manifesten  Befundes.  Auch  die  vergleichende  Anatomie  und  die 
Paläontologie  melden  vieles  zu  seinen  Gunsten. 


schon  zu  hoch  specialisiert  ist,  als  daß  das  Chiridium   mit   ihm   direkt  vergUchen 
werden  könnte  (p.  218). 

1)  Die  jüngsten  fStadien  bei  den  geeigneten  Objekten  unter  den  niederen  Tetra- 
poden sind  hier  vielleicht  nur  zu  wenig  auf  diesen  Punkt  hin  untersucht.  Uebrigens 
kann  nicht  etwa  erwartet  werden,  daß  i.  aus  der  Anlage  der  Ulna  (Fibula)  succes- 
sive  aussproßt.    Denn  alle  Knorpel  legen  sich  bekanntlich  als  sejjarate  Centren  an. 

2)  An  der  im  Dipnopterygium  mit  ?  bezeichneten  Stelle  (Fig.  266a)  entsteht  ent- 
weder kein  postaxialer  Strahl  bei  Ceratodus  oder  er  kommt  sehr  verspätet 
und  nur  noch  individuell  zur  Anlage.  Bei  Tetrapoden  ist  hier  keine  für  einen 
Vergleich  in  Betracht  kommende  Anlage  vorhanden.  Wenigstens  kann  ich  die 
Pate  IIa,  das  einzige  Accessorium,  welches  ungefähr  an  dieser  Stelle  liegt,  nicht  als 
primäres  Element  anerkennen  (Thilenius  189.5  glaubt,  sie  sei  ein  solches),  halte  sie 
vielmehr  mit  Flourens  u,  v.  a.  für  eine  sekundäre  Neubildung,  welche  j^hylo- 
genetisch  durch  die  Beziehung  zur  Sehne  der  Streckmuskulatur  entstanden  ist. 


328  H.  Braus, 

Wende  ich  mich  jetzt  zum  Aiitopodiiim  der  Tetrapodeii,  so 
ist  hier  keine  Form  in  den  Entwickehiugsstadien  des  Pterygium  be- 
kannt, auf  welche  die  Entwickelung  jenes  in  toto  ohne  weitgehende  Hilfs- 
annahmen bezogen  werden  könnte.  Es  müßte  für  eine  unmittelbare 
vergleichend-embryologische  Beweisführung  verlangt  werden,  daß  im 
Pterygium  ein  Frühstadium  gefunden  würde,  welches  in  Anordnung 
und  Zahl  der  Elemente  denen  des  Autopodium  beiTetrapoden  entspräche. 
Da  aber  zur  Zeit  die  Entwickelung  nirgends  diese  Forderung  in 
klarer  Weise  für  das  ganze  Autopodium  erfüllt,  so  greift  unter 
den  Autoren  die  alte  Ansicht  um  sich,  daß  überhaupt  eine  direkte 
Verwandtschaft  der  distalen  Teile  auszuschließen  und  das  Autopodium 
(nach  vielen  sogar  auch  das  Zeugopodium)  als  eine  vom  Pterygium 
genealogisch  unabhängige  Neubildung  zu  betrachten  sei.  Doch 
scheint  es  mir  übereilt  wegen  mangelnder  Parallelstadien  beim 
Pterygium,  also  aus  negativen  Gründen,  solche  positiven  Schlüsse 
zu  ziehen.  Es  erwächst  solchen  Annahmen  die  Aufgabe,  den 
Nachweis  zu  liefern,  daß  ein  von  den  Pterygiophoren  unabhängiger 
Atavus  existiert  hat,  auf  welchen  das  Chiridium  als  Neubildung 
zu  beziehen  wäre,  d.  h.  also  eine  Form  mit  nacktem  Achsenstab  (ent- 
sprechend dem  Stylopodium)  ohne  weitere  Gliederung  (denn  die  dem 
Zeugo-  und  Autopodium  oder  jedenfalls  die  dem  letzteren  entsprechen- 
den Teile  müßten  ja  jener  Ausgangsform  in  allen  Entwickelungsstadien 
fehlen).  Solange  diese  nicht  bekannt  ist  ^),  haben  jene  Hypothesen 
keinen  höheren  Wert. 

Andererseits  ist  jedoch  zu  konstatieren,  daß  wenigstens  für  einen 
Teil,  ja  für  die  größte  Gruppe  der  Elemente  des  Autopodium  un- 
mittelbare Anknüpfungen  im  Pterygium  gegeben  sind.  Die  Finger- 
an lagen  (Meta-  und  Acropodium)  bieten  eine  klare 
U  e  b  e  r  e  i  n  s  t  i  m  m  u  n  g  mit  der  0  n  t  o  g  e  n  i  e  der  Radien  der 
Fischflosse  (Selacho-  und  Dipn  opterygium).  Als  vor- 
knorpelige Strahlen  sowohl  wie  durch  die  Gliederung  in  reihenförniig 
angeordnete  Knorpelelemente  sind  beide  homonom.  Besonders  wichtig 
ist  es ,  daß  auch  im  Basipodium  überall ,  wie  die  Entwickelungs- 
geschichte  desselben  ergeben  hat,  ursprünglich  die  distalen  Car- 
palia  resp.  Tarsalia  zu  je  einem  Strahl  des  Meta-  und  Acropodium 
gehören.  Die  Fiederung  des  Chiridium  ist  also  vom  terminalen  Ende 
bis  in  das  Basipodium  hinein  manifest.  Gerade  die  Hand-  und  Fuß- 
platten, welche  diese  Fiederung  l)eherbergen,  sind  es  ja  auch,  welche  in 
der  äußeren  Formentwickelung  bei  Amnioten  der  Fischflosse  so  außer- 
ordentlich ähnlich  sind,  daß  schon  v.  Baer  sie  miteinander  in  gene- 
tische   Beziehung    brachte-).      Das    einzige    Stück    des    Auto- 


1)  Sehr  beachtenswert  ist  der  Versuch  Gr.  Kerr's  (1900,  1002,  III''', 
p.  234),  die  Flosse  von  Lepidosiren  als  Ausgangspunkt  des  Chiridium  nach- 
zuweisen. Sie  würde  den  oben  erhobenen  Ansprüchen  genügen.  Doch  ist  der  Ein- 
wand gerechtfertigt,  daß  hier  keine  primäre  Einfachheit,  sondern  sekundäre  Rück- 
bildung gegenüber  Formen  wie  Ceratodus  vorliegt  (die  Gründe  hierzu  sind  kürzlich 
zusammengestellt  und  erweitert  bei  Fürbringer  1902,  III  \  p.  234).  Auch  liegen 
vorläufig  erst  kurze  Mitteilungen  über  die  Ontogenie  der  Flosse  von  Lepidosiren  vor, 
aus  welchen  bezüglich  dieser  Frage  nichts  zu  ersehen  ist. 

2)  In  diesem  Stadium  sind  das  Stylo-  und  Zeugopodium  noch  ganz  kurz  (im 
primitiven  Zustand,  p.  285),  stecken  ganz  in  der  Basis  der  Platte,  so  daß  ein  äußer- 
lich sichtbarer  „Stiel"  derselben  kaum  erkennbar  ist.  Daraus  darf  jedoch  nicht  der 
Schluß   gezogen   werden,  daß  sich  die  Hand    vor   dem  Arm  bilde,  wie  dies  Emery 


Entw.  cl.  Form  d.  Extremitäten  ii.  d.  Extremitätenskeletts.       329 

P  0  d  i  u  111 ,  auf  welche  sich  derzeit  die  Unklarheit  des 
Vergleiches  beschränkt,  besteht  also  nur  in  der  proximo- 
centralen  Reihe,  bestehend  aus  den  kanonischen  Ele- 
menten r  (t),  u  (/■)  und  C.  Für  diese  gilt  allerdings  das  oben 
bereits  Gesagte,  daß  sich  die  Vorstellungen,  welche  heute  über  die 
primäre  Anordnung  dieser  drei  Stücke  möglich  sind,  nicht  über  das 
Niveau  von  Vermutungen  erheben  und  daß  weitere  Aufschlüsse  erst 
von  zukünftigen  Untersuchungen  erhofft  werden  können.  Immerhin 
sei  auf  den  Befund  bei  Isodactylium  hingewiesen,  welcher  im  frühesten 
Stadium  bereits  jene  Elemente  mit  den  anderen  in  deutlicher  Reihen- 
anordnung zeigt  (Fig.  248,  p.  291).  Dieser  Einzelfall  kann  jedoch 
nicht  allen  Basipodia  zum  Ausgangspunkt  gedient  haben  und  bedarf 
noch  der  Erweiterung. 

Schließlich  ist  noch  auf  die  Versuche  der  Achsenbestimmung 
im  Chiridium  hinzuweisen.  Denn  wenn  dieses  von  dem  Pterygium 
abgeleitet  werden  soll,  muß  erwartet  werden,  daß  auch  der  Achsen - 
strahl,  welcher  bei  primitiven  Pterygia  stets  vorhanden,  wenn  auch 
nicht  immer  so  stark  wie  im  Dipnopterygium  entwickelt  ist,  ursprüng- 
lich im  Chiridium  vorhanden  war.  Daß  uns  aber  die  Lage  der  Achse 
speciell  im  Autopodium  bei  unserer  Unsicherheit  über  die  primäre 
Beschaffenheit  seines  proximo-centralen  Abschnittes  nicht  klar  ent- 
gegentreten kann,  liegt  auf  der  Hand.  Abgesehen  von  dieser  Be- 
schränkung ist  aber  eine  Bestimmung  der  Achsenlage  möglich.  Folgt 
man  der  Vorschrift  Huxley's  und  paßt  das  Chiridium  und  Pterygium 
in  Horizontalstellung  so  aufeinander,  daß  präaxialer  Rand  auf  prä- 
axialen und  postaxialer  Rand  auf  postaxialen  zu  liegen  kommt  (Fig.  265), 
so  ergiebt  sich  die  Homologie  der  Achse  der  Fischflosse  mit  der 
Ulna  (Fibula)  1)  bei  Tetrapoden.  Es  steht  damit  im  Einklang,  daß 
das  Intermedium  häufig  ontogene tisch  besonders  innige  Be- 
ziehungen zur  Ulna  (Fibula)  besitzt,  gerade  so  wie  der  betreffende 
Seitenstrahl  des  Dipnopterygium  zur  Achse  (vergl.  p.  327).  Häufig  ist 
die  Lage  des  Intermedium  bei  den  fertigen  Formen  nicht  mehr  so 
charakteristisch.  Naturgemäß  muß  die  Achse,  welche  im  Zeugopodium 
am  postaxialen  Rand  liegt,  auch  im  Autopodium  auf  dieser  Seite  gesucht 
werden  ^).    Ob  sie  aber  dort  in  den  Randfinger  (5.)  oder  etwa  in  seinen 

(1897)  und  Petee  (1902)  thun ;  denn  die  Skelettentwickelung  zeigt  ja  das  Gegenteil.  Der 
Arm  bildet  sich  nicht  später  als  die  Hand,  aber  er  wächst  erst  spät  in  die 
Länge  imd  gewinnt  dann  erst  seine  charakteristische  Form  als  „Stiel"  der  Platte. 

1)  Es  gilt  dies  allerdings  nur  unter  der  berechtigten  Voraussetzung,  daß  die 
postaxiale  Seite  der  Fiederung  des  Dipnopterygium  (da  diese  bei  Ceratodus  am 
ersten  Glied  bereits  rudimentär  ist)  nicht  mehr  im  Chiridium  erhalten  ist  und  daß 
nur  die  präaxialen  Seitenradien  für  den  Vergleich  in  Betracht  kommen.  Doch 
ist  auch  der  Versuch  gemacht  worden,  die  postaxialen  Seitenradien  mit  den  Haupt- 
elementen des  Chiridium  unter  ßeiseitesetzung  der  präaxialen  Eadien  zu  homolo- 
gisieren  (Baur  1885,  E.  Eosenberg  1892).  Danach  wäre  die  Achse  durch  den 
Radius  zu  legen,  und  der  erste  postaxiale  Seitenstrahl  wäre  die  Ulna.  Mit  dem 
Kern  der  HuxLEv'schen  Beweisführung  verträgt  sich  diese  Ansicht  durchaus ;  denn 
auch  bei  ihrer  Annahme  können  die  Extremitätenschemata  so  aufeinander  gepaßt 
werden,  daß  sich  die  Achsen  decken.  Dagegen  widersj^richt  die  Hypothese  dem 
Nachweise  Gegenbaur's  (1876),  daß  das  Intermedium  zur  Ulna  ibez.  Fibula)  be- 
sonders innige  Beziehungen  besitzt ;  denn  diese  müßten  nach  ihr  zwischen  Inter- 
medium und  Radius  (bez.  Tibia)  bestehen.  So  fügte  Gegenbaur  (1.  c),  indem 
er  Huxley's  Ansicht  übernahm  und  seine  eigene  frühere  Meinung  als  irrtümlich 
aufgab,  erst  das  bedeutsamste  Moment  in  die  Behandlung  dieser  Frage  ein. 

2)  Es   ist  freilich   auch  der  Versuch   gemacht   worden   (Leboücq  1884,    1899 


380  H.  Braus, 

nächsten  Nachbar  (4.)  lallt,  ist  nur  im  Autopodium  selbst  zu  ent- 
scheiden und  deshalb,  wie  oben  gesagt  wurde,  unsiclier.  So  viel 
steht  fest,  daß  das  Urchiridium  sehr  wohl  eine  deutliche  Achse  ge- 
habt haben  kann.  Denn  am  postaxialen  Rand  der  Embryonen 
recenter  Formen  sind  deutlichere  Spuren  davon  erhalten  als  bei  aus- 
gebildeten Tieren. 

Es  existieren  namentlich  in  der  vergleichend-anatomischen  Litteratur 
zahlreiche  Versuche,  die  Achse  auch  im  Autopodium  der  Tetrapoden  ge- 
nauer zu  bestimmen.  Ich  lasse  sie  hier  beiseite,  weil  ich  ihnen  keinen 
tieferen  Wert  beimessen  kann  ^). 

Es  besteht  ferner  die  Hypothese,  daß  die  einheitlichen  Teile 
des  Extremitätenskelettes  (vor  allem  das  Stylopodium,  auch  das  Zono- 
skelett)  durch  Ivonkrescenz  metamerer  Teile  entstanden  seien. 
Entweder  stützt  sich  dieselbe  auf  den  Vergleich  mit  dem  Pterygium, 
indem  angenommen  wird,  daß  das  Stylopodium  im  Metapterygium  der 
Selachier  sein  komplettes  Homologon  habe  und  daß  durch  eine  Stellungs- 
änderung des  letzteren  die  charakteristische,  vom  Körper  abstehende  I^age 
des  Stylopodium  bei  niederen  Tetrapoden  zu  stände  gekommen  sei 
(Balfoue  u.  V.  A.).  Für  diese  Autoren  liegt  der  Beweis  für  die  metamere 
Zusammensetzung  ganz  bei  den  im  Pterygium  gegebenen  Verhältnissen, 
die  ich  bei  diesem  besprochen  habe,  aber  nicht  als  zwingend  anerkennen 
kann.  Andererseits  ist  zu  Gunsten  dieser  Hypothese  angenommen  worden 
(MoLLiER  1895),  daß  im  Chiridium  eine  neue,  diesem  eigene  Konkrescenz 
hinzutrete,  welche  im  Pterygium  noch  nicht  vorhanden  sei.  Es  sollen  5 
(oder  mehr)  Strahlen,  welche  bei  Fischen  noch  frei  dem  Basipterygium 
aufsitzen,  miteinander  basal  verschmolzen  sein  und  durch  diese  Konkrescenz 
das  Stylopodium  und  Zeugopodium  erzeugt  haben.  Die  frei  heraus- 
ragenden Strahlenenden  seien  die  Finger.  Doch  ist  diese  Konkrescenz 
weder  beobachtet,  noch  ist  indirekt  die  ursprüngliche  Existenz  separater 


Kükenthal  1889, 1893),  die  Achse  schräg  durch  den  Carpus  zu  legen,  weil  bei  Säugetier- 
embryonen manchmal  eine  von  der  Ulna  zum  Daumen  in  gerader  Reihe  ausgerichtete 
Folge  von  CarpaUa  und  Metacarpalia  beobachtet  wurde.  Ein  solcher  Befund  hat 
aber  nur  dann  vergleichend-morphologischen  Wert,  wenn  auch  im  Pterygium  eine 
solche  Reihenbildung  nachzuweisen  ist.  Im  übrigen  können  sich  reihenförmige  An- 
ordnungen gewiß  leicht  sekundär  beim  Autopodium  herausbilden,  und  darin,  daß  sie 
dies  thun  und  von  primären  Reihen  schwer  zu  unterscheiden  sind,  liegt  hauptsäch- 
lich die  Schwierigkeit  des  Problems.  Indem  nun  E.  Rosenberg  (1891)  nachwies, 
daß  jene  Schrägreihe  kein  Homologon  bei  der  Fischflosse  haben  kann,  widerlegte  er 
den  Versuch,  sie  als  Achse  des  Chiridium  anzusehen. 

1)  Rabl  (1901,  III'',  p.  235)  hat,  um  die  Wertlosigkeit  solcher  Versuche  zu  illu- 
strieren, außer  einer  kleinen  Auswahl  historischer  Achsenschemata,  mehrere  von  ihm  selbst 
konstruierte  zusammengestellt,  welche  alle  in  gleicher  Weise  den  von  Gegenbaur 
an  eine  richtige  Achsenkonstruktion  gestellten  Anforderungen  genügen  sollen.  Es 
liegt  dem  ein  Mißverständnis  zu  Grunde.  Denn  Gegenbaur  hat  nicht,  wie  Rabl 
meint,  zum  Prinzip  seiner  Konstruktion  die  Forderung  gemacht,  daß  jeder  Strahl 
des  Schemas  nur  durch  eines  der  kanonischen  Carpalia  gehen  dürfe  (er  hat  viel- 
mehr ausdrücklich  zugegeben,  daß  Dichotomie  oder  Mehrfachteilung  von  Strahlen 
eine  Rolle  spielen  könne,  1864,  p.  165).  Bei  Gegenbaur  ist  die  Bestimmbarkeit 
eines  hypothetischen  Strahles  im  Chiridium  abhängig  von  der  Möglichkeit,  die 
Lage  auf  die  Verhältnisse  des  Pterygium  zurückzuführen.  Das  ist  eine  auch  heute 
noch  aktuelle  Forderung,  mit  welcher  in  Zukunft  Versuche,  einen  Achsenstrahl  nach- 
zuweisen, in  erster  Linie  werden  zu  rechnen  haben.  —  Wie  wenig  übrigens  Gegen- 
baur selbst  sein  eigenes  Schema  des  Chiridium  oder  irgend  ein  anderes  als  end- 
gültig betrachtete,  hat  er  selbst  klar  ausgesprochen  (1898,  p.  527). 


Entw.   d.   Form  d.  Extremitäten   u.   d.  Extremitätenskeletts.        331 

Strahlen    an  Stelle    der    genannten  Abschnitte  mit  einiger  Sicherheit  be- 
gründet 1). 

Es  sei  noch  erwähnt,  daß  auch  das  Crossopterygium  als  Aus- 
gaugsform  für  das  Chiridium  angenommen  wurde  (Emery  1887,  1894  etc., 
PoLLARD  1892,  Klaatsch  1896).  Doch  fehlt  diesem  ein  Homologen  des 
Stylopodium.  Die  Versuche,  diese  Schwierigkeit  durch  weitere  Hypothesen 
zu  umgehen,  halte  ich  für  wenig  glücklich.  Sie  sind  rein  vergleichend- 
anatomisch,   da    die  Entwickelung   jener  Eormen    noch  zu  unbekannt  ist. 


Litteratur. 

Verzeichnis  der  ivichtigsten  im  dritten  Abs  chnitt  citiertcn  Qttcllcn'^). 

Bade ,     P,       Die    Entunckclung    der    menschlichen    Bvßknochen    nach    Hontgogrammen. 
Süz.-Ber.  Niederrhein.   Ges.  Bonn  1896. 

—  Die    Entwickelunii    des    menschlichen    Skelettes    bis    zur    Geburt.      Arch.    mikr.    Anat. 

Bd.   LV.  Bonn  1899. 
Bardeen,    Ch.  It.,   and  Lewis,   W.   H.     Develvpinent  of  the  limbs,  body-wall  and  back 

in  man.     Journ.  americ.  Anat.    Vol.  I.   Chicago  1901. 
V.   Bardeleben,  K.  Hand  und  Fuß.    Referat.    Verhdl.  Anat.  Ges.  Straßburg.  Jena  1894. 

(Außerdem    zahlreiche    Publikatio7icn    des  Autors    aus  den  Jahren  188S — 1894,    über 

ivelche  in  dem  Referat  berichtet  ist.) 
Barfuvth,  D.      Versuche    über    die   Umivandlung    der  Froschlarven,     Arch.  mikr.  Anat. 

Bd.  XXIX.  Bonn  1887. 

—  Ein  Triton    mit    einer  überschüssigen  fünfzehigen    Vordergliedmaße    (atavistische   Re- 

generation).     Verhdl.  Anat.    Ges.    Tübingen.    Jena  1900    (s.    auch   Arch.  f.    Entiv.- 
Mech.  Bd.  I.  1894). 
Baur,    G.      Der    Carpus    der   Paarhufer.      Eine   morphogenetische    Studie.    (Vorl.  3Iitt.) 
3Ior2)h.  Jahrb.  Bd.  IX.  Leipzig  1884. 

—  Zur  3Iorphologie    des    Carpus    und    Tarsus    der    Reptilien.      (Vorl.  Mitt.)    Zool.  Anz. 

Leipzig  1885. 

—  lieber  die  Kanüle  im  Ilumerus  der  Amnioten.    Morph.  Jahrb.  Bd.  XII.  Leipzig  1887. 

—  Beiträge  zur  Morphogenie  des  Carpus  und  Tarsus  der  Vertebraten.    I.  Teil.  Batrachia. 

Jena  1888. 

—  The  pelvis    of   the    Testudinata,   with   notes  an  the  evolution  of  the  pelvis  in  general. 

Journ.  Morph.    Vol.  IV.  Boston  1891. 

—  Der  Carpus  der  Schildkröten.     Anat.  Anz.    Bd.    VII.   Jena  1892,     (Ueber  zahlreiche 

andere  Arbeiten  E.vtremitäten    betreffend    s.    Verzeichnis  der  Schriften  des  Atitors  bei 
Wheeler:     George    Baur's    life    and    writings  Americ.    Naturalist.     Vol.    XXXIII. 
Boston  1899. 
Van  Benmielen.      Ueber    die   Herkunft   der  Extremitäten-    und   Zungenmuskulatur    bei 
Eidechsen.     Anat.  Anz.  Bd.  IV.  1889. 


1)  Metamere  Muskelknospen,  von  welchen  bei  Selachiern  eine  primäre  Seg- 
mentierung der  Skelettanlagen  abzuleiten  versucht  wurde,  sind  auch  bei  Tetrapoden 
in  seltenen  Fällen  gefunden  worden  (bei  Eidechsen  Vax  Bemmelen  1889 ;  sie  fehlen 
völlig  bei  Amphibien,  Vögeln  und  Säugern).  Es  besteht  eine  solche  Abstufung 
zwischen  dem  Auftreten  von  lang  persistierenden  Muskelknospen,  flüchtigem  Auf- 
treten von  solchen  und  bloßem  Ausströmen  von  Muskelbildungszellen  aus  den 
Myotonien,  daß  wohl  kaum  nach  dem  Verhalten  des  myogenen  Materiales  eine 
durchgreifende  Scheidung  der  Pterygia  von  den  Chiridia  vorgenommen  werden  kann, 
wie  dies  bei  Rabl  (1901)  geschieht.  Auch  verschwinden  die  Knospen  da,  wo  sie 
bei  Tetrapoden  vorkommen,  so  schnell,  daß  irgendwelche  Lagebeziehuugen  zum 
Skelett  nicht  zu  stände  kommen.  An  solche  knüpft  sich  bei  Selachiern  der  eigent- 
liche Versuch,  die  Konkrescenz  der  Skelettanlagen  zu  beweisen.  Die  Verhältnisse 
bei  Tetrapoden  sind  also  noch  unzulänglicher  in  dieser  Richtung  als  bei  Fischen. 
—  L.  BoLK  (1894),  welcher  aus  der  metameren  Folge  ausgebildeter  Muskeln  beim 
Menschen  auf  eine  ursprüngliche  Segmentierung  des  Skelettes  schloß  (Sklerozouen- 
theorie),  hat  diese  Ansicht  selbst  inzwischen  im  Wesentlichen  wieder  zurückgenommen 
(1899;  vergl.  auch  Braus  1904,  III  \  p.  195). 
2)  Vgl.  Anm.  1  p.  195  und  p.  233. 


332  H.  Braus, 

Bendz,  H.  Explicatio  iconiim  aiiat.  vulgarium  danicorvm  mauimaliuvi  domesticorum. 
Fase.  ost.  Hafniac  1S50. 

Bernays,  A.  Die  Entwickckmgsgesehiehte  des  Kniegelenkes  des  Menschen  mit  Be- 
merkungen  über  die   Gelenke  im  allgemeinen.     Morph.  Jahrb.  Bd.  IV.   LeipHg  1S7S. 

BolU,  L.  Bezielnmgen  zivischen  Skelett,  Muskulatur  und  Nerven  der  E.Uremitätcn,  dar- 
gelegt am  Beckengürtel.     Mur^Ji.  Jahrb.  Bd.  XXI.  Leipzig  1S94:. 

—  Die    Segmentaldifferenzierung     des    menschlichen    Bunipfes    und.    seiner     Extremitälen. 

Morph.  Jahrb.  Bd.  XXVI— XXVIII.  Leipzig  1S9S.   1S09. 
Born,     G.      Die    sechste    Zehe    der    Anuren.       3Ior2)h.    Jahrb.    Bd.    VI.     Leijizig   lS7ß 
(s.  auch   Verhdl.  Ges.  deutsch.  Naturf.  u.  Aerzte.   Graz  1S75). 

—  Zum  Carpus  und  Tarsus  der  Saurier.     Morp)h.  Jahrb.  Bd.  IL  Leipzig  1877, 

—  Nachträge  zum.  Carpus  und  Tarsus  der  Saurier.     Ibidem.  Bd.  IV.  1S80. 
Brooin.      On    the    develojnneyit    and  morphology  of  the  marsupial  shoulder-girdle.     Proc. 

R.  Soc.  Edinburgh.   Vol.  XXIIL  1S99. 

—  On    the  early  condition   of  the  shoulder-girdle  in  the  Poly protodont  ßlarsupials  Dasy- 

tiru3  and  Perameles.     Journ.  Linn.  Soc.  Zool.  Bd.  XXVIII.  London  1902. 
Bruch,    C.      lieber  die  Entwickelung  der  Clavicula   und  die  Farbe  des  Blutes.     Zeitschr. 
iviss.  Zool.  Bd.  IV.  Leipzig  1853. 

—  Untersuchungen    über    die    Entwickelung    der    Gewebe    bei    den   ivarmblütigen  Tieren. 

Frankfurt  a.  31.  1863. 
V.  Bunge,   A.     Unfcrsuchimgcn  zur  Entwickelungsgeschichtc  des  Beckens  der  Ampihibien, 

Bejitilien  und    Vögel.     Inaug.-Diss.  Dorpat  1880. 
Chomiakoff'.    Die  Entwickelung  des  Tarsus  bei  Pelnbates  fuseus.    Bidl.  soc.  inip.  ßloscou. 

T.   VIIL  1894. 
Cuenocl.     L' a,rticulation    du    coude.     Internat.  Monatschr.    Anat.  Phys.    Bd.    V.    Leijizig 

1888. 
Buges,   A.,    Becherches    sur    l'osteologie   et   la  myologic  des  Batraciens  d  leurs    diffcrens 

dges.     3Icni.  des  savants  etrang.  Acad.  roy.  d.  sc.  Institut  de  France  1834. 
Le  Bmnany.   Les  torsions  osscuses,  leitr  r-ole  dans  la  transformation  des  menibres.     Journ. 

anat.  2)hysiol.  Annee  39.  1903. 
Eggeling,   H.      Ueber  den  oberen  Rand  des  menschlichen  Brustbeinhandgriffes.     Verhdl. 

anat.   Ges.  Heidelberg  1903. 
Etnery,    C.     Zur  Morphologie  des  Hand-  und  Fußskelettes.     Anat.   Anz.  Jena  1890. 

—  Studii   sulla  morfologia  dei  membri  dei  mammiferi.    Mem.  R.  Accad.  Bologna.  Ser.  5. 

T.  IL  1891. 

—  Studi    sulla    morfologia    dei    membri   degli  Anfibi    e   sulla  filogenia  dei  Chiropterygio. 

Ricerchc    Laborat.  Roma.    Vol.  IV.    1894  (s.  auch  arch.  ital.  de  biol.   T.  XXII  und 
Memor.  R.  Accad.  Bologna.  Ser.  5,  T.  II). 

—  Ueber  die  Beziehungen  des  Crossopterygiuni  zu  anderen  Formen  der  Gliedmafsen  der 

Wirbeltiere.     Anat.  Anz.  Bd.  XIII.  Jena  1897. 

—  Accessorische   und    echte    Skelettstücke.      Erwiderung   an  Herrn   Dr.   Thilcnius.     Ibid. 

1897*. 

—  Beiträge  zur  Entu'ickelungsgeschichte  und  3Iorphologic  des  Hand-  und  Fußskelettes  der 

Alarsupialier.      Semon,   Zool.    Forsch.-Reis.   Bd.  II.   Jena  1897**.     (S.  auch  Rend. 
Acc.  Lincei.    T.    V.  1895  und  Arch.  ital.  biol.   T.  XXV.  1896.) 

—  Hand-  und  Fußskelett  von  Eekidna  hystrix.     Lbidem.  Bd.  III.  1901  (s.  auch   Verhdl. 

Ges.  deutsch.  Naturf.  u.  Aerzte  ßlünchen  1899). 

Eivart,  tl.  C  The  second  and.  fourth  digit  in  the  horse :  thcir  dcvel.02)mcnt  and 
subsequent  degeneration.  Proceed.  R.  Soc.  Edinburgh.  Vol.  XX.  1894  (s.  auch 
Journ.  comjjar.  Path.  and,  Therajty  Edinburgh.  London.  Vol.  VII;  Journ.  Anat. 
and  Physiol.    Vol.  XXVIII;    Vcterinarian.  London.    Vol.  LXVIII). 

Fischer,  E.  Baii.  und  Entwickelung  des  Carpus  und  Tarsu.s  von  Ilyra.v.  Jen.  Zeitschr. 
Naturw.  Bd.  XXXVIL  Jena  1903. 

Fraisse,  P.  Die  Regeneration  von  Geivcben  imd  Organen  bei  den  Wirbeltieren,  be- 
sonders Amphibien  und  RejJtilien.     Berlin,   Cassel,   1885. 

Froriep,  H.  Diskussion  zu  dem  Vortrag  von  Kollmann:  Handskelett  xmd.  Ilypcr- 
dactylie.      Vers.  Anat.   Ges.   Würzburg.  Jena  1888. 

Fürbringer,  M.  Zur  verqleichenden  Anatomie  des  Brustschuliera.pparates  und  der 
Schultermuskeln,  I—V.  Jen.  Zeitschr.  Bd.VTL  1873;  Bd.  IT/7.  1874;  Bd.  XXXIV. 
1900.    Bd.  XXXVI.  190-2  uud  ßlorph.  .lahrb.   Bd.  I.   187.1. 

—  Zur  Lehre  von  den   Umbildungen  der  Nervcnjilexus.      Blorph.  Jahrb.  Bd.    V.  1879. 

—  Diskussion  zum   Vortrag  von  Kollmann.      Vers.  Anat.  (?e.s-.   Würzbiirg.  Jena  1888. 
Gallois,   E.   et  Cacle,   A.     Reeherches    anatom.igues  sur  la  date  d'apparition  et  le  deve- 

loppement  on  ligament  on  membrane  iuterosseuse  de  l'avant-bras.    Journ.  Anat.  Phys. 
Bd.  XXXIX.  Paris  1903. 


Entw.  d.  Form  d.  Extremitäten  u.  d.  Extremitätenskeletts.        333 

Gegenhaur,  C.  Untersuchungen  zur  vergleichenden  Anatomie  der  Wirbeltiere.  1.  Heft. 
Carpus  und  Tarsus.  Leipzig  lS6dt  (2.  Heft.  1S65,  s.  Litt,  dieses  Kap.  p.  284). 

—  Ein  Fall  von  erblichem  Mangel  der  Pars  acromialis  claviculae  mit  Bemerkungen  über 

die  Entu'ickelung  der  Clavicula.     Jen.  Zeifschr.  Bd.  I.   lSß4:''-. 

—  Kritische    Bemerkungen    über    Polydactylie    als    Atavismus.      Morph.    Jahrb.     Bd.    VI. 

Leipzig  ISSO. 

—  Ueber  Polydactylie.     Ibidem.  Bd.  XIV.  1S88   (vergl.  Arbeiten  über  Gliedmafsenskelett 

zusammengestellt  bei  M.  Färb  ring  er :  Carl  Gegenbaur.  In  „Heidelberger  Pro- 
fessoren aus  dem  19.  Jahrhundert"  Festschrift.  Bd.  II.  p.  460.  Heidelberg  1903. 

Gervais,  P.  Theorie  du  squelette  humain  fondee  sur  la.  comparaison  osteologique  de 
l'homme  et  des  animaux  vertebres.     Paris-Montpellier  lS5(i. 

Gölte,  A.  Beiträge  sur  vergleichenden  3Iorj}hologie  des  Skelettsystems  der  Wirbeltiere : 
Brustbein  und  Sclndtergürtel.     Arch.  mikr.  Anat.  Bd.  XIV.  Bonn  1S77, 

—  Ueber   Entwickelung    und.  Regeneration    des  Gliedmaßenskelettes   der  Molche.     Leipzig 

1879. 
Gruher,    W.     Vorläufige  Mitteilung  über  die  sekundären  Fußwurzelknochen  des  Menschen. 

Arch.  Anat.  Phys.  1884    (s.  auch  zahlreiche  Abhdl.  in  Bull.   Acad.  imp.  St.   Peters- 

bourg.   T.  XV.  XVL  XVII  etc.). 
Gultlbevg.      Ueber  temporäre  äußere  Hinterflossen  bei  Delphinembryonen.     Verheil.  Anat. 

Ges.  Slrafiburg.  Jena  1894  (s.  auch  A.  L.  III  ^°  imd  I\  p.  174). 

Hagen,  W.  Die  Bilaung  des  Knorpelskelettes  beim  menschlichen  Embryo.  Arch.  Anat. 
Phys.  .Ig.  1900. 

Hassel waiider,  A.  Untersuchungen  über  die  Ossifikation  des  menschlichen  Fußskelettes. 
Zeitschr.  Morph.  Anthrop.  Bd.  V.  Stiittgart  1903  fs.  auch  Sitz.-Ber.  Akad.  München. 
Bd.  XXXI  1900.  Rücker t). 

Henke  und  Iteyher.  Studien  über  die  Entwickelung  der  Extremitäten  des  ßlenschen, 
insbesondere  der  Gelenkflächen.  Sitz.-Ber.  K.  Akad.  d.    Wiss.    Wien.  Bd.  LXX.  1875. 

Hoffmann,  C,  K.  Beiträge  zur  vergleichenden  Anatomie  der  Wirbeltiere.  XII.  Zur 
3Iorphologie  des  Schultergürtels  und  des  Brustbeines  bei  Reptilien,  Vögeln,  Säuge- 
tieren' uud,  dem  ßlenschen.  Niederl.  Arch.  Zool.  Bd.  V.  Leiden-Leipzig  1879  (auch 
holländisch  in  K.  Akad.   Wetenschappen.  Amsterdam  1879). 

Holt,  M.  Ueber  die  Entinickelung  der  Stellung  der  Gliedmaßen  des  MenscJien.  Sitz.- 
Ber.  K.  Akad.    Wiss.    Wien.   Bd.   C.  1891. 

Hoives,  Cr.  B.,  und  Davies.  Observations  upon  the  morphology  and,  genesis  of  super- 
numerary  phalanges  irith  espccial  reference  to  those  of  Amphibia.  Proc.  Zool.  Soc. 
London.  1888. 

—  and  Rideicoocl,    W.      On  the  carpus  and  tarsus  of  the  Anura.     Ibidem   1888. 

Hoives,  G.  B.  Notes  on  Variation  and  development  of  the  frogs  verfebral  and  limb 
skeleton  of  the  Arivphibia.     Ibidem  1893. 

—  On  the  coracoid  of  the  terreslrial  vertebrates.   Ibidem,  1893--. 

—  and  Swinnerton.      On    the    development    of   the   skeleton   of  the   Tuatara  Sphenodon 

puncfatus.      Trans.  Zool.  Soc.  London.     Vol.  XVI.  1901.      (vergl.  auch  Ibidem  1900) 
Hultkranz,  J.   Willi.     Das  Ellenbogengelenk  und  seine  3Iechan,ik.    Jena,  1897. 

Johnson,   A.      On    the    development   of  the    pelvic    girdle  and  skeleton  of  the  hind  limb 

in    the    chick.      Quart.    Journ.    micr.  Sc.     Vol.  XXIII.    1883    (auch    Ilforph.    Jahrb. 

Bd.  XIII). 
Jordan,   P.  Die  Entwickelung  der  vorderen  Extremität  der  anuren  Batrachier.     Inaug.- 

Diss.  Leipzig  1888. 
Kollmann,    J.    Handskelett  und  Hyperdactylie.      Verhdl.  Anat.   Ges.   Würsburg.     Jena 

1888. 
Kükenthal,    W.    Ueber  die  Hand  der  Cetaceen.  I,  II,  III.     Anat.  Ans.  Bd.  III  und   V. 

Jena  1888  und  1890. 

—  Die  Hand  der  Cetaceen.     Denkschr.  Med.  naturw.  Ges.  Jena.  Bd.  III.  1889. 

—  Cetologische  Notiz.     Anat.  Ans.  Bd.    V.  Jena  1890'^. 

—  Ueber    d,ie  Anpassung   von  Säugetieren    an    das  Leben  im    Wasser.     Zool.  Jahrb.  Abt. 

Syst.  Bd.  V.   1890**. 

—  Zur  Entwickelung  des  Handskelettes  des  Krokodils.     Morph.  Jahrb.  Bd.  XIX.  Leipzig 

1892. 

—  Mitteilungen  über  den  Carpus  des  Weißivals  (Die  Bildung  des  Ilainatum  und  das  Vor- 

kommen   von    zwei    oder  drei  Centralia).     3Iorph.    Jahrb.  Bd.  XIX.  Leipzig  1892*. 

—  Ueber  Rudimente  von  Hinterflossen  bei  Embryonen  von  Walen.    Anat.  Ans.  Jena  1895. 

—  Vergleichend-anatomische    imd  entwickrlungsgcschichtlichc   Untersuchungen  an  Sirenen. 

Semon's  Zool.  Forschungsreis.  Bd.  IV.  Jena  1897. 
Lanibertz.    Die   Entwickelung    des    menschlichen   Knochengerüstes   während   des  fötalen 


834  H.  Braus, 

Lebens  dargestellt  an.  Röntgenbildern.     Forlschr.  Gebiet  Röntgenstrahlen.  Enj.  Heft  1. 
1900. 
Leboucq,   H,    De    l'os  central  du  carpe  chez  les  mammiftres.     Bull.  Acad.  R.  Belgique 
T.  IV.  18  S2. 

—  Recherches  sur  la  morphologie  dn  carpe  chez  les  mammifires.     Arch.  biol.   T.  V.  ISS-l. 

—  Ueber  das  Fingerskelett  der  Pinnipedier  und  der  Cetaceen.    Yerhdl.  Anat.  Ges.  Würzburg. 

Jena  1888. 

—  Ueber  Hyperphalangie   bei  Sängetieren.      Verhdl.  Anat.   Ges.  Berlin.  Jena  1896. 

■ —  Le  develoi}p>ement  du  squelettc  de  l'aile  du  marin  (Vespertilio  murinus).  Verhdl.  anat. 
Ges.   Gent.  Jena  1897. 

—  Recherches   sur   la   morphologie    de    l'aile    du  murin  (Vespertilio  inurinus)    livre  jubil. 

Van  Bambeke.  Bru.velles  1899. 

—  Ueber   die    Entwickelung  der  Fingerphalangen.     Verhdl.   Anat.    Ges.   Tübingen.     Jena 

1899-K 
LechCf    W.      Ueber  die  EntiHckehmg  des   Unterarmes  iind  Unterschenkels  bei  Chiroptera. 
K.  Svenska   Vet.  Akad.  Handlingar.  Bd.    V,  Bihang.  Stockholm  1879. 

—  Zur  Morphologie  der  Beutelknochen.      Verh.  biol.   Ver.  Stockholm  1891. 

Lewis,    W.  H.    The  development  of  the  arm  in  m.an.  American  Journ.  Anatomy.    Vol.  I. 

Chicago  1902. 
Leighton,    V.  L.    The  development  of  the  wing  of  Sterna  Wilsonii.    Americ.  Naturalist. 

Vol.  XXVIII.  1894. 
Lignitz,    W.     Die  Entivickelung    des  SchuUe7'gürtels   beim  Frosch.     Inaug.-Diss.  Leipzig. 

1897. 
Mehtiert,  E.      Untersuchungen  über  die  Entwickelung  des  Os  pelvis  der   Vögel.    Morph. 

Jahrb.  Bd.  XIII.  Leipzig  1888. 

—  Untersuchungen  über  die  Entwickelung  des  Beckengürtels  bei  einigen  Säugetieren.  Ibidem. 

Bd.  XV.  1889. 

—  Untersuchungen    über    die  Entwickelung  des  Beckengürtels    der  Emys  häaria   taurica. 

Ibidem.  Bd.  XVL  1890. 

—  Ueber  die  Entwickelung  des  Os  hypoischium  (Os  cloacae  ajit.),   Os  epipubis    und  Liga- 

mentum medianum  pelvis  bei  den  Eidechsen.     Ibidem.  Bd.  XVII.  1891, 

—  Kainogenesis  als  Ausdruck  differenter  p)hylogencti scher  Energieen.     Morphol.  Arbeiten. 

Bd.    VII.  Jena  1897  (vgl.  auch  ßlorphol.  Arbeiten.  Bd.    VI.  IS 96). 

—  Demonstration   und  Erläuterung   von  Ratitenbecken    als  Beleg  für  mechanische   Umge- 

staltung in  der  Ontogenie  und  phylogenetische  Beziehung  zum  Beckengürtel  der  Dino- 
saurier.     Verhdl.  Anat.   Ges.  Halle.  Jena  1902. 
Mollier,   S.  Die  paarigen  Extremitäten  der  Wirbeltiere.  IL  Das  Cheiropterygium.    Anat. 
Hefte.  Bd.  V.   Wiesbaden  189.5  (s.  auch  Sitz.-Ber.  d.  Gesell.  Morph.  Physiol.  München 

1894:). 

Mi'illev,   M.     Die  Reduktion  des  BrustscMdtergürtels  der  Saurier  bis  zum  völligen  Verlust 

desselben.     Inaug.-Diss.  Leijjzig  1900. 
NassonoVf   N.     Sur  le  developpement  du  squelette  des  extremites  de  l'aiitrn.che.     Bibliogr. 

anatom.  Paris.  Nancy  1896  (s.  auch  A.  L.  III  ^  1894/95.) 
Neuliüuser,    H,      Beiträge  etc.    I.  Die    Beckendrehung.       Zeitschr.   ßforphol.    Anthrop. 

Bd.  III.  Stuttgart  1901. 
Norsa,   E.     Alcune  ricerche  sulla  morfologia  dei  membri  anteriori  degli  Ucelii,    Ricerche 

Laborat.  anat.  Roma.    Vol.  IV.  1894  (s.  auch  Arch.   ital.  biol.   T.  XXII.  1894). 
Parlier,    W.   K.     A  monograph  on  the  structure  and  devehqjment  of  the  shouldergirdle 

and  sternum  in  the    Vertebrata.    Ray  Society  London.  1868. 

—  0?i   the   structure  and  development  of  the  wing   in  the  common  fowl.     Phil.   Transact. 

Bd.   CLXXIX.  London  1888. 
Paterson,  A.  M.     The   position  of  the   mammalian   limb   regarded   in    the   light   of  its 

Innervation  and  develop^nent.     Anatom.  Depart.   Owens  College.  Manchester  1891. 
Van  Pee,  P,  Recherches  .sur  le  developpement  des  extremites  chez  Amphiuma  et  Necturus. 

Compt.  rend.  Assoc.  Anatomistes  Liege  1903. 

—  Ueber  die  Entunckelung    der  Extremitäten  bei  Amphiuma  und  Necturus.      Verh.  anat. 

Ges.  Heidelberg  1903K 

—  Les  membres  chez  Amphiuma.     Anat.  Anz.  Bd.  XXIV.    Jena  1904. 

Peter,  K.  Mitteilungen  zur  Entivickelungsgeschiehte  der  Eidechse.  IV  und  V.  Die 
Extremitätenleiste  der  Amnioten  und  die  Anlage  der  Mitteldarmdrüsen.  Arch.  mikr. 
Anat.  Bd.  LXI.  Bonn  1902. 

Petersen,  H.  Unter srichungen  zur  Entwickelung  des  menschlichen  Beckens.  Arch.  Anat. 
Phys.  Jhrg.  1893. 

Pfitzner,    W.     Bemerkungen  zum  Aufbau  des  menschlichen  Carjnis.      Verhdl.  Anat.   Ges 


Entw.  d.  Form  d.  Extremitäten  u.  d.  Extremitätenskeletts.       335 

Göttingen.  Jena  1903  (s.  auch  zahlreiche  Aufsätze  in  Morph.  Arbeiten.  Bd.  I—  VIII. 
1891— 9S  und  Ztschr.  f.  Morph.  Anat.  Bd.  II.  1900). 
Mahl,    C.    Vortrag  V.  Anatomenkongreß  München  1895  (nach  Mo II ie r,  Cheiropterygium. 
Anat.  Hefte.  Bd.    V.  1895.  p.  451). 

—  Diskussion  zu  van  Pees   Vortrag.      Verh.  anat.   Ges.  Heidelberg  1903. 

—  Ueber  einige  Probleme  der  Blorphologie.     Ibidem  1903'-. 

Hamhaud,   A.,   et  Renault,    Ch.      Origine  et  developpement  des  os.  Paris  1864. 

Ratlike,   H.      Ueber   den  Bau  und  die  Entwickelung  des  Brustbeines  der  Saurier.     Ein 

Programm.   Königsberg  1850, 
Retterer,  Ed.    Contribution  a,  l'etude  du  developpement  du  squelette  des  extremites  chez 

les  mammifires  Journ.  Anat.  Phys.  Paris  1884.   1896.    1902  (s.  auch  Compt.  rend. 

Soc.  Biologie  1886.  1894.   1896».  1896-'».   1898.   1902»). 
Rjascheff,   A.   Untersuchungen  einiger  auf  die  Entivickelung  des  Extremitätenskelettes  der 

Säugetiere  bezüglicher  Fragen.     Diss.  Jurgetv  1893. 
Rosenberg,  A.      Ueber    die    Entwickelung    des  Extremitätenskelettes    bei    einigen    durch 

Reduktion    ihrer     Gliedmaßen    charakterisierten    Wirbeltieren.      Ztschr.    wiss.    Zool. 

Bd.  XXIII.  leipzig  1872. 
Rosenberg,   E,      Ueber    die  Entwickelung    der   Wirbelsäule    und    das  Centrale  carpi  des 

Menschen.      Morjyh.  Jahrb.  Bd.  I.  Leipzig  1875. 

—  Ueber    einige    Entwickelungsstadien    des     Handskelettes     der    Emys     Intaria    Marsilii. 

Ibidem.  Bd.  XVIII.  1892. 
Ryder,   J.   A.      On   the   genesis  of  the  e.Uraterminal  phalanges  in  the  Cetacea.     Americ. 

Naturalist  1885. 
Sahatier,   A.     Comparaison  des  ceintures  et  des  membres  anterieures  et  posterieurs  dans 

la   Serie    des    Vertebres.     Mcm.  Acad.  sc.  lettr.  Montjjellier.      V.  IX.  Jllontpellier-Paris 

1880. 

—  Morphologie   du  sternum  et  des  clavicules.     Compt.  rend.  Acad.  sc.  Paris.    V.  CXXIV. 

Pari^  1897. 

Schauinsland,  H.  Weitere  Beiträge  zur  Entwickelungsgeschichte  der  Hatteria:  Skelett- 
system, schallleitender  Apparat,  Hirnner-ven  etc.  Arch.  mikr.  Anat.  Bd.  LVI.  Bonn 
1900. 

—  Beiträge    zur  Entwickelungsgeschichte   und  Anatomie    der    Wirbeltiere.     I.  Sphenodon, 

Cullorhochus,    Chamäleo.     Zoologica.  Bd.  XVI.  Stuttgart  1903. 

Schoniburg,  H.  Entioickelung  der  3Iuskeln  und  Knochen  des  menschlichen  Fußes 
(gekrönte  Preisschrift).   Göttingen  1900. 

Schwegel.  Die  Entwickelungsgeschichte  der  Knochen  des  Stammes  und  der  Extremitäten. 
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Shitkov,  B.  M.  Ueber  den  Bau  und  die  Entwickelung  des  Skelettes  der  freien  Glied- 
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Steinheim,  Die  Entivickelung  der  Frösche.     Hamburg  1820. 

Strasser,  H.  Zur  Enttvickelvng  der  Extremitätenknorpel  bei  Salamandern  und  Tritonen. 
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—  Sur    le    developpement  du  carpe    chez    les  Anoures,    et  l'apparition  des  extremites  des 

membres    chez  les   Vertebres   en  general.    C.  R.  85.    Sess.  Soc.  Helv.    Sc.  nat.   Geneve 
1902. 
Thilenius,    G.      Zur   Entwickelungsgeschichte    der  Sesambeine    der   menschlichen    Hand. 
Morph.  Arbeiten.  Bd.    V.  Jena  1895  (s.  auch  Anat.  Anz.  Bd.  IX  u.  X.  1894). 

—  Das   Os  intermedium  antebrachii  des  Menschen.     Ibidem.  Bd.    V.  1895». 

—  Untersuchungen  über  die  morphologische  Bedeutung  accessorischer  Elemente  am  mensch- 

lichen  Carpus  (und  Tarsus).     Ibidem.  Bd.   V.  1896. 

—  Accessorische  und  echte  Skelettstücke.     Anat.  Anz.  Bd.  XIII.  Jena  1897. 
l'iedetnann.     Anatomie  U7id  Naturgeschichte  der   Vögel.  Bd.  I.  1810. 

Tornier,  G.  Zur  Phylogenese  des  terminalen  Segmentes  der  Säugetierhintergliedmaßen. 
Teil  I,  IL  Morph.  Jahrb.  Bd.  XIV.  XVL    Teil  IIL  Arch.  Naturgesch.  Jahrg.  1891. 

—  Ueber  Hyperdaciylie,    Regeneration    und    Vererbung  mit  Experimenten.     Arch.  Entw.- 

Mechanik.    Bd.  III.  IV.  Leipzig  1896  (s.  auch  Sitz.-Ber.  Ges.  naturf.  Freunde  Berlin. 
1896.   1897.  Zool.  Anz.  1897). 
Vogt,    Chr.      Ueber   die    Verknöcherung  des  Ilohlhandbandes  und  andere  Sesambeine  der 
Säuger  nebst  Bemerkungen  über  Gliedmaßemnuskeln  derselben.    Inaug.-Diss.  Tübingen. 
Landshut  1894, 


336  H.  Braus,  Entw.  d.  Form  d.  Extremit.  u.  d.  Extremitätenskeletts. 

Voeltzkow,  M.  Gesichtsbildung  und  Entwickelung  der  üußer-en  Körperform  hei  Chelone 
imbricata  Schweigg.  Abhdl.  Senkenberg,  naturf.  Ges.  Bd.  XXVII.  Frankfurt  a.  31. 
1903  (siehe  mich  A.  L.  III^). 

Weher,    M.      Anatomisches  über  Cetaceen.     3Iorph.  Jahrb.  Bd.  XIII.  leipzig  1S8S. 

—  Over    hypei-phalangen    Vormen    bei    Cetaceen.      Tijdschr.    Nederl.    Dierkund.     Vereenig. 

1892. 
Wiedersheini,  R.    Ueber  die  Entwickelung  des  Schulter-  und  Beckengürtels.  Anat.  Am. 
1889.    1890. 

—  Das   Gliedmaßenskelett  der   Wirbeltiere.    1892.    (Litt.  III",    p.  285,    s.   auch  Jlorphol. 

Jahrb.   IL  1876.    VI.  1880). 

—  Die  Phylogenie  der  Beutelknoche7i.    Eine  enttvickehmgsgeschichtlich-vergleichendanatomi- 
sche  Studie.  Ztschr.  iviss.  Zool.   Bd.  LIII.   Bonn  1892*. 

Zwick,  N.  Beträge  zur  Kenntnis  des  Baues  u7id  der  Entwickelung  der  Amphibienglied' 
maßen,  besonders  von  Carpus  und  Tarsus.     Zeitschr.  wiss.  Zool.  Bd.  LXIII.  1898. 


Inhaltsverzeichnis. 


Seite 
Einleitung 167 

A.  Die  iinpaaren  Exti-emitäten 168 

I.  Die  Entwickelung  der  äußeren  Form  der  Pinnae  und  die  his- 

tiogenetischen  Frühstadien  der  Differenzierung 168- 

1)  Der  einheitlicke  Elossensaum.  2)  Histiogenetische  Dif- 
ferenzierungen bei  komplett  und  inkomplett  angelegten 
Pinnae.  3)  Entstehung  diskontinuierlicher  Einzelflossen. 
(Doppelbildungen,  Präanalflosse,  tetrapode  Wirbeltiere,  Ur- 
sachen der  Entstehung  von  Einzelpinnae  aus  der  ursprüng- 
lich kontinuierlichen  Saumflosse.)  4)  Ausgestaltung  der 
Einzelflossen. 

IL  Die  Stützelemente  der  unpaaren  Flossen 176 

1)  Die  Entwickelung  der  Außenstrahlen  (Hautstrahlen)     .      .177 
a)  Hornfäden.     b)  Hautknochenstrahlen   (Beziehvingen  der 
Hautknochenstrahlen  zu  den  Hornfäden). 

2)  Die  Entwickelung  der  Innenstrahlen  der  Pinnae       .      .      .   179' 

a)  Die  frühesten  Entwickelungsstadien 179" 

o)  von  den  Achsengebilden  räumlich  getrennte  Anlagen : 
Dorsales,  epichordale  Caudalis  bei  Selachiern,  Ganoiden, 
Teleostiern  (sekundärer  Anschluß  des  Flossenskelettes  an 
die  knorpelige  Wirbelsäule,  Innenradien  und  Mu.skeln). 
j3)  Mit  den  Achsengebilden  räumlich  zusammenhängende 
Anlagen :  hypochordale  Caudalis  aller  Fische,  Pinnae 
der  Dipnoi.  y)  Beurteilung  der  verschiedenartigen  An- 
lagen   von    Innenradien    der    Pinnae    (Phylogenetische 


Inhalt.  337 

Seite 

Schlüsse).    8)  Anhang :  Entwickelung  des  Innenskelettes 
der  Pinuae  bei  Petromyzonten   (Myxinoiden,   Acranier). 
b)  Das    Innenskelett    der    Pinnae    in    der     späteren    Ent- 
wickelung   193 

Schluß.   —  Litteratur 194 

B.  Paarige  Extremitäten 196 

I.  Bei  TetrapterA'giern  (Fischen) 196 

1)  Die  Flossenleisten 196 

Allgemeine  Entstehung  und  Lokalisation.  Histiogenetischer 
Aufbau.  Kontinuität  und  Diskontinuität  der  vorderen 
(thorakalen)  und  hinteren  (abdominalen)  paarigen  Leisten. 
Vergleich  der  paarigen  und  unpaaren  Flossenleisten. 

2)  Die  Lokalisation  der  Flossenanlagen 200 

Verschiebungen  in  toto.  Vergrößerungen  und  Verkleine- 
rungen der  Flossenanlagen.  Drehungen  der  Flossenanlagen. 

3)  Die  Entwickelung  des  Gliedmaßenskelettes 204 

a)  Zonoskelett 205 

«)  Entwickelung  des  Schultergürtels,     ß)  Entwickelung 

des  Beckens. 

b)  Basipterygium  und  dessen  Derivate 212 

«)  Brustflosse  der  Selachier  und  Dipnoer 212 

Das  primäre  Basale  und  seine  Radien  :  Metapterygium 
(Phylogenese.      Numerische  Beziehungen    der  Meta- 
merie  von  Muskeln  und  Nerven  der  Anlage  des  Ex- 
tremitätenskelettes   [Radien].       Topographische    Be- 
ziehungen   metamerer    Muskel-    und    Nervenanlagen 
zum  Extremitätenskelett).     Die  sekundären  Basalia  : 
Entwickelung  des  Propterygium  und  Mesopterygium. 
ß)  Brustflossenskelett  der  Ganoiden  und  Teleostier       .   225 
y)  Entwickelung  des  Basipterygium  der  Beckenflosse  .   227 
Schluß    (Abstammungsproblem    des    Gliedmaßenskelettes).    — 
Litteratur 231 

IL  Die  paarigen  Extremitäten  der  tetrapoden  Wirbeltiere      .      .  235 

1)  Die   äußere  Form  der  Gliedmaßenanlagen    und    die    histio- 
genetischen  Frühstadien  der  Differenzierung 235 

a)  Die  Formentfaltung 235 

b)  Histiogenese  der  pentadactylen  Extremitäten  beim  ersten 
Entstehen 241 

c)  Das  Problem  der  Beziehungen  der  äußeren  Formgestal- 
tung bei  den  Tetrapoden  zu  derjenigen  bei  den  tetra- 
pterygialen  Wirbeltieren 243 

2)  Verschiebungen    und    Drehungen    der    Gliedmaßenanlagen 

im  Ganzen  und  einzelner  Teile  derselben 245 

Die  metamere  Position  der  Gliedmaßen  längs  des  Rumpfes. 
Achsendrehungen . 

3)  Die  Entwickelung  des  Extremitätenskelettes 252 

a)  Zonoskelett 252 

«)  Entwickelung  des  Schultergürtels 252 

Handbuch  der  Entwickelungslehre.     III.  2.  22 


338  Inhalt. 

Seite 

Primäre  Anlage  des  Schultergürtels  und  seiner  Teile 
(Vorknorpel  und  Knorpel).  Entwickelung  von  Ersatz- 
und  Deckknochen  des  Schultergürtels  (Ossifikationen 
der  Coracoscapula.     Clavicula.     Episternum). 

ß)  Die  Entwickelung  des  Beckens 270 

Früheste  Anlagen  (Vorknorpel  und  Knorpel).  Form- 
entwickelung des  Beckens.  Vergleich  der  Becken- 
und  Schultergürtelentwickelung.  Sekundäre  Eort- 
satzbildungen  des  Beckens  in  der  Bauchmittellinie 
(Epipubis,  Hypoischium). 

b)  Die  Entwickelung    des  Skelettes  der  freien  Extremität 

(Cheiropterj^gium,  Chiridium) 282 

«)  Allgemeine  Histiogenese  und  Formgestaltung       .      .  282 

Vorknorpelstadium.      Verknorpelung.     Gelenke.      Os- 
sifikation.    Reduktionen.     Regeneration. 
ß)  Specielle  Entwickelung  der  Skelettelemente  des  Chi- 
ridium     288 

Stj'lopodium  (Humerus,  Femur) 288 

Zeugopodium    (Ulna,    Radius ;  Tibia,    Fibula ;  Inter- 

medium 290 

Autopodium 294 

Problem  der  primären  und  sekundären  Bestandteile 
des  Autopodium  (Hyperdactylie,  Oligodactylie).  Sjje- 
cielle  Entwickelung  der  Elemente  des  Autopodium 
(Basipodium,  Meta-  und  Acropodium  [Bestimmung 
der  Position  rückgebildeter  Strahlen,  Zahl  der  Pha- 
langen]). 

c)  Vergleich  des  Skelettes  der  tetrapoden  und  tetrapter}^- 
gialen  Formen 323 

Litteratur   .  331 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein. 

Von 
Prof.  Dr.  H.  Schauinsland  i). 


Eine  Schilderung  der  Wirbelsäule  und  ihrer  Entwickelung  müßte 
eigentlich  auf  physiologischer  Grundlage  sich  aufbauen,  denn  all 
die  mannigfaltigen  Umbildungen,  die  sie  bei  den  verschiedenen  Ver- 
tretern der  Vertebraten  erfährt,  erfolgen  stets  im  Zusammenhang 
mit  und  in  Abhängigkeit  von  den  Aufgaben  und  Leistungen, 
deren  Erfüllung  ihr  obliegt.  Ihr  fällt  es  zu,  dem  Körper  Halt  und 
und  Stütze  zu  gewähren,  ohne  seine  Beweglichkeit  zu  sehr  zu  be- 
einflussen, diese  vielmehr  noch  zu  erleichtern  durch  die  Darbietung 
von  Ans  atz  st  eilen  für  die  bewegende  Muskulatur.  Daneben  soll 
sie  aber  auch  zum  Schutz  gereichen  für  wichtige  Organe,  für  das 
Rückenmark  und  die  Hauptblutgefäße,  während  Abkömmlinge  von 
ihr,  die  Rippen  und  das  Brustbein,  im  Rumpf  der  höheren 
Formen  Brust-  und  Baucheingeweide  zu  decken  und  zu  sichern 
haben. 

Leider  fehlen  uns  bis  jetzt  noch  so  gut  wie  alle  Vorarbeiten  für 
eine  derartige  physiologische  Betrachtungsweise,  und  daher  wird  auch 
nachstehend  fast  immer  nur  eine  Besprechung  der  morphologi- 
schen Verhältnisse  stattfinden. 

Wohl  kaum  ein  Organ  zeigt  bei  den  Vertebraten  so  wie  die 
Wirbelsäule  in  derart  hervorstechender  Weise  die  Neigung,  von 
niedrigen  zu  höheren  Stufen,  von  einfacheren  zu  komplizierteren  Zu- 
ständen in  allmählichem  Gange  vorzuschreiten.  Vergleicht  man  das 
Achsenskelett  eines  Cyclostomen  etwa  mit  dem  eines  Säugers,  so  er- 
scheint es  auf  den  ersten  Blick  fast  unmöglich,  das  eine  auf  das 
andere  zurückzuführen,  und  dennoch  sind  sie  durch  Uebergänge  fest 
miteinander  verbunden. 

Erreicht  wird  die  ganze  Mannigfaltigkeit  im  Aufbau  durch  die 
verschiedenartige  Verwertung  des  dafür  zur  Verwendung  kommenden 
Materials.     Einerseits    wird    dieses    geliefert   von    der    Chorda    und 


1)  Der  Versuch,  ein  klares  Bild  von  der  Entwickelung  der  Wirbelsäule  auf 
Grund  des  Studiums  der  überaus  reichen  Litteratur  allein  zu  entwerfen,  kann  wegen 
der  Fülle  der  verschiedenartigen  Ansichten,  die  selbst  bei  wichtigen  Fragen  sich  oft 
diametral  gegenüberstehen,  nicht  günstig  ausfallen.  Die  meisten  Vertebratenab- 
teilungen  wurden  daher  von  mir  selbst  durchgearbeitet,  und  somit  sind  auch  die 
Abbildungen  mit  wenigen,  als  solche  bezeichneten  Ausnahmen  nach  Original- 
präparaten angefertigt. 

22* 


340  H.  Schauinsland, 

ihren  Derivaten,  andererseits  von  dem  direkt  aus  den  Ursegmenten 
abstammenden  Mesenchym.  Aus  dem  Ueberwiegen  des  einen, 
dem  Zurücktreten  des  anderen  dieser  beiden  Baustoffe,  aus  ihrem 
Verhalten  und  dem  Grad  ihrer  gegenseitigen  Beeinflussung  während 
der  verschiedenen  Stadien  der  Entwickelung,  in  Verbindung  mit  dem 
Auftreten  von  Knorpel  und  Knochen  und  dem  sich  zwischen 
diesen  gleichsam  entspinnenden  Konkurrenzkämpfe  lassen  sich  all 
die  Variationen  der  Wirbelsäule  in  der  langen  Kette  der  Vertebraten 
erklären. 

Eine  vergleichende  Betrachtungsweise  zeigt  dabei  aufs  deutlichste, 
daß,  je  höher  das  Tier  steht,  in  desto  frühere  Embryoualstadien 
Entwickelungszustände  der  Wirbelsäule  verlegt  werden,  die  bei  niederen 
Formen  während  des  ganzen  Lebens  dauernd  bestehen.  So  stellen 
die  „häutigen"  und  knorpeligen  Zustände  der  Wirbelsäule,  der  Ent- 
wickelungsgrad  der  Chordascheide  etc.,  die  bei  niederen  Vertebraten 
bleibend  sind,  nur  vorübergehende  Phasen  in  der  Ontogenese 
der  höheren  Formen  dar  und  sind  damit  wohl  geeignet,  manchen 
brauchbaren  Rückschluß   auf  den  Gang   der  Phylogenese   zu   machen. 

Wie  nun  die  Vorgänge  im  einzelnen  sich  abspielen,  möge  das 
folgende  zeigen. 

Acraiiier. 

Wichtigste  Litteratur:  Jon.  Müller  1844;  Kowalbwsky  1867:  W.  Müller 
1871;  Stieda  1873;  Mihalkovicz  1875;  Rolpf  1876;  A.  Schneider  1879;  B. 
Hatschek  1882,  1888;  Lwofp  1887,  1891,  1893;  Ray  Lankester  1889;  Julia 
Platt  1892;  H.  Klaatsch  1892,  1895;  Claus  1894;  Josepf  1895;  v.  Ebner  1895. 

Neben  manchen  anderen  wichtigen  Merkmalen  ist  vornehmlich 
der  Besitz  eines  Achsenskelettes  maßgebend  dafür  gewesen,  daß 
Amphioxus  den  Vertebraten  zugezählt  wird. 

Die  ersten  Anfänge  zu  einem  solchen  finden  sich  allerdings  schon 
in  niederen  Formen,  und  es  kann  kaum  zweifelhaft  sein,  daß  es  bereits 
als  alte  Erbschaft  von  diesen  auf  die  Vorfahren  der  Wirbeltiere  kam. 
Bei  den  Larven  einiger  Tunicaten  —  den  A  sei  dien  —  und  bei 
den  Appendicularien  sogar  zeitlebens  kommt  nämlich  ein  axiales 
Stützorgan  vor.  Allerdings  ist  es  zum  größten  Teil  auf  den  zur 
Lokomotion  dienenden  Schwanzauhang  beschränkt,  dringt  eine  kurze 
Strecke  weit  aber  doch  in  den  Rumpf  hinein  und  liegt  hier  zwischen 
Medullarrohr  bezw.  einer  Reihe  gangliöser  Knötchen  und  dem  Darm, 
dorsal  von  letzterem,  ventral  von  ersteren.  also  ganz  ähnlich  wie 
bei  den  Vertebraten  (Fig.  166a  und  b).  Jenes  Organ  wird  als  Wirbel- 
sa i  t  e  oder  Chorda  dorsalis  bezeichnet. 

Seine  erste  Anlage  besteht  in  einem  platten  förmigen  Zellstreifen 
(Fig.  166  c,  d),  der  ursprünglich  die  Decke  des  Entodermsackes  bildet. 
Durch  Einfaltung  und  allmähliche  Abschnürung  entwickelt  sich  aus 
der  Chordaplatte  ein  Chordastrang  mit  rundlichem  Querschnitt. 
Während  in  ihm  die  Zellen  anfangs  in  doppelter  Reihe  nebenein- 
ander liegen,  verschieben  sie  sich  bald  darauf  derart,  daß  sie  in  ein- 
facher hintereinander  sich  befinden.  Innerhalb  einer  solchen  Zellen- 
säule treten  Vakuolen  auf  (Kow^alewsky  glaubt,  daß  sie  zwischen 
je  zwei  Zellen  entstehen,  während  Klaatsch  1895  ihr  erstes  Erscheinen 
ins  Innere  derselben  verlegt),  welche  die  Zellen  fast  völlig  verdrängen. 
Infolge  davon  wird  aus  der  zelligen  Chorda  eine  mit  Gallerte  ange- 
füllte Röhre,  an  deren  Peripherie  die  Reste  der  verdrängten  Zellen 
epithelartig  gelagert  sind  (Fig.  166  a). 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  341 

Nach  Klaatsch  (1895)  soll  sogar  rings  um  die  Wirbelsäule  eine 
zarte  Cuticularbildung  auftreten,  die  als  eine  primitive  Chordascheide 
anzusehen  wäre. 

Weitergehende  Aehnlichkeiten  mit  der  Organisation  der  Verte- 
braten,   wie   vornehmlich  der  metamere  Charakter  der  sich  um  die 


Fig.  166  a — d.  Vier  Abbildungen  zur  Ascidienentwickelung  nach  Kuppfer  und 
KowALEWSKi  (Fig.  166a,  b,  c)  und  Van  Benedbn-  und  Julin  (Fig.  166d).  Kopien 
aus  R.  Hertwig's  Lehrbuch,  1903,  und  Korschelt  und  Heider's  Lehrbuch,  1890. 
Fig.  166  a  stellt  eine  eben  ausgeschlüpfte  Larve  von  Phallusia  mentula  dar,  Fig.  166  b 
einen  Querschnitt  durch  den  Schwanz  einer  etwas  jüngeren  Larve  von  Phallusia 
mammillata,  Fig.  166  c  ein  erheblich  früheres  Entwickelungsstadium  derselben  Species 
und  Fig.  166  d  einen  Querschnitt  durch  einen  Embryo  von  Clavellina,  ch  Chorda 
oder  Chordaanlage,  cl  Celluloseraantel.  n  Neuralrohr  oder  Neuralplatte.  h  An- 
schwellung derselben,  ne  Canalis  neurentericus.  mw  MeduUarwülste.  cl  Darm. 
*  Mundeinstülpung,  j^  Haftpapillen.  ek  Ektoderm.  en  Entoderm.  ms  Mesoderm- 
divertikel. 

Chorda  der  Appendicularien  her  umlegenden  Muskulatur  (Gegenbaur) 
wurden  von  anderer  Seite  (0.  Seeliger  1900)  in  Abrede  gestellt, 
da  in  den  einzelnen  Abschnitten  der  Schwanzmuskulatur  der  Appen- 
dicularien keine  echten,  den  Ursegmenten  der  Vertebraten  vergleich- 
baren Myomere  erblickt  werden  könnten. 

Eine  in  mancher  Hinsicht  anders  geartete,  vornehmlich  aber 
weitergehende  Ausbildung  erfährt  die  Chorda  des  Amphioxus.  Vor 
allem  ist  sie  nicht  nur  auf  den  Schwanz  beschränkt,  sondern  durchzieht 
den  Korper  in  seiner  gesamten  Ausdehnung  selbst  bis  zu  seinem 
äußersten  vorderen  Ende.  Welches  die  Ursachen  dieser  Weiter- 
bildung waren,  und  wie  sie  phylogenetisch  erfolgt  ist,  darüber  bleiben 
wir  im  Ungewissen,  Ist  uns  ja  überhaupt  das  Problem  der  ersten 
Entstehung  der  Chorda  bis  jetzt  fast  noch  ein  ungelöstes.  Denn 
wenn  wir  auch  annehmen  wollen,  daß  sie  zuerst  wohl  in  einem  zur 
L  0  k  0  m  o  t  i  0  n  dienenden  Organ  aufgetreten  ist,  und  daß  es  m  e  c  h  a  - 
nische  Ursachen  waren,  unter  deren  Zwange  sich  Zellen,  denen 
vorher  eine  andere  Aufgabe  zufiel,  aus  ihrem  alten  Verbände 
lösten,  um  ein  Stützgebilde  zu  schaffen,  so  ist  damit  für  unsere  Er- 
kenntnis doch  nicht  viel  gewonnen.  Gegenbaur  (Lehrbuch,  1896) 
glaubt  daher,  daß  der  Chorda  früher  ein  bereits  fertiges  Organ  voran- 
gegangen sei,  das  eine  stützende  Funktion  noch  nicht  besaß,  sondern 
sie  erst  allmählich  erhielt.  Als  ein  solches  Organ  würde  jenes  Diver- 
tikel anzusehen  sein,  welches  sich  an  der  Dorsalseite  des  Darmes  bei 
manchen  Invertebraten,  z,  B.  auch  bei  Balanogiossus,  vorfindet.     Aus 


342 


H.  Schauinsland, 


ähnlichen    Gebilde   müsse    die 


ihm,   oder   wenigstens   aus   einem   ihm 
Chorda  phyletisch  abgeleitet  werden. 

Ontogenetisch  erscheint  ihre  Anlage,  wenigstens  in  späteren 
Stadien,  oft  im  Zusammenhang  mit  der  oberen  Darmwand.  Da  es 
aber  unverständlich  bleibt,  wie  ein  solches  Stützorgan  aus  einer  Darm- 
wandanlage hervorgehen  kann  (Gegenbaur),  so  ist  es  wahrscheinlich, 
daß  erst  sekundär  dem  Entoderm  die  Leistung  der  Chordaanlage  über- 
tragen worden  ist.  Damit  stimmt  es  überein,  daß,  wo  bei  niederen 
Formen  (z.  B.  bei  Rhabdopleura)  die  ersten  Anfänge  eines  der  Chorda 
an  die  Seite  zu  stellenden  Stützgebildes  sich  erkennen  lassen,  diese 
nicht  aus  der  Darmwand,  sondern  an  der  Eingangsstelle  des  Darmes, 
dort,  wo  ektodermale  und  entodermale  Körperschichten  aneinander 
grenzen,  entstehen.  Ebenso  stammt  auch  bei  den  Vertebraten  das 
erste  zur  Chordabildung  verwendete  Material  aus  einer  ähnlichen 
indifferenten  Lokalität  der  Embryonalanlage  (und  ist  bei  einer  ganzen 
Reihe  der  höheren  Formen  mit  Bestimmtheit  dem  Mesoderm  zuzu- 
zählen, H.  ScH.) 

Um    wieder   zu  Amphioxus  zurückzukehren,   so  weiß  man  seit 


den  Untersuchungen  Kowalewsky's  (1867)   und  Hatschek's  (1881), 
daß    die    Chorda    dorsalis    aus    einer    Einfaltung   des    medianen, 


ak  — 


mp- 
mk' 


Ih 

ik 
dh 


ak 

n 

US 

7nk^ 
mk^ 


Fig.  167  a— c.  Drei  Querschnitte  von  Am- 
phioxusembryonen  nach  Hatschek  aus  O. 
Hertwig's  Lehrbuch,  und  zwar  Fig.  167  a 
von  einem  Embryo  mit  5,  Fig.  167  b  mit  6 
und  Fig.  167  c  mit  11  Ursegmenten.  ch  Chor- 
daanlage und  Chorda,  ak  äußeres  Keimblatt. 
dh  Darmhöhle,  ik  inneres  Keimblatt,  mk  Ur- 
segmen  tan  läge,  mk^  parietales,  mk^  viscerales 
Blatt  des  mittleren  Keimblattes.  Ih  Leibes- 
höhle, mp  MeduUarplatte.  n  Neuralrohr.  us 
Ursegment. 


zwischen  den  beiden  Mesodermfalten  gelegenen  Teiles  der  dorsalen 
Entodermsackwand  entsteht.  Der  unter  der  MeduUarplatte  gelegene 
Teil  derselben  krümmt  sich  nämlich  zuerst  etwas,  faltet  sich  dann 
ein  und  wird  endlich  nach  Verlust  des  spaltförmigen  Lumens  dieser 
Falte  zu  einem  Strange,  der  anfangs  noch  an  der  dorsalen  Be- 
grenzung des  Darmrohres  teilnimmt,  schließlich  aber  selbständig  wird 
(Fig.  167  a-c). 

Die  Entwickelung   der  Chorda   beginnt  in  der  Region,  in  der  die 
ersten   Ursegmente    gebildet   werden,   und   schreitet   von   hier   sowohl 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  343 

nach  hinten  als  auch  nach  vorne  allmählich  weiter.  Ihr  vorderster 
Abschnitt  erstreckt  sich  dabei  über  das  erste  Ursegment  hinaus  und 
entsteht  ebenfalls  durch  Eiufaltung  jenes  rostralen  Urdarraabschnittes, 
von  dem  keine  Ursegmente  mehr  abgeschnürt  werden,  Sie  reicht 
endlich  bis  an  die  vorderste  Spitze  des  Körpers,  ein  Merk- 
mal, durch  welches  Amphioxus  sich  sowohl  von  den  Tunicaten  als 
namentlich  auch  von  allen  Wirbeltieren  unterscheidet  (Fig.  168). 


ds  ds 


mr     dl  ]c  fl 


d  SD 

m 

Fig.  168.  Vorderende  einer  Amphioxuslarve,  an  welcher  der  Mund  (m)  und  die 
erste  Kiemenspalte  (ks)  entstanden  ist,  nach  Hatschek  aus  Kokschelt  und  Heider. 
ch  Chorda,  d  Darm,  mr  MeduUarrohr.  np  Neuroporus.  ds  Grenzen  der  Ursegmente 
(Myosepten).  ds^  dieselben  von  der  anderen  Körperseite  durchscheinend,  fl  Flimmer- 
streifen,    k  Drüse,     w  Wimperorgan. 

Es  sei  übrigens  hier  mit  Bezug  auf  die  vorher  erwähnte  Möglich- 
keit, daß  dem  Entoderm  erst  sekundär  die  Aufgabe  der  Chordabildung 
zugefallen  sei,  noch  die  Behauptung  Lwoff's  mitgeteilt,  daß  auch  bei 
Amphioxus  die  erste  Sonderuug  des  in  die  Chorda  übergehenden 
Gewebes  an  einer  Stelle  beginnt,  an  der  noch  keine  Diiferenzierung 
von  Ektoderm  und  Entoderm  stattgefunden  hat. 

Sobald  sich  die  Chorda  als  rundlicher  Strang  von  der  Darmwand 
emanzipiert  hat,  zeigt  sie  sich  an  Querschnitten  aus  vier  bis  fünf  Zellen 
zusammengesetzt,  die  sich  —  ähnlich  wie  bei  der  Ascidienchorda  — 
keilförmig  zwischen  einander  schieben  und  (nach  Hatschek  und 
Klaatsch)  dabei  so  gelagert  sind,  daß  man  eine  dorsale  und  ventrale 
einzellige  und  eine  mittlere  mehrzellige  Lage  unterscheiden  kann. 
Indem  dann  die  Elemente  der  mittleren  Reihe  sich  derart  anordnen, 
daß  aus  ihnen  eine  einfache  Zellensäule  sich  ergiebt,  deren  einzelne 
Komponenten  scheibenförmige  Gestalt  annehmen  und  in  trans- 
versaler Richtung  von  einer  seitlichen  Oberfläche  der  Chorda  bis  zur 
anderen  reichen,  wird  damit,  wie  es  scheint,  der  Grund  gelegt  zu  dem 
charakteristischen  Aussehen  der  Amphioxuschorda  im  erwachsenen 
Zustande  (Chordaplatten,  Klaatsch). 

Die  vorliegenden  Untersuchungen  genügen  übrigens  bei  weitem 
nicht,  um  uns  verständlich  zu  machen,  wie  aus  den  frühen  Stadien 
der  Chorda,  die  wir  bis  jetzt  kennen  gelernt  haben,  jene  eigentümlichen 
histologischen  Diß'erenzierungen  der  Chorda  des  erwachsenen 
Amphioxus  sich  herausbilden.  Diese  weicht  nämlich  nicht  nur  von 
der  jugendlichen  Form  ganz  außerordentlich  ab,  sondern  unterscheidet 
sich  auch  beträchtlich  von  der  Chorda  aller  Cranioten.  Bei  der  Be- 
trachtung derselben  folgen  wir  hauptsächlich  den  Arbeiten  von  Josepf 
(1895)  und  v.  Ebner  (1895). 

Während  sonst  das  Chordagewebe  der  Vertebraten  aus  dicht- 
gedrängten polygonalen  Zellen  oder  zellenähnlichen  Gebilden  sich  zu- 


344 


H.  Schauinsland, 


-Ids 


sanim  eil  gesetzt 


sierten  Licht 


zeigen 


sammensetzt  und  in  dieser  Hinsicht  dem  Pflanzenparenchyme  ähnlich 
ist,  besitzt  es  beim  ausgebikieten  Amphioxus  nicht  dieses  Ansehen. 

Hier  wird  der  Chordastrang  nämlich,  wie  es  bereits  von  Joh. 
Müller  (1844)  und  Goodsir  (1844)  erkannt  wurde,  in  der  Haupt- 
sache aus  dicht  hintereinander  liegenden  faserigen  Plättchen ,  den 
Chor  da  platten  (Fig.  169  a  und  b  chp),  aufgebaut,  die  im  ganzen 
eine   elliptische  Form    besitzen    und   an  ihrem  dorsalen  und  ventralen 

Rande  einen   kleinen  Ausschnitt 
*  (Fig.  169  dr  und  vr)    aufweisen. 

Jede  besteht  aus  quer  verlaufen- 
den Fibrillen,  die  ihrerseits  wieder 
aus  alternierend  ditferenten  Glie- 
dern   ähnlich    wie    die    Fibrillen 
von  quergestreiften  Muskeln  zu- 
sind.   Im  polari- 
diese  (jlieder 
Verhalten 
und    ebenso   Farbstoffen    gegen- 
über,   so  daß  die  Platten  an  ge- 
färbten Präparaten  ein  sehr  cha- 
rakteristisches     und      zierliches 
Aussehen  erhalten. 

Neben  jenen  Faserplatten 
kommen  auch  noch  homogene 
außerordentlich  dünne  Platten 
vor  (Leydig,  V.  Ebner). 

LwoFF  (1891)  behauptete,  daß 
die  von  der  Mehrzahl  der  voran- 
gegangenen Autoren  beschriebe- 
nen Platten  nur  Kunstprodukte 
seien,    und    daß   in    Wirklichkeit 

die   Amphioxuschorda    nicht 
anders  gebaut  wäre,  als  bei  den 


ein   verschiedenartiges 


\: 


m\ 


Fig.  169  a  und  b.  Querschnitt  durch  den  vorderen  Rurapfteil  eines  3  mm  langen 
Amphioxus  bei  108-maliger  Vergrößerung  (Fig.  169a)  und  Frontalschnitt  durch  den 
dorsalen  Teil  der  Chorda  eines  etwa  44  mm  langen  Tieres  bei  256-facher  Vergrößerung. 
Nach  v.  Ebner  1895.  clq)  Chordaplatten,  chk  Chordakörperchen  bezw.  ihre  Kerne. 
dr  dorsaler  Chordaraum,  darüber  das  MÜLLER'sche  Gewebe  und  die  dorsalen  Längs- 
fasern, vr  ventraler  Chordaraum,  darunter  das  MÜLLEn'sche  Gewebe,  c  Elastica 
(interna),  chfs  sogenannte  „Chordafaserscheide",  wahrscheinlich  nur  der  der  Chorda 
anliegende  Teil  des  skeletoblastischen  oder  corticalen  Bindegewebes  fxcb).  ge  mediale 
Epithellamelle  des  Sklerotoms  (Grenzepithel),  ob  obere,  üb  untere  Bogenbildungen 
des  corticalen  Bindegewebes,  r  Rückenmark,  dsp  dorsaler,  vsp  ventraler  Spinalnerv. 
Ids  Ligamentum  longitudinale  dorsale.  •< 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  345 

Cranioten  (womit  Klaatsch  übereinstimmt),  da  jede  der  vermeint- 
lichen Plättchen  in  Wirklichkeit  sich  aus  den  Membranen  mehrerer 
stark  abgeplatteter  Zellen  zusammensetze.  Durch  Josepf  und 
V.  Ebner  wurde  es  aber  zur  Genüge  dargethan,  daß  Lwoff  sich 
auf  Trugbilder  stützte,  und  daß  thatsächlich  die  Platten  überall  ohne 
Unterbrechung  einheitlich  von  einer  Seite  der  Chorda  bis  zur  ent- 
gegengesetzten ziehen. 

Der  periphere  Rand  der  Platten  ist  mit  Ausnahme  der  erwähnten 
dorsalen  und  ventralen  Ausschnitte  innig  mit  dem  inneren  Teile  der 
als  Hülle  der  gesamten  Chorda  dienenden  Chordascheide,  der  soge- 
nannten Elastica  interna,  auf  die  wir  noch  später  zurückzu- 
kommen haben,  verwachsen,  ja  er  geht  in  diese  direkt  über,  so  daß 
eine  Isolation  der  einzelnen  Platten  oft  gänzlich  unmöglich  ist 
(Fig.  169  b). 

Von  zelligen  Elementen  finden  sich  zunächst,  bei  erwachsenen 
Tieren  allerdings  nur  in  geringer  Anzahl,  zwischen  den  Platten 
die  sogenannten  Chordakörper  che  n  (Josepf)  [Fig.  169  b  ch.k], 
die  als  Reste  von  Zellen  zu  betrachten  sind,  deren  Grenzen  verloren 
gingen  infolge  der  Ausscheidung  der  Platten  (Josepf).  Außerdem 
sind  sie  enthalten  in  den  dorsalen  und  ventralen  Chorda- 
räumen,  die  einerseits  durch  die  erwähnten  Ausschnitte  der  Platten 
an  jenen  Stellen,  andererseits  durch  die  elastische  Scheide  gebildet 
werden  (Fig.  169  a).  Diese  Räume  sind  erfüllt  von  dem  MÜLLER'schen 
Gewebe  (W.  Müller  1871),  das  nach  v.  Ebner  als  ein  von  Kernen 
durchsetztes  Plasmanetz  ohne  Zellabgrenzungen  aufzufassen  ist.  Jeden- 
falls besteht  es  nicht,  wie  Lwoff  meint,  aus  blasigen,  ganz  wie  die 
Chordazellen  anderer  Tiere  beschaffenen  Zellen  und  zeigt  demnach 
einen  wesentlichen  Unterschied  gegenüber  dem  typischen  Chorda- 
gewebe der  Wirbeltiere  (v.  Ebner).  Jenes  kernhaltige  Plasmanetz 
setzt  sich  auch  etwas  über  die  Grenzen  der  Chordaräume  hin  fort 
und  findet  sich  ventral  resp.  dorsal  von  diesen  zwischen  den  Chorda- 
platten, und  zwar  immer  nur  nahe  an  dem  Ansatzpunkte  derselben 
an  die  elastische  Scheide  (Fig.  169  a  und  b). 

Von  Wichtigkeit  ist  es,  daß  in  den  Chordaräumen  außerdem  noch 
ein  System  von  Längs  fasern  vorkommt,  die  schwächer  in  dem 
ventralen,  stärker  im  dorsalen  entwickelt  sind  (und  hier  von  Josepf 
als  Ligamentum  longitudinale  internum  bezeichnet  werden).  Sie  liegen 
unmittelbar  unterhalb  der  elastischen  Scheide  zwischen  dieser  und 
den  Zellen  bezw.  den  Kernen  des  WEBER'schen  Gewebes. 

Schon  aus  dem  bis  jetzt  geschilderten  Bau  der  ausgebildeten 
Amphioxuschorda  ersieht  man,  daß  er  von  jenem  der  anderen  Wirbel- 
tiere verschieden  ist  und  ihm  nicht  ohne  weiteres  gleichgesetzt  werden 
kann.  Andererseits  darf  aber  nicht  so  weit  gegangen  werden,  jede 
Homologie  in  Abrede  zu  stellen.  Die  erste  Anlage  der  Chorda  erfolgt 
jedenfalls  im  wesentlichen  ebenso  wie  bei  anderen  niederen  Wirbel- 
tieren. Wie  bei  diesen  findet  auch  (nach.  Hatschek)  sehr  frühzeitig 
eine  Vakuolisierung  der  Chordazellen  statt;  von  da  an  verläuft  aber 
sofort  die  weitere  Entwickelung  dififerent,  denn  schon  bei  1,1  mm 
langen  Tieren  hat  sie  zur  Bildung  der  charakteristischen  Chordaplatten 
geführt.  Weitere  Untersuchungen  werden  die  Vorgänge  aufzuklären 
haben,  die  zwischen  dem  Auftreten  der  ersten  Vakuole  und  dem  Ent- 
stehen der  ersten  Chordaplatte  liegen. 

Nicht   mindere  Schwierigkeiten    als   die  Vergleichung   des  eigent- 


346  H.  Schauinsland, 

liehen  Chordagewebes  des  Amphioxus  mit  jenem  anderer  Wirbeltiere 
bereitet  die  dasselbe  umgebende  Hülle,  die  Chordascheide.  Sie 
erscheint  nicht  einheitlich,  denn  man  findet  beim  erwachsenen  Tier 
am  meisten  nach  innen  gelegen  zunächst  eine  ziemlich  dünne 
elastische  Scheide,  die  von  Schneider  (1879)  entdeckt  und 
Elastica  interna  genannt  wurde  (Fig.  169a  und  b  e).  Nach 
außen  von  ihr  folgt  eine  ebenfalls  zellenlose  Hülle,  die  zwar  bis  zu 
gewissem  Grade  selbständig  erscheint,  dennoch  aber  mit  dem  ihr  be- 
nachbarten skelettbildenden  Bindegewebe  innig  zusammenhängt. 
Sie  wurde  von  Jon.  Müller  und  anderen,  die  die  Elastica  interna 
Schneider's  noch  nicht  kannten,  einfach  Chordascheide,  oder 
im  Gegensatz  zu  dem  sie  umgebenden  mesodermalen  Bindegewebe 
innere  Chordascheide  genannt,  von  anderen  Autoren  wiederum  als 
äußere  Chordascheide  —  gegenüber  der  Elastica  —  oder  endlich 
auch  als  Faserscheide  bezeichnet.  Sie  besteht  aus  cirkulär  ver- 
laufenden, wahrscheinlich  leimgebenden  Bindegewebsfibrillen,  die  nicht 
die  komplizierten  Faseranordnungen  aufweisen,  wie  in  der  Faserscheide 
der  Cyclostomen  und  der  Knorpelganoiden. 

lieber  die  Homologie  dieser  Scheide  mit  denen  anderer  Chordaten 
(man  vergleiche  die  später  bei  den  Cranioten,  namentlich  den  Holo- 
cephalen  über  die  Chorclascheiden  gemachten  Angaben)  sind  bisher  recht 
verschiedene  Meinungen  geäußert  worden. 

Nach  einigen  (Lw^off  u.  A.)  sollen  sie  chordalen  Ursprunges 
und  homolog  der  Faserscheide  der  Cyclostomen  sein. 

Eine  Abstammung  von  der  Chorda  nehmen  C.  Claus  (1894)  und 
Klaatsch  (1895)  ebenfalls  an,  setzen  sie  aber  gleich  der  Elastica 
externa  der  Cranioten.  Wie  vor  ihm  es  bereits  Lankester  (1889) 
gesehen  hatte,  fand  auch  Klaatsch  (1895)  (im  Gegensatz  zu  Hatschek, 
der  dies  nicht  beobachten  konnte),  daß  die  Chorda  des  Amphioxus 
bereits  eine  (primäre)  der  Tunicaten-Chordascheide  vergleichbare 
Scheide  besitze,  ehe  dieselbe  von  dem  skelettbildenden  Gewebe  um- 
wachsen sei,  und  glaubt,  daß  sie  es  sei,  welche  später  enorm  an 
Dicke  zunehme  und  bei  dem  erwachsenen  Tier  die  gesamte  Chorda- 
scheide darstelle.  Amphioxus  hätte  nach  ihm  also  nur  eine  primäre 
elastische  Scheide,  eine  Faserscheide  existiere  nicht.  —  Er  übersieht 
dabei  aber  offenbar  die  Elastica  interna  Schneider's;  und  doch  ist 
es  sehr  wahrscheinlich  diese  allein,  welcher  seine  in  so  frühzeitigen 
Stadien  beobachtete  Scheide  gleichzusetzen  ist.  Auf  jeden  Fall  dürfte 
es  nicht  gerechtfertigt  sein,  die  Elastica  interna  (Schneider)  und 
die  Faserscheide  der  Autoren  der  Elastica  externa  der  übrigen  Verte- 
braten  zu  homologisieren. 

Für  einen  mesodermalen  Ursprung  der  „Faserscheide"  hat 
sich  besonders  Schneider  ausgesprochen,  und  auch  Lankester  leitet 
sie  nicht  von  der  Chorda,  sondern  von  dem  sie  umgebenden  Binde- 
gewebe ab.  Derselben  Ansicht  ist  auch  Mihalkovicz  (1875)  und 
namentlich  Josepf. 

Hieran  knüpft  die  Anschauung  an,  der  wir  (H.  Sch.),  da  sie  nach 
unseren  heutigen  Kenntnissen  die  wahrscheinlichste  ist,  folgen  wollen, 
und  die  schon  durch  v.  Ebner  (1895)  angedeutet  wurde.  Danach 
ist  die  einzige  von  der  Chorda  selbst  abgeschiedene  Scheide  die 
elastische  Scheide,  welche  von  Schneider  zwar  Elastica  interna 
genannt  wurde,  in  Wirklichkeit  aber  der  Elastica  externa  der 
Cranioten    entspricht.     Die   nach    außen  von  ihr  liegenden  Schichten 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  uebst  Rippen  und  Brustbein.  347 

der  Chordascheide,  also  auch  die  „Faserscheide",  gehören  dem  vom 
Sklerotoin  abstammenden  Bindegewebe  an  (genauere  entwickelungs- 
geschichtliche  Untersuchungen  hätten  dafür  allerdings  noch  den  strikten 
Beweis  zu  erbringen)  und  sind  somit  auch  dem  skeletogenen  oder 
skeletoblastischen  Bindegewebe  der  Cranioten  zu  vergleichen.  Eine 
der  „Faserscheide"  der  anderen  Wirbeltiere  entsprechende  Scheide 
fehlt  Aniphioxus  und  muß  ihm  naturgemäß  fehlen,  da  ein  Chorda- 
epithel, welches  sonst  dieser  Scheide  als  Matrix  dient,  nicht  vorhanden 
ist.  Im  übrigen  dürfte  eine  Faserscheide  auch  nur  an  der  Innen- 
seite der  elastischen  Scheide  gesucht  werden,  und  in  Bezug  darauf 
könnte  vielleicht  in  den  oben  erwähnten  der  Elastica  innen  anliegen- 
den schwachen  Faserzügen,  welche  sich  in  dem  dorsalen  und  ventralen 
Chordaraum  befinden,  ein  Vorläufer  von  ihr  gesehen  werden,  in 
welchem  Fall  die  Zellen  des  „MÜLLER'schen  Gewebes"  als  dem  Chorda- 
epithel entsprechend  aufzufassen  wären. 

Um  mit  der  Chordascheide  des  Aniphioxus  abzuschließen,  ist  noch 
auf  eigentümliche  kleine  Blindsäcke  der  elastischen  Scheide  hinzu- 
weisen, die  sich  rechts  und  links  der  Mittellinie  an  der  Dorsalseite 
der  Chorda  befinden.  Sie  erstrecken  sich  nach  außen  gegen  das 
Rückenmark  hin  in  die  sogenannte  „Faserscheide"  hinein,  so  daß 
diese,  von  der  Fläche  betrachtet,  wie  von  elliptischen  Löchern  durch- 
setzt zu  sein  scheint,  die  von  W.  Müller  (1871)  zum  erstenmal  ge- 
sehen wurden.  Erfüllt  sind  jene  blindsackförmigen  Ausstülpungen 
der  Elastica  von  eigentümlichen  Fasern,  die  von  dieser  entspringen 
und  sich  andererseits  den  Fasern  der  Chordaplatte  so  innig  anlegen, 
daß  sie  nicht  mehr  weiter  verfolgt  werden  können.  Die  Annahme 
Rolph's  (1876),  Lwoff's  und  namentlich  Julia  B.  Platt's  (1892), 
daß  durch  die  (scheinbaren)  Löcher  der  Chordascheide  Fasern  aus  dem 
Rückenmark  in  analoger  Weise  wie  an  den  Austrittsstellen  der  ventralen 
Spinalnerven  in  die  Chorda  eintreten,  sind  nach  Josepf  und  v.  Ebner 
völlig  zurückzuweisen.  — 

Rings  um  die  Chorda  herum  liegt  das  perichordale  Binde- 
gewebe. Seine  Entwickelung  vollzieht  sich  auf  folgende  Weise:  Zu 
beiden  Seiten  des  Medullarrohres  liegen  die  Ursegmente  im  Gegen- 
satz zu  der  ventral  von  ihnen  befindlichen,  ungeteilten  Mesoderni- 
masse  der  Seiten  platten  segmental,  wenn  auch  in  Abweichung  von 
den  Cranioten  noch  nicht  symmetrisch  angeordnet  und  durch  metamer 
sich  folgende  quere  Septen  —  die  späteren  Myosepten  —  von- 
einander getrennt.  Die  Ursegmente  besitzen  eine  Höhle,  die  Ur- 
segmenthöhle,  und  an  der  diese  umschließenden  Wand  kann  man 
je  ein  parietales,  dem  Ektoderm  anliegendes  Blatt,  das  Cutisblatt, 
unterscheiden  und  ein  mediales,  das  Muskelblatt  (Hatschek) 
(Fig.  170  a  und  b).  Letzteres  setzt  sich  nach  der  Ventralseite  in  ein 
plattes  Epithel  fort  —  das  Skierotom  (Fig.  170a).  In  späteren 
Stadien  wächst  dieses  Skierotom  in  Gestalt  einer  dünnen,  einschichtigen 
Epithel  falte  zwischen  Chorda  dorsalis  und  Nervenrohr  einerseits 
und  Muskelplatte  andererseits  empor  und  trennt  diese  Organe  von- 
einander, ebenso  umgiebt  es  auch  ventralwärts  Aorta  und  Darmrohr. 
Von  den  beiden  Blättern  der  Sklerotomfalte  legt  sich  das  mediale 
der  Chorda  und  dem  Medullarrohr  an  und  wird  als  skeletogenes 
Blatt  bezeichnet,  während  das  andere,  das  Fascienblatt,  sich 
der  Innenseite  des  Muskelblattes  anfügt  (Fig.  170  b).  Zwischen  jenen 
beiden  Blättern  befindet  sich  die  Skier o tomhöhle,  die  nach  ihrer 


348 


H.  Schauinsland, 


Entstellung  als  Divertikel  der  Ursegnienthöhle  aufzufassen  ist.  Diese 
Entstehung  des  Skierotoms  als  Epithelfalte  und  auch  seine  weitere 
Entwickelung  weicht  übrigens  nicht  unbeträchtlich  von  den  Entwicke- 
lungsvorgängen  bei  den  Cranioten  ab.  Man  vergleiche  damit  die 
späteren  Angaben  bei  den  Holocephalen,  Squaliden  etc.    Zwischen  dem 


Fig.  170  a  und  b.  Schematische  Abbildungen  eines  Querschnittes  aus  der  Körper- 
mitte einer  Amphioxuslarve  mit  5  Kiemenspalten  (Fig.  170  a)  und  eines  ebensolchen 
Schnittes  aus  der  Körperregion  zwischen  Atemporus  und  After  eines  jungen  Am- 
phioxus  unmittelbar  nach  der  Verwandlung  (nach  Hatschek  aus  Korschelt  und 
Heider),  i  Cutisblatt.  i*  Muskelblatt  des  Ursegments.  5  in  Fig.  170  a  die  beginnende 
Falte  des  Skierotoms,  in  Fig.  170b  das  laterale  oder  Fascienblatt  des  Sklerotoras. 
4  in  Fig.  170a  Grenzzelle  des  Ursegments,  in  Fig.  170b  das  skelettogene  Blatt  des 
Skierotoms.  5  in  Fig.  170  a  Somatopleura,  in  Fig.  170  b  gastrale  Fortsetzung  des 
skeletogenen  Blattes.  6  in  Fig.  170a  Splanchnopleura,  in  Fig.  170b  Somatopleura. 
7  in  Fig.  170b  Splanchnopleura.  /  Ursegmenthöhle  in  Fig.  170b  auch  die  zwischen 
dem  skeletogenen  und  Fascienblatt  gelegene  Sklerotomhöhle  bezeichnend,  da  sie  in 
der  That  nur  ein  neu  entstandener  Abschnitt  der  ursprünglichen  Ursegmentshöhle 
ist.     J,  dorsale,  /„  ventrale  Flossenhöhle.     //  Splanchnocöl. 

skeletogenen  Blatt  des  Skierotoms  und  der  Chorda  wird  ein  dünnes, 
gallertiges  Bindegewebe  gebildet,  das  von  Fasern  durchzogen  ist,  und 
in  welches  spärliche  Zellen  von  diesem  Blatt  aus  —  das  es  lateralwärts 
als  sogenanntes  „GrenzepitheP'  (Fig.  169  a  und  b)  umgiebt  —  hin 
und  wieder  eindringen.  Dieses  Gewebe  ist  vergleichbar  dem  skeleto- 
genen oder  skele  tob  las  tischen  Bindegewebe  der  Cranioten;  da 
hier  aber  noch  kein  wirkliches  Skelett  zur  Ausbildung  kommt,  nennt 
es  JosEPF  (1895)  corticales  Bindegewebe.  Wir  zählten  ihm  bereits 
bei  der  Schilderung  der  Chordascheiden  die  „Faserscheide"  zu  und 
müssen  es  auch  hier  wieder  als  sehr  wahrscheinlich  bezeichnen,  daß 
sie  in  der  That  nur  die  innere  festere,  völlig  zellenlose  Schicht  des- 
selben ist. 

Das  corticale  Bindegewebe  setzt  sich  aber  auch  dorsal  von  der 
Chorda  fort  und  umgiebt  das  Neuralrohr  mit  einem  nur  von  den  Aus- 
trittsstellen der  spinalen  Nerven  durchbrochenen,  sonst  jedoch  gänzlich 
geschlossenen  Gewölbe  (Fig.  1(39  a).  Wir  haben  in  ihm  eine  Bogen- 
bildung  vor  uns,  die  zwar  noch  völlig  membranös  ist,  aber 
dennoch  als  Vorläuferin  der  als  obere  Bögen  der  Cranioten- Wirbel- 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  349 

Säule  bezeichneten  Skelettstücke  angesehen  werden  muß.  Die  Bögen 
sitzen  mit  verbreiterter  Basis  der  Chorda  auf,  wobei  es  erwähnenswert 
ist,  daß  auch  die  „Faserscheide"  der  Chorda  eine  Menge  Fasern  in 
sie  hineinsendet  [und  damit  ebenfalls  ihren  genetischen  Zusammen- 
hang mit  dem  corticalen  Bindegewebe  anzeigt. 

In  ganz  ähnlicher  Weise  gehen  auch  ventralwärts  häutige  Lamellen 
ab,  die  als  untere  Bögen  bezeichnet  werden  (Fig.  169a). 

Oberhalb  des  Rückenmarkes  wird  von  den  sich  dort  vereinigenden 
häutigen  oberen  Bögen  der  rechten  und  linken  Seite  noch  ein  be- 
sonderer Raum  (Dachraum,  Goette)  gebildet,  ausgefüllt  mit  einer 
mächtigen  Lage  Bindegewebes.  Klaatsch  setzt  dasselbe,  obgleich 
es  nur  geringe  und  auch  nicht  longitudinal  verlaufende  Fasern  enthält, 
dem  Ligamentum  longitudinale  superius  (Klaatsch)  der  Fischwirbel- 
säule gleich,  mit  dem  es  dieselbe  Lage  teilt. 

Außerdem  kommen  als  weitere  Differenzierungen  des  corticalen 
Bindegewebes  noch  zwei  longitudinale  platte  Stränge  vor,  das  Lig. 
longitudinale  dorsale  inferius  (Klaatsch),  unmittelbar  unterhalb  des 
Rückenmarkes  der  Chorda  und  ihrer  „Faserscheide"  aufliegend  — 
und  das  Lig.  longitudinale  ventrale  (Klaatsch),  an  der  ventralen 
Seite  der  Chorda  und  ihrer  bindegewebigen  Scheide  verlaufend,  die 
bei  anderen  niederen  Wirbeltieren  ebenfalls  gefunden  werden. 

Eine  Gliederung  des  ganzen  Achsenskelettes  wird,  abgesehen 
von  dem  Austritt  der  Spinalnerven,  namentlich  dadurch  verursacht, 
daß  die  My  osepten,  d.  h.  die  bindegewebigen  Scheidewände  zwischen 
den  aus  den  Ursegmenten  stammenden  Muskeln,  den  Myomeren, 
in  metamerer  Reihenfolge  seitlich  an  das  obere  und  untere  Bogen- 
system  herantreten  und  sich  mit  ihnen  vereinigen.  Durch  sie  wird 
nicht  nur  eine  Verstärkung  der  stützenden  Funktionen  der  membra- 
nösen  Wirbelsäule  hervorgerufen,  sondern  vor  allem  auch  die  höchst 
notwendige  Wechselbeziehung  zwischen  der  Chorda  und  der  peripher 
davon  liegenden  Muskulatur  ermöglicht;  jedes  Myoseptum  dient  zur 
Befestigung  sowie  gleichzeitig  auch  als  Insertionsstelle  der  einzelnen 
Muskelabschnitte  und  leitet  somit  deren  Wirkung  auf  das  axiale 
Skelett  über. 

Das  alles  ist  auch  von  Bedeutung,  für  das  Verständnis  der  Wirbel- 
säule der  Cranioten,  deren  Bau  darin  denselben  Prinzipien  folgt,  wenn- 
gleich der  häutige  Zustand  des  Achsenskelettes,  der  bei  Amphioxus 
dauernd  ist,  bei  den  meisten  von  ihnen  nur  eine  zwar  längere  oder 
kürzere  Zeit  währende,  jedoch  vorübergehende  Entwickelungsphase 
darstellt. 

Cyclostomen. 

Wichtigste  Litteratur:  J.  Müller  1834;  C.  Gegenbaüe.  1867  und  1870; 
W.  MÜLLER  1871;  Goette  1878;  A.  Schneider  1879;  W.  B.  Scott  1882;  Lwofp 
1887;  Klaatsch  1893;  Hasse  1894;  Retzius  1895;  v.  ESiSrER  1895  und  1897; 
Gadow  und  Abbott  1896. 

Unter  allen  Vertebraten  sind  es  die  Cyclostomen,  bei  denen  das 
„häutige"  Achsenskelett  nicht  nur  die  höchste  Ausbildung  erfährt, 
sondern  seine  Bedeutung  auch  während  des  ganzen  Lebens  behält. 
Treten  zwar  bei  den  Petromyzonten  bereits  auch  kleine  knorpelige 
Skelettstücke  auf,  so  bleibt  deren  Einfluß  doch  noch  ein  recht  unter- 
geordneter. 

Namentlich   ist  es   die   Chorda  mit  ihren   Scheiden,    welche 


350 


H.  Schauinsland, 


dauernd  eine  dominierende  Stellung  einnimmt  und  sie  auch  selbst 
in  den  spätesten  Stadien  nicht  zu  Gunsten  anderer  außerhalb  von  ihr 
entstandenen  Skeletteleraente  verliert. 

In  frühester  Zeit  wird  sie  aus  soliden  Zellen  zusammengesetzt, 
deren  Protoplasma  noch  dicht  mit  Dotterpartikelchen  erfüllt  ist,  welche 
die  Zellgrenzen  undeutlich  machen.  Auf  Schnitten  läßt  es  sich  er- 
sehen, daß  die  Zahl  der  sie  im  Querschnitt  zusammensetzenden  Zellen 
jedenfalls  eine  recht  geringe  ist,  ja  daß  sie  sehr  wahrscheinlich  sogar 
scheibenförmig  in  einfacher  Reihe  hintereinander  gelagert  sind  (Fig.  171a). 


— --es 


ep 

Fig.  171a  und  b.  Zwei  sagittale  Längsschnitte  durch  die  Chorda  eines  sehr 
jungen  (Fig.  171a)  und  eines  etwas  älteren  (Fig.  171b)  Ammocoetes  bei  990-maiiger 
Vergrößerung,  nach  A.  Albrecht,  es  elastische  Scheide,  v  die  innerhalb  der  Chorda- 
zellen auftretenden  Vakuolen,  ep  (Fig.  171  b)  die  in  Bildung  begriffene  protoj)lasma- 
tische  Rindenschicht  (Chordaepithel). 


und  b),    die   rasch  an  Zahl 

der  Chorda  mit  Ausnahme 

Der  Vorgang  der  Vakuo- 

dem 


was   man 


Sehr  bald  treten  Vakuolen  auf  (Fig.  171  a 

zunehmen   und   dann    das  gesamte  Lumen 

ihrer  äußersten  peripheren  Schicht  erfüllen 

lisierung    selbst    dürfte    nicht   verschieden   sein    von 

auch  bei  anderen  Fischen  darüber  beobachtet  hat  (man  möge  das  bei 

den   Holocephalen,   Teleostiern    etc.    darüber    Mitgeteilte    vergleichen). 

Die  Wand    der    einzelnen  „Chordazellen"    oder,    richtiger  gesagt,    der 

Vakuolen    ist    nicht    als    eine  Zellmembran,    sondern    als    eine   dünne 

Schicht  stark  verdichteten  Protoplasmas  aufzufassen  (Studnicka  1900). 

Als  Endresultat  haben  wir  ein  Chordagewebe  vor  uns,  das  aus 
überaus  zahlreichen  großen,  blasigen,  mit  Flüssigkeit  erfüllten  Ge- 
bilden besteht  und  als  Chordagallerte  bezeichnet  wird.  Es  ist, 
abgesehen  von  geringen  Unterschieden,  charakteristisch  für  sämtliche 
Crauioten,  weicht  aber  in  seinem  Aufbau  Iieträchtlich  ab  von  der 
vakuolisierten  Chorda  des  Amphioxus  mit  ihren  typischen  transversalen 
Platten. 

Klaatsch  (1893)  glaubt  allerdings,  daß  die  Vakuolenwände  ganz 
junger  ((3  mm  langer)  Ammocöten  eine  auffallende  Aehnlichkeit  mit 
den  Chordaplatten  des  Amphioxus  aufweisen;  v.  Ebner  (1895)  betont 
demgegenüber  aber,  daß  bereits  von  vornherein  die  Cyclostomenchorda 
nicht  aus  transversal  durchgehenden  Vakuolen,  sondern  aus  solchen 
besteht,  die  rings  um  die  Achse  der  Chorda  in  radialer  Anordnung 
symmetrisch  gruppiert  sind  (Fig.  172). 

An  ihrer  Peripherie  wird  die  Chordagallerte  von  einer  kernreichen, 
nicht  vakuolisierten  Protoplasmamasse  (protoplasmatische  Rin- 
denschicht   Goette's)    umgeben    (Fig.  171b),    in   der    sich   später 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  351 


richtige,  cylinderförmige  Zellen  nach  den  Untersuchungen  Leydig's 
und  Gegenbaur's  nachweisen  lassen,  und  die  daher  seit  Gegen- 
BAUR  (1867)  gewöhnlich  Chordaepithel  genannt  wird,  obgleich  sie 
wohl  besser  als  epi t hello morp he  Schicht  (Grassi)  zu  be- 
zeichnen wäre. 

In   der  Mitte   der  Chorda   entwickelt   sich   bei   älteren  Larven  — 
bei  jüngeren   findet   er  sich  noch  nicht  —  der  sogenannte  Chorda- 
(in  Fig.  172a    eben    erst   angedeutet).      Auch    er    wird    aus 


Strang 


oh - 


■ob 


SV 


-—vu'(m)rd 
—vw(m)rv 


V 


\^ 


Fig.  172  a  u.  b.  Zwei  Querschnitte  durch 
die  vordere  Schwanzgegend  (Fig.  172  a)  und 
durch  die  Kiemengegend  von  Petromyzon 
Planeri  nach  Goette.  ch  Chorda,  chs  Chor- 
dastrang, es  elastische,  fs  Faserschicht  der 
Chordascheide.  oh(m)  obere,  «6  (m)  untere  (mem- 
branöse)  Bögen,  ob  obere  knorpelige  Bögen. 
r  Rückeumark.  dr  Dachraum.  viv('m)rd  Ramus 
dorsalis  des  motorischen  Spinalnerven,  vwfmjrv 
Ramus  ventralis  des  motorischen  Spinalnerven. 
sn  Seitennerv,  a  die  im  Kaudalkanal  liegende 
Arterie,    v  Vene.    /  Flossenknorpel. 


Vakuolen  gebildet,  die  jedoch  kleiner  sind  und  bedeutend  dickere 
Wände  besitzen  als  die  übrigen  und  außerdem  nicht  wie  diese  in 
radialer,  sondern  in  axialer  Richtung  verlängert  sind. 

Das  ganze  Chordagewebe  wird  rings  herum  umhüllt  von  der 
Chordascheide.  Bei  älteren  Tieren  kann  man  an  dieser  mit 
Leichtigkeit  eine  dünne  äußere  und  eine  dicke  innere  Lage  unter- 
scheiden (Fig.  172  a,  b).  Nach  ihren  histologischen  Eigenschaften  wird 
in  neuerer  Zeit  von  einer  Reihe  Autoreu  (v.  Ebner  u.  A.),  denen  auch 
wir  uns  anschließen  wollen,  die  erstere  derselben  als  elastische 
Scheide,  die  innere  als  Faserscheide  bezeichnet.  Durch  die 
Arbeiten  der  letzten  Jahre  hat  es  sich  übrigens  herausgestellt,  daß 
eine  derartige  Zweiteilung  für  die  Chordascheide  wohl  aller  niede- 
ren Wirbeltiere  bis  hinauf  zu  den  Amnioten  charakteristisch  ist,  ab- 
gesehen von  manchen  dabei  auftretenden  Modifikationen,  und  daß  es 
auch  trotz  der  ganz  heillosen  in  der  Auffassung  und  in  der  Nomen- 
klatur der  Scheiden  herrschenden  Verwirrung  möglich  ist,    die  homo- 


352 


H.  Schauinsland, 


logen  Verhältnisse  derselben  bei  den  verschiedenen  Vertretern  durch- 
zuführen, wie  wir  es  im  Verlauf  dieser  Abhandlung  noch  sehen  werden. 
Ueber  die  Ent Wickelung  der  Chordascheide  hat  zuerst 
Hasse  (1893)  Untersuchungen  angestellt  und  dabei  die  wichtige  Be- 
obachtung gemacht,  daß  sowohl  die  elasti  sehe  Scheide  (Cuticula 
chordae  Hasse)  als  auch  die  Faser  scheide  Abkömmlinge 
der  Chorda  selbst  sind.  Bei  5—8  mm  langen  Larven  von 
Petromyzon  fluviatilis  ist  nur  die  erstere  von  ihnen  vorhanden  (Fig.  173  a), 


es  fs 


scb 


ep 


7-    ^P 


ep 


a  b  c  d 

Fig.  173  a,  b,  c,  d.  Stück  eines  Horizontalschnittes  durch  die  Chordascheide 
eines  8  mm  langen  Ammocoetes  (Fig.  173  a),  eines  Querschnittes  von  einem  10  mm 
langen  (Fig.  173  b),  eines  Querschnittes  von  einem  19  mm  langen  (Fig.  173  c)  und 
eines  Horizontalschnittes  von  einem  45  mm  langen  nach  Hasse,  es  elastische  Chorda- 
scheide (Cuticula  chordae  Hasse),  fs  Faserschicht  der  Chordascheide,  v  Vakuolen 
der  Chordazellen,  ep  Eindenschicht  der  Chorda  (Chordaepithel),  scb  skeleto- 
blastisches,  perichordales  Bindegewebe. 

während  bereits  bei  10  mm  großen  Tieren  zwischen  ihr  und  dem 
Chordaepithel  eine  zweite  Schicht,  die  F  a  s  e  r  s  c  h  e  i  d  e,  aufgetreten  ist, 
die  sich  durch  ihre  starke  Tingierbarkeit  scharf  von  der  äußeren 
elastischen  mit  ihrem  charakteristischen  Glanz  abhebt  (Fig.  173  b). 
Im  weiteren  Verlauf  der  Entwickelung  nimmt  sie  an  Dicke  zu,  so  daß 
sie  bei  19  mm  großen  Ammocöten  schon  ebenso  mächtig  ist  wie  die 
elastische  (Fig.  173  c),  sie  später  darin  aber  um  das  Vielfache  über- 
trifft. Mit  diesem  Wachstum  geht  offenbar  der  Entwickelungszustand 
der  epitheliomorphen  Rindenschicht  Hand  in  Hand.  Anfangs  bei  noch 
gar  nicht  oder  nur  eben  erst  begonnener  Vakuolisation  der  Chorda- 
zellen ist  sie  überhaupt  noch  nicht  ausgebildet.  Die  jetzt  bereits 
vorhandene  elastische  Scheide  muß  daher  als  Abscheidungsprodukt 
der  protoplasmatischen  noch  nicht  vakuolisierten  Chordazellen  an- 
gesehen werden ;  dieses  Stadium  in  der  Entwickelung  der  Chorda  der 
Cyclostomen  —  und  auch  anderer  Wirbeltiere  —  könnte  als  Amphioxus- 
stadium  (Klaatsch)  bezeichnet  werden.  Bildet  sich  nun  die  Rinden- 
schicht aus,  so  beginnt  durch  sie  die  Entstehung  der  Faserscheide 
sich  einzuleiten,  deren  Höhepunkt  im  Wachstum  erreicht  wird,  sobald 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst   Rippen  und  Brustbein.  353 

das  Zellenmaterial  an  der  Peripherie  des  Chordagewebes  so  reich- 
haltig ist  und  derart  angeordnet  erscheint,  daß  man  mit  gewissem 
Recht  von  einem  „Chordaepithel"  sprechen  kann. 

Das  sind  etwa  auch  die  Anschauungen  von  Klaatsch  und 
V.  Ebner,  die  ebenfalls  die  Entwickelung  der  Chordascheiden  bei  den 
Cyclostomen  untersuchten  und  die  Resultate  Hasse's  bestätigten,  nament- 
lich auch  durch  ihre  Beobachtungen  zeigen  konnten,  daß  bei  dem  an- 
fangs noch  gänzlichen  Fehlen  perichorclaler  Elemente,  die  als  Matrix 
der  elastischen  Scheide  etwa  in  Betracht  kommen  könnten,  diese  Hülle 
ohne  Zweifel  nur  von  der  Chorda  selbst  geliefert  werde. 

Durch  die  eben  genannten  Autoren  wurde  auch  endgültig  ein 
richtiger  Vergleich  der  Cyclostomen-Chordascheide  mit  denen  anderer 
Wirbeltiere  durchgeführt.  Ein  solcher  war  Hasse  leider  nicht  ge- 
lungen ;  im  Gegenteil  sind  seine  Angaben  über  diesen  Punkt  geeignet, 
Verwirrung  hervorzurufen.  Andererseits  hatte  bereits  A.  Schneider 
(1879)  sehr  richtig  erkannt,  daß  die  Chordascheide  von  Petromyzon 
sich  ebenso  verhält  wie  die  der  Ganoiden  (Stör),  der  Teleostier  (Hecht) 
und  des  Frosches. 

Klaatsch  (1895)  war  es  auch,  der  wegen  der  zeitlichen  Auf- 
einanderfolge in  der  Entwickelung  der  beiden  Schichten  der  Chorda- 
scheide die  elastische  die  primäre,  die  fibrilläre  oder  Faserschicht 
die  sekundäre  nannte  und  außerdem  den  berechtigten  Vorschlag 
machte,  die  erstere  derselben  nicht  als  Elastica  externa,  wie  es 
vor  ihm  stets  üblich  war,  zu  bezeichnen,  sondern  nur  als  Elastica,  da 
im  Gegensatz  zu  ihr  eine  Elastica  interna  (v.  Kölliker)  entweder 
überhaupt  nicht  vorkommt,  oder  nur  eine  nachträgHche  Veränderung 
der   innersten  Lage   der   fibrillären  oder  sekundären  Scheide  darstellt. 

Eine  ganze  Reihe  von  Beobachtern  hatte  übrigens  das  Vor- 
kommen von  Kernen  innerhalb  der  Faserscheide  behauptet  (Pere- 
pelkine  1878,  LwoFF  1887,  Bujor  1891,  C.  Vogt  u.  E.  Jung  — 
Lehrbuch  —  1894).  v.  Ebner  (1895)  konnte  endgiltig  nachweisen, 
daß  dies  ein  Irrtum  wäre,  da  zu  keiner  Zeit  derartige  Elemente  sich 
dort  vorfänden. 

V.  Ebner  verdanken  wir  auch  wertvolle  Mitteilungen  über  die 
Weiterentwickelung  der  Faserscheide  und  ihren  Bau  im  ausgebil- 
deten Zustand.  Es  lassen  sich  in  ihr  drei  verschiedene  Schichten  unter- 
scheiden —  was  bereits  durch  G.  Retzius  (1895)  festgestellt  worden 
war  —  von  denen  zuerst  die  äußere,  dann  die  mittlere  und  zuletzt 
die  innerste  angelegt  wird.  Die  zuerst  sich  bildende  Schicht  besteht 
anfangs  aus  rein  cirkulär  verlaufenden  Fasern,  später  jedoch  treten 
kompliziertere  Verhältnisse  auf,  da  die  Fibrillenbündel  in  den  ver- 
schiedenen Schichten  auch  eine  verschiedene  Anordnung  aufweisen. 
Bei  Myxine  ist  der  Verlauf  der  Fasern  derart,  daß  die  der  äußeren 
und  inneren  Schicht  eine  gleiche  Richtung  besitzen,  die  der  mittleren 
sich  mit  den  beiden  anderen  aber  kreuzen.  Gleichzeitig  sind  die 
beiden  ersteren  Systeme  derart  in  Wellenbiegungen  um  die 
Chorda  herumgelegt,  daß  sie  in  der  dorsalen  und  ventralen  Mittel- 
linie eine  kranialwärts  offene  Konkavität,  an  jeder  Seite  aber 
eine  kranialwärts  gerichtete  Konvexität  zeigen.  Da  die  Umbiegungs- 
stellen  der  Fasern  für  die  drei  Schichten  zusammenfallen,  so  erscheinen 
sie  wie  vier  längsverlaufende  Nähte  der  Chordascheide,  deren  es 
eine  dorsale,  eine  ventrale  und  zwei  seitliche  giebt.  Diese  Nähte 
sind  demnach   nur  Linien,   in   denen   der  Verlauf  der  Fasern  in  allen 

Handbuch  der  lintwickelungslehre.     III.  2.  23 


354  H.  Schauinsland, 

drei  Schichten  gleichgerichtet  (transversal)  ist,  ein  Uebergang 
von  Fasern  einer  Schicht  in  die  andere  findet  an  ihnen  aber  nicht 
statt.  Im  Schwanz  von  Myxine  geht  die  innere  Schicht  verloren, 
auch  die  mittlere  wird  sehr  dünn  und  ihre  Fasern  nehmen  einen 
cirkulären  Verlauf  an.  —  Bei  den  Petromyzonten  ist  der  Bau 
der  Faserscheide  im  Prinzip  derselbe  wie  bei  Myxine,  doch  treten 
bei  ihnen  noch  einige  Komplikationen  auf,  deren  nähere  Schilderung 
hier  jedoch  zu  weit  führen  würde;  dagegen  ist  aber  noch  darauf  hin- 
zuweisen, daß  bei  Petromyzon  marinus  in  der  innersten  und  äußersten 
Schicht  auch  kurze  elastische  Fasern  vorkommen. 

Das  Studium  der  Faserscheide  der  Cyclostomen  erwies  sich  auch 
geeignet,  der  Frage  nach  der  Bildung  und  dem  Wachstum  der  sie 
zusammensetzenden  Fibrillen  näher  zu  treten.  Diese  unterscheiden 
sich  kaum  von  anderen  typischen  Bindegewebsfibrillen.  Sie  sind  zweifel- 
los leimgebender  Natur  (Jon.  Müller,  Perepelkine,  Schneider, 
Lvi^OFF,  V.  Ebner).  Ihre  Entstehung  erfolgt  jedenfalls  nicht  mit 
Hilfe  von  Chordaepithelzellen,  die  dabei  etwa  feinste  Fortsätze  weit 
in  die  Faserscheide  hinein  erstrecken  (wie  es  Hasse  bei  den  Ganoiden 
annimmt)  und. läßt  sich  überhaupt  nicht  auf  eine  direkte  Umwandlung 
des  Protoplasmas  zurückführen;  sie  findet  vielmehr  auf  indirekte 
Weise  in  einer  von  Zellen  abgeschiedenen  Grundsubstanz  statt  (v.  Köl- 
LiKER,  V.  Ebner  etc.).  Die  Zellen  liefern  (v.  Ebner)  die  kollagene 
Substanz,  die  aber  erst  sekundär,  unter  dem  Einfluß  orientierter 
Spannungen  fibrillär  wird.  Die  fibrilläre  Differenzierung  ist  die  un- 
mittelbare Folge  eines  rein  mechanischen  Vorganges,  nämlich  des 
Zuges  oder  des  Druckes,  unter  dem  die  leim  geben  de  Masse  steht,  und 
findet  auch  sofort  in  ganz  bestimmter  Richtung  statt,  die  den  herrschen- 
den Spannungsverhältnissen  entspricht.  Das  weitere  Wachstum  der 
einmal  gebildeten  Fibrillen  geht  durch  Intussusception  neuer  leim- 
gebender Substanz  zwischen  die  alte  vor  sich. 

Bezüglich  der  Elastica  sei  endlich  noch  erwähnt,  daß  sie  an- 
fangs eine  dünne,  homogene  Membran  darstellt;  erst  später  wird  sie 
quergefasert,  und  auch  dann  erst  treten  zahlreiche  runde  und  unregel- 
mäßig verteilte  Löcher  (Kölliker  1860)  in  ihr  auf. 

Myxine  macht  davon  jedoch  eine  Ausnahme;  ihre  Elastica  behält 
ihren  primitiven  Zustand  und  wird  nie  durchlöchert,  wie  sie  sich  auch 
immer  nur  aus  einer  Lamelle  zusammensetzt.  Bei  den  Petromy- 
zonten dagegen  finden  sich  bemerkenswerterweise  in  späteren  Stadien 
deren  zwei  (v.  Ebner).  Es  ist  nicht  ausgeschlossen,  daß  diese  zweite 
Schicht  der  elastischen  Chordascheide  vom  perichor dalen  Binde- 
gewebe herstammt,  zu  dessen  Betrachtung  wir  uns  jetzt  wenden 
wollen. 

In  ganz  jungen  Embryonalstadien  fehlt  dasselbe  vollständig.  Wir 
finden  dann  unmittelbar  dorsal  von  der  mit  ihrer  primären  Scheide 
versehenen  Chorda  das  Medullarrohr  und  lateral  von  diesen  beiden 
Organen  die  rechte  und  die  linke  Reihe  der  Ursegmente,  die 
von  kubischer  Gestalt  sind  und  eine  nur  von  einer  einzigen 
Schicht  cylindrischer  Zellen  umgebene  Höhle  besitzen.  Indem  an 
dieser  Stelle  auf  eine  nähere  Schilderung  der  Ursegmente  und  ihrer 
Differenzierungen  verzichtet  wird  unter  Hinweis  auf  die  darüber  bei 
den  übrigen  Cranioten,  namentlich  den  Holocephalen,  gemachten  An- 
gaben, sei  nur  erwähnt,  daß  (nach  W.  B.  Scott  1882)  von  der  inneren 
und  unteren  Ecke  jedes  Ursegmentes  je  ein  kleiner  Fortsatz  nach  der 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  355 

Chorda  hin  geschickt  wird.  Jene  Fortsätze  drängen  sich  zwischen 
die  Chorda  und  das  Darmrohr  und  bilden  dort  eine  vollständige 
Brücke  von  Mesodermzellen.  Diese  vermehren  sich  allmählich  und 
umgeben  die  Chorda,  wobei  sie  anfangs  dieselbe  Segmentie- 
rung aufweisen  wie  die  Ursegmente  selbst.  Später  verschmelzen 
die  einzelnen  auf  diese  Weise  gebildeten  Abteilungen  (Skierotome) 
miteinander  und  stellen  eine  zusammenhängende  Schicht  perichordalen 
Bindegewebes  rings  um  die  Chorda  dar  (die  äußere  —  skelett- 
bildende —  Scheide  der  älteren  Autoren  Meckel,  Rathke  u.  A.), 
das  im  Zusammenhang  steht  mit  den  Bindegewebszügen  (Myosepten) 
zwischen  den  einzelnen  Muskelabschnitten,  den  Myomeren  (Fig.  174a  u.b). 
Jene  Vorgänge  sind  fast  dieselben  wie  bei  den  Elasmobranchiern, 
nur  daß  sie  bei  den  Cyclostomen  (Petromyzon)  sich  sowohl  in  späterer 
Zeit  als  auch  langsamer  abspielen  als  bei  diesen. 

Ussow  (1900)  ist  übrigens  (mit  Goette),  gestützt  auf  Beobachtungen 
an  Animocöten,  geneigt,  ein  Wachstum  des  mesenchymatösen  Gewebes 
in  späterer  Zeit  durch  Blutkörperchen,  welche  aus  ihren  Gefäßen  aus- 
wandern, anzunehmen. 

Die  mehr  medialwärts  gelegenen  strafferen,  fibrösen  Teile  des 
perichordalen  Bindegewebes  kann  man  als  Skelettschicht  (Jon.  Müller) 
oder  skeletogene  (Gegenbaur)  oder  skeletoblastische 
Schicht  (Klaatsch)  von  seinen  lateralen,  lockeren  und  netzför- 
migen Partieen  untscheiden.  Ersteres  ist  hauptsächlich  in  je  zwei 
dorsalen  und  ventralen  der  Chordascheide  aufsitzenden  Längsleisten 
angesammelt;  es  umwächst  von  hier  aus  einerseits  gewölbeartig  das 
Rückenmark  und  bildet  andererseits  ventrale  sich  in  die  Leibeshöhlen- 
wand fortsetzende  Bögen,  die  im  Rumpf  seitlich  der  Aorta  und  den 
Kardinalvenen  liegen,  im  Schwänze  sich  aber  ebenfalls  vereinigen  und 
die  Gefäße  demnach  völlig  umgeben  (Fig.  172a). 

Die  oberen  Bögen  umschließen  übrigens  nicht  allein  das  Rücken- 
mark, sondern  dorsal  von  diesem  auch  einen  ungefähr  dreieckigen  bereits 
von  Meckel  und  Stannius  erwähnten  Raum,  den  D  a  c  h  r  a  u  m  (Goette) 
der  mit  einem  eigentümlichen,  aus  großen,  fettführenden  Zellen  zu- 
sammengesetzten Gewebe  erfüllt  ist,  welches  bezüglich  seiner  Lage 
mit  dem,  bereits  bei  Amphioxus  erwähnten  und  auch  bei  den  meisten 
Fischen  vorkommenden  oberen  Längsband  (Lig.  longitudinale 
dorsale  superius  Klaatsch)  übereinstimmt  (Fig.  172).  Obere  Bögen 
und  im  Schwanz  auch  die  unteren  gehen  unmittelbar  in  das  sagittale 
Längsse p tum  über,  während  sich  die  transversalen  Myosepten  in 
metamerer  Reihenfolge  seitlich  den  Bogenbildungen  und  den  die 
Chordascheide  bedeckenden  skeletogenen  Gewebe  anfügen. 

So  -besitzen  denn  die  Cyclostomen  ein  ausgesprochenes  häutiges 
oder  membranöses  Achsenskelett  und  behalten  es  in  der 
Unterabteilung  der  Myxinoiden  auch  während  des  ganzen  Lebens. 
Bei  den  P  etr  omyzonten  kommt  jedoch,  wenn  auch  erst  in  späteren 
Entwickelungsstadien,  ein  neues  Element  hinzu,  nämlich  Knorpel, 
der  innerhalb  der  skeletoblastischen  Schicht  entsteht  und  in  Gestalt 
von  schwachen  Spangen  den  membranösen  oberen  Bögen  eingelagert 
ist  (Fig.  172).  Hiermit  haben  wir  die  ersten,  wenn  auch  gering- 
fügigen Anfänge  eines  festen,  knorpeligen  Achsenskelettes, 
die  Vorläufer  einer  wirklichen  „Wirbelsäule"  vor  uns.  Diese  knor- 
peligen oberen  Bögen  waren  zum  Teil  bereits  Rathke,  selbst 
sogar  Cuvier  (1815)   bekannt;    nähere  Angaben   bringen   jedoch  erst 

23* 


356  H.  Schauinsland, 

GoETTE  (1878)  und  namentlich  Schneider  (1879)  über  sie.  Aus 
ihnen  ergiebt  sich,  daß  in  jedem  Körpersegment,  was  auch  schon 
J.  MÜLLER  erwähnt,  zwei  Paar  Knorpelstücke  vorkommen,  die  jedoch 
in  den  verschiedenen  Körperregionen  nicht  dieselbe  Lage  aufweisen 
und  verschiedenen  Wert  besitzen. 

Bei  der  weiteren  Betrachtung  dieser  Verhältnisse  folgen  wir  neuen 
Untersuchungen  (Schauinsland)  an  jungen  Exemplaren  von  Petro- 
rayzon  fluviatilis  (Fig.  174  und  175).  Am  besten  entwickelt  sind  die 
oberen  knorpeligen  Bögen  in  der  hinteren  Rumpf-  und  vorderen 
Schwanzregion.  Sie  sind  dort  nicht  nur  mindestens  doppelt  so  lang 
wie  in  der  vorderen  Rumpf-  oder  Kiemenpartie,  sondern  besitzen  auch 
eine  meist  regelmäßige,  spangenartige  Gestalt  und  deuten  darauf  hin, 
daß  sie  wirklich  bereits  eine  stützende  und  schützende  Funktion  be- 
sitzen, während  es  bei  den  vorderen  fast  den  Anschein  hat,  als  lägen 
hier  keine  ursprünglichen  Verhältnisse  mehr  vor. 

Um  über  die  Lage  der  Skelettstücke  Rechenschaft  zu  geben,  ist  es 
notwendig,  einige  feste  Punkte  innerhalb  eines  Körpersegmen  te  s 
zu  bestimmen.  Dazu  eignen  sich  zunächst  die  transversalen  Myo- 
septen  (Fig,  174  a),  dann  aber  auch  die  int  er  segmentalen 
Blutgefäße,  die  dort,  wo  die  Septen  auf  das  skeletoblastische  Ge- 
webe münden,  an  dem  vorderen  Ende  jedes  Myomers  liegen.  Deutlich 
erkennbar  ist  von  ihnen  stets  die  große  Vene,  oft  aber  auch  die  vor 
dieser  gelegene  Arterie.  Innerhalb  eines  solchen  durch  je  zwei  dieser 
Gefäße  oder  auch  Myosepten  bestimmten  Segmentes  befinden  sich  zur 
weiteren  Orientierung  auch  die  Spinalnerven,  Diese  besitzen 
noch,  ebenso  wie  Amphioxus,  die  sehr  bemerkenswerte  Eigentümlich- 
keit, daß  ihre  Wurzeln  von  dem  sehr  abgeplatteten  Rückenmark  nicht 
nur  in  verschiedener  Höhe  —  ventral  die  motorische,  dorsal  die 
sensible  —  entspringen,  sondern  auch  in  kranial-kaudaler  Richtung 
weit  voneinander  entfernt  liegen.  Ja  bei  den  Petromyz  onten 
läuft  die  motorische  und  die,  an  einem  Ganglion  kenntliche  sensible 
Wurzel,  wie  es  Freud  (1877),  Goette  (1878)  und  v.  Jhering  (1878) 
erkannten,  sogar  dauernd  nebeneinander  hin,  so  daß  zwei  ge- 
trennte Spinalnerven  vorhanden  sind.  Bei  den  Myxinoiden 
vereinigt  sich  dagegen  der  motorische  und  sensible  Nervenstamm  nach 
längerem  gesonderten  Verlauf  seitlich  der  Chorda  in  ähnlicher  Weise, 
wie  es  bei  den  Holocephalen  der  Fall  ist,  doch  befinden  sich  auch 
hier  die  Abgangsstellen  der  l^eiden  Nervenwurzeln  vom  Rückenmark 
immer  noch  in  beträchtlicher  Entfernung  voneinander. 

Hervorzuheben  ist  es  dabei  noch,  daß  innerhalb  eines  Segmentes 
der  motorische  Nerv  vor  dem  sensiblen  liegt  und  nicht  etwa  um- 
gekehrt. Kranial-kaudalwärts  fortschreitend,  trifft  man  hinter  dem 
Intersegmentalgefäß  also  zunächst  die  ventrale,  dann  die  dorsale 
Wurzel  und  endlich  das  nächstfolgende  Gefäß  (Fig.  174  a).  Die  Lage 
des  sensiblen  Nerven  zu  der  nächsten  Vene  kann  bei  den  Cyclo- 
stomen,  wenigstens  in  den  älteren  daraufhin  untersuchten  Stadien, 
etwas  veränderlich  sein,  namentlich  in  den  vorderen  Rumpfpartieen, 
wo  der  Nerv  sich  bisweilen  mit  dem  Gefäß  in  derselben  Richtung, 
hin  und  wieder  sogar  kaudal  von  ihm  vorfindet. 

Der  motorische  Nerv  gabelt  sich  übrigens  bald  nach  seinem 
Durchtritt  durch  die  skeletoblastische  Schicht  in  einen  ventralen  und 
einen  dorsalen  Ast  (Fig.  172  b  und  175). 

Die    knorpeligen    Bogenstücke    sind    nun    derart   verteilt 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  357 


er 


er 


isg  (a) 
isg  (v) 


b 

isg. 


.,AW 


'scb 
-ob 


ms ^- 


m— 


isg.. 


ms 


-div  (s) 


m- 


ms  -- 


Fig.  174  a  und  b.  Die  linken  Hälften  zweier  horizontalen  Längsschnitte  durch 
die  Wirbelsäule  eines  95  mm  langen  Petromyzon  fiuviatilis  bei  60-maiiger  (Fig. 
174a  und  52maliger  Vergrößerung  (Fig.  174b).  Die  Schnitte  sind  in  der  Höhe  des 
Rückenmarkes  geführt  und  haben  die  motorischen  Nervenwurzeln  getroffen.  Fig. 
174  a  stellt  einen  Schnitt  aus  dem  Uebergang  zwischen  Rumpf  und  Schwanz,  Fig.  174b 
einen  solchen  aus  der  Gegend  des  Kiemenkorbes  dar.  Der  Pfeil  zeigt  kranialwärts 
(er).  R  Rückenmark,  m  Myomeren,  die  einen  —  namentlich  im  Schwanz  sehr  aus- 
gesprochenen kranial-kaudalen  Verlauf  nehmen,  ms  die  zwischen  den  einzelnen  Myo- 
meren gelegenen  transversalen  Myosepten.  Man  beachte  deren  Schmalheit  in  der 
Schwanzgegend  und  deren  Breite  —  unter  Berücksichtigung  der  in  Fig.  174  b  ange- 
wendeten schwächeren  Vergrößerung  —  im  vorderen  Rumpf,  isg  Intersegmental- 
gefäße.  In  Fig.  174  a  ist  von  diesen  sowohl  die  intersegmentale  Vene  als  auch  die 
kranial  von  ihr  gelegene  kleinere  Arterie  gezeichnet,  viu  (in)  die  ventrale,  motorische 
Nervenwurzel.  dw(s)  die  dorsale,  sensible  Nervenwurzel  bezw.  deren  gangliöse 
Anschwellung.  scb  skeletoblastisches  Bindegewebe  (membranöse  oder  häutige 
Wirbelsäule),  überall  im  Zusammenhang  mit  dem  peripher  davon  gelegenen,  mehr 
lockeren  Bindegewebe  und  namentlich  auch  mit  den  medial  breit  auslaufenden  Myo- 
septen. ob  und  ob^  knorpelige  obere  Bögen,  und  zwar  liegt  von  diesen  ob  kranial  von 
der  ventralen  Nervenwurzel  und  im  Schwanz  auch  kranial  von  den  Intersegmen-, 
talgefäßen  (also  in  einem  zwischen  je  zwei  Gefäßen  befindlichen  Segment  kaudal) 
o&,  liegt  zwischen  der  ventralen  und  dorsalen  Nervenwurzel,  kaudal  von  der 
ersteren,  kranial  von  der  letzteren,  obx  ein  drittes,  im  vorderen  Teil  des  Rumpfes 
noch  vorkommendes  Knorpelstück  zwischen  ob^  und  der  dorsalen  Nervenwurzel. 


358 


H.  Schauinsland, 


daß  immer  je 
Nervenwurzel 
zwischen  der 
legene  stets 
g  e  f  ä  ß ,    das 


eins  derselben  zwischen  der  dorsalen  und  ventralen 
gelegen  ist  (Fig.  174  und  175);  dabei  befindet  sich  das 
ventralen  und  der  nächstfolgenden  dorsalen  ge- 
kranial von  dem  folgenden  Intersegmental- 
z wischen    der   ventralen   und    der    vorhergehenden 


VW  (in)  rd     dir  (s)  rd     vw  (m)  rd 


rjlscll 


w 

VW  (mj  rv 


dv  (s)  rv 


die  (s)  rd. 
isg 


cr< 


chsch 


:  W 
dw  (s)  rv  VW  (m)  rv 

Fig.  175a  und  b.  Abbildungen  zweier  Wachsplattenmodelle  der  knor- 
peligen oberen  Bögen  sowie  der  intersegmeutalen  Gefäße  und  spinalen  Nerven  von 
einem  95  mm  langen  Petromyzon  fluviatilis  bei  60-facher  Vergrößerung.  Fig.  175  a 
stellt  eine  Partie  der  Wirbelsäule  vom  Uebergang  zwischen  Rumpf  und  Schwanz 
dar,  und  zwar  von  der  linken  Seite  und  von  außen  gesehen,  Fig.  175b  die 
rechte  von  innen  gesehene  Seite  eines  Wirbelsäulenstückes  aus  dem  vorderen  Teil 
des  Rumpfes  (hinter  dem  Kiemenkorb).  Der  Pfeil  (er)  zeigt  kranialwärts.  Man  be- 
achte die  bedeutend  mächtigere  Ausbildung  der  Wirbelbögen  im  kaudalen  Stück 
(Fig.  175  a).  cJuch  Chordascheide,  der  die  Knorpelbögen  aufsitzen,  isg  intersegmen- 
tale  Gefäße  (Venen).  vw(m)rd  Ramus  dorsalis  des  ventralen,  motorischen  Spinal- 
nerven. vw(ni)rv  Ramus  ventralis  des  ventralen,  motorischen  Spinalnerven.  dw(s)rd 
Ramus  dorsalis  des  dorsalen,  sensiblen  Spinalnerven.  dw(s)rv  Ramus  ventralis  des 
dorsalen,  sensiblen  Spinalnerven,  w  die  aus  dem  Rückenmark  abtretenden  Wurzeln 
der  Spinalnerven,  ob  Knorpelbogen  kaudal  vom  sensiblen  Nerven  und  kranial  vom 
motorischen  (des  nächstfolgenden  Segmentes)  liegend.  Im  hinteren  Rumpfabschnitt 
und  im  Schwanz  befindet  er  sich  außerdem  auch  immer  etwas  kranial  von  dem  dar- 
auffolgenden Intersegmentalgefäße  (Fig.  175  a).  Dieses  Knorpelstück  entspricht  dem 
bei  den  Elasmobranchiern,  Ganoiden  etc.  von  uns  als  kaudal  bezeichneten  Bogen. 
ob^  kaudal  vom  motorischen  und  kranial  vom  sensiblen  Nerven  gelegenes  Bogenstück ; 
es  entspricht  dem  von  uns  bei  den  anderen  Wirbeltieren  als  kranial  bezeichneten 
Bogen.  In  einem  durch  je  zwei  Segmentalgefäße  abgegrenzten  Segment  des  hinteren 
Rumpfes  oder  vorderen  Schwanzes  (Fig.  175  a)  liegt  demnach  zunächst  der  motorische 
Nerv,  dann  das  kraniale  Bogenstück,  darauf  der  sensible  Nerv  und  endlich  der 
kaudale  Knorpelbogen. 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein,  359 

dorsalen  im  hinteren  Teil  des  Rumpfes  und  im  vorderen  Schwanz- 
abschnitt meistens  etwas  kaudal  von  dem  vorhergehenden  Ge- 
fäß. Die  Lage  der  in  Frage  kommenden  Elemente  ist  somit  innerhalb 
eines  Segmentes,  kranial-kaudalwärts  aufgezählt,  folgende  (Fig.  174  a 
und  175  a):  1)  Intersegmentalgefäß,  2)  ventraler  —  motorischer  —  Nerv, 
3)  Knorpelbogen,  4)  dorsaler  —  sensibler  —  Nerv,  5)  Knorpelbogen, 
6)  Intersegmentalgefäß.  Daraufhin  ist  man  berechtigt,  das  erste  der 
beiden  Knorpelstücke  als  kr  anial  es  (o6i),  das  zweite  als  kau  dal  es 
(oh)  zu  bezeichnen.  Es  kann  nicht  zweifelhaft  sein,  daß  das  letztere 
derselben  (welches,  um  es  nochmals  zu  wiederholen,  kranial  von 
dem  nächstfolgenden  motorischen  Nerven  und  kaudal  von  dem  vorher- 
gehenden Gefäß  liegt),  dem  Bogenstück  entspricht,  welches  auch  bei 
den  übrigen  Vertebraten  dieselbe  Lage  besitzt  und  im  Laufe  dieser 
Abhandlung  stets  als  kaudal  bezeichnet  werden  wird.  Dieses  ist 
fürderhin  bestimmt,  eine  Hauptrolle  bei  dem  Aufbau  der  knorpeligen 
oder  knöchernen  Wirbelsäule  zu  übernehmen,  während  das  zweite 
Bogenstück,  das  kraniale,  oft  rückgebildet  wird  oder  ganz  ver- 
schwindet. 

In  den  vorderen  Rumpfpartieen  wird  das  Verhalten  der  Knorpel- 
stücke zu  den  intersegmentalen  Gefäßen  ein  anderes.  Hier  rückt  das 
vor  dem  motorischen  Nerven  gelegene  Stück  oft  hinter  das  Gefäß, 
so  daß  es  nun  in  dem  Segment  eine  kraniale  Lage  einzunehmen 
scheint  (und  dementsprechend  das  vorher  kranial  genannte  eine 
kaudale)  (Fig.  174  b  und  175  b).  Dieser  Zustand  ist  wahrscheinlich 
aber  kein  ursprünglicher.  Er  läßt  sich  schon  daraus  erklären,  daß  an 
diesen  Stellen  die  Myosepten  nicht  als  schmale  distinkte  Streifen  er- 
scheinen, sondern  als  breite,  sich  medialwärts  kegelförmig  erweiternde 
Bindegewebsmassen,  und  daß  keine  bestimmten  Faserzüge  vorhanden 
sind,  die  sich  an  die  Bogenknorpel  anheften  —  wie  es  bei  den  höheren 
Vertebraten  der  Fall  ist  —  und  sie  an  einer  bestimmten  Stelle  gleich- 
sam festhalten,  so  daß  sie  innerhalb  der  membranösen  Wirbelsäule 
daher  leicht  ihre  Stellung  verändern  können.  Sie  verwachsen  auch 
miteinander  zu  einem  Stück,  in  welchem  Fall  dann  noch  ein  kleines 
neues  Knorpelstückchen  hinzutreten  kann  {x  in  Fig.  174  b),  wie  es  in 
der  Kiemen gegend  zu  beobachten  ist.  Oft  nehmen  die  Knorpel  auch 
ganz  bizarre  Formen  an  oder  lösen  sich  in  mehrere  kleine,  ganz  un- 
regelmäßige Teilstückchen  auf,  während  andererseits  in  einzelnen 
Segmenten  hinter  der  Kiemengegend  häufig  einer,  nicht  selten  aber 
auch  alle  beiden  Bögen  fehlen.  Hier  schließen  sich  die  Knorpel- 
stücke (nach  GoETTE  und  Schneider)  auch  nicht  genau  dem  mem- 
branösen Bogenge  wölbe  an,  sondern  divergieren  von  ihm  (Fig.  172b). 
Alles  dieses,  im  Zusammenhang  mit  ihrer  gegenüber  der  Masse  des 
membranösen  Skelettes  verschwindenden  Größe,  ist  wohl  ein 
Zeichen,    daß   ihre  Funktion    nur   eine  sehr  untergeordnete  sein  kann. 

Eine  Ausnahme  hiervon  machen  jedoch  einige  der  dicht  hinter 
dem  Schädel  gelegenen  Stücke  (z.  B.  das  4.  und  5.  bei  einem  alten 
Petromyzon  fluviatilis),  denn  diese  umwachsen  ventralwärts  fast  die 
gesamte  Chorda  und  bilden  also  hier  thatsächlich  bereits  eine  Art 
knorpeligen  von  den  oberen  Bögen  erzeugten  W  i  r  b  e  1  k  ö  r  p  e  r ,  an 
dem  sogar  laterale,  den  Rippen  vergleichbare  Seitenfortsätze  erkennbar 
sind  (Schauinsland). 

Am  Seh  Wanzen  de  verschmelzen  die  Bogenstücke  zu  einer 
Knorpelplatte   von   recht   unregelmäßiger   Gestalt;    sie   wird    von 


360 


H.  Schauinsland, 


ebenfalls  sehr  unregelmäßigen  Löchern  durchbohrt  zum  Durchtritt  der 
Spinalnerven  und  ist  dorsal  mit  den  im  Flossen  säum  liegenden  so- 
genannten „Proc.  spinosi"  (Schneider)  verwachsen.  Derartige  „Dorn- 
fortsätze" finden  sich  auch  in  den  vorderen  Körperpartieen,  und  zwar 
je  vier  in  jedem  Segment  oberhalb  des  Wirbelkanals  (Fig.  172  a  f), 
ohne  dort  aber  mit  den  Bogenstücken  in  Verbindung  zu  treten 
(A.  Schneider).  Außer  jener  dorsalen  Knorpelplatte  kommt  im 
Schwanzende  auch  eine  ähnlich  gestaltete,  und  ebenfalls  mit  den 
Flossenknorpeln  zusammenhängende  ventrale  Leiste  vor,  die  viel- 
leicht als  aus  unteren  Bogenknorpeln  entstanden  anzusehen  ist 
(Schneider). 

Holocephalcn. 

Hauptsächlichste  Litteratur:  J.  Müller  1834;  Leydig  1851;  C.  Gegenbaur 
1867;  Hubrecht  1876;  Goette  1878;  Hasse  1882;  Klaatsch  1893;  Gadow  u. 
Abbott  1895. 

Während  durch  die  oben  genannten  Autoren  der  Bau  der  Wirbel- 
säule bei  den  erwachsenen  Tieren  bekannt  wurde,  ist  ihre  E  n  t  - 
Wickelung  bis  jetzt  erst  nur  von  Schauinsland  und  zwar  bei  Cal- 
lorhynchus  studiert  worden.  Die  Kenntnis  derselben  ist  um  so  wich- 
tiger, als  die  Holocephalen  einerseits  noch  auf  einer  ziemlich  niederen 
Entwickelungsstufe  beharren,  andererseits  aber  doch  bereits  eine  Menge 
von  Merkmalen  aufweisen,  die  wohl  geeignet  sind,  das  Verständnis  der 
Organisationsverhältnisse  der  höheren  Formen  zu  fördern,  da  sie  den 
Entwickelungsgang,  welchen  diese  zu  durchlaufen  haben,  häufig  schon 

Hh  3Ih 


chs 


mb  ch  inf 


Fig.  176.  Medianer,  sagittaler  Längsschnitt  durch  das  vordere  Körperende 
eines  etwa  18  mm  langen  Callorhynchus-Embryos.  Vergr.  89  mal.  ch  Chorda,  von 
einer  Scheide  (chs)  umgeben,  an  der  man  bei  stärkerer  Vergrößerung  bereits  eine 
äußere  elastische  und  eine  innere  Faserschicht  unterscheiden  kann.  Der  hier  ab- 
gebildete Abschnitt  des  Chordastranges  gehört  nicht  mehr  der  eigentlichen  Wirbel- 
säule an,  sondern  liegt  später  vollkommen  innerhalb  des  Schädels,  und  zwar  zwischen 
den  sogenannten  Parachordalia  (die  aber  bei  Callorhynchus  zu  einer  Platte  ver- 
schmolzen sind)  sich  bis  in  die  Spitze  der  Sattellehne  erstreckend  (siehe  Schauins- 
land 1903,  Fig.  125,  130,  131).  Ihr  äußerstes  Ende  ist  etwas  ventralwärts  gebogen 
und  endet  unmittelbar  dorsal  von  dem  umfangreichen  Infundibularteil  des  Gehirns 
(inf).  Dorsal  wird  die  Chorda  begrenzt  durch  das  Nachhirn  (NH),  rostral  durch 
das  Hinterhirn  (Hh)  und  Mittelhirn  (Mh),  ventral  durch  die  Aorta  (ao)  sowie  ein 
kleines  Stück  des  Infundibulums  (inf).  Von  allen  diesen  Teilen  wird  sie  noch  nicht 
durch  die  mesodermalen  (von  den  ürsegmenten  abstammenden)  Zellen  getrennt.  Letztere 
haben  sich  nur  an  der  äußersten  Spitze  des  Chordastranges  bereits  etwas  angesammelt. 
Vh  Vorderhirn.  Zh  Zwischenhirn.  E  Epiphyse.  R  blasenartige  Auftreibung  des  die 
Körperoberfläche  des  Embryos  bildenden  Ektoderms  (ec),  aus  der  später  das  Eostrum 
wird,    mb  Mundbucht,     vd  Vorderdarm,     mdb  Mandibularbogen. 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  361 


andeuten.  Es  wird  sich  daher  empfehlen,  Callorhynchus  gleichsam 
als  Paradigma  für  die  Erläuterung  vieler  bei  der  Entwickelung 
der  Wirbelsäule  sich  abspielender  Vorgänge  zu  gebrauchen. 

Die  Chorda  liegt  in  dem  auffallend  langen,  fast  fadenförmigen 
Embryo  wie  gewöhnlich  unmittelbar  ventral  vom  Nervenrohr  und 
dorsal  von  der  Aorta.  Rostral  endet  sie  mit  etwas  ventral  gebogener 
Spitze  dicht  oberhalb  des  sehr  mächtig  entwickelten  Infundibular- 
abschuittes  des  Gehirns  (Fig.  176);  somit  gehört  ein  nicht  unbedeuten- 
der Teil  von  ihr  der  späteren  knorpeligen  Schädelkapsel  an.  Man 
findet  sie  in  älteren  Entwickelungsstadien  dort  in  der  Medianlinie 
zwischen  den  (verschmolzenen)  Parachordalien  eingebettet  und  sich 
bis  in  das  äußerste  Ende  der  sogenannten  Sattellehne  erstreckend. 
Da  letztere  entsprechend  der  sehr  großen,  das  Infundibulum  bergenden 
Sattelhöhle  —  die  sie  dorsal  und  kaudal  begrenzt  —  weit  in  das  Innere 
der  Schädelhöhle  hineinreicht,  so  liegt  das  vorderste  Ende  der  Chorda 
bei  Callorhynchus  also  nicht  in  der  Schädelbasis. 

Bemerkenswert  ist  auch  das  kaudale  Chordaende,  Dort, 
wo  dieses  sich  befindet,  besteht  schon  in  sehr  frühen  Entwickelungs- 
stadien eine  bei  vielen  Vertebraten  vorkommende  und  mit  den  Gastru- 
lationsvorgängen  in  Zusammenhang  stehende  Kommunikation  zwischen 
dem  Nerven-   und   Darmrohr,   der   sogenannte   Canalis   neurentericus. 


,-Ss 


ao 
sd 


rbl 


Fig.  177.  Medianer,  sa- 
gittaler  Längssclinitt  durch 
das  Schwanzende  eines  etwa 
25  mm  langen  Callorhynchus- 
Erabryos.  Vergr.  42  mal.  ch 
Chorda,  r  Rückenmark.  Das- 
selbe erweitert  sich  terminal 
zu  einer  blasenartigen  An- 
schwellung (rblj,  die  homolog 
ist  der  voluminösen  und  stark 
differenzierten  Erweiterung 
des  Eückenmarkrohres  bei  den 
Embryonen  einiger  Vogelarten 
(z.  B.  des  Pinguins).  (Schau- 
insland 1890.  Siehe  auch 
weiter  unten  Fig.  295.)  Diese 
von  QuATREFAGES  1845  bei 
Araphioxus  entdeckte  termi- 
nale Erweiterung  des  MeduUar- 
rohres  wurde  von  Kowalewsky  (1877)  auch  bei  Acanthias-Embryonen  beschrieben 
und  wird  seit  W.  Krause  1875  Ventriculus  terminalis  genannt  sd  Schwanzdarm, 
der  bei  Callorhynchus  von  sehr  großer  Ausdehnung  ist  und  ^/^  der  gesamten  Länge 
des  Embryos  erreichen  kann ;  weiter  nach  vorn  geht  er  allmählich  in  einen  soliden 
Zellstrang  über,  der  zwischen  Aorta  (ao)  und  Vene  (v)  gelegen  ist.  cn  Canalis  neur- 
entericus, durch  den  das  hinterste  Chordaende  gespalten  ist  (was  hier  auf  dem  Me- 
dianschnitt aber  nicht  sichtbar  ist),    fs  Flossensaum, 


Durch  diese  wird  das  äußerste  Chordaende  (das  an  jener  Stelle,  so- 
bald an  dem  Embryo  sich  ein  wirklicher  Schwanz  bemerkbar  macht, 
bereits  in  das  indifferente  Zellmaterial  übergeht,  welches  gleich- 
zeitig zur  Vergrößerung  des 
Darmes  beiträgt)  durchbohrt,  so 
zerfällt. 

Der   neurenterische  Kanal 


Rückenmarks,    der    Chorda    und    des 
daß  es  in  eine  rechte  und  linke  Hälfte 

bleibt   sehr  lange    bestehen,   und  man 


findet   die 
mehreren 


eben   beschriebenen  Verhältnisse  noch  bei  Embryonen 
Centimetern   Länge  (Fig.  177),   bei  denen   noch   die 


von 
Eigen- 


362 


H.  Schauinsland, 


tümliclikeit  hinzukommt,  daß  das  hinterste  Ende  des  Rückenmarks 
blasenartig  aufgetrieben  ist  (wie  es  auch  bei  anderen  Vertebraten, 
namentlich  aber  einigen  Vögeln  beobachtet  werden  kann),  während 
der  Darm  (S  chwanzdarm)  sich  von  seinem  vorderen,  später  allein 
in  Funktion  tretenden  Abschnitt  durch  eine  allmählich  von  vorn  nach 
hinten  weiterschreitende  Rückbildung  abtrennt,  so  daß  nur  sein 
terminaler  Abschnitt  erhalten  bleibt.  Später  schließt  sich  die  neur- 
enterische  Verbindung,  der  Schwanzdarm  obliteriert  ganz,  die  Rücken- 
marksanschwellung verschwindet  ebenfalls  und  die  Chorda  endet  dann 
hier  frei  mit  etwas  abgerundeter  Spitze. 

Anfangs  besteht  die  Chorda  in  ihrer  ganzen  Ausdehnung  nur 
allein  aus  dicht  aneinander  gelagerten  protoplasmatischen  Zellen,  während 
eine  sie  umschließende  Hülle  noch  nicht  nachzuweisen  ist.  Bald  je- 
doch machen  sich  Veränderungen  bemerkbar  und  zwar  zunächst  in 
dem  kranialen  Abschnitt,  allmählich  weiter  kaudalwärts  vordringend. 
Man  kann  es  überhaupt  nicht  nur  bei  Callorhynchus,  sondern  wohl  bei 
allen  Vertebraten  als  eine  Regel  aufstellen,  daß  die  Differen- 
zierungen nicht  allein  der  Chorda,  sondern  auch  der 
gesamten  Wirbelsäule  im  allgemeinen  kranial-kaudal- 
wärts  verlaufen,  so  daß  man  stets  die  am  weitesten  vorge- 
schrittenen Entwickehmgszustände  in  der  Nähe  des  Kopfes,  die  jüngsten 
dagegen  im  Schwänze  bezw.  im  Schwanzende  vorfindet.  So  ist  es 
denn  auch  hier  bei  Callorhynchus  möglich,  bei  einem  und  demselben 
Embryo  verschiedene  nacheinander  sich  abspielende  Vorgänge  kennen 
zu  lernen,  wenn  man  mit  dem  Studium  des  Schwanzendes  beginnt 
und  damit  weiter  kranialwärts  vorschreitet. 


Fig.  178. 


n  n. 


n 


Fig.  179. 


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■■■'s  M 


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n       V 


Fig.  178  und  179.  Zwei  horizontale  Längsschnitte  durch  die  Chorda  eines 
etwa  1,8  cm  langen  Callorhynchus-Embryos.  Vergr.  630  mal.  Fig.  178  stellt  einen 
Schnitt  durch  das  Schwänzende,  Fig.  179  einen  solchen  durch  einen  weiter  kranial- 
wärts gelegenen  Teil  des  Schwanzes  dar.  Auf  dem  ersten  Schnitt  läßt  sich  noch 
deuthch  die  geldroUenartige  Anordnung  der  Chordazellen  erkennen,  während  sie  in 
dem  weiter  nach  vorn  gelegenen  Chordateil  durch  die  stärker  entwickelten  Vakuolen 
bereits  verwischt  ist.  n  Kerne  der  Chordazellen.  «^  im  Durchschnitt  stabförmige, 
stark  tingierbare  Kerne,  v  Vakuolen.  Sie  sind  auf  Schnitt  Fig.  178  erst  in  der 
Entstehung  begriffen,  während  sie  in  Fig.  179  den  Zellinhalt  bereits  zum  großen 
Teil  verdrängt  haben.  eS  Elastica(?)  In  diesem  Stadium  ist  eine  distinkte  Scheide 
noch  kaum  nachzuweisen. 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  3G3 

Es  ist  wahrscheinlich  —  obgleich  es  sich  nicht  mit  Bestimmtheit  be- 
obachten läßt,  da  auf  Längsschnitten  die  einzelnen  Zellgrenzen  nicht 
sehr  deutlich  sind,  so  daß  es  sogar  zweifelhaft  bleiben  muß,  ob  sie 
überhaupt  vorhanden  sind  —  daß  die  ursprünglichen  Chordazellen 
sich  derart  hintereinander  anordnen,  daß  immer  eine  in  rostral-kaudaler 
Richtung  sehr  schmale  Zelle  den  ganzen  Durchmesser  des  Chorda- 
stranges einnimmt.  Auf  etwas  späteren  Stadien  (Fig.  178)  ist  diese 
„geldrollen artige"  Anordnung  deutlicher  geworden,  so  daß  dann 
eine  gewisse  Aehnlichkeit  der  Chordazellen  mit  den  einzelnen  Chorda- 
scheiben bei  Amphioxus  vorhanden  ist  (Fig.  178  und  179).  Gleichzeitig 
treten  dann  im  Zellprotoplasma,  und  zwar  häufig  gerade  in  der  Nähe 
der  Zellkerne,  Vakuolen  auf,  die  sich  allmählich  vergrößern  und  da- 
durch sowohl  die  Hauptmenge  des  Protoplasmas  als  auch  zusammen 
damit  die  größte  Zahl  der  Kerne  an  die  Peripherie  der  Chorda  drängen 
(Fig.  179).  In  diesen  Stadien  fallen  übrigens  auf  Längsschnitten  neben 
den  in  der  Mehrzahl  vorhandenen  rundlichen,  bläschenförmigen  Kernen 
der  Chordazellen  noch  andere  schmale,  stabförmige  auf,  die  mit  Be- 
gierde Farbe  aufnehmen  (Fig.  178,  179  wj.  Diese  können  sowohl, 
und  das  ist  am  wahrscheinlichsten,  als  die  Kerne  der  ursprünglichen 
noch  nicht  veränderten  und  daher  von  Protoplasma  ganz  erfüllten 
Chordazellen  betrachtet  werden  oder  als  die  Kerne  solcher  Zellen, 
welche  durch  die  übermäßige  Ausdehnung  der  um  sich  greifenden 
Vakuolen  zu  stark  zusammengepreßt  werden  und  dem  Untergang  an- 
heimfallen, ähnlich  den  dunklen  prochordalen  Elementen,  welche  bei 
der  Entwickelung  des  hyalinen  Knorpels  und  des  Hautknochens  zur 
Beobachtung  gelangen  (Schauinsland  1900). 

Indem  nun  die  Vakuolen  an  Umfang  immer  mehr  zunehmen,  ge- 
schieht es,  daß  sie  gegenseitig  näher  rücken  und  daß  die  benachbarten 
endlich  zusammenstoßen,  wobei  ihre  Wände  miteinander  verschmelzen. 
Auf  diese  Weise  wird  schließlich  das  ganze  Chordagewebe  in  ein  lamel- 
löses  Netzwerk  aufgelöst,  in  dessen  Maschen  sich  noch  hier  und  da  ein 
Kern  in  wenig  Protoplasma  eingebettet  vorfindet.  Die  größte  Masse 
des  letzteren  sowie  auch  die  überwiegende  Zahl  der  Kerne  ist  dadurch 
in  unregelmäßiger  Anordnung  an  die  Peripherie  der  Chorda  gedrängt 
und  bildet  hier  die  sogenannte  Rindenschicht  (Goette). 

Die  wabenartigen,  polygonalen,  unregelmäßig  gestalteten  Gebilde, 
welche  jetzt  die  Chorda  überwiegend  zusammensetzen  und  die  sulzige, 
gallertartige  Masse  derselben  bilden,  sind  demnach  also,  trotz  ihrer 
äußerlichen  Aehnlichkeit,  durchaus  keine  Zellen,  sondern  nur  die  aus 
solchen  hervorgegangene  Vakuolen,  in  deren  Wänden  noch  hin  und 
wieder  eingestreute  Kerne  sich  vorfinden ;  ebenso  lassen  sich  aber  auch 
in  der  Rindenschicht  in  diesem  Stadium  keine  gesonderten  Zellen 
mit  bestimmten  Grenzen  erkennen.  Sie  aber  ist  gerade  für  das  weitere 
Wachstum  der  Chorda  von  der  größten  Bedeutung.  Abgesehen  von 
den  Chordahüllen,  die  von  hier  aus  ihre  Entstehung  nehmen,  und  auf 
welche  wir  sofort  zurückkommen  wollen,  werden  in  ihr  immer  neue 
Vakuolen  produziert.  Man  findet  dementsprechend  die  ältesten  und 
auch  größten  Vakuolen  im  Centrum  der  Chorda,  die  jüngsten  und 
kleinsten  an  der  Peripherie  (Fig.  190,  191,  193). 

Die  Rindenschicht  erfährt  bei  Callorhynchns  eine  starke  Aus- 
bildung; ihre  Elemente  ordnen  sich  in  späteren  Stadien  oftmals  regel- 
mäßig an,  und  es  können  sich  in  ihr  wieder  Zellgrenzen  be- 
merkbar  machen,   so   daß   sie   dann   den  Eindruck  eines  ziemlich 


364 


H.  Schauinsland, 


hohen  Epithels  hervorruft  (Fig.  190)  (Chordaepithel  [Gegenbaur]  ; 
epitheliomorphe  Schicht  [Grassi].  Die  Umwandlungen  des 
Chordagewebes  erfolgen  demnach  fast  in  derselben  Art  und  Weise, 
wie  sie  zum  erstenmal  durch  Goette  bei  Amphibien  und  Teleostiern 
beschrieben  wurde. 

Was  die  Chordahüllen  oder  Chordascheiden  anbelangt, 
so  ist  es  in  der  ersten  Zeit,  wenn  die  Vakuolisierung  der  Chorda- 
zellen noch  nicht  begonnen  hat,  kaum  möglich,  eine  Spur  davon 
nachzuweisen ;  erst  später  beginnt  eine  schärfere  Begrenzung  an  der 
Peripherie  der  Chorda  sich  bemerkbar  zu  machen;  deutlich  wird  eine 
solche  aber  erst,  sobald  sich  die  protoplasmatische  Rindeuschicht  aus- 
zubilden  beginnt  (Fig.  180  und  181).     Man   findet  dann  eine  Chorda- 


Fig.  180. 


Fig.  181. 


V- 


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V  mj     If  ^p 

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„>  ep 


ß 


Fig.  180.  Teil  eines  Chordaquerschnittes  aus  dem  Schwänzende  eines  etwa 
3  cm  langen  CaUorhynchus-Embryos.  Verg.  630  mal.  es  die  jetzt  deutlich  erkenn- 
bare elastische  Scheide,  ß  die  darunter  liegende,  eben  erst  angedeutete  Faserscheide. 
ep  die  durch  die  Vakuohsierung  der  Chorda  an  die  Peripherie  gedrängte,  kernhaltige 
Protoplasmaschicht  (Rindenscmcht  Goette's,  epitheliomorphe  Schicht  Geassi's). 
V  Vakuole,    p  aus  dem  Skierotom  stammende  Perichordalzelleu. 

Fig.  181.  Teil  eines  Chordaquerschnittes  durch  den  Rumpf  eines  etwa  ebenso 
alten  Embryos  wie  der  der  Fig.  181.  Vergr.  630  mal.  es  Elastica,  hier  bereits  eine 
doppelt  konturierte  deutliche  Scheide  darstellend,  fs  Faserscheide,  ebenfalls  volu- 
minöser geworden,    ep  epitheliomorphe  Schicht,     v  Vakuolen. 


scheide,  an  der  bereits  zwei  Schichten  zu  beobachten  sind,  eine 
äußere,  ungemein  zarte  und  eine  innere,  die  anfangs  ebenfalls 
noch  sehr  dünn  ist  (Fig.  180),  später  aber  bald  an  Mächtigkeit  zu- 
nimmt. Die  äußere  ist  die  elastische  Scheide  (Elastica,  Elastica 
externa,  primäre  Chordascheide  [Klaatsch]),  die  innere  die  Faser- 
scheide (sekundäre  Chordascheide  [Klaatsch]).  Es  ist  anzunehmen, 
obgleich  es  nicht  direkt  beobachtet  werden  konnte,  daß  die  erstere, 
wie  es  von  verschiedenen  Autoren  bei  anderen  Objekten  mit  Bestimmt- 
heit behauptet  wird,  von  den  noch  nicht  vakuolisierten  Chordazellen 
abgeschieden  wurde,  und  zwar  vor  der  Faserscheide.     Sicher  dagegen 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  365 

ist  es,  daß  letztere  von  der  epitheliomorphen  Zellschicht  an  der  Chorda- 
peripherie ihre  Entstehung  und  ihr  weiteres  Wachstum  herleitet.  Die 
Elastica  nimmt  auch  später  nicht  bedeutend  an  Dicke  zu,  wenn 
auch  in  solchem  Grade,  daß  sie  deutlich  doppelkonturiert  erscheint. 
Dagegen  wächst  die  Faser  scheide  beträchtlich  gemäß  der  starken 
Ausbildung  des  „Chordaepithels"  (Fig.  181,  182),  bleibt  vorläufig  aber 
noch  Zellen  los.  Die  Chordascheide  befindet  sich  nun  auf  einem 
Stadium,  das  bei  den  Cyclostomen  und  den  Knorpelganoiden  dauernd 
bleibt,  das  Material  zu  ihrem  Aufbau  wurde  bis  jetzt  nur  von  der 
Chorda  allein  geliefert.  Nunmehr  beginnen  aber  Veränderungen 
und  Weiterbildungen  an  ihr  sich  zu  vollziehen,  bei  denen  das  sie 
umgebende  Gewebe  eine  große  Rolle  spielt;  es  ist  daher  notwendig, 
zunächst  die  Herkunft  des  letzteren  ins  Auge  zu  fassen  und  die 
Entwickelungsvorgänge  zu  betrachten,  die  sich  in  ihm  bis  zu  diesem 
Stadium  vollzogen  haben. 

Zu  einer  Zeit,  in  der  die  Chorda  noch  keine  Vakuolen  enthält 
(Fig.  183),  ist  im  Embryo  noch  keine  Spur  von  mesenchymatösen 
Zellen  vorhanden ;  die  Organe  finden  sich  noch  sämthcli  in  epithehaler 
Ausbildung.  Lateral  von  der  Chorda  liegen  beiderseits  die  Urseg- 
m  e  n  t  e ,  mehr  oder  weniger  hoch  an  dem  Rückenmark  dorsal  empor-, 
mehr  oder  weniger  tief  an  der  Aorta  ventral  herabreichend.     Ventral 

Fig.  182.  Teil  eiues  Chordaquerschnittes 
aus  dem  Schwanz  eines  etwa  ö  cm  langen 
Callorhynchus-Embryos.  Vergr.  630  mal. 
es  Elastica.  /s  Faserscheide.  Im  Bereiche 
der  Bogenanlage  (üb)  ist  sie  deutlich  in 
zwei,  fast  gleich  dicke  Teile  gesondert  (fs 
und  fsj.  Die  aus  den  ßogenanlagen  später 
in  die  Chordascheide  einwandernden  Zellen 
—  man   sieht   auch   auf  diesem   Präparat  'f(^y''^'  ts^ 

bereits  eine  solche  Zelle  (ss)  im  Begriff  in  '         '  h    ß:^    ■ 

die  Faserscheide  einzudringen  —   begeben  ,^-  ^.\ 

sich  zunächst  zwischen  diese  beiden  Schich- 
ten der  Faserscheide  und  erfüllen  allmäh- 
Hch  auch  die   äußere  Schicht   ffs)  voll-  ^^  üb 

ständig.  Die  innere  dagegen  (fs^)  bleibt  stets  zellenfrei  (Elastica  interna),  ep  epi- 
theliomorphe  Schicht  der  Chorda,  mö  Anlage  des  rechten  unteren  Bogens;  Knor- 
pel hat  sich  in  ihr  noch  nicht  ausgebildet. 

gehen  die  voneinander  scharf  gesonderten  Ursegmente  in  das  nicht 
segmentierte  Mesoderm,  die  Seitenplatten,  über,  die  sich  im  Be- 
reiche des  Rumpfes  in  zwei  Lamellen,  die  viscerale  und  die  parietale, 
spalten,  zwischen  denen  die  Leibeshöhle  sich  ausdehnt.  Letzteres  ist 
im  Schwänze  (Fig.  183)  dagegen  nicht  der  Fall,  hier  bilden  die  Seiten- 
platten eine  ungeteilte,  einheitliche  Lamelle. 

Im  Innern  der  Ursegmente  befindet  sich  eine  bisweilen  —  nament- 
lich im  Schwänze  —  stark  zusammengepreßte  Höhle,  die  Ursegment- 
oder  Urwirbelhöhle;  durch  sie  wird  das  Ursegment  in  zwei 
Lamellen  zerlegt,  eine  laterale,  die  sogenannte  Cutis  platte  (C.  Rabl), 
und  eine  mediale,  der  Chorda  benachbarte,  die  Muskelplatte  (C.  Rabl) 
(Fig.  183,  184,  185). 

Diese  eben  geschilderten  ursprünglichen  Verhältnisse  ändern  sich 
aber  bald  im  Laufe  der  Entwickelung.  An  einer  ventralen,  den  Seiten- 
platten dicht  benachbarten  Stelle  des  Ursegments,  welche  meistens  in 
der  Gegend  zwischen  Chorda  und  Aorta,  bald  etwas  mehr  dorsal  bald 


\ 

\ 


366 


H.  Schauinsland, 


etwas  weiter  ventral  davon  gelegen  ist,  beginnen  in  der  inneren,  der 
Chorda  benachbarten  Lamelle  die  in  der  Mitte  derselben  befindlichen 
Zellen  (Fig.  184)  sich  zu  lockern  und  schließlich  auszuwandern,  offen- 
bar mit  eigener  amöboider  Bewegung  ausgestattet.    Sie  strömen  dabei 


Fig.  183. 


Fig.  184. 


ep. 


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Fig.  183.  Querschnitt  durch  das  äußerste  Schwanzende  eines  etwa  1,8  cm 
langen  Callorhynchus-Embryos.  Vergr.  ISOmal.  c/t  Chorda;  in  ihr  hat  die  Vakuolen - 
bildung  noch  nicht  begonnen,  seh  subchordaler  Strang,  a  Aorta,  v  Vene,  sd 
Schwanzdarm,  zwischen  Aorta  und  Vene  gelegen,  n  Nervenrohr,  ush  stark  zu- 
sammengepreßte Höhle  des  Ursegments.  cl  Cutislamelle  des  Ursegments.  ml  Muskel- 
lamelle des  Ursegments.  sp  Seitenplatte;  da  der  Schnitt  durch  den  Schwanz  geht, 
so  ist  sie  ungeteilt  und  enthält  nicht  die  Leibeshöhle.  In  der  Nähe  der  Aorta  und 
des  Schwanzdarmes  besitzt  sie  ein  festes,  epitheliales  Gefüge,  während  sie  weiter 
ventral  von  der  Vene  sich  aufzulockern  beginnt,     ep  Epidermis. 

Fig.  184.  Querschnitt  durch  einen  weiter  kranialwärts  gelegenen  Schwanz- 
abschnitt eines  etwa  1,4  cm  langen  Callorhynchus-Embryos.  Vergr.  ISOmal.  ch 
Chorda  im  Beginne  der  Vakuolisierung ;  auch  die  elastische  Scheide  ist  deutlich 
geworden.  An  der  inneren,  der  Aorta,  der  Chorda  und  dem  Nervenrohr  gegenüber- 
liegenden Lamelle  des  Ursegments  beginnen  ungefähr  von  der  Stelle  aus,  an  welcher 
Ursegment  und  Seitenplatte  aneinander  stoßen,  die  in  der  Mitte  gelegenen  Zellen 
(der  Schnitt  halbiert  gerade  die  Ursegmente)  auszuwandern  und  gegen  die  Chorda 
hinzuströmen;  damit  ist  der  erste  Anfang  gemacht  zur  Bildung  des  Sklero- 
toms  (sei),  duk  dorsale  Ursegmentkante ;  dieselbe  bildet  einen  Wachstumspunkt  für 
die  Muskel-  (ml)  und  Cutislamelle  (cl).  Gleichzeitig  sprossen  von  hier  aus  aber  auch 
Mesenchymzellen  (mz)  aus,  welche  das  Bindegewebe  für  den  dorsalen  Körperteil  und 
die  Rückenflosse  liefern  werden ;  an  der  Bildung  der  Wirbelsäule  beteiligen  sie  sich 
wahrscheinlich  aber  nicht.  vu,k  ventrale  Ursegmentkante;  von  ihr  aus  erhält  das 
Skierotom  fortgesetzt  neuen  Zuwachs,  sp  Sei ten platten ;  sie  haben  sich  noch  mehr 
gelockert  als  auf  der  vorhergehenden  Figur  und  stehen  im  Begriffe,  ihren  Epithel- 
charakter völlig  zu  verlieren,  sd  Schwanzdarm ;  sein  Lumen  ist  fast  völlig  reduziert, 
trotzdem  erstreckt  er  sich  von  hier  aus  aber  noch  sehr  weit  als  soüder  Strang  kranial- 
wärts.    Die  übrigen  Bezeichnungen  wie  in  Fig.  183. 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  367 


vornehmlich  dorsal-  und  medianwärts  in  der  Richtung  nach  der  Chorda 
(Fig.  184),  verbreiten  sich  von  dort  aus  aber  auch  weiter  dorsal  seit- 
lich von  dem  Nervenrohr  bis  nach  der  oberen  Ursegmentkante,  sowie 
auch  ventral  seitlich  von  der  Aorta  nach  der  unteren  -Urwirbel- 
kante  hin. 

Zunächst  bleiben  diese  ausgewanderten  Zellen  noch  vollständig 
im  Bereiche  des  Ursegmentes,  dem  sie  ihre  Entstehung  verdanken;  sie 
überschreiten  nicht  die  Grenzen  der  einzelnen  Ursegmente  und  bilden 
somit  eine  in  sich  ziemlich  abgeschlossene  Zellmasse,  das  sogenannte 

Fig.  185.  Querschnitt  durch  das 
Schwanzende  eines  etwa  3,3  cm  langen 
Callorhynchus-Embryos.  Vergr.  117  mal. 
Die  Zellen  des  Skierotoms  (sei)  haben  sich 
weiter  ausgebreitet,  sie  umgeben  jetzt  nicht 
allein  die  Chorda  vollständig,  sondern  auch 
das  Nervenrohr  (n)  und  den  dorsalen  Teil  ep 

der  Aorta.  Unter  ihnen  kann  man  eine 
Lage  Zellen  unterscheiden ,  welche  mehr 
abgeplattet  sind  als  die  übrigen  und  sich  ^  — 
den  oben  genannten  Organen  dicht  an- 
lagern ;  sie  bilden  die  skeletoblastische 
Schicht  (selb).  Der  Schnitt  ist  übrigens 
nicht  ganz  gerade  geführt;  auf  der  linken 
Seite  geht  er  durch  die  Mitte  des  Ur- 
segments;  daher  sieht  man,  daß  die  ven- 
trale Kante  desselben  keine  feste  Grenze 
bildet,  sondern  sich  völlig  in  die  Sklerotom- 
zellen  auflöst,  die  ventralwärts  unmittelbar 
übergehen  in  die  von  der  Seitenplatte  her-  ao-— 
stammenden  Mesenchymzellen  (sp).  Auf 
der  rechten  Seite  trifft  der  Schnitt  die 
kaudale  Ursegmentgrenze,  und  daher  be-  ^  _. 
sitzt  hier  die  ventrale  Ursegmentkante  (vuk) 
noch  ein  festes,  epitheliales  Gefüge,  ob 
und  üb  sind  die  von  den  Sklerotomzellen 
ausgefüllten  dreieckigen  Räume  zwischen 
Chorda  und  Nervenrohr  einerseits  und 
Chorda  und  Aorta  andererseits,  die,  von 
der  Seite  betrachtet,  als  der  Chorda  auf- 
sitzende Längsleisten  erscheinen.  Sie  sind 
die  Basen  der  das  Nervenrohr  und  die 
Aorta  einhüllenden  häutigen  Bogen,  und 
in  ihnen  entstehen  auch  später  die  knor- 
peligen oberen  und  unteren  Bogen.  In  der  Muskellamelle  (ml)  des  Ursegments 
sind  bereits  wirkliche  Muskelfibrillen  entstanden.  Der  dorsale  und  der  ventrale  Teil 
des  Querschnittes  ist  völlig  erfüllt  von  Mesenchymzellen,  von  denen  die  ersteren 
der  dorsalen  Urwirbelkante  (duk),  die  letzteren  den  aufgelösten  Seitenplatten  (sp) 
entstammen,    seh  subchordaler  Strang,  bereits  in  Rückbildung  begriffen. 


ob. 


ch- 


ub- 


sch  — --' 


vuk 


Skier otom  [Goodsir  1856,  van  Wijhe  1882,  C.  Rabl  1888  u.  A.] 
(Fig.  186,  187).  In  dieser  Zeit  sind  die  Skierotome  also  noch  voll- 
ständig segWental  angeordnet;  zu  jedem  Ursegment  gehört  ein 
Skierotom.  Die  Skierotome  liefern  das  weitere  Material,  das  der 
Chorda  hinzugefügt  und  mit  ihr  zusammen  zum  Aufbau  der  Wirbel- 
säule verwendet  wird.  Der  Chordastrang  mit  seinen  Scheiden  einer- 
seits und  die  Skierotome  andererseits  sind  die  einzigen  Elemente  für 
die  Zusammensetzung  des  axialen  Skelettes  und  zwar  nicht  nur  bei 
Callorhynchus,  sondern  überhaupt  in  der  ganzen  Reihe  der  Vertebraten. 
Die  Geschichte  der  Entwickelung  der  Wirbelsäule  bei  den  verschiedenen 
Formen   ist   weiter   nichts   als   die  Feststellung   der  in  mannigfaltiger 


368 


H.  Schauinsland, 


Weise  erfolgenden  Ausbildung  jener  beiden  Elemente,  ihres  gegen- 
seitigen Einflusses  auf  einander,  des  Ueberwiegen  des  einen,  des 
Zurücktretens  des  anderen. 

Es  sei  hier  jedoch  bereits  bemerkt,  daß  das  Skierotom  nicht  ganz 
ausschließlich  für  die  Wirbelsäule  im  engeren  Sinne  aufgebraucht 
Avird,  und  daß  von  ihm  auch  dasjenige  Bindegewebe  seinen  Ursprung 
nimmt,  welches  in  lockerer  Anordnung  weiter  peripheriewärts  Chorda 
und  Nervenrohr  umgiebt  (Fig.  185). 

Der  dorsal  von  der  Auswanderungsstelle  der  Sklerotomzellen 
gelegene  Abschnitt  des  inneren  Ursegmentblattes  behält  seinen  epi- 
thelialen Charakter   bei,   und   seine  Zellen   wandeln  sich  allmählich  in 


Fig.  186. 

a 


'51 


Fig.  187. 


ch 


nik 


cuk 


ruk 

ml 

sc 
cl 

cuk 


Vi  - 


Fig.  186  und  187.  Zwei  horizontale  Längsschnitte  durch  den  Schwanz  eines 
etwa  1,8  cm  langen  Callorhynchus-Embryos.  Vergr.  18ümal.  Man  vergleiche  dazu 
den  Querschnitt  auf  Fig.  184.  Der  Schnitt  auf  Fig.  186  geht  durch  die  Aorta  (a) 
und  trifft  gerade  den  Teil  der  Ursegmente,  an  welchem  sich  die  Bildung  der  Sklero- 
tome  (sc)  aus  ihren  inneren  Blättern  vollzieht.  Man  sieht,  wie  die  aus  der  Mitte 
des  inneren  Ursegmentblattes  gleichsam  herausfließenden  Zellen  sich  der  Aorta  an- 
legen und  wie  die  einzelnen,  von  jedem  Ursegment  abstammenden  Sklerotorae  bereits 
im  Begriffe  stehen ,  sich  miteinander  zu  vereinigen  und  damit  eine  gleichmäßige 
Bindegewebsschicht  zu  bilden.  Die  an  die  kranialen  (ruk)  und  kaudalen  (cuk)  Ur- 
segmentkanten  anstoßenden  Partieen  des  medialen  Ursegmentblattes  beteiligen  sich 
nur  sehr  wenig  oder  gar  nicht  an  der  Entstehung  der  Sklerotomzellen.  cl  Cutislamelle 
des  Ursegments. 

Fig.  187  stellt  einen  Schnitt  dar,  der  die  Chorda  etwa  halbiert.  Die  dorsal- 
wärts  emporgewanderten  Sklerotomzellen  (sc)  liegen  noch  in  ganz  distinkten  Gruppen, 
jede  medial wärts  von  dem  Ursegment,  von  dem  sie  abstammt;  die  einzelnen  Sklero- 
tome  besitzen  daher  noch  eine  scharfe,  metamere  Anordnung,  ml  Muskellamelle  des 
Ursegments.  cl  Cutislamelle  des  Ursegments.  mk  kraniale,  cmä-  kaudale  Kante  des 
Ursegments.  An  letzterer  befindet  sich  an  dieser  Stelle  offenbar  ein  Hauptwachs- 
tumspunkt der  beiden  Ursegmentlamellen.  ch  Chorda.  Ihre  Zellen  sind  bereits 
stark  vakuolisiert,  doch  rufen  sie,  im  ganzen  betrachtet,  noch  den  Eindruck  einer 
geldrollen  artigen  Anordnung  hervor.  Sowohl  in  Fig.  186  als  auch  in  Fig.  187  macht 
sich  ein  Verschieben  der  Ursegmente  der  rechten  denen  der  linken  Seite  gegenüber 
bemerkbar. 


Die  Entwickelung  der    Wirbelsäule  nebst  Eippen  und  Brustbein.  369 

M 11  skelz eilen  um,  sie  bilden  das  sogenannte  Myotom  [Goodsir 
1856,  VAN  WijHE  1882,  C.  Rabl  1888  u.  A.]  (Fig.  184,  185,  187,  188). 
Aus  jedem  Ursegment  entsteht  also  neben  dem  Skierotom  ein  Myotom ; 
die  letzteren  behalten  ihre  von  Anfang  an  streng  ausgebildete  seg- 
mentale Anordnung  während  langer  Zeit,  oft  das  ganze  Leben  hin- 
durch bei.  Die  einzelnen  Myomeren,  wie  man  wohl  die  voneinander 
gesonderten,  unmittelbar  aus  den  Myotonien  abstammenden  Segmente 
der  späteren  Rumpfmuskulatur  nennt,  wobei  man  allerdings  berück- 
sichtigen muß,  daß  zu  ihnen  nicht  nur  die  aus  den  Muskelplatten, 
sondern  auch  die  aus  den  Seitenplatten  herstammenden  Muskeln  ge- 
hören, lassen  häufig  noch  in  späteren  Stadien  einen  sicheren  Schluß 
auf  die  ursprüngliche,  von  den  Ur Segmenten  hervorgerufene  Gliede- 
rung zu. 

Während  das  Skierotom  stets  neuen  Zuwachs  erhält  aus  dem 
kranialen  und  kaudalen  (Fig.  ISQruh  und  cuk)  sowie  gleichzeitig  auch 
ventralen  Abschnitt  des  inneren  Ursegmentblattes  (Fig.  184  und  185  vuk) 
—  dort,  wo  Ursegment  und  Seitenplatten  aneinanderstoßen  —  liegen 
die  Wachstumspunkte  des  Myotoms  an  der  dorsalen  Kante  des 
Ursegments  (Fig.  182  duk)  und  wahrscheinlich  auch  an  der  kaudalen 
(Fig.  186  und  188  cuk)  [soweit  die  letztere  veutralwärts  nicht  von  der 
Bildung  des  Skierotoms  in  Anspruch  genommen  wird]. 

Der  Zustand  der  Sklerotome,  wie  wir  ihn  bis  jetzt  kennen  ge- 
lernt haben,  ist  jedoch  nur  von  kurzer  Dauer.  Bis  dahin  lag  jedes 
derselben  für  sich  isoliert  und  überschritt  nicht  die  Grenzen  des  Ur- 
segments, aus  welchem  es  seine  Entstehung  nahm.  Infolge  des  schnellen 
Wachstums  beginnen  sie  sich  nun  aber  über  diese  hinauszudehnen, 
so  daß  sie  nicht  nur  in  kranialer  und  kaudaler  Richtung  miteinander 
in  Berührung  kommen  und  sich  vermischen  (Fig.  188  sc),  sondern  daß 
auch  die  der  linken  Seite  mit  jenen  der  rechten  dorsal  vom  Nerven- 
rohr und  ventral  von  der  Chorda  (bezw.  der  Aorta)  sich  vereinigen 
(Fig.  185). 

Jene  beiden  Organe  werden  daher  von  nun  an  durch  eine  zu- 
sammenhängende Masse  von  Bindegewebszellen  eingeschlossen, 
die  man  in  ihrer  Gesamtheit  bei  anderen  Formen  wohl  als  Peri- 
chordalz  eilen  bezeichnet  hat,  (obgleich  jener  Ausdruck  nicht  ganz 
ausreichend  ist,  da  diese  Zellen  ja  nicht  allein  die  Chorda,  sondern 
auch  das  Rückenmark  umgeben).  Bald  gelingt  es,  an  dieser  Binde- 
gewebsschicht  auch  eine  innere,  fester  anliegende  Lage  zu  be- 
merken, die  man  von  den  weiter  peripher  befindlichen  und  lockerer 
gefügten  Zellen  als  skeletoblastisches  Gewebe  (zum  Teil 
gleichbedeutend  mit  der  Bezeichnung  skeletogene  Scheide)  unter- 
scheiden kann  (Fig.  1S6  selb). 

Bei  Callorhynchus  bleibt  dasselbe  in  viel  größerer  Ausdehnung, 
als  es  bei  den  höheren  Formen  der  Fall  ist,  dauernd  bindegewebig 
und  nur  in  beschränktem  Maße  diff'erenzieren  sich  in  ihm  später  wirk- 
liche harte  Skelettteile.  Im  besonderen  leiten  sich  aus  demjenigen 
Teil,  welcher  das  Nervenrohr  rings  herum  einschließt  und  den  die 
älteren  Autoren  Membrana  reuniens  nannten,  die  bindegewebigen 
Hüllen  des  Rückenmarks,  die  oberen  Bögen  und  der  diese  unterein- 
ander verbindende  Bandapparat  ab. 

Die  Wirbelsäule  besteht  also,  soweit  wir  ihre  Entwickelung  bis 
jetzt  verfolgt  haben,  um  es  nochmals  zu  wiederholen,  aus  der  vaku- 
oHsierten  Chorda  mit   ihren  Scheiden  —  der  Faser  scheide,   die 

Handbuch  der  Entwickelungslehre.  III.  2.  24 


370 


H.  Schauinsland, 


noch  zellenlos  ist,  und  der  elastischen  Scheide  —  sowie  einer 
bindegewebigen  Hülle,  die  Chorda,  Nervenrohr  und  teilweise  auch 
Aorta  gleichmäßig  umschließt,  und  an  welcher  die  median  liegenden 
Partieen  als  skeletoblastische  Schicht  unterschieden  werden 
können.  Es  ist  dies  ein  Entwickelungsstadium,  das  mit  dem  Aus- 
druck häutige  oder  membranöse  Wirbelsäule  oder  auch  als 
Cyclostomenstadium  bezeichnet  werden  kann. 

Nachträglich  ist  noch  zu  bemerken,  daß  während  der  Ausbreitung 
der  Skierotome  und  ihres  Zusammenschlusses  zur  Bildung  der  häutigen 
Wirbelsäule  die  zu  ihnen  gehörigen  Bindegewebszellen  an  einzelnen 
Stellen  den  aus  anderen  Quellen  herstammenden  Mesenchymzellen 
begegnen  und  sich  mit  ihnen  anscheinend  vermischen.  Bildungsherde 
derartiger  Zellen   sind   vor  allem  das  Darm-  und  Hautfaserblatt  oder 


VW 


^div 


sc 


!^}?u"\ 'y^^ff 


selb  ^c 


^/    dw    -"^ 
^     \-{-  VW  "~~~><C 


cuk 


cl 

■ml 


Fig.  188.  Horizontaler  Längsschnitt  aus  dem  vorderen  Teil  des  Schwanzes 
eines  Callorhynchus-Embryos  von  ebenfalls  etwa  1,8  cm  liänge.  Vergr.  180  mal. 
Der  Schnitt  halbiert  etwa  die  Chorda,  ist  aber  nicht  völlig  horizontal  geführt,  sondern 
schneidet  an  der  rechten  Seite  die  Ursegmente  bedeutend  mehr  dorsalwärts  als  an 
der  linken,  ch  Chorda.  Die  Vakuolisierung  ihrer  Zellen  ist  eine  vollständige, 
und  an  ihrer  Peripherie  hat  sich  die  epitheliomorphe  Rinden  schiebt  gebildet. 
ml  Muskellamelle.  An  der  linken ,  mehr  ventral wärts  gelegenen  Seite  sieht 
man  in  ihr  deutliche  Muskelfibrillen.  cl  Cutislamelle  der  Ursegmente.  Auf 
der  Unken  Seite  beginnt  ihre  Auflösung  in  Mesenchymzellen.  cuk  kaudale  Ur- 
segraentkante,  ein  Hauptwachsturaspunkt  der  beiden  eben  genannten  Lamellen. 
sc  Skierotome ;  an  der  rechten  Seite,  also  mehr  dorsalwärts,  sind  dieselben  noch 
etwas  voneinander  gesondert,  wenngleich  sie  auch  hier  bereits  seitlich  ineinander 
überzugehen  beginnen;  an  der  linken  dagegen  sind  sie  bereits  völlig  miteinander 
verschmolzen  und  bilden  dort  eine  zusammenhängende  Lage  perichordaler  Zellen, 
von  denen  die  der  Chorda  unmittelbar  anliegenden  als  skeletoblastische  Schicht  (selb) 
unterschieden  werden  können.  Zwischen  je  zwei  Ursegmenten  liegen  die  Interseg- 
mentalgefäße  (isg),  mit  deren  Hilfe  man  auch  dann,  wenn  die  Skierotome  miteinander 
verschmolzen  sind,  wie  hier  an  der  linken  Seite,  noch  ihre  ursprüngliche  Grenzen 
nachweisen  kann.  In  jedem,  durch  je  zwei  Intersegmentalgefäße  begrenzten  Segment, 
das  hier  ja  auch  durch  die  Ausdehnung  der  Muskellamelle  (Myotom)  bestimmt 
wird,  liegt  außerdem  die  ventrale  Nervenwurzel  (mv)  und  kaudalwärts  von  ihr  die 
dorsale  (dio),  an  der  linken  Seite  (also  weiter  ventral)  sind  diese  beiden  Wurzeln 
bereits  zu  dem  einheitlichen  Stamm  des  Spinalnerven  (spn)  verschmolzen. 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  371 

dort,  wo  eine  Leibeshöhle  nicht  mehr  vorkommt,  wie  es  im  Schwanz 
der  Fall  ist,  die  ungespaltene  Seitenplatte  [die  Fig.  183^185  zeigen 
das  allmähliche  Auflösen  der  Seitenplatten  (sp)  im  Schwanz  zu  Mes- 
enchymzellen].  Einen  weiteren  Zuwachs  liefern  die  dorsalen  Ursegment- 
kanten  (Fig.  184  duk),  die  wir  bereits  als  Wachstumspunkte  des  Myo- 
tonis  oben  kennen  lernten.  Es  ist  wahrscheinlich,  daß  die  von  hier 
auswandernden  Zellen  (Fig.  184  ms)  keine  unmittelbare  Verwendung 
für  die  Wirbelsäule  finden,  sondern  nur  das  Bindegewebe  für  die 
dorsale  Körperkante  und  den  an  diese  angehefteten  Flossensauni  liefern 
(Fig.  185).  Endlich  sind  es  die  Cutisplatten,  die  einen  lebhaften, 
wenn  auch  ziemlich  späten  Anteil  an  der  Erzeugung  von  Bindegewebe 
nehmen.  Aus  ihren  Zellen,  die  allmählich  den  epithelialen  Charakter 
verlieren  (Fig.  185  und  188  cl),  leitet  sich  ein  großer  Teil  der  Leder- 
haut ab  (Fig.  186),  und  sehr  wahrscheinlich  auch  der  distale  Abschnitt 
der  Zwischenmus kelbänder  (Ligamenta  intermuscularia,  Myo- 
septa,  Fig.  192  ms^),  durch  welche  die  einzelnen  Myomeren  von- 
einander gesondert  werden  und  gleichzeitig  auch  Stütz-  und  An- 
heftungspunkte  erhalten.  Die  proximalen  Partieen  jener  Bänder 
(Fig.  192,  193  ms)  werden  dagegen  wohl  ebenso,  wie  es  bei  den 
Squaliden  beobachtet  worden  ist,  von  den  Skierotomen  geliefert 
werden. 

Aus  alledem  erhellt  es,  daß,  wie  schon  frühzeitig  alle  aus  diesen 
verschiedenen  Entwickelungsherden  stammenden  Mesenchymzellen  mit- 
einander zusammenfließen  und  nicht  mehr  ihre  gesonderte  Herkunft 
erkennen  lassen,  so  auch  später  die  aus  den  Skierotomen  sich  her- 
leitenden Teile  der  Wirbelsäule  ohne  besonders  scharfe  Grenzen  in 
das  übrige  ihnen  benachbarte  Bindegewebe  übergehen. 

Infolge  der  im  Querschnitt  mehr  oder  weniger  kreisförmigen 
Gestalt  der  Chorda,  des  Nervenrohres  und  der  Aorta  werden  einerseits 
dorsal  zwischen  Chorda  und  Nervenrohr,  andererseits  ventral  zwischen 
Chorda  und  Aorta  je  zwei  im  Durchschnitt  fast  dreieckig  erscheinende 
Lücken  gebildet  (Fig.  183  u.  185  oh  u.  üb).  Es  ist  natürlich,  daß 
bei  dem  Entstehen  des  Skierotoms  und  seinem  späteren  Ausbreiten 
sich  die  von  ihm  stammenden  Perichordalzellen  zumeist  an  diesen 
Stellen  in  erheblicher  Anzahl  anhäufen,  und  daß  gerade  hier  die 
skeletoblastische  Schicht  in  größerer  Mächtigkeit  auftritt.  Bei  seit- 
licher Betrachtung  drückt  sich  dieses  Verhalten  in  je  einer  oberen 
und  unteren  Leiste  aus,  welche  sich  kontinuierlich  auf  der  Chorda 
in  ihrer  ganzen  Länge  erstreckt. 

Diese  Leisten  sind  übrigens  weiter  nichts  anderes  als  die  Basen, 
auf  denen  sich  einerseits  das  das  Nervenrohr  gleichmäßig  einhüllende 
membranöse  Bogengewölbe  erhebt,  und  von  denen  aus  andererseits  die 
die  Aorta  seitlich  umschließenden  Bindegewebsmassen  sich  erstrecken. 
In  ihnen  nehmen  später  die  ersten  knorpeligen  Ele- 
mente, welche  in  der  Wirbelsäule  auftreten,  die  oberen 
und  unteren  Wirbelbögen,  ihre  Entstehung.  Spielen  diese 
bei  den  Holocephalen  auch  noch  keine  hervorragende  Rolle,  so  werden 
sie  bei  den  höheren  Vertebratenformen  dazu  berufen,  den  Ausgangs- 
punkt für  die  gesamte  knorpelige  Wirbelsäule  zu  bilden.  — 

Es  könnte  den  Anschein  haben,  als  ob  die  Wirbelsäule  in  ihrem 
bis  jetzt  beschriebenen  „häutigen"  Zustand  völlig  der  Gliederung 
entbehre;  das  ist  bei  genauerer  Betrachtung  jedoch  keineswegs  der 
Fall. 

24* 


372 


H.  Schauinsland, 


Zunächst  sind  es  die  Myotonie  und  später  die  sich  daraus  ent- 
wickehideu  Myomeren  samt  clen  zwischen  ihnen  befindlichen  Myosepten, 
die  es  ermöglichen,  an  den  perichordalen  Zell-  und  Bindegewebsmassen 
Regionen,  welche  mit  den  ursprünglichen  Ursegmenten  bezw.  Skiero- 
tomen übereinstimmen,  zu  unterscheiden  (Fig.  188,  192,  193). 


chs 


Fig.  189.  Stück  eines  Querschnittes  durch  den  vorderen  Eunipf  eines  5,8  cm 
langen  Callorhynchus-Embryos.  Vergr.  675  mal.  Auf  der  Abbildung  ist  der  Teil 
des  Schnittes  wiedergegeben,  welcher  durch  die  Anlage  des  unteren  Bogens,  in  dem 
noch  keine  richtigen  Knorpelzellen  aufgetreten  sind,  geführt  ist.  chs  Chordascheide, 
als  Ganzes  betrachtet;  sie  zerfällt  in:  es  elastische  Scheide,  fs  Faserscheide  und 
fs^  von  Zellen  frei  bleibender  Teil  der  Faserscheide  (Elastica  interna);  in  Wirklich- 
keit ist  die  konzentrische  Streifung  viel  feiner,  ep  sehr  gut  ausgebildete  epithelio- 
morphe  Schicht  der  Chorda  (Chordaepithel),  v  Vakuolen,  n  Kerne  der  vakuoli- 
sierten  Chordazellen,  sz  Zellen,  die  aus  der  ßogenanlage  durch  Lücken  der  elastischen 
Scheide  hineinzuwandern  beginnen,  sz^  Zellen,  die  bereits  in  die  Faserscheide  ein- 
gedrungen  sind  (Scheidenzellen),   und  deren  Kerne  äußerst   stark   in    die  Länge  ge- 


zogen sind. 


Nebenbei  mag  erwähnt  werden,  daß  in  Anlehnung  an  niedere 
Zustände  —  Amphioxus  und  Cyclostomen  —  die  Ursegmente  der 
rechten  und  linken  Seite  oft  nicht  in  ihrer  Lage  übereinstimmen  und 
sich  kranial-  oder  kaudalwärts  gegeneinander  verschieben,  was  sich 
nicht  selten  in  noch  auffallenderer  Weise  bemerkbar  macht,  als  es 
hier  auf  den  beigegebenen  Figuren  (Fig.  186  u.  187)  zum  Ausdruck 
kommt.  Auch  die  Länge  der  Ursegmente  ist  in  den  verschiedenen 
Körperregionen  nicht  die  gleiche;  gemeinhin  nimmt  sie  vom  Kopf 
nach  dem  Schwanz  hin  zu,  um  dann  nach  dem  Schwanzende  hin  wieder 
abzunehmen.  Auf  das  Verschmelzen  benachbarter  Myotonie  wird 
noch  weiter  unten  zurückgekommen  werden. 

Ein  nicht  minder  sicheres  Kriterium  bei  der  Feststellung  der 
Grenzen  der  ehemaligen  Ursegmente  und  Skierotome  sind  die  In  fer- 
se gmentalgefäße,  welche  stets  scharf  an  der  Grenze  zweier 
Segmente  liegen  und  nach  der  Ausbildung  der  Myosepten  innerhalb 
dieser  ihre  Lage  haben,  dabei  sich  meistens  an  ihre  kaudale  Seite 
lehnend. 

Innerhalb  eines  jeden  durch  Myomer,  Myoseptum  und  Interseg- 
mentalgefäße  festgelegten  Segmentes  finden  sich  nun  noch  die  Spinal- 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  373 


nerven.  Bestanden  diese  bei  Petromyzon  noch  aus  zwei  von- 
einander durch  einen  weiten  Zwischenraum  dauernd  getrennten  Ele- 
menten, dem  kranial  gelegenen  motorischen  und  dem  kaudalen  sen- 
siblen Nerven,  so  hat  hier  bei  Callorhynchus  nun  eine  Vereinigung  dieser 


sz. 


sz 


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n 


Fig.  190.  Teil  eines  Querschnittes  durch  den  vorderen  Rumpfabschnitt  eines 
8,5  cm  langen  Callorhynchus-Embryos.  Vergr.  560  mal.  Der  abgebildete  Teil  des 
Schnittes  stellt  die  Umgelbung  des  rechten  oberen  kranialen  Bogenstückes  (ob^)  dar, 
dessen  im  Innern  gelegene  Zellen  zum  großen  Teil  bereits  knorpelig  sind,  b  das  den 
Bogen  und  die  Chorda  umgebende  Bindegewebe  (skeletoblastische  Schicht),  pch  das 
in  der  Bildung  begriffene  Perichondrium  des  knorpeligen  Bogens.  sz  Knorpelzellen, 
die  aus  den  Bogen  durch  Lücken  in  der  elastischen  Scheide  (es)  in  die  Faserscheide 
(fs)  hineiuzuwandern  beginnen,  sz  die  in  die  Chordascheide  bereits  hineingewanderten 
Zellen  (Scheideuzellen).  fs^  zellenloser  Teil  der  Faserscheide  (Elastica  interna),  az 
Außenzone  der  Chordascheide,  deren  Zellen  kürzer  und  rundlicher  sind  als  die 
in  der  Innenzone  (iz)  befindUchen.  ep  „Chordaepithel",  das  an  diesem  Präparat 
sehr  hoch  und  dicht  war,  dementsprechend  auch  die  „Elastica  interna"  als  ihr  un- 
mittelbares Abscheidungsprodukt  von  großer  Mächtigkeit  ist.  v  Vakuolen,  n  Kerne 
der  vakuolisierten  Chordazellen. 

beiden  Bestandteile  stattgefunden  (Fig.  195  —  197).  Der  bedeutend 
stärkere  motorische  Ast  liegt  ebenfalls  kranial  und  entspringt  ventral 
am  Rückenmark;  der  schwächere  sensible  nimmt  etwas  kaudal-  und 
stark  dorsalwärts  von  ihm  seinen  Ursprung,  schwillt  zu  einem  starken 
Ganglion  an  und  vereinigt  sich  mit  dem  vorderen  motorischen  Nerv 
etwa  im  letzten  ventralen  Drittel  des  Chordadurchmessers  (P'ig.  195 
bis  197). 

Während  Myoseptum  und  Intersegmentalgefäß  einen  zur  Chorda- 
achse fast  senkrechten  Verlauf  innehalten,  zieht  der  Spinalnerv  mehr 
oder  weniger  schräg  zu  ihr,  und  zwar  kranial-kaudalwärts  (Fig.  195 
bis  197),  so  daß  er,  abgesehen  von  den  unmittelbar  hinter  dem  Schädel 
gelegenen  Partieen  (Fig.  194),  das  Blutgefäß  und  Myoseptum  noch  in 
demselben  Segment  während  seines  Verlaufes  über  die  Chorda 
schneidet. 


374 


H.  Schauinsland. 


Der  Schnittpunkt  des  Spinalnerven  und  des  Intersegmentalgefäßes 
liegt  je  weiter  nach  dem  Kopfe  zu,  desto  mehr  ventral,  je  weiter  nach 
dem  Schwanzende  hin,  desto  dorsaler  (vergl.  Fig.  195—197).  Gleich 
nach  seinem  Durchtritt  durch  die  Wirbelsäule  giebt  der  motorische 
Nerv  außer  seinem  ventralen  Hauptast  noch  einen  schwächeren 

Fig.  191.    Querschnitt  durch 

mr  die     Wirbelsäule     im     vorderen 

Kumpfabschnitt     eines    8,5     cm 

.    '  p  langen     Callorhynchus-Embryos. 

Vergr.27mal.  o6j  kraniales  oberes 
Bogenstück.  ob  kaudales  oberes 
Bogenstück.  nb  unterer  Bogen. 
ep  Chordaepithel,  r  Vakuolen,  in 
r  der  Mitte  der  Chorda  bedeutend 

a'  o6  größer    wie     an     ihrem    Rande. 

.  g.  j.  n  Kerne  der  vakuolisierten  Chor- 

^v^'  dazellen,    chs  zellhaltige  Chorda- 

.: ^^  scheide,  die  äußere  und  die  innere 

/»,>  ^•«/,- ^ ,  ^  Zone   derselben   sowie    die  „Ela- 

*'^-Aa<  ^^'^^    interna"    sind    angedeutet. 

'■  >^ es  es  Elastica  externa,     b  Bindege- 

'Acu 5  webe,  welches  sowohl  die  Bogen 

JL'^c^J^ cjis   als  auch  die  Chordascheide  um- 

-j-r»p^- n  giebt  und  miteinander  verbindet; 

-:^ /,,?;•■  meistens   kann   man   eine  innere 

"^vv""^ ^P         Lage    (skeletoblastische  Schicht) 

't^j    4  von    den   mehr   distal    gelegenen 

;>--^  Partieen  unterscheiden,  mr  Mem- 

~~"  ^  brana    reuniens;    Ueberrest    der 

'^-.^  häutigen      Wirbelsäule,      das 

^^x  ^^j  obere    Bogendach    schließend,     r 

Rückenmark,      p  Pia  mater  des 

j  f  Rückenmarks.       a    Aorta.       m 

Muskeln. 


dorsalen  Zweig  ab,  der  sich  kaudalwärts  wendet,  den  sensiblen 
Stamm  überschreitet,  ohne  sich  mit  diesem  in  Verbindung  zu  setzen 
(bei  Chimaera  vereinigt  er  sich  jedoch  mit  dem  sensiblen  Ganglion) 
und  dann  weiterzieht  bis  zum  nächsten  Spinalnerven,  um  auch 
diesen  noch  entweder  in  der  Gegend  des  Ganglions  oder  etwas  tiefer 
davon  zu  kreuzen  und  sich  dann  endgiltig  dorsalwärts  zu  wenden 
(Fig.  195-197). 

Betrachten  wir  ein  Segment  in  Bezug  auf  die  geschilderten  Zu- 
stände nochmals,  so  finden  wir  es  also  kranial  begrenzt  von  einem 
Myoseptum,  unmittelbar  kaudal  davon  liegt  das  Intersegmentalgefäß, 
darauf  folgt  der  motorische  (ventrale),  dann  der  sensible  (dorsale) 
Spinalnerv,  und  den  Beschluß  macht  endlich  wieder  ein  Myoseptum. 
Es  ist  von  Wichtigkeit,  sich  dieser  Verhältnisse  stets  zu  erinnern, 
denn  durch  sie  erhalten  wir  eigentlich  die  einzige  Hand- 
habe, um  uns  über  die  Lage  der  einzelnen  Teile  der 
Wirbelsäule  Klarhei  t  zu  schaffen ,  sowie  über  die  Homologie 
der  verschiedenen  Skelettteile  derselben  Gewißheit  zu  erlangen,  und 
zwar  nicht  nur  bei  Callorhynchus,  sondern  fast  in  der  gesamten  Reihe 
der  Vertebraten. 

Die  deutlichste  Segmentierung  erfährt  das  Achsenskelett  aber  da- 
durch, daß  innerhalb  der  skeletogenen  Schicht  an  bestimmten  regel- 
mäßigen Stellen  und  ausgehend  von  den  oben  erwähnten  Längsleisten 
stärkere  Ansammlungen  von  Zellen  auftreten,   die  sich  durch  größere 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  375 

Tingierbarkeit  von  ihrer  Umgebung  nicht  unschwer  unterscheiden 
lassen.  Im  Bereiche  je  eines  nach  der  eben  geschilderten  Weise  be- 
stimmbaren Segmentes  finden  sich  regelmäßig  je  zwei  derartige  An- 
häufungen, und  zwar  zwei  in  der   oberen  —  zwischen  Chorda   iund 

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Fig.  192.  Horizontalschnitt  durch  das  hintere  Ende  des  Rumpfes  eines  8,5  cm 
langen  Callorhynchus-Embryos  in  der  Höhe  der  Mitte  des  Rückenmarkes;  nur  die 
linke  Seite  ist  vollständig  abgebildet.  Vergr.  31mal.  Die  Abbildung  dient  zur  Erläute- 
rung der  gegenseitigen  Lage  der  iSkelettstücke,  Blutgefäße,  Nerven  u.  s.  w.  r  rostral 
oder  kranial,  c  kaudal.  ob^  kraniales  oberes  Bogenstück.  ob  kaudales  oberes  Bogen- 
stück.  Der  Schnitt  ist  nicht  völlig  horizontal  geführt,  sondern  die  linke  Seite  liegt 
etwas  mehr  dorsal  als  die  rechte ;  daher  sind  an  der  linken  Seite  auch  nur  die  Spitzen 
der  kranialen  Bogen  getroffen,  vw  ventrale  (motorische)  Nervenwurzel,  div  dor- 
sale (sensible)  Nervenwurzel  bezw.  Ganglion,  b  Bindegewebe;  an  ihm  kann  man 
eine  innere  Lage  (skeletoblastische  Schicht)  unterscheiden,  in  welcher  die  Skelett- 
stücke liegen ,  und  durch  welche  auch  die  Lücken  zwischen  diesen  geschlossen 
werden  (häutige  Wirbelsäule).  7ns  Myosepten,  nach  den  kaudalen  Bogenstücken 
hinziehend.  In  ihnen  oder  an  ihrer  kaudalen  Seite  befinden  sich  die  Intersegmentalgefäße 
(isg).  Zwischen  ihnen  hegen  die  aus  der  Muskellamelle  des  Ursegmentes  abstammen- 
den Myomeren  (m).  An  der  linken  Seite  zwischen  dem  3.  und  4.  Myoseptum  von 
oben  muß  ein  Myomer  ausgefallen  oder  mit  dem  benachbarten  verschmolzen  sein, 
denn  hier  liegen  zwei  Paar  Bogenstücke  innerhalb  eines  Myomers.  ws,  der  nach 
der  Cutis  hinziehende  Teil  der  Myosepten.  cl  Cutis,  aus  der  Cutislamelie  des  ur- 
sprünglichen Ursegmentes  stammend.  Auch  hier  liegen  ganz  regelmäßig  Interseg- 
mentalgefäße fisgj,  wodurch  die  Cutis  segmentiert  erscheint.  Auch  auf  der  Epi- 
dermis sind  dementsprechend  Andeutungen  einer  Segmentierung  sichtbar,  n  Rücken- 
mark. 


376 


H.  Schauinsland, 


Nervenrohr  gelegenen  —  Leiste  und  zwei  in  der  untere  n  —  zwischen 
Chorda  und  Aorta  —  verlaufenden.  Wir  haben  darin  die  ersten  An- 
deutungen der  später  knorpeligen  oberen  und  unteren  Bögen  zu 
erblicken,  üa  selbstverständlich  das  Auftreten  der  Bogenanlagen  in 
der  rechten  und  linken  Körperhälfte  gleichmäßig  erfolgt,  so  sind  in 
einem  vollständigen  Körpersegment  acht  derselben  vorhanden,  vier 
obere  und  vier  untere.  In  jedem  der  ehemaligen  Skierotome  sind 
also  vier  entstanden,  von  denen  ein  oberes  und  ein  unteres  Stück 
dem   kranialen  Teil   desselben  angehören   und   das  andere  ventrale 


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Fig.  193.  Horizontalschnitt  durch  den  hinteren  ßumpfabschnitt  eines  8,5  cm 
langen  Callorhynchus-Embryos  in  der  Höhe  der  Chorda.  Vergr.  etwa  45  mal.  ?• 
kranial,  e  kaudal.  ep  „Chordaepithel",  v  Vakuolen  der  Chorda,  es  elastische 
Chordascheide,  fs  zellhaltige  Chordascheide.  Auf  der  rechten  Seite  sieht  man,  daß  die- 
selbe überall  gleichmäßig  ausgebildet  ist  und  nirgends  Andeutungen  von  einzelnen 
Wirbelkörpern  aufweist.  Auf  der  linken  Seite,  die  etwas  mehr  dorsal  getroffen  ist, 
bemerkt  man  an  dem  lateralen  Rande  in  jedem  Körpersegment  die  ein  wenig  in  die 
Chordascheide  hineinreichenden  Basen  der  oberen  kranialen  Bogenstücke  (obj.  fs, 
„Elastica  interna".  (Die  Führungslinie  müßte  etwas  weiter  nach  links  bis  in  den  hellen 
Saum  hineinreichen.)     Die  übrigen  Bezeichnungen   sind  dieselben  wie  auf  Fig.  192. 

und  dorsale  dem  kaudalen.  Die  Annahme  ist  nicht  völlig  von  der 
Hand  zu  weisen,  daß  diese  Sonderung  jedes  einem  Segment  zuzurech- 
nenden Abschnittes  der  Wirbelsäule  durch  die  Bogenanlage  in  einen 
vorderen  und  einen  hinteren  Teil  auch  bei  Callorhynchus  bedingt  wird 
durch  eine  von  vornherein  schon  im  ursprünglichen  Skierotom  be- 
stehende Trennung.  Namentlich  im  Hinblick  auf  höhere  Formen  (z.  B. 
Reptilien),  bei  denen  eine  derartige  Scheidung  des  Skierotoms  durch 
die  Ursegmentspalte  in  ein  kraniales  und  ein  kaudales  Stück  deutlich 
nachweisbar  ist,  kann  man  sich  des  Gedankens  nicht  entschlagen,  daß 
diese  Tendenz  zur  Teilung  auch  bei  Callorhynchus  schon  in  frühester 
Zeit  im  Skierotom  scheinbar  latent  vorhanden  ist,  um  dann  beim  Auf- 
treten der  Bogenanlagen  —  oder  Skleromeren,  wie  man  diese  aus 
dem  Skierotom  entstandenen  metameren  Stücke  in  Analogie  mit  den 
Myomeren  wohl  nennen  kann  —  wirklich  erst  augenfällig  zu  werden. 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule   nebst  Rippen  und  Brustbein.  377 

Außerdem  ist  es  nicht  ausgeschlossen,  daß  sich  vielleicht  auch  bei 
Holocephalen  an  dafür  geeignetem  Material  Andeutungen  einer  solchen 
Ursegmentsspalte  noch  werden  nachweisen  lassen,  wie  ja  auch  bei 
Squaliden  die  von  C.  Rabl  an  der  entsprechenden  Stelle  gefundene 
Ausstülpung  des  Ursegments  als  etwas  Aehnliches  aufzufassen  ist.  — 

Indem  wir  vorläufig  die  weitere  Entwickelung  der  Bogenanlagen 
noch  nicht  berücksichtigen,  wenden  wir  uns  zunächst  Vorgängen  zu, 
die  mittlerweile  in  den  Chordascheiden  sich  bemerkbar  gemacht 
haben.  Wir  verließen  diese,  nachdem  wir  sowohl  die  Ausbildung 
der  elastischen  als  auch  der  Faserscheide  verfolgt  hatten ;  Zellen  waren 
bis  dahin  in  letzterer  noch  nicht  enthalten. 

Nach  dem  ersten  Auftreten  der  Bogenanlagen  in  den  vier  der 
Chorda  peripher  aufsitzenden  Längsleisten  —  die  Faserscheide  hat  um 
diese  Zeit  eine  Dicke  erreicht,  welche  etwa  dem  Kerndurchmesser  einer 
der  Perichordalzellen  gleichkommt  —  beginnen  einige  Zellen  oder, 
was  wohl  richtiger  ist,  einige  ihrer  offenbar  nur  mit  ganz  geringen 
Protoplasmamassen  umgebenen  Kerne,  die  der  Chordascheide 
zunächst  liegen,  in  diese  einzudringen  (Fig.  182  u.  189).  Es  mag  da- 
bei unentschieden  bleiben,  ob  die  elastische  Scheide  erst  durch  das 
Eindringen  der  Kerne  durchlöchert  wird,  oder  ob  sie  es  bereits  vor- 
her war,  jedenfalls  zeigt  sie  um  diese  Zeit  unterhalb  der  ihr  aufliegen- 
den Bogenbasen  zahlreiche  Lücken. 

Anfangs  sind  diese  emdringenden  Zellen  oder  Kerne  noch  keines- 
wegs Knorpelzellen  —  wie  es  wohl  bei  anderen  Formen  behauptet 
wurde  —  sondern  gehören  den  diesen  in  der  Entwickelung  vorher- 
gehenden Bindegewebszellen  an  ;  allerdings  dauert  die  Einwanderung 
auch   nach  der  Umwandlung   der  Bogenstücke  in  Knorpel  noch  fort. 

Die  eingewanderten  Kerne  nehmen,  nachdem  sie  in  die  Faser- 
scheide gelangt  sind,  eine  längliche,  spindelförmige,  oft  aber  auch 
geradezu  fadenförmige  Gestalt  an;  sie  wenden  sich  dabei  anfangs  vor- 
nehmlich der  Mitte  der  Faserscheide  zu.  Diese  zeigt  in  jenem 
Stadium  im  Bereiche  der  Bogenanlagen  —  etwas  später  auch  in  den 
übrigen  Teilen  —  keine  durchweg  gleichartige  Ausbildung.  Man  kann 
dort  an  ihr  nämlich  zwei  fast  gleich  dicke  Lagen  unterscheiden  (Fig.  189), 
eine  innere,  der  epitheliomorphen  Rinden  schiebt  der  Chorda  un- 
mittelbar anliegende,  die  sich  durch  eine  ungemein  zarte,  aber  regel- 
mäßige, konzentrische  Streifung  auszeichnet,  als  wäre  sie  aus  den 
feinsten  Lamellen  zusammengesetzt,  und  eine  äußere;  letztere  zeigt 
auf  dem  Querschnitt  statt  der  konzentrischen  eine  völlig  unregelmäßige 
Zeichnung,  als  ob  sie  angefüllt  wäre  von  zahlreichen  feinsten  Vaku- 
olen, und  ist  offenbar  bedeutend  lockerer  gefügt  und  besitzt  keine  so 
große  Festigkeit  wie  die  innere  Schicht.  Die  eindringenden  Zellen 
begeben  sich  nun,  wie  gesagt,  zunächst  zum  großen  Teil  zwischen 
die  beiden  eben  geschilderten  Lagen  der  Faserscheide,  wodurch  die 
Abgrenzung  derselben  voneinander  noch  schärfer  wird;  dann  ver- 
teilen sie  sich  aber  auch  und  zwar  ziemlich  gleichmäßig  in  der  oberen 
lockeren  Schicht.  Von  hier  aus  schreiten  sie  weiter  auch  in  die 
Partieen  der  Scheide  ein,  die  nicht  nur  an  den  Bogenanlagen,  son- 
dern auch  außerhalb  derselben  sich  befinden ,  so  daß  sie  endlich 
die  Chorda  in  einem  geschlossenen  Kreise  umgeben.  Da  sie  an  keiner 
Stelle  in  die  innere  Schicht  eindringen,  sondern  sie  stets  freilassen, 
so  besteht  von  nun  an  die  Faserscheide,  und  zwar  dauernd,  aus  einer 
äußeren  zellen  haltigen  Schicht  und  aus  einer  inneren  zel- 
lenfreien;   letztere  ist  die  sogenannte  Elastica  interna.     Diese 


378 


H.  Schauinsland, 


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Fig.  194. 

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Fig.  197. 

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Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  379 

Fig.  194 — 197.  Teile  der  Wirbelsäule  eines  10  cm  langen  Callorhynchus-Embryos. 
Vergr.  12 mal.  Fig.  194  stellt  ein  Stück  aus  dem  vordersten  Abschnitt  der  Wirbel- 
säule dar;  vorn  fernen  nur  noch  einige  Segmente  bis  zum  Occipitalgelenk.  Fig.  195 
zeigt  einen  Abschnitt  aus  dem  mittleren  Rumpf.  Fig.  196  bildet  den  vordersten 
Teil  des  Schwanzes  ab  (mit  dem  ersten  rostralen  Segment  beginnt  gerade  der  Schwanz) 
und  Fig.  197  einen  weiter  kaudalwärts  gelegenen  Teil  desselben,  r  rostral  oder  kranial. 
c  kaudal.  cä  Chorda  mit  der  sie  umgebenden  Scheide,  ob^  kraniales,  oh  kaudales  oberes 
Bogenstück.  In  Fig.  195  sind  dieselben  äußerst  regelmäßig  ausgebildet.  In  Fig.  194  sieht 
man,  wie  das  kaudale  Stück  (ob)  allmählich  auf  das  kraniale  heraufrückt  und  endlich 
mit  diesem  vollständig  verschmilzt.  Die  daraus  entstandenen  Bögen  fo6j  -|-  ob)  ver- 
schmelzen dann  ebenfalls  noch  miteinander  —  auch  an  der  dorsalen  Seite  —  und 
bilden  ein  einheitliches  Stück  (OB),  an  dem  sich  vorn  der  Eückenstachel  einlenkt. 
Am  Schwänze  bemerkt  man  das  allmähliche  Kleinerwerden  des  kaudalen  Bogenstückes 
(Fig.  196)  und  sein  schließliches  Verschwinden  (Fig.  197).  uh  und  ub^  untere  Bögen. 
In  der  mittleren  Körperpartie  und  am  Anfang  des  Schwanzes  (Fig.  195  und  196) 
sind  sie  in  jedem  Segment  regelmäßig  in  der  doppelten  Zahl  vorhanden.  In  der 
Nähe  des  Schädels  (Fig.  194)  verschmelzen  die  innerhalb  eines  Segmentes  gelegenen 
unteren  Bogenstücke  miteinander,  werden  dabei  gleichzeitig  größer,  umwachsen  die 
Chorda  weiter  nach  oben  und  verschmelzen  schließlich  mit  den  untereinander  ver- 
wachsenen oberen  Bögen,  nachdem  auch  sie  vorher  zu  einem  einheitlichen  Knorpel- 
stück sich  zusammengefügt  haben.  Am  Schwanzende  werden  die  unteren  Bögen 
auch  schon  beim  Embryo  unregelmäßig  (Fig.  197).  isp  Spinalnerv,  vw  ventrale 
(motorische),  dw  dorsale  (sensible)  Wurzel  desselben  mit  Ganglion  (g).  rd  Ramus 
dorsalis  der  ventralen  Wurzel,  in  die  Gegend  des  Ganglions  des  darauf  folgenden 
Spinalnerven  ziehend.  Die  Spinalnerven  sind  zum  größten  Teil  nicht  ausgezeichnet, 
sondern  nur  durch  Punktierung  des  Verlaufes  der  ventralen  Wurzel  angedeutet.  In 
dem  zwischen  je  zwei  Spinalnerven  gelegenen  Raum  („Neuromer")  befinden  sich  im 
Rumpf  und  Anfang  des  Schwanzes  stets  zwei  obere  und  zwei  untere  Bogenstücke. 
Vom  8.  Schwanzsegment  an  (ob^)  finden  sich  weiter  kaudalwärts  zunächst  zweimal 
zwei,  dann  dreimal  zwei  uud  schließlich  eine  ganze  Anzahl  oberer  Bogenstücke 
(Dipio-  und  Polyspondyiie).  isg  Intersegmentalgefäße,  meistens  nur  durch  eine  punk- 
tierte Lmie  angedeutet;  etwas  kranial  von  ihnen  verlaufen  die  (nicht  gezeichneten) 
Myosepten,  Aus  ihrer  Lage  kann  man  die  Grenzen  der  ursprünglichen  Ursegmente 
entnehmen.  Zwischen  je  zwei  Intersegmentalgefäßen  liegen  ebenso,  wie  es  bei  den 
Nerven  der  Fall  ist,  anfangs  stets  je  zwei,  vom  8.  Schwanzsegment  an  aber  zweimal 
zwei,  dreimal  zwei  und  schließlich  viele  Bogenstücke.  Man  beachte  die  kranial- 
kaudalwärts  immer  weiter  dorsal  verlegte  Kreuzungsstelle  der  Spinalnerven  mit  den 
I  n  tersegm  en  talgef  äßen . 

ist  also  weiter  nichts  als  der  innere,  von  den  Zellen  frei  gelassene 
Teil  der  Faserscheide  und  stellt  offenbar  die  jüngsten,  von  dem  Chorda- 
epithel zuletzt  abgeschiedenen  Partieen  derselben  dar  (Fig.  189  u.  190j. 
In  Uebereinstimmung  mit  dem  auf  einigen  Entwickelungsstadien  äußerst 
üppig  ausgebildeten  Chordaepithel  (Fig.  190)  ist  die  Elastica  interna 
bei  Callorhynchus  meistens  von  großer  Mächtigkeit  und  wird  erst 
bei  zunehmendem  Alter  undeutlicher. 

Die  Chordascheide  hat  nunmehr  gegen  früher  eine  tiefgehende 
Veränderung  erfahren,  sie  ist  zellhaltig  geworden  und  hat  damit 
den  Cyclostomen  gegenüber  einen  höheren  Grad  der  Entwickelung 
erreicht  (in  Bezug  hierauf  und  im  Vergleich  mit  ihrem  vorange- 
gangenen, primären  zellenlosen  Zustand  könnte  man  sie  jetzt  auch 
als  sekundäre  Chordascheide  bezeichnen).  Peripher  wird  sie  scharf 
begrenzt  von  der  Elastica  externa  und  centralwärts  gegen  die 
Chorda  hin  weniger  distinkt  durch  die  „Elastica  interna",  beides 
zellenlose  Schichten,  deren  Entstehung  wir  ja  oben  verfolgt  haben. 
Die  zwischen  ihnen  gelegene  zellenhaltige  Partie  vergrößert  sich  bald 
außerordentlich,  was  sowohl  auf  Rechnung  der  immer  zahlreicher  ein- 
wandernden Zellen  als  auch  der  zunehmenden  Grundsubstanz  der 
Faserscheide  zu  setzen  ist,  obgleich  diese  während  des  Embryonal- 
lebens den  Zellen  gegenüber  ganz  bedeutend  an  Mächtigkeit  nach- 
steht. 


380  H.  Schauinsland, 

Das  Einwandern  der  Zellen  nimmt  anch  dann  nicht  ab,  wenn 
schon  längst  an  den  bis  dahin  bindegewebigen  Bogenaulagen  die  Um- 
wandlung in  Knorpel  sich  vollzogen  hat  (P'ig.  190).  Uebrigens  ist 
es  dabei  auch  sehr  wahrscheinlich,  daß  sich  die  Zellen  der  Faserscheide 
nicht  durch  diese  Einwanderung  allein,  sondern  auch  durch  Teilung 
an  Ort  und  Stelle  vermehren. 

In  der  Grundsubstanz  der  Chordascheide  erscheinen,  je  älter  der 
Embryo  wird,  desto  deutlicher  Fasern,  deren  Herkunft  unsicher  bleiben 
muß.  (Man  vergleiche  übrigens  die  bei  den  Cyclostomen  hierüber  ge- 
machten Mitteilungen.) 

Es  ist  von  Bedeutung,  darauf  hinzuweisen,  daß  die  beschriebenen, 
in  der  Chordascheide  stattfindenden  Veränderungen  sich  in  kranial- 
kaudaler  Richtung  gleichartig  vollziehen.  Die  von  den  Bogen  aus 
eindringenden  Zellen  breiten  sich  völhg  gleichmäßig  in  der  Längs- 
richtung hin  aus;  es  ist,  abgesehen  von  den  unmittelbar  den 
Bogen  anliegenden  Stellen  (Fig.  193)  kein  Unterschied  vorhanden 
zwischen  den  innerhalb  oder  außerhalb  des  Bereiches  der  Bogen  ge- 
legenen Partieen,  und  so  kommt  es  daher  auch  nicht  einmal  zu  einer 
Andeutung  von  intervertebralen  und  vertebralen  Zonen  (Wirbelkörpern) 
innerhalb  der  Chordascheide,  und  von  irgend  einer  Segmentierung  ist 
dort  nichts  zu  erkennen. 

Während  eine  solche  Differenzierung  nach  der  longit udinalen 
Richtung  hin  fehlt,  macht  sie  sich  an  dem  eingewanderten  Zellmaterial 
aber  sehr  bald  bemerkbar,  je  nachdem  dieses  mehr  peripher-  oder 
mehr  centralwärts  gelagert  ist  (Fig.  190).  Die  peripheren  Zellen 
sind  kürzer  und  dicker,  die  centralen  länger  und  noch  mehr  spindel- 
förmig. Diese  beiden  Zonen  in  der  Chordascheide  unterscheiden  sich 
bei  älteren  Embryonen  außerordentlich  deutlich  voneinander;  die 
äußere  derselben  entspricht  zweifellos  der  Außenzone  der  Wirbel- 
körper bei  den  Squaliden,  wie  wir  sie  später  dort  kennen  lernen 
werden,  und  die  innere  ist  beim  Embryo  der  Innen-  und  Mittel- 
zone  derselben  zusammengenommen  gleichzusetzen.  Von  einer 
Mittelzone  selbst  kann  man  erst  bei  älteren  Tieren  sprechen,  und 
namentlich  bei  Chimaera,  wenn  sich  dort  zwischen  der  inneren  und 
äußeren  Zone  eine  Schicht  bildet,  in  welcher  sich  Kalksalze  ablagern, 
wobei  es  dann  zur  Ausbildung  der  noch  später  zu  erwähnenden  Kalk- 
ringe kommt. 

Es  ist  jedenfalls  in  hohem  Grade  bemerkenswert,  daß  bereits  hier 
bei  den  Holocephalen,  bei  denen  einzelne  Wirbelkörper  noch  durchaus 
nicht  vorhanden  sind,  dennoch  schon  derartige  Differenzierungen  auf- 
treten, die  nicht  nur  zu  den  Squaliden,  sondern  auch  zu  den  höchsten 
Vertebratenformen  hinüberleiten,  worüber  weiter  unten  noch  gehandelt 
werden  wird. 

Die  meisten  der  bis  jetzt  an  der  Chorda  erwähnten  Vorgänge 
spielen  sich  auf  ihrer  ganzen  Länge  ab ;  so  finden  wir  sie  denn  auch 
in  dem  im  Schädel  steckenden  Abschnitt,  abgesehen  von  ihrem 
äußersten  Ende,  das  einer  baldigen  völligen  Rückbildung  anheimfällt 
(vergl.  Froriep  1902),  sowohl  von  einer  gut  ausgebildeten  Elastica 
externa  als  auch  von  einer  Faserscheide  umgeben.  In  letztere  wandern 
auch  hier  von  den  sie  umschließenden  Knorpelmassen  aus,  Zellen 
hinein,  und  zwar  vornehmlich  —  wenn  auch  nicht  ausschließlich  — 
ebenso  wie  an  der  Wirbelsäule  von  vier,  oberem  und  unterem  Bogen 
entsprechenden,  Punkten  aus.  Eine  Elastica  interna  ist  dann  ebenfalls 
deutlich  nachweisbar. 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  381 

Hingewiesen  möge  endlich  noch  auf  ein  Organ  werden,  dessen 
Bedeutung  bei  Callorhynchus  ebenso  rätselhaft  bleibt  wie  bei  den 
anderen  Vertebraten,  bei  denen  es  bis  jetzt  beobachtet  wurde,  nämlich 
auf  die  sogenannte  Hypochorda  oder  Subchorda.  Diese  besteht 
aus  einem  soliden,  mehr  oder  weniger  runden,  im  Querschnitt  nur 
aus  wenigen  Zellen  zusammengesetzten  Strang,  der  sich  aus  dem  am 
meisten  dorsal  gelegenen  Teil  der  Darm  wand  abspaltet  und  anfangs 
zwischen  dieser  und  der  Chorda,  später  zwischen  der  Aorta  und  der 
Chorda  gelegen  ist  (Fig.  183 — 185).  In  der  Zeit  ihrer  höchsten  Ent- 
wickelung ist  die  Hypochorda  ebenfalls  mit  einer  cuticularen  Scheide 
umgeben,  die  Aehnlichkeit  besitzt  mit  der  Elastica  externa  der  Chorda 
und  färbenden  Reagentien  gegenüber  sich  ebenso  verhält  wie  diese. 
Schon  sehr  frühzeitig  wird  die  Hypochorda  wieder  zurückgebildet  und 
verschwindet,  ohne  irgend  eine  Spur  hinterlassen  oder  an  der  Bildung 
irgend  eines  anderen  Organs  teilgenommen  zu  haben. 

Wenden  wir  uns  nunmehr  wieder  der  Betrachtung  der  oberen 
und  unteren  Bögen  zu!  Wir  sahen,  daß  sie  sich  zu  je  zwei  an 
jeder  Seite  innerhalb  eines  Segmentes  anlegten;  allmählich  werden 
sie  knorpelig  und  bei  Embryonen  eines  mittleren  Entwickelungsstadiums 
(Fig.  194—197)  sind  die  oberen  Bogenstücke  derart  ausgebildet, 
daß  das  eine  unter  ihnen,  von  fast  dreieckiger  Form  und  niedriger 
Gestalt,  mit  breiter  Basis  der  Chordascheide  aufsitzt,  während 
das  andere,  lang  und  schmal,  seitlich  von  dem  Nervenrohr  sich  hoch 
emporreckt,  dagegen  ventral  nicht  mehr  in  unmittelbarer  Verbindung 
mit  jener  steht. 

An  dieses  längere  Stück,  und  zwar  nahe  seiner  kaudalen  Kante, 
setzt  sich  das  Myoseptum  an,  das  zwei  benachbarte  Myomeren  trennt, 
ihnen  gleichzeitig  aber  auch  Halt  gewährt.  Durch  die  Vermittelung 
des  Myoseptums  und  des  langen  Bogenstückes  wird  somit  vornehmlich 
die  Wirkung  der  Muskelfaser  auf  das  axiale  Skelett  übertragen.  Es 
sind  das  Verhältnisse,  die  auch  bei  anderen  Formen  mit  doppelten 
und  different  ausgebildeten  Bogenstücken  stets  wiederkehren. 

Bei  erwachsenen  Holocephalen  (Fig.  200)  wurde  von  J.  Müller 
(1834)  das  lange,  schmale  Knorpelstück  als  Bogen,  das  niedere, 
breite,  als  Intercalare  bezeichnet,  während  von  Goette,  Hasse 
u.  A.  gerade  das  letztere  für  den  wirklichen  Bogen,  und  das  andere 
für  das  Schaltstück  gehalten  wurde.  Es  dürfte  sich  empfehlen,  beide 
Bezeichnungen  lieber  zu  vermeiden.  Beide  Stücke  sind  Komponenten 
des  Bogens,  erst  beide  zusammen  bilden  ihn.  Sie  sind,  wie  ein 
eingehendes  Studium  der  Vertebraten  zeigt,  Bausteine,  die  in  der 
verschiedensten  Weise  bei  der  Konstruktion  des  Bogengewölbes  Ver- 
wendung finden  können.  Bald  sind  es  beide,  die  dazu  fast  gleich- 
mäßig benutzt  werden,  bald  dient  vorwiegend  der  eine,  bald  der 
andere  für  diesen  Zweck.  Dann  wieder  verschmelzen  sie  miteinander, 
und  zwar  so,  daß  sowohl  Stücke  desselben  Segments  als  auch 
zweier  verschiedener,  benachbarter  zusammengefügt  werden.  End- 
lich kann  auch  eins  gänzlich  der  Rückbildung  anheimfallen  und  wiederum 
derart,  daß  bald  das  eine,  bald  das  andere  verschwindet.  Das  Studium 
aller  dieser  Variationen  ist  jedenfalls  eine  der  anziehendsten  Aufgaben 
der  vergleichenden  Anatomie  und  dürfte  in  Zukunft  noch  häufigere 
Beachtung  finden. 

Die  unteren  Bögen  (Fig.  191,  194—198)  sind  bei  Callorhynchus 
anfangs  in   fast  völlig  gleichmäßiger  Ausbildung  vorhanden,  und  zwar 


382 


H.  Schauinsland, 


finden  auch  sie  sich  auf  jeder  Seite  in  doppelter  Anzahl;  es  sind 
zwei  kleine,  in  kranial-kaudaler  Richtung  mehr  oder  weniger  längliche 
Knorpelstücke,  die  beide  der  Chordascheide  aufsitzen.  Im  Bereich 
des  Schwanzes  sind  sie  der  Medianlinie  mehr  genähert  und  bilden 
mit  dem  nicht  in  Knorpel  umgewandelten,  sondern  membranös  bleiben- 
den Abschnitte  der  Bögen  einen  Kaudalkanal  zur  Aufnahme  der 
Aorta  und  der  Kardinalvenen,  wogegen  sie  im  Rumpfe  entsprechend 
der  weiten  Leibeshöhle  auseinanderweichen. 

Kaum    erwähnt   zu    werden    braucht   es   wohl,    daß   der  häutig 
bleibende  Teil   der  Wirbelsäule   sowohl   die   dorsalen   als   auch  die 
ventralen   in  ihr  entstandenen  Knorpelstücke  seitlich  miteinander  ver- 
bindet  und   sie    zu    einem 
.-T--  zusammenhängenden  Kanal 

vereinigt,  der  erst  dadurch 
seinen  Zweck,  Schutz  den 
von  ihm  eingeschlossenen 
Organen  und  Stütze  den 
sich  an  ihn  heftenden  Mus- 
keln zu  gewähren,  völlig 
erfüllen  kann.  Während 
bei    den     Cyclostomen    die 


ob 


b  — 


ch 


üb' 


P 


■^c E 


VW 


-es 


. & 


ep 


Fig.  198.  Querschnitt  durch  den 
vordersten  Teil  der  Wirbelsäule 
eines 8,5  cm  langen  Callorhynchus- 
Embryos.  Vergr,  27  mal.  (Die 
Details  sind  bei  stärkerer  Ver- 
größerung eingezeichnet.)  Obere 
und  untere  Bögen  miteinander 
verwachsen.  Die  oberen  Bögen 
sind  außerdem  nicht  nur  dorsal 
verschmolzen ,  sondern  bilden 
auch  eine  Art  Domfortsatz.  Die 
unteren  Bögen  sind  ventral  noch 
voneinander  getrennt;  einige 
Schnitte  weiter  nach  vorn  ver- 
wachsen sie  dort  ebenfalls,  vw  ven- 
trale Nervenwurzel.  Die  übrigen 
Bezeichnungen   wie  in    Fig.  191. 


h'äuti'ge  Wirbelsäule  diese  Aufgabe  noch  fast  ausschließlich  über- 
nimmt, wird  sie  ihr  bei  Callorhynchus  schon  beträchtlich  durch  die 
Knorpelbögen  abgenommen,  was  fortan  bei  den  höheren  Formen  in 
fortwährend  zunehmendem  Maße  der  Fall  ist. 

Verfolgt  man  die  Lage  der  Blutgefäße  und  der  Nerven 
zu  den  knorpeligen  Bogenstücken,  so  findet  man  (Fig.  192 
bis  196),  daß  die  Intersegmentalgefäße  unmittelbar  kaudal  von 
den  längeren,  der  Chorda  nicht  aufsitzenden  oberen  Bogenstücken  {ob) 
verlaufen,  fast  senkrecht  die  Chorda  mit  ihren  Scheiden  ventralwärts 
überschreiten  und  dann  immer  je  zwei  der  unteren  Bogenstücke  von 
den  nächstfolgenden  zwei  trennen ;  sie  liegen  dabei  entweder  inner- 
halb der  Myosepten  oder  dicht  an  ihrer  kaudalen  Grenze.  Beide 
Wurzeln  des  Spinalnerven  entspringen  oberhalb  des  kleineren  der 
beiden  neuralen  Bogenstücke  (Fig.  194  und  195),  und  zwar  tritt  die 
motorische  (ventrale)  Wurzel  etwas  kaudal  von  dem  intersegmentalen 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  383 

Blutgefäß  hervor,  während  die  sensible  (dorsale)  nicht  nur  mehr  dorsal, 
sondern  auch  weiter  kaudal  hervorkommt. 

Daß  die  letztere  zunächst  zu  einem  nicht  unbedeutenden  Ganglion 
anschwillt  und  sich  erst  nach  ziemlich  langem  Verlauf  mit  der  moto- 
rischen vereinigt,  wurde  bereits  früher  geschildert,  wie  auch  darauf 
aufmerksam  gemacht  worden  ist,  daß  der  Verlauf  der  Spinalnerven 
im  Bereich  der  Chorda  und  ihrer  Scheide  im  vordersten  Teil  des 
Rumpfes  fast  senkrecht  ist,  während  er  weiter  nach  hinten  davon 
immer  mehr  und  mehr  kaudal  abweicht,  so  daß  das  nächstfolgende 
Intersegmentalgefäß   bald    von   den    Nerven    überschritten    wird ;    und 


Fig.  199. 


Fig.  200. 
ob     dw 


ob^ 


dp 


kr 


td) 


Fig.  199.  Obere  Bögen  u.  s.  w.  aus  der  vorderen  Region  der  Wirbelsäule  einer 
etwa  15  cm  langen  Chimaera.  Das  Präparat  ist  so  gewonnen,  daß  die  beider- 
seitigen Bögen  von  der  Chordascheide  abgeschnitten,  platt  ausgebreitet  und  dann 
von  oben  gezeichnet  wurden,  ob  kaudale,  ob^  rostrale  obere  Bögen,  dj)  Deckplatten 
oder  8chlußstücke  (J.  Müller),  vw  Austritt  der  ventralen  Nervenwurzeln  (das 
kraniale  Bogenstück  durchbohrend),     diu  Austritt  der  dorsalen  Nervenwurzel. 

Fig.  200.  Stück  der  Rumpf  Wirbelsäule  einer  erwachsenen  Chimaera  (nach 
Hasse,  unter  Veränderung  der  Bezeichnungen).  o6  kaudale,  oö,  kraniale  obere  Bögen. 
üb  untere  Bögen,  vw  Austritt  der  ventralen,  dw  Austritt  der  dorsalen  Nervenwurzel. 
kr  Kalkringe  in  der  Chordascheide. 


zwar  verschiebt  sich  je  weiter  nach  dem  Schwänze  hin  in  desto  höherem 
Grade  der  Schnittpunkt  zwischen  Nerv  und  Gefäß  dorsalwärts  (Fig.  194 
bis  197). 

Vergleicht  man  diese  Verhältnisse  mit  denen,  wie  sie  bei  den 
Cyclostomen  —  im  besonderen  im  Schwänze  von  Petromyzon  —  vor- 
kommen, so  ist  es  nicht  schwer,  direkte  Anknüpfungspunkte  zwischen 
diesen  beiden  Formen  zu  finden. 

Denkt  man  sich  bei  Callorhynchus  (Fig.  195)  das  kleinere  der 
beiden  Bogenstücke  (o&,)  schmaler,  dafür  aber  länger  und  die  Aus- 
trittsstelle der  beiden  Nervenwurzeln  noch  etwas  mehr  kranial-  und 
kaudalwärts  auseinandergerückt,  so  würde  der  motorische  und  der 
sensible  Nervenstamm  durch  dieses  Knorpelstück  voneinander  getrennt 
sein,  und  man  hätte  dann  denselben  Zustand  vor  sich,  wie  bei  Petro- 
myzon, abgesehen  davon,  daß  sich  die  beiden  Wurzeln  bei  Callorhynchus 
schon  während  ihres  Verlaufes  über  die  Chorda  hin  miteinander  ver- 
einigen, was  bei  Petromyzon  nicht  der  Fall  ist.  Die  Uebereinstimmung 
wird  noch  größer,  wenn  man  jüngere  Stadien  zu  Rate  zieht.  Auf  der 
in  Fig.  192    dargestellten    Abbildung    sieht   man,    wie   die   motorische 


•7 

384  H.  Schauinsland, 

Wurzel  unmittelbar  hinter  dem  segmentalen  Blutgefäß  und  damit 
gleichzeitig  auch  hinter  dem  größeren  der  beiden  Bogenstücke  heraus- 
tritt,  während   thatsächlich  der  sensible  Nerv  zwischen  ihnen  liegt. 

Nach  Erwägung  dieser  Verhältnisse  und  vor  allem  auch  aus  dem 
Verlauf  der  Blutgefäße,  von  denen  man  annehmen  muß,  daß  sie  noch 
dieselbe  Lage  besitzen,  wie  sie  sie  von  Anfang  an  innehatten,  als  in 
den  Skierotomen  noch  keine  Bogenanlagen  aufgetreten  waren,  und 
sie  scharf  die  Grenzen  der  ursprünglichen  Ursegmente  anzeigten  — 
es  ist  kein  Grund  vorhanden,  anzunehmen,  daß  sie  sich  mittlerweile 
verschoben  haben  sollten  — ,  sieht  man  sich  zur  Annahme  gezwungen, 
daß  das  kleinere  der  beiden  oberen  Bogenstücke  (oli^),  welches  mit 
breiter  Basis  der  Chorda  aufsitzt,  aus  dem  kranialen  Teil  des 
Skierotoms  entstanden  ist,  das  zweite,  an  welches  sich  das  Myoseptum 
ansetzt,  und  an  dessen  kaudaler  Seite  das  Blutgefäß  verläuft  (oft),  aus 
dem  kaudalen;  demnach  wird  fortan  das  erste  als  kraniales- 
Bogenstück  (o&,),   das  zweite   als   kaudales  (oh)  bezeichnet  werden. 

Schon  jetzt  mag  darauf  hingewiesen  werden,  daß  von  nun  an  bei 
allen  Vertebraten  dieselben  Verhältnisse  wiederkehren.  Fast  immer 
ist  das  kaudale  Stück  das  größere  und  dient  zur  Anheftung  des  Myo- 
septums;  das  kraniale  dagegen  ist  in  der  Regel  das  kleinere,  wie 
es  auch  dasjenige  ist,  welches  bei  den  höheren  Vertebraten  oft  einer 
mehr  oder  weniger  vollständigen  Rückbildung  anheimfällt.  Immer 
verläuft  das  intersegmentale  Blutgefäß  an  der  kaudalen  Seite  des 
kaudalen  (größeren)  Bogenstückes  (ob) ;  immer  tritt  hinter  diesem  auch 
die  motorische  Nervenwurzel  heraus,  während  die  sensible  (oder  da& 
spinale  Ganglion)  entweder  dorsal  oder  bisweilen  auch  kaudal  von 
dem  kranialen  (kleineren,  oh^)  gelegen  ist. 

Bei  den  Formen,  bei  welchen  eine  Verschmelzung  der  beiden 
Bogen-  bezw.  Wirbelkomponenten  zu  einem  Stück  erfolgt,  kann 
dieses  so  geschehen,  daß  entweder  die  zu  demselben  Segment  ge- 
hörigen Stücke  sich  zusammenfügen  (obi-\-ob)  —  so  z.  B.  bei  den 
vordersten  Wirbeln  von  Callorhynchus,  wie  wir  es  gleich  noch  sehen 
werden,  den  meisten  Wirbeln  von  Amia  etc.  —  oder  derart,  daß  sich 
das  kaudale  Stück  des  einen  Segmentes  mit  dem  kranialen  des  nächst- 
folgenden verbindet  {ob-{-obi),  wie  es  z.  B.  bei  den  Amphibien  und 
den  Amnioten  der  Fall  ist. 

Bei  dem  heutigen  Stand  unserer  Kenntnisse  ist  eine  andere  als 
die  oben  gegebene  Deutung  der  Bogenstücke  nicht  möglich :  das 
Kriterium,  welches  wir  aus  der  Lage  der  Blutgefäße,  des  Myosei)tums 
und  auch  der  Nerven  gewonnen  haben,  läßt  sie  am  wahrscheinlichsten 
erscheinen.  Jeder  Versuch  einer  anderen  Auslegung,  die  vornehmlich 
darauf  hinauslaufen  würde,  die  Stücke  gerade  mit  den  entgegenge- 
setzten Bezeichnungen  zu  belegen  —  also  das,  was  oben  als  kraniale 
Bögen  hingestellt  wurde,  als  kaudale  zu  benennen  und  umgekehrt  — 
mißglückt.  Man  müßte  hierzu  eine  —  namentlich  bei  den  höheren 
Formen  —  ganz  gewaltige  kaudale  Verschiebung  des  Myoseptums  und 
der  Intersegmentalgefäße  gegenüber  ihrem  ursprünglichen  Verhalten 
annehmen,  die  ganz  unwahrscheinlich  ist  und  die  z.  B.  mit  den  bei  den 
Amnioten  gerade  in  den  frühesten  Stadien  gemachten  Befunden  sich 
nicht  vereinigen  läßt.  Gesetzt  aber  auch  den  Fall,  mau  hätte  eine 
Auffassung,  die  der  oben  gegebenen  entgegengesetzt  ist,  angenommen,, 
so  hätte  man  dadurch  allerdings  unter  anderem  erreicht,  daß  sich  die 
Wirbel   der   höheren  Vertebraten   aus  einem  und  demselben  der  ur- 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und   Brustbein.  385 

sprünglichen  Skierotome  (und  nicht  aus  je  einer  Hälfte  zweier  be- 
nachbarter) ableiten  ließen,  müßte  dann  aber  gerade  die  Erklärungsweise, 
die  man  dabei  hier  vermieden  hat,  bei  anderen  Formen  (Callorhynchus, 
Amia  etc.)  statt  dessen  wieder  anwenden. 

Man  braucht  trotzdem  aber  nicht  zu  vergessen,  daß  die  Kennt- 
nisse der  Lage  von  Blutgefäßen,  Nerven,  Myosepten  und  ßogen- 
stücken  zu  einander  und  der  Versuch  einer  Homologisierung  der  letzteren 
bei  den  verschiedenen  Formen  zum  großen  Teil  nur  auf  den  zum 
Zweck  der  vorliegenden  Abhandlung  und  einer  einheitlichen  Auffassung 
des  Bauplanes  der  Wirbelsäule  in  der  ganzen  Vertebratenreihe  ge- 
machten Studien  beruhen.  Den  endgiltigen  Entscheid  in  diesen  Fragen 
müssen  erst  zalilreichere,  die  Kraft  eines  einzelnen  übersteigende 
Untersuchungen  erbringen,  die  an  den  verschiedensten  Objekten,  und 
zwar  von  ganz  frühen  StadJen  an,  in  ununterbrochener  Reihenfolge 
ausgeführt  werden  müßten ;  hier  mag  es  genügen,  den  Weg  gewiesen 
zu  haben. 

Um  wieder  zu  Callorhynchus  zurückzukehren,  so  verhalten  sich 
in  der  Weise,  wie  es  vorher  geschildert  wurde,  die  oberen  und  unteren 
Bogeustücke  in  dem  größten  Teil  des  Rumpfes  und  im  Anfang  des 
Schwanzes;  in  der  vordersten  Rumpfpartie  dagegen  tritt  hierin 
eine  Aenderung  ein.  Das  kaudale  obere  Bogeustück  verändert  seine 
Lage  (Fig.  194)  und  rückt  allmählich  von  hinten  nach  vorn  derart 
auf  das  kraniale  herauf,  daß  es  nun  dorsal  von  ihm  gelegen  ist. 
Schließlich  verschmilzt  es  mit  diesem,  und  zwar  schon  in  ziemlich 
frühen  Embryonalstadien;  dann  ist  also  nur  ein  Bogenstück  vorhanden, 
dem  man  es  von  vornherein  ohne  Kenntnis  der  vorhergehenden,  rasch 
verlaufenden  Entwickelungsstufen  nicht  ansehen  kann ,  daß  es  sich 
in  Wirklichkeit  aus  zwei  zusammensetzt.  Es  ist  von  Bedeutung,  dar- 
auf hinzuweisen,  daß  sich  hier  der  definitive  Wirbelbogen  gemäß  den 
an  die  Lage  der  Intersegmentalgefäße  etc.  kurz  vorher  geknüpften 
Erörterungen  aus  den  beiden  Stücken  des  gleichen,  ursprünglichen 
Skierotoms  (und  nicht  aus  den  Hälften  zweier  benachbarter)  bildet. 
Diese  derart  zusammengesetzten  oberen  Bögen  der  rechten  und  linken 
Seite  verschmelzen  dann  später  dorsal  von  dem  Rückenmark  — 
was  bei  allen  übrigen  Wirbelbogen  sonst  nicht  der  Fall  ist  —  und 
außerdem  auch  noch  seitlich  zum  größten  Teil  miteinander,  so  daß 
je  nach  dem  Alter  des  Individuums  hier  nur  mehr  oder  weniger  große 
Lücken  zum  Durchtritt  der  Nerven  übrig  bleiben,  aus  deren  Zahl 
man  auch  noch  später  konstatieren  kann,  daß  12—13  Segmenten  an- 
gehörigen  Bogenstücke  zu  einer  Knorpelmasse  sich  vereinigt  haben, 
die  hauptsächlich  dazu  dient,  um  dem  großen  sich  hier  einfügenden 
Rücken  Stachel  Halt  zu  gewähren. 

Aber  auch  die  unteren  Bögen  verwachsen  frühzeitig  an  dieser 
Stelle;  zunächst  sind  es  nur  die  beiden  Stücke  desselben  Segmentes 
(Fig.  194),  die  zu  einem  zusammenfließen,  an  dem  oft  noch  eine 
Furche  seine  Entstehung  andeutet ;  dann  aber  verschmelzen  auch  diese 
wieder  miteinander  zu  einer  völlig  unsegmentierten  Knorpelmasse. 
Dabei  umwachsen  sie  gleichzeitig  allmählich  ventral-dorsalwärts  die 
Chorda  samt  ihrer  Scheide  und  stoßen  endlich  mit  einer  ähnlichen 
dorsal-ventralwärts  sich  erstreckenden,  von  den  oberen  Bögen  aus- 
gehenden Umwachsung  zusammen  (Fig.  194—197),  so  daß  dann  hier 
nicht  allein  Wirbelbögen  vorhanden  sind,  sondern  thatsächlich  auch 
Wirbelkörper,  nur  mit  dem  Unterschied,  daß  diese  nicht  voneinander 

Handuch  der  Entwickelungslehre.     HI.  2.  25 


386  H.  Schauinsland, 

getrennt,  sondern  bereits  miteinander  verschmolzen  in  die  Erscheinung 
treten. 

Es  ist  sehr  beachtenswert,  daß  an  dieser  Stelle,  an  welcher  an 
die  Leistungsfähigkeit  der  Wirbelsäule,  im  besonderen  an  ihre  Festig- 
keit größere  Ansprüche  gestellt  werden,  diese  dadurch  auch  sofort 
einen  höheren  Grad  der  Ausbildung  erfährt,  wobei  Verhältnisse  ge- 
schaffen werden,  die  wirklich  bereits  an  höhere  Vertebraten  erinnern. 
Wir  trafen  sogar  schon  bei  den  Cyclostomen  in  dieser  Region  die 
ersten  Anläufe  zur  Umwachsung  der  Chorda  seitens  der  Bogenbasen, 
bei  Callorhynchus  ist  sie  durchgeführt  und  bei  den  Knorpelganoiden 
sowie  den  Dipneusten,  ebenfalls  Formen,  an  deren  Wirbelsäule  im 
übrigen  auch  nur  obere  und  untere  Bögen,  aber  noch  keine  richtigen 
Wirbelkörper   vorkommen,    werden  wir  demselben  Vorgang  begegnen. 

Bedeutende  Abweichungen  weist  die  Wirbelsäule  auch  am 
Schwänze,  und  namentlich  in  seinem  hinteren  Abschnitt  auf.  Wäh- 
rend im  Rumpf  und  auch  noch  im  vorderen  Schwanzteil  äußerst  regel- 
mäßig je  zwei  obere  und  untere  Bögen  in  einem  Segment  liegen, 
und  somit  einen,  abgesehen  von  dem  fehlenden  Körper  vollständigen 
Wirbel  bilden,  ist  das  weiter  hinten  nicht  mehr  der  Fall.  Zunächst 
wird  das  kaudale  obere  Bogenstück  allmählich  immer  kleiner  (Fig.  196 
und  197)  und  verschwindet  schließlich  völlig;  gleichzeitig  damit  werden 
die  unteren  unregelmäßig  und  stimmen  mit  den  oberen  weder  in  der 
Zahl  noch  in  der  Lage  überein.  Damit  Hand  in  Hand  geht  eine 
wichtige  Veränderung  in  der  Beziehung  der  intersegmentalen  Blut- 
gefäße sowie  der  Nerven  zu  den  Knorpelstücken  vor  sich.  Die  ersteren 
teilten  vorher  regelmäßig  je  ein  Bogenpaar  von  dem  anderen  ab, 
während  die  letzteren  ebenfalls  auch  immer  nur  zu  je  einem  Paar 
gehörten.  Das  ändert  sich  mit  dem  Kleinerwerden  der  Bogen- 
stücke  im  allgemeinen  und  dem  Verschwinden  des  kaudalen  oberen 
Bogens  im  besonderen.  Zunächst  liegen  die  Intersegmentalgefäße 
zwischen  je  zwei  Bogenpaaren  (in  Fig.  196  vom  8.  Schwanzsegment 
an),  dann  zwischen  je  drei  und  schließlich  zwischen  einer  so  großen 
Anzahl  von  Knorpelstücken,  daß  dieselben  sicher  5  oder  6  Bogenpaaren 
entsprechen  (Fig.  197). 

Gleichen  Schritt  damit  hält  der  Spinalnerv;  er  überschlägt 
genau  ebensoviele  Bogenstücke  wie  das  Intersegmentalgefäß,  so  daß 
zu  einem  „Neuromer"  nicht  mehr  wie  früher  ein  Paar,  sondern 
zwei,  drei  und  mehr  Knorpelpaare  gehören.  Die  Lage  des  Nerven 
zum  Blutgefäß  bleibt  dabei  dieselbe  wie  vorher;  auch  jetzt  entspringt 
er  oberhalb  des  dem  Gefäß  unmittelbar  vorhergehenden  kranialen 
Bogenstückes  —  soweit  dieses  sich  als  solches  noch  erkennen  läßt  — 
und  nicht  etwa  oberhalb  eines  der  anderen,  weiter  kranialwärts  ge- 
legenen derartigen  Knorpels  (Fig.  196,  197).  Der  dorsale  Ast  des 
motorischen  Nerven  behält  ebenfalls  seine  alte  Richtung  nach  dem 
nächsten  kaudalwärts  folgenden  Spinalganglion  bei  und  ist  zu  diesem 
Zwecke  gezwungen,  eine  lange  Strecke  weit  dicht  oberhalb  einer  ganzen 
Reihe  neuraler  Knorpelstücke  einen  völlig  horizontalen  Verlauf  zu 
nehmen  (Fig.  197). 

Daran  anknüpfend,  dürfte  hier  der  Platz  sein,  auf  die  soge- 
nannte Diplo-  und  Polyspondylie  (Hasse)  etwas  näher  einzu- 
gehen. 

Durch  die  Untersuchungen  von  J.  Müller  (1834),  A.  Kölliker 
(1860),  A.  DuMERiL  (1865),  A.  Goette  (1875,  1878  etc.),  H.  v.  Jhe- 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  387 

RING  (1878  und  1878=^),  C.  Hasse  (1879—1882),  P.  Mayer  (1886)  u.  A. 
wurde  vornehmlich  bei  Selachiern  die  Thatsache  festgestellt,  daß  die 
Zahl  der  Wirbel  namentlich  im  Schwänze  häufig  nicht  mit  der  Zahl 
der  Myomeren  resp.  „Neuromeren"  (den  zwischen  je  2  Spinalnerven 
gelegenen  Körperabschnitten)  übereinstimme,  sondern  daß  auf  jedes 
dieser  Segmente  je  zwei  (Diplospondylie)  oder  mehr  Wirbel  (Poly- 
spondylie)  kämen.  Man  kann  jedoch  nicht  sagen,  daß  die  Frage  nach 
der  Ursache  dieser  Erscheinung  eine  gleichmäßig  befriedigende  Antwort 
erhielt,  was  zum  Teil  auch  darin  seinen  Grund  hatte,  daß  man  sich 
über  das  Verhältnis  der  „Bogenstücke''  und  der  „Intercalaria"  zu  ein- 
ander noch  nicht  ganz  im  klaren  war  und  die  letzteren  in  einen  ge- 
wissen Gegensatz  zu  den  ersteren  stellte. 

Daß  der  Grund  nicht  in  einer  nachträglichen  Teilung  ursprüng- 
lich einfacher  Wirbel  gesucht  werden  kann,  mag  zunächst  festgestellt 
werden,  wie  das  auch  bereits  von  Goette  Kölliker  gegenüber  ganz 
richtig  geschah. 

Die  Betrachtung  der  Holocephalenwirbelsäule,  im  besonderen  die 
Entwickelung  derselben  bei  Callorhynchus,  trägt  nun  folgendes  zur  Be- 
urteilung dieses  Problems  bei. 

Die  innerhalb  eines  Segmentes  der  mittleren  Rumpfpartie  be- 
findlichen zwei  Bogenstücke,  resp.  beiden  Skierotomhälften  haben  im 
Vergleich  mit  den  höheren  Vertebraten  den  Wert  von  Halb  wirbeln; 
ein  Schwanzwirbel  z.  B.  von  Sphenodon  (abgesehen  davon,  daß  er 
zwei  Ursegmenten  je  zur  Hälfte  angehört),  entspricht  bezüglich  der 
Bogen  zwei  Bogenstücken  von  Callorhynchus.  Genau  ebenso  wie  Callo- 
rhynchus sind  alle  die  Fälle  zu  beurteilen,  in  welchen  sich  primär 
in  jedem  Segment  zwei  Bogenpaare  dauernd  vorfinden  (Cyclo- 
stomen,  Holocephalen,  ein  großer  Teil  der  übrigen  Selachier,  Knorpel- 
ganoiden  etc.).  Jedes  halbe  Skierotom  hat  ursprünglich  die  Fähig- 
keit, einen  richtigen  vollständigen  Wirbel  zu  bilden.  Bei  Callorhynchus 
geschieht  es  noch  nicht,  da  die  Bögen  für  gewöhnlich  die  Chorda  nicht 
umwachsen  und  es  somit  auch  nicht  zur  Bildung  fester  Wirbelkörper 
kommt.  Bei  Amia  jedoch  findet  es,  wie  wir  später  sehen  werden,  im 
größten  Teil  des  Schwanzes  in  typischer  Weise  statt,  und  auch  bei 
Selachiern  scheint  es  vorzukommen,  z.  B.  im  Schwänze  von  Dasybatis 
(Robin  1847;  P.  Mayer  1886,  Taf.  XVIII,  Fig.  3)  und  wahrscheinlich 
auch  bei  Heptanchus,  bei  dem  die  Wirbel  der  vorderen  und  hinteren 
Wirbelsäulenregion  nur  ein  Paar  Bögen,  die  der  mittleren  Region  da- 
gegen aber  zwei  Paar  besitzen.  Daher  kann  man  mit  Recht  sagen,  daß 
primär  stets  Diplospondylie  herrscht,  und  daß  erst  durch  Verschmel- 
zung (z.  B.  vordere  Rumpfsegmente  bei  Callorhynchus,  Rumpfwirbel 
bei  Amia  etc.)  oder  durch  Rückbildung,  selbst  völliges  Verschwinden 
des  zweiten  Bogen-  resp.  Körperteiles  (Amnioten)  Monospondylie 
entsteht. 

Etwas  anderes  als  diese  primäre  Diplospondylie,  bei  der 
sich  in  einem  ursprünglichen  Segment  resp.  einem  Skierotom 
je  zwei  Bogenpaare,  eventuell  auch  zwei  vollständige  Wirbel  (Amia) 
finden,  ist  die  Erscheinung,  daß  zu  einem  Myomer  oder  einem 
Neuromer  Skelettteile  vorhanden  sind,  die  offenbar  nicht  aus  einem, 
sondern  aus  zwei  ursprünglichen  Skierotomen  entstanden  sind,  und 
die  meistens  auch  als  Diplospondylie  bezeichnet  wird.  In  allen 
diesen  Fällen  sehen  wir,  daß  in  der  Regel  4  obere  Bogenstücke  (bis- 
weilen  auch  4  untere)   und  mindestens  zwei  Wirbelkörper  zu  einem 

25* 


388  H.  Schauinsland, 

von  zwei  Intersegmentalgefäßen  begrenzten  Muskelsegment  gehören, 
und  daß  in  einem  solchen  Bezirk  auch  nur  ein  Spinalnerv  vorkommt. 
Solche  Verhältnisse  finden  sich  ebenfalls  bei  Callorhyuchus  (siehe  in 
Fig.  196  die  beiden  rechts  von  ob^  folgenden  Segmente)  und  fast 
ausnahmslos  im  Schwänze  alter  Squaliden  und  Rajiden  (Fig.  215b,  219, 
220). 

Es  ist  bei  Callorhyuchus  auf  den  ersten  Blick  klar,  daß  ein  der- 
artiger Zustand  unmöglich  durch  eine  „Wirbelteilung"  oder  eine  nach- 
trägliche „Einschaltung"  von  Skelettstücken  hervorgerufen  ist,  sondern 
allein  durch  eine  im  Laufe  der  Ontogenese  sich  vollziehende  Re- 
duktion von  Myotonien  bezw.  durch  die  nachträgliche  Ver- 
schmelzung zweier  benachbarter  Myomeren,  die  mitbedingt  wird  durch 
das  Kleinerwerden  der  Skierotome  und  durch  das  allmähliche  Ver- 
schwinden einzelner  sonst  regelmäßig  in  ihnen  entstehenden  Skelettteile 
(in  Fig.  196  des  kaudalen  Bogenstückes  ob).  Daß  mit  der  Reduktion 
eines  Myomers  und  dem  Fortfall  eines  Myoseptums  auch  das  darin 
liegende  Intersegmentalgefäß  verschwindet,  ist  einleuchtend ;  ob  der 
fehlende  Spinalnerv  überhaupt  nicht  angelegt  wird  oder  erst  im  Laufe 
der  Entwicklung  verloren  geht,  ist  noch  unbestimmt. 

Uebrigens  kann  der  Ausfall  eines  Myomers  auch  im  Rumpf  von 
Callorhyuchus  beobachtet  werden,  ohne  daß  dabei  der  dazu  gehörige 
Spinalnerv  ebenfalls  zu  verschwinden  braucht  (Fig.  192).  Ebenso  wie 
hier  diese  Erscheinung  nur  auf  der  einen  Körperseite  auftreten  kann, 
während  sie  an  der  entsprechenden  Stelle  der  anderen  Seite  nicht  be- 
merkbar ist,  so  kann  auch  beim  Beginn  der  Diplo-  bezüglich  Poly- 
spondylie  im  Schwänze  dieselbe  auf  der  einen  Seite  bereits  vorhanden 
sein,  während  sie  an  der  anderen  noch  fehlt;  alles  Anzeichen,  daß  es 
sich  thatsächlich  um  eine  Reduktion  von  Myomeren  handelt. 

Es  ist  äußerst  wahrscheinlich,  daß  dieses  auch  der  Grund  für  die 
Diplospondylie  (die,  wie  wir  sahen,  im  Gegensatz  zur  primären 
Diplospondylie  aber  eigentlich  eine  Polyspondylie  ist)  der  übrigen 
Selachier  ist,  und  daß  es  sich  auch  bei  diesen  nicht  um  eine  sekun- 
däre Verdoppelung  durch  nachträgliche  Teilung  handelt  (v.  Kölliker), 
noch  um  eine  spätere  Eiuschiebung  —  Interkalation  —  derjenigen 
Wirbelstücke,  welche  der  Nerven  entbehren,  so  daß  diese  den  nerven- 
haltigen  gar  nicht  homolog,  sondern  nur  analog  wären  (v.  Jhering, 
Hasse). 

Die  ganz  ausgesprochene  Polyspondylie  bei  Callorhyuchus,  in 
der  auf  ein  Neuromer  bezw.  Myomer  eine  so  große  Zahl  von  Skelett- 
stücken kommt,  daß  zu  ihrer  Bildung  nicht  nur  zwei  ursprüngliche 
Skierotome,  sondern  vielleicht  fünf  oder  sechs  beigetragen  haben 
(Fig.  196  und  197),  ist  ebenfalls  allein  durch  den  in  früheren  oder 
späteren  Entwickelungsstadien  stattgefundenen  Ausfall  bezw.  durch  die 
Verschmelzung  mehrerer  Myomeren  zu  verstehen.  Ganz  ähnliche 
Verhältnisse  liegen  wahrscheinlich  bei  den  Selachierwirbeln  vor,  bei 
welchen  zu  einem  Wirbelkörper  eine  ganze  Reihe  oberer  Bogen- 
stücke  gehören,  wie  z.  B.  bei  den  Rumpfwirbeln  von  Mustelus  laevis 
(Fig.  222). 

Erklärlich  wird  dieser  Vorgang  dadurch,  daß  während  der  Onto- 
genese und  auch  noch  während  des  späteren  Wachstums  offenbar  eine 
Verkürzung  einzelner  axialer  Körperpartieen,  namentlich  des  Schwanzes 
eintritt.  Während  z.  B.  in  frühen  Stadien  von  Callorhyuchus  die  Ent- 
fernung  der  Schwauzspitze   vom  After   etwa  '-^^    der  ganzen  Körper- 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  389 

länge  ausmacht,  beträgt  sie  später  ungefähr  nur  die  Hälfte  derselben. 
Hierdurch  wird  eine  Verkleinerung  bezw.  ein  völliger  Ausfall  einzelner 
Skierotome  und  der  darin  entstehenden  Skelettstücke  veranlaßt,  womit 
dann  wieder  ein  Verlust  oder  eine  Verschmelzung  verschiedener 
Myotonie  Hand  in  Hand  geht.  (Einen  Ausfall  von  Metameren  inner- 
halb des  Selachierstammes  hat  P.  Mayer  1886  ebenfalls,  wenn 
auch  von  einer  anderen  Betrachtungsweise  ausgehend,  wahrscheinlich 
gemacht.)  — 

Aus  der  Entwickelung  der  Holocephalenwirbelsäule  in  späterer 
Zeit  wäre  noch  folgendes  zu  erwähnen: 

Die  oberen  Bögen,  welche  anfangs  ziemlich  weit  voneinander  ab- 
standen (siehe  die  Eiguren),  dehnen  sich  später  aus,  so  daß  sie  dicht 
zusammenschließen.  Bei  Callorhynchus  z.  B.  nehmen  dabei  die  kau- 
dalen  Bogen  stücke  an  ihrer  Basis,  auf  Horizontalschnitten  gesehen, 
die  Form  eines  Keiles  an,  dessen  Spitze  medial-,  dessen  breite  Seite 
lateralwärts  schaut. 

Zwischen  zwei  solchen  Stücken  fügt  sich  dann  der  kraniale  Bogen, 
dessen  kraniale  und  kaudale  Kanten  sich  dem  benachbarten  Keil  ent- 
sprechend ebenfalls  abgeschrägt  haben,  fest  ein. 

Durch  das  nahe  Zusammenrücken  der  Bogenteile  kommt  es  auch, 
daß  die  ventrale  Nervenwurzel,  welche  vorher  an  der  dorsalen  Seite 
des  kranialen  Stückes  zwischen  diesem  und  dem  vorhergehenden 
kaudalen  Bogen  heraustrat,  jetzt  oft  umwachsen  wird  und  dann  den 
kranialen  Knorpel  durchbohrt. 

Bei  Chimaera  wird  am  vorderen  Ende  der  Wirbelsäule  der  Ver- 
schluß des  Nervenrohres  noch  auf  besondere  Weise  vervollständigt. 
Die  kaudalen  Bogenstücke  besitzen  hier  —  bei  jüngeren  Tieren  — 
(Schauinsland)  die  Gestalt  regelmäßiger  länglicher  Sechsecke,  die 
mit  je  zwei  Seiten  aneinander  stoßen,  während  die  eine  Spitze  sich 
fest  zwischen  zwei  kraniale  Bogenstücke  einfügt,  die  andere  jedoch 
am  Bogen  dach  mit  der  Spitze  des  entsprechenden  Stückes  der 
anderen  Seite  zusammenstößt  (Fig.  199).  Auf  diese  Weise  entstehen 
an  der  Firste  des  oberen  Bogendaches  rhombenförmige  Lücken  zwischen 
den  kaudalen  Bogenstücken,  die  anfangs  von  derselben  faserigen 
Bindegewebsmasse  (der  häutigen  Wirbelsäule)  ausgefüllt  sind,  die  auch 
sonst  alle  die  Bogenstücke  miteinander  verbindet.  Später  jedoch  bilden 
sich  auch  hier  Knorpel.  Diese  von  J.  Müller  (1834)  bei  alten  Tieren 
Deckplatten  oder  Schlußstücke  genannten  Teile  finden  sich 
demnach  nur  in  der  Einzahl  in  jedem  Segment,  liegen  in  derselben 
Vertikalebene  wie  die  kranialen  Bogen  und  bewirken  es,  daß  an  diesen 
Stellen  das  Rückenmark  von  einem  vollständigen  knorpeligen  Rohr 
eingeschlossen  ist. 

Die  unteren  Bögen,  welche,  wie  wir  bei  Callorhynchus  sahen, 
anfangs  ganz  regelmäßig  zu  je  zwei  in  jedem  Segment  lagen,  verlieren 
bei  alten  Individuen  diese  gleichmäßige  Ausbildung.  Sie  können  mit- 
einander in  der  regellosesten  Weise  verschmelzen,  entweder  so,  daß 
die  beiden  desselben  Segmentes  zusammenwachsen,  oder  der  vordere 
mit  dem  hinteren  des  vorhergehenden  Segmentes  oder  der  hintere 
mit  dem  vorderen  des  nachfolgenden,  oder  zwei  desselben  Segmentes 
mit  einem  oder  zwei  der  benachbarten  Segmente.  So  kommt  es,  daß 
die  unteren  Bögen  zunächst  in  ihrer  Größe  sehr  verschieden  sind,  dann 
daß  die  der  einen  Seite  ganz  anders  ausgebildet  sein  können  als  die 
der  anderen,  und  endlich,  daß  sie  weder  mit  den  oberen  Bogenstücken 
noch  mit  den  ursprünglichen  Segmenten  übereinstimmen. 


390  H.  Schauinsland, 

Am  Schwänze  können  sie  ventral  miteinander  verwachsen,  so  daß 
der  Kau d alkanal  zur  Aufnahme  der  Gefäße  rein  knorpelig  werden 
kann.  Es  finden  sich  in  diesem  Falle  bei  Chimaera  (Hasse  1882)  dann 
zwischen  den  unteren  Bögen  ebenfalls  hyalinknorpelige  S  c  h  1  u  ß  s  t  ü  c  k  e 
vor.  (Uebrigens  erscheinen  die  oberen  Schlußstücke  in  dieser  Gegend 
nach  demselben  Autor  in  einer  solchen  Gestalt,  daß  sie  an  Dornfort- 
sätze erinnern.) 

Gegenbaur  (1862)  beschrieb  Kalkplättchen,  welche  als  Belag 
der  Bögen  nicht  nur  an  ihrer  äußeren  Oberfläche,  sondern  auch  an 
ihrer  Innenseite  vorkämen.  Dieses  bereits  stark  an  die  Squaliden  er- 
innernde Verhalten  wurde  von  späteren  Beobachtern  nicht  mehr  auf- 
gefunden, jedoch  konnte  neuerdings  durch  Schauinsland  die  Angabe 
Gegenbaur's  an  einer  etwa  20  cm  langen  jungen  Chimaera  bestätigt 
werden. 

Im  Centrum  der  Chorda  tritt  bei  alten  Tieren  (Hasse  1882) 
ein  seitlich  abgeplatteter  Strang  auf  (Funiculus),  der  aus  den  cen- 
tralen, zusammengepreßten  und  miteinander  verschmolzenen  Vakuolen- 
wänden  durch  den  Wachstumsdruck  der  peripheren  Chordamassen  ent- 
standen ist. 

Im  übrigen  bleibt  die  Chorda  dauernd  ein  gleichmäßig  dicker 
Stab ,  an  dem  man  auch  dort ,  wo  die  Bogen  aufsitzen ,  kaum  die 
ersten  Andeutungen  von  beginnenden  Einschnürungen  nachweisen 
kann.  Im  peitschenförmigen  Schwanzende  kann  die  Chorda  bei 
Chimaera  (Studnicka  1900)  völlig  verknorpeln. 

An  der  Chordascheide  erhält  sich  die  Elastica  externa 
überall,  auch  dort,  wo  sie,  wie  es  am  vordersten  Wirbelsäulenahschnitt 
geschieht,  völlig  von  den  miteinander  verwachsenen  oberen  und  unteren 
Bögen  von  außen  umgeben  wird.  An  den  Stellen  jedoch,  wo  die 
Bögen  der  Chordascheide  unmittelbar  aufsitzen,  und  von  wo  aus,  wie 
wir  sahen,  ein  Einwandern  der  Bogenzellen  durch  Lücken  der  Elastica 
externa  hindurch  in  die  bis  dahin  zellenlose  Faserscheide  in  früher 
Zeit  stattfand,  ist  die  elastische  Scheide  zum  größten  Teil  völlig  redu- 
ziert, so  daß  der  Bogenknorpel  in  direktem  Zusammenhang  mit  dem 
Gewebe  der  zellenhaltigen  Faserscheide  steht.  Die  Lücke  der  Elastica 
unterhalb  der  Bogenbahn  ist  aber  keineswegs  eine  einheitliche,  sondern 
setzt  sich  aus  mehreren  Teilen  zusammen,  die  wahrscheinlich  nur 
durch  die  Vergrößerung  der  seit  der  Zeit  der  Einwanderung  der 
Scheidenzellen  her  vorhandenen  entstanden  ist.  Zwischen  ihnen  sind 
Stücke  der  elastischen  Membran  stehen  geblieben,  und  deren  Substanz 
strahlt  nun  in  sehr  feinen  Zügen  in  den  benachbarten  Knorpel  aus, 
wodurch  an  manchen  Stellen  äußerst  komplizierte  elastische  Netz- 
bildungen hervorgerufen  werden  (Hasse  1882,  Klaatsch  1893). 
Auch  schon  hierdurch  wird  die  Verbindung  zwischen  Bogen  und 
Chordascheide  so  innig,  daß  man  sie  nicht  voneinander  zu  lösen  im 
Stande  ist. 

Das  Gewebe  der  zellhaitigen  Chordascheide  verändert  sich  im 
Alter.  Wir  sahen,  daß  beim  Callorhynchus-Embryo  die  Zellen  be- 
deutend im  Uebergewicht  sind  gegenüber  den  Fibrillen  der  Scheide. 
Später  ändert  sich  dieses  Verhältnis.  Man  findet  reichliche  und  starke 
Faserzüge  in  der  Scheide,  die  namentlich  in  ihrer  mittleren  Zone  einen 
etwas  schrägen  Verlauf  nehmen  (Chimaera).  Zwischen  ihnen  ordnen 
sich  die  eingewanderten  und  noch  immer  neu  hinzukommenden  Zellen, 
die  mittlerweile  nicht  mehr   gewöhnliche  Bindegewebszellen,   sondern 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  391 

Knorpelzellen  geworden  sind ,  reihen-  und  nesterweise  an ,  und  es 
entsteht  auf  diese  Weise  ein  Mischgewebe,  welches  Klaatsch  (1893) 
als  Wirbelfaserknorpel  bezeichnet,  und  das  als  gleichmäßig  dicker 
Cylinder  die  Chorda  umgiebt. 

Schon  beim  Callorhynchusembryo  war  angegeben,  daß  sich  durch 
die  Form  der  Zellen  eine  äußere  und  eine  innere  Zone  an  der 
zellhaltigen  Chordascheide  unterscheiden  lasse.  Bei  Chimaera 
kommt  noch  zwischen  diesen  beiden  eine  dritte,  die  Mittelzone, 
hinzu,  welche  die  innere,  mit  mehr  spindelförmigen  Zellen,  von  der 
äußeren,  mit  rundlichen,  in  Gruppen  zusammengelagerten  Knorpel- 
zellen, trennt.  Die  Art  ihres  Gewebes  schließt  sich  mehr  der  Innen- 
ais der  Außenzone  an ;  vor  allem  ist  sie  aber  dadurch  charakterisiert, 
daß  in  ihr  Kalkablagerungen  stattfinden,  durch  welche  eigen- 
tümliche ,  schmale  Ringe  von  verkalktem  knorpeligen  Bindegewebe 
(„Knochenringe")  gebildet  werden,  welche  nach  der  Außenzone  hin 
konkav  ausgehöhlt  sind.  Dadurch  erhalten  sie  eine  entfernte  Aehn- 
lichkeit  mit  dem  Doppelkegel  des  primären  Wirbelkörpers  der  Squa- 
liden,  sind  jedoch  einzeln  nicht  unmittelbar  mit  diesem  zu  ver- 
gleichen, da  sie  in  keiner  Weise  mit  den  Bogenstücken  übereinstimmen 
und  sich  in  größerer,  wechselnder  Anzahl  in  jedem  Körpersegment 
vorfinden. 

Es  dürfte  hier,  wo  wir  in  der  Reihe  der  Vertebraten  zum  ersten 
Mal  eine  Differenzierung  in  der  Chordascheide  erblicken,  die,  weiter 
ausgeführt,  schließlich  zur  Bildung  eines  Wirbelkörpers  führt,  der 
Platz  sein,  vorgreifend  dieselbe  mit  einigen  höheren  Formen  zu  ver- 
gleichen. 

Bei  den  Reptilien  z.  B.  werden  die  Wirbelkörper  zunächst 
gebildet  durch  die  Chorda  mit  ihrer  an  Bedeutung  sehr  zurücktreten- 
den zellenlosen  Scheide  und  einer  sie  vollständig  einschließenden 
Lage  von  Perichordalzellen,  w^elche  direkt  von  den  Skierotomen  her- 
stammen und  sich  von  Anfang  an  gleich  in  großer  Zahl  und  in  dicker 
fester  Schicht  um  die  Chorda  herumlegen,  ohne  in  die  Scheide 
derselben  einzuwandern. 

Diesen  Teil  des  Wirbels,  welchen  man  den  primären  Wirbel- 
körper (GoETTE,  Schauinsland  u.  A.)  nennt,  umgeben  die  eben- 
falls aus  den  Skierotomen  sich  herleitenden  Basen  der  Wirbel- 
bögen und  bilden  mit  ihnen  zusammen  den  sekundären  Wirbel- 
körper.  Bei  Callorh3'nchus  —  dasselbe  ist  auch  bei  den  Squaliden, 
Rajiden  und  Dipneusten  der  Fall  —  entspricht  nun  die  zellen- 
haltige  Chordascheide,  oder  präciser  gesprochen,  die  Innen- 
und  Mittelzone  derselben,  dem  primären  Wirbel.  Er  entsteht 
hier  nur  auf  dem  Umwege,  daß  die  mesoblastischen  Perichordalzellen 
nicht  gleich  in  geschlossener  Lage  die  Chorda  umgeben,  sondern 
allein  von  vier  Punkten  aus  allmählich  in  die  Scheide  derselben  ein- 
dringen. 

Ebenso  wie  nun  bei  den  höheren  Formen  die  Bildung  des  primären 
und  sekundären  Wirbelkörpers  keineswegs  immer  zwei  scharf  von- 
einander gesonderte  Entwickelungsvorgänge  sind,  sondern  neben- 
einander  herlaufen,  finden  wir  dasselbe,  und  zwar  in  noch  höherem 
Grade,  auch  bei  Callorhynchus  und  den  übrigen  Elasmobranchiern. 
Bei  diesen  entspricht  die  Außenzone  der  zelligen  Chordascheide 
denjenigen  Abschnitten  der  Bogen b äsen  bei  den  höheren  Verte- 
braten —  im   besonderen   bei   den  Reptilien  —  welche   der  konkaven 


392  H.  Schauinsland, 

Peripherie  des  „fadenrollenartigen"  primären  Wirbelkörpers  unmittel- 
bar anliegen  und  die  Höhlung  der  „Fadenrolle"  ausfüllen.  Meistens 
zeichnen  sich  diese  Teile  durch  die  runde,  fast  blasenartige  Gestalt 
ihrer  Zellen  aus.  Die  Außenzone  der  zellhaltigen  Chordafaser- 
scheide ist  also  bereits  vergleichbar  einem  Teil  des  „sekundären" 
Wirbelkörpers.  Für  die  Richtigkeit  dieses  Vergleiches  spricht  auch 
folgender  Umstand:  Sobald  es  in  der  Chordascheide  der  Holocephalen 
(Chimaera)  und  Selachier  später  zur  Ablagerung  von  Kalksalzen  kommt, 
geschieht  dieses  zuerst  in  der  Mittelzoue;  erst  dadurch  wird  die 
charakteristische  Gestalt  des  Doppelkegels  bei  dem  primären 
Wirbelkörper  hervorgerufen.  Genau  an  derselben  Stelle  findet  auch  beim 
Reptilien  Wirbel  (siehe  Fig.  304—306)  an  der  Oberfläche  des  primären 
Wirbels  eine  Verknöcherung  statt,  wodurch  ebenfalls  die  fadenrollen- 
artige  Form  des  primären  Wirbelkörpers  in  markanter  Weise  von 
seiner  Umgebung  abgehoben  wird.  Diese  verknöcherte  Schicht  ent- 
spricht der  Mittelzone  des  Holocephalen-  und  Squalidenwirbels, 
während  die  peripher  daran  liegenden  Teile  der  Bogenbaseu,  die  später 
durch  die  Markbildung  zum  großen  Teil  resorbiert  werden,  der  Außen- 
zone gleichzusetzen  sind. 

Aber  auch  bei  den  Holocephalen  und  den  Squaliden  beteiligen 
sich  die  Bögen,  abgesehen  von  der  Abgabe  von  Zellen  an  die  Chorda- 
scheide, noch  direkt  an  der  Wirbelkörperbildung,  indem  ihre  knor- 
peligen Basen  außen  von  der  Elastica  externa  oftmals  ganz  oder 
teilweise  um  die  Chordascheide  herumwachsen  (vorderes  Wirbelsäulen- 
ende bei  Callorhynchus  und  Chimaera,  gesamte  Wirbelsäule  vieler 
Selachier),  wobei  die  äußere  elastische  Scheide  erhalten  bleiben 
kann  (Holocephalen)  oder  auch  verschwindet  (viele  Squaliden).  In 
zahlreichen  Fällen  fehlt  jedoch  diese  Umwachsung  der  Bogenbasen 
in  Form  von  Knorpel  und  wird  durch  eine  mehr  oder  weniger 
starke  Bindegewebsschicht  ersetzt  (größter  Teil  der  Wirbelsäule  der 
Holocephalen  sowie  vieler  Squaliden  und  Rajiden). 

Der  gesamte  Wirbelkörper  der  Holocephalen  und  vieler  Squaliden 
und  Rajiden  besteht  demnach  1)  aus  dem  primären  Wirbelkörper 
=  der  Mittel-  und  Innenzone  und  2)  aus  dem  sekundären  Wirbel- 
körper =  der  Außenzone  plus  den  entweder  knorpelig  herumge- 
wachsenen Bogenbasen  oder  der  sie  ersetzenden  bindegewebigen  Mem- 
bran. (Man  behalte  dabei  aber  im  Auge,  daß  bei  den  Holocephalen 
es  noch  nicht  zur  Bildung  einzelner,  voneinander  gesonderter  Wirbel- 
körper kommt.) 

Die  Ursache  dieser  Verschiedenheit  in  der  Entwickelung  der 
Wirbelkörper,  im  besonderen  der  primären  Wirbelkörper  bei  den  Holo- 
cephalen, Squaliden,  Rajiden,  Dipneusten  einerseits  und  den  übrigen 
Vertebraten  andererseits,  ist  vielleicht  in  der  geringeren  oder  größeren 
Masse  und  dem  früheren  oder  späteren  Auftreten  der  Perichordalzellen 
zu  erblicken.  Bei  Callorhynchus  wenigstens  ist  die  Zahl  derselben 
anfangs  noch  so  unbedeutend,  daß  sie  einen  wirklichen  Halt  der 
Chorda  nicht  bieten  können  und  nicht  im  stände  sind,  für  sich  allein 
ein  Organ  zu  bilden,  das  dazu  bestimmt  ist,  dem  Köri)er  als  Haupt- 
stütze zu  dienen.  Die  Chorda  selbst  muß  daher  mit  Hilfe  der  von 
ihr  abgesonderten  Scheiden  noch  einen  großen  Teil  dieser  Funktion 
übernehmen.  Spätere  Zustände  werden  aber  auch  bereits  hier  an- 
gebahnt durch  das  Einwandern  der  von  den  Ursegmenten  ab- 
stammenden Zellen,   und  zwar  durch  Vermittelung  der  Bogenanlagen. 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.   39o 

Bei  den  höheren  Formen  aber  nehmen  die  Perichordalzellen  an 
Zahl  derart  zu,  daß  sie  von  den  ersten  Entwickelungsstadien  an  den 
Hauptanteil  beim  Aufbau  der  Wirbelsäule  übernehmen  können  und 
nicht  nur  die  Bogenanlagen  sondern  auch  gleichzeitig  den  primären 
Wirbel  bilden.  Eine  Zelleinwanderung  in  die  Chordascheide  findet 
dann  überhaupt  nicht  mehr  statt,  und  letztere  bleibt  von  unbedeuten- 
der Wichtigkeit;  sie  beharrt  auf  dem  Zustande,  auf  dem  sie  sich  bei 
Callorhynchus  vor  dem  Einwandern  der  Zellen  befand. 

Sqiialideii  und  ßajideii. 

Hauptsächlichste  Litteratur:  Rathke  1827;  J.  Müller  1834;  Leydig  1852; 
KöLLiKER  1860,  1864,  1872;  Gegenbaur  1862,  1867,  1872;  Dumeril  1865;  W. 
Müller  1871;  Cartier  1875;  Hubrecht  1876;  Hasse  1876,  1877,  1878,  1879, 
1882, 1885, 1893, 1893*;  Balfour  1878 ;  Goette  1878;  Jhering  1878;  Schneider  1879 ; 
Eetzius  1881 ;  P.  Mayer  1886 ;  Lwofe  1887  ;  C.  Rabl  1889,  1893 ;  Klaatsch 
1893,  1893*,  1895;  Claus  1894;  Gadow  und  Miss  Abbott  1895;  Ebner  1896,  1897; 
Ussow  1900. 

Nachdem  viele  wichtige  Punkte  in  der  Entwickelung  der  Wirbel- 
säule der  Elasmobranchier  bereits  bei  den  Holocephalen  näher  er- 
örtert worden  sind,  wird  es  möglich  sein,  die  beiden  anderen  Unter- 
ordnungen derselben  schneller  zu  besprechen. 

Die  Chorda  stellt  (z.  B.  bei  Pristiurus,  C.  Rabl  1889)  einen 
drehrunden  Strang  dar,  welcher  sich  in  nahezu  gleicher  Dicke  durch 
die  ganze  Länge  des  Körpers  erstreckt;  nur  der  im  Schädel  steckende 
Abschnitt  von  ihr  ist  beträchtlich  dünner.  Die  ursprünglich  sie  in 
ganz  jungen  Stadien  zusammensetzenden  Zellen  sind  relativ  groß  und 
haben  die  Gestalt  dünner,  quer  gestellter  Platten,  welche  beinahe 
geldroUenartig  hintereinander  liegen,  so  daß  immer  eine  Zelle  den 
ganzen  Durchmesser  der  Chorda  einnimmt.  Die  großen  kugeligen 
oder  ovalen  Kerne  dieser  Zellen  liegen  näher  der  Achse  als  der 
Peripherie  der  Chorda. 

Innerhalb  des  Protoplasmas  jener  noch  ganz  indifferenten,  em- 
bryonalen Chordazellen  entwickeln  sich  (nach  den  Beobachtungen 
Balfour's  1878  an  Scyllium,  Pristiurus  und  Torpedo)  je  eine  oder 
mehrere  Vakuolen,  während  ihre  Oberfläche  eine  meml)ranartige  Schicht 
absondert;  alle  diese  Schichten  verschmelzen  zu  einem  intercellulären 
Fachwerk,  den  Scheidewänden  des  späteren  Gallertkörpers.  Die 
schnell  wachsenden  Vakuolen  blähen  die  scheibenförmigen  Zellen  immer 
mehr  auf  und  verdrängen  deren  Protoplasma  bis  auf  geringe  Reste, 
in  denen  die  Kerne  ruhen.  Diese  kernhaltigen  Protoplasmamassen 
liegen  —  wenigstens  bei  den  Haien  —  anfangs  in  der  Achse  der 
Chorda,  begeben  sich  später  aber  meistenteils  an  ihre  Peripherie  und 
bilden  dort  eine  kontinuierliche,  kernhaltige  Protoplasmaschicht  („Chorda- 
epithel", C.  Gegenbaur  1867;  „protoplasmareiche  Rindenschicht", 
W.  MÜLLER  1871;  „protoplasmatische  Rindenschicht",  Goette  1878), 
worauf  Protoplasmareste  und  Kerne  im  Innern  der  Chorda  immer 
seltener  werden. 

Jene  Rindenschicht  (nach  den  Untersuchungen  A.  Goette's  1878 
an  Embryonen  von  Scyllium  catulus  von  28  mm  Länge)  stellt  weiter- 
hin den  Herd  einer  sehr  regen  Neubildung  von  Vakuolen  dar, 
welche  in  dem  Maße,  als  sie  sich  vergrößern,  ihre  Wände  zu  dünnen 
Membranen  zusammendrücken,  in  welche  einzelne  Kerne  eingeschlossen 
werden.    Die   auf  diese  Weise  entstandenen  Fächer  kommen  dadurch, 


394  H.  Schauinsland, 

daß  nach  außen  von  ihnen  sich  immer  neue  Vakuolen  entwickehi, 
weiter  centralwärts  zu  liegen,  so  daß  also  der  Gallertkörper  von  seiner 
Peripherie  aus  nach  außen  wächst,  wobei  die  ältesten  und  größten 
seiner  Fächer  stets  im  Innern,  gegen  die  Peripherie  hin  aber  die 
kleineren  und  jüngeren  sich  befinden. 

Es  ergiebt  sich  daraus,  daß  diese  sich  in  der  Chorda  vollziehen- 
den Vorgänge  fast  genau  dieselben  sind,  wie  sie  bereits  bei  den  Holo- 
cephalen  geschildert  wurden,  und  daß  sich  der  chordale  Gallertkörper 
der  Elasmobranchier  ebenso  entwickelt,  wie  es  zuerst  Goette  bei 
den  Amphibien  und  Teleostiern  nachwies.  Innerhalb  der  Chorda 
kommen  daher  eigentlich  keine  richtigen  Zellen  vor ;  weder  entsprechen 
die  mit  Gallerte  ausgefüllten  Vakuolen  solchen  (Goette),  noch  besteht 
die  Rindenschicht  aus  ihnen.  Letztere  ist  vielmehr  einem  Syn- 
cytium  zu  vergleichen.  Dabei  ist  es  aber  nicht  ausgeschlossen,  daß 
sich  in  diesem  später  wirkliche,  voneinander  abgegrenzte  Zellen  sekundär 
entwickeln  können.  Namentlich  ist  das  dort  der  Fall,  wo  dauernd  ein 
starkes  Wachstum  der  Chorda  stattfindet,  also  intervertebral, 
während  an  den  Stellen,  wo  durch  den  knorpeligen  oder  verkalkten 
Wirbel  der  Ausdehnung  der  Chorda  eine  Grenze  gesetzt  wird,  es  oft 
ganz  unterbleibt,  so  daß  hier  bei  älteren  Scylliumembryonen  z.  B.  die 
Rindenschicht  bereits  ganz  rückgebildet  und  zellenlos  erscheint  (Goette 
1878).  Auch  Klaatsch  (1893)  beobachtete,  daß  die  kleinzellige 
Rindenschicht  der  Chorda  im  Bereich  der  intervertebralen  Zonen 
mehrschichtig,  innerhalb  der  Wirbelkörperanlage  dagegen  ein- 
schichtig ist. 

Während  die  Chorda  später  im  Centrum  der  Wirbelkörper  durch 
die  Ausdehnung  ihrer  knorpeligen  oder  verkalkten  Doppelkegel  bei 
vielen  Selachiern  häufig  zum  großen  Teil  oder  sogar  völlig  unterdrückt 
werden  kann  (Fig.  212),  erhält  sie  sich  in  den  anderen  Abschnitten 
der  Wirbelsäule  dagegen  zeitlebens.  Jedoch  sind  diese  Reste  beim  er- 
wachsenen Tier  mehr  oder  weniger  atrophisch  und  können  durchaus 
nicht  mehr  die  physiologische  Bedeutung  beanspruchen,  wie  etwa  die 
Chorda  der  Cyclostomen  oder  Knorpelstöre,  bei  denen  der  Bestand 
der  axialen  Teile  der  Wirbelsäule  durch  sie  erst  ermöglicht  wird,  da 
sie  allein  die  Chordascheide  cylindrisch  erhält.  Bei  manchen  Selacliiern 
(Torpedo,  Raja,  Carcharias  z.  B.)  beginnt  diese  Atrophie  des  Gallert- 
körpers der  Chorda  schon  während  der  späteren  Embryonalentwickelung; 
er  schrumpft,  zieht  sich  von  seiner  ihn  umgebenden  Scheide  mehr  oder 
weniger  zurück  und  erinnert  dann  einigermaßen  an  die  eingetrocknete, 
sogenannte  Federseele  (Goette  1878). 

In  der  centralen  Achse  der  Chorda  findet  sich  übrigens  bei  vielen 
Selachiern  ein  ähnlich  ausgebildeter  Strang  (Funiculus)  von  zu- 
sammengepreßten Vakuolenwänden,  wie  es  oben  bereits  bei  den  Holo- 
cephalen  erwähnt  wurde. 

An  der  Ventralseite  der  Chorda  kommt  auch  bei  den  Haien  und 
Rochen  die  schon  bei  den  Holocephalen  erwähnte  H  y  p  o  c  h  o  r  d  a  vor, 
die  bei  diesen  Fischen  namentlich  von  Semper  (1875),  Balfour  (1878) 
und  C.  Rabl  (1889)  in  nähere  Betrachtung  gezogen  wurde.  Nach 
Klaatsch  (1898)  ist  die  Hypochorda  ein  gemeinsamer,  von  den  Vor- 
fahren her  ererbter  Besitz  der  höheren  Wirbeltiere.  Sie  ist  das 
Rudiment  der  bei  Amphioxus  noch  in  Funktion  stehenden  Epibranchial- 
rinne  und  teilt  mit  dieser  die  en  toder  male  Entstehung  von  der 
dorsalen  Darmwandung  aus  unterhalb  der  Chorda  zwischen  den 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  395 

paarigen  Aorten.  Sie  verschwindet  in  späteren  Entwickelungsstadien, 
ohne  irgend  eine  Spur  zu  hinterlassen.  Die  ursprüngliche  Annahme 
von  Klaatsch,  daß  aus  ihr  teilweise  das  ventrale  elastische  Band 
entstände,  hat  keine  Bestätigung  erfahren. 

Ueber  die  die  Chorda  umgebenden  Hüllen  oder  Scheiden 
sind  die  verschiedenartigsten  Ansichten  ausgesprochen  worden.  In 
ihrer  Terminologie  und  in  der  Frage  nach  ihrer  Homologie  mit  ähn- 
lichen Gebilden  bei  den  anderen  Ichthyopsiden  hat  lange  Zeit  hin- 
durch ein  ganz  unglaublicher  Wirrwarr  geherrscht,  so  daß  eine  ge- 
naue Darstellung  der  einander  widerstreitenden  Anschauungen  sowie 
ihrer  allmählichen  Klärung  eine  umfangreiche  Abhandlung  für  sich 
beanspruchen  würde.  Wir  können  von  derselben  um  so  eher  ab- 
sehen, als  durch  die  Untersuchungen  in  den  letzten  Jahren  doch  eine 
größere  Uebereinstimmung  über  die  wichtigsten  Punkte  erzielt  ist. 

Das,  was  sich  aus  den  Arbeiten  von  Leydig,  Kölliker,  Gegen- 
BAUR,  Balfour,  Goette,  Hasse,  C.  Rabl,  Gadow,  Ussow,  nament- 
lich aber  von  Klaatsch,  Claus  und  Ebner  ergeben  hat,  wäre  fol- 
gendes: Von  den  Zellen  der  Chorda  wird  in  sehr  frühen  Stadien 
an  ihrer  Peripherie  eine  cuticulare,  stark  lichtbrechende  Membran 
abgeschieden,  die  bald  doppelte  Konturen  erhält,  und  später  elastische 
Eigenschaften  (Retzius,  v.  Ebner  u.  A.)  aufweist.  Sie  kann  nur 
von  der  Chorda  selbst  abgeschieden  sein ,  weil  um  diese  frühe 
Zeit  sich  noch  keine  aus  den  Ursegmenten  stammenden  Perichordal- 
zellen  um  sie  herum  befinden.  Diese  Entdeckung  wurde  zum  ersten 
Mal  von  Claus  1894  bei  5  mm  großen  Acanthiasembryonen  ge- 
macht, ein  Befund,  den  dann  Klaatsch  für  Pristiurus  und  Torpedo, 
Gadow  und  Miss  Abbott  für  Scyllium  und  Acanthias,  v.  Ebner  für 
Pristiurus  melanostoma  bestätigte.  Jene  elastische  Scheide  ist 
gleichbedeutend  mit  der  Elastica  externa  v.  Leydig's,  v.  Köl- 
liker's  (1860)  und  späterer  Autoren,  der  Limitans  externa  Gegenbaur's 
der  Elastica  Klaatsch's  oder  der  primären  Chordascheide 
Klaatsch's  sowie  der  Cuticula  sceleti  Hasse's.  Nach  beginnender 
Vakuolisierung  der  Chorda  und  nach  Ausbildung  ihrer  protoplas- 
matischen Rindenschicht  —  oder  des  Chordaepithels  —  wird  von  dieser 
eine  zweite  Hülle,  die  Faserscheide  (v.  Ebner),  abgeschieden,  die 
Tunica  fibrosa  v.  Kölliker's,  die  im  Gegensatz  zu  der  primär  ge- 
bildeten elastischen  Scheide  von  Klaatsch  auch  sekundäre  Chor- 
dascheide  genannt  wird.  Wie  es  Hasse  zuerst  für  Ammocoetes 
nachwies,  wird  also  auch  bei  den  Elasmobranchiern  (man  vergleiche 
hierzu  auch  das  bei  den  Holocephalen  darüber  Mitgeteilte  und  die 
dort  beigefügten  Abbildungen)  zuerst  eine  elastische  und  dann 
eine  faserige  Chordascheide  abgesondert.  Beide  sind  Produkte  der 
Chorda  —  im  Gegensatz  zu  den  Angaben  Lwoff's,  der  sie  gänzlich 
aus  dem  perichordalen  Mesoderm  entstehen  läßt  — ;  daher  wird  auch 
die  HASSE'sche  Bezeichnung  Cuticula  sceleti  für  die  elastische  Scheide 
zu  vermeiden  sein,  weil  in  ihr  die  alte,  aber  nicht  berechtigte  An- 
schauung zum  Ausdruck  kommt,  daß  sie  dem  außerhalb  der  Chorda 
befindlichen  skeletoblastischen  Gewebe  ihre  Entstehung  verdankt;  ob 
sie  von  diesem  allerdings  nicht  später  irgend  einen  Zuwachs  erhält, 
mag  dabei  dahingestellt  bleiben. 

Das  Vorkommen  einer  elastischen  und  einer  faserigen  Scheide  ist 
übrigens  bei  der  Mehrzahl  der  Vertebraten  Regel,  und  die  oben 
geschilderte  Art  ihrer  Entstehung  scheint  auch  eine  überall  giltige 
zu  sein. 


396 


H.  Schauinsland, 


Fig.  201. 


Fig.  202a. 


sz. 


4^ 


Ja 


oh, 
sz. 


1 

uh 


ep 


—  es 


üb 4., 


Fig.  202b. 
ß 


Fig.  203. 


&~— 


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—  «^.^äJ^» 


Fig.  201 — 203.  Querschnitte  durch  die  Wirbelsäule  einiger  Embryonen  von  Mu- 
stelus  laevis,  um  das  Entstehen  der  zellhaltigen  Chordascheide  durch  Einwandern 
von  Zellen  aus  den  Bogenbasen  zu  zeigen.  Fig.  201  gehört  zu  einem  29  mm  langen 
Embryo,  Fig.  202a  und  202b  zu  einem  35  mm  langen  und  Fig.  203  zu  einem  38  mm 
langen.  Fig.  202b  ist  bei  bedeutend  stärkerer  Vergrößerung  dargestellt  als  die  übrigen 
Figuren.  Kopieen  nach  Hasse,  1893;  jedoch  sind  die  Bezeichnungen  geändert 
worden,  ob  Anlagen  der  oberen,  ttb  Anlagen  der  unteren  Bögen,  ep  epitheliomorphe 
Schicht  der  Chorda  (Chordaepithel),  v  Chordavakuolen.  n  Kern  der  Chordazellen. 
S2  Zellen,  welche  von  den  Anlagen  der  Bögen  durch  die  elastische  Scheide  oder 
Elastica  externa  (es)  hindurch  in  die  Faserscheide  (fs)  hineinwandern,  sz, 
bereits  in  der  Faserscheide  liegende  Zellen  (Seh  ei  den  z  eilen),  fs  Faserscheide  mit 
ihren  beiden  Unterabteilungen,  der  äußeren  zellhaltigen  Faserscheide,  und  /s^  der 
inneren  zellenlosen  Faserscheide  (Elastica  interna). 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Eippen  und  Brustbein.  397 

Während  die  Chordasciieiden,  soweit  sie  bis  jetzt  besprochen 
wurden,  noch  völlig  zellenlos  waren,  und  somit  ein  Stadium  repräsen- 
tierten, das  bei  den  Cyclostomen,  Ganoiden  etc.  dauernd  bleibt,  tritt 
nunmehr  hierin  derart  eine  Aeuderung  ein,  daß  von  den  Bogen- 
basen  aus,  und  zwar  noch  bevor  diese  knorpelige  Beschaffenheit 
angenommen  haben,  durch  Lücken  der  elastischen  Scheide  hindurch, 
Zellen   in    die  Faserscheide  einwandern  und  sich  in  dieser  verbreiten. 

Gerade  durch  diesen  Vorgang  wurde  das  Verständnis  der  Chorda- 
scheide der  Elasmobranchier  sowie  auch  der  Dipneusten  ungemein 
erschwert;  man  war  lange  Zeit  hindurch  nicht  im  stände,  die  zellhaltige 
sowie  auch  die  elastische  Chordascheide  (Elastica  externa)  richtig  zu 
deuten,  und  nur  durch  die  Entdeckung  der  Einwanderung  von  außer- 
halb gelegenen  Zellen  des  skeletoblastischen  Gewebes  in  die  bis  dahin 
zellfreie  Faserscheide  gelang  dies.  Daß  die  Scheidenzellen  nicht 
von  Anfang  an  zur  Chordascheide  gehörten,  sondern  von  außen  in 
sie  hineindrängen,  vermutete  bereits  Schneider  (1<S79)  und  Balfour  ; 
der  Vorgang  des  Einwanderns  selbst  wurde  dagegen  zuerst  von  Lwoff, 
Klaatsch,  Claus,  Gadow,  Ebner  etc.  durch  Beobachtung  fest- 
gestellt. 

Das  Eindringen  der  Zellen  in  der  Scheide  und  die  Verteilung  in  ihr 
erfolgt  offenbar  in  einer  Weise,  die  nicht  wesentlich  von  der  bei  den 
Holocephalen  beobachteten  abweicht;  es  sei  daher  auf  die  dort  ge- 
gebene Schilderung  sowie  auf  die  hier  noch  beigefügten  Abbildungen 
von  Mustelus  laevis  und  Carcharias  (Fig.  201 — 203)  verwiesen. 

Ein  strittiger  Punkt  ist  dabei  jedoch  noch  zu  erwähnen:  Klaatsch 
und  Gadow-Abbott  nehmen  an,  daß  die  einwandernden  Zellen  in 
die  Faserscheide  eindringen,  während  Hasse  und  v.  Ebner  der  An- 
sicht sind,  daß  sie  nur  zwischen  diese  und  die  elastische  Scheide 
gelangen.  Neuere  Untersuchungen  an  Triaenodon  obesus  (Schauins- 
land) machen  die  erstere  Annahme  wahrscheinlicher.  An  diesem 
Objekt  lagen  die  betreffenden  Verhältnisse  ganz  ähnlich  wie  bei 
Callorhynchus ;  auch  hier  nahmen  die  in  die  Faserscheide  eindringen- 
den Zellen  übrigens  eine  äußerst  lange  und  oftmals  lockig  gedrehte 
Gestalt  an. 

Als  Endergebnis  findet  man  schließlich  eine  dicke  zellhaltige 
Chordascheide  (äußere  zellige  Chordascheide  Goette's,  Tunica 
skeletogena  Gegenbaur's,  Intercuticularschicht  Hasse's),  die  außen 
von  der  Elastica  externa  begrenzt  wird  und  die  innen  oftmals  noch 
eine  besondere  zellenlose  Schicht  aufweist.  Letztere  wird  von  einer 
Anzahl  von  Autoren  (Leydig,  Kölliker,  Hasse,  Gadow  etc.)  als 
eine  besondere  Bildung  aufgefaßt  und  als  Elastica  interna,  Linii- 
tans  interna  oder  auch  Cuticula  chordae  bezeichnet.  (Mit  letzterem 
Namen  belegte  man  aber  auch  nur  wieder  die  jüngste  dieser  inneren 
elastischen  Haut  sich  anschließende  Schicht,  wie  denn  überhaupt  be- 
züglich der  Ausdrücke  Elastica  interna  und  Cuticula  chordae  in  der 
Litteratur  ein  beklagenswerter  Wirrwarr  herrscht.) 

Von  anderer  Seite  dagegen  (Klaatsch,  Ussow  u.  A.)  wird  der 
Elastica  interna  keine  besondere  Bedeutung  beigelegt,  sondern  sie  wird 
als  der  jüngste,  zuletzt  von  dem  Chordaepithel  abgeschiedene  Teil 
der  Faserscheide  aufgefaßt,  der  von  der  Einwanderung  der  Scheiden- 
zellen noch  frei  geblieben  ist.  Diese  Annahme  erfährt  jedenfalls 
durch  die  Beobachtungen  bei  Callorhynchus  eine  wesentliche  Unter- 
stützung. 


398  H.  Schauinsland, 

Jedenfalls  dürfte  man  mit  dem  Ausdruck  „Elastica"  aber  über- 
haupt nur  eine  Schicht  bezeichnen,  die  auch  wirklich  elastische 
Fasern  enthält.  Da  das  aber  bezüglich  der  sogenannten  „Elastica  in- 
terna" bei  den  Elasmobranchiern  mindestens  zweifelhaft  ist,  so  sollte 
man  diesen  Namen  hier  lieber  völlig  vermeiden. 

An  der  z  e  1 1  h  a  1 1  i  g  e  n  C  h  o  r  d  a  s  c  h  e  i  d  e  —  als  Ganzes  betrachtet 
—  hätte  man  demnach  als  äußere  Begrenzung  die  elastische 
Scheide  (Elastica,  Elastica  externa)  zu  unterscheiden  und  dann  die 
(leimgebende  —  Ebner)  Faser  scheide,  die  wiederum  abgeteilt 
werden  kann  in  die  mächtige  äußere  zell  halt  ige  Faserscheide 
und  die  innere  zellenlose  Faser  sc  beide,  soweit  letztere  im 
Laufe  der  späteren  Entwickelung  überhaupt  auftritt. 

Die  Frage,  auf  welche  Weise  sich  die  in  der  Grundsubstanz  der 
Chordascheide  zahlreich  vorfindenden  Fibrillen  entwickeln ,  hat  bis 
jetzt  noch  keine  befriedigende  Antwort  erhalten.  — 

Wir  verlassen  nunmehr  die  Chorda  und  ihre  Derivate,  —  auf  die 
Besprechung  der  besonderen,  bei  Torpedo  vorkommenden  Verhältnisse 
werden  wir  weiter  unten  nochmals  zurückkommen  —  und  wenden  uns 
der  Betrachtung  der  aus  den  Ur Segmenten  herstammenden  Bestand- 
teile der  Wirbelsäule  zu. 

Die  hier  sich  abspielenden  Vorgänge  sind  fast  die  gleichen,  wie 
wir  sie  bereits  bei  Callorhynchus  kennen  lernten. 

Die  Differenzierungen  des  Mesoderms  sowie  die  Entwickelung  des 
Bindegewebes  sind  bei  den  Selachiern  vornehmlich  durch  die  Arbeiten 
von  Balfour  (1878),  H.  E.  Ziegler  (1888),  Rückert  (1888),  van 
WiJHE  (1889)  und  C.  Rabl  (1889,  1892,  1896)  bekannt  geworden, 
namentlich  haben  Balfour  und  C.  Rabl  nicht  nur  die  erste  Ent- 
stehung, sondern  auch  die  weitere  Ausbildung  des  für  das  Achsen- 
skelett verwendeten  Mesenchyms  beschrieben. 

Nach  letzterem  verläuft  dieselbe  bei  Pristiurus  auf  folgende 
Weise:  Die  Ur  wir  bei  (Ursegniente),  welche  ventral  in  die  unge- 
gliederten Seitenplatten  übergehen,  bestehen  aus  zwei  durch  die  Ur- 
wirbelhöhle  voneinander  getrennte  Lamellen,  einer  lateralen,  der  Cutis- 
platte, und  einem  medialen,  der  Muskelplatte.  Verfolgt  man  die 
letztere  —  bei  einem  Embryo  mit  26 — -21  Urwirbeln  —  weiter  nach 
unten,  so  kommt  man  zu  einer  ziemlich  eng  begrenzten,  lateral  von 
der  Hypochorda  und  dem  unteren  Teile  der  Chorda  gelegenen  Stelle, 
an  der,  wie  man  aus  der  Häufigkeit  der  Teilungsfiguren  annehmen 
darf,  ein  lebhaftes  Wachstum  stattfindet.  Hier  tritt  später  —  bei 
Embryonen  mit  etwa  34  Urwirbeln  —  eine  kleine,  medialwärts  gerichtete 
Ausbuchtung,  ein  Divertikel  der  medialen  Urwirbelwand  auf,  in 
das  sich  die  Urwirbelhöhle  hinein  fortsetzt  (Fig.  204  a). 

Der  Boden  und  die  Wände  dieses  Divertikels  sind  der  Sitz  einer 
sehr  lebhaften  Zellvermehrung;  die  neugebildeten  Zellen  schieben  sich 
zunächst  zwischen  Chorda  und  Muskelplatte  vor  {sk  in  Fig.  204  a)  und 
drängen  dadurch  diese  von  der  Seitenfläche  der  Chorda,  der  sie  bis 
dahin  angelegen  hatte,  ab.  Diese  Zellen  bilden  die  erste  Anlage  der 
axialen  Bindesubstanz  oder  des  Skierotoms. 

Mit  Recht  wohl  behauptet  Rabl,  daß  von  einer  Beteiligung  der 
Gefäßwände  an  seiner  Bildung  und  Vergrößerung  wie  es  z.  B.  von 
Hasse  u.  A.  angenommen  wird,  keine  Rede  ist. 

Von  großer  Bedeutung  ist  in  der  eben  gegebenen  Schilderung 
offenbar   die   RABL'sche  Entdeckung   des    Skier otomdiv er tikels. 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  399 

das  er  selbst  der  Sklerotomhöhle  des  Amphioxus  homolog  setzt,  während 
H.  E.  Ziegler  es  auch  für  möglich  erachtet,  daß  die  kleine  Aus- 
stülpung nur  eine  Begleiterscheinung  der  an  dieser  Stelle  besonders 
starken  Herauswucherung  des  Mesenchyms  ist.  0.  Schultze  (1896) 
hält  dagegen  den  Vergleich  der  Skierotom divertikel  der 
Selachierembryonen  mit  dem  Ur  segm  entspalt  der  Rep- 
tilien, Vögel  und  Säugetiere  —  auf  den  noch  später  zurück- 
gekommen werden  wird  —  für  gerechtfertigt  durch  den  primären 
Zusammenhang  jener  Bildungen  mit  dem  Cölom,  bezw.  der  Ursegment- 
höhle  und  auch  durch  den  Umstand,  daß  allgemein  die  Wand  des 
Hohlraumes  der  Bildungsherd  von  Mesenchymzellen  ist. 

Diese  Annahme  hat  offenbar  sehr  viel  für  sich,  und  desto  not- 
wendiger erscheint  es,  daß  jene  wichtige  Frage  durch  erneute  Unter- 
suchungen eine  abschließende  Beantwortung  erfahre. 


i  mw 


#^- 


«•  •• 


Fig.  204  a.  Querschnitt  durch  das  Vorderende  des  Rumpfes  eines  Pristiurus- 
Embryos  mit  34 — 35  Urwirbeln ;  er  zeigt  die  Entstehung  des  Sklerotoms  und  das 
Vorhandensein  eines  Sklerotomdivertikels.  Kopie  nach  C.  Rabl  1889.  mp  Muskel- 
platte, sk  Skierotom.  du  Sklerotomdivertikel.  uk  dorsale  Urwirbelkante.  ug  untere 
Urwirbelgrenze. 

Fig.  204  b.  Sagittaler  Längsschnitt  durch  einen  ungefähr  28  mm  langen  Pristi- 
urus-Erabryo  etwa  in  der  Gegend  des  11. — 13.  Ganglions.  Vergr.  135raal.  Kopie  nach 
C.  Rabl  1893.  An  dem  Schnitt  sieht  man  die  Anlage  von  je  2  oberen  Bögen  in 
jedem  Segment  und  ihre  Lage  zu  den  Nervenwurzeln,  ob  (kaudaler)  oberer  Bogen. 
ob^  (ic)  (kranialer)  oberer  Bogen  =  Intercalare.  vw  ventrale  Nervenwurzel,  du'  Gan- 
glion der  dorsalen  Nervenwurzel. 


Die  S  k  1  e  r  0 1 0  m  e ,  deren  anfangs  segmentale,  mit  den  Myotomen 
übereinstimmende  Anordnung  Balfour  ausdrücklich  betont,  vergrößern 
sich  rasch,  verlieren  dabei  ihr  Divertikel  und  werden  zu  einer  ziemlich 
mächtigen  Platte,  die  sich  zwischen  Chorda  und  Muskelplatte  ein- 
schiebt und,  nach  oben  dünn  auslaufend,  an  der  Seite  des  Medullar- 
rohres  in  die  Höhe  dringt ;  auch  streckt  sich  ein  kleiner  Fortsatz  von 


400  H.  Schauinsland, 

ihr  zwischen  Chorda  und  Aorta  vor.  Die  einzelnen  Skierotome  ver- 
schmelzen dabei  miteinander  und  wachsen  endlich  so  weit  dorsalwärts 
empor,  daß  sie  sich  über  dem  Nervenrohr  mit  den  Skierotomen  der 
Gegenseite  verbinden  und  damit  die  das  Rückenmark  umschließende 
Membrana  reuniens  dorsalis  herstellen.  Auch  ventralwärts  von  der 
Chorda  vereinigen  sich  die  schon  frühzeitig  dorthin  vorgedrungenen 
Fortsätze,  so  daß  nun  nicht  allein  das  Medullarrohr,  sondern  auch  die 
Chorda  und  teilweise  auch  die  Aorta  vom  Bindegewebe  umgeben  ist, 
dessen  Herkunft  sich  von  den  Skierotomen  ableitet.  Peripher  ist  das- 
selbe ziemlich  locker  gefügt  und  geht  dort  auch  unmerklich  in  Mesenchym- 
gewebe  über,  das  nicht  vom  Skierotom,  sondern  aus  anderen  Quellen 
abstammt.  Medialwärts  zeigt  es  eine  dichtere  Zusammensetzung,  und 
man  kann  nach  Kölliker's  Vorgang  die  innersten  Perichordal- 
z eilen  als  skeletogene  (=  skeletoblastische,  Klaatsch  1893) 
Schicht  unterscheiden. 

An  dieser  häutigen  oder  membranösen  Wirbelsäule,  wie 
die  älteren  Autoren  sie  nennen,  machen  sich  in  dem  die  Chorda  un- 
mittelbar umgebenden  Gewebe  bald  vier  Stellen  —  im  Querschnittsbild 
—  durch  ihre  größere  Dichtigkeit  bemerkbar;  zwei  von  ihnen  sind  dorsal^ 
die  anderen  beiden  ventral  gelegen  ;  die  ersteren  besitzen  —  bei  Pristiurus 
nach  C.  Rabl  —  einen  ungefähr  dreieckigen,  die  letzteren  einen  sichel- 
förmigen Querschnitt.  Jene  Gewebsmassen  bilden  vier  der  Chorda  in 
ihrer  ganzen  Länge  dicht  anliegende  kontinuierliche  Stränge  oder 
Leisten  (Balfour,  C.  Rabl),  die  durch  ein  zartes  Bindegewebslager 
miteinander  verbunden  sind  (I3alfour)  und  das  Gewebe  darstellen, 
in  dem  sich  die  oberen  und  unteren  Bögen  entwickeln. 

In  den  dorsalen  Leisten  sieht  man  nämlich  bald  die  ersten  An- 
lagen der  Neuralbögen  entstehen  (Balfour,  Goette,  C.  Rabl  u.  A.), 
die  sich  zunächst  durch  ein  verdichtetes  Gewebe  kundgeben,  das  bald 
Knorpelcharakter  .annimmt.  In  iedem  Segment  finden  sich  beiderseits 
je  zwei  derartige  Anlagen  (Fig.  204b  und  214),  nämlich  die  rich- 
tigen dorsalen  Bögen  und,  in  dem  Winkel  zwischen  ventraler 
und  dorsaler  Spinalnervenwurzel  gelegen  (bei  Pristiurus,  C.  Rabl),  die 
kleineren  Interkalarstücke. 

Nur  die  ersteren  sitzen  mit  ihren  verbreiterten,  basalen  Enden 
unmittelbar  der  elastischen  Scheide  der  Chorda  auf,  während  die  Inter- 
kalarstücke nicht  mit  ihr  in  Verbindung  stehen,  sondern  durch  Binde- 
gewebe, welches  sie  rings  umher  umgiebt,  von  ihr  getrennt  sind  (bei 
Pristiurus,  C.  Rabl). 

Die  ventralen  Bögen,  und  zwar  sowohl  die  kurzen,  soge- 
nannten Bogenstümpfe  oder  Basalstümpfe  des  Rumpfes  als 
auch  die  mehr  oder  weniger  geschlossenen  unteren  Bögen  der  Kaudal- 
region, in  welche  die  ersteren  allmählich  übergehen,  entstehen  in  der- 
selben Weise  aus  den  ventralen  Längsleisten  wie  die  oberen  Bögen 
aus  den  dorsalen,  und  zwar  auch  häufig,  wenn  auch  nicht  immer,  eben- 
falls in  jedem  Segment  in  doppelter  Zahl. 

Es  muß  übrigens  noch  hervorgehoben  werden,  daß  die  Anlagen 
der  einzelnen  Bögen  sowie  auch  der  Interkalarstücke  offenbar  von 
vornherein  voneinander  getrennt  sind,  obgleich  sie  in  dem  schein- 
bar einheitlichen  Gewebe  der  oben  beschriebenen  Längsleisten  ihren 
Ursprung  nehmen.  Goette  (1878)  betont  ausdrücklich,  daß  Wirbel- 
bögen und  Interkalarstücke  sämtlich  getrennt  voneinander  ent- 
stehen,   und   auch    Gadow    und    Abbott    sagen,    daß    die    Annahme 


Die  Ent Wickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  401 


durchaus   falsch   wäre,    daß   auf  das  sogenannte  membranöse  Stadium 
der  Wirbelsäule  ein  nicht  segmentiertes,  kontinuierliches  Knorpel- 


stadium  folge. 


An  den  vier  Stellen  nun,  an  denen  die  oberen  und  unteren  Bögen 
bezw.  ihre  Anlagen  der  Chorda  unmittelbar  aufsitzen,  findet,  wie  ja 
bereits   oben   geschildert,   von  den  Bogenbasen  her  die  Einwanderung 


-_  m 


ob. 


i- ob 


'M:^K 


KK 


Fig.  205.    Querschnitt  etwa  ^ 

durch  die  Mitte  eines  Schwanz-  \ 

wirbeis  eines  6  cm  langen  Em-  '  \ 

bryos  von  Carcharias  spec. 
Vergr.  ölmal,  jedoch  sind  die 
einzelnen  Zellen  bei  sehr  viel 
stärkerer  Vergrößerung  einge- 
tragen, ob  (kaudaler)  oberer 
Bogen,  oh^  (kranialer)  oberer 
Bogen  (Interkalarstück).  üb 
unterer  Bogen.  Nur  die  Basen 
der  oberen  und  unteren  Bögen 
sind  schon  knorpelig,  die  übri- 
gen Teile  erst  bindegewebig.  Die 
unteren  Bögen  umfassen  den 
Kaudalkanal,  der  in  einen 
dorsalen  Abschnitt  (cca)  zur 
Aufnahme  der  Aorta  und  einen 
ventralen  {ccv)  für  die  Vene  zer- 
fällt. An  der  zelligen  Chor- 
dascheide kann  man  bereits 
durch  die  mehr  rundlichen 
Zellen  eine  Außenzone  (a^),  und 
durch  die  länglichen  Zellen 
eine  innere  Partie  unterscheiden 
[ma;(  +  i2)],  in  der  die  Mittel- und 
die  spätere  Innenzone  noch 
miteinander  vereint  sind.  Ganz 
innen  macht  sich  an  der  Chor- 
dascheide eine  zellfreie  Region 
bemerkbar  (/«,),  die  zellenlose 
Faserscheide  (Elastica  interna). 
es  elastische  Scheide;  sie  ist 
durch  die  Bogenbasen  tief  ein- 
gebuchtet und  an  diesen  Stellen 
auch  vielfach  durchbrochen ; 
durch  diese  Lücken  wandern 
noch  fortwährend  Zellen  von 
den  Bogenbasen  aus  in  die 
Chordascheide  hinein,  b  Bindegewebe,  das  noch  der  skeletoblastischen  Schicht  an- 
gehört (Perichordalzellen).  isg  Intersegmentalgefäß.  m  Mediülarrohr,  pm  dessen 
Pia  mater. 


.kc; 


-'  .' 


Q  0 


^\^ 


m 


der  Scheidenzellen  (Klaatsch)  durch  die  Elastica  hindurch  in 
die  bis  dahin  zellenfreie  Chordascheide  hinein  statt,  und  zwar  schon 
in  einer  sehr  frühen  Zeit,  bevor  noch  in  den  „Anlagen'^  Knorpel  vor- 
handen ist  (Hasse,  Schauinsland). 

Damit  beginnt  jetzt  auch   die  Ausbildung  der  Wirbelkörper, 
die   ihre  Entstehung   einem   von   den 


zeitig  gelieferten  Material  verdanken. 


Bögen  und 


der  Chorda  gleich- 


'ö    to 


Eindringen 


der 


Bogenbasenzellen 


wird   die   Chorda- 


Dur  ch   das 
scheide  bald   stark   verdickt  und    umgiebt  als  ein  gleichmäßiger, 
außen    von    der    Elastica    begrenzter    Cylinder,    in    welchem,    verteilt 
zwischen   reichlichen    Fasern,   die   in   kaudal-kranialer  Richtung   stark 

Handbuch  der  Entwickelungslehre.  III.  2. 


26 


402  H.  Schauinsland, 

spindelförmig  ausgezogenen  Zellen  konzentrisch  angeordnet  sind,  die 
Chorda.  (Zellige  Chordascheide,  skeletogene  Scheide,  Tunica 
sceletogena,  Intercuticiilarschicht  der  Autoren). 

Während  nun  dieser  Zustand  sich  bei  den  Holocephalen  dauernd 
erhält  und  es  bei  ihnen  nicht  zu  einer  Ausbildung  voneinander  ab- 
gesetzter auch  schon  äußerlich  deutlich  erkennbarer  W  ir  beikör  per 
kommt  —  wenngleich,  wie  wir  sahen,  auch  hier  bereits  Differenzierun- 
gen der  zelligen  Chordascheide  eintreten,  die  als  der  Anfang  einer 
solchen  Weiterentwickelung  aufzufassen  sind,  —  ist  er  bei  den  übrigen 
Selachiern  nur  vorübergehend.  Nach  den  Untersuchungen  von  Cartier 
1875,  Balfour  1878,  Goette  1878,  C.  Rabl  1893,  Klaatsch  1893  u.  A. 
treten   in   der  Chordascheide,   und   zwar   dort,   wo   außen   an   ihr   die 

spn 

:  iv 


az 
gp .  .,,-,   • 


Fig.  206.  Horizontaler  Längsschnitt  durch  3  hintere  Rumpfwirbel  eines  6  cm 
langen  Embryo  von  Carcharias  spec.  Vergr.  80mal.  Zellen  bei  stärkerer  Vergröße- 
rung, es  elastische  Scheide,  fs^  zelleulose  Faserscheide  (Elastica  interna),  az  Außen- 
zone. mz{-\-iz)  die  (noch  mit  der  Innenzone  vereinigte)  Mittelzone  der  zellhaltigen 
Chordascheide  oder  des  Wirbelkörpers.  Die  Zellen  der  Zonen  erscheinen  auf  dem 
Horizontalschnitt  anders  geformt  als  auf  dem  Querschnitt,  iv  die  zwischen  den  ein- 
zelnen Wirbelkörpern  gelegenen  in  t  ervertebralen  Partieen.  Die  einzelnen  Wirbel- 
körper buchten  sich  stark  nach  außen  hin  aus,  so  daß  die  elastische  Scheide  einen 
geschlängelten  Verlauf  nimmt;  aber  auch  nach  innen  springen  sie  etwas  vor,  so  daß 
die  Chorda  an  diesen  Stellen  eingeschnürt  ist.  isg  intersegmentale  Gefäße,  spn  Spi- 
nalnerven, e^j  Chordaepithel,  b  zur  skeletoblastischen  Schicht  gehöriges  Bindege- 
webe (Perichordalzellen). 

Bögen  sitzen,  ganz  unregelmäßige,  ringförmige  hellere  Partieen  auf,  die 
aus  hyalinem  Knorpel  bestehen.  Sie  liegen  an  der  Peripherie  der 
Scheide  und  haben  auf  einem  Längsschnitt  eine  plan-konvexe  Gestalt 
(bei  Scyllium,  C.  Rabl),  wobei  die  plane  Fläche  nach  außen  gegen  die 
Elastica,  die  konvexe  nach  innen  gerichtet  ist  (Fig.  207).  Diese  Knorpel- 
ringe stellen  die  erste  W  i  r  b  e  1  k  ö  r  p  e  r  a  n  1  a g  e  dar,  während  die 
zwischen  ihnen  liegenden  Zonen  die  Inter vertebralbezirke  sind 
(Fig.  206  iv).  Diese  Regionen  finden  sich  sogar  auch  an  der  Chorda  aus- 
geprägt; ihre  Zellen  sind  nämlich  (bei  Acanthias  vulgaris,  Cartier  1875) 
in  diesem  frühen  Stadium  innerhalb  der  Wirbelkörperanlage  von  vorn 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  403 

nach  hinten  zusammengedrückt,  an  den  Intervertebralstellen  dagegen 
von  gleichmäßigen  Dimensionen.  Daß  außerdem  das  Chordaepithel 
an  den  Zwischen wirbelzonen  in  mehreren  Schichten,  im  Bereich  der 
Wirbelkörper  selbst  aber  nur  in  einer  Schicht  sich  vorfindet,  wurde 
früher  bereits  erwähnt. 

Bei  der  weiteren  Knorpelzunahme  der  jungen  Wirbelkörperanlage 
buchtet  sich  bisweilen  die  Chordascheide  nach  außen  nicht  unbedeutend 
aus  (Fig.  206 ;  bei  Mustelus  laevis,  Klaatsch,  und  Carcharias,  Schau- 
insland), so  daß  die  Elastica  im  Längsschnitt  einen  geschlängelten 
Verlauf  zeigt,  während  die  Vorwölbung  der  Scheide  nach  innen,  in 
die  Chorda  hinein  vorläufig  noch  unbedeutend  ist. 


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Fig.  207. 
az        mz 


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Fig.  208. 


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Fig.  207  u.  208.  Zwei  mediane  Sagittalschnitte  durch  einen  53  mm  langen 
(Fig.  207)  und  einen  61  mm  langen  (Fig.  208)  Embryo  von  Scyllium  canieula.  Vergr. 
240-  und  225mal.  Kopie  nach  C.  Rabl  1893.  az  Außenzone,  mz  Mittelzone,  iz 
Innenzone,  auf  Fig.  207  noch  nicht  vorhanden,  es  Elastica  externa,  /s,  zellenloser 
Teil  der  Faserscheide  (Elastica  interna),    ep  Chordaepithel. 

Seit  GoETTE  (1878)  unterscheidet  man  an  einem  fertigen  Selachier- 
Wirbelkörper  eine  Außen-,  eine  Mittel-  und  eine  Innenzone. 
Eine  Vergleichung  mit  späteren  Stadien  zeigt,  daß  die  bis  jetzt  er- 
wähnte früheste  Wirbelkörperanlage  der  Außenzone  entspricht, 
während   nach   innen   von   dieser   das  Gewebe   für  die  beiden  übrigen 

26* 


404  H.  Schauinsland, 

sich  befindet,  welche  aber  noch  nicht  voneinander  differenziert  sind. 
Das  erfolgt  nun  jedoch  bald,  denn  an  der  medialen  Seite  der  Außenzone 
stellt  sich  eine  nur  dünne,  aber  stärker  tingierbare  Schicht  ein,  die 
erste  Anlage  der  Mittelzone  (Fig.  207),  welche  anfangs  aus  den- 
selben quergestellten  Fasern  besteht  wie  der  übrige,  die  zellige  Chorda- 
scheide bildende  Faserknorpel. 

Beim  weiteren  Wachstum  wird  die  A  u  ß  e  n  z  o  n  e  (bei  Scyllium 
canicula,  C.  Rabl)  konkav-konvex  (Fig.  208),  während  die  Mittel zone 
die  Länge  des  ganzen  Wirbelkörpers  erreicht,  in  ihrer  gesamten  Aus- 
dehnung der  Innenseite  der  Außenzone  anliegt  und  durchgehend  die 
gleiche  Dicke  zeigt.  Sie  besitzt  dann  die  typische  Sanduhr-  oder 
D  oppelke  gel  form ,  die  sie  auch  in  späteren  Stadien  kennzeichnet. 
Ihr  fügt  sich  medialwärts  die  zuletzt  auftretende  Innen  zone  an, 
welche  die  geringste  Ausdehnung  besitzt.  Auch  sie  ist  knorpelig, 
doch  zeichnen  sich  ihre  Zellen  durch  die  stärkere  Spindelform,  die 
sie  auch  lange  beibehalten,  vor  denen  der  Außenzone  aus.  (Uebrigens 
sind  die  drei  vertebralen  Zonen  nicht  völlig  scharf  voneinander  ge- 
trennt, wie  sie  auch  allmählich  in  das  Gewebe  der  Zwischenwirbelregionen 
übergehen,  Goette  1878). 

In  diesem  Stadium  wird  die  Chorda  in  der  Mitte  des  neu  ent- 
standenen Wirbelkörpers,  vornehmlich  durch  die  dort  stark  nach  innen 
vorspringende  Mittel-  und  Innenzone,  nicht  unerheblich  eingeschnürt 
(Fig.  208),  so  daß  sie  dort  einen  bedeutend  geringeren  Durchmesser 
aufweist  als  an  den  intervertebralen  Partieen. 

Letztere,  die  Interverteb  ralringe,  verlieren  durch  das  fort- 
schreitende Längswachstum  der  Wirbelkörperanlagen,  denen  sie  vorher 
an  Länge  gleichkamen,  nach  dieser  Richtung  hin  bedeutend  an  Wichtig- 
keit und  werden  kürzer  und  kürzer.  In  histologischer  Hinsicht  ver- 
ändert sich  ihr  Gewebe  anfangs  nicht  sehr  bedeutend  gegenüber  dem 
ursprünglichen  Zustand  der  zelligen  Chordascheide;  es  besteht  aus 
gleichmäßig  weichem  Bindegewebe,  mit  quergestellten  Fasern  und 
dichtgedrängten,  spindelförmigen,  konzentrisch  angeordneten  Zellen  ohne 
Spuren  von  Knorpel. 

Was  die  weiteren  Veränderungen  der  Wirbel körperanlage 
anbelangt,  so  wird  die  Mittelzone  später  zum  wichtigsten  Bestand- 
teil des  Wirbels;  sie  nimmt  Kalk  salze  auf  und  erreicht  dadurch  (mit 
Ausnahme  der  Notidanen,  Laemargus  etc.)  einen  oft  sehr  beträchtlichen 
Grad  von  Festigkeit.  Dennoch  wird  man  ihr  Gewebe  nach  dem  Vor- 
gang von  KÖLLiKER  und  Gegenbaur  nicht  als  echten  Knochen, 
sondern  nur  als  verkalkten  Knorpel  betrachten  müssen.  Die 
Form,  welche  stets  mehr  oder  weniger  einem  D  opp  elke  gel  gleicht, 
(amphicöler  Wirbel),  variiert  doch  nicht  unbeträchtlich;  bald 
ist  sie  länger  ausgezogen  (Acanthias,  Scyllium,  Mustelus),  bald  von 
beiden  Enden  her  zusammengedrückt  (Carcharias,  Squatina,  Rajidae), 
so  daß  der  Doppelkegel  dann  mehr  einer  Rolle  mit  tief  eingeschnittener 
äußeren  Rinne  gleicht  (Goette  1878). 

Die  Innenzone  wird  in  ihren  Randabschnitten  später  mehr  oder 
weniger  rückgebildet  und  stellt  dann  einen,  dem  festen  Doppelkegel 
der  Mittelzone  innen  anliegenden  Knorpelring  dar,  der  bald  nur  eine 
beschränkte  Ausdehnung  hat  (Scyllium,  Acanthias,  Mustelus),  bald 
relativ  breiter  wird  (Carcharias,  Squatina,  Rajidae).  Von  dem  Zeit- 
punkte an,  wenn  die  Mittelzone  verkalkt  und  nicht  weiter  nach  innen 
wächst,   ist   es   dieser  Knorpelring,   welcher   eine  fortschreitende  Ein- 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  405 

schnürung  der  Chorda  veranlaßt  (Goette)  — ,  die  so  weit  gehen  kann, 
daß  letztere  dabei  zu  einem  kompakten  Strang  zusammengedrückt 
(Kölliker)  oder  sogar,  wie  bei  den  Rajiden,  in  getrennte  interverte- 
brale  Stücke  geteilt  werden  kann  (Fig.  212). 

In  der  Außenzone  entstehen  in  älteren  Entwickelungsstadien 
sekundäre  Verkalkungen,  welche  von  Kölliker,  Goette  und 
namentlich  Hasse  ausführlich  beschrieben  sind  und  eine  weitgehende 
systematische  Würdigung  gefunden  haben.  Um  den  einfachen  centralen 
Doppelkegel,  der  im  Querschnitt  ringförmig  erscheint  (Cyclospon- 
dylie),  können  sich  in  der  Außenzone  entweder  konzentrische  Ver- 
kalkungsschichten ablagern  (Tektospondyliej,  oder  es  bilden  sich 
radiale  Längsleisten,  welche  der  Mittelzone  aufsitzen  vergleichbar 
den  Knochenleisten  der  Teleostierwirbel  —  und  im  Querschnitt  mit 
diesen  Kreuz-  und  Sternfiguren  bilden  (Asteros pondylie  Hasse). 
Namentlich  das  letztere  Verhalten  weist  mannigfache  Verschiedenheiten 
auf.  So  entstehen  z,  B.  die  radialen  Knochenleisten,  welche  zur  Bildung 
der  kreuz-  und  sternförmigen  Figuren  der  Querschnitte  führen,  bei 
Mustelus  und  Carcharias  (Goette  1878)  auf  verschiedene  Weise. 
Die  schrägen,  gegen  die  Bogenbasen  ausstrahlenden  Leisten  ent- 
stehen von  der  Mittelzone  aus  und  setzen  sich  centrifugal  nach  außen 
fort;  die  dazwischen  liegenden  senkrechten  und  horizontalen 
beginnen  aber  ihre  Entwickelung  außerhalb  der  Elastica  und  dringen 
erst  nachträglich  in  sie  hinein,  erreichen  jedoch  den  verkalkten  Doppel- 
kegel nur  an  seinen  Enden. 

Hiermit  kommen  wir  nun  auch  zu  Vorgängen,  die  sich  außer- 
halb der  Elastica  abspielen  und  die  dennoch  an  der  Entwickelung 
des  Wirbelkörpers  Anteil  nehmen,  während  die  bis  dahin  betrachteten 
nur  innerhalb  derselben  verliefen. 

Bei  vielen  Elasmobranchiern  beteiligen  sich  die  Bögen  nicht  allein 
durch  Abgabe  von  Zellen  in  die  Chordascheide,  sondern  auch  un- 
mittelbar an  dem  Aufbau  der  Wirbelkörper  (Kölliker,  Goette, 
Hasse).  Balfour  (auch  Göppert  1895)  zeigte,  daß  die  knorpeligen 
Bogenanlagen  nicht  nur  in  der  Längsrichtung  sämtlich  durch  Binde- 
gewebe —  Reste  der  häutigen  Wirbelsäule  —  zusammenhängen, 
sondern  daß  die  oberen  und  unteren  Bögen  auch  lateral  von  der 
Chordascheide  und  ihrer  Elastica  durch  eine  dünne  Gewebslage  — 
offenbar  gleichbedeutend  mit  der  skeletogenen  oder  skeletoblastischen 
Schicht  —  miteinander  verbunden  sind.  Innerhalb  dieses  Gewebes 
umwachsen  die  Basen  der  oberen  und  unteren  Bögen  den  aus  der 
Chordascheide  gebildeten  Teil  der  Wirbelkörper  mehr  oder  weniger. 
Gewöhnlich  verbinden  sich  jene  Basen  sowohl  dorsal  und  ventral 
als  auch  lateral  von  der  Außenzone  des  Wirbels  durch  dünne  Fort- 
sätze und  bedecken  sie  gänzlich  (Acanthias,  Scyllium,  Mustelus,  Car- 
charias; A.  Goette  1878).  Sie  können  aber  auch  allein  nur  lateral 
zusammenfließen  (Rumpf  von  Squatina) ,  während  in  der  vorderen 
Rumpfpartie  der  Rajidae  untere  und  obere  Bögen  schon  von  vorn- 
herein  seitlich   miteinander  verschmolzen   angelegt  werden  (Fig.  211). 

Jene  Verbindungsstücke  der  Wirbelbögen  (A.  Goette)  ver- 
kalken später  und  verschmelzen  dabei  an  den  Enden  der  Wirbel, 
dort,  wo  der  Doppelkegel  der  Mittellzone  unter  der  Außenzone  hervor- 
tritt, mit  diesem.  „Auf  solche  W^eise  kann  aus  jener  Verkalkung  ent- 
weder eine  die  Außenzone  des  Wirbels  deckende  Schiene  hervor- 
gehen (Acanthias,  Scyllium),  oder  das  Verbindungsstück  verdickt  sich 


406 


H.  Schauinsland, 

Fig.  209. 

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Fig.  211. 


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Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  407 

Fig.  209 — 211.  Drei  Querschnitte  durch  die  Wirbelsäule  von  Embryonen  von 
Torpedo  ocellata.  Fig.  209  Querschnitt  durch  den  Schwanz  eines  19  mm  langen 
Embryos.  Vergr.  r26mal.  oh  Anlage  der  oberen,  uh  Anlage  der  unteren  Bögen. 
Erst  wenige  Zellen  in  den  Bogenbasen  sind  knorpelig;  im  übrigen  bestehen  die 
Bögen  nur  aus  Bindegewebe,  cp  epitheliomorphe  Schicht  der  Chorda  {Chorda- 
epithel).  es  deutlich  entwickelte  elastische  Scneide  (Elastica  externa).  Sie  weist 
nicht  nur  unter  den  Bogenbasen,  sondern  auch  in  ihrem  übrigen  Verlauf  größere 
Lücken  auf  als  Zeichen  bereits  beginnenden  Zerfalls,  sz  „Scheidenzellen",  die  von 
den  Bogenbasen  aus  in  die  Chordascheide  (Faserscheide)  eingewandert  sind,  h  Binde- 
gewebe der  skeletoblastischen  Schicht  (Perichordalzellen),  das  die  Basen  der  unteren 
und  oberen  Bögen  miteinander  verbindet,  cca  Kaudalkanal  zur  Aufnahme  der  Aorta, 
ccv  der  Vene. 

Fig.  210  Querschnitt  durch  den  Schwanz  eines  25  mm  langen  Embryos  von 
Torpedo  ocellata  bei  Glmaliger  Vergrößerung.  Die  elastische  Scheide  ist  hier  bereits 
völlig  verschwunden,  so  daß  nun  die  Scheidenzellen  mit  den  früher  von  ihnen  ge- 
trennten Perichordalzellen  in  unmittelbare  Berührung  treten.  Die  schon  teilweise  knor- 
peligen Bogenbasen  wachsen  um  sie  herum.  Die  oberen  und  die  unteren  Bögen 
stehen  bereit  miteinander  in  Verbindung  (ö,).  /Sj  zellenlose  Schicht  der  Faserscheide 
(Elastica  interna).     Die  übrigen  Bezeichnungen  wie  in  Fig.  209. 

Fig.  211  Querschnitt  durch  den  unmittelbar  vor  dem  After  gelegenen  Rumpf- 
abschnitt eines  32,5  mm  langen  Embryos.  Vergr.  61mal.  Die  Bögen  haben  den 
chordalen  Teil  des  Wirbelkörpers  mit  Ausnahme  seines  ventralen  Abschnittes  völlig 
umwachsen;  sie  unterscheiden  sich  durch  die  P^'orm  ihrer  Zellen  zwar  sehr  deutlich 
von  diesem,  von  einer  sie  trennenden  elastischen  Scheide  ist  aber  keine  Spur  mehr 
vorhanden.  Die  Abbildung  ist  auch  ein  Beleg  dafür,  wie  die  unteren  Bögen  bei 
Torpedo  kranialwärts  immer  weiter  dorsal  emporrücken,  bis  sie  mit  den  oberen  Bögen 
völlig  verschmelzen,  ein  Vorgang,  der  hier  bereits  begonnen  hat.  iz  Innenzone  des 
Wirbelkörpers,  a  Aorta,  r  Eippe.  g  Ganglion,  ch  Chorda.  Die  übrigen  Bezeich- 
nungen wie  in  Fig.  210.  Die  Zellen  sind  in  allen  3  Figuren  bei  stärkerer  Ver- 
größerung eingetragen. 

noch  im  knorpeligen  Zustand  nach  innen  und  drückt  dabei  die 
Außenzone  entsprechend  ein,  worauf  seine  Verkalkung  sich  in  den 
Knorpel  der  letzteren  fortsetzt,  bis  sie  dem  Doppelkegel  nahekommt 
oder  ihn  teilweise  erreicht.  Auf  diese  Weise  entstehen  die  schon  er- 
wähnten senkrechten  und  horizontalen  Knochenleisten  bei  Mustelus 
und  Carcharias"  (Goette  1878). 

Bei  diesen  Umwachsungsvorgängen  kann  die  die  Außenzone  um- 
gebende Elastica  später  teilweise  oder  vollständig  verschwinden 
(Goette),  und  dann  läßt  sich  nur  aus  der  Entwickelungsgeschichte 
nachweisen,  daß  in  Wirklichkeit  der  Wirbelkörper  sich  aus  einem  aus 
der  Chordascheide  und  einem  aus  den  Bogenbasen  ent- 
standenen Anteil  zusammensetzt  (Hasse  1879). 

Bei  Squatina  und  den  Rajidae  vermißte  Goette  (1878)  die 
Elastica  schon  in  frühen  Stadien  vollständig.  Klaatsch  (1893)  be- 
stätigte dies;  nach  ihm  läßt  sich  die  ganze  Differenz  zwischen  dem 
von  ihm  untersuchten  Vertreter  der  Squaliden  und  Rajiden  (Torpedo 
und  Mustelus)  dahin  zusammenfassen,  „daß  die  Einwanderung  von 
Knorpelzellen  in  die  Chordascheide  in  immer  frühere  Stadien  zurück- 
verlegt wurde,  daß  damit  die  Rekapitulation  einer  zellenlosen  Chorda- 
scheide mehr  und  mehr  verwischt  wurde,  und  daß  zugleich  die 
Elastica  einer  Reduktion  verfiel '^ 

Neuerdings  wurde  Torpedo  ocellata  nochmals  daraufhin  unter- 
sucht (Schauinsland).  Danach  findet  in  frühzeitigen  Stadien 
(Länge  des  Embryos  zwischen  1,5  und  2,0  mm)  auch  bei  Torpedo 
ebenso  wie  bei  den  übrigen  Elasmobr an chiern  eineEin- 
wanderung  von  Zellen  in  die  Chordascheide  statt,  jedoch 
in  sehr  spärlichem  Maße,  so  daß  die  eingedrungene  Schicht  nur  1 — 2 
Zellen  stark  ist  (Fig.  209).     Die  äußere  Begrenzung  der  Chordascheide, 


408  H.  Schauinsland, 

die  Elastica  (externa),  welche  also  die  eingewanderten  Zellen  von 
außen  einschließt,  ist,  wenn  auch  deutlich  vor  hau  den,  so  doch  von 
von  vorneherein  nur  recht  schwach  (Fig.  209  es).  Sie  bildet  sich  sehr 
frühzeitig  zurück,  so  daß  nun  die  Avenig  voluminöse  Schicht  der 
eingewanderten  Chordascheidenzellen  mit  der  peripher  sie  umgebenden 
sehr  mächtigen  Lage  von  Perichordalzellen  in  unmittelbare  Berührung 
kommt  und  sich  mit  ihr  vereinigt.  Dadurch  werden  dann  die 
Verhältnisse  denen  ähnlich,  wie  sie  bei  den  höheren  Vertebraten,  z,  B. 
den  Reptilien,  vorkommen,  während  sie  vorher  sich  noch  an  die  der 
übrigen  Selachier  enge  anschlössen.  Der  von  den  Bogenbasen  umfaßte 
Teil  der  Wirbelkörperanlage  (Fig.  210,  211)  läßt  sich  einerseits  der 
zelligen  Chordascheide  der  Squaliden  oder  Holocephalen  ver- 
gleichen, deren  gegen  die  Umgebung  trotz  des  Fehlens  der  Elastica 
gut  begrenzte  Form  sie  ebenfalls  besitzt,  andererseits  aber  auch  dem 
„primären"  Wirbel  der  höheren  Vertebraten. 

Torpedo  bildet  daher  einen  interessanten  Uebergang  von  solchen 
Formen,  bei  denen  der  Wirbelkörper  von  der  Chordascheide  und  den 
in  sie  hineingewanderten  Zellen  gebildet  wird,  und  jenen,  bei  welchen 
die  Chorda  nichts  zu  seiner  Entstehung  beiträgt,  sondern  seine 
Entwickelung  völHg  den  von  den  Skierotomen  abstammenden  Perichor- 
dalzellen überläßt. 

Schließlich  haben  wir  noch  die  Weiterentwickelung  der  inter- 
vertebralen  Partieen  zu  verfolgen.  Nach  Goette  (1878)  ver- 
läuft dieselbe  auf  folgende  Weise :  Ursprünglich  stellen  sie  die  weichen 
Verbindungen  zwischen  allen  drei  Zonen  der  aufeinander  folgenden 
Wirbelkörper  dar.  Sobald  aber  der  verkalkte  Doppelkegel  über  die 
Ränder  der  Außeuzone  hinausgewachsen  ist,  verbindet  die  äußerste 
Schicht  des  Intervertebralringes  nur  noch  die  gegeneinander 
gerichteten  Ränder  dieser  Knochenkegel,  unterhält  das  fortdauernde 
Wachstum  derselben  und  stellt  sich  zuletzt  als  ein  sehnenartiges 
Intervertebralligament  dar.  Die  inneren  intervertebralen 
Schichten  gelangen  dabei  zum  Teil  an  die  Innenfläche  der  Doppel- 
kegel, wo  sie  in  die  Innenzone  übergehen,  während  sie  in  der  Mitte 
entweder  dem  äußeren  Ligament  sich  anschließen  (Mustelus,  Carcharias, 
Schwanzwirbel  von  Scyllium)  oder  nach  Form  und  Gewebe  sich  be- 
sonders weiter  entwickeln.  In  letzterem  Falle  wachsen  sie  bald  mehr 
gleichmäßig  (Acanthias,  Squatina,  Torpedo)  oder  mit  deutlich  vor- 
springendem Wulst  gegen  die  Chorda  ein  (Raja,  Rumpfwirbel  von 
Scyllium)  und  sind  weicher  oder  straffer  bindegewebig  (Acanthias, 
Scyllium,  Carcharias),  knorpelartig  (Raja,  Squatina)  oder  ganz 
knorpelig  (Torpedo).  Eigentliche  Gelen kanl  a gen  sind  nirgends 
anzutreffen,  wenngleich  sie  im  Intervertebralknorpel  von  Torpedo 
durch  besondere  Form  und  Lage  der  Zellen  bereits  etwas  markiert  sind. 

Das  Weichbleiben  oder  das  Verknorpeln  der  intervertebralen 
Regionen  wird  übrigens  physiologisch  bedingt.  Es  hängt  ab  von  der 
Bewegungsart  des  Tieres  (Cartier).  Solange  diese  hauptsächlich  durch 
die  einzelnen,  von  den  Intermuskularsepten  geteilten  Partieen  der 
Seitenrumpfmuskulatur  bewerkstelHgt  wird,  ist  die  Verbindung  der 
Wirbelkörper  eine  lockere,  sobald  jedoch  die  Bedeutung  der  Seiten- 
muskulatur durch  das  stärkere  Auftreten  von  Extremitätenmuskeln 
sinkt,  da  diese  den  größten  Teil  der  Lokomotion  übernehmen,  werden 
die  einzelnen  Wirbel  durch  Knorpel  fester  verbunden. 

Zum  Schluß  der  Geschichte  des  Selachierwirbelkörpers  muß  noch 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  409 

erwähnt  werden,  daß  derselbe  von  Kölliker  und  Klaatsch  als 
€hordaler  Wirbelkörper  bezeichnet  wird,  da  er  innerhalb 
der  Elastica  externa  aus  der  Chordascheide  entsteht,  im  Gegensatz 
zum  p  er  ichordalen  anderer  Vertebraten,  welcher  außerhalb  der 
Elastica  ohne  Zuthun  der  Chordascheide  sich  entwickelt.  Gadüw 
und  Abbott  (1895)  wählen  dafür  chorda-centra  und  arch- 
c  e  n  t  r  a. 

Man  wird  dabei  aber  nicht  vergessen  dürfen,  daß  diese  Ausdrücke 
nur  teilweise  berechtigt  sind,  da  ja  die  Bögen  sich  auch  bei  den 
Selachiern  stark  an  der  Wirbelkörperbildung  beteiligen  sowohl  durch 
Abgabe  von  Zellen  an  die  Chordascheide,  als  auch  in  vielen  Fällen 
durch  ein  Herumwachsen  außerhalb  der  elastischen  Scheide. 

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Fig.  212.  Sagittaler  Längsschnitt  durch  2  Wirbel  aus  der  Aftergegend  eines 
8,5  mm  langen  Embryos  von  Torpedo  ocellata.  Vergr.  26raal.  Die  Zellen  sind  bei 
stärkerer  Vergrößerung  eingezeichnet.  Der  Schnitt  hat  den  rechten  Wirbel  median, 
den  linken  lateral  getroffen,  az  Außenzone,  mz  Mittelzone  (späterer  knöcherner 
Doppelkegel),  beginnt  zu  verkalken,  iz  Innenzone,  hyahnknorpelig.  Durch  ihr 
Wuchern  wird  die  Chorda  in  ihren  centralen,  vertebralen  Abschnitten  immer  mehr 
und  mehr  verdrängt;  auch  hier  ist  sie  (rechts)  nur  noch  als  dünner  Strang  vor- 
handen, der  schließlich  ganz  verschwinden  wird,  ch  Raum ,  der  durch  die  Chorda 
ausgefüllt  wird  (diese  selbst  ist  nicht  gezeichnet),  iv  Intervertebralring,  der  später 
ebenfalls  verknorpeln  wird. 

GoETTE  (1878)  nennt  den  nur  von  der  Chordascheide  gebildeten 
embryonalen  Wirbel  den  primären  Wirbel  (ein  Ausdruck ,  den 
er  auch  auf  alle  übrigen  Vertebraten  überträgt).  Seine  Grundform 
ist  der  Doppelkegel,  die  nicht  etwa  durch  das  ringförmige  Ein- 
wachsen der  Außenzone,  sondern  durch  die  Wirbel  bögen  hervor- 
gerufen wird,  indem  sich  diese  auf  die  Chordascheide  stützen,  sie  zu 
umwachsen  beginnen  und  dadurch  an  bestimmten  Stellen  in  ihrer 
Ausdehnung  beschränken,  demnach  also  die  vertebralen  Abschnitte 
im  Vergleich  zu  den  ungehindert  sich  ausdehnenden  Intervertebral- 
ringen  annähernd  ringförmig  einschnüren. 

Sobald  der  primäre  Wirbel  im  Laufe  der  Entwickelung  von  den 
sich  ihm  anschließenden  Basen  der  oberen  und  unteren  Wirbelbögen 
in  verschiedenem  Grade  umwachsen  wird  und  nachdem  die  trennende 
Elastica  externa  gänzlich  oder  bis  auf  unbedeutende  Reste  verschwunden 
ist,  verschmelzen  die  beiderlei  Elemente,  primärer  Wirbel  und  Basen, 
zu  einem  einheitlichen  Ganzen,  dem  definitiven  oder  sekundären 
Wirbelkörper. 


410  H.  Schauinsland, 

Schon  bei  den  Holocephalen  wurde  erwähnt  (Schauinsland),  daß 
man  bei  Annahme  der  GoETTE'schen  Terminologie  durch  den  Vergleich 
mit  anderen  Formen  gezwungen  wird,  die  knorpelige  Außenzone  des 
Elasmobranchiernwirbels  nicht  mehr  dem  primären  Wirbelkörper 
zuzuzählen.  — 

Nachdem  wir  bereits  die  erste  Entstehung  der  Bögen  kennen 
lernten,  haben  wir  noch  einen  kurzen  Blick  auf  ihre  weiteren  Schick- 
sale, abgesehen  von  denen,  welche  bereits  beim  Wirbelkörper  erwähnt 
wurden,  zu  werfen. 

Die  oberen  Wirbelbögen  (Ne uralbögen)  behalten  ihre 
schlanke,  cylindrische  Gestalt  später  meistens  nicht  bei,  sondern 
wachsen  ebenso  wie  die  Interkalarstücke  in  der  Längsrichtung  der 
W^irbelsäule  zu  breiten  Platten  aus,  die  entweder  fest  aneinander 
stoßen  oder  auch  bindegewebige  Lücken  zwischen  sich  lassen  können. 
Auf  die  mannigfachen  Variationen,  die  bei  den  Bögen  der  erwachsenen 
Wirbelsäule  vorkommen,  kann  hier  nicht  näher  eingegangen  werden. 
Nur  so  viel  soll  noch  erwähnt  werden,  daß  die  dorsale  Verbindung  der 
Bögen  meistens  durch  Vermittlung  besonderer  unpaarer  Skelettstücke 
zu  Stande  kommt,  die  von  J.  Müller  Intercalaria  spinalia,  von 
A.  GoETTE  (1878)  obere  Schlußstücke  genannt  werden.  Diese 
überragen  oft  (A.  Goette)  von  Anfang  an  die  Enden  der  Interkalar- 
und  Wirbelbögen  dorsalwärts  und  tragen  dann  so  auch  allein  den 
darüber  hinziehenden  Kanal  (oberer  Wirbelkanal,  A.  Goette), 
in  welchem  ein  elastisches  Längsband  verläuft. 

Letzteres  ist  einer  der  vorzugsweise  aus  elastischen  Fasern  ge- 
bildeten longitudinalen  Bandapparate,  welche  sich  nach  H.  Klaatsch 
1893  nicht  nur  bei  den  Elasmobranchiern,  sondern  in  übereinstimmender 
Weise  bei  allen  Fischen  aus  der  skeletoblastischen  Schicht  diife- 
renzieren. 

Klaatsch  unterscheidet  deren  drei,  und  zwar  zunächst  ein 
Ligamentum  longitudinale  dorsale  superius,  das,  wie  eben  erwähnt, 
unmittelbar  dorsalwärts  von  den  oberen  Bögen  gelegen  ist.  Ein 
zweites,  das  Ligament,  longit.  dorsale  inferius,  bildet  den  Boden  des 
Neuralkanales  und  die  Unterlage  des  Rückenmarkes.  Es  liegt  der 
Elastica  (externa)  der  Chordascheide  unmittelbar  auf  und  ist  mit  ihr 
oft  derart  verbunden,  daß  eine  Sonderung  unmöglich  ist.  Ein  dritter 
Bandapparat  endlich,  das  Lig.  longit.  ventrale,  findet  sich  ventral 
zwischen  den  Basen  der  unteren  Bögen,  der  Elastica  aufliegend. 
(Die  Annahme,  daß  letzteres  zum  Teil  hervorgehe  aus  dem  sub- 
chordalen  Strang  (Klaatsch),  hat  sich  übrigens  nicht  bestätigt.) 

Daß  diese  Bänder  außerordentlich  die  Festigkeit  der  Wirbelsäule 
vermehren  helfen,  ist  einleuchtend. 

Die  unteren  Bögen  verhalten  sich  später  fast  ebenso  wie  die 
oberen.  Auch  sie  finden  sich  häufig  in  doppelter  Anzahl  in  jedem 
Segment,  wenn  auch  solche  untere  „Intercalaria"  nicht  bei  allen  Formen 
nachzuweisen  sind. 

Im  Rumpfe  bleiben  die  unteren  Bögen  kurz  —  man  nennt  sie 
dort  auch  Basalstümpfe  —  und  stehen  hier  vielfach  mit  den  von 
ihnen  abgegliederten  Rippen  in  Verbindung;  in  der  Schwanzregion 
dagegen  wachsen  die  beiderseitigen  Bögen  (Hämalbögen)  ventralwärts 
einander  entgegen,  verschmelzen  oft  distalwärts  und  können  dann 
einen  unteren  Dornfortsatz  bilden. 

Auf  solche  Weise   wird   zwischen   den  unteren  Bögen  ein  Kanal, 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  411 


der  Kaudalkanal,   geschaffen   (Fig.  205,  209,  210),  der  durch  eine 


quere,    sehnige    Scheidewand    in    zwei   Abteilungen 


geteilt 


wird,    eine 


obere,  in  welcher  die  Aorta,  und  eine  untere,  in  der  die  Vene  verläuft. 


cca 


ccv 


cca 


ccv 


kf 


üb 


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¥ 
Fig.  213  a— d.  Vier  Querschnitte  durch  die  Wirbelsäule  eines  erwachsenen 
Laemargus  borealis  in  ein  drittel  natürlicher  Größe,  um  die  Entstehung  der  Hämal- 
fortsätze  aus  den  unteren  Bögen  zu  zeigen.  Schnitt  213  a  ist  durch  den  mittleren 
Teil  des  Schwanzes  geführt,  Fig.  213b  durch  den  vordersten  Schwanzabschnitt,  Fig.  213c 
durch  den  mittleren  Rumpf  abschnitt  und  Fig.  213  d  durch  die  Cerviifalgegend.  ob 
oberer  Bogen,  ob^  „Interkalarstück".  üb  unterer  Bogen.  />f  Hämalfortsätze  der 
unteren  Bögen,  die  sich  kranialwärts  allmählich  von  diesen  emanzipieren,  um  in  einem 
großen  Teil  des  Rumpfes  getrennt,  und  kaum  durch  Knorpel  brücken  mit  ihnen  ver- 
bunden, vorzukommen,  bis  sie  schließlich  in  der  Halsgegend  sich  wieder  mit  ihnen 
vereinigen,  cra  Kaudalkanal  zur  Aufnahme  der  Aorta,  ccv  für  die  Vene,  ivk  Wirbel- 
körper,   ch  Chorda,    r  Rippe. 


412 


H.  Schauinsland. 


Als  Ansatzpunkte  jener  Scheidewand  kommen  bei  manchen  Elasmo- 
branchiern  mediale  Knorpelfortsätze  der  Bögen  vor.  welche  bisweilen, 
z.  B.  bei  Acanthias,  so  stark  entwickelt  sein  können,  daß  man  sie  den 
Hämalf  ort  Sätzen  der  Störe  völlig  vergleichen  kann  (Goette  1878), 
wenngleich  sie  sich  nicht  zu  einer  kontinuierlichen,  queren  Brücke 
zwischen  den  Gefäßkanälen  verbinden. 

Sehr  beachtenswert  sind  diese  Hämalfortsätze  bei  Laemargus 

borealis  (Schauinsland),  da  sich 
durch  sie  ähnliche  Gebilde  bei 
den  Ganoiden  (Amia)  unmittelbar 
erklären  lassen  (Fig.  213  a— d). 
Während  sie  im  vorderen  Schwanz- 
abschnitt  nicht  sehr  verschieden 


er 


VW 


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Fig.  214.  Horizontaler  Längsschnitt 
durch  die  Schwanzwirbelsäule  eines 
7  cm  langen  Embryos  von  Triaenodon 
obesus  in  der  Höhe  des  Rückenmarkes. 
Vergr.  etwa  25mal.  isg  Intersegmental- 
gefäße.  ob  aus  dem  kaudalen  Sklero- 
tomabschnitt  entstandener  Wirbelbogen. 
o6,  aus  dem  kranialen  Skierotomabschnitt 
entstandener  oberer  Bogen  (Interkalar- 
stück).  Bei  Triaenodon  sind  beide  von 
fast  gleicher  Größe.  Beide  gehen,  kaum 
voneinander  gesondert  (ob^  +  ob),  in  die 
zellhaltige  Chordascheide  über,  und 
wahrscheinlich  wandern  auch  aus  beiden 
Zellen  in  diese  hinein.  (Der  kaudale 
Abschnitt  des  Schnittes  (cd)  verläuft 
mehr  ventral  wie  der  kraniale  (er)  und 
ist  bereits  dicht  an  der  Chorda  gelegen.) 
m  Rückenmark,  vw  ventrale  Nerven- 
wurzel, dicht  hinter  dem  Intersegmental- 
gefäß  und  dem  kaudalen  Bogen  hervor- 
tretend, dwg  Ganglion  der  dorsalen 
Nerven  Wurzel ;  liegt  hier  seiner  Größe 
wegen  fast  völlig  auf  dem  kranialen 
Bogenstück.  b  das  die  einzelnen  Bogen- 
stücke  miteinander  verbindende  Binde- 
gewebe des  skeletoblastischen  Gewebes 
(Ueberrest  der  „häutigen  Wirbelsäule"). 


sind  von  den  bei  Acanthias  vorkommenden,  beginnen  sie  sich  weiter 
nach  vorn  von  den  unteren  Bögen  zu  emanzipieren,  so  daß  man  im  Rumpf 
zunächst  die  richtigen  Bögen  der  Chordascheide  seitlich  angeheftet 
findet  und  ventralwärts  von  diesen,  lateral  von  der  Medianlinie,  zwei 
kleine  Stücke,  die  von  der  Seite  betrachtet,  zwei  Knorpelleisten  bilden, 
zwischen  denen  die  Gefäße  verlaufen.  Die  Trennung  dieser  Ge- 
fäßbögen von  den  richtigen  Bögen  kann  in  der  mittleren 
Rumpfregion  so  weit  gehen,  daß  sie  selbst  nicht  einmal  mehr  durch 
dünne  Knorpelbrücken  miteinander  zusammenhängen.  Weiter  kopf- 
wärts  nähern  sich  dagegen  die  Hämalleisteu  wieder  mehr  und  mehr 
den  unteren  Bögen  bis  fast  zur  völligen  Verschmelzung.  Ohne  diese 
Gefäßbögen  oder  Gefäßleisten  vom  Kopf  bis  zum  Schwanz  kontinuierlich 
verfolgt  zu  haben,  würde  es  kaum  möglich  sein,  sie  richtig  zu  deuten ; 
sie  sind  in  der  That  weiter  nichts  als  losgelöste  Ele- 
mente der  unteren  Bögen. 

Von    großer  Wichtigkeit  ist  es,   daß   die   unteren  Bögen   an   der 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein,  413 

Chordascheide  bezw.  dem  Wirbelkörper  an  ganz  verschiedenen  Stellen 
angeheftet  sein,  scheinbar  wandern  können,  und  zwar  in  der  Weise, 
daß  sie  im  Rumpf  und  weiter  nach  dem  Kopf  hin  sich  immer  mehr 
dorsalwärts  verschieben. 

Am  auffallendsten  ist  dieser  Vorgang  bei  den  Rochen,  offenbar 
hervorgerufen  durch  die  äußerst  starke  Abplattung  des  Körpers. 

Einen  Uebergang  zu  ihnen  bildet  auch  hierin  Squatina  (Goette 
1878).  Bei  ihr  ruhen  im  Rumpfe  die  Basen  der  unteren  Bögen  nicht 
mehr  mit  ihrer  Hauptmasse  an  der  Unterseite  der  Wirbelkörper, 
wie  bei  den  anderen  Haien,  sondern  sie  rücken  an  den  Seiten  der 
primären  Wirbelkörper  hinauf.  Infolgedessen  verschmelzen  sie  mit 
den  oberen  Bogenbasen  frühzeitig  zu  je  einer  gleichmäßig  dicken 
Knorpelplatte,  welche  zur  Seite  des  primären  Wirbelkörpers  beinahe 
wie  eine  gemeinsame  Basis  des  oberen  und  unteren  Bogens  er- 
scheint. 

Bei  Raja  und  Torpedo  ist  dieses  Verhalten  nun  noch  bedeutend 
weiter  ausgebildet  (Goette  1878).  Während  sich  ihre  unteren  Bögen 
in  der  Schwanzregion  nicht  von  denen  der  übrigen  Elasmobranchier 
unterscheiden,  klaffen  sie  in  der  Aftergegend  bereits  weit  auseinander 
und  rücken  schon  an  den  hintersten  Rumpfwirbeln  beträchtlich  dorsal- 
wärts hinauf  (Fig.  219),  um  mit  den  oberen  Bögen  zusammenzustoßen. 
Dabei  verschmelzen  zunächst  die  Basen  der  beiderlei  Bögen  wie  bei 
Squatina  (Fig.  211).  Weiter  vorne  schreitet  aber  die  Verschmelzung 
auch  lateral wärts  fort,  so  daß  das  gemeinsame  Wurzelstück  beider 
Bögen  nicht  eine  dem  primären  Wirbelkörper  breit  anliegende  senk- 
rechte Platte,  sondern  eine  von  demselben  annähernd  horizontal 
abgehende  Leiste  darstellt.  Es  ist  also  nur  scheinbar,  daß  in  den 
vorderen  Rumpfpartieen  nur  obere  Bögen  vorhanden  sind,  deren 
Basen  den  primären  Wirbelkörper  seitlich  umgreifen  und  seitliche 
Fortsätze  (Parapophysen)  entsenden.  In  Wirklichkeit  sind  jene  Basen 
unzweifelhaft  durch  ein  Verschmelzen  oberer  und  unt  erer  Bogen- 
basen entstanden. 

Bei  einer  Betrachtung  der  Beziehungen,  welche  zwischen 
den  Bögen  einerseits,  M'yosepten,  Blutgefäßen  und 
Nerven  andererseits  herrschen  (Schauinsland),  wird  man 
finden,  daß  die  Verhältnisse  recht  ähnlich  sind  denen,  wie  sie  schon 
bei  Callorhynchus  vorkommen.  Bei  Carchariasembryonen  z.  B.  (Fig.  215a) 
setzen  sich  die  Myosepten  an  denjenigen  der  beiden  oberen  Bögen, 
welcher  dem  Wirbelkörper  aufsitzt  {ob),  und  verlaufen  über  den  letz- 
teren hinweg  nach  den  unteren  Bögen.  Unmittelbar  kaudal  von  ihnen 
liegen  die  intersegmentalen  Arterien.  Man  dürfte  kaum  fehlgehen, 
den  zwischen  je  zwei  solcher  Gefäße  liegenden  Teil  der  Wirbelsäule 
als  aus  je  einem  der  ursprünglichen  Skierotome  entstanden  anzu- 
sehen. (In  der  Tat  läßt  es  sich  bei  Embryonen  von  Triaenodon 
obesus  nachweisen,  daß  die  von  Anfang  an  zwischen  je  zwei  Urseg- 
menten  vorhandenen  Intersegmentalgefäße  ihre  ursprüngliche  Lage 
wenigstens  bis  zur  Entstehung  der  knorpeligen  Wirbelbögen  und 
Körper  beibehalten  und  demnach  auch  später  einen  Rückschluß  auf 
die  ehemalige  Grenze  der  Skierotome  zu  machen  gestatten.)  Somit 
wird  man  die  richtigen  oberen  und  unteren  Bögen  (ob,  üb  in  Fig.  215a) 
als  die  kaudalen  Skierotom  stücke  zu  betrachten  haben,  und  die 
oberen  —  soweit  sie  vorkommen,  auch  die  unteren  —  Interkalarbögen 
(o6i  und  uh^)  als  die  kranialen. 


414 


H.  Schauinsland, 


Es  ist  dabei  sicher  von  Interesse,  festzustellen,  daß  bei  vielen 
Haifischen,  wie  gesagt,  die  kaudalen  Stücke  die  richtigen,  dem 
Wirbelkörper  aufsitzen  den  Wirbelbögen  werden,  und  die  kranialen 


Fig.  215a. 
ob  ob^     dw(g) 


-  -isg 


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Fig.  215b. 

ob  ob^     isq      VW  dw  isg 

!      I 


xib      üb, 


Fig.  215a  u.  215b.  Ein 
Teil  der  Wirbelsäule  aus 
der  mittleren  Rumpfpartie 
(Fig.  215a)  und  ein  Teil 
derselben  aus  der  mittleren 
Schwanzregion  (215b)  eines 
8,5  cm  langen  Embryos  von 
Carcharias  spec.  bei  26mal. 
Vergrößerung.  Methylen- 
blaupräparate (nach  VAN 
WlJHE)  mit  Zuhilfenahme 
von  Schnitten,  ob  oberer 
(aus  dem  kaudalen  Skle- 
rotomabschnitt  entstande- 
ner) Bogen.  oö,  oberer 
(aus  dem  kranialen  Skle- 
rotomabschnitt  entstande- 
ner) Bogen  =  Interkalar- 
stück.  ab  unterer  Bogen. 
ub^  unterer  (wahrscheinlich 
aus  dem  kranialen  Skle- 
rotomstück  entstandener) 
Bogen  =  unteres  Inter- 
kalarstück  (in  Fig.  216b). 
r  Rippen ;  eine  Trennung 
derselben  von  den  unteren 
Bögen  ist  äußerlich  gar- 
nicht  wahrzunehmen,  r^ 
ein  vielleicht  als  zweite 
(kraniale)  Rippe  zu  deu- 
tendes Knorpelstück,  wk 
Wirbelkörper.  iv  Inter- 
vertebralring.  isg  Inter- 
segraentalgefäße.  vw  ven- 
trale Nervenwurzel.  diu 
dorsale,  zu  einem  Ganglion 
anschwellende  Nerven- 
wurzel, sjyn  der  aus  der 
Vereinigung  der  beiden 
Wurzeln  entstandene  Sj^i- 
nalnerv.  Man  achte  sowohl 
im  Rumpf  als  auch  im 
Schwanz  auf  die  Lage  der 
Austrittsstellen  der  Nerven- 
wurzeln zu  den  oberen 
Bögen  und  auf  die  gegen- 
seitige Lage  der  Interseg- 
mentalgefäße  und  der 
Nerven  zueinander.  Im 
Schwanz  (Fig.  215b)  kommt 
erst  auf  je  zwei  Wirbel 
ein  Intersegmentalgefäß 
und  ein  Spinalnerv. 


die  „eingeschalteten  Bögen" ,  während  es  bei  den  Holocephalen 
gerade  umgekehrt  war  (cf.  Fig.  215a,  215b,  216  und  218-220). 
(Wie  weit  das  übrigens  auch  bei  anderen  als  den  hier  angeführten 
Formen  der  Fall  ist,  werden  weitere  Beobachtungen  nachzuweisen 
haben,    da  es  nicht  undenkbar  erscheint,    daß  auch  bei  den  Squaliden 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  415 

und  Rajiden  dieselben  Verhältnisse  wie  bei  den  Holocephalen  vor- 
kommen können.)  Demnach  würde  der  Wirbelkörper  vermittelst 
der  kaudalen  Bögen  ebenfalls  von  dem  kaudalen  Skierotomabschnitt 
sich  herleiten ;  der  kraniale  Skierotomteil  würde  sich  dagegen  meistens 
entweder  nur  beschränkt  oder  garnicht  an  seiner  Bildung  beteiligen 
und  daher  mit  Ausschluß  jener  Partie,  in  welcher  die  kranialen  (Inter- 
kalar-)Bögen  entstehen,  teils  rückgebildet  werden,  teils  zum  Aufbau 
der  intervertebralen  Regionen  Verwendung  finden,  was  aber  erst 
noch  durch  weitere  Untersuchungen  aufzuklären  wäre. 

Am  äußersten  Schwanzende  einiger  erwachsenen  Squaliden,  z.  B. 
bei  Triaenodon  obesus  (Schauinsland),  wo  die  beiden  fast  ganz  gleich- 
artig gebauten  oberen  Bögen  dem  Körper  völlig  gleichmäßig  aufsitzen. 


VW  ■ 


1  \  I  s  ^    ^  V 


!  ~v  :  I  ^        1 

ub^  isg  üb  r     Hb^(i\)  isg 

Fig.  216.  Der  vorderste,  unmittelbar  hinter  dem  E'opf  gelegene  Abschnitt  der 
Wirbelsäule  eines  8,5  cm  langen  Embryos  von  Carcharias  spec.  bei  11-maliger  Ver- 
größerung. Präparationsmethode  dieselbe  wie  bei  den  vorigen  beiden  Figuren ;  auch 
die  Bezeichnung  ist  dieselbe.  Intersegmentalgefäße  {isg),  ventrale  Nervenwurzel  (yw) 
und  dorsale  Nervenwurzel  {dw)  sind  meistens  nicht  ausgezeichnet,  sondern  nur  in 
ihrer  Lage  angedeutet.  Die  kaudal  von  den  Intersegmentalgefäßen  an  den  unteren 
Bögen  liegenden  Knorpelstücke  können  als  „kraniale"  untere  Bögen  =^  Interkalar- 
stücke  ("öl),  oder  auch  als  Andeutungen  von  zweiten  (kranialen)  Rippen  gedeutet 
werden. 

scheinen  sie  allerdings  auch  beide  an  seinem  Aufbau  teilzunehmen, 
während  weiter  kranialwärts  das  kraniale  Stück  allmählich  völlig  auf 
die  intervertebrale  Region  heraufrückt  und  nur  das  kaudale'  mit  seiner 
ganzen  Basis  dem  Wirbelkörper  angeheftet  ist.  Beobachtungen  an 
Embryonen  unterstützen  diese  Annahme  (Fig.  214). 

In  allen  diesen  Fällen  wird  man  aber  an  den  Zusammenschluß 
zweier  verschiedener  Skierotome  zu  denken  haben,  in  der  Weise, 
daß  sich  dem  kaudalen  Abschnitt  des  einen  Skierotoms  der  mehr  oder 
weniger  rückgebildete  kraniale  des  nächstfolgenden  zur  Bildung  eines 
Wirbels  anfügte.  Inwieweit  diese  Annahme  jedoch  allgemeine  Giltig- 
keit  hat,  wird  ebenfalls  noch  nachzuweisen  sein. 

Was  die  Nerven  (Schauinsland)  anbelangt,  so  tritt  innerhalb 
je  eines,  dem  ehemaligen  Skierotom  gleichzusetzenden  Segmentes  die 
ventrale  motorische  Wurzel  nahe  dem  kaudalen  Bogenstück  dicht  an 
oder  unmittelbar  hinter  dem  Blutgefäß  heraus  (Fig.  215,  216),  wäh- 
rend die  dorsale  sensible  kaudal  von  dem  kranialen  (Interkalar-)Bogen 
ihren  Ursprung  nimmt.  Dieses  Bogenstück  {oby)  trennt  also 
auch  hier  noch  wie  bei  Petromyzon  die  motorische  von 
der    sensiblen    Wurzel. 


416 


H.  Schauinsland, 


Fig.  217. 

r 

üb  iv\iok 


isg ^^_.  _ 


•/-"■'CT  sT^ 


's- 


üb 


"VA 


:isg 
r. 


Fig.  218. 
iv     r     IV  k 


Fig.  217  u.  218.  Der  unmittelbar  hinter  dem 
Schädel  gelegene  (Fig.  217)  und  der  zum  hin- 
tersten Rumpfende  gehörende  Teil  der  Wirbelsäule 
nebst  3  Schwanzwirbeln  von  einem  8,5  cm  langen 
Embryo   von  Carcharias   spec. ;    Ansicht  von  der  ' 

Ventralseite.  Vergr.  16mal.  Methylenblaupräparate,  r  kraniales ,  c  kaudales 
Ende,  wk  Wirbelkörper,  iv  Intervertebralregion.  üb  untere  Bögen  (Basalstumpf). 
isg  Intersegmentalgefäße.  Verfolgt  man  in  Fig  217  die  ersten  Wirbel,  so  kann  man 
zweifelhaft  sein,  ob  die  getrennt  von  den  unteren  Bögen  liegenden  Knorpelstücke 
aus  dem  kranialen  Skierotoraabschnitte  entstandene  untere  Bögen  (Interkalarstücke) 
ub^,  oder  Rippen  (rf)  sind.  Geht  man  weiter  kaudalwärts,  so  findet  man,  daß  neben 
der  deutlich  zu  erkennenden  Rippe  kaudal  noch  ein  kleineres  Knorpelstück,  durch 
das   Intersegmentalgefäß  von  ihr  getrennt,  liegt;    dieses  würde   als    der   Rest    einer 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  417 

zweiten  Rippe  aufzufassen  sein  (rj,  die  nach  Maßgabe  ihrer  Lage  zu  dem  Inter- 
segmentalgefäß  aus  dem  kranialen  Skierotomabschnitt  abzuleiten  wäre,  während 
die  bleibende  große  Rippe  aus  dem  kaudalen  sich  entwickelt  hätte.  Noch  weiter 
schwanzwärts  verschwinden,  bezw.  verschmelzen  diese  kleinen,  zweiten  Rippen  mit 
den  großen.  Bei  den  in  Fig.  218  abgebildeten  Knorpelstücken  ist  es  wiederum  frag- 
lich, inwieweit  sie  als  eingeschaltete  untere  Bögen,  oder  als  zweite  Rippen  anzusehen 
sind.  Die  Abbildungen  zeigen  gleichzeitig,  daß  die  Rippen  der  vorderen  und  hinteren 
Rumpfregion  eine  gewisse  Rückbildung  erkennen  lassen  und  oft  nicht  als  Ganzes, 
sondern  in  mehreren  voneinander  getrennten  Knorpelstückchen  innerhalb  des  binde- 
gewebigen Myoseptums  angelegt  werden. 

Bei  dem  späteren  Wachstum  und  Näheraneinanderschließen  der 
Bogen  kommt  es  oft  zu  einer  Umwachsung  der  austretenden  Nerven- 
wurzeln seitens  der  Bogenknorpel,  und  zwar  liegt  dann  meistens  die 
ventrale  Wurzel  innerhalb  des  kaudalen  {oh)  und  die  dorsale  inner- 
halb des  kranialen  (Interkalar-) Bogen s  (oö,  Fig.  216,  219,  220), 
Die  nunmehr  scheinbare  Zugehörigkeit  des  motorischen  Nerven 
zu  dem  je  vorhergehenden  Skierotom  bezw.  Wirbel,  auf  die 
bereits  v.  Jhering  (1878)  aufmerksam  macht,  ist  somit  also  erst 
sekundär  hervorgerufen  (Schauinsland). 

Während  die  geschilderten  Verhältnisse  im  Rumpfe  vorwalten, 
ändern  sie  sich  im  Schwänze  der  meisten  Haie  und  Rochen  der- 
artig ab,  daß  hier  zwischen  je  zwei  Intersegmentalgefäßen  bezw. 
zwei  Spinalnerven  nicht  nur  ein  Wirbel  mit  seinen  zu  ihm  gehörigen 
kranialen  und  kaudalen  Bogenstücken  vorkommt,  sondern  zwei  und 
selbst  mehr;  wir  haben  es  also  auch  hier  mit  der  sog.  Diplo-  und 
Polyspondylie  zu  thun  (Fig.  215b,  219,  220).  Die  Lage  der  inter- 
segmentalen  Blutgefäße  und  der  Nerven  ändert  sich  dabei,  ebenso  wie 
es  auch  schon  bei  Callorhynchus  der  Fall  war,  in  der  Weise  (bei 
Carcharias  Fig.  215),  daß  das  Gefäß  ebenso  wie  im  Rumpf  immer  un- 
mittelbar hinter  einem  Spinalnerv  liegt,  der  sonst  auf  dieses  kaudal 
direkt  folgende  Nerv  aber  nicht  vorhanden  ist,  weil  offenbar  immer 
ein  Nerv  und  ein  intersegmentales  Gefäß  ausgefallen  sind. 

Ueber  die  Diplo-  und  Polyspondylie  der  Elasmobranchier 
wurde  im  übrigen  bereits  bei  den  Holocephalen  gesprochen ;  darauf 
sei  hier  verwiesen  und  nur  noch  bemerkt,  daß  es  sich  bei  ihrem  Zu- 
standekommen auch  bei  den  Haien  und  Rochen  aller  Wahrscheinlich- 
keit nach  nur  um  ein  nachträgliches  Verschmelzen  und  Aus- 
fallen von  Myotomen  und  der  darin  enthaltenen  intersegmentalen 
Gefäße  und  Nerven  handelt.  Beweisend  dafür  ist  es  auch,  daß  man 
in  den  nervenlosen  Wirbel-  bezw.  Bogenstücken  bei  Embryonen 
bestimmten  Alters  nicht  selten  noch  die  Löcher  findet,  durch  die  die 
Nerven  in  vorhergegangenen  Entwickelungsstadien  vor  ihrem  Ver- 
schwinden offenbar  noch  durchgetreten  sind.  So  bemerkt  man  z.  B.  im 
Schwänze  von  Torpedo  ocellata-Embryonen  (Schauinsland),  auch  in 
den  Segmenten  mit  fehlenden  Spinalnerven  sehr  oft  in  dem  kranialen 
(Interkalar-)Bogenstück  Löcher,  die  ganz  genau  denen  entsprechen, 
durch  w^elche  in  den  übrigen  Segmenten  die  dorsale  Nervenwurzel 
ihren  Weg  nimmt  (cf.  Fig.  219,  220). 

Dasselbe  ist  auch  in  der  „diplospondylen"  Schwanzregion  jüngerer 
Acanthias  der  Fall,  in  der  man  sogar  bisweilen  noch  den  verschwin- 
denden Nerv  als  ganz  feines  Fädchen  die  später  nervenlosen  Bögen 
vermittels  kleiner  Löcher  durchsetzen  sieht.  Am  Schwanzende  des 
Dornhai  kommt  übrigens  erst  auf  mehr  als  zwei  Wirbelkörper  bezw. 
vier  Bogenpaare  je  ein  Spinalnerv  („Polyspondylie"),  so  daß  hier  also 

Handbuch  der  Entwickeluagslehre.  III.  2.  27 


418 


H.  Schauinsland, 

Fig.  219. 


ob 


^ 


vv  - 
vs . 


A#  j'y  /s 

g  (U'vi  M  H  M  H  hi  ti 

)  MV 


ob 
iv 


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sjrn      r 


üb   r  :«&,      ^t&  ub^ 
üb 


nv 
ob  ob^  dir 


Fig.  220. 


"7 


I   Vi*  3     Iris    iv  5  '  ' ^\/     "^/ 


?  3  liRi-ni 


^  ^ 


» 


Fi£.  219  u.  220.     Seitliche  Ansicht  der  Wirbelsäule  aus   der  hinteren  l^urapt- 
und  der  vorderen  Schwanzregion  (Fig.  219)    eines  4,5  cm  langen  Embryos  von  ior- 
pedo  ocellata   bei    16-maliger  Vergrößerung.     Methylenblaiipraparate      «J^-^o^^^^^ 
i  h.  wahrscheinlich  aus  dem  kaudalen  Sklerotomabschmtt  «t^^n^enderobjer  Bogen 
ob,  kranialer,  d.h.  wahrschein  hch  aus  dem  kranialen  Sklerotomabschmtt  sta^^^ 
oberer  Bogen  (Interkalarstück).     üb  unterer  Bogen.    «^.K"orpelstucke  zwischen  den 
ersten  Schwanzwirbeln  der  Fig.  219,   von  denen  es  zweifelhatt  ist,  ob  «»e  "^Jf  "f  ^ 
untere  Bögen  (untere  Interkalarstücke),  oder  zu  den  vorangehenden,  geschlossenen 
unteren  Bögen  gehörige  Rippen  sind,  wk  Wirbelkörper.  ...  Verbindungsstuck  zwi  chen 
den  oberen  und  den    unteren  Bögen,     iv  Intervertebralnng     r  Rippen      ^«'^f^tral^ 
Nervenwurzel.     <lw  dorsale  Nervenwurzel.      Die  erstere   tritt  aus  einer  Üettnung  im 
„kaudalen",  die  zweite  durch  eine  Lücke  im  ,  kranialen"  oberen  Bogen  heraus    s|^«  Spi- 
nalnerven.    Nur  wenige  Nerven  sind  wirklich  ausgezeichnet ;  der  Austritt  der  "b[igen 
Nervenwurzeln  ist    nur   durch  Punkte  angegeben.     Man  ersieht  dabei    daß  ^on  der 
mit  einem  *  angedeuteten  Stelle  der  Wirbelsaule  an  kauda  warts  ein  ^Pipf  l"erv  nur 
immer  erst  auf  je  den  zweiten  Wirbel  fällt.    Trotzdem  sind  an  den  beiden  oberen 
Bogenstücken  der  eines  Nerven  entbehrenden  Wirbe    dennoch  «^  Lucken  vorhanden 
von  genau   derselben  Gestalt  und  an   derselben  Stelle,    wie  sie  ^lel^/"  ^^^"     ^rigen 
zum  Durchtritt  der  Nervenwurzeln  vorfinden,  wohl  ein  Zeichen,  daß  eine  Reduktion 
dieser  fehlenden  Nerven  erst  später  stattgefunden  hat. 

auf  die  Reduktion  mehrerer  Myotonie  samt  ihren  Nerven  und  trennen- 
den Gefäßen  zu  schließen  ist. 

Bei  Mustelus  laevis  (Fig.  222)  und  einigen  anderen  Haien  sind 
die  hinteren  Rumpfwirbel  im  Gegensatze  zu  den  vorderen  und  den 
Schwanzwirbehi    von   außerordentlicher  Länge   und   besitzen  statt  ein 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  419 

bis  zwei  Bogenpaaren  nicht  selten  drei  bis  vier,  und  zwar  in  ziemlich 
regelloser  Anordnung.  Man  muß  annehmen,  daß  hier  nicht  nur 
mehrere  Myotonie  reduziert  oder  miteinander  verschmolzen  sind,  son- 
dern daß  damit  gleichzeitig  auch  ganze  Sklerotomkomplexe  zusammen- 
geflossen sind  zur  Bildung  eines  einzigen  Wirbelkörpers,  während 
die  Bögen  teilweise  noch  auf  die  Zahl  der  Komponenten  schließen 
lassen.  Auch  das  Verhalten  der  Nerven  und  Blutgefäße  deutet  darauf 
hin;  trotzdem  letztere  bei  jedem  dieser  Wirbel  vorhanden  sind,  so 
liegen  sie  doch  ebenso  zu  einander,  wie  an  jenen  Stellen  (im  Schwanz), 
wo  sie  immer  erst  bei  je  dem  zweiten  Wirbel  auftreten  (Diplo- 
spondylie). 

Bis  dahin  ist  in  der  vorliegenden  Abhandlung  versucht  worden, 
die  zu  je  zwei  Paaren  auftretenden  oberen  und  unteren  Bögen  von 
einer  Zweiteilung  der  ursprünglichen  Skierotome  abzuleiten,  und  auch 
ferner  soll  es  unternommen  werden,  manche  an  der  Wirbelsäule  so- 
wohl bei  den  Bögen  als  auch  bei  der  Bildung  der  Wirbelkörper  selbst 
sich  bemerkbar  machenden  Erscheinungen  auf  diese  Ursache  oder  auf 
damit  zusammenhängende  Verschmelzungs-  und  Reduktionserscheinun- 
gen zurückzuführen,  da  diese  Erklärungsweise  bis  jetzt  mit  den 
Beobachtungen  am  besten  übereinstimmt. 

H.  Gadow  und  Miss  Abbott  (1895)  dagegen  legen  das  größte 
Gewicht  auf  die  S-förmige  Gestalt  der  —  sich  aus  je  einem  Myotom 
und  je  zwei  (einem  ventralen  und  einem  dorsalen)  Skierotomen  zu- 
sammensetzenden —  Protovertebrae  (Ursegmente),  deren  oberes  Ende 
sich  schwänz-  und  einwärts  biegt,  während  ihr  ventraler  Ab- 
schnitt und  ihre  mittlere  Partie  sich  kopfwärts  ausbauchen.  Diese 
S-förmige  Biegung  und  das  Uebereinandergreifen  der  protovertebralen 
Platten  ist  nach  ihnen  von  grundlegender  Bedeutung  für  das  Ver- 
ständnis der  Wirbelsäule,  weil  es  sowohl  das  fast  regelmäßige  Vor- 
kommen von  mehr  als  einem  dorsalen  und  einem  ventralen  Bogen- 
paar  (Basalia  und  Interbasalia  Gadow  und  Abbott)  in  jedem  der 
späteren  vertebralen  Segmente  der  Skleromeren  als  auch  die  so- 
genannte Neugliederung  der  Wirbelsäule  erklärt.  Eine  Rekonstruktion 
von  Schnitten  durch  den  Schwanz  eines  7  mm  langen  Embryos  von 
Scyllium  catulus  zeigt  nach  Gadow  und  Abbott  nämlich:  „daß 
1)  die  dorsale  Hälfte  vom  Skierotom  2  nach  unten  wächst  und  dann 
hinter  dem  ventralen  Skierotom  1  liegt,  2)  die  ventrale  Hälfte  des 
Skierotoms  2  vor  und  unter  der  dorsalen  Hälfte  von  Skierotom  3  sich 
befindet,  und  daß  3)  das  Zustandekommen  einer  physiologischen  Ein- 
heit durch  die  Kombination  oder  Verschmelzung  der  ungleich  nume- 
rierten Skierotomhälften  bewirkt  wird,  so  daß  die  dorsale  Hälfte  hinter 
und  oberhalb  der  ventralen  Hälfte  liegt.  Das  neue  Skleromer  I  (dorsales 
Skierotom  2,  ventrales  Skierotom  1)  steht  nun  in  folgender  Beziehung 
zu  den  Myomeren:  Das  dorsale  breite  Ende  des  Skleromer  I  koinci- 
diert  mit  dem  Myomer  I,  das  Septum  zwischen  Myomer  I  und  I,  1 
verläuft  zv/ischen  dem  dorsalen  Skierotom  2  und  ventralen  Skierotom  1, 
d.  h.  gerade  quer  über  dem  neuen  Skleromer  I.  Mit  anderen 
Worten,  dieses  Skleromer  liegt  innerhalb  des  Einflusses  oder  des  Be- 
reiches der  Wirkung  von  zwei  aufeinander  folgenden  Myomeren." 

„Wenn  A  und  B  zwei  aufeinander  folgende  Skierotome  sind,  a  und  b 
ihre  dorsale,  a  und  ß  ihre  ventralen  Hälften,  dann  setzt  sich  das  neue 

A  4-  B 

Skleromer  zusammen  aus  b  +  or  und  nicht  aus  — ^ — ,  weil  b  -f-  a  das 

27* 


420 


H.  Schauinsland, 


Fig.  221. 

ro 


3 


...k 


,  -sr^ 


Fig.  223. 
1) — r 


---^^_  spn 


m 


§ 


~2) 


m 


Fig.  221.  Das  in  Fig.  219  in  seitlicher  Ansicht  dargestellte,  unmittelbar  vor 
dem  Schwanz  hegende  8tück  der  Wirbeisäule,  von  der  ventralen  Seite  bei  der- 
selben Vergrößerung  betrachtet.  Rippen  u.  s.  w.  sind  nur  an  der  rechten  Seite  ge- 
zeichnet, ro  rostral  oder  kranial,  c  kaudal.  vhs  der  erste  geschlossene  untere  Schwanz- 
bogen, wk  Wirbelkörper,    iv  Intervertebralring.  wi  untere  Bögen,  r  Eippen.    Unter  den 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  421 

zahlreichen  an  den  unteren  Bögen  (Basalstümpfen)  liegenden  Knorpelstücken  läßt  es 
sich  kaum  mehr  unterscheiden,  was  als  „kraniale"  untere  Bögen  (Interkalarstücke) 
oder  als  Rippen  aufzufassen  ist,  wenngleich  es  sicher  ist,  daß  beide  Arten  von  Skelett- 
stücken vorhanden  sind.  Die  Abbildung  zeigt  auch,  daß  bei  den  letzten  Rumpf- 
wirbeln eine  ausgebildete  Rippe  immer  erst  auf  je  den  zweiten  Wirbel  fällt. 

Fig.  222.  Die  letzten  Rumpf-  und  die  ersten  Schwanzwirbel  von  einem  10  cm 
langen  Embryo  von  Mustelus  laevis.  Vergr.  9mal.  Methylenblaupräparat.  ?•  kranial. 
c  kaudal.  ^ük  Wirbelkörper,  iv  Intervertebralring.  ob  „kaudaler"  (in  Bezug  auf  den 
ursprünglichen  Skierotomabschnitt)  Bogen,  ob^  „kranialer"  Bogen  (Interkalarstück). 
üb  untere  Bögen,  r  Rippen,  isg  Intersegmentalgefäße;  ihre  Lage  zu  den  oberen 
Bögen  ist  meistens  durch  einen  kleinen  Ring  dargestellt,  vw  ventrale,  div  dorsale 
Nerven  Wurzel;  ihre  Austrittstellen  sind  meistens  nur  durch  Punkte  angegeben,  spn 
Spinalnerv.  Vom  ersten  Schwanzwirbel  (sw I)  an  kommt  wiederum  immer  nur  ein 
Spinalnerv  auf  je  zwei  Wirbelkörper.  Während  die  vorderen  Rumpf wirbel  —  der 
erste  links  abgebildete  gehört  noch  dazu  —  schmal  sind  und  regelmäßig  nur  je  einen 
„kaudalen"  und  einen  „kranialen"  oberen  Bogen  haben,  sind  die  letzten  Rurapf- 
wirbelkörper  von  sehr  bedeutender  Länge  und  besitzen  eine  ganze  Reihe  von  oberen 
Bögen.  Es  ist  wahrscheinlich,  daß  diese  Wirbel  durch  das  Verschmelzen  mehrerer 
entstanden  sind.  Die  Nerven  und  Blutgefäße  an  diesen  Wirbeln  verhalten  sich,  trotz- 
dem sie  hier  bei  jedem  Wirbel  vorhanden  sind,  gerade  so  wie  an  jenen  Stellen  im 
Schwänze,  an  denen  sie  sich  immer  nur  bei  je  dem  zweiten  Wirbel  vorfinden. 

Fig.  223.  Horizontaler  Längsschnitt  durch  die  ventrale,  die  erste  Anlage  der 
unteren  Bögen  darstellende  Leiste  (/),  um  die  Basalstumpf-Rippenanlage  (b—r)  und 
ihr  Verhalten  zum  transversalen  Septum  (s)  zu  zeigen.  Die  Chorda  (ch)  besitzt  hier 
keine  Abgrenzung  nach  rechts,  da  der  Schnitt  nur  den  ventralen  Teil  der  Chorda 
getroffen  hat  und  folglich  ihre  Hülle  schief  durchschneidet,  spn  Spinalnerv,  a 
Arteria,  v  Vena  intervertebralis.    m  Muskulatur.     Kopie  nach  E.  Göppert. 

„      .  ,      .     B  dorsal      ,  A  r^-  t^-h  •  • 

selbe  ist  wie  jr -\ -^ — z-^.      Diese     Bildungsweise      eines 

2  ventral  2  ® 

Skleromers  durch  Kombination  von  miteinander  alternierenden  Sklero- 
tom Hälften  erklärt  auch  die  Anwesenheit  von  acht  (vier  Paar)  Knorpel 
(Basalia  und  Interbasalia)  an  jedem  vollsändigen  Segment.''  —  Nennt 
man  die  pyramidale  Masse  von  skeletogenen  Zellen,  welche  von  der 
ventralen  Hälfte  des  Skierotoms  auswächst,  einfach  das  ventrale  Sklero- 
tom  oder  die  ventrale  Pyramide  und  die  aus  der  dorsalen  Hälfte 
hervorgehende  das  dorsale  Skierotom  oder  die  dorsale  Pyramide,  so 
„erstreckt  sich  jede  ventrale  Pyramide  mit  ihrer  Spitze  über  die  Chorda 
und  bildet  dort  (getrennt  von  der  ventralen  Masse  durch  das  rapide 
Wachsen  der  Chorda  und  ihrer  Scheiden)  einen  Zellhaufen,  welcher 
hinfort  hinter  der  basalen  Masse  der  dorsalen  Pyramide  bleibt;  diese 
letztere  gründet  vermittelst  ihrer  abwärts  wachsenden  Spitze  ebenfalls 
eine  Zellkolonie,  aber  unterhalb  der  Chorda  und  vor  der  basalen 
ventralen  Masse.  Auf  diese  Weise  werden  die  Basalia  und  Interbasalia 
erzeugt." 

Gadow  und  Abbott  unterscheiden  somit  unter  den  Bögen  (Arcualia) 
Basalia  und  Interbasalia  und  von  den  ersteren  wieder  ßasidorsalia 
(=  obere  Bögen,  Neuralbögen,  Neurapophysen  etc.  der  anderen  Autoren) 
und  Basiventralia  (=  untere,  ventrale,  hämale  Bögen,  Basalstümpfe 
der  Autoren)  und  trennen  ebenso  die  Interbasalia  in  die  Interdorsalia 
(=  Intercalaria  neuralia,  dorsale  Schaltstücke  u.  s.  w.)  und  in  die 
Interventralia  (=  Intercalaria  haemalia,  untere,  ventrale  Schalt- 
stücke u.  s.  w.). 

Zu  den  Basalia  zählen  sie  außerdem  noch  die  Supradorsalia  und 
Rippen,  sowie  Dorsi-  und  Ventrispinalia  und  zu  den  Interbasalia  die 
Suprainterdorsalia  und  die  Infraventralia  (Näheres  lese  man  im  Original 
p.  170  ff.  nach). 


422  H.  Schauinsland, 

„Jede  (der  oben  erwähnten)  Zellkolonieen  erhält  die  Fähigkeit,  sich 
zu  einem  unabhängigen  Knorpelstück  zu  entwickeln ;  das  Basidorsale 
verschmilzt  nicht  mit  dem  Interdorsale,  weil  beide  die  Abkommen  von 
zwei  verschiedenen  Skierotomen  sind,  und  das  Basidorsale  kann  sich 
auch  nicht  mit  seinem  eigenen  Sproß,  nämlich  dem  Interveutrale,  ver- 
einigen, weil  beide  durch  die  Chorda  und  ihre  Scheiden  getrennt 
wurden  und  es  auch  bleiben/' 

„Die  Anwesenheit  von  Interbasalien  neben  den  Basalien  ist  von 
fundamentaler  Bedeutung  sowohl  in  der  phylogenetischen  als  auch  in 
der  individuellen  Entstehung  des  Achsenskelettes.  Ihr  Vorkommen  ist 
nicht  eine  EigentümHchkeit  der  Elasmobranchier  und  Knorpelganoiden 
allein ;  sie  sind  von  den  Cyclostomen  an  bei  jedem  Fisch  und  bei 
jedem  anderen  Vertebraten  anwesend,  obgleich  nicht  immer  als  unab- 
hängige, typische  Interbasalia,  sondern  häufig  in  scheinbar  ganz  hetero- 
gene Teile  umgeändert." 

Diese  eben  kurz  mitgeteilte  Lehre  Gadow's  ist,  was  die  Ent- 
stehungsweise der  „Basalia  und  Interbasalia"  und  die  Ursache 
des  —  wenigstens  bei  höheren  Vertebraten  fast  immer  zu  beobachten- 
den —  Alternierens  der  Myomeren  mit  den  Skleromeren  (definitiven 
Wirbeln)  anbelangt,  von  späteren  Arbeiten  noch  nicht  bestätigt 
worden.  Im  Gegenteil  weisen  die  Beobachtungen  genügend  junger 
Stadien  bei  den  Elasmobranchiern  etc.  (vergl.  auch  die  bei  den  Holo- 
cephalen  gegebene  Darstellung)  darauf  hin,  daß  bei  der  Entstehung 
des  Skierotoms  die  S-förmige  Gestalt  des  Ursegmentes  entweder  noch 
gar  nicht  vorhanden  ist  oder  wenigstens  nicht  die  von  Gadow  ange- 
nommene große  Rolle  spielt.  Es  thut  vor  allem  not,  daß  die  Gadow- 
schen  Angaben  in  seinen  sonst  vortrefflichen  Arbeiten,  bevor  sie  zu 
einer  Grundlage  für  die  Betrachtung  der  Wirbelsäule-Genese  ge- 
macht werden  können,  durch  gute,  die  Präparate  wirklich  wieder- 
gebende Abbildungen,  anstatt  durch  rein  theoretisch  konstruierte  dia- 
grammatische Skizzen  oder  Wirbelanalysen  erläutert  werden,  deren  Ver- 
ständnis überaus  schwierig  bleibt.  — 

Zum  Schluß  ist  noch  daran  zu  erinnern,  daß,  wie  bei  den  Holo- 
cephalen,  auch  bei  den  übrigen  Elasmobranchiern,  vor  allem  namentlich 
bei  den  Rochen,  in  späteren  Stadien  eine  Konkrescenz  des  vordersten 
Teiles  der  Wirbelsäule  stattfindet,  der  dabei  bisweilen  sogar  (bei 
einigen  Haien)  auch  mit  dem  Schädel  verschmilzt.  Der  Grund  hierfür 
ist  sowohl  in  einer,  durch  die  Nachbarschaft  des  Schädels  bedingten 
Unbeweglichkeit  der  ersten  Wirbel  zu  suchen  (so  bei  den  Haien),  oder 
in  der  Wirkung  einer  den  Schädel  bewegenden  Muskulatur,  wenn  es 
(Rochen)  zur  Ausbildung  einer  gelenkigen  Verbindung  zwischen 
Cranium  und  Wirbelsäule  kommt. 

Bei  Aetobates  narinari  (Euphras.)  findet  ein  derartiges  Ver- 
schmelzen erst  in  ziemlich  späten  postembryonalen  Stadien  statt 
(Schauinsland  1900)  und  erstreckt  sich  nur  auf  die  äußeren,  aus 
den  Bogenbasen  bestehenden  Teile  der  Wirbelkörper.  Innerhalb  dieser 
einheitlichen  Hülle  verharren  jedoch  die  stark  reduzierten,  verkalkten 
Doppelkegel  der  primären  Wirbelkörper  in  unverschmolzenem  Zu- 
stande und  verwachsen  nicht  miteinander,  was  übrigens  auch  bei 
Trygon,  Rhinobatus  etc.  der  Fall  ist,  während  bei  Raja  z.  B.  später 
keine  Spur  von  primären  Wirbelkörpern  mehr  vorhanden  ist. 

Endlich  zeigte  (Rosenberg  1882  und  1884),  daß  bei  manchen 
Haifischen,   so   vor   allem    bei   Carcharias,  Wirbel,    die   embryonal   als 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  imd  Brustbein.  423 

richtige  freie  Wirbel  vorhanden  sind,  postembryonal  in  den  Occipital- 
teil  des  Schädels  sekundär  einbezogen  werden;  doch  das  sind  Vor- 
gänge, deren  Beschreibung  bereits  zu  den  Aufgaben  des  folgenden, 
den  Schädel  behandelnden  Kapitels  gehört. 

Kii)peii.  Zum  ersten  Mal  in  der  Reihe  der  Wirbeltiere  begegnen 
wir  bei  den  Haien  und  Rochen  Skelettteilen,  welche  von  dem  System 
der  unteren  Bögen  sich  herleiten,  und  denen  die  physiologische 
Aufgabe  zufällt,  den  in  der  Leibeshöhle  befindlichen  Organen  Schutz 
zu  gewähren. 

Während  früher  die  Neigung  vorhanden  war,  die  Rippen  der 
Vertebraten,  im  besonderen  die  der  Fische,  insgesamt  als  homo- 
loge Bildungen  anzusehen  (Hasse  und  Born  1879,  Balfour  und 
Parker  1882,  Grassi  1883,  L.  Dollo  1892),  macht  man  jetzt  in 
Bezug  auf  ihre  Lage  zur  Muskulatur  meistens  einen  Unterschied  unter 
ihnen,  zwischen  oberen  Rippen  (bei  Selachiern,  Amphibien,  Amni- 
oten  und  zum  Teil  auch  bei  den  Crossopterygiern)  und  unteren 
Rippen  (bei  den  Ganoiden,  Teleostiern  und  Dipneusten). 

Um  diese  Unterschiede  beurteilen  zu  können,  wird  man  zunächst 
einen  Blick  auf  die  Stammesmuskulatur  und  die  sie  durchsetzenden 
Scheidewände  (Septen)  werfen  müssen.  Die  dorsale  (oder  epaxo- 
nische)  und  die  ventrale  (oder  hypaxonische)  Muskulatur  wird  jeder- 
seits  durch  ein  horizontales  Septum  voneinander  getrennt.  Die 
beiderseitigen  Hälften  der  Stammesmuskulatur  werden  dagegen  durch 
ein  dorsales  und  ventrales  sagittales  Septum  geschieden.  Die 
einzelnen  Muskelsegmente  oder  Myomeren  werden  gesondert  durch 
die  transversalen  Septen  (intersegmentale  Muskelsehnen  Goette's), 
welche  den  ursprünglichen,  die  einzelnen  Myotome  abgrenzenden 
Myosepten  entsprechen.  Die  transversalen  und  horizontalen  Muskel- 
septen  müssen  sich,  wie  leicht  einzusehen  ist,  an  bestimmten  Stellen 
schneiden. 

Die  Vertebratenrippen  liegen  nun  zwar  stets  in  den  trans- 
versalen Myosepten;  teils  finden  sie  sich  aber  in  den  medialen 
Rändern  derselben  in  unmittelbarer  Nachbarschaft  des  Peritoneums 
—  es  sind  das  die  unteren  Rippen  —  teils  an  den  Kreuzungslinien 
der  Transversalsepten  und  der  horizontalen,  dorsale  und  ventrale 
Seitenmuskulatur  voneinander  trennenden  Scheidewände,  und  w^erden 
dann  obere  Rippen  genannt  (Göppert  1895). 

Nachdem  bereits  A.  Müller  1853  die  Muskeln  herangezogen 
hatte,  um  Klarheit  in  die  Morphologie  der  Rippen  zu  bringen,  war 
es  vor  allen  Goette  (1878  und  1879),  der  auf  Grund  ihrer  ungleichen 
Lage  die  Notwendigkeit  betonte,  zweierlei  völlig  verschiedene  Arten 
von  Rippen  bei  den  Fischen  anzunehmen.  Ihm  folgten  in  diesen  An- 
schauungen Hatschek  1889,  Rabl  1892,  Wiedersheim  1893  und 
endlich  nach  vorangegangenen  Zweifeln  auch  Gegenbaur  1876  und 
1898  (in  seinem  Lehrbuch). 

Die  Selachierrippen  sind  also,  wie  gesagt,  nach  der  Annahme 
der  meisten  neuen  Forscher  obere  Rippen,  wenigstens  in  ihrer  über- 
wiegenden Mehrheit,  und  soweit  sie  überhaupt  physiologisch  in  Funktion 
treten. 

Was  die  Art  ihrer  Entstehung  anbelangt,  so  ist  auch  bei 
diesem  Punkt  wieder  über  zwei  verschiedene  Anschauungen  zu  be- 
richten, deren  eine  als  hauptsächlichsten  Vertreter  C.  Rabl  hat.  Dieser 
hält  (1893)  die  Selachierrippen  für  Produkte  des  axialen  Bindegewebes, 


424  H.  Schauinsland, 

die  zu  keiner  Zeit  als  direkte  Verlängerungen  oder  als  seitliche  Fort- 
sätze der  ventralen  Bögen  und  Bogenstümpfe  erscheinen,  sondern 
von  Anfang  an  selbständige  Bildungen  darstellen.  Sie  sind  daher 
weder  abgegliederte  ventrale  Bögen,  noch  abgegliederte  Seitenfortsätze 
solcher  Bögen,  sondern  selbständige  Skelettstücke,  welche  syndesmotisch 
mit  den  ventralen  Bögen,  bezw.  Bogenstümpfen  in  Zusammenhang 
stehen.  Somit  kann  man  sagen,  daß  die  Rippen  der  Ganoiden  und 
Teleostier  und  wohl  auch  der  Dipneusten  an  den  Durchschnittslinien 
der  transversalen  Muskelsepten  und  des  subperitonealen  Bindegewebes 
und  zwar,  wie  es  scheint,  in  direktem  Zusammenhang  mit  den  ventralen 
Bogenstümpfen  entstehen  ;  die  Rippen  der  S  e  1  a  c  h  i  e  r ,  Amphibien 
und  Amnioten  dagegen  an  den  Durchschnittsstellen  des  transversalen 
und  des  horizontalen  Muskelseptums  und  zwar  unabhängig  von 
der  Wirbelsäule  als  selbständige  Gebilde.  Die  Stelle  des 
Ansatzes  der  Rippen  an  der  Wirbelsäule  hängt  aber  einzig  und  allein 
von  der  Lage  des  horizontalen  Muskelseptums  ab. 

Vor  Rabl  hatten  bereits  Bruch  (1863  und  1867),  Fick  (1878), 
KÖLLiKER  (1879),  (Lehrbuch,  2.  Aufl.),  sowie  Hasse  und  Born  (1879) 
für  verschiedene  Vertreter  der  Vertebraten,  namentlich  Amphibien, 
ebenfalls  behauptet,  „daß  die  Rippen  selbständige  Bildungen  des 
intermuskulären  Bildungsgewebes  der  Myomeren  sind''  (Hasse  und 
Born). 

Andererseits  vertrat  aber  Gegenbaur  schon  immer  die  Ansicht, 
daß  die  Rippen  ihren  Ausgangspunkt  von  den  unteren 
Bögen  der  Wirbelsäule  nehmen,  und  daß  sie  nicht  etwa  weiter 
von  ihrer  späteren  Anlagestelle  entstandene,  erst  sekundär  mit  den 
Wirbeln  in  Verbindung  getretene  Skelettteile,  sondern  wirkliche  „Ab- 
gliederungen  von  der  Wirbelsäule  wären".  Man  kann  sich 
nach  ihm  demnach  vorstellen,  daß  die  Rippen  als  Verlängerungen  der 
primitiven  Basalstümpfe  allmählich  in  die  Myosepten  hineingewachsen 
sind.  Ontogenetische  Untersuchungen  der  Rippenentwickelung  der 
Selachier  seitens  Goette's  (1878),  Balfour's  (1878),  Göppert's  (1895) 
unterstützten  diese  Auffassung  durchaus,  da  sie  die  embryonale  An- 
lage der  Rippen  in  kontinuierlichem  Zusammenhang  mit  dem  Basalstumpf- 
knorpel,  der  sie  trägt,  fanden.  Auch  wir  werden  uns  dieselbe  zu  eigen 
machen,  und  zwar  nicht  nur  für  die  Rippen  der  Selachier  allein,  son- 
dern für  die  der  gesamten  Wirbeltiere. 

Wir  halten  demnach,  um  es  nochmals  zu  sagen,  die  Selachier- 
rippen  in  ihrer  Mehrheit  für  obere  Rippen  und  in  Bezug  auf  diese 
Lage  also  für  verschieden  von  den  unteren  Rippen,  wollen  jedoch, 
abgesehen  hiervon,  nicht  so  weit  gehen,  diese  beiden  Typen  in  grund- 
sätzlichen Gegensatz  zu  einander  zu  bringen,  da  beide  ja  Ab- 
gliederungen  der  unteren  Bögen  sind  und  in  dieser  Form  sogar  an  ein 
und  demselben  Wirbel  vorkommen  können  (Schauinsland). 

Was  nun  den  Entwickelungsvorgang  der  S  e  1  a  c  h  i  e  r  r  i  p  p  e  selbst 
anbelangt,  so  verläuft  er  nach  Göppert  (1895)  bei  Mustelus  vulgaris, 
Scyllium  canicula,  Pristiurus  melanostomus  und  Torpedo  ocellata,  mit 
seinen  Worten  geschildert,  auf  folgende  Weise  (Fig.  223  u.  224) : 

„In  einem  Stadium,  in  welchem  gesonderte  Skelettanlagen  noch 
fehlen  (Torpedo  15  mm),  steht  jedes  transversale  Myoseptum  mittelst 
eines  Bezirkes  dichterer  Zellenanordnung  mit  dem  perichordalen  Ge- 
webe, das  sich  durch  dichteres  Gefüge  vor  dem  Gewebe  der  weiteren 
Umgebung  auszeichnet,  im  Zusammenhang. 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  425 

Weiterhin  entstehen  im  perichordalen  Gewebe  der  Chorda  entlang 
jene  beiden  Leistenpaare,  —  die  wir  als  erste  Anlage  der  oberen  und 
unteren  Bögen  oben  bereits  kennen  lernten  —  wobei  die  Verbindung 

el     a.interv. 


-nl 


—  Spn 


Fig.  224.  Querschnitt  durch  die  Basalstumpf-ßippenanlage  in  den  vorderen 
Teilen  des  Rumpfes  eines  48  mm  langen  Mustelus  vulgaris  nach  E.  Göppert.  Vergr. 
120mal.  b  ßasalstumpf.  r  Rippe,  a  in  der  Entwickelung  zurückgebliebener  Teil 
der  Basalstumpf-Rippenanlage.  chsch  Chordascheide,  el  Elastica.  Ao  Aorta,  a. 
interv.  Arteria  intervertebralis.    Spn  Spinalnerv,    nl  Nervus  lateralis,    m  Muskulatur. 

mit  den  Myosepten  erhalten  bleibt.  Die  Zellbrücken,  die  den  Zu- 
sammenhang vermitteln,  grenzen  sich  als  Stränge  schärfer  gegen  die 
Umgebung  ab  und  bleiben  medial  in  kontinuierlichem  Zusammenhang 
mit  den  ventralen  Leisten.  Lateral  gehen  sie  ohne  Grenze  in  das 
noch  indifferente  Gewebe  der  Myosepten  über. 

In  den  ventralen  Leisten  sind  die  Anlagen  der  Basen  der  Basal- 
stümpfe  enthalten.  Die  beschriebenen  Stränge  entsprechen  den  late- 
ralen Enden  der  späteren  Basalstümpfe  und  den  medialen  der  späteren 
Rippen.  Das  ist  also  ein  Stadium,  in  welchem  der  mediale  Teil  einer 
einheitlichen  Basalstumpf-Rippenanlage  zur  Sonderung  gelangt  ist. 

Innerhalb  der  ventralen  Leisten  sondern  sich  die  den  Basal- 
stümpfen  zugehörigen,  vertebralen  Teile  durch  Auftreten  hyaliner 
Intercellularsubstanz  von  den  intervertebralen  Abschnitten.  Ferner 
sondert  sich  lateralwärts  fortschreitend  innerhalb  des  Gewebes  der  trans- 
versalen Myosepten  ein  Strang  von  dicht  angeordneten  Zellen  in  der 
direkten  Fortsetzung  des  früher  ausgebildeten  Abschnittes  der  Basal- 
stumpf-Rippenanlage. Er  entspricht  dem  Hauptteil  der  späteren  Rippe. 
Das  Gewebe  des  Septums  nimmt  im  übrigen  ein  lockeres  Gefüge  an. 
Damit  ist  die  einheitliche  Basalstumpf-Rippenanlage  in  ihrer  ganzen 
Ausdehnung  entwickelt. 

Jetzt  entsteht  auch  im  Bereich  der  späteren  Rippe  hyaline  Inter- 
cellularsubstanz zwischen  den  Elementen ,  und  zwar  beginnt  dieser 
Prozeß  innerhalb  der  Anlage  medial  und  schreitet  lateralwärts  fort. 
Es  bleibt  also  ein  Bezirk,  der,  wie  aus  dem  Vergleich  mit  älteren  Stadien 
ersichtlich,  der  Gegend  der  späteren  Abgliederungsstelle  der  Rippe 
entspricht,   noch   eine   kurze  Zeit   auf  dem  Entwickelungszustand  des 


426  H.  Schauinsland, 

vorhergehenden  Stadiums.  Diese  Zone  ist  bei  Scyllium  und  Pristiurus 
schmaler  als  bei  Mustelus.  Die  Einheit  der  Anlage  bleibt  dabei  voll- 
kommen bestehen. 

Bald  holt  der  zurückgebliebene  Teil  der  Anlage  die  übrigen  Teile 
ein.  Wir  haben  dann  eine  durchweg  hyalin-kuorpelige,  einheitliche 
Basalstumpf-Ptippenanlage.  Die  spätere  Abgliederungsstelle  ist  aber 
noch  dadurch  kenntlich,  daß  hier  die  Knorpelgrundsubstanz  schwächer 
entfaltet  ist  als  in  der  Nachbarschaft, 

Später  trennt  sich  die  Basalstumpf-Rippenanlage  an  der  bereits  an- 
gezeigten Stelle  in  Basalstumpf  und  Rippe,  indem  hier  die  Knorpel- 
grundsubstanz  fibrillär  zerfällt  und  damit  eine  ligamentöse  Verbindung 
entsteht.  Die  frühzeitig  auftretenden  Besonderheiten  der  Abgliede- 
rungsstelle, sowie  der  Abgliederungsvorgang  selbst  sind  veranlaßt 
durch  die  Aktionen  der  Seitenmuskulatur.'' 

Wenn  gesagt  wurde,  daß  die  Rippen  regulär  als  Abgliederungen 
der  unteren  Bögen  zu  betrachten  seien,  so  ist  dabei  doch  nicht  aus- 
geschlossen, daß  unter  Umständen  nicht  auch  Fälle  zur  Beobachtung 
kommen  können,  in  denen  sie  scheinbar  selbständig  im  Bindegewebe 
des  Myoseptums  entstehen.  So  lösen  nicht  selten  die  hintersten 
Rippen  frühzeitig  ihre  Verbindung  mit  der  Wirbelsäule  und  hängen 
dann  nur  durch  Bindegewebe  locker  mit  ihr  zusammen.  Diese  Rippen 
sind  ofifenbai-  aber  nur  rudimentär,  und  daher  ist  jene  Erscheinung 
auch  nur  als  eine  sekundäre  aufzufassen. 

Nicht  anders  sind  jene  Fälle  anzusehen,  in  denen  man  an  Stelle 
einer  einheitlichen  Rippe  nur  einige  lose  zusammenhängende  Knorpel- 
stücke im  Bindegewebe  des  Myoseptums  liegen  sieht  (Schauinsland), 
wie  z.  B.  in  den  vorderen  und  hinteren  Rumpfpartieen  von  Carcharias- 
embryonen  (Fig.  217,  218). 

In  späteren  Stadien  sind  die  Rippen  den  unteren  Bögen,  oder 
Basalstümpfen,  meistens  beweglich  vermittelst  eines  Bandapparates 
angegliedert.  Bisweilen  machen  sich  auch  bereits  die  ersten  An- 
zeichen einer  gelenkigen  Verbindung  bemerkbar  (z.  B.  bei  Acanthias 
vulgaris,  Göppert  1895).  Bei  Raja  dagegen  finden  sich  die  allein 
vorhandenen  vordersten  Rippen  (Goette  1878)  in  fester  Kontinui- 
tät mit  den  Basalstümpfen;  es  ist  hier  demnach  wohl  die  Abgliederung 
der  Rippen  von  den  Bögen  unterblieben,  ein  Umstand,  der  sicher  für  die 
Identität  dieser  beiden  Skelettstücke  spricht  (Schauinsland).  Da, 
wie  wir  oben  sahen,  bei  den  Rochen  die  unteren  Bögen  vom  Schwänze 
an  kopfwärts  immer  mehr  dorsal  emporrücken  (siehe  auf  Fig.  212  u.  219), 
so  nehmen  die  an  ihnen  befindlichen  Rippen  daran  auch  teil  und  er- 
scheinen dann  in  extremen  Fällen,  ähnlich  wie  bei  den  höheren  Verte- 
braten,  fast  als  Fortsätze  der  oberen  Bögen,  was  selbstverständhch 
nur  eine  sekundäre  Erscheinung  ist,  — 

Weil  die  unteren  Bögen  häufig  ebenso  wie  die  oberen  in  doppel- 
ter Anzahl  auftreten  (untere  Bögen  und  Interkalarstücke)  und  dieses 
Vorkommen  wohl  auch  als  der  primäre  Zustand  aufzufassen  ist,  so 
ist  von  vornherein  anzunehmen,  daß  auch  die  Abgliederungen 
der  unteren  Bögen  ursprünglich  in  zweifacher  Zahl 
an  jedem  Wirbel  bezw.  jedem  Segment  zu  finden  sein 
werden.  Daß  Andeutungen  hiervon  bei  den  Selacliiern  und  vor- 
nehmlich bei  embryonalen  Stadien  vorkommen,  erscheint  zweifellos 
(Schauinsland).  Man  durchmustere  die  genauen  Abbildungen  der 
einschlägigen    Verhältnisse   im    Rumpfe   und   auch   im    Schwänze   von 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  427 

Carcharias-  und  Torpedoembryonen  (Fig.  215a,  215b,  216,  217,  218,  219, 
221),  und  man  wird  finden,  daß  dort  als  Spuren  zweifacher  Rippen 
zu  deutende  Knorpelstücke  sicherlich  vorhanden  sind,  wenngleich  man 
auch  oft  im  Zweifel  sein  wird,  ob  man  jene  Skelettteile  als  „Inter- 
kalarstücke''  oder  als  abgetrennte  zweite  Rippen  anzusehen  hat.  Nicht 
selten  wird  für  die  Beurteilung  die  Kenntnis  des  Verlaufes  der  seg- 
meutalen  Blutgefäße  dabei  von  Nutzen  sein,  aus  der  es  sich  auch 
ergibt,  daß  die  in  Funktion  tretende  Rippe  meistens  kranial  von  dem 
Gefäß  liegt  (also  dem  kaudalen  Skierotomstück  angehört). 

Am  Anfang  der  Kaudalregion  kommen  bisweilen  untere  Bögen, 
die  sogar  zur  Bildung  des  Kaudalkanals  ventral  geschlossen  sind, 
und  obere  Rippen  vor,  so  bei  Torpedo  (Goette  1878)  und  Pristiurus 
(GÖPPERT  1895). 

Andererseits  fand  Goette  bei  Carcharias  die  Enden  der  besonders 
langen  ventralen  Bögen  in  der  hinteren  Rumpf-  und  der  vorderen 
Schwanzregion  mehrfach  abgegliedert,  und  etwas  Aehnliches  beobachtete 
GÖPPERT  auch  bei  Cestracion  Philippi.  Beide  Autoren  sind  geneigt, 
die  betreffenden  Stücke  als  Reste  von  unteren  Rippen  (Pleural- 
bögen)  aufzufassen,  und  Göppert  hält  es  für  wahrscheinlich,  daß  die 
Vorfahren  der  heutigen  Selachier  auch  untere  Rippen  besessen  haben, 
die  später  aber  —  von  vorne  nach  hinten  vorschreitend  —  rück- 
gebildet wären. 

Wie  dem  aber  auch  sein  mag,  mancherlei  weist  darauf  hin,  daß 
in  vielen  Fällen  als  der  ursprüngliche  Zustand  das  Vorhandensein  von 
zwei  Rippen  in  jedem  Segment  anzusehen  ist,  die  sich  in  Bezug  auf 
ihre  Lage  oft  als  obere  und  untere  unterscheiden  lassen.  Eine  Er- 
klärung für  dieses  Verhalten  wird  man  teils  darin  zu  suchen  haben, 
daß  sowohl  der  kraniale  als  auch  der  kaudale  ursprüngliche  Skierotom- 
abschnitt je  eine  Rippe  zu  produzieren  im  stände  ist,  teils  darin  finden, 
daß  die  unteren  Bögen  offenbar  die  Fähigkeit  besitzen,  obere  und 
untere  Fortsätze  gleichzeitig  auszusenden.  (Vergleiche  auch 
Ganoiden  und  Teleostier.) 

Granoiden. 

Hauptsächlichste  Litteratur:  Meckel  1824;  v.  Bär  1828;  J.Müller  1844  u. 
1846;  Leydig  1853  u.  1857;  v.  Kölliker  1860  u.  1870;  Gegenbaur  1867;  W. 
MtTLLER  1871;  Goette  1878  u.  1897;  Bridge  1879;  Balfour  u.  Parker  1882; 
Hasse  1883  u.  1894;  Shufeld  1885;  Lwoff  1887;  Jw^anzoff  1887;  Schmidt 
1892;  Klaatsch  1893  u.  1895;  Hay  1895;  Gadow  u.  Abbott  1895;  v.  Ebner 
1895,  1896,  1897. 

Während  bei  der  überwiegenden  Mehrzahl  der  Elasmobranchier 
an  dem  Bau  der  Wirbelsäule  nicht  nur  die  Chorda  und  ihre  Derivate, 
sondern  bereits  auch  die  aus  den  Ursegmenten  herstammenden  Ele- 
mente in  hervorragender  Weise  beteiligt  waren,  so  daß  es  mit  ihrer 
Hilfe  zur  Ausbildung  hochentwickelter  Wirbelkörper  kam,  sehen  wir 
bei  dem  einen  Teil  der  Ganoiden,  den  K  n  o  r  p  e  1  g a  n  o  i  d  e  n  ,  wieder- 
um ein  Zurücktreten  des  perichordalen  Baumaterials.  Die  Chorda  und 
ihre  Scheiden  sind  es  bei  letzteren  hauptsächlich,  die  die  Wirbelsäule 
bilden  und  die  zeitlebens  in  ihrem  Wachstum  weiterschreiten,  so  daß  sie 
eine  sehr  beträchtliche  Mächtigkeit  erreichen.  Sie  stimmen  hierin  also 
vollständig  mit  den  Cyclostomen  überein.  Obere  und  untere  Bögen  er- 
langen jedoch  eine  größere  Bedeutung  wie  bei  diesen,  wenngleich  sie 
auch   nicht   so   weit   geht,    daß   es   mit  ihrer   Hilfe   zur   Bildung  von 


428  H.  Schauinsland, 

Wirbelkörpern  kommt.  Diese  ermangeln  den  Knorpelganoiden  mit 
Ausnahme  etwa  des  allervordersten  Abschnittes  der  Wirbelsäule  voll- 
ständig. Ebenso  fehlt  eine  Einwanderung  von  niesodermalem  Zellmate- 
rial aus  den  Bogenbasen  in  die  Chordascheide,  wie  wir  es  bei  den 
Elasmobranchiern  antrafen  und  bei  den  Dipneusten  noch  finden  werden, 
durchaus. 

Zum  ersten  Mal  in  der  Tierreihe  begegnen  wir  bei  den  Knorpel- 
ganoiden wirklichen  Knochen,  wenn  auch  erst  nur  in  sehr  geringer 
Mächtigkeit.  Trotzdem  ist  es  aber  gerade  diese  Gewebsform,  die 
fortan  berufen  ist,  auch  bei  der  Wirbelsäule  einen  weitgehenden  Ein- 
fluß auszuüben  und  in  einen  gewissen  Wettbewerb  mit  dem  bis  dahin 
allein  herrschenden  Knorpel  zu  treten,  der  schließlich  immer  mehr 
und  mehr  zu  Ungunsten  des  letzteren  ausfällt.  Bereits  bei  den 
Knochenganoiden  ist  das  im  hohen  Grade  der  Fall  und  wird 
hier  noch  dadurch  begünstigt,  daß  bei  diesen  mit  Hilfe  der  Bögen 
richtige  Wirbelkörper  zur  Entwickelung  gelangen,  die  in  den 
meisten  Fällen  einer  vorangehenden  knorpeligen  Anlage  sogar  zum 
größten  Teil  entbehren. 

Es  kann  dabei  nicht  ausbleiben,  daß  bei  diesen  Ganoiden  (den 
Knochenganoiden)  durch  die  Wirbelkörperbildung  eine  Beein- 
flussung der  Chorda  und  ihrer  Scheiden  stattfindet;  wir  treffen  letztere 
daher  hier  zwar  noch  in  einer  im  Prinzip  mit  den  Knorpelganoiden 
übereinstimmenden  Entwickelung  an,  können  an  ihnen  aber  ein  starkes, 
quantitatives  Zurücktreten  bemerken.  Die  Chorda  und  ihre  Derivate 
haben,  namentlich  in  späteren  Stadien,  gegenüber  dem  aus  den  Urseg- 
menten  abstammenden  Baumaterial  der  Wirbelsäule  ganz  beträchtlich 
an  Bedeutung  verloren,  am  wenigsten  noch  bei  den  im  paläontologischen 
Sinne  wahrscheinlich  älteren  Crossopterygiern,  in  höherem  Grade  bei 
den  übrigen  Vertretern  der  Knochenganoiden,  namentlich  Lepidosteus. 

In  Bezug  auf  die  einzelnen  Entwickelungsvorgänge  selbst,  wenden 
wir  uns  zunächst  den 

Knorpelganoiden 

zu.  Nach  den  Untersuchungen  von  Leydig  (1853),  Kölliker  (1860 
1870),  Gegenbaur  (1867),  Goette  (1878),  Hasse  (1883,  1894) 
Klaatsch  (1893,  1895),  v.  Ebner  (1895,  1896,  1897),  Gadow  und 
Abbott  (1895),  Schauinsland  u.  A.  vollzieht  sich  bei  diesen  die  Ent- 
wickelung der  Wirbelsäule  auf  folgende  Weise:  Bei  ganz  jungen 
Stören  (48  Stunden  nach  der  Befruchtung)  wird  die  dicke  cylin- 
drische  Chorda  aus  noch  nicht  vakuolisierten,  reichlich  mit  Dotter- 
körnchen erfüllten  Zellen  zusammengesetzt,  deren  Grenzen  sich  nicht 
genau  bestimmen  lassen.  An  der  Peripherie  dieses  Chordastranges  findet 
sich  bereits  jetzt  eine  vollkommen  gleichmäßige  zarte  Cuticula  (Hasse 
1894),  während  perichordale  Zellen  in  dieser  Zeit  noch  nicht  vor- 
kommen. —  Bei  einem  etwa  6  Tage  alten  Embryo  ist  die  Vakuolen- 
bildung  in  den  Chordazellen  bereits  weit  vorgeschritten  (Fig.  225) ;  es 
ist  kein  Grund  vorhanden,  anzunehmen,  daß  diese  auf  eine  andere 
Weise  erfolgt  ist,  wie  sie  z.  B.  oben  bei  den  Holocephalen  näher  ge- 
schildert und  von  Goette  zum  ersten  Mal  bei  den  Teleostiern  mit- 
geteilt wurde.  Jedenfalls  ist  diese  Annahme  bedeutend  wahrschein- 
licher als  etwa  die  Ansicht  Lwoff's  (1887),  daß  die  Vakuolen  durch 
Desorganisation  der  Zellen  und  gleichzeitiges  Auftreten  von  Gasen  in 
der  Chordasubstanz  entständen,  eine  Angabe,  die  bis  jetzt  noch  keine 
Bestätigung  gefunden  hat. 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  429 

Gleichzeitig  mit  den  Vakuolen  in  der  Chorda  hat  sich  eine  proto- 
plasmatische   Rindenschicht  —  Chordaepithel   (Leydig,    Gegenbaur) 

—  ausgebiklet,  und  wahrscheinlich  in  direktem  Zusammenhang  damit 
lassen  sich  von  nun  an  —  bei  4— 6-tägigen  Embryonen  (Schauins- 
land) —  an  der  bis  dahin  einheitlichen  Scheide  der  Chorda  zwei 
Lagen  unterscheiden,  eine  äußere,  vorläufig  noch  sehr  dünne  und  eine 
innere  dickere  (Fig.  226).  Bei  älteren  Embryonen  werden  dann  die 
beiden  Lamellen  cler  Chordascheide  von  größter  Deutlichkeit  (Hasse 
1894,  Klaatsch  1895,  Schauinsland)  —  siehe  Fig.  227  — .  Wir 
haben  also  auch  hier  wieder  die  wohl  für  alle  Ichthyopsiden  typischen 
beiden  Scheiden  der  Chorda,  die  elastische  —  die  äußere  —  und 
die  Faser  seh  ei  de  —  die  innere  der  beiden  Lamellen.  Wahr- 
scheinlich wird  auch  bei  den  Ganoiden  die  erstere  derselben  von  der 
Chorda  vor  ihrer  Vakuolisierung  abgeschieden  (daher  primäre  Chorda- 
scheide von  Klaatsch  genannt)  und  die  letztere  (die  sekundäre 
Chordascheide,  Klaatsch)  von  dem  mit  der  Vakuolenbildung  gleich- 
zeitig auftretenden  Chordaepithel. 

Die  Behauptung  Lwoff's,  daß  die  gesamte  Chordascheide,  sowohl 
die  elastische  als  auch  die  faserige,  nicht  von  der  Chorda,  sondern  von 
dem  sie  umgebenden  perichordalen  Bindegewebe  erzeugt  würden,  und 
daß  innerhalb  der  Faserscheide  Zellen  vorkämen,  aus  denen  die  in  ihr 
später  vorhandenen  Fibrillen  sich  entwickelten,  ist  als  eine  irrtüm- 
liche anzusehen.  Ebenso  ist  die  Angabe  Kölliker's  und  Retzius' 
über  die  Gegenwart  einer  Elastica  interna  zwischen  Faserscheide 
und  Chordaepithel  nicht  bestätigt  worden,  v.  Ebner  u.  A.  geben 
vielmehr  mit  Bestimmtheit  an,  daß  sich  außer  in  der  Elastica  externa 

—  die  als  elastische  Membran  zuerst  von  Leydig  beschrieben 
wurde  —  keine  elastischen  Fasern  in  der  Chordascheide  des  Störs 
nachweisen  lassen. 

Die  ganze  Chordascheide,  deren  bemerkenswerte  Uebereinstimmung 
mit  den  Zuständen  bei  den  Cyclostomen  namentlich  Goette  zuerst 
betonte,  erreicht  später  eine  beträchtliche  Stärke  und  zeigt  dann 
histologisch  einen  recht  komplizierten  Bau  (v.  Ebner  1896,  1897). 
Die  leim  geben  de  Faser  scheide  besitzt  drei  Schichten,  welche 
sich  durch  die  Anordnung  der  Faserbündel  unterscheiden.  Der  Ver- 
lauf derselben  und  ihre  Wellenbiegungen  sind  im  allgemeinen  ganz 
ähnlich  wie  bei  den  Cyclostomen  (vergl.  diese),  und  auch  bei  den 
Stören  sind  als  äußerer  Ausdruck  ihrer  Anordnung  die  vier  charak- 
teristischen Nahtlinien  an  der  Oberfläche  der  Chordascheide  kenntlich. 
Bei  Acipenser  kommt  aber  zu  den  Wellenbiegungen  der  Bündel, 
parallel  zur  Oberfläche  der  Chorda,  noch  eine  Durch  flechtung 
derselben  in  transversalen  Ebenen  hinzu. 

Die  elastische  Scheide  ist  von  zahlreichen  runden  Löchern 
durchbohrt  und  zeigt  eine  Zusammensetzung  aus  quer  verlaufenden, 
spindelförmigen,  dicht  aneinander  gefügten  Fasern ;  sie  steht  an  ihrer 
Außenseite  in  Zusammenhang  mit  elastischen  Fasern ,  die  in  das 
skelettbildende  Gewebe,  zum  Teil  auch  in  die  der  Elastica  dicht  an- 
liegenden Bogenknorpel  eindringen  (Klaatsch,  v.  Ebner). 

Die  Chorda  wächst  zeitlebens  weiter  und  stellt  einen  sehr 
voluminösen,  derben  Cylinder  dar,  der  für  die  Festigkeit  der  Wirbel- 
säule von  nicht  zu  unterschätzender  Bedeutung  ist.  Sie  besteht  durch 
und  durch  aus  einer  zelligen  Masse  ohne  größere  Hohlräume.  Die 
Membranen  der  einzelnen  kleinen  Vakuolen  zeigen  keine  deutlich 
fibrilläre  Struktur  (v.  Ebner). 


430  H.  Schauinsland, 

Die  in  früherer  Zeit,  insbesondere  von  Kölliker  vertretene  An- 
sicht, daß  das  Gallertgewebe  der  Chorda  als  eine  Art  Zellenknorpel 
zu  betrachten  sei,  kann,  so  allgemein  ausgedrückt,  heute  kaum  mehr 
als  giltig  angesehen  werden,  da  namentlich  auch  in  histochemischer 
Hinsicht  (von  G.  Retzius  und  Sternberg  besonders  bei  Cyclostomen 


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Fig.  225.  Querschnitt  durch  einen  Embryo  von  Acipenser  sturio,  der  6  Tage 
16  Stunden  nach  der  Befruchtung  alt  war.  Vergr.  OOmal.  es  elastische  Scheide. 
fs  Faserscheide,  ep  protoplasmatische  Rindenschicht  der  Chorda  (Chordaepithel). 
b  innerste,  sich  der  Chordascheide  dicht  anlegende  Schicht  (skeletoblastische  Schicht) 
des  perichordalen  Bindegewebes,  oh  und  üb  Basen  der  oberen  und  unteren  Bögen, 
die  sich  in  dieser  Schicht  entwickelt  haben;  sie  sind  noch  zum  größten  Teil  binde- 
gewebig,   seh  Subchorda.     a  Aorta,    m  Eückenmark.    mk  Muskeln. 

nachgewiesen)  die  Zurechnung  der  Chorda  zum  Knorpelgewebe  keine 
Berechtigung  besitzt.  Bei  höheren  Vertebraten  werden  wir  anderer- 
seits allerdings  später  finden,  daß  das  Chordaepi thel  hin  und  wieder 
im  Stande  ist,  knorpelähnliches  Gewebe  zu  erzeugen. 

Auch  bei  Acipenser  kommt  im  Centrum  der  Chorda  ein  Chorda- 
strang vor,  der  in  der  Kopf-  und  Schwanzregion  rundlich  ist,  im 
Rumpfteil  dagegen  die  Form  eines  platten,  in  der  Horizontalebene 
liegenden  Bandes  annimmt.  Ebenso  wie  bei  den  Cyclostomen  besteht 
er  auch  hier  nur  aus  stark  verlängerten,    dickwandigen  Vakuolen. 

Eine  Subchorda  ist  ebenfalls  bei  den  Knorpelganoiden  vor- 
handen ;  sie  besitzt  zur  Zeit  ihrer  größten  Entwickelung  eine  sich 
genau  so  wie  die  Elastica  externa  färbende  dünne  Scheide  (Schauins- 
land). 

Der  Chordascheide  sitzen  obere  und  untere  knorpelige  Bögen 
auf.    Die  erste  Entstehung  des  perichordalen  Bindegewebes, 


Die  Entwickeluug  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  431 

in  dem  sich  die  Bögen  entwickeln,  ist  bis  jetzt  noch  nicht  beobachtet 
worden,  doch  läßt  sich  nach  den  bei  den  anderen  Vertebraten  fest- 
gestellten Thatsachen  kaum  daran  zweifeln,  daß  es  auch  beim  Stör 
sich  aus  den  Ursegmenten,  im  besonderen  den  Skierotomen,  herleitet. 

Die  Annahme  Hasse's  (1894),  daß  es  aus  Blutkörperchen  gebildet 
werde,  die  durch  die  Aortenwand  hindurch  auswandern,  dürfte  kaum 
Bestätigung  linden. 

Autfallend  ist  die  regelmäßige  Anordnung  der  medial  gelegenen 
perichordalen  Elemente  schon  in  ganz  frühen  Stadien  (Hasse  1894) : 
man  kann  dadurch  von  vornherein  eine  der  Chordascheide  von  außen 
dicht  anliegende  skeletoblastische  Schicht  von  dem  mehr  locker 
gefügten,  weiter  peripher  liegenden  Bindegewebe  unterscheiden.  Die 
erstere  ist  ähnlich  wie  bei  den  Elasmobranchiern  hauptsächlich  an  je 
zwei  dorsalen  und  ventralen,  auf  der  Chordascheide  verlaufenden 
Längsreihen  in  größerer  Mächtigkeit  ausgebildet  (Gadow  1896) 
und  stellt  hier  die  erste  Andeutung  der  oberen  und  unteren  Bögen 
dar  (Fig.  225).  Während  diese  anfangs  nur  „häutig"  sind,  macht  sich 
bald  Knorpel  in  ihnen  bemerkbar.  Die  dann  entstandenen  knorpe- 
ligen oberen  und  unteren  Bögen,  die  der  Chordascheide  un- 
mittelbar aufsitzen,   bleiben,   mit  Ausnahme  des   vordersten  Teiles 


Fig.  227. 


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Fig.  226  u.  227.  Flg.  226  zeigt  ein  Stück  der  Chordascheide  des  in  Fig.  225 
abgebildeten  Querschnittes  und  Fig.  227  ein  ebensolches  Stück  des  in  Fig.  228  ab- 
gebildeten Querschnittes  bei  990-facher  Vergr.  es  elastische  Scheide,  fs  Faserscheide. 
ep  protoplasmatische  Rindenschicht  der  Chorda  (Chordaepithel),  b  innerste,  der  Chorda- 
scheide unmittelbar  anliegende  Schicht  (skeletoblastische  Schicht)  des  perichordalen 
Bindegewebes. 

der  Wirbelsäule,  dauernd  voneinander  getrennt.  Obere  und  untere 
Bögen  werden  durch  keine  Knorpelschicht,  sondern  nur  durch  skeleto- 
genes  Bindegewebe  (Fig.  228  etc.)  miteinander  verbunden.  Es  kommt 
daher  auch  nicht  zur  Bildung  von  Wirbelkörpern;  diese  werden 
funktionell  vertreten  durch  die  mächtige  Chorda  mit  ihrer  Scheide 
(Fig.  228,  229,  230,  232,  233). 

Sowohl  von  den  oberen  als  auch  von  den  unteren  Bögen  kommen 
je  zwei  in  jedem  Körpersegment  vor.  Namentlich  in  jüngeren  Stadien 
sind  diese  großen  „Bogen-"  und  kleinen  „In  te  rkalar  stücke" 
äußerst  regelmäßig  ausgebildet  (siehe  die  Abbildung  der  vorderen 
Wirbelsäule  eines  jungen  Hausen  auf  Fig.  230).  Später  zeigen  die 
„Interkalarstücke"  öfter  Unregelmäßigkeiten  und  können  auch  in 
mehrere  Teile  zerfallen.  Die  Wirbelsäule  von  Polyodon  (Bridge, 
Schauinsland)   weist   aber   nach   dieser   Richtung  hin   auch   bei  Er- 


432 


H.  Schauinsland, 


wachsenen  noch  eine  fast  schematische  Anordnung  auf  (Fig.  232,  233). 
Es  kommt  also  bei  den  Knorpelganoiden  in  Bezug  auf  die  Bogen 
regulär  eine  primäre  Diplospoudylie  vor. 


Fig.  228. 


Fig.  229. 


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Fig.  228.  Querschnitt  durch  einen  32  Tage  alten  Störembryo  (Aeipenser 
sturio).  Vergr.  90  mal.  es  elastische  Scheide,  fs  Faserscheide,  ep  „Chordaepithel". 
ob,  nb  obere  und  untere  Bögen,  zum  größten  Teil  bereits  knorpelig,  h  perichordales- 
Bindegewebe,  das  die  oberen  und  unteren  Bögen  miteinander  verbindet.  Dieses  zu- 
sammen mit  Chorda  und  Chordascheide  könnte  man  gleichsetzen  dem  „primären 
Wirbelkörper"  Goette's,  während  es  zur  Bildung  eines  „sekundären"  wegen  der  aus- 
bleibenden Umwachsung  der  Chordascheide  seitens  der  Bogenbasen  nicht  kommt. 
a  Aorta.     7nk  Muskelfasern. 

Fig.  229.  Querschnitt  durch  den  Rumpf  eines  53  mm  langen  Aeipenser  stellatus. 
Vergr.  40 mal.  es  elastische  Scheide,  fs  Faserscheide,  ep  „Chordaepithel",  üb  untere 
Bögen,  h  Hämalfortsätze  derselben  zur  Umschließung  der  Aorta  (a).  ob  obere 
Bögen.  Mach  Umschließung  des  MeduUarrohres  (m)  weichen  sie  dorsal  von  diesem 
nochmals  auseinander  und  bilden  dadurch  einen  zweiten  Hohlraum,  in  welchem  ein 
elastisches  Band  (llds)  liegt,  s  sogenannter  Dornfortsatz,  g  Ganglion  der  sensiblen 
Nervenwurzel. 


Das  Verhältnis  der  beiden  Bogenstücke  zu  den  Myosepten,  Blut- 
gefäßen und  Nerven  ist  —  bei  jungen  Hausenembryonen  —  folgendes 
(Schauinsland)  : 

Die  Myosepten  verlaufen  (Fig.  230,  231)  an  der  kau  dal  en 
Seite  der  großen  oberen  Bogenstücke,  überschreiten  in  einer  gewöhn- 
lich fast  senkrechten  Linie  die  Chorda,  gelangen  dann  auf  das  größere 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  433 


untere  Bogenstück  und  von  diesem  auf  die  Rippen.  —  Unmittelbar 
hinter  den  Myosepten  finden  sich  die  in  tersegmentalen  Blut- 
gefäße. Nehmen  wir,  wie  wir  es  bis  jetzt  immer  gethan  haben,  die 
Myosepten  und  die  Blutgefäße  als  die  noch  jetzt  giltigen  Grenzen  der 
ehemaligen    Ursegmente    bezw.    der    Skierotome   an,    so    entsprechen 


Fig.  230. 

VW 

isg  :  div 


ob 


Fig.  231. 


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chsch  spii  uby      ub^ 


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ob. 


ob 


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Fig.  230.  Vorderstes  Ende  der  Wirbelsäule 
eines  36  mm  langen  Hausen  (Acipenser  huso). 
Vergr.  26  mal.  ro  rostral.  isg  Intersegmental- 
gefäße.  ms  Myosepten.  vw  ventrale,  cho  dorsale 
Nervenwurzel,  die  sich  vereinigen  zum  Spinalnerv 
(spn).  ob  kaudale  obere  Bögen,  ob^  kraniale 
obere  Bögen  (obere  Interkalarstücke).  üb  kaudale 
untere  Bögen,  ub^  kraniale  untere  Bögen  (untere 
Interkalarstücke).  r  knorpelige,  an  den  kaudalen 
unteren  Bögen  sitzende  Rippen.  An  dem  krani- 
alen Wirbelsäulenende  sind  die  unteren  Bögen 
nicht  nur  unter  sich,  sondern  auch  mit  den  oberen 
zu  einer  die  Chordascheide  {chsch)  seitlich  um- 
gebenden Knorpehnasse  verschmolzen.  Hier 
werden  auch  die  kranialen  kleinen  oberen  Bogen- 
stücke  vermißt,  sei  es,  daß  diese  überhaupt  nicht 
angelegt  werden  oder  erst  in  späteren  Stadien 
erscheinen. 

Fig.  231.  Rechte  Hälfte  eines  horizontalen  Längsschnittes  durch  die  Wirbel- 
säule eines  36  mm  langen  Hausen  (Acipenser  huso)  aus  der  hinteren  Rumpfgegend. 
Der  Schnitt  hat  das  Rückenmark  gerade  in  der  Höhe  des  Austrittes  der  ventralen 
Nervenwurzeln  getroffen,  ro  kraniales  Ende,  ms  Myoseptum.  isg  Intersegmentalge- 
fäße.  R  Rückenmark,  vw  ventrale  Nervenwurzel,  dw  Querschnitt  der  dorsalen 
Nervenwurzel,  ob  kaudale  Bogenstücke.  o6,  kraniale  Bogenstücke  (obere  Inter- 
calaria);  sie  liegen,  wie  man  sieht,  zwischen  den  beiden  Nervenwurzeln,  m  Muskel- 
fasern. 


wiederum  die  kleinen  Bogenstücke  (Interkalarstücke)  dem  kranialen 
Abschnitt  des  Skierotoms  und  die  großen  oberen  und  unteren  Bogen- 
stücke samt  den  Rippen  dem  kaudalen.  Die  ventrale  (motorische) 
Nerven  Wurzel  entspringt  dicht  hinter  den  Intersegmentalgefäßen, 
die  dorsale  (sensible)  sowohl  weiter  kaudal  als  auch  dorsal  davon. 
Beide  Wurzeln  vereinigen  sich  erst,  nachdem  sie  eine  Strecke  weit 
selbständig  verlaufen  sind,  zu  den  Spinalnerven.  Es  ist  sehr  be- 
merkenswert, daß  bei  jungen  Embryonen  der  Knorpelganoiden  also 
noch  das  ursprüngliche,  bei  Petromyzon  und  den  Elas- 
mobranchiern    vorkommende    Verhältnis    herrscht,    daß 

Handbuch  der  Entnickeluagslehre.    III.  2.  28 


434 


H.  Schauinsland, 


das   kraniale   Bogenstück   zum   größten   Teil   noch   zwischen  der 
ventralen  und  der  dorsalen  Wurzel  gelegen  ist. 

An  älteren  Tieren  ist  das  häufig  nicht  mehr  so  deutlich  zu  sehen ; 
bei  dem  zunehmenden  Wachstum  sowohl  der  kaudalen  als  auch  der 
kranialen  Bogenstücke  rücken  diese  dicht  aneinander  (Fig.  232,  233) 
und  die  Austrittsstellen  der  Nerven  liegen  dann  oft  nicht  mehr 
zwischen   diesen   Knorpelstücken,   sondern   in  ihnen.     Die  ventrale 


Fig.  232 


Fig.  233. 


isg    viü  4w 


Fie  232  und  233.  Ein  Teil  der  Wirbelsäule  am  Uebergang  der  Rumpf-  zur 
Schwanzregion  (Fig.  232)  und  ein  Teil  des  unmittelbar  auf  den  Schädel  folgenden 
Abschnittes  eines  jungen  Polyodon  folium  (Spatularia)  bei  etwa  3 V^-maliger  Ver- 
größerung, isg  Intersegmentalgefäße.  vw  ventrale,  dw  dorsale  Nervenwurzel  bezw. 
ihre  Austrittsstelle,  spn  der  aus  ihrer  Vereinigung  hervorgegangene  Spmalnerv.  oh 
kaudaler  oberer  Bogen,  ob,  kranialer  oberer  Bogen ;  an  dem  vordersten  Ende  der 
Wirbelsäule  (Fig.  233)  ist  er  mit  dem  kaudalen  Bogenstück  des  vorhergehenden 
Segmentes  verschmolzen,  ttb  kaudaler  unterer  Bogen,  icb,  kranialer  unterer  Bogen. 
«&c  erster  zum  Schwänze  gehöriger  unterer  Bogen,  chsch  Chordascheide,  s  sog. 
„Dornfortsatz". 

Wurzel  kann  dann  durch  die  Spitze  des  kleinen  kranialen  Bogen- 
knorpels  hinaustreten  und  die  dorsale  sogar  durch  den  hinteren  Rand 
des  nächst  vorhergehenden  kaudalen  Bogenstückes  (Fig.  232, 
233),  so  daß  die  sensible  Wurzel  also  scheinbar  zum  vorher- 
gehenden Segment  gehört.  Es  liegt  auf  der  Hand,  daß  dieses 
Verhalten  nur  ein  sekundäres  ist.  Die  Angabe  v.  Jherings 
(1878)  —  welcher  das  kleinere  kraniale  Bogenstück  für  das  „Crural- 
stück"  und  das  kaudale  große  für  das  „Intercalare"  hielt  —  daß  die 
beiden  Nervenwurzeln  beim  Stör  ebenso  wie  bei  den  Haien  (bei  denen 
es  übrigens,  wie  wir  sahen,  auch  nicht  zutrifft),  die  Skelettstücke  des 
vorhergehenden  Segmentes  durchbohren,  ist  daher  ebensowenig 
gerechtfertigt  wie  die  Annahme  anderer  Autoren,  daß  die  dorsale 
Wurzel  in  der  Regel  vor  der  ventralen  heraustritt. 

Des  weiteren  wäre  von  den  Bögen,  namentlich  aus  späteren^  Ent- 
wickelungsstadien,   noch  folgendes   zu  berichten 


Die  oberen  Bögen 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  435 


stoßen  oberhalb  des  Rückenmarkes  zusammen,  verschmelzen  aber  dort 
entweder  gar  nicht  oder  nur  im  hintersten  Abschnitt  der  Fuge,  und 
setzen  sich  von  hier  aus  noch  weiter  dorsal  fort.  Dadurch  wird  ein 
zweiter  Hohlraum  von  ihnen  gebildet  (Fig.  229  und  234),  in  welchem 
ein  starkes  elastisches  Band,  das  Ligamentum  longitudinale  dorsale 
superius  (Klaatsch),  verläuft.  Nach  oben  hin  wird  diese  Rinne  durch 
Knorpelstücke,  die  oftmals  in  doppelter  Zahl  vorhanden  sind  (Fig.  229 
und  232)  und  die  teils  für  obere  Dornfortsätze,  teils  (Goette  1878) 
für  die  Homologa  von  Flossenträgern  gehalten  werden,  —  was  sicher 
wohl  auch  richtiger  ist  —  geschlossen. 

An  den  unteren  Bögen  ist  in  späterer  Zeit  bemerkenswert, 
daß  statt  des  die  Aorta  ventral  abschließenden  Bandes  sekundär  eine 
Knorpelspange  entsteht,  indem  je  ein  medianwärts  gerichteter  „Hämal- 
fortsatz''  (siehe  auch  die  Angaben  über  Laemargus  unter  den  Elas- 
mobranchiern)  des  rechten  sich  mit  dem  des  linken  Bogens  vereinigt 
(GoETTE  1878).  —  Im  Schwanz  verschmelzen  die  unteren  Bögen  ven- 
tralwärts  und  bilden  einen  breiten,  weit  nach  hinten  gerichteten  Dorn. 
In  dem  dadurch  entstan- 
denen, ventral  vom  Knor- 
pel völlig  geschlossenen 
Kau dalk anal  liegt  zu 
Unterst  die  Vene  und 
darüber,  von  ihr  durch 
die  eben  erwähnten  Hä- 
malfortsätze  —  welche 
sich  hier  aber  noch  nicht 


s.trsv.d*^^:--- 


llds 


Fig.  234.  Querschnitt 
durch  den  vorderen  Teil  des 
Rumpfes  eines  12  cm  langen 
Acipenser  ruthenus  bei  öVo- 
f  ach  er  Vergrößerung  nach 
GÖPPERT.  s.  trsv.  d  dorsale 
Transversalsepten.  s.  hör  Ho- 
rizontalseptum.  M.  l  Muskel 
der  Seitenlinie.  N.  l  Nervus 
lateralis,  ob  obere  Bögen,  uh 
untere  Bögen  ( Basalstümpfe). 
m  Rückenmark.  II ds  oberes 
dorsales  elastisches  Längs- 
band, d  obere  Dornfortsätze. 
a  Aorta. 


immer  vereinigt  haben  —  getrennt,  die  Aorta.  (Bei  Scaphirhynchus 
verwachsen  übrigens  die  unteren  Bögen  im  Schwänze  nicht  mit- 
einander, IWANZOFF  1887.) 

Während  sonst  im  ganzen  Verlauf  der  Wirbelsäule  obere  und 
untere  Bögen  durch  einen  weiten  Zwischenraum  voneinander  getrennt 
sind,  verschmelzen  sie  am  vordersten  Ende  in  ähnlicher  Weise  wie 
bei  den  Holocephalen  (Fig.  230)  und  bilden  so  eine  breite,  die  Chorda- 
scheide völlig  umgebende  Knorpelmasse. 

Ebenso  können  an  den  dicht  hinter  dem  Cranium  liegenden  Ab- 
schnitten die  kranialen  (Intercalaria)  und  kaudalen  Bogenstücke  zu- 
sammenfließen, und  es  ist  interessant,  daß  bei  Polyodon  (Fig.  233) 
dabei   die  Stücke    aus   verschiedenen  Segmenten   sich   vereinigen. 

28* 


436 


H.  Schauinsland, 


indem   das   kleine   kraniale   mit   dem   großen   kaudalen  des  vorher- 
gehenden Segmentes  verwächst.  — 

Knochen  tritt  an  vielen  Stellen  der  Wirbelsäule,  namentlich  an 
den  unteren  Bögen  im  Schwänze,  den  oberen  Dornfortsätzen  oder 
Flossenträgern  (Fig.  232)  und  den  mittleren  Abschnitten  der  Rippen 
in  Gestalt  eines  glatten,  rindenförmigen  und  zellenlosen  äußeren  Belags 
des  Knorpels  auf. 

Ril>peu.  lieber  ihre  Ent Wickelung  ist  bis  jetzt  noch  nichts 
Näheres  bekannt  geworden.  Im  ausgebildeten  Zustand  sind  sie  —  im 
Gegensatz  zu  den  bis  jetzt  besprochenen  Rippen  der  Elasmobranchier 
—  bezüglich  ihrer  Lage  zur  Muskulatur  und  den  Septen  als  untere 
Rippen  oder  echte  Fischrippen  (Pleuralbögen,  Goette)  aufzufassen, 
wie  sie  sonst  noch  bei  den  übrigen  Ganoiden,  den  Teleostiern  und 
Dipneusten  vorkommen.  Auch  hier  wie  überall  geht  mit  ihnen  eine 
erhebliche  Bedeutung  der  ventralen  Muskulatur  (Fig.  234)  Hand  in  Hand. 


Fig.  235. 


uh      üb 


Fig.  235.  Teil  der  Schwanzwirbelsäuie  einer  3  cm  langen  Amia  calva  bei  etwa 
11-maliger  Vergrößerung,  nach  einem  Wachsplattenmodell  in  verkleinertem  Maßstabe 
gezeichnet,  chsch  Chordascheide,  ob  obere,  üb  untere  —  kaudale  —  Bögen,  oö,  obere, 
ub^  untere  —  kraniale  —  Bögen,  s  Flossenträger  (Dornfortsätze),  ms  Myosepten, 
deren  Verlauf  durch  [die  punktierte  Linie  am  kaudalen  Rande  der  kaudalen  Bögen 
angegeben  ist. 

Fig.  286.  Das  vorderste  Ende  der  Wirbelsäule  einer  etwa  3  cm  langen  Amia 
bei  27-facher  Vergrößeruug.  ob  obere  Bögen ;  sie  liegen  völlig  intervertebral.  üb 
untere  Bögen,  ob^  kraniale  obere  Bogenstücke;  sie  und  die  unteren  Bögen  sind  fest 
miteinander  vereinigt,  or  der  nach  Sagemehl  aus  drei  verschmolzenen  Wirbeln 
entstandene  Occipitalteil  des  Schädels.  Man  kann  an  dem  dazu  gehörigen  Bogen- 
teil noch  eine  schwache  Andeutung  von  dem  einen  darin  auch  verschmolzenen, 
kleinen  kranialen  Bogen  sehen,  ch  Chorda  mit  ihrer  Scheide.  Eippen  sind  von 
diesem  Präparat  nicht  gezeichnet;  in  Wirklichkeit  finden  sie  sich  jedoch  bei  jungen 
Tieren  von  dem  ersten  Wirbel  an,  die  vordersten  scheinen  später  aber  wieder  zu 
verschwinden. 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  437 

Sie  erscheinen  als  unmittelbare  Fortsätze  der  kaudalen  unteren 
Bogenstücke  (Fig.  230)  bezw.  als  Abgliederungen  von  ihnen.  Diese 
Abtrennung,  wie  überhaupt  das  Auswachsen  der  Rippen  aus  den 
kurzen  unteren  Bögen  (Basalstümpfen)  kann  man  sich  als  eine  Folge 
der  Zugwirkung  vorstellen,  welche  bei  der  Kontraktion  der  Myomeren 
die  Myosepten  auf  die  Teile  der  Wirbelsäule,  an  denen  sie  befestigt 
sind,  ausüben,  und  die  zum  Teil  durch  die  Rippen  übertragen  wird, 
welche  die  feste  Verbindung  der  Septen  mit  den  ersteren  vermitteln 
(GÖPPERT  1895). 

Uebrigens  sieht  Goette  (1878)  die  geschlossenen  unteren  Schwanz- 
bögen (ebenso  wie  bei  den  Knochenganoiden)  für  Homologa  der  Rippen 
an  oder  vielmehr  der  Rippen  +  den  Bogenbasen,  an  denen  sie  an- 
geheftet sind,  während  J.  Müller  (1846)  sie  nur  den  letzteren 
(den  Parapophysen)  gleichstellt  und  Gegenbaur  sie  für  gleichbe- 
deutend mit  einem  gewöhnlichen  vollständigen  unteren  Bogen  hält. 
Auch  aus  diesen  verschiedenen  Anschauungen  scheint  es  hervorzu- 
gehen, daß  man  Rippen  und  untere  Bögen  nicht  in  Gegensatz  zu  ein- 
ander bringen  sollte,  da  beide  genetisch  zu  einander  gehören  und  sich 
nur  durch  die  physiologisch  bedingte,  vorhandene  oder  fehlende  Ab- 
gliederung  unterscheiden. 

Knochenganoiden. 

Man  hat  bei  den  Knochenganoiden  eine  Anzahl  Formen  mitein- 
ander vereinigt,  die  eine  recht  abweichende  Organisation  aufweisen. 
Unter  ihnen  mag  zunächst  die  Entwickelungsgeschichte  der  Wirbelsäule 
von  Amiä  vorangestellt  werden,  da  die  Kenntnis  derselben  nicht  nur 
für  die  Beurteilung  der  Wirbelsäulengenese  der  Ganoiden,  sondern 
der  Vertebraten  überhaupt  von  der  allergrößten  Wichtigkeit  ist. 

Wir  folgen  hierbei  neuen  Untersuchungen  (Schauinsland)  unter 
Berücksichtigung  der  vorangegangenen  Arbeiten  von  Schmidt  (1892), 
Hay  (1895),  Gadow  und  Abbott  (1895),  Goette  (1897). 

Die  jüngsten  Stadien  sind  bis  jetzt  leider  noch  nicht  bekannt 
geworden.  Bei  Embryonen  von  15— 30  mm  Länge  zeigt  die  Chorda 
samt  ihren  Scheiden  einen  Bau,  der  im  Prinzip  fast  völlig  über- 
einstimmt mit  dem  der  Knorpelganoiden.  An  Mächtigkeit  stehen 
diese  Elemente  jedoch  ganz  außerordentlich  hinter  jenen  der  Störe 
zurück,  und  bei  zunehmendem  Alter  verlieren  sie,  wenn  sie  auch  nicht 
etwa  einer  völligen  Reduktion  verfallen,  an  Bedeutung  noch  beträcht- 
lich, eine  Erscheinung,  die  sich  übrigens  auch  bei  den  anderen 
Knochenganoiden,  im  höchsten  Grade  bei  Lepidosteus,  beobachten  läßt. 

An  der  Chordascheide  finden  sich  wiederum  die  beiden 
charakteristischen  Teile  vor,  die  dünne  äußere  elastische  Scheide 
und  die  innere  dicke  Faserscheide.  Die  erstere  stellt  eine  viel- 
fach gefensterte  (Fig.  236 — 238,  242)  Membran  dar ;  in  späteren  Stadien, 
vsrenn  der  Wirbelkörper knochen  an  Mächtigkeit  stark  zugenommen 
hat,  ist  sie  an  den  Stellen,  wo  sie  unmittelbar  mit  ihnen  in  Berührung 
tritt,  oft  nicht  mehr  nachzuweisen.  Wenn  sie  hier,  anstatt  einfach 
einer  Reduktion  zu  verfallen,  wirklich  mit  in  die  Verknöcherung  ein- 
bezogen wird,  was  übrigens  immerhin  noch  zweifelhaft  ist,  so  bleibt 
doch  ihre  Mitwirkung  an  dem  Aufbau  der  W^irbelkörper  von  gänzlich 
untergeordneter  Bedeutung. 

Die  Faserscheide  zeigt  eine  bemerkenswerte  Eigentümlichkeit : 
dort,    wo  die  unteren  und  oberen  Bögen  der  Chordascheide  aufsitzen, 


438 


H.  Schauinsland, 


ist  sie  von  diesen  offenbar  in  irgend  einer  Weise  (wahrscheinlich  durch 
den  von  jenen  ausgeübten  Druck)  in  ihrer  Konstitution  beeinflußt.  Mit 
färbenden  Reagentien  behandelt,  hebt  sich  an  diesen  Stellen  eine  äußere, 
bedeutend  dunklere  Partie  scharf  von  ihrer  Umgebung  ab.  Dieser 
Teil  der  Faserscheide  bildet  somit  einen  Cyhndermantel,  dessen  Längs- 
ausdehnung   in    kaudal-kranialer    Richtung    durch    den    Umfang    der 


es      fs 


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ob 


—  ob. 


i^ 


Ps; 


Fig.  237.  Horizontaler 
Längsschnitt  durch  einen  Teil 
der  Schwanzwirbelsäule  einer 
3  cm  langen  Amia  calva.Vergr. 
80 mal;  nur  die  linke  Seite 
des  Schnittes  ist  abgebildet. 
Der  Pfeil  zeigt  kranialwärts. 
Der  Schnitt  ist  unmittelbar 
ventral  vom  Rückenmark  ge- 
führt worden,  so  daß  die 
Chorda,  bezw.  die  Chorda- 
scheide eben  erst  angeschnitten 
ist.  An  dem  kranialen  Ende 
ist  der  Schnitt  etwas  mehr 
ventralwärts  verlaufen  als  an 
dem  kaudalen.  ch  Chorda,  rp 
Chordaepithel.  es  elastische 
Scheide,  fs  Faserscheide,  an 
dem  hinteren  Schnittende  eben 
erst  flach  angeschnitten  und 
auch  an  dem  vorderen  noch 
recht  schräg  getroffen ;  hier 
jedoch  zeigt  sie  schon  die  im 
Längsschnitt  linsenförmige 
Differenzierung  {afs),  und  zwar 
nur  dort,  wo  ihr  ein  knor- 
peliger Bogen  dicht  anliegt. 
iv  intervertebrale  Partie  der 
Faserscheide,  die  sich  durch 
die  Art  der  Fibrillen  von  der 
übrigen  unterscheidet.  i;;.s  Myo- 
septen.  isg  Intersegmentalge- 
fäße.  spn  Spinalnerven,  die 
Zusammensetzung  aus  der 
vorderen,  ventralen  und  der 
hinteren  ,  dorsalen  Wurzel 
noch  zeigend.  ob  kaudale 
obere  Bögen,  oö,  kraniale  obere 
Bögen.  Da  der  Schnitt  vorn 
mehr  ventralwärts  geführt  ist 
als  hinten,  sind  die  kranialen 
vorn  mächtiger  als  hinten, 
während  bei  den  kaudalen  das 
Umgekehrte  der  Fall  ist.  m 
Muskelfasern. 


Knorpelbögen  bedingt  wird,  mit  [deren  iGrenzen  er  genau  überein- 
stimmt und  sie  nicht  überschreitet  (Fig.  237,  242).  Da  sich  die  Ränder 
dieses  Cylinders  ausschärfen,  so  erscheint  sein  Längsdurchschnitt  als 
Linse  (Fig.  237,  242),  während  er  auf  Querschnitten  (Fig.  238,  239) 
eine  durchgehende  äußere  Lage  der  Faserscheide  darstellt,  die  fast 
ebenso  dick  ist  wie  die  innere  unverändert  gebliebene  Region  der- 
selben. An  den  distalen  Enden  der  Wirbel  und  an  den  interverte- 
bralen  Partieen  fehlt  diese  Differenzierung  der  Faserscheide. 

Bei   Lepidosteus   kommt  nach   Balfour   und  Parker  (1882) 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  439 

in  ganz  ähnlicher  Weise  eine  äußere  differente  („granulierte")  Lage 
der  P^'aserscheide  vor;  sie  ist  hier  jedoch  sowohl  dicker  wie  bei  Amia 
als  auch  entsprechend  der  größeren  Ausdehnung  der  knorpeligen  Bogen- 
teile länger  (Fig.  251—254). 

Der  Chordascheide  sitzen  die  knorpeligen  oberen  und  unteren 
Bögen  unmittelbar  auf,  und  wiederum  finden  wir  ursprünglich  in 
jedem  Segment  zwei  Paar  obere  und  zwei  Paar  untere,  von  denen 
das  eine  bedeutend  dem  anderen  an  Größe  nachsteht  (Fig.  235  etc.) 
Es  liegen  also  —  wir  sehen  vorläufig  von  den  weiteren,  durch  Ver- 
schmelzungen und  Reduktionen  hervorgerufenen  Komplikationen  ab 
und  betrachten  nur  die  in  einem  großen  Teil  des  Schwanzes  vor- 
kommenden primären  Zustände  —  genau  dieselben  Verhältnisse  vor 
wie  bei  den  Knorpelganoiden. 

Auch  darin  stimmt  Amia  mit  den  Stören  überein,  daß  die  unteren 
und  oberen  Bögen  durch  einen  weiten  Zwischenraum  getrennt  und  nicht 
durch  Knorpel,  sondern  allein  durch  Bindegewebe  miteinander  ver- 
bunden sind  (Fig.  235).  Nur  an  dem  vordersten  Ende  der  Wirbel- 
säule rücken  sich  auch  hier  diese  beiden  Bögen  bis  zur  gegenseitigen 
Verschmelzung  entgegen  (Fig.  236,  238),  so  daß  an  dieser  Stelle  die 
Chordascheide  fast  völlig  von  einem  Knorpelmantel  umgeben  ist.  Auch 
an  der  äußersten  Schwanzspitze  scheint  in  jungen  Stadien  rings  um 
die  Chorda  herum  eine  sehr  dünne  Knorpellage  vorhanden  zu  sein. 

Die  oberen  Bögen  vereinigen  sich  oberhalb  des  Rückenmarkes 
nicht  unmittelbar;  es  finden  sich  an  dieser  Stelle  vielmehr  noch  zwei 
kleine  Knorpelstückchen  zwischen  ihnen,  welche  sicher  den  auch  bei 
Lepidosteus  und  einigen  Teleostiern  vorkommenden  homolog  sind. 
Man  hat  sie  dort  „Intercalaria"  genannt  („Suprainterdorsalia"  Gadow 
und  Abbott).  Ueber  ihre  morphologische  Bedeutung  ist  im  übrigen 
bei  Amia  bis  jetzt  nichts  Bestimmtes  zu  sagen. 

Dorsal  von  den  oberen  Bögen  liegen  unmittelbar  über  dem  oberen 
elastischen  Längsbande  einfache  Knorpelstäbe  in  ganz  ähnlicher  Weise 
wie  bei  den  Stören  (Fig.  235  s).  Bei  letzteren  wurden  sie  von 
GoETTE  „Flossenträger"  genannt,  und  so  wird  man  sie  auch  hier  be- 
zeichnen müssen. 

Was  das  Verhältnis  der  Bogenknorpel  zu  den  Intersegraen- 
talgefäßen  und  den  Nerven  anbelangt  (Fig.  235,  237,  240,  242, 
246 — 251),  so  verlaufen  die  Gefäße  dicht  an  dem  kaudalen  Rande 
der  großen  oberen  und  unteren  Bogenstücke  unmittelbar  hinter 
den  Myosepten,  die  ebenfalls  an  diesen  Skelettstücken  entlang  ziehen. 
Dicht  hinter  dem  Gefäß  tritt  die  ventrale  Nervenwurzel  heraus,  und 
zwar  nimmt  sie  ihren  Weg  (ebenso  wie  die  dorsale)  nicht  durch  ein 
Skelettstück,  sondern  durch  das  Bindegewebe,  welches  zwischen  den 
großen  oberen  Bögen  das  Rückenmark  umhüllt  (häutige  Wirbelsäule), 
da  die  kleinen  Bögen  nicht  so  weit  dorsal  emporreichen,  um  das 
Medullarrohr  umschließen  zu  können.  Die  Austrittsstelle  der  sensiblen 
Wurzel  liegt,  getrennt  von  der  ersteren,  dorsal,  gleichzeitig  etwas, 
wenn  auch  nur  wenig,  kau  dal  von  ihr. 

Diese  Wurzel  schwillt  zu  einem  Ganglion  an,  mit  dem  sich  auch 
einige  Fasern  der  ventralen  Wurzel  vereinigen  (Fig.  240,  246);  beide 
Wurzeln  trennen  sich  darauf  aber  sofort  wieder  und  laufen  über  das 
kleine  obere  Bogenstück  hinweg  erst  eine  Strecke  weit  nebeneinander 
her,  die  ventrale  kranial  von  der  dorsalen,  um  sich  dann  end- 
giltig  mit  dieser  zu  vereinigen,  und  an  der  vorderen  Seite  des  nächsten 


440 


H.  Schauinsland, 


Fig.  238. 


ob 


llds 


•mr 


oh 


',.,^t5f:- 


—  es 
-e'p 


'f ch 


fs 


V    /  / 
üb    k  ifs  aj's  h 


Fig.  239. 


r 


ifs  es  afs 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein,  441 


Fig.  238  und  239.  Zwei  Querschnitte  durch  die  Wirbelsäule  einer  etwa  3  cm 
langen  Amia  calva.  Fig.  238  zeigt  die  hnke  Hälfte  eines  Schnittes  durch  die  vorderste 
Rumpfgegend,  Fig.  239  einen  öchnitt  durch  den  mittleren  Rumpf.  Vergr.  72 mal. 
ch  Chorda,  es  elastische  Scheide,  dort,  wo  sie  dem  Knochen  unmittelbar  anliegt,  oft 
nicht  mehr  deutlich  nachweisbar,  fs  Faserscheide,  afs  äußere  differente,  ifs  innere, 
unverändert  gebliebene  Schicht  der  Faserscheide.  &p  Chordaepithel,  ob  kaudaler 
oberer  Bogen.  o6,  kranialer  oberer  Bogen,  üb  unterer  Bogen;  in  Fig,  238  so  weit 
dorsalwärts  gerückt,  daß  er  mit  dem  oberen  Bogen  vereinigt  ist.  h  die  sich  von  den 
unteren  Bögen  emanzipierenden  Hämalfortsätze.  r  Rippen.  Ikls  oberes,  elastisches 
Längsband,     g  Spinalganglion,     a  Aorta,     mr  Medullarrohr.     k  Knochen. 


isfj  g  vwd 


Fig.  240.  P^in  Teil  der  Schwanzwirbelsäule  einer  7,5  cm  langen  Amia  calva. 
Die  Zeichnung  ist  nach  einem  Wachsplattenmodell  in  verkleinertem  Maßstabe  —  bei 
27-facher  Vergr.  —  angefertigt  worden  und  stellt  die  linke  Seite  der  Wirbel  dar. 
isg  Intersegmentalgefäße.  spn  Spinalnerv,  vio  ventrale  Wurzel,  dw  dorsale  Wurzel 
des  Spinalnerven,  vwd  der  dorsale  Ast  der  ventralen  Wurzel,  g  Ganglion  der  dorsalen 
Wurzel,  ms  durch  die  punktierte  Linie  wird  der  Verlauf  der  Myosepten  angedeutet. 
ob,  üb  kaudale  obere  und  untere  Bögen,  ob^,  ub^  kraniale  obere  und  untere  Bögen. 
Mit  Ausnahme  des  ersten  linken  Wirbels  sind  an  den  Basen  der  Bögen  die  Knochen 
fortgelassen,  um  zu  zeigen,  wie  die  (im  hellen  Farbenton  dargestellten)  Knorpel  sich 
dort  verhalten,  iv  Intervertebralpartieen.  An  dem  Präparat  sieht  man,  daß  in 
einigen  Segmenten  teils  zwei  vollständige  Wirbel  —  ein  kranialer  mit  kleinem 
Bogen  und  ein  kaudaler  mit  großem  Bogen  —  entstanden,  in  anderen  dagegen  Ver- 
schmelzungen eingetreten  sind.  So  besteht  der  eine  große  definitive  Wirbel  aus 
einem  kaudalen  und  zwei  kranialen  Wirbelstücken,  entspricht  also  IV,  Segmenten. 
Die  Grenzen  der  miteinander  verschmolzenen  Teile  sind  noch  nachweisbar,  w,  und 
Wo,  bei  /«,  allerdings  auf  dieser  Seite  nur  zum  Teil. 

unteren  großen  Bogens  weiter  zu  ziehen.  Die  ventrale  Wurzel  ent- 
sendet außerdem  einen  dorsalen  Ast,  der  an  der  vorderen  Seite  des 
nächstfolgenden  großen  oberen  Bogenstückes  sich  entlang  erstreckt. 

Bei  Amia  hat  sich  also  bereits  das  Verhalten  der  Austrittsstellen 
der  beiden  Nervenwurzeln  so  weit  geändert,  daß  sie  in  kranial-kaudaler 
Richtung  nur  noch  wenig,  in  ventral-dorsaler  aber  beträchtlich  von- 
einander  getrennt   sind;    das   kleine  obere  Bogenstück  kann  demnach 


442 


H.    SCHAUINSLAND, 


auch  nicht  mehr  zwischen  den  Wurzeln  liegen.  Im  übrigen  ist  je- 
doch die  Lage  der  Skelettstücke  zu  den  Gefäßen  und  Nerven  dieselbe 
geblieben  wie  bei  den  früher  betrachteten  Formen,  und  wir  können 
daher  auch  hier  die  beiden  kleineren  oberen  und  unteren  Bögen 
als  die  kranialen  (ob^  unduh^)  —  die  den  „Intercalarien"  der  Knorpel- 
ganoiden  entsprechen  —  die  größeren  als  die  kaudalen  (ob  und  üb) 
bezeichnen. 

Dabei  muß  auch  erwähnt  werden,  daß  die  gleichnamigen 
oberen  und  unteren  Bögen  genau  senkrecht  übereinander  liegen 
(Fig.  235,  24(3,  247  etc.),  und  nicht  etwa  in  der  Längsrichtung  zu 
einander  so  verschoben  sind,  daß  die  ungleichnamigen,  in  der- 
selben Transversalebene  sich  befinden,  was  Gadow^  und  Abbott  (1895) 
annehmen  und  danach  die  überaus  komplizierte  „Analysis"  eines 
definitiven  Schwanzwirbels  konstruieren. 

An  den  unteren  Bögen  des  Rumpfes  —  es  befindet  sich  hier, 
wie  wir  sehen  werden,  durch  Verschmelzung  nur  ein  Bogenpaar  in 
jedem    Segment  —  macht   sich   ein   Vorgang   bemerkbar,    den   wir  in 

ähnlicher  Weise  bereits  bei  einigen 
Elasmnbranchiern  (Laemargus)  und 
den  Knorpelganoiden  kennen  lernten. 
Die  Knorpelmasse  der  Bögen  son- 
dert sich  nämlich  in  zwei  Partieen 
(Fig.  238,  230),  eine  dorsale,  welche 
die  richtigen  Bögen  mit  ihren  Rip- 
pen darstellen  (die  übrigens  kranial- 
wärts  allmählich  dorsal  in  die  Höhe 
steigen,  so  daß  sie  ganz  vorn  sich 
sogar  mit  den  oberen  Bögen  ver- 
einigen können,  Fig.  238),  und  eine 
ventrale,  die  H  ä  m  a  1  f  o  r  t  s  ä  t  z  e , 
welche  mit  den  zu  ihnen  gehörigen 

Fig.  241.  Der  aus  drei  Sklerotom- 
hälften  verschmolzene  Wirbel  des  in  der 
vorhergehenden  Abbildung  dargestellten 
Modells  von  der  rechten  Seite  bei  der- 
selben Vergrößerung  und  mit  derselben 
Bezeichnung.  Die  ehemaligen  Grenzen  der 
verschmolzenen  Stücke  {h\  und  iv^)  sind 
hier  noch  deutlicher  nachweisbar  als  auf 
der  anderen  Seite. 


ob. 


uh. 


Bögen  teils  noch  durch  Knorpel  vereinigt,  teils  aber  auch  bereits 
völlig  losgelöst  sein  können. 

Diese  Hämalfortsätze  („aortal  supports",  Hay  1895),  begrenzen  von 
beiden  Seiten  die  Aorta  und  sind,  da  ihre  distalen  Teile  selbst  in 
späten  Stadien  von  der  Verknöcherung  nicht  ergriffen  werden,  an  der 
ventralen  Seite  der  Wirbelsäule  stets  als  isoliert  in  der  Knochenmasse 
steckende  Knorpel  zu  erblicken.  Selbst  in  dem  Occipitalteil  des 
Schädels,  der  nach  den  Untersuchungen  Sagemehl's  (1883)  aus  drei 
in  den  Schädel  einbezogenen  Wirbeln  zusammengesetzt  ist,  sind 
mindestens  zwei  Paar  dieser  Knorpelstücke  nachweisbar  (Schauins- 
land). 

Die  Verknöcherung  beginnt  ziemlich  früh,  wenn  die  jungen 
Fische  15—23  mm   lang  sind  (Hay  1895),   und  nimmt  ihren  Ausgang 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  443 


es 

ep 

ifs 
afs 


ch 

K 

ob 


ms 


,^sg 


spn 
iv 


von  einigen  isoliert  voneinander  liegenden  Punkten.  An  der  inneren 
und  äußeren  Seite  der  Basis  jedes  oberen  und  unteren  Bogens 
legt  sich  zunächst  getrennt  von  den  anderen  je  eine  kleine,  zellen- 
lose  Knochenscherbe  dem  Knorpel  auf;  diese  Scherben  vergrößern 
sich   aber  rasch,   fließen  miteinander  zusammen  und  bilden  dann  eine 

Fig.  242.  Horizontaler  Längs- 
schnitt durch  einen  Teil  der 
Schwanz  Wirbelsäule  einer  7,5  cm 
langen  Aniia  bei  72-facher  Vergr. 
Nur  die  rechte  Hälfte  des 
Schnittes  ist  abgebildet.  Der  Pfeil 
an  der  Vorderseite  zeigt  kranial- 
wärts.  ch  Chorda,  ep  Chorda- 
epithel, es  elastische  Scheide, 
unterhalb  des  Knochens  an  vielen 
Stellen  nicht  mehr  nachweisbar. 
ß  Faserscheide,  afs  der  äußere 
unterhalb  der  Kuorpelbogen  dif- 
ferenzierte Teil  derselben,  der 
einen  Cylindermantel  bildet, 
welcher  auf  dem  Längsschnitt 
linsenförmig  erscheint,  ifs  der 
innere ,  unverändert  gebliebene 
Teil  der  Faserscheide,  ms  Myo- 
septum.  isg  Intersegraentalgefäße. 
spn  Spinalnerv,  noch  die  Teilung 
in  die  vordere  ventrale  (moto- 
rische) und  hintere  dorsale  (sen- 
sible) Wurzel  zeigend,  ob  obere 
(kaudale)  Bögen,  ob,  obere  (kra- 
niale) Bögen.  Da  der  Schnitt  schon 
ziemlich  tief  ventral  durch  die 
Chorda  geführt  ist,  sind  die  knor- 
peligen Basen  dieser  kleinen  krani- 
alen Bögen  meistens  nicht  mehr 
getroffen,  k  Knochen,  jetzt  nicht 
mehr  dünne  Scheiben,  sondern 
bereits  eine  dicke  spongiöse  Masse 
bildend.  ^•^  zellhaltiger  Knochen 
durch  die  Verknöcherung  des  die 
Bögen  miteinander  verbindenden 
Bindegewebes  der  skeletogenen 
Schicht  entstanden ;  er  geht  all- 
mählich in  die  völUg  bindegewe- 
bigen intervertebralen  Partieen 
{iv)  Über,  iv^  und  iv^  die  allmäh- 
lich verschwindenden  interverte- 
bralen Partieen  dreier  mitein- 
ander verschmelzender  Wirbel- 
stücke ;  der  daraus  entstehende 
Wirbel  ist  also  aus  einem  kau- 
dalen  und  zwei  kranialen  Stücken 
(=  1^/2  Skierotomen)  zusammen- 
gesetzt. Im  übrigen  entstehen 
auf  diesem  Präparat  in  jedem 
Segment  immer  je  zwei  Wirbel, 
die  1/2  Skierotom  entsprechen. 
Die  Figur  zeigt  auch  die  sehr 
deutlich  ausgeprägte  Amphicölie 
der  Wirbel,     m  Muskelfasern. 


oby 
es 

ep 

afs  __. 
ifs  -- 

ob    -- 
ob^ 


ob 


—%v 


rings 


umgebende 


Knochen - 


einheitliche,   die  Chorda  und  ihre  Scheide 

schiebt  (Fig.  238,  239).     Hierdurch  wird  nun  bei  Amia  im  Gegensatz 

zu  den  Knorpelganoiden  ein  wirklicher  Wirbelkörper  gebildet  und 


444 


H.  Schauinsland, 


zwar,  da  die  beschriebenen  Vorgänge  sich  nicht  nur  an  den  kaudalen, 
großen,  sondern  auch  an  den  kranialen  kleinen  Bögen  abspielen,  in 
jedem  Segment  in  doppelter  Anzahl. 

Bei  seinem  Wachsthum  dringt  der  Knochen  von  der  Peripherie 
der  Bogenbasen  aus  auch  zwischen  diese  und  die  Chordascheide 
hinein  (Fig.  238,  239),  und  an  diesen  Stellen  verschwindet,  wie  bereits 
erwähnt  wurde,  gleichzeitig  damit  die  elastische  Scheide,  sei  es,  daß 
sie  einer  Reduktion  anheimfällt,  sei  es,  daß  sie  in  die  Verknöcherung 
einbezogen  wird.  Bis  in  die  mittleren  Partieen  der  Bogenbasen 
gelangt  der  Knochen  jedoch  lange  Zeit  nicht  hinein,  so  daß  hier  der 
Bogenknorpel  nach  wie  vor  der  elastischen  Scheide  unmittelbar 
aufsitzt  (Fig.  243). 

Von  den  primären  äußeren  Knochenscherben  wachsen  frühzeitig 
Bälkchen    ziemlich   rechtwinklig  distalwärts    aus    und   verbinden    sich 


I 

I 

a 


Fig.  243.  Querschnitt  aus  dem  Schwänze  einer  7,5  cm  langen  Amia.  Vergr. 
72  mal.  ch  Chorda.  /  Funiculus  der  Chorda  in  der  Entstehung,  ep  Chordaepithel. 
afs  äußere,  ifs  innere  Schicht  der  Faserscheide,  es  elastische  Scheide,  ob,  üb  obere 
und  untere  Bögen,  k  Knochen,  nicht  nur  an  der  inneren  und  äußeren  Seite  jedes 
Bogens  eine  dünne  Platte  darstellend,  sondern  bereits  im  Begriffe,  die  dicke  spongiöse 
Masse  des  knöchernen  Wirbelkörpers  zu  bilden,  k^  das  die  Bogenbasen  miteinander 
verbindende  Bindegewebe,  welches  durch  die  Ueberwachsung  mit  den  von  den  Bogen- 
basen herstammenden  Knochenplatten  zu  verknöchern  beginnt,  woraus  dann  der 
zellhaltige  Knochen  entsteht,    a  Aorta. 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  445 

mit  anderen,  die  im  allgemeinen  wiederum  senkrecht  zu  ihnen 
stehen;  dadurch  wird  eine  allmählich  immer  mehr  an  Volumen  zu- 
nehmende spongiöse  Knochenmasse  gebildet  (Fig.  242,  243),  die 
den  Wirbelkörper  zusammensetzt.  Der  letztere  nimmt  mit  zunehmen- 
dem Alter  immer  mehr  eine  a  m  p  h  i  c  ö  1  e  F'orm  an  (Fig.  242) ;  in 
seinem  Doppelkegel  sind  dann  die  Reste  der  Chorda  und  ihrer  Scheiden 
enthalten. 

Oben  wurde  gesagt,  daß  die  im  Perichondrium  der  knorpeligen 
Bögen  entstehenden  Knochenscherben  zellenlos  seien;  sobald  sich  diese 
aber  bei  ihrem  weiteren  Wachstum  über  die  Knorpelbögen  hinaus  er- 
strecken, gelangen  sie  auf  das  Bindegewebe  der  skeletoblastischen 
Schicht,  welches  die  oberen  und  unteren  Bögen  ebenso  wie  bei  den 
Knorpelganoiden  miteinander  verbindet,  und  das  nach  den  interverte- 


Fig. 

244 

I. 

i\ 

1 

^i 

ob 


Fig.  244  u.  245.  Einige  Wirbel  aus  dem  Ueber- 
gang  zwischen  Eumpf  und  Schwanz  (Fig.  244) 
sowie  das  Schwanzende  einer  7,5  cm  langen  Amia 
(Fig.  245)  bei  18-facher  Vergr.  Der  Knorpel  ist 
punktiert  dargestellt  und  die  auf  den  Bögen 
liegenden  dünnen  Knochenplatten  durchsichtig 
gedacht,  ob,  üb  große  kaudale  obere  und  untere 
Bögen,  ob^  und  mö^  kleine  kraniale  obere  und 
untere  Bögen.  OB  ein  einheitliches  Knorpelstück 
vom  äußersten  Schwanzende,  das  durch  die  Ver- 
schmelzung einer  Reihe  oberer  Bögen  entstanden 
ist.  In  Fig.  244  sieht  man,  wie  der  kraniale  und 
kaudale  Wirbel  eines  Segmentes  weiter  nach 
vorn  hin  miteinander  verschmolzen  sind  unter 
gleichzeitig  teilweise  erfolgter  Reduktion,  so  daß 
der  kaudale  obere  Bogen  auf  den  vorhergehenden 
kranialen  hinaufrückt.  An  den  beiden  rechts  ge- 
legenen, noch  un verschmolzenen  Wirbeln  bemerkt 
man  das  Naherücken  und  den  Beginn  der  Ver- 
lötung der  beiden  unteren  Bögen.  Fig.  245  zeigt 
die  Willkür,  die  im  Verschmelzen  der  Bögen  und 
bei  der  Wirbelkörperbildung  am  Ende  der  Wirbel- 
säule herrscht. 


ob^   ob 


ub^  ?    üb    ub^^  üb 


ob^   ob 


Fig.  245. 
ob  oby 


OB 


.-sC 


u6j        üb 


446 


H.  Schauinsland, 


bralen  Partieen  hin  an  Mächtigkeit  zunimmt  (P'ig.  242),  in  der  Mitte 
des  späteren  definitiven  Wirbelkörpers  aber  am  wenigsten  entwickelt 
ist  (Fig.  243).  Dieses  Bindegewebe  wird  nun  von  den  Knochen  nicht 
einfach  umwachsen,  sondern  auch  gleichzeitig  mit  in  die  Verknöcherung 
einbezogen,  daher  erscheinen  später  die  innersten  der  Chordascheide 
anliegenden  Partieen  des  knöchernen  Wirbelkörpers  außerhalb  der 
Knorpelbögen  zellhaltig  (Fig.  242,  243). 


viod 


Fig.  246. 
ob^        ob 


dw 

VW 


ub^     spn  üb 

Fig.  247.     dw 

ob    isg  oh^       ob         vrr  ob^ 

I  I  I 


üb  isg  ub^ 


Fig.  246  und  247.  Zwei 
Abschnitte  der  Schwanzwirbei- 
säule  einer  etwa  18  cm  langen 
Amiacalva  bei  11-facher  Vergr. 
isg  Intersegmentaigefäße.  spn 
Spinalnerv,  vw  ventrale ,  dw 
dorsale  Nervenwurzel.  vwd 
der  dorsale  Ast  der  ventralen 
Wurzel,  g  Ganglion  der  dor- 
salen Wurzel,  ob  und  üb  die 
großen  kaudalen  oberen  und 
unteren  Bögen,  ob^  und  nb^  die 
kleinen  kranialen  oberen  und 
unteren  Bögen.  Auf  beiden 
Abbildungen  sieht  man,  wie 
in  jedem  Segment  sowohl  der 
kaudale  als  auch  der  kraniale 
Wirbel  zur  vollen  Ausbildung 
gekommen  ist.  In  Fig.  246 
bemerkt  man  außerdem  die  oft 
eintretende  Verschmelzung  des 
kranialen  und  kaudalen  Wir- 
bels zu  einem  Wirbel,  der 
also  den  beiden  Sklerotora- 
hälften  desselben  Seg- 
mentes entspricht;  Fig.  247 
zeigt  dagegen  die  selten  vor- 


kommende Verschmelzung  eines  kaudalen  und  eines  kranialen  zu  verschiedenen 
Segmenten  gehörenden  Wirbels,  der  demnach  zwei  Skierotomhälften  zweier  be- 
nachbarter Ursegmente  entspricht.  Das  Blutgefäß  geht  hier  über  die  Mitte  dieses 
Wirbels  hinüber. 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  447 

Wir  haben  bis  jetzt  nur  den  einfachsten  Fall  der  Wirbel-  bezw. 
Wirbelkörperbildung  bei  Amia  besprochen,  in  welchem  durch  die 
knorpeligen  Bögen  (mitsamt  dem  zwischen  ihnen  liegenden  Binde- 
gewebe der  skeletoblastischen  Schicht)  und  die  von  diesem  ihren  Aus- 
gang nehmenden  Knocheuplatten  zwei  vollständige  Wirbel  in 
jedem  Segment  gebildet  werden,  ein  kaudaler  mit  wohlentwickelten 
oberen  und  unteren  Bögen  und  ein  kranialer  mit  nur  kleinen  Bogen- 
stücken  (Fig.  240,  244,  246,  247,  250). 


Fig.  248. 


o6j  ob 


Fig.  249. 

o6j  ob 


ms 


'dtv 

'VW 


ms 


-spn 


Fig.  248—250.  Einige  Wirbel 
aus  der  vordersten  (Fig.  248),  mitt- 
leren (Fig.  249)  und  hinteren  Eumpf- 
partie  (Fig.  250)  einer  etwa  18  cm 
langen  Amia  calva  bei  8-facher  Vergr. 
isg  Intersegmentalgefäße.  sjju  Spinal- 
nerven, dw  dorsale,  vir  ventrale  Wurzel 
derselben,  ms  punktierte  Linie  zur 
Bezeichnung  des  Verlaufs  der  Myo- 
septen.  ob  und  üb  die  großen  kau- 
dalen  oberen  und  unteren  Bögen,  obi 
und  m6j  die  kleinen  kranialen  oberen 
und  unteren  Bögen,  r  die  von  den 
unteren  Bögen  abgegliederten  Rippen. 
In  Fig.  250  sieht  man,  wie  die  vorher 
in  jedem  Segment  doppelt  vorkom- 
menden Wirbel  sich  miteinander 
weiter  nach  vorn  hin  vereinigen,  und 
wie  dabei  der  kaudale  Bogen  auf 
den  vor  ihm  gelegenen  kranialen 
hinaufrückt.  Ganz  vorn  (Fig.  248) 
nimmt  ersterer  eine  völlig  interverte- 
brale  Lage  ein. 


Fig.  250. 

dw 

vw'.  ob 


iib^    spn  r 


448  H.  Schauinsland, 

In  dieser  Weise  erhalten  sich  bei  Amia  viele  Schwanzwirbel 
dauernd,  abgesehen  davon,  daß  im  höheren  Alter  am  kranialen 
Wirbel  sowohl  die  oberen  als  auch  die  unteren  Bögen  durch  den 
mächtig  wucherden  Knochen  so  überwachsen  werden,  daü  er  als  völlig 
bogenlos  erscheint.  Bei  Amia  ist  thatsächlich  eine  primäre  Diplo- 
spondylie,  welche  bei  den  Petromyzonten,  Holocephalen,  Knorpel- 
ganoiden  u.  s.  w.  sich  nur  durch  die  doppelten  Bogen  paare  in  jedem 
Segment  dokumentierte,  auch  in  Rücksicht  auf  den  Wirbelkörper 
vorhanden.  Daß  sich  dieser  nicht  mit  einer  sekundären  Diplo- 
bez.  Polyspondylie  verglefchen  läßt  —  wie  es  bis  dahin  oft  geschehen  ist  — 
welche  bei  vielen  Elasmobranchiern  durch  das  nachträgliche  Ver- 
schmelzen und  Ausfallen  benachbarter  Myomeren  etc.  zu  stände  kommt, 
liegt  auf  der  Hand ;  es  wurde  hierauf  bereits  früher  bei  Besprechung 
der  Holocephalen  und  Squaliden  hingewiesen. 

Der  kraniale  und  kaudale  Wirbel  bleiben  aber  oft  auf  die  Dauer 
nicht  isoliert  voneinander,  sondern  verschmelzen.  Hierbei  können 
verschiedene  Wege  eingeschlagen  werden.  Wenn  wir  zunächst  den 
Schwanzabschnitt  der  Wirbelsäule  ins  Auge  fassen,  so  finden  wir,  daß 
dort  am  häufigsten  kranialer  und  kaudaler  Wirbel  ein  und  des- 
selben Segmentes  miteinander  verlöten,  so  daß  also  die  Enden 
der  daraus  resultierenden  Wirbel  (Fig.  246)  mit  den  Grenzen  eines 
ursprünglichen  Ursegmentes  bez.  Skierotoms  übereinstimmen. 

Seltener  kommt  der  Fall  vor,  daß  der  kraniale  Wirbel  des  einen 
Segmentes  mit  dem  kaudalen  des  vorhergehenden  sich  vereinigt 
(Fig.  247);  der  bleibende  Wirbel  setzt  sich  demnach  aus  je  einer 
Skierotomhälfte  zweier  verschiedener  Ursegmente  zusammen,  es 
hat  eine  „Neugliederung"  der  Wirbelsäule  stattgefunden,  wie  sie  wahr- 
scheinlich meistens  auch  bei  der  Wirbelbildung  der  höheren  Verte- 
braten,  im  besonderen  der  Amnioten  eintritt. 

Endlich  kann  ein  definitiver  Wirbel  sich  auch  aus  m  ehr  als  zwei,, 
nämlich  aus  drei  Komponenten  zusammenfügen,  aus  einem  kaudalen 
Wirbelstück  und  aus  dem  vorhergehenden,  sowie  dem  folgenden 
kranialen  (Fig.  240—242);  er  entspricht  demnach  ein  und  einem  halben 
Ursegment,  bezw.  Skierotom. 

Im  vordersten  Schwanz  abschnitt  und  im  Rumpf  liegen 
die  Verhältnisse  anders.  Dort  vollzieht  sich  zwar  auch  eine  Ver- 
einigung der  beiden  ursprünglichen  Wirbelstücke,  und  zwar  der  z  u 
einem  und  demselben  Segment  gehörigen,  es  findet  dabei 
aber  gleichzeitig  eine  teilweise  Reduktion  des  einen  der  beiden, 
nämlich  des  kaudalen,  statt  (Fig.  244,  248,  250).  Der  kaudale  obere 
Bogen  wird  infolgedessen  gezwungen,  auf  das  vor  ihm  gelegene  kleine 
kraniale  Bogenstück  —  desselben  Skierotoms  —  (wie  im  vordersten  Ab- 
schnitt der  Wirbelsäule  von  Callorhynchus)  mehr  oder  weniger  hoch 
hin  aufzurücken  (Fig.  244,  248—250),  während  er  in  der  vordersten 
Rumpfpartie  eine  fast  genau  intervertebrale  Lage  einnimmt  (Fig.  236, 
248),  er  wird  somit  von  der  Beteiligung  an  der  Wirbel körp er  bildung 
ausgeschlossen,  wenigstens  soweit  dabei  die  von  ihm  ausgehenden 
Knochenbildungen  in  Betracht  kommen.  Die  Knochenplatten  nämlich, 
welche  auf  ihm  zur  Anlage  kommen,  wachsen  nicht  ventralwärts 
weiter  und  bleiben  auch  von  denen  des  kranialen  Bogens  gesondert 
(Hay).  Demzufolge  wird  der  knöcherne  Wirbelkörper  hier  auch  nur 
aus  dem  Zusammenfließen  der  von  den  kranialen  Bogenstücken  (Inter- 
calaria)  und  den  unteren  —  offenbar  aus  zwei  verschmolzenen  — 
Bogen   herstammenden   Knochenplatten   gebildet.     Trotz  alledem  sind 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  449 

Schmidt  (1892)  und  Goette  (1897)  mit  ihrer  Annahme,  daß  auch 
die  einfachen  Wirbel  im  Rumpfe  von  Amia  aus  der  Verschmelzung 
zweier  ursprünglich  vollständig  entwickelter  Wirbelscheiben  ent- 
standen seien,  Hay  (1892)  gegenüber,  welcher  der  Ansicht  ist,  daß 
ihnen  ein  „rhachitomes"  Stadium  vorangegangen  sei,  offenbar  im 
Recht.  Allerdings  kommt  es  bei  der  recenten  Amia  an  dieser  Stelle 
nicht  mehr  zur  Ausbildung  zweier  ganzer  Wirbel,  sondern  es  findet 
die  teilweise  Reduktion  und  Verschmelzung  derselben  bereits  in 
frühen  embryonalen  Stadien  statt. 

Nicht  selten  beobachtet  man,  daß  zwei  auf  diese  Weise  ent- 
standene Rumpfwirbel  sich  sekundär  nochmals  miteinander  verbinden 
zu  einem  einzigen  langen  Wirbel,  der  demnach  zwei  ganzen,  bez.  vier 
halben  Skierotomen  gleichwertig  ist  und  vier  Paar  obere  Bögen  —  zwei 
kleine  kraniale  und  zwei  große  kaudale  —  besitzt.  [Ganz  ähnliche  nach- 
trägliche Wirbelverschmelzungen  liegen  auch  offenbar  bei  Polypterus  vor; 
eine  Abbildung  Gegenbaur's  (1867)  läßt  neben  normalen  Wirbeln  dieses 
Tieres  auch  solche  erkennen,  die  bedeutend  länger  sind  als  die  übrigen 
und  statt  eines  zwei,  selbst  drei  Paar  obere  und  untere  Bögen  tragen.] 

Betrachtet  man  endlich  noch  die  Verhältnisse  am  Schwanzende, 
—  statt  einer  ausführlichen  Beschreibung  sei  hier  nur  auf  die  bei- 
gefügte Abbildung  (Fig.  245)  verwiesen  —  so  wird  man  finden,  daß 
dort  bei  der  Wirbelbildung  geradezu  Willkür  herrscht,  da  fast  alle 
überhaupt  nur  denkbaren  Fälle  von  Verschmelzungen  und  Reduktionen 
sowohl  bei  den  Bögen  als  auch  bei  den  Wirbelkörpern  zur  Anwendung 
kommen. 

So  zeigt  uns  Amia  in  vortrefflicher  Weise,  wie  mannigfaltig  die 
Wege  sein  können,  die  schließlich  zur  Entstehung  eines  definitiven 
einheitlichen  Wirbels  führen ;  alle  laufen  aber  mehr  oder  weniger  auf 
die  verschiedenartige  Kombination  von  je  zwei  aus  den  beiden  Sklero- 
tomhälften  eines  Segmentes  hervorgegangenen  Wirbelkomponenten 
hinaus. 

Auf  die  Besprechung  der  fossilen  Amiaden  einzugehen,  ist  hier 
nicht  der  Platz,  es  sei  in  Bezug  darauf  unter  anderem  auf  die  bei  Schmidt 
(1892),  Hay  (1895)  und  Goette  (1897)  enthaltenen  Diskussionen  der 
bis  dahin  ausgesprochenen  Ansichten  verwiesen.  Es  ist  nunmehr 
Sache  der  Paläontologen,  an  der  Hand  der  ihnen  von  der  Ontogenie 
gegebenen  Fingerzeige  das  vorhandene  Material  nochmals  zu  prüfen. 
Einleuchtend  ist  es  aber  jedenfalls,  daß  die  Entstehung  zweier 
Wirbel,  eines  kranialen  [=  Centrum  (Schmidt  u.  a.),  Pleurocentrum 
(Hay),  Praecentrum  (Gadow)J  und  eines  kaudalen  [=  Intercentrum 
(Schmidt  u.  a.),  Hypocentrum  (Hay),  Postcentrum  (Gadow)]  inner- 
halb eines  Segmentes  im  Schwänze  von  Amia,  sofort  die  doppelten 
Wirbelscheiben  der  fossilen  embolomeren  Ganoidenformen  erklärt. 
Die  aus  mehreren  Knochenstücken  sich  zusammensetzenden  rhachi- 
tomen  Wirbel  werden  sich  aber  sicher  aus  der  mannigfaltigen  Ver- 
schmelzung und  damit  gleichzeitig  in  der  verschiedenartigsten  Weise 
stattgefundenen  Rückbildung  der  ursprünglichen ,  aus  den  beiden 
Skierotomhälften  hervorgehenden  Stücken  erklären  lassen ;  liefert  doch 
auch  hierfür  die  Ontogenese  von  Amia  Hinweise  genug. 

Von  der  Wirbelsäulenentwickelung  der  übrigen  Knochenganoiden 
kennt  man  nur  noch  die  von  Lepidosteus  einigermaßen  genügend  und 
zwar  namentlich  durch  die  Untersuchungen  von  Gegenbaur  (1867), 
sowie  von  Balfour   und  Parker  (1882);  auch  Gadow  und  Abbott 

Handbuch  der  Entwickelungslehre.  III.  2.  29 


450 


H.  Schauinsland, 


(1895)  machen  über  diesen  Gegenstand  Mitteilungen,  während  Hasse 
(1897)  und  Klaatsch  (1895)  namentlich  Notizen  über  die  Chorda- 
scheide bringen. 

Auch  bei  Lepidosteus  kann  man  an  der  Chordascheide  eine  dünne 
äußere  elastische  und  eine  dicke  innere  Faserschicht  unterscheiden. 
Bereits  bei  Amia  wurde  erwähnt,  daß  an  letzterer  innerhalb  der 
vertebralen  Abschnitte  der  Wirbelsäule  eine  Differenzierung  in  eine 
granulierte  äußere  und  eine  konzentrisch  gestreifte  innere  Zone  — 
die  an  den  intervertebralen  Partieen  allein  vorhanden  ist  —  sich  be- 
merkbar macht  (Fig.  251—254). 


Fig.  251. 

s       lls 


Fig.  252. 


obd 


kr(ob^-\-uby1) 


Fig.  251  und  252.  Zwei  Querschnitte  durch  die  Wirbelsäule  einer  5,5  cm  langen 
Larve  von  Lepidosteus  nach  Balfour  und  Parker,  e/»  Chordaepithel,  afs  und  ifs 
äußere  und  innere  Lage  der  Faserseheide,  es  elastische  Scheide,  k  Knochen  (in 
ganz  dunklein  Farbenton  angegeben),  b  Bindegewebe,  ob  obere,  uh  untere  Bögen. 
r  die  von  letzteren  abgegliederten  Kippen,  kr  (ob^+ubil)  der  in  den  intervertebralen 
Partieen  vorhandene,  die  Chorda  völlig  umschließende  Knorpelring,  der  aber  nicht 
gleichmäßig  rund,  sondern  zwei  obere  und  zwei  untere  Erhöhungen  aufweist  (und 
wahrscheinlich  den  oberen  und  unteren  kranialen  Bögen  entspricht,  Schauins- 
land).  obd  die  oberen,  von  den  basalen  Teilen  der  Bögen  getrennten,  knorpe- 
ligen Bogenstücke.  s  Flossenträger  (Dornfortsatz),  lls  Ligamentum  longitudinale 
superius. 


Eine  Einwanderung  von  Zellen  in  die  Faserscheide  hinein  findet 
ebensowenig  wie  bei  Amia  oder  den  Stören  statt.  Sehr  wahrscheinlich 
ist  das  auch  bei  allen  übrigen  Knochenganoiden,  selbst  bei  Polypterus, 
bei  dem  es  noch  zweifelhaft  sein  könnte  (siehe  Hasse  und  Klaatsch), 
der  Fall. 

Schon  von  vornherein  ist  bei  Lepidosteus  die  Chordascheide  Amia 
namentlich  aber  den  Crossopterygiern  gegenüber  schwächer  entwickelt; 
im  späteren  Alter  wird  sie  aber  samt  der  Chorda  fast  vollständig 
rückgebildet  (Gegenbaur). 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  451 

An  der  Außenseite  der  Chordascheide  sammeln  sich  die  aus  den 
Skierotomen  stammenden  perichordalen  Zellen,  ähnlich  wie  es 
bei  Callorhynchus  beschrieben  wurde,  vornehmlich  in  je  zwei  dorsalen 
und  ventralen  Längsreihen  an  (Balfour  und  Parker).  Die  beiden 
dorsalen  wachsen  nach  oben  hin  aus  und  vereinigen  sich  oberhalb  des 
Bückenmarkrohres,  dieses  vollständig  einschließend  (Stadium  der  häu- 
tigen Wirbelsäule).  Gleichzeitig  verbreitern  sich  an  den  Stellen  der 
Intermuskularsepten  die  basalen  Partieen  jener  Längsleisten;  dort 
wird  ihr  Gewebe  auch  sehr  bald  knorpelig,  und  damit  ist  dann  die 
erste  Anlage  der  oberen  und  unteren  Bögen  vollendet.  Gemäß  ihrer 
Lage  zu  den  Myosepten  wird  man  sie,  entsprechend  unserer  bis  dahin 
angewendeten  Terminologie,  als  kaudale  Bogenstücke  bezeichnen 
müssen  (Schauinsland).  Jene  knorpeligen  oberen  Bögen  stoßen  mit 
den  unteren,  abgesehen  vielleicht  von  den  letzten  Schwanz-  und  vor- 
deren Rumpfpartieen,  nicht  zusammen,  sondern  sind  nur  durch  Binde- 
gewebe miteinander  vereinigt.  Die  Chordascheide  ist  an  diesen  Stellen 
somit  nicht  von  einem  vollständigen  Knorpelring  umgeben  (Fig.  251). 
Letzteres  ist  aber  im  darauf  folgenden  Stadium  an  den  inter- 
vertebralen  Partieen  der  Fall.  Dort  findet  sich  nämlich  eine  zu- 
sammenhängende Knorpellage,  die  von  den  Bögen  des  einen  Wirbels 
sich  bis  zu  denen  des  nächstfolgenden  bez.  des  vorhergehenden  er- 
streckt (Fig.  253,  254). 

Wenngleich  sie  in  einheitlicher  Schicht  die  Chorda  umschließt,  so 
lassen  sich  doch  an  ihr  sowohl  dorsal  als  auch  ventral  je  zwei  mäßige 
Verdickungen  erkennen,  die  durch  Einschnürungen  des  Knorpels  von- 
einander getrennt  sind  und  jedenfalls  mit  oberen  und  unteren  Bögen 
verglichen  werden  können  (Fig.  252). 

Woher  diese  intervertebrale  Knorpelmasse  stammt,  läßt  sich 
mit  völhger  Sicherheit  nicht  angeben,  da  das  Stadium,  in  welchem  ihre 
frühesten  Anfänge  sich  zeigen,  bis  jetzt  noch  nicht  zur  Beobachtung 
gelangte.  Man  kennt  sie  erst  nach  ihrer  völligen  Ausbildung,  und 
dann  findet  man  sie  in  der  Verbindung  mit  den  oberen  und  unteren 
Wirbelbögen.  Gegenbaur,  sowie  Balfour  und  Parker  nehmen  an, 
daß  sie  von  diesen  auch  abstammt.  Immerhin  ist  es  aber  möglich, 
daß  sie  eine  selbständige  Entstehung  innerhalb  des  kaudalwärts  von 
jedem  Bogen  befindlichen  Bindegewebes  hat.  Später,  wenn  der 
Knocheubelag  der  Knorpelmasse  stärker  geworden  ist,  sind  die 
knorpeligen  Bögen  und  die  knorpeligen  intervertebralen  Partieen 
jedenfalls  völlig  voneinander  getrennt  (Gadow  und  Abbott). 

Wie  dem  aber  auch  sein  mag,  sicher  werden  die  letzteren  aber  den 
kleineren  „kranialen"  Bogenstücken  (=  den  Interdorsalien  und 
Interventralien  Gadow's),  die  wir  bis  dahin  immer  und  zuletzt  bei 
Amia  in  so  vorzüglicher  Ausbildung  angetroffen  haben,  als  homolog 
betrachtet  werden  können. 

Auch  die  Lage  der  Blutgefäße  und  Nerven  stimmt  mit  dieser  An- 
nahme überein.  Bei  ausgewachsenen  Exemplaren  zieht  an  den  Schwanz- 
wirbeln (Schauinsland)  das  Segmentalgefäß  unmittelbar  kaudal  von 
den  Wirbelbögen  etwa  an  der  Grenze  zwischen  dem  zweiten  und 
dritten  Drittel  des  Wirbelkörpers  über  diesen  herüber.  Dicht  dahinter 
tritt  die  ventrale  Nervenwurzel  zu  Tage  und  dorsal,  sowie  auch 
merklich  kaudal  von  dieser  die  sensible.  Beide  verlaufen  erst  noch 
eine   Strecke,    durch    einen    ziemlich   weiten    Zwischenraum    getrennt, 

29* 


452 


H.  Schauinsland, 


nebeneinander  her,  bis  sie  sich  zu  dem  Spinalnerven  vereinigen.  Die 
Nerven  zeigen  hierin  noch  ein  etwas  primitiveres  Verhalten  wie  bei 
Amia  und  erinnern  mehr  au  die  Knorpelganoiden.  Abgesehen  davon, 
deuten  Blutgefäße  und  Nerven  darauf  hin,  daß  die  kaudalwärts  von 
den  Bögen  gelegene  Knorpelmasse  dem  kranialen  Wirbelstück  Amias 
gleichzusetzen  ist. 

Es  ist  also  sehr  wahrscheinlich,  daß  bei  Lepidosteus  sich  die  kaudale 
Skierotomhälfte  eines  Segmentes  mit  der  kranialen  des  darauf 
folgenden  zu  einem  bleibenden  Wirbel  vereinigt  hat,  so  daß  dieser 
sich  also  aus  Elementen  zusammensetzt,  die  von  zwei  verschie- 
denen Ursegmenten  abstammen. 

Das  kraniale  Stück  ist  aber  wohl  nicht  in  seiner  ganzen  Aus- 
dehnung mit  dem  vorhergehenden  kaudalen  verbunden.  Es  dient 
nämlich  vorzüglich  zur  Entwickelung  einer  wohlausgebildeten  Ge- 
lenkverbindung, wie  wir  sie  in  dieser  Form  bei  den  Fischen  bis 


tv 


üb  ajs  ifs     k  es    iv  ep 


Fig.  253.  Horizontaler 
Längsschnitt  durch  die  Wirbel- 
säule einer  5,5  cm  langen  Larve 
von  Lepidosteus  in  der  Höhe 
der  unteren  Bögen  {üb),  nach 
Balfour  u.  Pakker  ;  er  zeigt 
die  intervertebralen  Knorpel- 
ringe im  Zusammenhang  mit 
den  Bögen,  die  vertebrale 
Einschnürung  der  Chorda  u. 
s.  w.  Das  rechte  Ende  der 
Figur  ist  das  kraniale,  iv 
der  Beginn  der  Gelenkaus- 
bildung  in  den  interverte- 
bralen Partieen  des  Wirbels. 
Dadurch  wird  der  Wirbel  spä- 
ter (Fig.  254)  an  seinem  krani- 
alen Ende  durch  eine  konvexe, 
an  seinem  kaudalen  durch 
eine  konkave  Ebene  begrenzt, 
er  wird  dann  opisthocöl,  wäh- 
rend er  jetzt  wegen  der  inter- 
vertebralen Erweiterung  der 
Chorda  noch  amphicöl  ist. 
Die  übrigen  Bezeichnungen 
wie  in  Fig.  251  und  252. 

jetzt  noch  nicht  antrafen,  zwischen  den  einzelnen  Wirbelkörpern.  Zu 
diesem  Ende  entsteht  in  seinem  Knorpel  eine  Trennungslinie 
(Fig.  253,  254  iv) ,  und  zwar  in  der  Weise,  daß  diese  auf  Längs- 
schnitten an  dem  vorderen  Ende  des  Wirbels  konvex,  an  dem  hinteren 
konkav  gekrümmt  erscheint.  Es  ist  somit  klar,  daß,  sobald  die 
Trennung  sich  völlig  ausgebildet  hat,  vorne  eine  gewölbte  (Gelenk- 
kopf),  hinten  eine  ausgehöhlte  Fläche  (Gelenkpfanne)  entstanden, 
daß  der  Wirbel  „opisthocöl"  ist.  Dabei  ist  es  nun  nicht  unwahr- 
scheinlich, daß  ein  Teil  des  intervertebralen  Knorpelringes,  den  wir 
wegen  seiner  Lage  zu  den  segmentalen  Gefäßen  und  Nerven  als 
kranial  bezeichneten,  auch  mit  zur  Bildung  der  vorderen  Gelenk- 
fläche des  je  folgenden  Wirbels  verwendet  wird. 
r  ^  ':^ Andererseits  ist  es  allerdings  aber  auch  nicht  völlig  ausgeschlossen, 
daß  diese  nur  dem  kaudalen  Skierotomabschnitt,  auf  dem  die  Bögen 
sitzen,  angehört,  in  welchem  Fall  das  Gelenk  dann  also  gerade  das 
kraniale   und   kaudale   Skierotomstück   trennen,    mit  anderen  Worten 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  453 

durch  die  Mitte  eines  ursprünglichen  Ursegmentes  gehen  würde. 
Welche  von  diesen  Möglichkeiten  die  richtige  ist,  wird  sich  nur  durch 
erneute  Untersuchungen  entscheiden  lassen. 

Als  besonders  bemerkenswert  ist  übrigens  nachträglich  noch  zu 
erwähnen,  daß  die  Chorda,  welche  anfangs  einen  völlig  gleich- 
mäßigen Durchmesser  aufweist,  in  späteren,  wenn  immer  noch  recht 
frühen  Stadien  durch  die  Bögen  in  der  Mitte  jedes  Wirbels  nicht  un- 
beträchtlich eingeschnürt  wird  (Balfour  und  Parker;  s.  Fig.  253). 
Jeder  Wirbel  ist  also  dann  noch  a  m  p  h  i  c  ö  1 ;  es  ist  das  ein  Stadium, 
in  welchem   ein  Wirbel  von  Lepidosteus   einen  solchen  der  Teleostier 


Fig.  254.  Horinzontaler  Längsschnitt  durch  die  Wirbelsäule  einer  Lepidosteus- 
Larve  von  11  cm  Länge  nach  Balfour  und  Parker.  Nur  die  linke  Hälfte  des 
Schnittes  ist  abgebildet  (das  rechte  Ende  der  Figur  ist  das  kraniale);  er  ist  in  der 
Höhe  der  unteren  Bögen  (üb)  geführt  worden  und  zeigt  die  intervertebrale  Ein- 
schnürung der  Chorda,  die  Verknöcherung  des  Knorpels  u.  s.  w.  Die  Bezeichnungen 
wie  in  Fig.  251—253. 

äußerst  ähnlich  erscheint,  namentlich  zu  der  Zeit,  bevor  die  inter- 
vertebralen  Knorpelringe  erschienen  sind.  Sobald  letztere  an  Mächtig- 
keit zunehmen,  wird  durch  sie  die  Chorda  im  Gegensatz  zu  früher 
stärker  zusammengepreßt  als  durch  die  Bögen  (Fig.  254);  dieses  ist 
gleichzeitig  auch  die  Stelle,  an  der  sie  später  zuerst  völlig  rückge- 
bildet wird.  ^  Jedenfalls  ist  es  interessant,  daß  dem  opisthocölen 
Lepidosteuswirbel  ein  Stadium  vorausgeht,  in  dem  er  noch  amphicöl  ist. 
Die  Verknöcherung  ergreift  den  Wirbel  in  hohem  Grade,  so 
daß  der  Knorpel  in  ihm  fast  völlig  zum  Schwinden  gebracht  wird. 
Sie  beginnt  mit  dünnen  Knochenscherben  im  Perichondrium  der  Bögen 
(Fig.  251).  Anfangs  stehen  diese  Platten  der  oberen  und  unteren  Bögen 
in  keiner  Verbindung  miteinander,  bald  aber  vereinigen  sie  sich,  indem 
die  Knochen  über  die  Grenzen  der  Knorpel  hinauswuchern  und  so  den 
von  diesen  noch  freien  Teil  der  Chordascheide  überwachsen,  wodurch 
dann  der  knöcherne  Wirbelkörper  entsteht.  Dabei  hört,  wie 
oben  bereits  bemerkt,  die  bis  dahin  bestandene  Verbindung  des  „inter- 


454 


H.  Schauinsland, 


S.trsv.d  *i„' 


S.hor 


S.hor 


vertebralen"  Knorpels  mit  dem  Bogenknorpel  auf,  und  die  zwischen 
ihnen  liegende  Partie  des  Wirbelkörpers  wird  dann  nur  von  Knochen 
gebildet. 

Derjenige  Teil  des  „intervertebralen"  Knorpels  (kranialer  Sklero- 
tomabschnitt),  welcher  das  kaudale  Ende  des  Wirbelkörpers  bilden 
wird,  ist  mit  einer  vollständigen  Knochenhülse  umgeben  (Fig.  252,  254); 
auch  im  Innern  wird  dieser  Knorpelring  durch  das  Eindringen  der 
Ossifikation  von  der  Peripherie  her  (Fig.  254)  allmählich  in  Knochen 
übergeführt. 

Endlich  ist  noch  anzuführen,  daß  in  der  dorsalen  Verlängerung 
der  oberen  Bögen  sich  isolierte  Knorpelstücke  finden  („Fortsatz  der 
Bögen",  Gegenbaur;  „Supradorsalia",  Gadow  und  Abbott);  sie  be- 
sitzen eine  sehr  schräge  Lage  und  reichen  mit  ihrem  oberen  Ende 
seitlich  bis  zu  dem  oberen  elastischen  Längsband  herauf  (Fig.  251  ohd). 
Mit  den  basalen  Teilen  der  oberen  Bögen  sind  sie  anfangs  nur  durch 

Bindegewebe  verbunden ; 
jedoch,  sobald  sich  der 
auch  auf  ihrer  Oberfläche 
entstehende  Knochen,  so- 
wie der  Knochen  auf  den 
unteren  Bogeuteilen  mehr 
ausbreitet,  wird  auch  diese 
Verbindung  knöchern.  Der 
obere  Bogen,  welcher  sich 
also  aus  zwei  gesonderten 
Knorpelstücken  und  einem 
knöchernen  Verbindungs- 
stück zusammensetzt,  er- 
scheint dann  als  ein  ein- 
heitliches Ganzes.     Etwas 

S.trsv.v:\      IbM        /  ^.      h  ^   Fig.  255.    Querschnitt  durch 

die    hintere   Rumpfhälfte    von 

Calamoichthys  calabaricus 
nach  GÖPPERT.  Vergr.  W/..,  mal. 
oR  obere  Rippen.  itR  untere 
Rippen  (Pleuralbögen).  i>.trsv.d 
und  S.trsv.v  dorsale  und  ven- 
trale Transversalsepten.  Ä  kor 
Septum  horizontale,  ob  obere 
Bögen,  tib  untere  Bögen,  h  Hä- 
malfortsätze  der  letzteren,  nl 
Nerv,  lateralis,    k  Hautknochen. 

Aehnliches  kommt  auch  bei  den  Teleostiern  (Goette)  und  bei  Pro- 
topterus  vor.  Es  ist  interessant,  daß  bei  letzterem  jedoch  (nach 
Gadow)  die  distalen  oberen  Bogenstücke  nicht  gänzlich  isoliert, 
sondern  durch  eine,  wenn  auch  recht  dünne  Knorpelrute  mit  den 
basalen  Teilen  verknüpft  sind. 

Außerdem  finden  sich  noch  zwei  Knorpelstücke  an  dem  Dache  des 
Medullarkanals  unmittelbar  ventral  vom  oberen  elastischen  Längsband 
und  kaudal  von  den  eben  erwähnten  isoliert  angelegten  dorsalen  Enden 
der  oberen  Bögen.  Sie  sind  später  durch  eine  sich  lateral  an  sie  an- 
legende Knochenscherbe  mit  den  dorsalen  Enden  der  oberen  Bögen 
des  nächstfolgenden  Wirbels  verbunden.  Gegenbaur  nennt  sie 
„Schlußstücke" ,  Balfour  und  Parker  „eingeschaltete  Knorpel- 
elemente der  Neuralbögen"  und  Gadow  „Supra-interdorsalia".    Aehn- 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  455 

liehe  Knorpel  trafen  wir  bereits  bei  Amia  an  und  werden  sie  bei  den 
Teleostiern  wiederfinden.  Hier  bei  Lepidosteus  ist  es  mehr  als  wahr- 
scheinlich, daß  sie  trotz  der  nachträglichen,  teilweisen  Einbeziehung 
ihrer  kaudalen  Enden  in  den  Knochen  des  folgenden  oberen  Bogens 
zu  dem  intervertebralen  Knorpel,  der  von  uns  als  kraniales  Sklerotom- 
stück  bezw.  dem  kranialen  Amiawirbel  gleichwertig  aufgefaßt  wurde, 
gehören  und  zu  diesem  im  gleichen  Verhältnis  stehen  wie  die  vorher 
beschriebenen  getrennten  dorsalen  Stücke  der  oberen  Bögen  zu  diesen 
selbst.  Balfour's  Angabe,  daß  sie  sich  aus  dem  Ligamentum  longi- 
tudinale  superius  entwickeln,  ist  übrigens  sicher  unrichtig. 

Sehr  lange  und  schräg  nach  hinten  gerichtete  Flossenträger  (Dorn- 
fortsätze) sind  ebenso  wie  bei  Amia  vorhanden  (Fig.  251  &).  Sie  liegen 
mit  ihrem  ventralen  Ende  dem  oberen  Längsband  dicht  auf. 

ßil)peii  und  untere  Schwanzbögen  der  Knochen ganoiden. 
Nach  Balfour  und  Parker  kann  es  kaum  zweifelhaft  sein,  daß  bei 
Lepidosteus  die  Rippen  ursprünglich  im  knorpeligen  Zusammenhang 
mit  den  unteren  Bögen  stehen  und  erst  später  sich  von  ihnen  ab- 
gliedern ;  es  würden  also  dieselben  Verhältnisse  vorliegen  wie  bei  den 
Elasmobranchiern.  Der  distale  Teil  eines  später  endgültig  getrennten 
unteren  Bogens  ist  demnach  also  die  Rippe.  Der  proximale  Abschnitt, 
der  sog.  Basalstumpf  (Parapophyse)  ist  bei  Lepidosteus  ziemlich 
lang  und  fast  noch  mehr  bei  Amia.  Nach  dem  Verhältnis  zu  der  Musku- 
latur und  den  Septen  sind  die  Rippen  gemäß  der  bei  den  Selachiern 
gegebenen  Definition  als  untere  zu  bezeichnen.  Verfolgt  man  nun 
diese  Rumpfrippen  weiter  kaudalwärts,  so  sieht  man,  wie  sich  im 
Schwänze  die  der  einen  Seite  mit  denen  der  anderen  zu  einem 
vollständigen  Bogen  vereinigen  und  so  den  Kau d alkanal  bilden; 
dieser  wird  also  von  gegliederten  unteren  Bögen  resp.  Rippen 
gebildet.  Die  Kaudalbögen  sind  demnach,  wie  schon  J.  Müller  be- 
tonte, den  Rippen  des  Rumpfes  gleichwertig,  oder  wie  man  es  auch 
umgekehrt  ausdrücken  kann,  die  Rippen  am  Rumpfe  sind  aus- 
einandergewichene untere  Bögen  der   kaudalen  Region. 

Bei  Amia  sind  diese  Verhältnisse  die  gleichen  und,  was  die 
unteren  Rippen  anbelangt,  auch  bei  den  Crossopterygiern. 
Alles  dieses  zeigt  uns  also  wiederum,  daß  es  unmöglich  ist,  zwischen 
unteren  Bögen  und  Rippen  einen  durchgreifenden  Unterschied  zu 
machen. 

Schon  seit  längerer  Zeit  ist  es  bekannt  (Goette,  Hatschek, 
Rabl,  Baur),  daß  bei  den  heute  noch  lebenden  Crossopterygiern 
—  Polypterus  und  Calamoichthys  —  zwei  Rippen  an  jedem  Wirbel 
vorkommen,  die  gemeinsam  im  transversalen  Myoseptum  liegen,  von 
denen  die  eine  aber  als  obere,  die  andere  als  untere  aufzufassen 
ist.  Göppert  (1895)  konnte  von  beiden  (bei  Calamoichthys)  nachweisen, 
daß  in  [ihnen  Knorpel  vorkommt,  daß  sie  also  zu  dem  primären 
Skelett  gehören  und  nicht  etwa  zu  den  „Muskelgräten",  d.  h.  Sehnen- 
verknöcherungen  zu  zählen  sind. 

Bei  Polypterus  sind  die  oberen  Rippen  in  der  vorderen  Rumpf- 
hälfte stark  entwickelt,  während  die  unteren  dort  nur  kurze  Stümpfe 
vorstellen.  Weiter  nach  hinten  ist  dieses  Verhältnis  umgekehrt,  und 
im  Schwänze  schwinden  die  oberen  ganz,  während  die  unteren  zur 
Bildung  der  kaudalen  Bögen  sich  zusammenschließen. 

Bei  Calamoichthys  fehlen  die  unteren  Rippen  im  vor- 
deren   Rumpfteil   völlig.     Göppert    zeigte,    daß    das    mit    einer   ge- 


456  H.  Schauinsland, 

ringeren  Bedeutung  der  ventralen  Muskulatur  zusammenhängt.  Dort, 
wo  letztere  stärker  entwickelt  ist  —  vom  hinteren  Rumpfabschnitt  an 
—  kommen  neben  den  bereits  vorne  vorhandenen  oberen  Rippen  auch 
untere  vor,  die  am  Schwanz  wiederum  die  Kaudalbögen  bilden. 

Was  ihre  genauere  Lage  anbelangt,  so  liegen  die  oberen  Rippen 
bei  Polypterus  dicht  kranial  von  den  intersegmentalen  Gefäßen 
(Schauinsland)  ;  sie  gehören  demnach  wahrscheinlich  dem  Wirbel- 
teil an,  welcher  zu  dem  kaudalen  Skierotomabschnitt  zu  zählen  ist. 
Die  unteren  befinden  sich  ventral  von  ersteren,  und  ihr  proximales 
Ende  erstreckt  sich  noch  bedeutend  kranialwärts  von  der  oberen 
Rippe  nach  vorne;  ja  die  sie  befestigenden  Bänder  ziehen  sogar  bis 
zur  intervertebralen  Gegend  und  bisweilen  über  diese  hinaus  bis  an 
den  kaudalen  Teil  des  vorhergehenden  Wirbels.  Demnach  könnte 
man  vielleicht  vermuten,  daß  diese  Rippe  ursprünglich  auch  zum 
Ende  des  vorhergehenden  Wirbels  gehörte  und  folglich  von  dem 
kranialen  Skierotomabschnitt  abstammte. 

Bei  Calamoich thy s  entspringen  die  unteren  Rippen  an  dem 
hinteren  Rumpfabschnitt  ebenfalls  etwas  vor  den  oberen;  je  weiter 
nach  dem  Schwanz,  desto  mehr  rücken  sie  aber  nach  der  Wirbelmitte 
und  fügen  sich  dort  kurzen,  Knorpel  enthaltenden  Knochenvorsprüngen 
an,  welche  rechts  und  links  von  der  Aorta  liegen.  Dorsal  von  ihnen 
befinden  sich  an  langen  Querfortsätzen,  welche  den  Basalstümpfen  der 
unteren  Bögen  homolog  sind,  die  oberen  Rippen. 

Wir  sahen,  daß  bei  Laemargus,  bei  den  Stören,  bei  Amia  etc. 
der  ursprünglich  einheitliche  untere  Bogen  sich  zu  teilen  vermag  in 
einen  dorsalen,  die  Rippen  tragenden  Abschnitt,  der  sogar  bis  zu  den 
oberen  Bögen  emporrücken  kann,  und  in  einen  kleineren,  die  Aorta 
einschließenden  Teil,  die  „Hämalfortsätze".  Bei  Calamoichthys  (Schau- 
insland; sind  die  Querfortsätze,  an  denen  die  oberen  Rippen  ange- 
heftet sind,  offenbar  den  ersteren,  die  Knochenhöcker  aber,  welche 
den  unteren  Rippen  als  Ansatzstellen  dienen,  den  Hämalfortsätzen 
gleichwertig.  Demnach  hätte  also  hier  jeder  der  beiden  voneinander 
getrennten  Basalteile  der  unteren  Bögen  eine  Rippe  entwickelt, 
während  es  sonst  in  der  Regel  allein  bei  dem  größeren  dorsalen 
Stück  der  Fall  ist.  Nur  mit  Hilfe  der  noch  ausstehenden  Kenntnis 
der  Ontogenese  der  Crossopterygier  wird  man  im  stände  sein,  nach- 
zuweisen, welche  von  den  beiden  bei  Lepidosteus  und  Calamoichthys 
skizzierten  Möglichkeiten  die  richtige  ist,  ob  also  die  doppelten  Rippen 
sich  aus  zwei  verschiedenen  Skierotomhälften  ableiten  lassen,  oder 
ob  sie  —  was  das  Wahrscheinlichere  ist  —  eine  Folge  sind  der  dorsal- 
ventral auseinandergewichenen  unteren  Bögen. 

Teleostier. 

Hauptsächlichste  Litteratur :  v.  Bär  1828 ;  J.  MtJLLER  1834 ;  Stannius  1849 ; 
Aug.  MtJLLER  1853;  O.  Kölliker  1860;  Gegenbaur  1862;  C.Bruch  1862;  Lotz 
1864  ;  W.  MÜLLER  1871;  Cartier  1875;  v.  Mihalkovics  1875;  Goette  1878,  1879; 
Grassi  1883  i  Scheel  1893 ;  Göppert  —  ßippen  —  1895 ;  v.  Ebner  1896 ;  Ussow 
1900;  Albrecht  1902. 

Die  bereits  bei  den  Knochenganoiden  —  welche  man,  wenn  wohl 
auch  kaum  in  den  heute  noch  lebenden  Formen,  als  die  Vorfahren 
der  Telostier  zu  betrachten  haben  wird  —  in  bedeutendem  Maße  sich 
zeigende  Tendenz,  den  Knorpel  durch  Knochen  zu  ersetzten,  erreicht 
bei   den  Teleostiern  den  höchsten  Grad;   bei   ihnen  wird  der  Knorpel 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  457 

nicht  nur  in  späteren  Entwickelungsstufen  von  den  Knochen  mehr  oder 
weniger  vollständig  zurückgedrängt,  sondern  es  können  sogar  auch 
einzelne  Skelettstücke,  die  wir  bei  den  bisher  betrachteten  Formen  noch 
knorpelig  antrafen ,  von  vorneherein  schon  knöchern  angelegt 
werden. 

Andererseits  erfährt  die  Chorda,  die  bei  den  Knochenganoiden 
einer  vollständigen  Reduktion  anheimfallen  konnte,  bei  den  Teleostiern 
keinen  so  hohen  Grad  der  Rückbildung;  im  Gegenteil,  trotz  mancherlei 
Veränderungen  spielt  sie  selbst  noch  in  der  Wirbelsäule  des  bereits 
völlig  erwachsenen  Tieres  eine  nicht  unbedeutende  Rolle. 

Anfangs  unterscheidet  sie  sich  kaum  von  der  Chorda  der  übrigen 
Fische;  ihre  Vakuolen  werden  auch  heute  wohl  noch  vielfach  als 
regelrechte  blasige  Zellen  von  polyedrischer  Form  mit  Membran  und 
Kern  angesehen,  doch  ist  es  wahrscheinlicher,  daß  das  nur  bedingungs- 
weise richtig  ist,  und  daß  die  Entwickelung  der  Vakuolen  sich  in  ganz 


'es 


*-- 


es 


Fig.  256  a— c.  a  Sagittaler  Längsschnitt  durch  die  Chorda  eines  Embryos  von 
Corregonus  Wartmanni  7  Tage  nach  der  Befruchtung,  b  Ein  eben  solcher  Schnitt 
durch  die  Chorda  eines  Embryos  von  Corregonus  Wartmanni  9  Tage  nach  der  Befruchtung 
bei  derselben  Vergrößerung,  c  Ein  gleicher  Schnitt  durch  die  Chorda  eines  6  mm 
langen  Embryos  von  Salmo  salar.  432  mal  vergrößert.  Kopieen  nach  A.  Albrecht. 
V  Vakuolen  in  den  Chordazellen,  k  Kerne  der  Chordazellen  und  der  protoplas- 
matischen Rindenschicht  der  Chorda,  es  elastische  Chordascheide,  b  perichordales, 
vom  Skierotom  abstammendes  Bindegewebe,  ep  protoplasmatische  Rindenschicht 
(in  Bildung  begriffenes  Chordaepithel). 

ähnlicher  Weise  vollzieht,  wie  es  bei  den  Holocephalen  und  Squaliden 
dargestellt  wurde  in  Uebereinstimmung  mit  den  Beobachtungen 
Goette's  (1879),  die  neuerdings  wieder  durch  Albrecht  (1902)  Be- 
stätigung fanden  (Fig.  256  a — c). 

Nach  diesen  Autoren  werden  die  Grenzen  der  jungen  protoplas- 
matischen Chordazellen  schon  in  sehr  frühen  Stadien  auf  Querschnitten 


/ 


458  H.  Schauinsland, 

nicht  mehr  nachweisbar,  so  daß  die  Chorda  nur  wie  ein  Protoplasma- 
strang mit  eingestreuten  Kernen  erscheint,  die  meistens  in  der 
Nähe  der  Peripherie  anzutreffen  sind.  Bei  Längsschnitten  stellt  es 
sich  aber  heraus,  daß  sie  doch  aus  gesonderten,  aber  außerordentlich 
abgeplatteten  scheibenförmigen  Zellen  besteht,  die  „geldrollenähnlich'' 
(Goette)  hintereinander  liegen  (Fig.  256a),  oft  aber  auch  von  keil- 
förmiger Gestalt  in  einer  Doppelreihe  pallisadenförmig  angeordnet  er- 
scheinen (Schmidt  1893).  Im  Innern  dieser  so  gestalteten  Zellen 
treten  dann  verschieden  geformte,  durchsichtige  und  mit  klarer  Flüssig- 
keit gefüllte  Vakuolen  auf,  die  sich  bald  vergrößern  und  das  Proto- 
plasma mit  dem  darin  befindlichen  Kern  der  Zelle  vor  sich  her  treiben. 
Durch  ihre  Ausdehnung  verändern  sie  auch  die  ursprüngliche  Form 
der  Zellen,  sie  teils  zusammendrückend,  teils  ausbuchtend  (Fig.  256  b  u.  c). 
Die  Scheidewände  der  Vakuolen,  bezw.  ihrer  ursprünglichen  Zellen 
verschmelzen  fest  miteinander,  während  die  Hauptmenge  des  Proto- 
plasmas der  Zellen  sich  in  zunächst  recht  unregelmäßiger  Lage  an  der 
Peripherie  der  Chorda  ansammelt,  wo  sich  auch  zahlreiche  Kerne  un- 
regelmäßig zerstreut  in  ihm  vorfinden.  Damit  hat  sich  also  eine 
„protoplasmatische  Rindenschicht"  (Goette)  gebildet,  in  welcher  an- 
fangs keine  bestimmten  Zellgrenzen  zu  entdecken  sind.  Später  da- 
gegen können  sich  hier  wirkliche  Zellen  abgrenzen,  und  man  ist  dann 
berechtigt,  von  einer  „epitheliomorphen  Schicht"  (Grassi)  oder  selbst 
einem  Chordaepithel  (Gegenbaur)  zu  sprechen.  Von  dieser  Rinden- 
schicht geht  nun  auch  die  Entwickelung  weiterer  Vakuolen  vor  sich; 
sie  entstehen  in  ihr,  nehmen  an  Umfang  zu  und  werden  gleichzeitig 
durch  nachfolgende  nach  der  Mitte  hingedrängt. 

Meistens  findet  man  an  den  Vakuolenwänden  einen  Kern,  um- 
geben von  einer  sehr  geringen  Menge  von  Protoplasma.  Diese  Ele- 
mente verschwinden  später  aber  oft  vollständig,  so  daß  das  Vakuolen- 
gerüst dann  ein  Fachwerk  darstellt,  das  wohl  aus  Zellen  entstanden  ist, 
in  dem  jede  einzelne  Vakuole  aber  keine  Zelle  im  wahren  Sinne  des 
Wortes  mehr  darstellt  (Goette,  Albrecht).  Dabei  ist  es  jedoch 
nicht  ausgeschlossen,  daß  sich  in  ihm  andererseits  nachträglich  auch 
wirklich  echte  Zellen  wieder  ausbilden  können.  Umgeben  wird  die 
Chorda  von  ihrer  Scheide,  die  aus  einer  inneren  dicken  Faser- 
schicht  und  einer  dünnen  äußeren  elastischen  Scheide  besteht 
(Fig.  259,  263,  264). 

Bezüglich  der  Benennung  und  Homologisierung  dieser  Schichten 
mit  denen  der  anderen  Fische  herrschte  früher  mancherlei  Wirrwarr ; 
es  ist  aber  wohl  kaum  mehr  nötig,  auf  die  Differenzen  hier  noch 
näher  einzugehen ;  wir  wissen  jetzt  durch  die  Untersuchungen  Ebneres 
und  vieler  Anderer,  daß  die  Faserscheide  und  die  äußere  elastische 
Scheide  der  Teleostier  homolog  sind  den  von  uns  bei  den  Cyclostomen 
und  Ganoiden  mit  denselben  Bezeichnungen  belegten  Schichten,  und 
daß  sie  auch  unmittelbar  verglichen  werden  können  mit  der  Chorda- 
scheide der  Elasmobranchier  und  Dipneusten,  bevor  bei  diesen  eine 
Einwanderung  von  Zellen  in  die  Faserscheide  stattgefunden  hat.  Die 
Chordascheide  sämtlicher  Fische  besitzt  also  einen  im  Prinzip  über- 
einstimmenden Bau. 

Was  die  Faser  scheide  anbelangt,  so  sind  fast  alle  Autoren 
(KÖLLiKER,  Gegenbaur,  W  Müller,  Goette,  Grassi,  Klaatsch, 
Scheel,  Ussow,  Albrecht)  darin  einig,  daß  sie  ein  Produkt  der 
Chorda,  im  besonderen   ihrer  äußeren  Rindenschicht  sei  und  jeglicher 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  459 


Zellen  entbehre.  Nur  Lwoff  leitet  sie  vom  perichordalen  Gewebe 
ab  und  findet  auch  Zellen  in  ihrem  Innern,  von  denen  die  Fasern  der 
Scheide  abstammen  sollen.  Diese  Angabe  wird  ebenso  wie  bei  den 
Ganoiden  mit  Recht  beanstandet  werden  müssen. 

Keine  so  große  Uebereinstimmung  herrscht  über  die  äußere 
elastische  Scheide.  Abgesehen  davon,  daß  Goette  (1879)  sie 
anfangs  ganz  vermißte  und  statt  ihrer  eine  dünne,  zellhaltige 
Membran  (die  in  Wirklichkeit  aber  schon  dem  perichordalen  Gewebe 
angehört)  sah,  welche  er  mit  der  zellhaltigen  Chordascheide  der  Elasmo- 
branchier  identifizierte,  nahm  man  früher  ziemlich  allgemein  an,  daß 
sie  aus  der  perichordalen  (skelettbildenden) 
Schicht    entstände.     Neuerdings   sieht  man  b  che   y 

in    ihr    aber   nicht   nur   eine   völlig  zellen-  i   j       i 

freie,  aus  elastischen  Fasern  allein  be- 
stehende Membran,  sondern  faßt  sie  auch 
nur  als  Produkt  der  Chorda  auf  (Ebner 
1896,  Ussow  1900  u.  a.).  Da  sie  bereits 
in  einer  Zeit  erscheint,  in  der  perichordale 
Zellen  überhaupt  noch  nicht  vorhanden 
sind    (Albrecht),    so    können    sich    diese 


ms 


Fig.  257.  Horizontaler  Längsschnitt  durch 
die  hintere  Rumpfpartie  eines  3^/^  cm  langen  Lepto- 
cephalus  (Valdivia-Expedition).  Der  Schnitt  ist  durch 
die  Mitte  der  Chorda  gegangen.  Vergr.  90mal.  v  die 
riesigen,  einzeln  hintereinander  liegenden  Vakuolen 
der  Chorda;  nur  an  einer  Stelle  finden  sich  aus- 
nahmsweise zwei  große  Vakuolen  nebeneinander 
hegend,  ep  das  sehr  niedrige  „Chordaepithel".  Dort, 
wo  zwei  der  großen  Vakuolen  zusammenstoßen  (ep,), 
sind  seine  Zellen  reichlicher  vorhanden,  chs  Chorda- 
scheide ;  bei  der  schwachen  Vergrößerung  lassen  sich 
die  Details  in  ihr  leider  nicht  mehr  deutlich  er- 
kennen, doch  ist  durch  die  mediane  hellere  Partie 
die  Faserscheide,  durch  den  pheripheren  dunkleren 
Strich  das  perichordale,  sich  der  Scheide  dicht 
anschließende  Bindegewebe  angedeutet.  Zwischen 
diesem  und  der  Faserscheide  befindet  sich  die  sehr 
schwach  entwickelte  Elastica  externa,  b  sehr  zartes, 
faseriges  Bindegewebe,  m  Muskeln  (Myomeren),  ms 
Myosepten  bis  au  die  Chordascheide  ziehend,  E 
Epidermis. 


nicht  an  ihrer  ersten  Entstehung  beteiligen ;  ebensowenig  ist  es  wahr- 
scheinlich, daß  ihr  späteres  Wachstum  auf  Kosten  dieser  Zellen  —  was 
von  Manchen,  z.  B.  Ussow,  angenommen  wird  —  erfolgt  (v.  Ebner, 
Albrecht).  Klaatsch  und  auch  v.  Ebner  glauben,  daß  sie  von  den 
jugendlichen  Chordazellen  abgeschieden  wird,  und  zwar  schon  dann, 
wenn  diese  noch  protoplasmatisch  und  vakuolenfrei  sind  (daher  pri- 
märe Chordascheide,  Klaatsch),  daß  sie  aber,  sobald  die  proto- 
plasmatische Rindenschicht  der  Chorda  entstanden  ist,  und  die 
Faserscheide  (sekundäre  Chordascheide,  Klaatsch)  nunmehr  von 
dieser  produziert  wird,  hierdurch  bald  aus  der  direkten  Berührung 
mit  den  Chordazellen  kommt. 

Endlich  ist  noch  die  Elastica  interna  zu  erwähnen,  die  zuerst 
von  KÖLLiKER  beschrieben  wurde,  deren  Existenz  später  aber  ge- 
leugnet  worden    ist;    v.    Ebner    (1896)    zeigte  jedoch,    daß   an    der 


460 


H.  Schauinsland, 


inneren  Seite  der  Faserscheide  bei  vielen  Teleostiern  tatsächlich 
elastische  Fasern  vorhanden  seien,  so  daß  es  in  gewisser  Hinsicht 
berechtigt  wäre,  von  einer  inneren  elastischen  Scheide  zu  sprechen. 
Immerhin  ist  diese  aber  kein  selbständiges  Gebilde,  sondern  nur  eine 
spätere  Modifikation  der  innersten  Schichten  der  Faserscheide. 

Erwähnt  mag  endlich  noch  eine  eigenartige  Ausbildung  der  Chorda- 
scheide  werden,   die   sich  bei  Muränidenlarven  (Leptocephalus)  findet, 


V  s     h 


b  chst  V 


ob    B 


er- 


es    ap  fs        k  iv  üb 

Fig.  258.  Sagittaler  Längsschnitt  durch  die  Wirbelsäule  eines  3,8  cm  langen 
Embryos  von  Zoarces  vivipara.  Vergr.  ö8mal.  Der  Schnitt  ist  etwas  schräge  ge- 
führt, so  daß  er  am  kranialen  Ende  (er)  zwar  genau  durch  die  Mitte  des  Wirbels 
geht,  an  dem  kaudalen  (cd)  jedoch  schon  beträchtlich  seitlich;  deswegen  wird  der 
central  im  Doppelkegel  des  Wirbels  gelegene  Chordastrang  (chst)  kranial  noch  ganz, 
weiter  kaudal  nur  teilweise  oder  gar  nicht  getroffen,  s  das  an  den  intervertebralen 
Partieen  gelegene  und  hier  die  Kegelfacetten  zweier  benachbarter  Wirbel  ausfüllende 
Chordaseptum.  b  die  lateral  von  den  Chordahöhlen  befindliche  Chordamasse,  die 
einen  inneren  Belag  des  knöchernen  Doppelkegels  des  Wirbels  bildet  und  später 
meistens  vollständig  rückgebildet  wird,  v  die  Vakuolen  im  Chordagewebe,  k  Knochen 
des  doppelkegelförmigen  Wirbelkörpers,  an  den  Enden  der  Wirbelkörper  bereits  ziem- 
lich dick  abgelagert,  in  der  Mitte  von  ihnen  jedoch  erst  noch  eine  sehr  dünne  Lamelle 
bildend,  ob  knorpeliger  oberer,  üb  unterer  Bogen,  iv  intervertebrale  Partie.  Die 
Details  sehe  man  bei  der  nächstfolgenden  Figur,  fs  Faserscheide,  es  elastische 
Bcheide  der  Chorda,    ap  große  osteoblastische  Zellen  des  äußeren  Periosts. 

bei  denen  es  den  Anschein  hat,  als  würde  sie  nur  von  mesodermalem 
Bindegewebe  geliefert.  Die  Faserscheide  ist  bei  ihnen  meistens  gut, 
die  äußere  elastische  in  der  Regel  aber  nur  sehr  schwach  entwickelt, 
so  daß  sie  leicht  übersehen  werden  kann.  Rings  um  sie  herum  lagert 
sich  dagegen  ein  eigentümliches,  festes  und  fast  zellenloses  perichor- 
daies  Bindegewebe  so  dicht  an,  daß  es  fast  unmöglich  ist,  eine  Grenze 
zwischen  den  beiden  verschiedenen  Elementen  zu  ziehen,  und  somit 
Scheide  und  Bindegewebe  scheinbar  ein  untrennbares  Ganze  bilden. 
An  geeigneten  Präparaten  (wie  z.  B.  an  dem  noch  weiter  unten  er- 
wähnten Exemplar  Fig.  257)  kann  man  die  Elastica  externa  aber  den- 
noch nachweisen  und  darthun,  daß  auch  bei  Leptocephalus  im  Grunde 
keine  Ausnahme  von  den  bei  anderen  Teleostiern  vorkommenden 
Verhältnissen  stattfindet  (Schauinsland). 

In  späteren  Entwickelungsperioden  erleidet  die  C  h  o  r  d  a  mancherlei 
Veränderungen.  Am  geringsten  ist  das  von  den  bis  jetzt  untersuchten 
Formen  noch  bei  Syngnathus  acus  der  Fall  (v.  Ebner  1896).  Bei 
bereits  vollständig  erwachsenen  Tieren  werden  die  Wirbel  im  Innern 
noch  ganz  vom  Chordagewebe  erfüllt.  Die  Vakuolen  desselben  sind 
gegen   die  Mitte  hin   stark  verlängert,  wodurch  ein  axialer  Chorda- 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  461 

Strang,  wie  wir  ihn  bei  den  Cyclostomen,  Elasmobranchiern  und 
Ganoiden  bereits  antrafen,  gebildet  wird. 

Eine  recht  interessante  Getsaltung  zeigt  die  Chorda  bisweilen  bei 
den  mit  dem  Namen  Leptocephalus  bezeichneten  Fischlarven  (so 
z.  B.  bei  einem  3^2  cm  langen  von  der  „Valdivia-Expedition"  stammen- 
den Exemplar,  Schauinsland).  Ihr  Gewebe  wird  nämlich  von  riesig 
großen  Vakuolen  durchsetzt,  die  die  Gestalt  von  Cyhndertrommeln 
besitzen  und  das  gesamte  von  der  Chordascheide  gebildete  Lumen  — 
abgesehen  von  einer  äußerst  dünnen,  epitheliomorphen  Rindenschicht 
—  einnehmen,  indem  sie  dabei  in  auffallender  Regelmäßigkeit  hinter- 
einander aufgereiht  sind  (Fig.  257).  Auf  je  ein  aus  der  Anordnung 
der  Muskulatur  und  der  Nerven  erkennbares  Segment  kommen  in  der 
vorderen  Körperregion  ein  bis  ein  und  einhalb,  weiter  im  Schwanz 
auch  zwei  bis  drei  solcher  Vakuolen,  die  wahrscheinlich  aus  der  Ver- 
schmelzung einer  größeren  Anzahl  entstanden  sind. 

In  der  Mehrzahl  der  daraufhin  beobachteten  Knochenfische  bilden 
sich  innerhalb  der  Chorda  bedeutende  Hohlräume  aus,  die  oft  so  regel- 
mäßig sind,  daß  dadurch  ganz  charakteristische  und  immer  wieder- 
kehrende Bilder  hervorgerufen  werden.  So  erscheint  z.  B.  bei  Esox 
lucius  (GoETTE  1879,  V.  Ebner  1896),  Gasterosteus  aculeatus  (Ussow), 
Zoarces  viviparus  (Schauinsland)  das  Chordagewebe  nur  an  den 
intervertebralen  Partieen  ununterbrochen  und  bildet  dort  ein  S  e  p  t  u  m , 
durch  das  die  Mündungen  der  knöchernen  Doppelkegel  zweier  an- 
einander stoßender  Wirbel  ausgefüllt  werden  (Fig.  258). 

Je  zwei  benachbarte  Septen  werden  verbunden  durch  einen  Chor- 
dastrang, der  vertebral  liegt  und  von  einem  großen  Hohlraum 
umgeben  ist.  Er  zieht  durch  die  enge  Oeffnung,  durch  welche  bei  alten 
Wirbeln  die  Spitzen  der  beiden  Kegel  miteinander  kommunizieren, 
und  wird  an  dieser  Stelle  später  wahrscheinlich  völlig  durchbrochen. 
Endlich  findet  sich  lateral  von  der  Höhle  noch  Chordasubstanz,  welche 
die  innere  Wand  des  Wirbelkörpers  bekleidet.  Anfangs  noch  in  reich- 
licher Menge  vorhanden  (Fig.  258),  schwindet  sie  an  dieser  Stelle 
später  derartig,  daß  sie  oft  nur  mit  Mühe  nachweisbar  ist. 

Bezüglich  jener  großen  Lücken  und  Hohlräume  innerhalb  der 
Chorda  vieler  Teleostier  und  Elasmobranchier  mag  auf  einen  ähn- 
lichen Vorgang  bei  den  Tunicaten  hingewiesen  werden;  auch  bei 
diesen  wird  ja  fast  das  ganze  Chordagewebe  zerstört,  so  daß  von  ihm 
nur  die  periphere,  epitheliomorphe  Schicht  übrig  bleibt,  und  die  Chorda 
dann  einen  mit  Flüssigkeit  angefüllten  Kanal  darstellt. 

Innerhalb  des  eben  erwähnten  intervertebralen  Chorda- 
septums  fand  v.  Ebner  (1896)  beim  Hecht  eigentümliche,  offenbar 
sekundär  aus  den,  bezw.  in  den  Vakuolenwänden  entstandene  Zellen. 
Sie  sind  von  polyedrischer  Gestalt  und  bestehen,  abgesehen  von  einer 
kleinen  Höhle,  welche  den  Kern  einschließt,  aus  einer  faserigen  Masse, 
die  nach  allen  Seiten  hin  durch  Stachel fortsätze  mit  den  Nach- 
barzellen in  Verbindung  steht.  Ihre  Aehnlichkeit  mit  den  Stachel- 
zellen einer  verhornenden  Epidermis  ist  äußerst  groß,  und  v.  Ebner 
bezeichnet  sie  deswegen  auch  als  „epidermoide  Zellen".  Das 
ganze,  aus  ihnen  zusammengesetzte  Gewebe  erinnert  einerseits  an 
epidermale  Bildungen,  andererseits  an  Knorpelzellen  mit  Kapseln. 
Im  Chordastrange  und  in  der  lateralen  Wand  der  Chordahöhle 
kommen  dagegen  überwiegend  lange  Faserzellen  ohne  Stacheln  vor. 

Bemerkenswert    ist    endlich    auch    noch    der    letzte    kaudale 


462 


H.  Schauinsland, 


Abschnitt  der  Chorda.  Ihre  Zellen  bewahren  hier  nämlich 
während  langer  Zeit  einen  embryonalen  Charakter;  sie  sind  proto- 
plasmatisch und  nicht  getrennt  in  eine  epitheHomorphe  Rindenschicht 
und  centralwärts  davon  gelegene  Vakuolen.  Letztere  befinden  sich 
allein  in  den  vordersten  Partieen  des  Chordaendes,  und  zwar  nur  in 
geringer  Zahl  und  kleiner  Form.  Die  Teleostier  unterscheiden  sich 
hierdurch  von  den  Elasmobranchiern,  bei  denen  die  Chorda  bis  ans 
äußerste  Ende   vakuolisiert  wird  (v.  Schmidt  1893).    Aber  auch  bei 


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j     i  j    /     /         /      /' 


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Fig.  259.  Eine  der  auf  der  vorhergehenden  Abbildung  Fig.  258  dargestellten  inter- 
vertebralen  Partieen  (iv)  bei  880-maliger  Vergrößerung.  S  Chordaseptum.  v  Vakuolen 
im  Chordagewebe,  ep  epitheliomorphe  Schicht  der  Chorda  (Chordaepithel),  ep^  die 
intervertebrale  Wucherung  dieser  Schicht,  fs  Faserschicht  der  Chordascheide,  fs^ 
die  intervertebrale  Anschwellung  derselben  (Ligamentum  intervertebrale  internum 
Köllikee).  es  äußere  elastische  Schicht  der  Chordascheide,  es^  ihre  intervertebrale 
Wucherung,  k  der  zellenlose  Knochen  des  Wirbelkörpers,  ap  das  äußere  Periost 
dieses  Knochens.  Die  Zellen  desselben  nehmen  nach  den  Enden  des  Wirbels  immer 
mehr  und  mehr  an  Größe  zu  —  man  sieht  hier,  wie  sich  protoplasmatische  Fort- 
sätze bis  tief  in  die  von  ihnen  abgeschiedene  Knoehensubstanz  hinein  erstrecken  — 
und  setzen  sich  auch  zwischen  den  Wirbelenden  auf  das  hier  ebenfalls  zu  einem 
Wulst  (^p^  Ligamentum  periostale  internum  v.  Ebner)  verdickte,  aus  zellenlosem, 
faserigem  Bindegewebe  bestehende,  sog.  innere  Periost  {ip)  fort.  (Die  Führungslinie 
von  ip,  die  fälschlich  bis  zur  Elastica  externa  reicht,  ist  zu  lang  gezeichnet.)  b  loses, 
den  Wirbelkörper  umgebendes  Bindegewebe,  b^  die  intervertebrale  "Verdichtung  des- 
selben, die  sich  später  auch  zu  einem  Ligament  umbildet  (Ligamentum  interverte- 
brale externum  Kölliker). 


den  Knochenfischen  wird  das  diff'erente  letzte  Chordaende,  der  Chorda- 
stab  (Schmidt),  —  der  auch  bei  den  höheren  Vertebraten  vorkommt 
und  bei  den  urodelen  Amphibien  eine  knorpelähnliche  Beschaff"enheit 
erhält  —  später  allerdings  doch  zum  allergrößten  Teil  in  vakuoli- 
siertes  Chordagewebe  umgewandelt. 

Ebenfalls  im  Schwanzende  findet  Ussow^  (1900)  bei  Gasterosteus 
eine  Chordasubstanz  von  rein  faserig-bindegewebigem  Charakter. 

Bezüglich  der  histologischen  Auffassung  schließt  sich  dieser  Autor, 
nachdem  man  früher  das  Chordagewebe  teils  dem  Knorpelgewebe,  teils 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  463 


den  epithelialen  Gebilden  zugezählt  hatte,  der  Ansicht  v.  Ebner's  (1896) 
an    und    glaubt,    daß    „das  junge   Chordagewebe   ein    embryonales  in- 


differentes Gewebe  ist, 
bindegewebigen  ähn- 
liche Gebilde  produ- 
zieren kann".  Diese 
Anschauung  würde 
nicht  im  Widerspruch 
stehen  mit  der  embryo- 
logischen Erfahrung 
(gewonnen  bei  den 
Sauropsiden,  Schau- 
insland 1898,  1900), 
daß  in  den  ersten 
Entwickelungsstadien 

des 


welches  sowohl  den  epithelialen  als  auch  den 


der  Chorda   oder 

„Kopffortsatzes" 

teilweise 

meso-  und  entoderma- 

1er     Elemente     statt- 


eine 
Mischung 


Fig.  260  a  u.  b.  Zwei 
Querschnitte  zur  Erläute- 
rung der  Entstehung  des 
Skierotoms  bei  der  Forelle 
nach  SwAEN  u.  Brächet. 
Schnitt  Fig.  260  a  geht 
durch  das  4.  Ursegment 
•eines  10  Tage  11  Stunden 
alten  Embryos  (mit  23  Ur- 
segmenten)  und  Schnitt 
Fig.  260  b  durch  das  6.  Ur- 
segment  eines  Embryos 
mit  28  Ursegmenten  im 
Alter  von  11  Tagen  7  Stun- 
den, n  Neuralrohr.  ch 
Chorda.  seh  Subchorda. 
ml  Muskellamelle  des  Ur- 
segmentes.  d  Cutislamelle. 
■sp  Seitenplatten,  sc  Sklero- 
tom  ;  an  der  rechten  Seite 
der  Fig.  260b  schon  dorsal- 
wärts  an  der  C'horda  und 
dem  Medullarrohr  entlang 
gewuchert,  im  mesoder- 
male,  „intermediäre"  Zell- 
masse, anfangs  zwischen 
Ursegment  und  Seiten- 
platte liegend,  en  Entoderm. 
d  das  aus  diesem  entstan- 
dene Darm  röhr. 


— —       ^  sc 


findet;  denn  gerade  dadurch  könnte  wohl  der  spätere,  teils  mesenchy- 
matöse,  teils  auch  epitheliale  Charakter  des  Organes  erklärlich  sein. 

Von  den  späteren  Schicksalen  der  Chordascheide  ist  vor- 
nehmlich hervorzuheben,  daß  die  Faser  schiebt  in  terv  er  tebral 
stark  wuchert  und  dort  einen  dicken,  nach  außen  vorspringenden 
Wulst  darstellt  (Fig.  259) ;  die  elastische  Scheide  zeigt  hier  ebenfalls 
eine   beträchtliche   Dicke.    Es    ist   einleuchtend,    daß   damit  an  jener 


464  H.  Schauinsland, 

Stelle  auch  eine  mächtige  Ausbildung  der  epithelioniorphen  Rinden- 
schicht (die  vertebral  später  oft  völlig  reduziert  wird)  Hand  in 
Hand  geht,  da  diese  ja  nicht  nur  als  die  Matrix  des  Chordaseptums. 
sondern  auch  der  Scheide  aufzufassen  ist.  In  ihrem  übrigen  Verlauf 
erscheinen  die  beiden  Schichten  der  Scheide  sehr  stark  rückgebildet: 
trotzdem  lassen  sie  sich  aber  selbst  beim  erwachsenen  Tier  (z.  B. 
beim  Hecht,  v.  Ebner  1896)  als  innerer  Belag  des  knöchernen  Wirbel- 
körpers doch  noch  nachweisen. 

KÖLLiKER  (1864)  glaubte,  daß  die  Chordascheide  im  Bereich 
der  Wirbelfacetten  in  Knochen  übergehe,  den  er  als  chordalen 
knöchernen  Doppelkegel  bezeichnete.  Mit  Ausnahme  Cartier's  (1875) 
haben  alle  späteren  Autoren  eine  BeteiHgung  der  Chordascheide  bei 
der  Verknöcherung  in  Abrede  gestellt,  und  jedenfalls  mit  Recht.  Eine 
Bedeutung  für  den  Aufbau  des  knöchernen  Wirbelkörpers  hat  die 
Scheide  durchaus  nicht,  wenngleich  es  nicht  unmöglich  ist,  daß  bei 
dieser  oder  jener  Form  in  späten  Stadien  die  elastische,  vielleicht 
sogar  auch  die  Faserscheide  stellenweiseiin  den  Knochen  des  Wirbel- 
körperss  einbezogen  wird. 

Beim  Lachs  und  beim  Hecht  wies  Kölliker  nach,  daß  die  Chorda 
bei  ausgewachsenen  Tieren  sich  über  das  Ende  der  Wirbelsäule 
hinaus  erstreckt,  und  wir  wissen  heute,  daß  thatsächlich  von  den 
Knochenfischen  an  bei  allen  höheren  Wirbeltieren  die  Anlage  der 
knorpeligen  oder  knöchernen  Wirbelsäule  kürzer  ist  als  die  der  Chorda ; 
es  wird  hierdurch  wahrscheinlich,  daß  während  der  Phylogenese  eine 
Reduktion  in  der  Länge  des  Achsenskelettes  stattgefunden  hat 
(0.  Schmidt). 

Obgleich  kein  Teil  der  Wirbelsäule  aus  ihr  seinen  Ursprung 
nimmt,  so  muß  doch  erwähnt  werden,  daß  sich  auch  bei  den  Tele- 
ostiern  ebenso  wie  bei  den  Elasmobranchiern  und  Ganoiden  eine 
Hypochorda  oder  Subchorda  findet  (Fig.  260a  und  b).  Durch 
Goette  (1875),  Henneguy  (1888),  Franz  (1898)  wurde  ihre  en to- 
der male  Natur  auch  bei  den  Knochenfischen  festgestellt.  Nach 
letzterem  Autor  löst  sie  sich  bei  der  Forelle  und  beim  Lachs  von 
einer  an  der  dorsalen  Darmwand  entspringenden  Leiste  unter  Bildung 
segmental  angeordneter  Brücken  ab.  Ein  Lumen  ist  in  ihr  niemals 
nachzuweisen;  nach  längerer  oder  kürzerer  Zeit  geht  sie  völlig  zu 
Grunde,  ohne  am  Aufbau  irgend  welcher  Organe  sich  zu  beteiligen, 
auch  nicht  des  Ligamentum  longitudinale  ventrale  (wie  Klaatsch 
meinte),  das  vielmehr  nur  aus  den  Zellen  des  axialen  Mesenchyms 
entsteht.  — 

Wir  wenden  uns  j etzt  dem  p  e  r  i  c  h  o  r  d  a  1  e  n  Bindegewebe 
zu.  W.  Müller  und  PIis  nahmen  das  Entstehen  aller  Bindesubstanzen 
aus  den  Gefäßadventitien  an,  während  Kölliker  und  Gegenbaur  es 
aus  den  Urwirbeln  entspringen  lassen.  Heute  weiß  man,  daß  die 
letztere  Anschauung  die  richtige  ist.  Dabei  braucht  es  jedoch  nicht 
völlig  ausgeschlossen  zu  werden,  daß  das  i)erichordale  Gewebe  in  spä- 
terer Zeit  nicht  auch  von  anderer  Seite  geringen  Zuwachs  erhalte.  So 
glaubt,  im  Anschluß  an  Goette,  Ussow^,  der  sich  dabei  namentlich 
auf  seine  Untersuchungen  bei  Cyclostomen  stützt,  daß  es  durch  Blut- 
elemente  vermehrt  werde.  Wie  dem  auch  sein  mag,  diese  Quellen 
sind  jedenfalls  gegenüber  den  Ursegmenten  von  verschwindender  Be- 
deutung. 

Die    Entwickelüng    des    Skierotoms    ist    an    der    Forelle    von 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  ßippen  und  Brustbein.  465 

SwAEN  und  Brächet  (1899)  näher  untersucht  worden.  Nach  ihnen 
zerfällt  das  Mesoderni  wie  gewöhnlich  in  die  segmentierten  Ur Seg- 
mente und  die  unsegmentierten  Seitenplatten.  (Bei  einigen  Tele- 
ostiern,  so  auch  bei  der  Forelle  und  dem  Lachs,  kommt  außer  diesen 
beiden  Mesodermmassen  noch  die  zwischen  ihnen  gelegene  und  sie 
miteinander  verbindende  „intermediäre  Zellenmasse"  vor,  die  sich 
später  von  ihnen  trennt  und  sich  medianwärts  vorschiebt,  so  daß  Ur- 
segmente  und  Seitenplatten  dann  einander  berühren.  Nach  Vereinigung 
mit  der  auf  der  anderen  Seite  gelegenen  Partie  geht  aus  ihr  ein  ein- 
ziger medianer  Zeilensti-ang  hervor,  der  in  der  Hauptsache  nur  zur  Bil- 
dung einer  Vene  Verwendung  findet  [Fig.  260].)  Jedes  Ursegment  stellt 
ein  Kästchen  dar,  das  kompakt  mit  Zellen  erfüllt  ist,  die  an  der  Ober- 
fläche epithelial  angeordnet  sind.  An  der  ventralen  Kante  jedes  Seg- 
mentes erscheinen  die  oberflächlichen  Zellen  regelmäßiger  angeordnet 
und  unterscheiden  sich  dadurch,  sowie  auch  durch  ihre  Dimensionen  und 
ihr  homogenes  Aussehen  von  den  übrigen,  namentlich  auch  von  den 
dorsal  davon  gelegenen  medianen  Zellen,  aus  denen  sich  die  Musku- 
latur entwickeln  wird  (Muskelblatt  des  Ursegmentes,  Myotom),  obwohl 
sie  mit  ihnen  im  Zusammenhang  stehen.  Sie  sind  in  einer  Lage 
radiär  angeordnet  und  begrenzen  eine  kleine  unregehiiäßige  Höhle; 
diese  oder  vielmehr  ihre  Wände  stellen  den  ersten  Beginn  des  Sklero- 
toms  in  jedem  Segment  dar  (Fig.  260a).  Der  Hohlraum  verschv\^indet 
darauf,  indem  seine  Wände  sich  dicht  aneinander  legen,  und  jedes 
SklerotO]n  besteht  dann  aus  zwei  epithelialen  Blättern,  welche  sowohl 
unter  sich  als  auch  mit  der  ventralen  Kante  des  übrigen  Ursegmentes 
in  Verbindung  stehen.  Während  dieser  Zustand  noch  bei  Embryonen 
im  Alter  von  10  Tagen  und  23  Stunden  obwaltet,  vollzieht  sich  darin 
von  da  an  sehr  rasch  ein  Wandel,  denn  schon  bei  11  Tage  und 
7  Stunden  alten  Embryonen  ist  der  epitheliale  Charakter  des  Sklero- 
toms  verloren  gegangen  (Fig.  260b);  seine  Zellen  besitzen  dann  bereits 
eine  sehr  unregelmäßige  Gestalt  und  beginnen  sich  zu  zerstreuen ; 
nur  noch  kurze  Zeit  sind  sie  segmental  voneinander  gesondert,  dann 
fließen  sie  in  eine  scheinbar  ungegliederte  Mesenchymmasse  zusammen, 
die  sich  in  die  Zwischenräume  zwischen  den  benachbarten  Organen 
hineindrängt. 

Nach  dieser  Schilderung  ist  die  Entstehung  der  Skierotome  bei 
den  Knochenfischen  wohl  nur  eine  Modifikation  der  bei  den  Holo- 
cephalen  und  Squaliden  mitgeteilten  Entwickelungsweise. 

Die  auf  diese  Art  gebildeten  Sklerotomzellen  umgeben  also  so- 
wohl die  Chorda  (Perichordalzellen)  als  aucli  das  Rückenmark,  über 
dem  sie  sich  bereits  frühzeitig  vereinigen  (Membrana  reuniens  superior), 
aber  auch  in  die  Lücken  zwischen  je  zwei  benachbarten  Ursegmenten 
bezw.  zwei  Myotonien  schieben  sie  sich  hinein.  So  ist  dann  schließ- 
lich Chorda  und  Medullarrohr  rings  von  Bindegewebe  umgeben,  deren 
am  meisten  median  befindliche  Lage  man  als  skeletoblastis  ches 
Gewebe  unterscheiden  kann,  das  von  Johannes  Müller  seiner  Zeit 
noch  als  „äußere  Chordascheide"  bezeichnet  wurde. 

Innerhalb  dieser  letzteren  Schicht  beginnt  die  erste  Anlage  des 
festen  Skelettes,  womit  das  Stadium  der  „häutigen  Wirbelsäule"  bereits 
früh  sein  Ende  erreicht. 

In  der  Nähe  der  Grenze  zwischen  je  zwei  Myotonien  bezw.  Myo- 
meren finden  sich  schon  frühzeitig  stärkere  Ansammlungen  von  Sklero- 
tomzellen,  welche  einerseits  den  Raum  zwischen  Chorda  und  Nerven- 

Handbuch  der  Eiitwickelungslehre.    III.  2.  30 


466 


H.  Schauinsland, 


röhr,  andererseits  zwischen  Chorda  und  Aorta  anfüllen.  Sie  stellen  die 
ersten  Anlagen  der  oberen  und  unteren  knorpeligen  Bögen 
dar.  Die  ersten  Knorpelzellen  liegen  dabei  nicht  unmittelbar  der 
elastischen  Scheide  an,  sondern  entstehen  etwas  entfernt  davon  an 
einer  Stelle,  welche  der  Mitte  der  späteren  Bogenbasis  entspricht. 

Also  auch  bei  den  Knochenfischen  findet  immer  eine  knorpelige 
Präformierung  der  Bögen  statt;  nur  ist  die  Ausdehnung  derselben 
eine  beschränkte.  Stets  aber,  und  zwar  selbst  bei  solchen  Formen 
(Hecht,  Salmoniden),  die  sich  durch  Knorpelreichtum  auszeichnen,  fehlt 
den  distalen  Bogenteilen  der  Knorpel  gänzlich,  da  sie  sogleich 
knöchern  angelegt  werden  (Fig.  261);  aber  auch  an  den  proximalen 
Abschnitten  kann  bei  vielen  Fischen,  z.  B.  manchen  Cyprinoiden,  die 
knorpelige  Anlage  so  gering  sein,  daß  sie  sich  nur  auf  einen  spärlichen 
Bezirk  in  der  Bogenbasis  beschränkt. 

In  der  Regel  bestehen  die  Knorpelbogeu  dort,  wo  sie  gut  ent- 
wickelt  sind,   aus   einer   mehr   oder   weniger    großen  Basisplatte   und 


obk 


rd  iv 


wk 


Fig.  2(51.  Ein  Stück  der  vordersten  Wirbelsäule  eines  6  cm  langen  Hechtes 
bei  etwa  24-facher  Vergrößerung.  Methylenblaupräparat.  Der  Knorpel  ist  punktiert. 
mk  knöcherner  Doppelkegel  des  Wirbelkörpers,  iv  intervertebrale  Partieen.  oh  obere, 
üb  untere  Bögen ;  kaudal-kranialwärts  rücken  die  unteren  Bögen  allmählich  immer 
mehr  dorsal  bis  in  die  Nähe  der  oberen  Bogenbasen  empor,  ein  Verhalten,  das  noch 
deuthcher  wäre,  wenn  das  Stück  der  abgebildeten  Wirbelsäule  länger  sein  würde. 
Man  beachte  die  längliche  Form  der  knorpeligen  Bogenbasen  und  namentlich  ihre 
kaudale  Verlängerung  an  den  unteren  Bögen,  ub^(f);  es  ist  nicht  unwahrscheinlich, 
daß  diese  den  kranialen  Bogenstücken  bei  Amia  (cf.  Fig.  247,  250  etc.  ub^)  ent- 
sprechen, k  Knochenbelag  der  Bögen,  nur  am  2.  Wirbel  gezeichnet.  Das  distale 
Ende  der  Bögen  wird  nie  mehr  knorpelig,  sondern  stets  knöchern  angelegt;  es  ist 
nur  am  2.  oberen  Bogen  gezeichnet  worden  (obk).  /c(oöj?)  die  sogenannten  Inter- 
calaria  —  siehe  Text  —  wahrscheinlich  den  oberen  Abschnitten  zu  kranialen 
Skierotomen  gehöriger,  oberer  Bögen  entsprechend,  r  Rippen.  Sie  sind  in  diesem 
Körperabschnitt  von  sehr  bedeutender  Länge;  nur  am  ersten  Wirbel  ist  der  knorpelige 
Rippenabschnitt  ganz  ausgezeichnet  (aber  nicht  in  der  richtigen  Lage,  sondern 
weit  dorsal-  und  kaudalwärts  verlagert);  das  äußerste,  rein  knöcherne  Ende  ist  je- 
doch auch  an  ihm  fortgelassen.  Die  Basen  der  unteren  Bögen  —  namentlich  nach  er- 
folgter Abgliederung  der  Rippen  —  bezeichnet  man  im  Rumpf  auch  als  „Basalstümpfe". 
isg  Intcrsegmentalgefäße,  über  die  kaudale  Verlängerung  der  Bogenbasen  lautend 
spn  Spinalnerv  (nur  punktiert),    rd  sein  Ramus  dorsalis.     g  spinales  Ganglion. 


Die  Entwickelung  der  "Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  467 

einem  sich  auf  ihr  erhebenden  und  sich  oft  ganz  plötzlich  absetzenden, 
dünnen,  cylinderförmigen  Bogenstück  (Fig.  261).  Während  die  Haupt- 
masse der  Platte  —  sowie  auch  der  Bogen  selbst  —  sich  meistens 
an  dem  kranialen  Ende  des  späteren  Wirbelkörpers  findet,  erstreckt 
sie  sich  bisweilen  in  länglicher  Form,  wie  beim  Hecht  (Fig.  261),  weiter 
kaudalwärts,  ja  es  kann  vorkommen,  daß  dieser  letztere  Teil  sogar 
als  besonderes,  selbständiges  Knorpelstück  auftritt.  Die  beigefügte 
Figur  (Fig.  262)  zeigt  dieses  Verhalten  an  einzelnen  unteren  Bögen 
im  Schwänze  des  Lachses.  Daß  jene  kaudalen  Platten  als  die  Reste 
eines  zweiten  Bogens  aufzufassen  und  demnach  direkt  den  kranialen 
Bogenstücken  bei  Amia  (cf.  Fig.  247,  250  etc.)  zu  vergleichen  sind, 
dürfte  beim  Lachs  wohl  sicher,  beim  Hecht  aber  wahrscheinlich  sein 
(Schauinsland). 

Die  unteren  Bögen,  die  im  Rumpf  später  in  „Basalstümpfe" 
und  Rippen  gegliedert  sind,  besitzen  bei  den  meisten  Teleostiern,  wenn 
man  sie  vom  Schwanz  nach  dem  Kopf  hm  verfolgt,  die  Neigung,  je 
weiter  nach  vorn  in  desto  höherem  Grade  dorsalwärts  heraufzurücken, 
dabei  sicherlich  beeinflußt  durch  das  Verhalten  der  Muskulatur,  viel- 
leicht auch  durch  die  Lage  der  Eingeweide  innerhalb  der  Leibeshöhle. 
Etwas  ganz  Aehnliches  fanden  wir  bereits  bei  Vertretern  der  früher 
besprochenen  Fischabteilungen  vor,  so  z.  B.  bei  Amia,  aber  auch  bei 
den  Elasmobranchiern,  unter  denen  wieder  die  Rajidae  am  ausge- 
prägtesten das  Emporsteigen  der  unteren  Bögen  zeigten.  Ebenso 
wie  es  dort  dabei  zum  Verschmelzen  von  dorsalen  und  ventralen 
Bögen  kommt,  kann  dieser  Fall  auch  bei  Teleostiern,  z.  B.  bei  Rhodeus, 
eintreten. 

Man  hat  daraus  den  Schluß  gezogen  (Scheel  1893),  daß  bei  jenen 
Knochenfischen  keine  wahren  unteren  Bögen  vorhanden  seien,  sondern 
daß  diese  vielmehr  „Parapophysen",  Querfortsätze  wären,  die  gemein- 
schaftlich mit  den  oberen  Bögen  entständen  und  als  Teile  derselben 
aufzufassen  seien.  Weiter  kaudalwärts  rückten  sie  von  den  oberen 
Bögen  ab  und  würden  selbständig;  sogar  die  Kaudalbögen  im  Schwänze 
würden  danach  nur  ventral  gelagerte  Parapophysen  sein.  Wie  völlig 
irrtümlich  diese  P'olgerung  ist,  braucht  nach  dem  vorher  Gesagten  wohl 
kaum  mehr  näher  auseinandergesetzt  zu  werden. 

Im  Zusammenhang  mit  jenem  Verschmelzen  der  oberen  und 
unteren  Bögen  steht  meistens  eine  stärkere  Ausbreitung  des  Knorpels 
an  diesen  Stellen ;  so  ist  denn  auch  bei  Rhodeus  an  dem  vordersten 
Abschnitt  der  Wirbelsäule  die  Chorda  fast  völlig  von  Knorpel 
umgeben. 

Ein  ähnlicher  Knorpelreichtum  findet  sich  nach  Grassi  in  dem 
vierten  und  fünften  Wirbel  der  Cyprinoiden  überhaupt. 

Am  Schwänze  können  die  iBasen  der  knorpeligen  unteren 
Bögen  der  einen  Seite  mit  denen  der  anderen  ventral  von  der 
Chorda  verschmelzen ;  das  geschieht  z.  B.  bei  den  Cyprinoiden  (Grassi) 
und  bei  Peloria  (Schauinsland).  Auch  hierdurch  wird  eine  stärkere 
Umwucherung  der  Chorda  mit  Knorpel  hervorgerufen,  wie  es  sonst 
bei  den  Knochenfischen  der  Fall  ist.  Recht  bemerkenswert  ist  dieses 
Verwachsen  der  unteren  Bögen  im  Schwänze  von  Cyclopterus  lum- 
pus  (Ussow  1900),  weil  dadurch  ein  ganz  ähnlicher  hypochor- 
daler  Knorpel  wie  bei  den  anuren  Amphibien  gebildet  wird. 

Bei  einigen  Teleostiern,  so  namentlich  beim  Hecht  (Goette  1879), 
auch  bei  Salmoniden    und  Clupeiden  (Stannius,   Scheel)  triff"t  man 

30* 


468 


H.  Schauinsland, 


oberhalb  des  Rückenmarkkanals  und  unterhalb  des  oberen  elastischen 
Bandes  paarige,  später  auch  miteinander  verwachsene  Knorpelstücke 
an ,  die  zwischen  den  oberen  Bogenenden  liegen  (Fig.  261  ,  263), 
mit  deren  Knochen  sie  bei  älteren  Tieren  völlig  verwachsen.  Meistens 
findet  man  die  Angabe  (Goette,  Albrecht),  daß  sie  mit  den  Bögen 
nicht  in  einer  Ebene  liegen,  sich  nur  mit  ihrem  hinteren  Ende  der 
Innenseite  derselben  anfügen  und  sie  nach  vorne  hin  ein  gutes  Stück 
überragen.  Es  scheint  trotzdem  aber,  daß  sie  im  ausgebildeten  Zustand 
sich  vielmehr  vorwiegend  nach  hinten  über  die  Bögen  hinaus  er- 
strecken (Fig.  261)  und  daher  zum  kaudalen  Ende  jedes  Wirbels 
(kraniales  Skierotomstück)  zu  zählen  sind.  Ganz  ähnliche  Knorpel  trafen 
wir  bereits  bei  Amia  und  Lepidosteus  an.  Goette  vergleicht  sie  den 
Interkalarien  der  Selachier,  Jedenfalls  wird  das  richtiger  sein,  als  sie 
nur    für    den    eigentlichen   dorsalen   Abschluß    der   oberen    Bögen   zu 

Sie    werden  wahrscheinlich,    ebenso  wie  bei  Lepid- 
Reste  von  Bögen  des  kranialen  Skierotomstückes 


halten   (Scheel). 

Ostens,  als  dorsale 

zu    betrachten    sein,    deren    basalen, 


ob  rd 


der  Chorda  aufsitzenden  Teile 
knorpelig  entweder  gar  nicht 
mehr,  oder  jedenfalls  von  der 
Basis  des  eigentlichen  Bogen s 
nicht   mehr    getrennt,    zur 


Ausbildung 


gekommen  sind. 


vorderen 
'^,5  cm 


spn  üb 


Fig.  262.  Vier  Wirbel  aus  der 
iSchwanzwirbelsäiile  eines 
langen  Lachses  (Saimo  fario). 
Vergr.  32mal.  Methylenblaupräparat. 
ob  oberer  Bogen.  Die  Basen  der 
unteren  Bögen  sind  stark  kranial- 
kaudalwärts  verlängert.  Das  hintere 
Ende  (w&J  ist  dabei  nicht  selten 
völlig  abgetrennt  von  dem  vorderen 
M&.  sp7i  Verlauf  des  Spinalnerven 
durch  eine  punktierte  Linie  ange- 
deutet, rd  Raraus  dorsalis  des  Spinal- 
nerven, isg  Intersegraentalgefäß. 
Die  proximalen  und  die  distalen 
Enden  der  oberen  und  unteren  Bögen 
sind  knorjielig,  werden  aber  durch 
einen  rein  knöchernen  Abschnitt  (A-) 
voneinander  getrennt. 


möge 


Aus  der  Geschichte  der  oberen  Wirbelbögen  in  späteren  Stadien 
gleich  hier  noch  erwähnt  werden,  daß  sie  sofort  oberhalb  des 
Nervenrohres  ebenso  wie  bei  den  Ganoiden  nochmals  auseinander- 
weichen zur  Bildung  eines  zweiten,  wenn  aufth  nur  engen  Kanals  —  des 
oberen  Wirbelkanals  —  in  welchem  das  dorsale  elastische 
Längsband  liegt  (Fig.  263).  Dorsal  von  diesem  nähern  sich  die 
beiderseitigen  Bögen  wieder,  verschmelzen  miteinander  entweder 
zu   einem   unnaaren  Processus   spinosus,   oder   sie   laufen   getrennt 

her.  Beides  kann  bei  ein  und  demselben  Indi- 
Daß  alle  diese  Teile  nur  allein  aus  Knochen 
ohne  knorpelig  vorgebildet  zu  sein,  direkt 
auf  bindegewebiger  Grundlage  aufbauen,  ist  nach  dem, 
was  über  die  geringe  Beteiligung  des  Knorpels  an  der  Entstehung  des 
Bogens  vorher  gesagt  wurde,  selbstverständlich. 


dicht  nebeneinander 
viduuni  vorkommen, 
bestehen ,    die    sich , 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  469 


Knorpelig  präformiert  sind  dagegen  stets  die  Floss  enst  rahl- 
träger  (Gegenbaur),  die  sich  unmittelbar  dorsal  an  die  distalen 
Enden  der  Dornfortsätze  der  Bögen  anschließen  oder  sich  bisweilen 
auch,  wie  bei  Gasterosteus,  dicht  zwischen  die  nicht  verschmolzenen 
distalen  Enden  der  oberen  Bögen  einkeilen.  Flossenstrahlträger  sind 
oft  auch  vorhanden,  selbst  wenn  eine  wirkliche  Flosse  gar  nicht  mehr 
zur  Ausbildung 


gelangt. 


Grassi  (1883)  spricht  die  Vermutung  aus,  daß  die 


trager 


Flossenstrahl- 
ursprünglich  abgegliederte  Stücke  der  oberen  Bögen  seien. 


llds 


.ft 


_.  ic  {obj 


-  ob 


Fig.  263.  Querschnitt 
durch  einen  Wirbel  aus 
dem  vorderen  Teil  der 
Wirbelsäule  von  Esox  lu- 
cius  (31/2  cm  lang).  Vergr. 
60  mal.  ob  oberer  Bogen. 
vbk  distaler,  rein  knöcher- 
ner Teil  des  oberen  Bogens 
vom  vorhergehenden 
Wirbel.  «c(oö^  ?)  die  paar- 
igen ,  fast  zu  einem 
Knorpelstück  verwachse- 
nen „Intercalarien"  des 
vorhergehenden  Wir- 
bels (cf.  Fig.  261).  üb 
untere  Bögen  (Basal- 
stümpfe).  »•  Rippe,  von  den 
Basalstümpfen  noch  nicht 
abgetrennt.  k  Knochen, 
überall  durch  einen  ganz 
dunklen  P'arbenton  ange- 
deutet, wk  Knochenlamelle 
des  Wirbelkörpers,  die  in 
direktem  Zusammenhang 
mit  dem  Knochenbelag  der 
Knorpelbaseu     steht.        h 

Knochenfortsätze  der 
knöchernen  Wirbelkörper- 
lamelle, die  wahrschein- 
lich den  Hämalfortsätzen 
der  Elasmobranchier  und 
Ganoiden  entsprechen,  b 
Bindegewebe ;  in  der  medi- 
anen Partie  desselben,  dem  skeletoblastischen  oder  skeletogenen  Bindegewebe,  entsteht 
der  Knochen  des  Wirbelkörpers,  ch  Chorda,  ep  Chordaepithel,  ß  Faserschicht  fler 
Chordascheide,  es  äußere  elastische  Scheide,  sehr  deutlich  unterhalb  der  knorpeUgen 
Bogenbasen,  weniger  leicht  unterhalb  des  Knochens  bemerkbar,  mr  MeduUarrohr. 
llds  Ligamentum  longitudinale  superius.    fl  Flossenstrahlenträger. 


Schließlich  werde  noch  erwähnt,  daß  die  anfangs  stets  schmächtige 
Gestalt  der  oberen  Bögen  durch  spätere  Knochenauflagerungen  ver- 
ändert werden  kann,  so  daß  sie  selbst  die  Form  breiter  Knochen - 
dächer  annehmen  (Anguilla,  Echeneis).  Auch  entwickeln  sich  oft  vorne 
und  hinten  Fortsätze,  die  zur  Artikulation  mit  den  benachbarten  Bögen 
dienen  (Fig.  267). 

Abgesehen  von  den  Formen,  bei  denen  die  knorpelige  Anlage  der 
Bögen,  insbesondere  ihrer  Basen  eine  ausnahmsweise  große  Mächtig- 
keit erreicht  (Esox,  Salmo  etc.),  und  auch  von  jenen  Fällen,  in  welchen 
bei  einer  Verschmelzung  der  oberen  und  unteren  Bögen  im  vorderen 
Wirbelsäulenabschnitt  der  die  Chorda  umgebende  Knorpel  eine  größere 


470 


H.  Schauinsland, 


Ausdehnung  besitzt,  ist  die  Beteiligung  der  knorpeligen  Bögen  und 
damit  des  Knorpels  überhaupt  an  dem  Aufbau  des  W  i  r  b  e  1  k  ö  r  p  e  r  s 
eine  äußerst  geringe.  Derselbe  besteht,  und  zwar  von  vornherein,  in 
weitaus  überwiegendem  Maße  nur  aus  Knochen.  Letzterer  erscheint 
übrigens,  wenigstens  bei  den  bis  jetzt  untersuchten  Vertretern  der  Gat- 
tung Salmo  (Albrecht),  zuerst  andern  distalen  Ende  der  Bögen 
als  zellenlose,  dem  Knorpel  aufliegende  Kinde  und  setzt  sich  von  dort 
rasch  distalwärts  ohne  knorpelige  Grundlage  weiter  fort.  Aehnliche 
Knochenhülsen  entstehen  darauf  aber  auch  sehr  bald  rings  um  die 
Chorda  herum,  der  elastischen  Scheide  dicht  anliegend.  Sie  werden 
abgeschieden  von  der  innersten  Lage  des  perichordalen ,  skeleto- 
blastischen  Bindegewebes,  welches  ehemals  von  Goette  für  die  Elastica 
gehalten    wurde    (Fig.  263,    2(34).      Daß   nach    den    neueren    Beobach- 


tungen die  Chordascheide  selbst  mit  der  Entstehung  dieses  Knochens 


Fig.  264. 


Fig.  265. 
k  es  /s  B 


/ 

.iL 

"  % 

~-:m'' 

1 

ap- 


Fig.  264  u.  265.  Fig.  264  Querschnitt  durch 
einen  Wirbel  der  vorderen  Schwanzregion  eines 
Embryos  von  Zoarces  vivipara  v.  3,8  cm  Länge. 
Vergr.  68  mal.  Fig.  265  die  Basis  des  hnken 
unteren  Bogens  (und  benachbarte  Partieen  der 
Wirbelsäule)  der  vorigen  Abbildung  bei  328- 
maliger  Vergr.  ob  obere  Bögen,  nb  untere 
Bögen,  zum  weitaus  größten  Teil  knöchern  (k), 
nur  in  ihrer  Basis  sind  noch  kleine  Knorpel- 
partieen  vorhanden  [kn).  g  Gefäße,  welche  an  der  medianen  Seite  durch  den  knöcher- 
nen Belag  der  Bogenbaseu  eindringen  und  den  Knorpel,  bevor  er  noch  verkalkt  ist, 
zerstören  und  durch  neugebildeten  Knochen  {kj  ersetzen,  ap  äußeres  Periost  des  in 
Schichten  abgelagerten  Knochens,  b  skeletoblastisches  Bindegewebe,  chstr  centraler 
Chordastrang  (cf.  Fig.  258).  h  Chordahöhle.  B  lateraler  Chordabelag,  ep  Chorda- 
epithel, fs  Faserscheide  der  Chorda,  es  elastische  (unter  dem  Knochen  recht  un- 
deutliche) Scheide,  sh  Septum  horizontale;  ihm  gegenüber  befindet  sich  ein  Aus- 
wuchs der  Knochenlamelle  des  Wirbelkörpers,  der  den  Seitengräten  in  der  vorderen 
Rumpfregion  entspricht,     mr  Medullarrohr.     a  Aorta,     v  Vene. 


Die  Entwickeluug  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  471 

nichts  zu  thun  hat.  wurde  schon  oben  erwähnt;  es  ist  dabei  aber  nicht 
ausgeschlossen,  daß  in  ihr  später  nicht  hie  und  da  Verkalkungen  auf- 
treten können.  Ein  chordaler  knöcherner  Wirbelkörper  existiert 
aber  jedenfalls  nicht. 

Die  Knochenablagerungen  auf  der  Chordascheide  setzen  sich  stets 
ununterbrochen  auf  die  Bogen basen  fort  (Fig.  263),  stehen  aber 
nicht  immer  in  ununterbrochenem  Zusammenhang  mit  dem  Knochen- 
belag des  übrigen  Bogens,  so  daß  in  manchen  Fällen  der  knöcherne 
Bogen  durch  eine  Knorpelnaht  von  seiner  Basis  und  dem  Wirbelkörper 
getrennt  bleibt.  Dieses  Verhalten  zeigt  sich  aber  nicht  bei  allen 
Teleostiern,  und  auch  dort,  wo  es  vorkommt,  ist  es  nur  auf  die  vor- 
deren Rumpfwirbel  beschränkt  und  fehlt  am  Schwanz  (z.  B.  bei  Corre- 
gonus,  Albrecht). 

Sehr  beachtenswert  ist  die  Angabe,  daß  der  Knochenbelag  auch 
auf  dem  VVirbelkörper  zunächst  nicht  einheitlich  ist,  sondern  (bei 
Corregonus,  Albrecht  1902)  zunächst  am  vorderen  und  hinteren 
Ende  desselben  als  je  ein  stärkerer  Ring  auftritt.  Diese  beiden  Ringe 
verdünnen  sich  nach  der  Mitte  des  Körpers  hin  und  stehen  dort 
anfangs  nicht  miteinander  in  Verbindung.  Auch  dieser  Umstand  wäre 
mit  als  ein  Bew-eis  für  die  Entstehung  des  Wirbelkörpers  aus  zwei  ur- 
sprünglich voneinander  getrennten  Elementen  anzusehen,  worauf  weiter 
unten  noch  zurückzukommen  sein  wird. 

Nach  Vollendung  der  perichordaleu  Knochenrinde  ist  der  pri- 
märe Wirbelkörper  vollständig  geworden.  Er  besitzt  in  aus- 
gesprochenem Maße  die  charakteristische  Gestalt  eines  Doppelkegels, 
dessen  Spitze  in  seiner  Mitte  liegt,  während  die  beiden  offenen  Basen 
angefüllt  sind  von  der  Chorda  und  im  besonderen  von  den  oben  be- 
schriebeneu Chordasepten  (Fig.  258  u.  259),  d.  h.  also,  er  ist  amphicöL 
Sein  Längenwachstum  erfolgt  überwiegend  an  seinem  kaudalen  und 
kranialen  Ende,  und  dort  findet  man  auch  die  Osteoblasten  in  stärkster 
Ausbildung  (Fig.  259), 

Jener  „primäre"  Wirbelkörper  kann  nun  in  späterer  Zeit  noch 
mannigfach  verändert  werden.  Daran  beteiligt  sich  vornehmlich  das 
ihn  und  die  Bogenbasen  umgebende  Bindegewebe,  welches  neue  Skelett- 
massen liefert.  In  einfachster  Weise  kann  das  so  von  statten  gehen, 
daß  der  primäre  knöcherne  Wirbelkörper  durch  weitere  periostale 
Knochenablage  konzentrisch  gleichmäßig  wächst.  Meistens  jedoch 
tritt  die  sekundäre  Knochenbildung  in  Form  von  radiären,  zum  Teil 
durch  konzentrische  Lamellen  verbundenen  Leisten  auf  (Goette  1879), 
deren  regelmäßige  Anordnung  später  aber  oft  gar  nicht  mehr  er- 
kennbar bleibt,  so  daß  der  Eindruck  einer  spongiösen  Knochenmasse 
hervorgerufen  wird,  deren  mit  Markräumen  vergleichbaren,  zahlreichen 
Lücken  mit  Bindegewebe  und  Fettzellen  ausgefüllt  sind.  So  ist  es 
z,  B.  beim  Hecht.  Bei  Cyclopterus  lumpus  und  Chironectes  spec, 
fand  Goette  zwischen  den  sekundären  Knochenleisten  eine  knorpel- 
artige Bindesubstanz  und  bei  Monacanthus  penicilligerus  sogar  richtigen 
Hyalinknorpel,  dessen  Herkunft  bis  jetzt  noch  zweifelhaft  ist. 

Durch  diese  Verdickung  der  Knochensubstanz  des  primären 
Wirbelkörpers  werden  nun  die  Bogenbasen  aber  immer  mehr  in  ihn 
hineingezogen,  so  daß  der  fertige  Wirbelkörper  nicht  mehr  allein  aus 
der  perichordaleu  Knochenmasse  besteht,  sondern  ansehnliche  Teile 
der  Bögen  umschließt  (sekundärer  Wirbelkörper  Goette's).  Bis- 
weilen   bleiben   bei   diesem    Vorgang   die   Bogenbasen   knorpelig  und 


472  H.  Schauinsland, 

stellen  dann  auf  dem  Querschnitt  innerhalb  der  sie  umgebenden 
schwammigen  Knochenmasse  ein  Knorpelkreuz  dar  (Esox).  Meistens 
jedoch  wird  dabei  der  Bogenbasenknorpel  teilweise  oder  völlig  rück- 
gebildet. In  der  Knochenlamelle  nämlich,  welche  die  mediane  Seite 
der  knorpeligen  Wirbelbogenbasen  von  vornherein  nur  in  dünner  Lage 
bedeckt,  tritt  an  dieser  Stelle  eine  Oeffnung  auf,  an  deren  Entstehung 
sich  wahrscheinlich  Blutgefäße  beteiligen  (Fig.  265  g').  Von  hier  aus 
wird  dann  der  Knorpel,  ohne  daß  er  vorher  verkalkt  ist,  aufgelöst, 
und  an  seiner  Stelle  beginnt  mit  Hilfe  eingewanderter  und  als  Osteo- 
blasten funktionierender  Bindegewebszellen  eine  Ablagerung  neuer 
Knochensubstanz  in  Gestalt  von  unregelmäßigen  Balken  und  Leisten 
mit  dazwischen  liegenden  Markräumen.  Ist  dieser  Prozeß  vollständig 
beendet,  so  besteht  der  gesamte  Wirbelkörper  durchweg  aus 
Knochen. 

Die  Teleostier  bieten  auch  in  ihrer  Wirbelsäule  ein  gutes  Beispiel 
dafür,  daß  es  nicht  möglich  ist,  immer  in  bestimmter  Weise  einen 
Unterschied  zu  machen  zwischen  „knorpelig  präformierten"  (primor- 
dialen) Knochen  und  „Bindegewebsknochen".  So  w^erden  unter  anderem  die 
Knochenleisten,  welche  an  der  ventralen  Seite  des  Wirbelkörpers  die 
Aorta  umfassen  (Fig.  263),  ursprünglich  wohl  niemals  mehr  als  Knorpel 
angelegt,  und  doch  entsprechen  sie  sicherlich  jenen  abgesonderten 
Teilen  der  unteren  Bögen,  den  ,,Hämalfortsätzen",  die  noch  bei  Amia 
völlig  knorpelig  waren  und  es  auch  dauernd  blieben  (cf.  Fig.  238,2.39  ). 
Mit  anderen  Knochenpartieen  verhält  es  sich  ebenso ;  Teile  der  Bögen, 
Rippen  etc.,  die  bei  Ganoiden,  ja  bei  einigen  Teleostiern  selbst  noch 
knorpelig  sind,  treten  bei  anderen  von  Anbeginn  nur  als  Knochen  auf. 
Sehr  wahrscheinlich  ist  das  auch  bei  jenen  Knochenfortsätzen  der  Fall, 
die  durch  ihre  Lage  sich  als  Homologa  der  ,, kranialen"  Bögen  (Inter- 
kalarien)  der  Ganoiden,  im  besonderen  von  Amia  dokumentieren.  Somit 
besitzt  also  auch  die  Wirbelsäule  der  Teleostier  sicherlich  Skelett- 
stücke, die  nur  phylogenetisch  knorpelig  präforiniert  sind  (Gaupp), 
ontogenetisch  aber  direkte  Verknöcherungen  von  Bindegewebszügen 
darstellen.  Hieraus  erklären  sich  übrigens  wohl  auch  die  nicht  zu 
verkennenden  Uebereinstimmungen,  die  sich  bei  der  ersten  Genese  des 
Knorpels  und  des  Bindegewebsknochens  bemerkbar  machen,  auf  die 
z.  ß.  bei  der  Skelettentwickelung  von  Sphenodon  (Schauinsland  1900) 
hingewiesen  wurde. 

Was  die  Verbindung  der  einzelnen  W  i  r  b  e  1  k  ö  r  p  e  r 
untereinander  betrifft,  so  fehlen  echte  intervertebrale  Artiku- 
lationen den  Teleostiern  in  der  Regel  gänzlich ;  ihre  gegenseitige  Ver- 
einigung wird  nur  durch  Bänder  hergestellt.  Hierbei  spielt  nun  die 
Chordascheide  dauernd  eine  sehr  bedeutende  Rolle.  Wir  sahen  bereits 
früher,  daß  dieselbe  intervertebral  einen  sehr  starken  Weilst  bildet,  an 
dem  sich  nicht  nur  die  Faserscheide,  sondern  auch  die  elastische  Scheide 
beteiligt  (Fig.  259).  Seit  Kölliker  (LS64/65)  bezeichnet  man  den  bei 
erwachsenen  Tieren  daraus  hervorgehenden  Bandapparat  als  inneres 
Z  wischen  wirbelband  oder  Ligamentum  intervertebrale  internum. 

Peripher  davon  kommt  noch  ein  äußeres  Ligament  hinzu; 
dieses  wird  zunächst  zusammengesetzt  von  dem  äußeren  Periost, 
welches  sich  embryonal  an  dieser  Stelle  durch  die  außerordentlich 
üppige  Entwickelung  der  osteoblastischen  Zellen  auszeichnet  (vergl. 
Fig.  259  npi),  sowie  von  faserigem  Bindegewebe,  das  ihm  von  außen 
anliegt.     Letzteres  findet   sich  auch  sonst  in  der  Umgebung  des  Wir- 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  473 


bels,  ist  aber  intervertebral  stark  verdichtet  und  wurde  dort  von 
KÖLLiKEK  als  Ligamentum  intervertebrale  externum  be- 
zeichnet. —  Außerdem  beteiligt  sich  an  ihm  aber  auch  das  sog. 
innere  Periost,  jene  stets  zellenfreie  Fasermasse  (v.  Ebner)  an 
der  inneren  Fläche  der  Wirbelfacetten,  das  nach  der  Spitze  des  Wirbel- 
trichters hin  immer  dünner  wird,  bis  es  sich  dort  endlich  ganz  ver- 
liert. Zwischen  den  Wirbelenden,  unmittelbar  medial  von  der  oben 
erwähnten  Osteoblastenschicht,  nimmt  es  jedoch  eine  beträchtliche 
Dicke  an.  v.  Ebner  nennt  es  inneres  Periostband  (Ligamen- 
tum periostale  internum). 

Die  Angabe  Ussow's  bei  Gasterosteus,  daß  beim  Beginn  der 
Wirbelkörperanlage  eine  Abscheidung  von  Knochensubstanz  auch  an 
den  zwischen  den  Wirbeln  gelegenen  Partieen  stattfindet,   daß  also 


Fig.  26t). 
ob 


Fig.  267. 

isg  oh 
l  g  :    oö/j     rrl 


üb  spn 

Fig.  266.  Zwei  Rumpfwirbel  vom 
Dorsch  (Gadus  morrhua).  Vergr.  1,8- 
mal,  ob,  üb  obere  und  untere  Bögen. 
o6j,  MÖi  obere  und  untere  knöcherne, 
bogenartige  Auswüchse  (nicht  knorpelig 
präformiert),  isg  intersegmentales  Blut- 
gefäß, spn  Spinalnerv,  g  spinales  Gan- 
glion. 

Fig.  267.  Zwei  Wirbel  aus  der  vorderen  Schwanzgegend  eines  19  cm  langen 
Thynnus  thynnus.  Vergr.  4  mal.  ob  oberer  Bogen,  obf  knöcherne  Fortsätze  der 
oberen  Bögen,  eine  gelenkartige  Verbindung  zwischen  den  benachbarten  Wirbeln 
herstellend,  uh  und  ub^  vordere  und  hintere  untere  (knöcherne)  Bögen,  deren  distales 
—  den  Kaudalkanal  einschließendes  —  Ende  (r)  sehr  wahrscheinlich  den  abgegliederten 
Rippen  in  der  Rumpfregion  homolog  ist.  isg  Intersegmentalgefäß,  der  kranialen 
Seite  des  oberen  Bogens  anliegend,  spn  Spinalnerv,  rd  Ramus  dorsalis  desselben. 
fspn  Oeffnung  im  knöchernen  Bogen  für  den  Durchtritt  der  Spinalnerven  wurzeln. 
g  Spinalganglion. 


anfangs  ein  einheitlicher  Knochenbelag  der 


gesamten 


Wirbelsäule 
vorhanden  ist,  und  erst  später  durch  Schwund  der  intervertebralen 
Knochenlamellen  eine  Gliederung  in  die  einzelnen  Wirbelkörper  er- 
folge, ist  nicht  sehr  wahrscheinlich  und  verlangt  jedenfalls  eine  Nach- 
prüfung. Andere  Autoren  haben  niemals  etwas  derartiges  erwähnt, 
sondern  stets  die  von  vornherein  gesonderte  metamere  Anlage  des 
Wirbelkörperknochens  betont. 


474  H.  Schauinsland, 

Auch  bei  den  Teleostiern  kommt  es  ebenso  wie  bei  anderen  Ich- 
thyopsiden  zur  nachträglichen  Assimilierung  der  vordersten  Wirbel  an 
die  Occipitalregion  (cf.  Gegenbaur  1887). 

Bei  einigen  Familien  (Cyprinoiden,  Siluroiden,  Gymnotiden  etc.) 
erlangen  die  vier  ersten  Wirbel  Beziehungen  zum  Gehörorgan  und  der 
Schwimmblase,  indem  Teile  von  ihnen,  im  besonderen  der  Bögen, 
sich  zu  einer  Reihe  schallleitender  Knöchelchen  (WEBER'scher  Apparat) 
umbilden. 

Hingewiesen  muß  auch  auf  die  Veränderungen  werden,  welche  am 
äußersten  Schwanzende  bei  der  Entstehung  der  heterocerken 
(bezw.  homocerken)  Schwanzflosse  aus  der  ursprünglichen  diphy- 
cerken  Form  stattfinden,  wobei  die  letzten  Wirbelkörper  und  das  sie 
terminal  beschließende  stabförmige  Skelettstück  (Uro styl)  sich  dor- 
salwärts  emporheben,  und  die  unteren  Bögen,  die  an  dieser  Stelle  als 
Flossenträger  funktionieren,  teils  Reduktionen,  teils  Umwandlungen 
in  große  „hypurale  Knochenstücke  (Fig.  270)  erfahren  (cf. 
KÖLLiKER  1860,  Th.  Lotz  1864,  A.  Agassiz). 

Wenden  wir  uns  den  spinalen  Nerven  zu,  so  finden  wir,  daß 
beim  Austritt  derselben  vielfache  Modifikationen  vorkommen  können. 
Von  diesen  mögen  als  die  hauptsächlichsten  erwähnt  werden,  daß  die 
Wurzeln  entweder  kaudal  von  den  oberen  Bögen  nur  durch  Binde- 
gewebe hindurchtreten  (Fig.  261,  266)  oder  den  Bogenknochen  selbst 
durchbohren  (Fig.  267,  268),  und  zwar  in  einem  für  beide  Wurzeln 
gemeinsamen  oder  auch  getrennten  Forameu.  Es  kann  aber  auch  nur 
allem  die  ventrale  Wurzel  den  Knochen  durchsetzen,  während  die 
dorsale  sich  bereits  in  dem,  zwischen  den  Bögen  vorhandenen  Binde- 
gewebe findet. 

Wenn,  wie  auch  in  dem  zuletzt  erwähnten  Fall,  die  sensible 
Nervenwurzel  bisweilen  nicht  nur  dorsal,  sondern  auch  noch  etwas 
kaudal  von  der  motorischen  liegt,  so  ist  darin  noch  die  letzte  An- 
deutung des,  bei  den  niederen  Fischen  üblichen  Verhaltens  zu  sehen. 
Im  allgemeinen  kann  man  aber  wohl  mit  Recht  sagen,  daß,  trotzdem 
die  Vereinigung  der  beiden  Wurzeln  noch  außerhalb  der  Wirbelsäule 
erfolgt,  dennoch  der  in  der  Reihe  der  Ichthyopsiden  sich  allmählich 
vollziehende  Entwickelungsprozeß  eines  gemischten  Spinalnerven 
aus  zwei  ursprünglich  gänzlich  in  ihrer  Lage  voneinander  getrennten 
und  in  ihrer  physiologischen  Bedeutung  verschiedenen  Nerven  bei  den 
Teleostiern  im  großen  und  ganzen  beendet  ist. 

Das  inter segmentale  Blutgefäß  (Schauinsland)  befindet 
sich  unmittelbar  kranial  von  dem  Austritt  der  Nervenwurzeln  bezw. 
des  aus  ihrer  Vereinigung  entstandenen  spinalen  Ganglions,  und  folgt 
in  seinem  Verlauf  meistens  der  Ansatzstelle  des  Myoseptums  an  der 
Wirbelsäule.  Es  überschreitet  den  Wirbelkörper  mehr  oder  weniger 
genau  in  seiner  Mitte,  und  in  den  Fällen,  in  welchen  bei  Embryonen 
die  Basis  der  Bögen  zu  einer  länglichen  Knorpelplatte  verbreitert  ist, 
geht  es  über  diese  derart  hinüber,  daß  ein  größerer  Abschnitt  der- 
selben noch  kaudal  von  ihm  gelegen  ist  (Fig.  261).  Ist  jene  Platte 
in  ein  kraniales  und  ein  kaudales  Stück  getrennt,  was,  wie  wir 
oben  sahen,  bisweilen  vorkommen  kann,  so  befindet  es  sich  meistens 
zwischen  diesen  beiden  Teilen  (Schauinsland;  Fig.  262).  Ebenso 
grenzt  es,  wenn  an  dem  Wirbel  knöcherne  Skelettstücke  vorkommen, 
die  man  ihrer  Lage  nach  für  zweite  (der  kranialen  Skierotomhälfte 
entstammende),  aber  nicht  mehr  knorpelig  präformierte  Bogen  ansehen 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  475 

kann,  diese  von  den  Hauptbögen  des  Wirbels  ab  (Fig.  266,  268  e).  In 
Bezug  auf  die  letzteren  verlaufen  die  Gefäße  meistens  kaudal  und  in 
der  Kegel  ihrem  hinteren  Rande  dicht  anliegend  (Fig.  261,  262, 
266,  268).  Bisweilen  finden  sie  sich  aber  auch  an  der  kranialen 
Seite  derselben,  Avenigstens  in  ihren  distalen  Partieen,  so  z.  B.  bei 
Thynnus  thynnus  (P'ig.  267),  Lucioperca  sandra,  Perca  fluviatilis, 
Pleuronectes  platessa,  Trachinus  draco  etc.  (Schauinsland).  Auf  Grund 
aller  dieser  Thatsachen  und  namentlich  auch  nach  einem  Vergleich  mit 
den  Verhältnissen  bei  Amia  wird  man  berechtigt  sein,  den  kranial 
von  den  Blutgefäßen  gelegenen  Teil  des  Wirbels,  zu  dem  fast  immer 
auch  die  oberen  und  unteren  Bögen  gehören,  dem  kaudalen  Ab- 
schnitt eines  ursprünglichen  Skierotoms  gleichzusetzen  und  die  kau- 
dale  Wirbelhälfte  der  kranialen  Skierotompartie.  Ein  Teleostier- 
wirbel  würde  demnach  aus  je  einer  Hälfte  zweier  verschiedener 
Ursegmente  entstanden  sein  und  jenen  in  Fig.  247  (mittlerer  Wirbel) 
abgebildeten  Amiawirbel  verglichen  werden  müssen,  der  aus  einem 
kaudalen  und  kranialen  Wirbel  verschmolzen  ist  (Schauinsland).  Den 
rudimentären  Bögen  des  kranialen  Amiawirbels  {ob^  und  wöj  ent- 
sprechen dann  die  kaudalen  Partieen  der  knorpeligen  Bogenbasen  der 
Teleostier  (Fig.  261,  262)  oder  die  sie  ersetzenden,  nicht  mehr  knor- 
pelig vorgebildeten  Knochenstücke,  die  oft  eine  beträchtliche  Größe  er- 
erreichen (Fig.  266—268). 

In  dieser  Hinsicht  ist  namentlich  die  Wirbelsäule  von  Fistularia 
depressa  bemerkenswert  (Schauinsland  1900),  die  man  bis  jetzt 
allerdings  leider  nur  im  erwachsenen  Zustand  kennt.  Trotzdem  ist  es 
auch  in  diesem  späten  Stadium  noch  möglich,  ziemlich  sichere  Rück- 
schlüsse auf  ihre  ursprünglichen  Entwickelungsverhältnisse  zu  machen. 
Alles  deutet  darauf  hin,  daß  der  definitive  Wirbel  sich  aus  je  einer 
Hälfte  zweier  verschiedener  Skierotome  gebildet  hat,  so  daß  sein 
vorderer  Abschnitt  dem  kaudalen,  sein  hinterer  dem  kranialen  Sklero- 
tomabschnitt  entspricht  (Fig.  268  a — e). 

Fast  genau  in  der  Mitte  des  Wirbels  treten  die  Wurzeln  des 
Spinalnerven  zu  Tage;  dicht  daran  verläuft  das  segmentale  Blutgefäß, 
und  täuschen  diese  Kriterien  nicht  völlig,  so  hat  man  an  dieser  Stelle 
die  Grenzen  zweier  ursprünglicher  Ursegmente  zu  suchen.  Auf  diese 
Zweiteilung  des  Wirbels  deuten  auch  die  doppelten  Bögen  hin.  Die 
oberen  Bögen  sind  stets  in  zweifacher  Anzahl  vorhanden,  und  aus 
ihren  verschiedenen  Größenverhältnissen  in  den  einzelnen  Körper- 
regionen kann  man  auch  den  verschiedenen  Anteil  der  ehemaligen 
kaudalen  und  kranialen  Skierotomabschnitte  an  dem  Aufbau  dieser 
Wirbelteile  entnehmen. 

Abgesehen  von  den  auf  den  Schädel  folgenden,  miteinander  ver- 
schmolzenen Wirbeln,  übertreffen  bei  den  ersten  freien  Wirbeln  die 
vorderen  oberen  Bögen  etwas  die  hinteren  an  Größe  (Fig.  268a); 
bis  zum  20.  sind  sie  ungefähr  gleich  groß  (Fig.  268  b),  dann  aber 
überwiegt  der  hintere  immer  mehr  und  mehr  (Fig.  268c).  bis  er 
vom  50.  Wirbel  an  fast  nur  noch  allein  ausgebildet  wird  (Fig.  268  d). 

Auch  doppelte  untere  Bögen  (Basalstümpfe)  sind  vorhanden, 
von  denen  die  vorderen  die  hinteren  allerdings  stets  an  Größe  über- 
treffen. 

Was  jene  Fälle  anbelangt,  in  denen,  wie  oben  bereits  erwähnt, 
das  Blutgefäß  an  der  kranialen  Seite  der  oberen  Bögen  verläuft 
(Fig.  267),    so   muß  es   für  diese  zunächst  unentschieden  bleiben,    ob 


476 


H.  Schauinsland, 


h 


fspn 


~~-~^ 


b 
ob. 


ob—T-\ 


V> 


? 


/^/^;^j 


üb — 


üb. 


isg     rd^   rd       rd^ 


fspn—^^j 


spn 


Fig.  268  a-e.  Fig.  2ü8a— d  Wirbel  aus 
verschiedenen  Körperregionen  eines  alten  Exem- 
plares  von  Fistularia  depressa.  1,8  mal  vergr. 
Fig.  268a  stellt  den  6.  und  7.  der  auf  die 
ersten  miteinander  verwachsenen  folgenden 
freien  Wirbel  dar,  Fig.  268b  den  19.  und  20., 
Fig.  268c  den  32.  und  33.,  Fig.  268d  den  51. 
bis  55.  (Anfang  des  Schwanzes).  Fig.  268  e 
zeigt  bei  etwas  stärkerer  Vergrößerung  an  dem 
-)  in  Umrißzeichnung  wiedergegebenen  19.  und 
20.  Wirbel  den  Verlauf  von  Gefäßen  und 
Nerven,  ob,  ob^  vorderer  und  hinterer  oberer 
—  m6,  wfe,  vorderer  und  hinterer  unterer  Bogen. 
Man  achte  auf  die  verschiedene  Größe  der- 
selben in  den  verschiedenen  Körperregionen, 
r  derjenige  distale  Teil  der  unteren  Schwanz- 
bögen  (Hämall)ögen ;  Fig.  268 d),  der  offenbar 
einer  Rippe  homolog  ist,  die  mit  jener  der 
anderen  Seite  zur  Bildung  des  Kaudalkanales 
verschmolzen  ist.  ßjm  P'oraraen  zum.  Durch- 
tritt der  Wurzeln  der  spinalen  Nerven,  b 
oberes,   verknöchertes  Längsband,      isg  inter- 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  477 

segmentales  Blutgefäß,  spri  Spinalnerv,  fspn  Foramen,  durch  das  derselbe  aus  dem 
Wirbel  austritt,  g  Ganglion,  rd  und  rd^  zwei  dorsale  Aeste  des  Spinalnerven,  von 
denen  der  letztere  sich  zum  nächstfolgenden  kaudalen  Wirbel  wendet  und  nach 
Ueberschreitung  des  zu  diesem  gehörigen  intersegmentalen  Gefäßes  dicht  neben  dem 
ersten  Eamus  dorsalis  verläuft. 

der  obere  Bogen  dort  wirklich  zum  kranialen  Sklerotomabschnitt  ge- 
hört, oder  ob  eine  Verschiebung  des  Gefäßes  stattgefunden  hat. 

Es  soll  im  übrigen  durchaus  nicht  behauptet  werden,  daß  die 
Wirbelbildung  bei  allen  Teleostiern  immer  in  der  gleichen  Weise 
durch  eine  Verschmelzung  zweier  benachbarter,  zu  verschiedenen  Ur- 
segmenten  gehörigen  Skierotomhälften  entstanden  sei.  Im  Gegenteil, 
es  läßt  sich  wohl  annehmen,  daß  ebenso  wie  bei  Aniia  auch  andere 
Kombinationen  dabei  stattgefunden  haben.  So  ist  z.  B.  bei  den  For- 
men, bei  welchen  an  den  Rumpfwirbeln  die  Knochenplatten  der  oberen 
Bögen  gesondert  von  denen  der  Wirbelkörpel  angelegt  werden,  so 
daß  auch  später  dauernd  eine  trennende  Knorpelnaht  zwischen  Bogen 
und  Körper  sich  befindet,  an  die  Möglichkeit  zu  denken,  daß  auch  bei 
ihnen  diese  Wirbel  ebenso  entstehen  wie  die  Rumpfwirbel  von  Amia 
(Fig.  250),  d.  h.  aus  den  beiden  Hälften  ein  und  desselben  Skle- 
rotoms,  unter  Reduktion  des  kaudalen  Abschnittes,  wobei  der  kau- 
dale  Bogen  gezwungen  wird,  auf  den  kranialen  teilweise  heraufzu- 
rücken, von  ihm  aber  auch  stets  durch  eine  Naht  getrennt  bleibt. 

Endlich  ist  noch  darauf  hinzuweisen,  daß  sich  im  Schwanz  mancher 
Teleostier  Wirbel  finden,  mit  völlig  gleichmäßig  ausgebildeten 
doppelten  oberen  (Fig.  269)  oder  auch  oberen  und  unteren  Bögen 


Fig.  269. 


Fig.  270. 


Fig.  269.  Einer  der  letzten  Schwanzwirbel  von  Barbus  fluviatilis  (1,6  mal  ver- 
größert), nach  LoTZ;  man  beachte  die  oberen  doppelten  Bögen. 

Fig.  270.  Das  Ende  der  Schwanzwirbelsäule  eines  jungen  Dorsches  (Gadus 
morrhua),  etwa  3,3  mal  vergrößert.  Die  distalen  Enden  der  oberen  Bögen  sind  fast 
alle  doppelt,  und  bei  einigen  der  unteren  Bögen  ist  dasselbe  der  P'all.  Der  mit  * 
versehene  Wirbel  hat  sowohl  obere  als  auch  untere,  bis  an  die  Basis  geteilte  Bögen, 
in  denen  sich  noch  Knorpel  nachweisen  ließ.  Juj  die  zu  breiten  Knochenplatten 
(hypurale  Knochen)  verbreiterten  unteren  Bögen  der  letzten  Wirbel. 


478  H.  Schauinsland, 

(z.  B.  beim  Dorsch  Fig.  270),  deren  knorpelige  Anlage  sich  bisweilen 
sogar  noch  nachweisen  läßt.  Diese  Wirbel  lassen  sich  entweder  so 
deuten,  daß  sie  auch  nur  zwei  Sklerotonihälften  entsprechen,  wobei 
aber  die  zu  j  eder  Hälfte  gehörigen  Bögen  sich  ausnahmsweise  gleich- 
mäßig ausgebildet  haben,  oder  daß  sie,  was  wahrscheinlicher  ist,  aus 
der  nachträglichen  Verschmelzung  zweier  vollständiger 
Wirbel  entstanden,  also  mindestens  drei,  vielleicht  auch  vier  Sklerotoni- 
hälften gleichwertig  sind.  Es  läge  in  diesen  Fällen  also  wirkliche 
(sekundäre)  Diplospondylie  vor  (Schauinsland). 

Rippen  und  untere  Sehwanzbögen.  Bei  den  Teleostiern 
kommen  zunächst  Rippen  vor,  die  sich  in  nichts  von  den  Ripi)en 
der  Knorpelganoiden  unterscheiden.  Sie  sind  also  Teile  der  unteren 
Bögen.  Diese  zerfallen  in  einen  proximalen ,  mehr  oder  weniger 
langen,  an  der  Basis  meist  verbreiterten  Abschnitt,  den  Basalstumpf 
(Parapophysis  Gegenbaur,  Querfortsatz)  und  einen  langen  distalen, 
in  dem  Transversalseptum  liegenden  Teil,  die  eigenliche  Rippe.  In 
Bezug  auf  die  Muskulatur  sind  sie  als  untere  Rippen  anzusprechen 
(man  vergleiche  das  bei  den  Elasmobranchiern  darüber  Mitgeteilte) 
und  stimmen  auch  darin  mit  den  unteren  Rippen  der  Ganoiden  und 
Dipneusten  überein. 

Außer  diesen  echten  wahren  Fischrippen  oder  Ple  ural- 
bögen (Goette)  finden  sich  aber  gleichzeitig  damit  auch  bei  den 
Knochenfischen,  wenn  auch  nicht  regelmäßig,  Andeutungen  von 
oberen  Rippen,  die  wie  bei  den  Selachiern  und  Knochenganoiden 
der  dorsalen  Seite  des  horizontalen  Septums  angelagert  sind,  im 
übrigen  aber  ebenfalls  im  transversalen  Septum  verlaufen.  Es  sind 
Knorpelstücke  —  zuerst  von  Bruch  (1862)  als  Cartilagines  intermus- 
culares  beschrieben  —  die  mit  den  basalen  Teilen  der  unteren  Bögen 
ebenfalls  zusammenhängen,  wenn  auch  nur  durch  Bindegewebe.  Bis 
jetzt  ist  ihr  Vorkommen  vornehmlich  bei  den  Salmoniden  und  Clupeiden 
nachgewiesen,  und  zwar  nicht  nur  im  Bereiche  des  Rumpfes,  sondern 
auch  im  Anfangsteil  des  Schwanzes. 

Diesen  unteren  und  oberen  Rippen,  in  denen  fast  stets  noch 
Knorpel  nachzuweisen  ist,  die  also  bestimmt  dem  primordialen  Skelett 
angehören,  stellt  man  in  der  Regel  die  „Fleisch gräten"  gegenüber, 
welche  ebenfalls  im  transversalen  Septum  verlaufen,  aber  gleich  von 
der  ersten  Anlage  an  knöchern  sind  und  daher  seit  Johannes  Müller 
als  Sehnenverknöcherungen  angesehen  werden. 

Nach  ihrer  Lage  zur  Muskulatur  lassen  sich  drei  verschiedene 
Arten  dieser  Gräten  unterscheiden.  Die  ersten,  die  „schiefen  Rücken- 
gräten", durchsetzen  schräg  den  dorsalen  Teil  der  Seitenmuskulatur 
und  liegen  also  oberhalb  des  horizontalen  Septums ;  die  anderen,  die 
„schiefen  Bauchgräten",  ziehen  unterhalb  von  diesem  durch  die  ventrale 
Seitenmuskulatur,  und  endlich  sind  die  „Sei  ten  gräten"  der  Dorsal- 
seite des  Horizontalseptums  angefügt. 

Letztere  sind  damit  gleichzeitig  den  dorsalen  Transversalsepten 
eingelagert,  d.  h.  sie  liegen  ebenso  wie  die  oberen  Rippen,  die  sie 
auch  funktionell  vertreten.  Da  sie  aber,  wie  oben  erwähnt,  von  An- 
fang an  rein  knöchern  sind  und  auch  da,  wo  sie  mit  Resten  knorpeliger 
oberer  Rippen  zusammentreffen,  selbständig  bleiben,  trennt  man  sie 
bis  jetzt  immer  noch  scharf  von  jenen.  Beide  Skelettteile  stehen  nach 
dieser  Ansicht  gewissermaßen  in  Konkurrenz  miteinander,  so  daß  das 


Die 


Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  ßippen  und  Brustbein. 


479 


Auftreten     der     Seitengräten     die    knorpeligen    oberen    Rippen     zum 
Schwunde  bringt  (Göppert  1895). 

Ob  diese  Annahme  (gegen  die  sich  namentlich  Eimer  [1901]  er- 
klärt) sich  dauernd  wird  aufrecht  erhalten  lassen,  ist  eine  Frage  der 
Zukunft.  Eine  Schwierigkeit  bereitet  jetzt  schon  die  Seiten  gräte  von 
Monacanthus,  in  der  Knorpel  nachweisbar  ist;  man  sah  sich  daher 
gezwungen  (Goette  1879,  Göppert  1895),  sie  nicht  den  Seitengräten 
der  übrigen  Fische  gleichzustellen,  sondern  sie  oberen  Rippen  zu 
homologisieren.  (Untere,  abgegliederte  Rippen  fehlen  übrigens  Mon- 
acanthus.) 

a  b 


chs 


chs 


nb- 


üb 


/"' 


,r 


Fig.  271a  und  b.  Die  Rippenaulage  bei  zwei  unteren  Bögen  aus  der  hinteren 
Rumpfregion  von  2 — 3  cm  langen  Lachsen  (Saimo  salar)  nach  Goette.  Die  unteren 
Bögen  sind  ganz  im  Profil  gesehen.  Fig.  271a.  chs  Chordascheide,  uh  Basis  des 
unteren  Bogens  (Basalstumpf).  >■  Rippenanlage,  ganz  knorpelig  und  im  Zusammen- 
hang mit  der  Bogenbasis.  Fig.  271b  Anlage  einer  der  letzten  Rippen  des  Rumpfes. 
r  Rippen  in  „weicher"  Anlage,  mit  der  Bogenbasis  nur  durch  einen  Bindegewebs- 
strang  (/)  verbunden.  Man  beachte  auch  die  starke  kaudale  Ausbreitung  des  unteren 
Bogens,  über  die  das  Gefäß  (g)  hinüberzieht. 


Fig.  272.  Querschnitt 
durch  die  Rippenanlage  eines 
24  mm  langen  Salmo  fario. 
Vergr.  232  mal.  Nach  Göp- 
pert. üb  Basis  des  unteren 
Bogens  (Basalstumpf).  /•  di- 
stales Ende  des  unteren  Bogens 
—  Rippe.  Der  einheitliche 
Zusammenhang  des  Basal- 
stumpfes  mit  der  Rippe  ist 
ersichtlich.  Die  spätere  Ab- 
gliederungsstelle  (a)  markiert 
sich  nur  durch  geringere  Ent- 
wickelung der  Knorpelgrund- 
substanz, k  Knochenbelag  der 
Rippe,  ch  Chorda,  ep  Chorda- 
epithel, fs  Faserschicht  der 
Chordascheide,  es  elastische 
Scheide,    ao  Aorta. 


In  den  Angaben  über  die  Entwickelung  der  Rippen  folgen 
wir  den  Untersuchungen  Göppert's  (1895),  dem  wir  die  Hauptarbeit 
über  diesen  Gegenstand  verdanken.  Bei  Lachsembryonen  (Salmo  salarj 
von  etwa  50  Tagen  besteht  die  Anlage  der  unteren  Rippe  aus  einem 
dünnen  Zellenstrang,  der  den  medialen  Rand  des  transversalen  Myo- 
septuras  einnimmt  und  kontinuierlich  in  die  Basis  des  unteren 
Bogens  —  den  Basalstumpf  —  übergeht.  Bei  55-tägigen  Embryonen 
erscheinen    die  Zellstränge   zwar  umfangreicher,    aber  hyaline  Grund- 


480 


H.  Schauinsland, 


Substanz  fehlt  ihnen  noch  gänzlich,  während  sie  bei  den  Basalstümpfen 
schon  in  reichlicher  Menge  vorhanden  ist. 

Dieses  Entwickelungsstadium  kannte  übrigens  auch  schon  Goette 
(1879),  der  die  erste  Anlage  der  unteren  Rippen  auch  als  einen  dichten 
zellenreichen  Gewebsstraug  beschreibt,  welcher,  vom  Ende  der  knorpe- 
ligen Bogenbasis  ausgehend,  schräg  rückwärts  und  abwärts  zieht  (Fig.  271). 

In  dem  nächst  älteren  Stadium  —  bei  Salmo  fario  von  1,5  cm 
Länge  beobachtet  —  ist  in  der  mit  dem  Basalstumpf  ebenfalls  ohne 
Unterbrechung  zusammenhängenden  Rippenanlage  bereits  hyaline  Grund- 
substanz aufgetreten,  aber  nicht  in  direkter  Fortsetzung  des  Knorpels 
der  Bogenbasis.  Von  diesem  ist  der  betreffende  Teil  der  Rippenanlage 
vielmehr  getrennt  durch  einen  schmalen  Bezirk  ohne  hyaline  Inter- 
cellularmasse,   der   also   noch   dieselbe  Beschaffenheit  aufweist,   in  der 


—  itb 


üb 


vb 


Fig.  273  a — e.  Fünf  von  vorne  nach  hinten  aufeinander  folgende  Wirbel  von 
Gadus  aeglefinus  bei  1,6-maliger  "Vergrößerung.  Die  Wirbel  sind  so  gezeichnet,  daß 
man  genau  von  der  kaudalen  Seite  auf  sie  heraufsieht.  Fig.  273  a  ist  der  letzte 
Rumpfwirbel.  Fig.  273b — e  sind  die  ersten  Schwanzwirbel,  oh  oberer  Bogen,  uh 
unterer  Bogen  (Basalstumpf).  ;-  Rippen  —  in  Fig.  273  a  und  hier  auch  vom  Basal- 
stumpf abgetrennt  —  oder  die  ihnen  wahrscheinlich  entsprechenden  Stücke  in  den 
geschlossenen  Hämalbögen  des  Schwanzes. 


sich  die  Anlage  im  vorhergehenden  Stadium  befand.  Diese  schmale 
Zone  entspricht  der  späteren  Abgliederungsstelle  der  Rippe  von  dem 
Basalstumpf. 

In  durchweg  hyalinknorpeligem  Zustand  trifft  man  die  gesamte 
Basalstumpf-Rippenanlage  bei  Forellen  von  2,4  cm  Länge  (Fig.  272). 
Auch  im  Bereich  der  späteren  Grenze  zwischen  Rippe  und  Basal- 
stumpf findet  sich  im  Gegensatz  zu  früher  nunmelir  hyaline  Grund- 
substanz, die  dorsal  in  die  der  Bogenbasis,  ventral  in  die  der  Rippe 
übergeht.  Letztere  besteht  in  ihrem  größten  Teil  aus  einer  einfachen 
Reihe  von  Knorpelzellen  und  wird  bereits  von  einer  dünnen  Knochen- 
lamelle ebenso  wie  der  Basalstumpf  überzogen  ;  letztere  fehlt  jedoch  an 
der  Stelle  der  späteren  Abgliederungszone.  Im  Vergleich  zu  ihrem 
ersten  Auftreten  hat  sie  bedeutend  an  Länge  zugenommen  und  um- 
faßt einen  großen  Teil  der  Leibeshöhle  (Fig.  261). 

An  den  am  hintersten  Ende  des  Rumpfes  gelegenen  unteren  Rip- 
pen, die  rudimentär  erscheinen,  besteht  die  Abweichung,  daß  sie  nicht 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäiile  nebst  Rippen  und  Brustbein.  481 

unmittelbar,  sondern  nur  durch  Bindegewebe  mit  den  zugehörigen,  zur 
Umschheßung  der  Kaudalgefäße  verlängerten  Basalsttimpfen  in  Ver- 
bindung stehen.  Goette  konnte  jedoch  nachweisen,  daß  auch  hier 
ursprünglich  diese  beiden  Bogenelemente  zusammenhängen,  daß 
sich  aber  das  zwischen  ihnen  befindliche  weiche  Gewebe  der  ersten 
Anlage  früh  in  „Bandmasse"  umwandelt. 

Der  erste  Beginn  einer  wirklichen  Trennung  zwischen  Basal- 
stumpf  und  Rippe  findet  sich  bei  5  cm  langen  Forellen.  Der  an  der 
künftigen  Abtrennungsstelle  befindliche  und  mit  den  beiden  später  ge- 
sonderten Stücken  immer  noch  in  kontinuierlichem  Zusammenhang 
stehende  Knorpel  trübt  sich,  die  ihm  benachbarten  Zellen  flachen  sich 
ab,  und  von  der  Peripherie  her  dringt  in  diese  Region  Knochengewebe 
ein,  so  daß  schließlich  eine  knöcherne  Lamelle  zwischen  Trennungs- 
zone und  Basalstumpf  einerseits,  dieser  und  Rippe  andererseits  sich 
befindet.  Endlich  bildet  sich  der  dazwischen  liegende  Knorpel  durch 
faserigen  Zerfall  seiner  Intercellularsubstanz  zu  Fibrillen  um,  und  von 
nun  an  sind  Rippe  und  Basis  des  unteren  Bogens  nur  noch  ver- 
mittelst eines  Ligamentes  miteinander  verbunden. 

Die  auf  die  oben  mitgeteilten  Thatsachen  sich  stützende  Behauptung 
Göppert's,  daß  untere  Rippen  und  die  Basen  der  unteren  Bögen  ur- 
sprünglich eine  Einheit  bilden,  und  daß  auch  phylogenetisch  die  Rippen 
wahrscheinlich  als  Auswüchse  der  Basalstümpfe  entstanden  sind,  stimmt 
zum  größten  Teil  überein  mit  dem  bereits  vor  ihm  von  August  Müller 
(1853)  und  Goette  (1879)  hierüber  ausgesprochenen  Ansichten.  Auch 
Scheel  (1893)  und  Ussow  (1902)  bestätigen  sie,  während  Grassi  (1883) 
einen  solchen  Zusammenhang  leugnet.  Von  letzterem  xlutor  ist  noch 
die  Beobachtung  erwähnenswert,  daß  die  knorpelige  Anlage  der 
Teleostierrippe  bisweilen  unterbrochen  ist,  so  daß  die  Rippe  aus 
mehreren  diskreten  Knorpelstücken  besteht,  die  erst  durch  die  sie 
alle  gleichmäßig  umschließende  Knochenlamelle  zu  einem  Ganzen 
vereinigt  werden.  Auf  dieselbe  Erscheinung  wurde  bereits  bei  den 
Elasmobranchiern  (Fig.  217,  218)  hingewiesen.  Auch  an  oberen  und 
unteren  Schwanzbögen  kann  ein  ähnliches  Vorkommen  hin  und  wieder 
beobachtet  werden  (Fig.  262;  Schauinsland). 

Was  die  Entwickelung  der  oberen  Rippe  der  Knochenfische 
anbelangt,  so  verhält  sich  ihre  erste  Anlage  bei  der  Forelle  ganz 
ebenso  wie  die  der  unteren  Rippe.  Sie  unterscheidet  sich  von  ihr 
nur  dadurch,  daß  sie  mit  dem  Basalstumpf  nicht  direkt,  sondern 
nur  durch  ein  Ligament  in  Verbindung  steht,  das  aber  genau  die  gleiche 
Lage  hat  wie  die  Rippe  selbst,  d.  h.  also  im  ventralen  Rande  des  dor- 
salen Transversalseptums.  Die  Anlage  der  Rippe  ist  übrigens  größer 
als  ihr  ausgebildeter  Zustand;  im  Laufe  der  Ontogenese  findet  eine 
Verkürzung  statt,  und  dadurch,  wie  auch  durch  den  Mangel  einer 
direkten  Verbindung  mit  der  Wirbelsäule  stellt  sich  die  obere  Rippe 
der  Teleostier  als  eine  rudimentäre  Bildung  dar  (Göppert). 

Ueberschauen  wir  das  über  die  Rippen  Mitgeteilte  nochmals,  so 
dürfte  es  sich  herausstellen,  daß  wir  im  Recht  sind,  sowohl  untere 
als  auch  obere  Rippen  als  Fortsätze  der  Basen  der  unteren  Bögen 
anzusehen.  Die  Knorpelmasse  der  letzteren  hat  offenbar  die  Fähig- 
keit nach  verschiedenen  Richtungen  hin  auszuv/achsen,  ja  sogar  unter 
Umständen  in  ventral-dorsaler  Richtung  hin  in  getrennte  Teile  zu 
zerfallen  (man  vergleiche  damit  unter  anderem  die  „Hämalfortsätze" 
der  Elasmobranchier   und    Ganoiden),   wobei   sie   beeinflußt   wird    von 

Handbuch  der  Entwickelungslehre.  III.  2.  31 


482  H.  Schauinsland, 

den  Funktionen,  die  ihr  durch  die  Stammesmuskulatur  zugewiesen 
sind.  Verschiedenheiten  in  der  Ausbildung  und  Anordnung  der 
letzteren  werden  es  erklärlich  machen,  warum  wir  in  dem  einen  Falle 
untere  und  obere  Rippen  vorfinden,  während  in  dem  anderen  die 
eine  oder  die  andere  Kategorie  derselben  gänzlich  vermißt  oder  nur 
rudimentär  angetroffen  wird. 

Gleichzeitig  dürfte  es  sich  daraus  aber  auch  ergeben,  daß  untere 
und  obere  Rippen  nicht  in  zu  schroffen  Gegensatz  zu  einander  gestellt 
werden  sollten.  Finden  wir  doch  in  einzelnen  Fällen  (bei  Gasterosteus 
und  Hippocampus  nach  Ussow  1900),  daß  die  unteren  Bögen  in  ihrem 
Verlauf  vom  Schwänze  nach  dem  Kopf  hin,  offenbar  ebenfalls  in  Ab- 
hängigkeit von  der  Muskulatur,  dorsalwärts  immer  mehr,  bis  zu  den 
Basen  der  oberen  Bögen,  emporsteigen  und  damit  sowohl  zur  Bildung 
von  unteren  als  auch  von  oberen  Rippen  Veranlassung  geben  können. 

Endlich  ist  noch  über  einen  Streitpunkt  zu  berichten,  der  bereits 
seit  langer  Zeit  zu  vielen  und  lebhaften  Auseinandersetzungen  geführt 
hat,  dessen  Erörterung  allerdings  hauptsächlich  Aufgabe  der  vergleichen- 
den Anatomie  ist.  Es  handelt  sich  um  das  Verhältnis  der  Rippen 
bezw.  der  Basalstümpfe  zu  den  geschlossenen  unteren  Schwanz- 
bögen (Hämalbögen).  Mit  Gegenbaur  (1867,  1876)  kann  man  an- 
nehmen, daß  in  der  Reihe  der  Fische  eine  Verkürzung  im  Bereich 
der  Leibeshöhle  eingetreten  ist,  so  daß  infolgedessen  Wirbel,  welche 
ursprünglich  der  Rumpfregion  angehörten,  zu  Schwanzwirbeln  wurden. 
Hierbei  mußten  jedenfalls  auch  die  an  jenen  Wirbeln  sitzenden  Rippen 
beeinflußt  werden.  Bei  den  Ganoiden  erwähnten  wir  bereits,  daß  sich 
ihre  unteren  Rippen  an  der  Grenze  zwischen  Rumpf  und  Schwanz 
einfach  zusammenschließen  und  auf  diese  Art  die  kaudalen  Bögen 
bilden.  Bei  den  Dipneusten  liegen  die  Verhältnisse  ebenso,  und 
Balfour  und  Parker  nehmen  eine  gleiche  Entstehung  der  unteren 
Schwanzbögen  aus  Rippen  (und  zwar  oberen  Rippen)  auch  für  die 
Selachier  an,  womit  allerdings  Goette  nicht  übereinstimmt. 

Bei  den  Knochenfischen  sollen  nach  Jon.  Müller,  Stannius, 
Gegenbaur  und  Grassi  dagegen  die  unteren  Schwanzbögen  nur 
den  Basen  der  unteren  Rumpfbögen,  den  Basalstümpfen  (Pleurapo- 
physen)  verglichen  werden  dürfen.  Diese  allein  verlängerten  sich  und 
schlössen  sich  zu  den  Hämalbögen  zusammen  ohne  Beteiligung  der 
eigentlichen  Rippen,  (die  bisweilen  noch  im  Anfang  des  Schwanzes  als 
seitliche  Anhänge  solcher  Bögen  vorkommen).  Ohne  Zweifel  findet 
das  auch  wirklich  in  sehr  vielen  Fällen  statt. 

Andererseits  wird  diese  Annahme  aber  heftig  bestritten  von  Goette, 
der  die  bereits  von  August  Müller  ausgesprochene  Anschauung 
vertritt,  daß  die  ventralen  Schwanzbögen  den  Basen  der  unteren 
Rumpfbögen  und  den  unteren  Rippen  gleich  seien. 

Bei  einer  ganzen  Reihe  von  Fischen  wird  sicherlich  auch  keine 
andere  Erklärung  wie  die  zuletzt  erwähnte  möglich  sein  z.  B.  bei 
Hippocampus  (Ussow),  Fistularia  etc.  (Fig.  267,  268,  273),  und  wir 
kommen  daher  (mit  Ussow)  zu  dem  Schluß,  daß  beide  Parteien  im 
Recht  sind,  und  daß  sich  bei  den  Knochenfischen  Belege  für  jede  der 
beiden  Meinungen  finden  lassen,  was  eigentlich  selbstverständlich  ist, 
wenn  man,  abgesehen  von  der  vorhandenen  oder  fehlenden  Abglie- 
derung,  an  der  Identität  zwischen  unteren  Bögen  und  Rippen  festhält. 


Die  Entwickelung  der   Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  483 

Dipneusten. 

Wichtigste  Litteratur :  Gegenbaur  1867 ;  Eetzius  1881 ;  Hasse  1883  und  1892 ; 
LwoFF  1887  ;  Klaatsch  1893 ;  Gadow  und  Abbott  1895,  sowie  die  monograpliischen 
Bearbeitungen  der  einzelnen  Dipneusten. 

Durch  die  Arbeiten  von  Owen,  Hyrtl,  Peters,  Gegenbaur, 
Günther,  Wiedersheim  n.  A.  wissen  wir,  daß  die  Wirbelsäule  der 
erwachsenen  Dipneusten  aus  oberen  und  unteren  Bögen  besteht,  die 
der  dicken,  teils  faserigen,  teils  knorpelartigen  Scheide  der  dauernd 
persistierenden  Chorda  mit  breiter  Basis  aufsitzen  upd  sich  nicht  init- 


^ 


•J  V    .X. 


dw 


--üb 


Fig.  274  a  und  b.  Zwei  Querschnitte  durch 
einen  60  Tage  alten,  etwa  14mm  langen  Gera- 
te d  u  s  bei  76-maIiger  Vergr.  Fig.  274  a  stellt 
einen  Schnitt  unmittelbar  hinter  dem  Schädel, 
Fig.  274  b  einen  solchen  durch  den  mittleren 
Schwanz  dar.  es  elastische  Schicht  —  fs  Faser- 
schicht der  Chordascheide,  ob  obere,  üb  untere 
Bögen.  Da  die  vordersten  Wirbel  später  mit 
dem  Occipitalteil  des  Schädels  verschmelzen,  so 
wird  der  untere  Bogen  der  Fig.  274  a  beim  er- 
wachsenen Tier  eine  der  „Kopfrippen"  bilden,  ss 
Septum  sagittale.  Der  noch  nicht  verknorpelte 
membranöse  Teil  der  oberen  und  unteren  Bögen 
geht  unmittelbar  in  dieses  Septum  über,  b  Binde- 
gewebe der  skeletoblastischen  Schicht,  das  weder 
durch  Knorpel  noch  durch  Knochen  ersetzt  wird 
und  dauernd  als  Teil  der  membranösen  Wirbel- 
säule obere  und  untere  Bögen  seitlich  der  Chorda- 
scheide miteinander  verbindet.  R  Rückenmark. 
nl  Seitennerv,  m  Muskeln,  a  Aorta,  v  Vene. 
ep  Epidermis,  k  Knochenscherbe  auf  dem  unteren 
Bogen  (Fig.  274  a).  nl  Nervus  lateralis,  dw  Gan- 
glion der  dorsalen  Nervenwurzel. 


SS 


■  R 


31* 


484 


H.  Schauinsland, 


einander  zu  einer  die  Chorda  umgebenden  Schicht  vereinigen.  Eine 
Andeutung  von  gesonderten,  einzelnen  Wirbelkörpern  ist  nicht  vor- 
handen. Gegenbaur  (1867)  erkannte  auch  bereits  sehr  gut  die  auf- 
fallende Aehnlichkeit,  die  hierin  zwischen  den  Dipneusten  und  den 
Chimären  besteht,  und  unterschied  an  der  Chordascheide  richtig  zu 
äußerst  eine  elastische  Membran,  auf  die  medialwärts  eine  dicke 
„faserknorpelige"  Scheide  folgt,  der  wiederum  als  innerster  Abschnitt 
eine  feine,  schwer  von  ihr  trennbare  elastische  Membran 
schlössen  ist. 

Die  embryouale  Entwickelung  der  Wirbelsäule  und  ihr  Zustand 
bei  einigermaßen  jungen  Tieren  ist  bis  jetzt  noch  nicht  beobachtet 
worden.     Nur  von  Ceratodus   wurden  neuerdings  (Schauinsland) 


ange- 


b-^z- 


ob. 


sz.- 


ß 

Fig.  275  a  und  b.  Teile  von  Quer- 
schnitten durch  die  Chordascheide  und  die 
angrenzenden  Gewebspartieen  eines  60- 
tägigen  (Fig.  275  a)  und  eines  63  Tage  alten 
und  etwa  15  mm  langen  Ceratodus  (Fig. 
275  b)  bei  640-maliger  (Fig.  275  a)  und  270- 
maliger  (Fig.  275  b)  Vergrößerung.  Beide 
Schnitte  stammen  aus  dem  vordersten, 
dicht  hinter  dem  Schädel  befindlichen 
Teil  der  Wirbelsäule.  Fig.  275  a  stellt 
einen  der  Aorta  benachbarten  Chordaab- 
schnitt und  Fig.  275  b  den  unterhalb  des 
linken  oberen  Bogens  befindlichen  Teil  der 
Scheide  dar,  in  welchen  gerade  die  Ein- 
wanderung von  Zellen  beginnt,  v  Vaku- 
olen des  Chordagewebes,  ep  die  Kerne  der 
der  Chordascheide  von  innen  dicht  anlie- 
genden Eindenschicht  der  Chorda  (Chorda-  ca  ß 
epithel),  b  perichordales  Bindegewebe,  ob  die  Basis  des  linken  oberen  Knorpelbogens. 
71  die  Knorpelzellen  bezw.  die  Kerne  derselben,  es  elastische  Scheide  in  Fig.  275  a 
sehr  dick,  in  Fig.  275b  unterhalb  des  knorpeligen  Bogens  jedoch  nur  dünn,  fs 
Faserscheide;  die  konzentrische  Streifung  derselben  ist  in  Wirklichkeit  viel  feiner. 
sz  eine  Knorpelzelle  des  oberen  Bogens,  die  im  Begriffe  ist,  durch  die  elastische 
Scheide  hindurch  auszuwandern  und  zur  „Scheidenzelle"  zu  werden,  sz^  bereits  ein- 
gewanderte Scheidenzellen ;  sie  liegen  fast  in  der  Mitte  der  Faserscheide  innerhalb 
eines  äußerst  feinen  Spaltraumes,  der  jedoch  nur  dort  deutlich  ist,  wo  bereits  Zellen 
in  der  Scheide  vorhanden  sind,  was  hier  erst  unterhalb  der  oberen  Bögen  der  Fall 
war.  Die  Kerne  der  Zellen  sind  sehr  plattgedrückt  und  von  einer  geringen  Masse 
Protoplasmas  umgeben,  das  sich  auch  noch  eine  Strecke  weit  in  den  eben  erwähnten 
Spalt  hinein  erstreckt. 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen,  und  Brustbein.  485 

14—15  mm  lange  und  60—63  Tage  alte  Exemplare  daraufliin  unter- 
sucht. An  den  kleineren  derselben  war  die  Chordascheide  noch  zellen- 
los (Fig.  274  und  275  a)  und  ließ  die  bekannte,  äußere,  dünne,  elastische 
und  die  innere,  dicke,  faserige  Schicht  unterscheiden,  so  daß  man 
diesen  Zustand  wohl  als  ihr  Cyclostomenstadium  bezeichnen  kann. 

An  wenig  älteren  Exemplaren  war  gerade  der  Moment  der  Ein- 
wanderung der  Scheidenzellen  durch  die  Elastica  hindurch, 
die  unterhalb  der  Bögen  sich  durch  ihre  sehr  geringe  Dicke  aus- 
zeichnete, zu  verfolgen,  allerdings  nur  in  den  vordersten  Rumpf- 
segmenten, während  in  den  dahinter  gelegenen  noch  nichts  davon  zu 
bemerken  war.  Der  Vorgang  selbst  vollzieht  sich  auf  ganz  ähnliche 
Weise  wie  bei  den  Holocephaleu  oder  Squahden.  Die  Kerne,  umgeben 
von  einer  sehr  geringen  Protoplasmamenge,  dringen  von  der  Basis 
des  knorpeligen  Bogens  aus  in  die  Faserscheide  bis  etwa  in  ihre  Mitte 
ein ;  dort  liegen  sie  innerhalb  eines  feinsten  Spaltraumes,  wobei  sie 
eine  dünne  stabförmige  Gestalt  annehmen,  während  sich  das  Proto- 
plasma an  ihren  beiden  Enden  ansammelt,  so  daß  die  ganze  Zelle  die 
Form  einer  äußerst  gestreckten  Spindel  erhält  (Fig.  275  b).  Die  Menge 
der  anfangs  nur  in  geringer  Zahl  vorhandenen  Scheidenzellen  nimmt 
später  beträchtlich  zu,  so  daß  sie  dann  in  mehreren  mehr  oder 
weniger  konzentrisch  angeordnete  Reihen  in  der  Faserscheide  verteilt 
sind  (Fig.  276). 

Daß  eine  Einwanderung  von  Knorpelzellen  aus  den  Bögen  statt- 
findet, hatten  übrigens  bereits  Lwoff  (1887)  und  namentlich  Klaatsch 
(1893)  aus  dem  Studium  älterer  Individuen  von  Protopterus  und  Cera- 
todus  richtig  geschlossen.  Ersterer  nahm  allerdings  in  Ueberein- 
stimmung  mit  seinen  sonstigen  Anschauungen  über  die  Entstehung 
der  Chordascheiden  an,  daß  diese  nicht  von  der  Chorda,  sondern 
von  dem  perichordalen  Gewebe  geliefert  werden,  und  daß  namentlich 
die  Faserscheide  mit  ihren  Fibrillen  erst  aus  den  durch  die  Elastica 
eindringenden  Zellen  sich  entwickele,  was  jedenfalls  nicht  den  wirk- 
lichen Verhältnissen  entspricht. 

Dasselbe  ist  auch  von  der  ursprünglichen  Meinung  Hasse's  (1883), 
nach  der  die  Zellen  der  Faserschicht  in  die  Scheide  eingewanderte 
Chordaepithelzellen ,  und  ein  Teil  ihrer  Fibrillen  radiale  Fortsätze 
eben  dieser  Zellen  sein  sollten,  zu  sagen.  Kam  er  später  (1893)  dann 
auch  zur  richtigen  Erkenntnis  von  der  Abstammung  der  Scheiden- 
zellen,  so  gelang  es  ihm  doch  nicht,  ein  fehlerfreies  Bild  von  der 
Chordascheide  zu  entwerfen  und  eine  richtige  Bezeichnung  und  Ver- 
gleichung  derselben  durchzuführen. 

Gerade  diese  beiden  letzten  Punkte  sind  es  ja  überhaupt,  die  das 
Studium  und  die  Erörterung  der  Litteratur  über  die  Chordascheiden 
so  außerordentlich  erschweren,  und  es  ohne  eigene  Anschauungen 
fast  unmöglich  machen,  sich  eine  klare  Vorstellung  aus  dem  Wirr- 
warr der  verschiedenen,  sich  widersprechenden  Meinungen  zu  machen. 
Eine  nähere  Erörterung  mag  aber  auch  hier  unter  Hinweis  auf  die 
Originalarbeiten  als  zu  weitführend  unterbleiben. 

Nachdem  die  Chordascheide  zellhaltig  geworden  ist,  ist  sie  völlig 
vergleichbar  der  Scheide  der  Selachier,  im  besonderen  aber  der  Holo- 
cephaleu. Sie  ähnelt  der  letzteren  auch  darin,  daß  die  Zellen  völlig 
gleichmäßig  verteilt  sind,  und  daß  man  niemals  vertebrale  und  inter- 
vertebrale  Partieen  unterscheiden  kann.  Es  kommt  eben  nicht  zur 
Bildung    „chordaler''    Wirbelkörper   wie    bei    den    Squaliden,    und 


486 


H.  Schauinsland, 


selbst  solche  Verkalkungen,  wie  sie  die  Chimären,  oder  Diflferenzierun- 
gen  in  Außen-  und  Innenzone,  wie  sie  in  einfachster  Form  schon 
Callorhynchus  aufweist,  kommen  bei  den  Dipneusten  nicht  zur  Be- 
obachtung. Dagegen  nimmt  das  Gewebe  ihrer  Chordascheide  durchweg 
den  Charakter  eines  Faserknorpels  an. 

Die  innerste,  dem  Chordaepithel  dicht  anliegende  Partie  der 
Faserscheide  (Fig.  276 /s,)  bleibt  dauernd  zellenfrei  und  soll  auch 
elastische  Fasern  enthalten.  Hasse  (189.3)  sieht  in  ihr  eine  be- 
sondere,  von  der  zellhaltigen  Partie  —  seiner  Intercuticularschicht 


R 


•  Jia,lS  ill 


ob 


h 
-ep 


—fs 


—  es 


-ub 


Fiff.  276.  Querschnitt  durch 
den  Schwanz  eines  IS^/o  cm  langen 
Protopterus  nach  C.  Hasse,  es 
elastische  Chordascheide  (Cuti- 
cula  sceleti  Hasse),  fs  Faser- 
schicht der  Chordascheide,  in 
der  sich  in  konzentrischen  Reihen 
angeordnet  die  Bcheidenzellen  (ss,) 
vorfinden  (Intercuticularschicht 
Hasse's),  fs^  innerste,  von  Zellen 
freie  Zone  der  Faserscheide  (Cu- 
ticula  chordae  Hasse's).  (Die 
Föhrungslinie  ist  etwas  zu  lang 
gezeichnet.)  b  perichordales  Bin- 
degewebe der  skeletoblastischen 
Schicht  (skeletogene  Scheide 
Hasse's),  ep  „Chordaepithel". 
ob  obere,  ub  untere  Bögen.  E 
Rückenmark. 


'S  ,-<  & 


m^ 


—  durch  einen  feinen  Grenzsaum  getrennte  Schicht  und  nennt  sie 
Cuticula  chordae  (=  Elastica  interna  der  Autoren).  In  Wirklichkeit 
ist  sie,  wie  gesagt,  wohl  nur  ein  etwas  ditferenter  Abschnitt  der  Faser- 
scheide selbst  und  entspricht  somit  vollständig  dem  gleichen  Gebilde 
bei  den  Elasmobranchiern. 

Eine  Segmentierung  des  Achsen  Skelettes  wird  vornehmlich  durch 
die  Bogenbildungen  hervorgerufen.  Je  ein  oberer  und  unterer 
Bogen  stellen  einen  Wirbel  dar,  dessen  Körper  noch  nicht  zur  Aus- 
bildung gekommen  ist. 

Die  oberen  Bögen  sitzen  mit  breiter  Basis  der  Chordascheide 
auf;  von  dieser  erhebt  sich  dann  eine  ziemhch  schmale  Spange,  die 
sich  mit  einer  ebensolchen  von  der  anderen  Seite  vereinigt  und  so 
ein  Knorpeldach  bildet,  das  nicht  nur  das  Riickenmarkrohr,  sondern 
auch  ein  starkes  elastisches  Längsband  umschließt. 


die 
die 


Bögen   in   unpaare,   lange,    oftmals 


gegliederte 


Dorsal  setzen  sich 
Dornfortsätze  fort. 


Schwanzgegend 


völlig 


vielfach  als  Flossenträger  dienen. 

Die  unteren  Bögen  entsprechen  in  der 
den  oberen,  auch  sie  vereinigen  sich  ventral  und  bilden  ebenfalls  einen 
unpaaren,  langen  und  oft  in  einzelne  Teilstücke  zerfallenden  Processus 
spinosus.  In  der  Rumpfgegend  divergieren  sie,  und  ihre  distalen  Teile 
funktionieren,  ohne  daß  sie  abgetrennt  wären,  als  Rippen, 
die  wegen  ihrer  Lage  zur  Muskulatur  als  untere  zu  bezeichnen 
sind.  Gerade  die  Dipneusten  zeigen  es  so  recht,  wie  untere  Bögen 
und  Rippen  ein  und  dieselben,  nicht  voneinander  trennbaren  Gebilde 
sind.     Danach  könnte  man  auch  die  Rippen  einfach  als  untere  Bögen 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  487 

bezeichnen  und  umgekehrt  die  ventralen  Schwanzbögen  als  zusammen- 
gewachsene Rippen. 

Obere  und  untere  Bögen  zeigen  übrigens  einen  ziemlich  starken 
Knochen  belag. 

Wie  wir  es  bei  den  Fischen,  selbst  schon  bei  den  Cyclostomen,  fast 
durchgehend  fanden,  daß  der  vorderste,  auf  den  Schädel  unmittelbar 
folgende  Teil  des  Achsenskelettes  Verstärkungen  aufweist,  begegnen 
wir  auch  hier  bei  den  Dipneusten  ähnlichen  Verhältnissen ;  die  ersten, 
freien  oberen  und  unteren  Bögen  umwachsen  seitlich  die  Chordascheide 
und  lassen  somit  einen  Wirbelkörper  entstehen.  Zwei  oder  drei 
noch  vor  diesen  liegende  Bögen,  welche  noch  bei  jungen  Individuen 
(z.  B.  in  den  Exemplaren  von  Ceratodus,  die  die  Abbildungen  275 
und  276  lieferten)  frei  sind,  verschmelzen  übrigens  später  mit  dem 
Schädel,  und  die  vorderste  Rippe  des  Rumpfes  erscheint  dann  als  so- 
genannte „Kopfrippe"  dem  Occipitalteil  angefügt. 

Auch  bei  den  Dipneusten  liegen  Anzeichen  vor  von  doppelten 
Bogenbildungen  in  einem  Segment,  und  wahrscheinlich  würden  diese 
durch  ein  eingehenderes  Studium  zahlreicherer  jüngerer  Entwickelungs- 
stadien  noch  vermehrt  werden  können.  Bei  Ceratodus  kommen  im 
Schwänze  regelmäßig,  im  Rumpf  hier  und  da,  kaudal  von  den  gewöhn- 
lichen Bögen  kleinere  Knorpelstücke  (Intercalarien)  vor,  die  wahr- 
scheinlich als  kraniale  Bögen  zu  deuten  sind,  da  sich  die  Myosepten 
—  beim  jungen  Ceratodus  —  an  die  kaudale  Seite  der  Hauptbögen 
ansetzen  und  die  intersegmentalen  Gefäße  dicht  dahinter  verlaufen, 
(so  daß  also  die  Hauptbögen  als  kaudale  Skleromerenstücke  anzu- 
sehen sind).  Bei  Protopterus  sind  jene  Intercalarien  mit  Ausnahme 
des  Schwanzes  rudimentär  und  nur  in  Gestalt  von  stärkeren  Zell- 
anhäufungen innerhalb  der  skeletoblastischen  Schicht,  welche  dieselbe 
Lage  haben  wie  der  „intervertebrale"  Knorpel  bei  Lepidosteus,  vor- 
handen (Gadow  und  Abbott). 

Endlich  ist  noch  die  besondere  Ausbildung  der  äußersten  Schwanz- 
wirbelsäule zu  erwähnen  (Klaatsch  1893).  Bei  Ceratodus  bleibt 
die  Chorda  in  der  Nähe  der  Schwanzspitze  nicht  einheitlich  und  löst 
sich  in  zahlreiche  einzelne  Stränge  auf.  um  schließlich  völlig  zu  ver- 
schwinden; statt  der  oberen  und  unteren  Bögen  findet  sich  dann 
ein  Knorpelstab,  der  in  ziemlich  regelmäßige,  wirbelartige  Segmente 
zerfällt.  Das  sind  offenbar  sekundäre  Veränderungen,  die,  wie  wir 
sahen,  auch  bei  anderen  Fischen  an  der  Schwanzspitze  älterer  In- 
dividuen, wenn  auch  in  anderer  Form,  nicht  selten  vorkommen. 

Amphibien. 

Litteratur:  Düges  1834;  v.  Kölliker  1859,  1872;  Gegenbaur  1861,  1862, 
1876;  MiVART  1870;  W.  Müller  1871;  Goette  1874,  1875,  1879;  Cartier  1875; 
Claus  1876;  Fick  1879;  Hasse  und  Born  1879;  Fraisse  1880,  1882;  Schweg- 
MANN  1884;  Knickmeyer  1891;  Schmidt  1891;  Hasse  1892,  1893;  Adolphi  1893; 
1898;  Zykoff  1893;  Göppert  1894,  1895,  1897,  1898;  Field  1895;  Stöhr  1895, 
Peter  1895;  Gadow  1896;  v.  Ebner  1896;  Klaatsch  1897;  Bergfeldt  1896  (97); 
Eidewood  1897;  Murray  1897;  Davison  1898;  Kapelkln  1900. 

Trotz  ihres  unverkennbaren  Fortschrittes  zur  höheren  Entwicke- 
lung zeigt  die  Wirbelsäule  der  Amphibien  dennoch  zahlreiche  An- 
knüpfungspunkte an  niedere  Formen.  Vor  allem  ist  das  bei  der 
Chorda  der  Fall,  die  sowohl  in  Hinsicht  auf  den  Aufbau  ihrer 
Substanz  als  auch  auf  ihre  Hüllen  mit  den  Fischen  übereinstimmt 


488 


H.  Schauinsland, 


In  der  Auffassung  des  Differenzierungsvorganges  der  ursprünglichen, 
soliden,  dotterhaltigen  Cliordazellen  in  die  spätere  netzförmige  Anordnung 
der  Chordasubstanz  stehen  sich  wiederum  die  Ansichten  Goette's 
und  die  fast  aller  übrigen  Autoren,  welch'  letztere  in  den  blasenartigen 
Gebilden  der  ausgebildeten  Chorda  regelrechte  Zellen  erblicken  wollen, 
gegenüber.  Goette  nimmt  an,  daß  sich  die  embryonalen  Chordazellen 
zunächst   in   kranial-kaudaler   Richtung  abflachen    und   hintereinander 


Fig.  277. 


Fig.  278. 


seh 


Fig.  277  und  278.  Fig.  278  horizon- 
taler Längsschnitt  durch  die  Chorda  einer 
Rana  silvatica,  bei  der  das  Medullar- 
rohr  sich  soeben  geschlossen  hatte  (nach 
FiELD).  Fig.  278  Querschnitt  durch  die  im 
Beginn  der  Vakuolisierung  stehende  Chorda 
nebst  Hypochorda  von  ßaua  silvatica  (nach 
FiELD).  V  die  sich  bildenden  Vakuolen  der 
Chorda,  es  elastische  Scheide  (Cuticula 
chordae,  Field).  seh  Sub-  oder  Hypo- 
chorda; auch  sie  besitzt  eine  Scheide. 


ziemlich  gleichmäßig  anordnen  (Amphioxusstadium,  Klaatsch),  aber 
nicht  nur  in  einer  Reihe,  wie  bei  den  Fischen,  sondern  in  mehreren, 
ineinander  greifenden  Lagen  (Fig.  277).  In  dem  Protoplasma  der  Zellen 
treten  darauf  Lakuuen  auf,  und  zwar  wahrscheinlich  mehrere  in  jeder 
Zelle,  die  teilweise  miteinander  zusammenfließen  und  das  Protoplasma 
sowie  die  Kerne  verdrängen  und  ganz  unregelmäßig  verteilen,  so  daß 
schließlich  nur  noch  unzusammenhängende  Zellreste  übrig  bleiben. 

Daß  der  Prozeß  der  Vakuolisation  nicht  so  einfach  ist  und  nicht 
etwa  nur  in  dem  Aufblähen  der  einzelnen  Zellen  durch  eine  in  ihnen 
entstehende  Vakuole  sich  vollzieht,  ergiebt  sich  übrigens  auch  aus  der 
bestimmten  Angabe  Field's  (1895),  daß  zwischen  den  Zellen  eben- 
falls Lakuuen  zur  Ausbildung  kommen.  Schon  Dursy  (1869)  hatte 
angenommen,  daß  bei  den  höheren  Wirbeltieren  die  Vakuolenbildung 
in  der  Chorda  durch  das  Auftreten  einer  wasserhellen  Flüssigkeit 
zwischen  den  Zellen  hervorgerufen  werde. 

Was  die  Chordascheiden  anbelangt,  so  unterschied  bereits 
Gegenbaur  (1862)  ganz  richtig  eine  doppelte  Scheide,  von  denen  die 
innere  fibrillär  sei,  die  äußere  aber  eine  elastische  Haut  darstelle,  und 
auch  W.  MÜLLER  (1871),  v.  Kölliker  (1872),  Cartier  (1875)  u.  A. 
kamen  zu  dieser  Auffassung.  Eine  Vergleichung  mit  den  Fischen 
konnte  damals  aber  noch  nicht  gut  durchgeführt  werden,  weil  für  diese 
selbst  noch  keineswegs  eine  einheitliche  und  richtige  Auffassung  be- 
stand. Die  Schwierigkeiten  mehrten  sich  noch,  als  Hasse  (1892)  irr- 
tümlich den  anfangs  zellenlosen  Knochenkegel  an  dem  Wirbelkörper 
der  Urodelen  für  eine  Chordascheide  (Cuticula  sceleti)  hielt  —  wobei 
er  die  wirkliche  Elastica  übersah  —  und  infolge  davon  die  Ansicht 
aufstellte,  daß  die  Urodelen  mit  den  Selachiern  übereinstimmten,  weil 
sie  eine  zellige,  unterhalb  der  Cuticula  sceleti  gelegene  Chordasciieide 
(Intercuticularschicht)  besäßen . 

GoETTE  (1875),  der  an  der  eigentlichen,  von  der  Chorda  selbst 
erzeugten  Scheide  (die  er  innere  Chordascheide  nannte)  anfangs 
noch  nicht  zwei  Schichten  unterschied,  hatte  ebenfalls  eine  thatsächlich 
von  den  Seitenplatten  der  Urwirbel  abstammende  und  die  Chorda 
dicht  umgebende  Zellmasse  noch  zu  den  Chordascheiden  gezählt,  sie 
als    äußere  Chordascheide    bezeichnet  und    dabei  erwähnt,    daß   sie 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.   489 

möglicherweise  der  knorpeligen  Chordascheide  der  Elasmobranchier 
homolog  wäre. 

Auch  LwoFF  (1887)  war,  ohne  gerade  einen  direkten  Vergleich 
mit  den  Selachiern  anzustellen,  der  Meinung  gewesen,  daß  die  Chorda- 
scheide des  Axolotl  zellhaltig  wäre. 

V.  Ebner  (1896),  Bergfeldt  (1896)  und  Klaatsch  (1897)  waren 
es  vornehmlich,  die  diese  Irrtümer  beseitigten  und  endgiltig  feststellten, 
daß  auch  die  Amphibien  gleich  wie  die  Fische  —  die  Selachier  und 
Dipneusten  vor  der  Einwanderung  der  Scheidenzellen  —  eine  dünne 
äußere  elastische  und  eine  nach  innen  davon  gelegene  dickere, 
zellenlose  Faserscheide  besitzen ;  eine  innere  elastische  Schicht 
der  Faserscheide  (Elastica  interna,  Kölliker)  konnten  sie  nicht  be- 
obachten. 

Auf  die  ziemlich  verwickelte  Synonymik  dieser  Scheiden  bei  den 
einzelnen  Autoren  näher  einzugehen,  wollen  wir  verzichten  (vergl. 
Bergfeld  1896  und  H.  Gadow  1896). 

Auch  die  Entwickelung  der  Scheiden  verläuft  ebenso  wie  bei 
den  Fischen.  Zuerst  entsteht  die  elastische  Scheide  (primäre  Chorda- 
scheide, Klaatsch),  und  zwar  wird  sie  direkt  von  der  Chorda  ge- 
liefert, da  sie  bereits  zu  einer  Zeit  sich  bildet,  in  der  einzelne  peri- 
chordale  Zellen  zwischen  der  Chorda  und  den  sie  umgebenden  Or- 
ganen noch  nicht  vorhanden  sind  (Bergfeldt  1896,  Klaatsch 
1897 ;  Fig.  278).  Diese  Verhältnisse  stehen  demnach  im  Einklang  mit 
der  von  Hasse  (1893)  für  die  Cyclostomen  und  Claus  (1894)  für  die 
Squaliden  gemachten  Entdeckung  der  chordalen  Natur  der  elasti- 
schen Scheide  und  im  Gegensatz  zu  der  früher  allgemeinen  Annahme 
ihrer  Herkunft  von  dem  perichordalen  Bindegewebe. 

Die  zweite  Schicht  der  Chordascheide,  die  F  a  s  e  r  s  c  h  e  i  d  e 
(sekundäre  Chordascheide,  Klaatsch  ,  =  innere  Scheide,  Goette, 
=^  Elastica  interna,  Gadow  etc.)  erscheint  mit  dem  Auftreten  einer 
wohlausgebildeten  protoplasmatischen  Rindenschicht  an  der  Chorda 
(Chordaepithel).  Sie  erreicht  meistens  erst  dann  eine  beträchtliche 
Dicke,  wenn  sich  bereits  eine  ansehnliche  Zelllage  der  skeletoblastischen 
Bindegewebsschicht  um  sie  herumgelegt  hat  (Fig.  279).  Zu  dieser 
Zeit  ist  es  bisweilen  auch  möglich,  in  ihr  zwei  Fasersysteme,  deren 
Fibrillen  sich  ungefähr  rechtwinklig  kreuzen,  zu  erkennen  (Bergfeldt). 

Obgleich  die  beiden  Chordascheiden  sich  wohl  bei  allen  Amphibien 
zu  irgend  einer  Zeit  nachweisen  lassen,  so  erreichen  sie  doch  nie  eine 
besondere  Mächtigkeit  und  haben  im  Gegensatz  zu  den  Fischen  sicher 
an  Bedeutung  für  den  Aufbau  der  Wirbelsäule  verloren.  Bei  den 
Urodelen  sind  sie  im  allgemeinen  noch  besser  entwickelt  wie  bei  den 
Anuren  und  zeigen  an  den  intervertebralen  Partieen  eine  stärkere 
Ausbildung  wie  an  den  vertebralen.  An  der  Entstehung  des  knöchernen 
Wirbelkörpers,  wie  Hasse  es  glaubte,  nehmen  sie  niemals  Anteil. 

Auf  einige  weitere  Schicksale  der  Chorda  in  späteren  Entwicke- 
lungsstufen  werden  wir  noch  unten  zurückkommen  und  wollen  zunächst 
die  Ausbildung  der  skeletoblastischen  Schicht  betrachten.  Wäh- 
rend man  früher  dem  Blut  oder  den  Blutgefäßen  an  ihrem  Aufbau 
größeren  oder  geringeren  Anteil  beimaß  (Goette,  Hasse  u.  A.),  so  ist 
man  sich  heute  über  ihre  Abstammung  von  den  Ursegmenten  (Kölli- 
ker, Gegenbaur,  Field  u.  A.)  wohl  allgemein  einig.  Die  Entwickelung 
des  Skierotoms  erfolgt  in  ähnücher  Weise  wie  bei  anderen  Verte- 
braten.  Bei  Siredon  z.  B.  bildet  es  sich  nach  Maurer  (vergl.  Fig.  19 
in  III,  1)  an  der  medialen  und  ventralen  Kante  des  Ursegmentes  als 


490 


H.  Schauinsland, 


ein  geschlossenes  Divertikel  mit  epithelialer  Wand,  in  welches  sich 
die  Ursegmenthöhle  hineinerstreckt.  Es  löst  sich  dann  rasch  vom 
Ursegment  ab  und  zerfällt  in  einzelne  Zellen,  die  anfangs  noch  recht 
spärlich  die  Chorda  seitlich  umgeben;  später  wuchern  sie  mehr  und 
umwachsen  dann  auch  das  Nervenrohr  (Stadium  der  „häutigen  Wir- 
belsäule"). Die  innere  Lage  dieses  von  den  Skierotomen  ab- 
stammenden Gewebes,  das,  wie  es  selbstverständlich  ist,  mit  dem 
übrigen  sonst  noch  im  Körper  vorkommenden  Bindegewebe,  also  z.  B. 

auch  mit  den  Myosepten,  in  direktem  Zu- 
sammenhang steht,  kann  man  als  skelett- 
bildende Schicht  unterscheiden.     Sie   ist 

Fig.  279.  Querschnitt  durch  einen  Teil  der 
Chorda,  ihre  Hüllen  und  das  benachbarte  peri- 
chordale  Gewebe  einer  41  mm  langen  Larve  von 
Alytes  obstetricans  bei  400-facher  Vergr.  (Nach 
Bergfeldt.)  Der  Schnitt  zeigt  den  Zustand  der 
Chordahüllen  in  der  ersten  Zeit  der  Anlage  knorpe- 
liger Wirbelteile,  ep  epitheliomorphe  Rindenschicht 
(Chordaepithel),  fs  Faserscheide  (=  sekundäre  Chor- 
dascheide, Klaatsch,  =  innere  Scheide,  Goette, 
=  Elastica  interna,  Gadow,  -=  sekundäre  cuti- 
culare  Chordahülle,  Bergfeldt  etc.).  (Die  Führungs- 
ünie  müßte  etwas  weiter  nach  rechts  hin  enden.) 
es  elastische  Scheide  (=  primäre  Chordascheide, 
Klaatsch,  =  primäre  cuticulare  Chordahülle  Berg- 
feldt). b  perichordales  Bindegewebe,  deren  innerste, 
fester  gefügte,  scheidenartige  Schicht  (.icb)  man  als 
skeletoblastische  Schicht  unterscheiden  kann  (^ 
äußere  zellhaltige  Chordascheide,  Goette;  =  binde- 
gewebige Chordahülle,  Bergfeldt). 

meistens,  namentlich  um  die  Chorda  der  Anuren  herum,  dichter  und 
regelmäßiger  gefügt  und  aus  mehr  spindelförmigen  Zellen  aufgebaut 
(Fig.  279),  weswegen  man  sie  auch  als  „äußere  zellhaltige  Chorda- 
scheide'' (Goette)  oder  „bindegewebige  Chordahülle"  (Bergfeldt) 
bezeichnet  hat.  In  ihr  nehmen  zunächst  die  Anlagen  der  oberen 
und  unteren  Bögen  ihre  Entstehung. 

Da  die  weiteren  Entwickelungsvorgänge  bei  den  Ur  od  eleu  und 
den  Anuren  einige  Abweichungen  voneinander  aufweisen,  so  empfiehlt 
es  sich,  diese  beiden  Abteilungen  getrennt  zu  betrachten  und  zunächst 
die  er  st  er  en  zu  berücksichtigen.  Die  erste  Anlage  der  oberen  Bögen 
(untersucht  wurden  namentlich  Salamandra,  Triton  und  Siredon)  er- 
folgt ganz  in  der  Nähe  der  transversalen  Myosepten  (über  die  Lage- 
beziehungen der  Skelettteile  wird  weiter  unten  noch  gehandelt  werden) ; 
nach  erfolgter  Verknorpelung  sitzen  sie  der  Chordascheide  unmittelbar 
auf  (Fig.  280  a),  dann  wachsen  sie  rasch  empor  und  vereinigen  sich 
oberhalb  des  Nervenrohres  mit  den  Bögen  der  anderen  Seite,  indem 
sie  mit  ihnen  vollständig  verschmelzen  (Fig.  290).  Die  Bogen- 
basen  bleiben  dagegen  voneinander  getrennt. 

Ganz  ähnlich  verhalten  sich  die  unteren  Bögen  (Hämapophysen, 
Hämalbögen)  des  Schwanzes  (Fig.  280a  u.  290).  Die  Mehrzahl  von 
ihnen  verwächst  unter  Bildung  eines  Kaudalkanales  mit  den  benachbarten 
der  anderen  Seite,  wobei  auch  meistens  ein  mehr  oder  weniger  langer 
unpaarer  Dornfortsatz  gebildet  wird.  Obere  und  untere  Bögen  ver- 
einigen sich  seitlich  von  der  Chorda  nicht  miteinander  (Fig.  280a, 
284  u.  290),  woraus  sich  schon  ergiebt,  daß  der  Anteil  der  knorpeligen 
Bogenbasen,  wie  des  Knorpels  überhaupt,  an  dem  Aufbau  des 
Wirbelkörpers  eine  sehr  geringe  ist.     Im  Rumpf  kommen  untere 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  491 


Bögen,  wenigstens  in  vorgeschrittenen  Entwickelungsstadien ,  dem 
Wirbelkörper  aufsitzend  nicht  mehr  vor;  sie  sind  dort  teils  rück- 
gebildet, teils  sekundär  verlagert.  Manche  Formen,  z.  B.  Menobranchus 
(Göppert),  zeigen  sie  in  ihrer  Jugend  jedoch  noch  in  ihrem  ursprüng- 
lichen Verhalten.  Bei  der  Betrachtung  der  Rippen  wird  hierauf  noch 
näher  eingegangen  werden. 

Anfangs  stellen  die  knorpeligen  Wirbelbögen  nur  ziemlich  schmale 
Spangen  dar,  die  kaudal-  und  kranialwärts  mit  denen  der  benachbarten 
Wirbel  nicht  in  Berührung  stehen  (Fig.  287).  Später  jedoch  verbreitern 
sich  die  oberen  Bögen  und  besonders  ihre  dorsalen  Partieen,  so  daß 


chsch 


Fig.  280a  und  b.  Zwei  Querschnitte  durch  die  Mitte  (Fig.  280a)  und  das  Ende 
eines  Wirbels  aus  dem  vorderen  Schwanzabschnitt  einer  44  mm  langen  Larve  von 
Salamandra  maculata  bei  65-maliger  Vergrößerung,  oft  obere,  h/j  untere  Bögen ; 
die  ersteren  über  dem  Rückenmark  (R)  miteinander  verwachsen,  die  letzteren  ventral 
ebenfalls  vereinigt,  a  und  v  die  im  Kaudalkanal  liegende  Aorta  und  Vene,  ch 
Chorda,  chsch  Chordascheide ;  die  Vergrößerung  ist  zu  schwach,  um  elastische  und 
Faserscheide  noch  als  getrennte  Schichten  erkennen  zu  lassen,  k  Knochenbelag  der 
Bögen,  k^  Knochenbelag  des  Wirbelkörpers,  der  in  Fig.  280  a,  also  in  der  Mitte 
des  Wirbels,  der  elastischen  Scheide  dicht  aufliegt,  in  Fig.  280  b  aber  durch  den 
voluminösen  „intervertebralen"  Knorpel  (iv^)  des  Wirbelendes  von  ihr  getrennt  ist.  Da 
die  Wirbelbögen  noch  sehr  schmal  sind,  so  sind  sie  in  Fig.  280  b  durch  den  Schnitt 
nicht  mehr  getroffen. 

sie  mit  ihren  Nachbarn  zusammenstoßen  (Fig.  284) ;  an  diesen  Stellen 
bilden  sich  dann  allmählich  vordere  und  hintere  (jrelenktlächen  (Prä- 
und  Postzygapophysen)  aus. 

Bei  älteren  Tieren  tritt  außerdem  noch  eine  Verbreiterung  der 
Bögen  durch  Knochen  ein ;  da  das  auch  in  den  mittleren  Partieen  der 
Wirbel  geschieht,  dort,  wo  der  Spinalnerv  dicht  hinter  den  Knorpel- 
bögen hervortritt  (Fig.  284),  so  wird  dieser  von  den  Knochenbil- 
dungen umwachsen,  so  daß  in  älteren  Stadien  die  Nervenwurzel  oft  den 
knöchernen  Bogen  mehr  oder  weniger  genau  in  der  Mitte  durchbohrt. 

Außer  in  den  Bögen  trifft  man  an  der  Urodelenwirbelsäule  noch 
an  einer  anderen  Stelle  Knorpel  an.  Dieser  nimmt  seinen  Ursprung 
von  einer  stärkeren  Zellenanhäufung  der  skeletoblastischen  Schicht  in 
einer  Gegend  derselben,  die  der  Grenze  zweier  benachbarter  Wirbel 
—  also    der    Mitte    eines    ursprünglichen    Ursegmentes  —  entspricht 


492 


H.  Schauinsland, 


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Fig.  281  a  und  b.  Zwei  horizontale  Längsschnitte  durch  die  Wirbelsäule  im 
vorderen  Schwanzabschnitt  einer  22  mm  langen  Larve  von  Salamandra  macu- 
lata  bei  85-maliger  Vergrößerung.  Schnitt  Fig.  281a  trifft,  da  er  durch  das  Kucken- 
mark in  der  Höhe  der  Spinalganglien  gelegt  worden  ist,  nur  die  oberen  Bogen ; 
Schnitt  Fig  281b  ist  fast  ein  Medianschnitt  durch  die  Chorda  und  trifft  daher  mit 
einer  Ausnahme  (ob)  die  Bögen  nicht  (vergl.  Fig.  280a);  er  ist  am  kranialen  Ende 
etwas  mehr  dorsal  geführt  wie  am  kaudalen.  ob  obere  Bögen,  ms  Myosepten;  setzen 
sich  an  den  kaudalen  Rand  der  oberen  Bögen  (Fig.  281a).  isg  Intersegmentalgefaße. 
k  knöcherner  Doppelkegel  des  Wirbelkörpers,  iv  intervertebraler  Knorpel  im  Begritt, 
kranial-  und  kaudalwärts  zwischen  Knochen  und  Chordascheide  vorzudringen.  Sieht 
man  Myosepten  und  Intersegmentalgefaße  als  die  Grenzen  der  ursprünglichen  Ur- 
segmente  an,  so  alternieren  diese  mit  den  Wirbeln.  Die  Wirbelenden  entsprechen 
der  Mitte  der  Ursegmente,  und  die  Grenzen  der  Ursegmente  —  die  Myosepten — 
hegen  der  Mitte  des  definitiven  Wirbels  gegenüber.  Die  Bögen  sind  gemäß  ihrer 
Lage  und  der  bis  dahin  gebrauchten  Nomenklatur  als  kaudale  —  in  Bezug  auf 
die  Ursegmenthälften  —  zu  bezeichnen,  ch  Chorda,  chsch  Chordascheide  (elastische 
und  Faserscheide  erscheinen  bei  dieser  Vergrößerung  nicht  als  gesonderte  Schichten). 
Ji  Rückenmark,  g  Spinalganglion,  spn  Spinalnerv,  b  perichordales  Bindegewebe, 
dessen  innerste  Lage  als  skelettbildende  Schicht  zu  bezeichnen  ist.  m  Muskeln 
(Myomeren).     Der  Pfeil  zeigt  kranialwärts  (er). 


I 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  493 


(Fig.  281b)  und  den  man  daher  meistens  als  Intervertebral- 
knorpel  (Gegenbaur)  bezeichnet.  Während  die  Knorpel  der  oberen 
und  unteren  Bögen  weit  voneinander  getrennt   sind  (Fig.  280  a),    um- 


Chordascheide    ringförmig    in    g  e  - 
und   breitet   sich  allmählich  kranial 


giebt  der  „intervertebrale"  die 
s  c  h  1 0  s  s  e  n  e  r  Lage  (Fig.  280  b) 
und  kaudal  —  also 
von  den  Wirbelenden 
zweier  Wirbel  nach 
ihrer  Mitte  hin  — 
weiter  aus  (Fig.  281  b 
u.  283). 

Fig.  282.  Horizon- 
taler Medianschnitt  durch 
die   Wirbelsäule   aus    der 

mittleren  Rumpfregion 
eines  16mm  langen  Tri- 
ton. Vergr.  85  mal.  Der 
Schnitt  ist  am  kranialen 
Ende  (er)  mehr  dorsalwärts 
geführt  worden  wie  am 
kaudalen.  ch  Chorda,  durch 
den  intervertebralen  Knor- 
pel intervertebral  einge- 
schnürt, chsch  Chorda- 
scheide, iv  Intervertebral- 
knorpel,  der  zur  Bildung 
eines  Gelenkes,  einer  kau- 
dalen Pfanne  und  eines 
kranialen  Kopfes  (opistho- 
cöle  Wirbel)  verwendet  ist. 
Da  der  Schnitt  absichtlich 
etwas  schräg  geführt  ist, 
sieht  man  an  seinem  vor- 
deren Ende  den  Gelenk- 
kopf vollständig,  am  hin- 
teren jedoch  von  der  Chor- 
da durchbohrt.  iv  der 
zwischen  Chordascheide 
und  dem  knöchernen 
Doppelkegel  des  Wirbel- 
körpers [k)  hineinge- 
wucherte  intervertebrale 
Knorpel,  m  Muskeln,  ms 
Myoseptum.  isg  Interseg- 
mentalgefäße.  ob  Basis  der 
oberen  Bögen.  r  Rippe. 
k^  ein  von  der  Rippe 
nach  dem  vorderen  Wirbel- 
ende ziehender,  sekundär 
gebildeter  Knochen.  sp7i 
Spinalnerv. 

Bevor  sich  jedoch  diese  Vorgänge  vollziehen,  ist  bereits  Knochen 
an  dem  Wirbel  aufgetreten,  und  zwar  erscheint  dieser  außerordentlich 
frühzeitig.  Ueber  die  ersten  Phasen  seines  Entstehens  liegen  ganz 
genaue  Angaben  bis  jetzt  noch  nicht  vor.  Es  läßt  sich  daher  nicht 
mit  Bestimmtheit  sagen,  ob  er  sich  etwa  getrennt  auf  den  Basen 
der  oberen  und  unteren  Bögen  anlegt,  um  erst  später  zusammen- 
zufließen —  wie  bei  den  Knochenganoiden  —  oder  ob  er  zunächst 
zwischen  den  dorsalen  und  ventralen  Bögen  in  dem  Bindegewebe 
der    skeletoblastischen    Schicht    ganz    ohne    Zusammenhang   mit    dem 


494 


H.  Schauinsland, 


Knorpel  entsteht,  oder  endlich,  ob  er  sich  aus  zwei  getrennten,  an 
der  vorderen  und  hinteren  Hälfte  des  Wirbels  auftretenden  und  später 
erst  sich  vereinigenden  Verknöcherungszentren  bildet.  Wirklich  be- 
obachtet ist  es,  daß  er  in  den  mittleren  Partieen  des  Wirbels  zuerst 
erscheint,  von  hier  sich  rasch,  namentlich  nach  den  Wirbelenden  hin, 
ausbreitet  und  dann  eine  dünne,  z  eilen  lose  Knochenhülse  darstellt, 
die  anfangs  schwach,  später  jedoch  immer  deutlicher  die  Gestalt  eines 
Doppelkegels  aufweist  (Fig.  281,  282,  283,  284,  287). 


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--  isfi 
--  chkn 

—  k 

—  i'lisch 
—spn 


Fig.  283.  Horizontaler  Längsschnitt  durch  die  Wirbelsäule  aus  dem  vorderen 
Schwan zabsehnitt  eines  50  mm  langen  Siredon  bei  60-maliger  Vergrößerung,  k 
knöcherner  Doppelkegel  des  Wirbelkörpers,  ch  Chorda,  chsch  Chordascheide,  chkii 
Chordaknorpel,  iv  Intervertebralknorpel.  m  Muskeln,  ms  Myoseptum.  isg  Inter- 
segmentalgefäße.    spn  Spinalnerv. 

Er  wurde,  wie  bereits  erwähnt,  von  Hasse  (1892)  als  ein  Teil 
der  Chordascheide  angesehen  und  als  Cuticula  sceleti  bezeichnet,  worin 
ihm  FiELD  (1895)  folgte,  während  Kapelkin  (1900)  ihn  skeletogene 
Scheide  nannte. 

Später  wird  der  anfangs  äußerst  dünne  Knochen  sowohl  am  Wir- 
belkörper als  auch  an  den  Bögen  durch  sekundäre  Auflagerungen  von 
„Faserknochen"  (Gegenbaur)  oft  beträchtlich  verdickt,  wobei  er  dann 
auch  zellh altig  wird,   indem  die  ursprünglichen  Zellen  des  skeleto- 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  495 

blastischen  Bindegewebes  zu  Knoclieuzellen  werden.  Ebenfalls  findet 
eine  starke  Vergrößerung  auch  nach  der  Längsrichtung  hin  statt,  und 
zwar  mit  Hilfe  von  Osteoblasten,  die,  ganz  ähnlich  wie  bei  den 
Teleostiern,  gerade  an  den  Enden  der  Knochenkegel  reichlich  vor- 
handen sind.  Sie  gehören  dort  einem  intervertebralen  Faserzellenring 
an  (Gegen baur),  der  die  Enden  zweier  benachbarter  Knochenkegel 
miteinander  verbindet  und  als  Interverte  b  ralligament  funk- 
tioniert. 

In  älteren  Tieren  ist  der  Knochen  von  reichlichen  Markgängen 
durchzogen,  die  von  der  Mitte  des  Wirbels  ihren  Ausgang  nehmen 
und  mit  deren  Hilfe  auch  der  im  Wirbel  vorhandene  Knorpel  immer 
mehr  resorbiert  und  durch  Knochen  ersetzt  wird.   — 

Nachdem  wir  einige  der  späteren  Zustände  des  Knochens  gleich 
vorweg  erwähnt  haben,  müssen  wir  wiederum  zu  seinen  jüngsten 
Stadien  zurückkehren.  In  der  Mitte  des  Wirbels  liegt  die  primitive 
Knochenhülse  in  der  Regel  der  Chordascheide  dicht  auf  (Fig.  281b); 
je  weiter  nach  den  Enden  hin,  in  desto  höherem,  Grade  befindet  sich 
zwischen  ihr  und  der  elastischen  Scheide  jedoch  Bindegewebe,  und 
in  dieses  hinein  erstreckt  sich  mit  zunehmendem  Alter  immer  mehr 
der  i  n  t  e  r  V  e  r  t  e  b  r  a  1  e  Knorpel,  der,  wie  es  sich  aus  der  vor- 
angegangenen Schilderung  von  selbst  ergiebt,  nach  außen  hin,  abge- 
sehen von  einer  schmalen  Zone  zwischen  je  zwei  benachbarten  Wirbeln, 
ringsum  von  den  Enden  der  Knochenkegel  umgeben  wird  (Fig.  281  b, 
282,  283).  Jener  Knorpel  ist  es,  der  irrtümlich  mit  der  „Intercuti- 
cularschicht",  d.  h.  der  zellhaltigen  Chordascheide  der  Elasmobranchier 
verglichen  wurde  (Hasse). 

Die  Knochenlamelle  umschließt  nicht  allein  den  größten  Teil  des 
„intervertebralen"  Knorpels,  sondern  sie  erstreckt  sich  allmählich  auch 
immer  mehr  auf  die  knorpeligen  oberen  und  unteren  Bögen  hinauf 
(Fig.  284  a  und  b). 

Bei  den  Urodelen  wird  demnach,  wie  wir  sahen,  der  Wirbel- 
körper  vornehmlich  durch  den  Knochen  gebildet,  die  knorpeligen 
Bogenbasen  beteiligen  sich  an  seinem  Zustandekommen  so  gut  wie 
gar  nicht  (Fig.  280a)  und  der  intervertebrale  Knorpel  nur  an  den 
Wirbelenden  (Fig.  281b,  283).  Von  letzterem  Umstand  abgesehen, 
ähnelt  ein  Urodelenwirbel  in  dieser  Zeit,  namentlich  in  maceriertem 
Zustand,  in  hohem  Grade  dem  amphicölen  Wirbel  vieler  Teleostier. 

Wir  haben  jetzt  nochmals  auf  den  intervertebralen  Knorpel 
und  seine  w^eiteren  Schicksale  zurückzukommen.  Bisher  sahen  wir  ihn 
als  einen  Wulst  zwischen  je  zwei  Wirbeln  liegen  und  sich  von  dort 
aus  mehr  oder  weniger  weit  zwischen  Chordascheide  und  Knochen 
nach  der  Wirbelmitte  hin  erstrecken  (Fig.  283) ;  in  dieser  Form  bleibt 
€r  bei  vielen  Urodelen,  im  besonderen  bei  den  Perennibranchiaten 
dauernd  bestehen  und  vertritt  durch  seine  biegsame  Beschaff"enheit 
die  Stelle  eines  (Jeleukes. 

Bei  anderen  Formen,  so  bei  den  Salamandern  und  Tritonen,  kommt 
«s  zur  wirklichen  Ausbildung  eines  Gelenkes.  Der  Knorpelring 
zwischen  zwei  Wirbeln  zerfällt  in  diesem  Fall  in  zwei  ungleiche  Teile. 
Der  größere  schließt  sich  dem  kranialen  Ende  des  hinteren  Wirbels, 
der  kleinere  dem  kaudalen  des  vorderen  an.  Aus  dem  ersteren  ent- 
wickelt sich  ein  Gelenkkopf,  aus  dem  anderen  eine  Gelenk- 
pfanne (Fig.  282),  und  damit  ist  die  Form  der  o  p  i  s  t  h  o  c  ö  1  e  n 
Wirbel   entstanden.     Wie  Gegenbaur  (1862)  zeigte,   kommt  es  dabei 


496 


H.  Schauinsland, 


aber  trotzdem  nicht  immer  zu  einer  vollständigen  Trennung  des  inter- 
vertebralen  Knorpels,  sondern  Pfanne  und  Gelenkkopf  stehen  meistens 
noch  durch  die  Grundsubstanz  des  sie  bildenden  Knorpels  im  Zu- 
sammenhang. Bei  den  Urodelen  bleibt  demnach  ein  bloßer  Ent- 
wickeln n  g  s  z  u  s  t  a  n  d  des  erst  bei  höheren  Formen  zur  vollständigen 
Ausbildung  gelangenden  Gelenkes  eine  während  des  ganzen  Lebens 
dauernde  Einrichtung. 

Durch  das  Auftreten  eines  intervertebralen  Knorpels  und  das  Vor- 


zug'      O&j       7'd 


Fig.  284  a. 


er  -^ 


spn    k    iv 
(Erklärung  siehe  nebenstehend.) 


handensein  einer  gelenkigen  Verbindung  der  Wirbelkörper  unter- 
scheiden sich  die  Amphibien  sehr  deutlich  von  den  Teleostiern,  ähneln 
darin  aber  Lepidosteus.  In  der  That  dürfte  die  Berechtigung  eines 
direkten  Vergleiches  der  Gelenkbildung  von  Lepidosteus  mit  jener 
vieler  Urodelen  kaum  von  der  Hand  zu  weisen  sein.  Früher,  als  man 
das  Gewebe,  von  dem  der  intervertebrale  Knorpel  der  Amphibien  ab- 
stammt, noch  der  zellhaltigen  knorpeligen  Chordascheide  der  Elasmo- 
branchier  glaubte  an  die  Seite  stellen  zu  können,  war  das  allerdings 
nicht  möglich.     Diese  Schwierigkeit  ist  jetzt  aber  fortgefallen. 

Wir  verglichen  den  intervertebralen  Knorpel  von  Lepidosteus  mit 
den  Bogenstücken  des  kranialen  Wirbels  von  Amia  —  entstanden  au& 
der  kranialen  Hälfte  eines  ursprünglichen  Skierotoms  —  und  ein 
solcher  Vergleich  ist  sehr  wahrscheinlich  auch  bei  den  Amphibien 
möglich,  worauf  wir  weiter  unten  noch  zurückkommen  werden. 

Bezüglich  der  großen  Verschiedenheiten,  welche  in  der  voluminösen 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  nnd  Brustbein.  497 


Ausbildung  des  intervertebralen  Knorpels  sich  in  der  Reihe  der 
Amphibien  bemerkbar  machen,  ist  Gegenbaur  der  Meinung,  daß  der 
Verlust  an  Knorpel  eine  erworbene  Eigentümlichkeit  sei,  und 
nicht  als  Ausgangspunkt  der  Entwickelung  betrachtet  werden  dürfe. 
Demnach  wäre  das  Verhalten  jener  Formen,  bei  denen  der  inter- 
vertebrale  Knorpel  noch  mit  dem  Bogenknorpel  zusammenhängt,  so 
daß  die  Chorda,  wie  bei  den  Anuren,  von  einem  vollständigen  Knorpel- 
belag umgeben  ist,  das  ursprüngliche;  die  Zustände  jedoch,    in  denen 


Fig.  284  b. 


*  er 


Fig.  284  a  und  b.  Drei  Wirbel  aus  der  vorderen  Schwanzregion  eines  50  mm 
langen  Siredon,  von  der  linken  (Fig.  284a)  und  rechten  Seite  gesehen,  nach  einem 
nach  der  Plattenmodelliermethode  angefertigten  Wachsmodell.  Vergr.  53 mal. 
er  kranial.  Das  Modell  dient  hauptsächlich  zur  Demonstration  der  doppelten  Bögen 
und  ihrer  Lage  zu  den  intersegmentalen  Gefäßen  und  Spinalnerven,  isg  intersegmen- 
tale  Gefäße;  ventral  durchbohren  sie  die  unteren  Bogen  und  vereinigen  sich  mit  der 
im  Kaudalkanal  verlaufenden  Aorta,  g  Spinalganglion,  spn  Spinalnerv.  Am  ersten 
Wirbel  auf  Fig.  284a  ist  ein  Stück  des  Nerven  an  einer  Stelle  herausgeschnitten, 
um  das  median  davon  gelegene  Bogenstück  zu  zeigen,  rd  Ramus  dorsalis  des 
Spinalnerven,  dw  dorsale,  vw  ventrale  Wurzel  des  Spinalnerven,  oh  obere  Bögen 
(„kaudale"  in  Bezug  auf  die  ursprüngliche  Sklerotomhälfte).  oö,  „kranialer"  Bogen. 
Man  beachte  die  verschiedenen  Variationen  bei  der  Ausbildung  dieser  knorpeligen 
kleinen  Bogenstücke,  die  teils  gesondert  vom  Hauptbogen  sind,  teils  mit  ihm  zu- 
sammenhängen, teils  noch  in  mehrere  Stücke  zerfallen  können,  nh  untere  Bögen,  an 
denen  ebenfalls  Andeutungen  von  Doppelbildungen  vorhanden  sind,  k  Knochen  des 
Wirbelkörpers ;  derselbe  ist  durch  dunklen  Farbenton  angedeutet  und  d  u  r  c  h  - 
sichtig  gedacht,  so  daß  sowohl  die  von  ihm  bedeckten  knorpehgen  Bogenteile  als 
auch  die  Chordascheide  am  Wirbelkörper  hindurchschimmern.  Man  sieht,  wie  der 
Knochen  sich  dorsal  und  ventral  bereits  auf  die  Bogenbasen  erstreckt,  auf  diesen 
allmählich  ausläuft  und  die  median  von  ihm  gelegenen  knorpeligen,  kaudalen  und 
kranialen  Bogenabschnitte  umwachsen  und  miteinander  vereinigt  hat.  iv  Lage  des 
intervertebralen  Knorpels  (derselbe  konnte  bei  dieser  Ansicht  nicht  näher  dargestellt 
werden)  und  gleichzeitig  die  Grenze  zweier  benachbarter  Wirbel. 

Handbuch  d.-r  Entwickelungslehre.  III.  2.  32 


498  H.  Schauinsland, 

der  intervertebrale  Knorpel  mehr  oder  weniger  reduziert  ist,  nicht 
mehr  mit  den  Bögen  im  Zusammenhang  steht  und  oft  last  nur  noch 
auf  die  Wirbelenden  beschränkt  ist  (was  am  «^^^f  «^^^«1  ^f^^n  Gpnno- 
phionen  und  dann  bei  den  perennibranchiaten  Uro^elen  dei  Fa  istX 
würden  als  die  sekundären  zu  gelten  haben.  Die  Aehiliclkeit  mit 
Teleosüerwirbeln  ist  nach  Gegenbaur  daher  bei  den  Urodelen  nur 
eine  erwo  bene;  der  intervertebrale  Knorpel  der  Amphibien  deutet 
V  elmehr  auf  ein;  ganz  andere  Herkunft  hin,  nämUch  von  den  Ganoiden 
[m  besonderen  von  Lepidosteus,  [wobei  allerdings  zu  berücksichtigen 
ist  daß  ciie  Wirbel  von  Lepidosteus  andererseits  auch  wieder  eme 
naiie  Verwandtschaft   mit   den    Wirbeln   der   Knochenfische   autweisen 

^''Ten'd™  unTnun  den  späteren  Schicksalen  der  Chorda 
zu     so   ist   es  klar,   daß  das  Wachstum  des  intervertebralen  Knorpels 
sehr    o-eeronet   ist,    diese   zu   beeinflussen.     Anfangs    stell     sie    einen 
tleTchnS^fg   starken  Strang   dar;   sobald   dann  die  knorpeligen  Bogen 
?rscS     sind,  und  die  Knochenlamelle  des  Wirbelkörpers  in  ausge- 
sp  od^^^^^^    Weise    die   Gestalt  eines   Doppelkege  s    angenommen    hat 
S   sich   auch   die  Chorda  dieser  Form   an,   indem   sie  sich  an  den 
^   belenden    innerhalb     der    Basis    jedes    Holilkege  s    ausdehnt;    sie 
ist  dann  intervertebral  voluminöser  als  vert^ebral    wo  sie  nament- 
lich in  der  Mitte  jedes  Wirbels  zusammengeschnürt  ersehe  nt  (1^  ig.  2«lb, 
283)      Bei   den  Amphibien   mit  geringer  Entwickelung  des  mterverte- 
brabn   Knorpels    behält    die   Chorda   dauernd    eine    so  che   Gesta 
(z    B    bei  Proteus  und  Menobranchus).    Bei  anderen  jedoch  verhindert 
der   wuchernde   Intervertebralknorpel   die  Chorda   an   einer   s  arkeren 
AusbTdt  mg   an   dieser  Stelle,   im  Gegenteil   schnürt  er   sie  dort  ein, 
fo  daß  s^  ve.tebral  einen  'größeren  Durchmesser  au  weist  als  inter- 
vertebral, was  am  meisten  bei  den  Formen  »f  "^1}^^^,^.  ™  ;f  „^S 
welchen  es  zur  Bildung  eines  Gelenkes  kommt  (Fig.  282)     doch  geht 
Tuch  bei  diesen  die  Chorda  selbst  an  jener  Stelle  nicht  völlig  verloren, 
wie  sie  denn  überhaupt  der  Regel  nach  während   des   ganzen  Lebens 
in  großer  Ausdehnung  erhalten  bleibt. 

^Bei  vMen  Urodelen  kommt  in  späteren  Entwickelungss  adien 
innerhalb  der  Chorda  Knorpel  vor.  Gegenbaur  (1852)  wies 
ihn  nach  bei  Menobranchus,  Siredon,  Menopoma,  Salam an dra  Triton 
Coecilia  und  sprach  auch  die  Ansicht  aus,  ^^^ß  er  autochtho  ne  r 
Natur  sei.  Später  wurde  dieses  bestritten,  und  Lwoff  (1882  sow  e 
Zykoff  (1894)  leiteten  ihn  vom  perichordalen  Gewebe  ab,  indem  sie 
behaupteten,  daß  Zellen,  welche  von  den  B^genbasen  (Lwoff  oder 
von  dem  Intervertebralknorpel  herstammten,  auswandeiten,  du  ch  Oett 
nungen  der  Chordascheide  hineindrängen  die  Chorda  ^erstoiten  d 
durch  Knorpel  ersetzten.  Gadow  schloß  sich  ihnen  an  (1896)  und 
verg  ch  infolgedessen  diesen  Chordaknorpel  sogar  mit  der  knorpel- 
zeiigen  Chordascheide  der  Selachier  und  Dipneusten ;  Urodelen 
besitzen    nach    ihm    ebenso    ein    knorpeliges   Chordacentrum    wie   die 

^'^'' Im  Gegensatz  hierzu  kann  auf  Grund  der  Untersuchungen  von 
FiELD  (1895)  -  bei  Amphiuma  -  v.  Ebner  (1896),  Klaatsch  O.S97), 
Kapelkin  (1900)  und  neuerdings  von  Schauinsland  wohl  mit  Sichei- 
heit  behauptet  werden,  daß  die  alte  GEGENBAUR'sche  Anschauung 
riplitiV  iqt  daß  also  der  Knorpel  aus  der  Umwandlung  der 
ChoiVfzelLn    se%'^     iervoVgeht.     Seine   Entstehung   beginnt 


J 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  499 

in  der  Mitte  jedes  Wirbels,  dort  also,  wo  dieser  am  schmälsten  ist 
und  wo  ihm  gleichzeitig  die  Bögen  aufsitzen.  Sie  nimmt  ihren  Anfang 
an  der  Peripherie  in  den  protoplasmatischen  Zellen  des  Chordaepithels 
und  schreitet  von  dort  centralwärts  weiter,  das  typische  Chordagewebe 
immer  mehr  verdrängend,  so  daß  schließlich  an  dieser  Stelle  ein  voll- 
ständiges Knorpelseptum  gebildet  wird  (Fig.  283),  das  nach  außen 
hin  noch  von  der  völlig  intakten,  undurchbrochenen  Chordascheide 
umgeben  ist.  Wie  es  scheint,  sind  es  vornehmlich  die  indifferenten, 
noch  nicht  vakuolisierten  Chordazellen,  die  sich  in  Knorpelzellen  um- 
wandeln (v.  Ebner,  Klaatsch). 

Uebrigens  findet  auch  am  äußersten  Schwanzende  eine  vollständige 
Verknorpelung  der  Chorda  statt.  Hier  nämlich  kommt  es  in  ihrem 
Gewebe  überhaupt  nicht  zur  Vakuolenbildung,  sondern  die  Zellen 
bleiben  dauernd  protoplasmatisch  und  stellen  einen,  auch  schon  bei 
den  vorhergehenden  Wirbeltierabteilungen  erwähnten  Chordastab 
(Barfurth,  V.  Schmidt  1893)  dar,  der  allmählich  knorpelige  Be- 
schaffenheit annimmt  und  sich  später  an  seinem  vorderen  Ende  in 
mehrere  Segmente  gliedert.  — 

Zum  Schluß  haben  wir  noch  einen  Blick  auf  die  Beziehungen 
der  Wirbelsäule  zu  den  ursprünglichen  U r  s e g m  e n  t e n  , 
den  Gefäßen  und  Nerven  zu  werfen  (Schauinsland).  Be- 
trachten wir  wiederum  die  Grenzen  je  zweier  Myotonie,  d.  h.  die  trans- 
versalen Myosepten  und  die  sich,  namentlich  im  Schwanz,  oft  in  diesen 
noch  vorfindenden  intersegmentalen  Blutgefäße,  wie  sie  sich  in  ver- 
hältnismäßig jungen  Stadien  darstellen,  als  die  Grenzen  der  ehe- 
maligen Ursegmente  und  Skierotome,  so  finden  wir,  daß  die  Enden 
der  definitiven  Wirbel  fast  genau  in  der  Mitte  eines  solchen  Seg- 
mentes gelegen  sind  (Fig.  281 — 284);  außerdem  sehen  wir.  daß  sich 
die  Myosepten  überwiegend  an  dem  kaudalen  Rand  der  Wirbelbögen 
anheften  (Fig.  281  a).  Aus  alledem  können  wir  den  Schluß  ziehen, 
daß  die  Wirbelbögen  den  ehemaligen  kaudalen  Skierotomabschnitten 
zu  vergleichen  sind  und  den  bei  den  Fischen,  namentlich  den  Cyclo- 
stomen,  Selachiern  und  Ganoiden  von  uns  ebenfalls  als  kaudale  Bogeu- 
stücke  bezeichneten  Teilen  entsprechen.  Der  kaudal  von  den  Bögen 
liegende  Abschnitt  des  bleibenden  Wirbels,  zu  dem  vor  allem  auch  ein 
großer  Teil  des  intervertebralen  Knorpels  gehört,  ist  dagegen,  wie  bereits 
oben  bemerkt,  aus  dem  kranialen  Skierotomabschnitt  entstanden  zu 
denken.  Zu  ähnlichen  Ergebnissen  gelangt  auch  Gadow  (1896),  der 
die  Bögen  den  „Basidor sahen"  und  „Basiventralien",  den  Interverte- 
bralknorpel  (den  er  sogar  aus  4,  2  dorsalen  und  2  ventralen,  kleinen, 
anfangs  getrennten,  bald  aber  verschmelzenden  Bogenstückchen  ent- 
standen beschreibt)  den  Interdorsalien  und  Interventralien  der  übrigen 
Anamnier  vergleicht.  Allerdings  kommt  er  auch  hier  wieder  ent- 
sprechend seiner  prinzipiellen  —  bei  den  Squahden  geschilderten  — 
Auffassung  zu  dem  Schluß,  daß  der  durch  das  Zusammenfließen  der 
Interventralia  gebildete  untere  Halbring  des  Intervertebralknorpels 
nicht  mit  dem  dazugehörigen  oberen  (aus  den  Interdorsalien  ent- 
standenen) Halbring  sich  vereinigt,  sondern  mit  dem  nächst  vor- 
hergehenden. Diese  Behauptung  läßt  sich  jedoch  durch  nichts 
beweisen. 

Da  der  Intervertebralknorpel  übrigens  erst  verhältnismäßig  spät 
auftritt  und  nicht  nur  für  einen  Wirbel,  sondern  für  die  gelenkige 
Verbindung  je   zwei  benachbarter  Wirbel  Verwendung  findet,   so  läßt 

32* 


500 


H.  Schauinsland, 


es  sich  nicht  mit  Bestimmtheit  sagen,  wie  weit  er  zum  kranialen 
Skierotomabschnitt  zu  rechnen  und  was  von  ihm  dem  kaudalen  zu- 
zuzählen ist  (Fig.  281,  282,  283).  Es  sind  das  dieselben  Erwägungen, 
die  von  uns  auch  bei  Lepidosteus  angestellt  wurden.  Jedenfalls  aber 
ist  es  klar,  daß  ebenso  wie  bei  jenem  Knochenganoiden,  auch  bei  den 
Amphibien  die  Metamerie  der  Wirbelsäule  nicht  derjenigen  der  Ur- 
segmente  entspricht,  und  daß  die  Schwanzwirbel  nicht  aus  einem 
Skierotom,  sondern  aus  den  Hälften  je  zwei  benachbarter  entstanden 
sind,  woraus  sich  ergiebt,  daß  sie  mit  den  ursprünglichen  Ursegmenten 

und  den  späteren  Myotonien 
alternieren  müssen.  Es 
ist  dabei  nicht  nötig,  an  eine 
Konkrescenz  je  zweier 
völlig  getrennt  voneinander 
angelegten  Wirbelhälften,  wie 
bei  Amia,  zu  denken.  Eine 
solche  exakte  Sonderung  und 
nachträgliche  Verschmelzung 
tritt  während  der  Ontogenese 
nicht  mehr  ein,  aber  trotzdem 
bleibt  es  gerechtfertigt,  die  hier 


JP" 
O^-^ 


Fig.  285.  Querschnitt  durch 
die  Rumpfwirbelsäule  einer  60  mm 
langen  Larve  von  Xenopus  ca- 
p  e  n  s  i  s.  Vergr.  32  mal.  ch  Chorda. 
chsch  Chordascheide,  ob  obere  knor- 
pelige Bögen,  an  ihrem  dorsalen 
Ende  bereits  verkalkt.  hk  hypo- 
chordaler  Knorpel,  h  perichordales 
Bindegewebe,  scb  innere  scheiden- 
artige Schicht  derselben  —  skeleto- 
blastische  Schicht,  nsp  Nervus  spi- 
naUs.     m  Muskeln. 


von  Anfang  an  vereinigten  Komponenten  der  W^irbel  mit  den  bei 
Amia  etc.  noch  getrennten  direkt  zu  vergleichen. 

In  Bezug  hierauf  ist  es  jedenfalls  auch  von  nicht  unbedeutendem 
Interesse,  daß  neuerdings  (Schauinsland)  —  nachdem  Goette  (1897) 
bereits  die  Bemerkung  gemacht  hatte,  daß  der  Bogen  des  ersten  Wirbels 
von  Salamandra  sich  aus  zwei  Knorpelspangen  zusammensetze  —  in 
der  Schwanz  Wirbelsäule  einiger  Urodelen,  namentlich  Siredon  (Fig.  284  a 
und  b)  doppelte  knorpelige  Bögen  nachgewiesen  worden  sind. 
Kaudalwärts  von  den  großen  oberen  Bögen  finden  sich  mehr  oder 
weniger  umfangreiche,  oft  bereits  von  dem  Wirbelkörperknochen  völlig 
umwachsene  Knorpelstücke.  Meistens  sitzen  sie  völlig  getrennt  von 
den  richtigen  Bögen  der  Chordascheide  auf,  bisweilen  stehen  sie  an 
ihrer  Basis  mit  diesen  noch  im  Zusammenhang,  und  manchmal  sind 
sie  mit  jenen  auch  derart  vereinigt,  daß  zwischen  ihnen  nur  eine  Lücke 
bleibt,  (lurch  welche  die  Wurzeln  der  Spinalnerven  heraustreten,  und 
die  dann  durch  das  spinale  Ganglion  zum  größten  Teil  ausgefüllt  ist. 
Die  Abbildungen  zeigen  neben  den  erwähnten  auch  noch  andere 
Variationen. 

An  den  unteren  Bögen  werden  die  Doppelbildungen  in  der 
Regel  nur  durch  mehr  oder  weniger  große  Löcher  innerhalb  des 
Knorpels  angedeutet,  durch  welche  kleine  segmentale  Gefäße  hindurch- 


I 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  501 

treten,  um  sich  mit  den  im  Kaudalkanal  befindlichen  Längsgefäßen  zu 
vereinigen.  Bisweilen  werden  aber  auch  die  unteren  Bögen  in  zwei 
fast  völlig  voneinander  getrennte  Stücke  zerlegt. 

Diese  kleinen  Bogenrudimente  entsprechen  ohne  Zweifel  dem 
kranialen  Bögen  („Intercalarien")  der  Cyclostomen,  Selachier  und 
Ganoiden,   wofür   auch    die  Lage   der  Nerven   und  Blutgefäße  spricht. 

Würde  man  zwischen  den  kleinen  „kranialen"  und  den  großen 
,,kaudalen''  Bögen  —  kranial  und  kaudal  wie  immer  in  Bezug  auf  die 
ehemaligen  Ursegmente  und  nicht  auf  den  fertigen  Wirbel  —  einen 
Schnitt  legen,  so  erhielte  man  zwei  Halb  wir  bei,  die  die  größte 
Aehnlichkeit  mit  dem  kranialen  und  kaudalen  Halbwirbel  im  Schwänze 
von  Amia  haben  würden  (vergl.  Fig.  246,  247). 

Derartige  Halbwirbel  kommen  bei  recenten  Amphibien  nicht  mehr 
vor,  jedoch  finden  sie  sich  bei  ihren  Vorfahren,  den  Stegocephalen. 
Die  nach  dem  embolomeren  Tj'pus  (Cope)  gebauten  Schwanz- 
wirbel derselben  lassen  sich  bei  Berücksichtigung  der  eben  gemachten 
Mitteilungen  und  Erwägungen  und  nach  Kenntnis  der  Entwickelung 
der  Wirbelsäule  von  Amia  sofort  verstehen;  es  sind  Halb  wir  bei, 
die  im  Prinzip  mit  den  Halbwirbeln  von  Amia  übereinstimmen. 

Die  rhachitomen  (Cope)  Wirbel  der  fossilen  Amphibien  werden 
sich  durch  Verschmelzungen  und  Rückbildungen  derartiger  Halbwirbel 
(ähnlich  wie  im  Rumpf  von  Amia)  und  durch  verschiedenartige  diskret 
angelegte  und  auch  später  nicht  miteinander  verschmelzende  Ossi- 
fikationen der  Wirbelkomponenten  —  Bögen  und  Körper  —  erklären 
lassen. 

Eine  neue  Bearbeitung  dieses  Materials,  und  zw^ar  nicht  allein 
vom  Standpunkt  der  systematischen  Paläontologie  aus,  wäre  sehr 
erwünscht  ^) ;  wahrscheinlich  ließen  sich  jetzt  die  Widersprüche  in 
den  Arbeiten  der  verschiedenen  Autoren  leichter  begleichen,  nament- 
lich aber  auch  die  teilweise  recht  konfuse  Synonymik  klären. 

Unsere  Aufgabe  ist  es  hier  nicht,  dieses  Gebiet  weiter  zu  ver- 
folgen. Es  sei  daher  nur,  außer  auf  die  Lehrbücher  für  Paläontologie, 
auf  die  Arbeiten  von  H.  v.  Meyer  (1851,  1858  etc.),  Gaudry  (1878, 
1890),  Cope  (1882,  1886,  1892),  A.  Fritsch  (1883,  1889),  Credner 
(1886,  1889,  1890),  Baur  (1896)  u.  A.,  sowie  auf  die  Abhandlungen 
von  L.  Schmidt  (1892),  H.  Gadow  (1896),  Goette  (1897),  Schauins- 
land (1900)  hingewiesen.  — 

Wenden  wir  uns  nunmehr  den  Äiiuren  zu,  so  wollen  wir  bei 
ihnen  nur  die  bedeutenderen  Abweichungen  von  den  Urodelen  in  Be- 
tracht ziehen.  Zu  solchen  gehört  zunächst  schon  die  Ausbildung  der 
skeletoblas tischen  Schicht,  die  namentlich  um  die  Chorda 
herum  in  stärkerer  Entwickelung  und  regelmäßigerer  („scheidenartiger") 
Anordnung  vorhanden  ist  als  bei  den  Urodelen  (Fig.  279).  In  Ueber- 
einstimmung  damit  ist  auch  der  Knorpel  in  reichlicherem  Maße 
beim  Aufbau  der  Wirbelsäule  beteiligt.  Wenn  aber  von  Duges  u.  A. 
von  einer  vollständigen  Knorpelumlagerung  der  Chorda  berichtet  wird, 
so  ist  das  nur  mit  Beschränkung  richtig.  Die  Knorpelmasse  der  oberen 
Bögen  bleibt  nicht  so  isoliert  wie  bei  den  Urodelen,  sondern  nach 
dem  Erscheinen    der  Bögen    werden   ihre  Basen    rasch  mit  denen  der 


1)  Erfreulicherweise  ist  hiermit  in  neuester  Zeit  wirklich  begonnen  worden; 
vergl.  O.  Jaekel,  lieber  die  Bildung  der  ersten  Halswirbel  und  die  Wirbelbildung 
im  allgemeinen,   im  Juli-Protokoll  der  Deutschen  Geolog.  Gesellsch.,  Bd.  LVI,  1904 


502  H.  Schauinsland, 

Nachbarn  ebenfalls  durch  Knorpel  verbunden,  so  daß  in  diesem 
Stadium  sich  dann  auf  der  dorsalen  Seite  der  Chorda  ein  rechter 
und  linker  kontinuierlicher  Knorpelstreifen  der  Länge  nach  er- 
streckt; von  ihm  aus  erheben  sich  in  regelmäßiger  Folge  die  Bögen 
und  umfassen  das  Rückenmark,  ohne  sich  übrigens  dorsal  von  diesem 
mit  denen  der  gegenüberliegenden  Seite  zu  vereinigen.  Abgesehen 
von  den  Bögen,  wird  je  ein  Wirbel  noch  dadurch  bezeichnet  und  von 
dem  anderen  abgegrenzt,  daß  sich  an  der  Stelle,  wo  sich  später  eine 
gelenkige  Verbindung  herstellen  wird,  auf  dem  Knorpel  eine  Ring- 
faserschicht bemerkbar  macht,  die  künftig  als  Intervertebral- 
ligament  funktionieren  wird  (Gegenbaur). 

Später  verbinden  sich  auch  die  beiden  seitlichen  Knorpelstreifen 
miteinander  unterhalb  des  Rückenmarkes. 

Während  sich  diese  Vorgänge  an  der  Dorsalseite  der  Chorda  ab- 
spielen, hat  sich  an  der  ventralen,  innerhalb  der  skeletoblastischen 
Schicht  ein  stärkerer  Bindegewebsstrang  ausgebildet,  und  in  diesem  er- 
scheinen in  metamerer  Anordnung  (Gadow  1901)  un  paare  Knorpel- 
herde, die  jedoch  bald  zusammenfließen  und  dann  ein  ebenfalls  un- 
paares  ventrales  Knorpelband  darstellen,  das  sich  der  ganzen 
Länge  der  Wirbelsäule  entlang  erstreckt  (Fig.  285). 

Man  hat  hin  und  wieder  Zweifel  darüber  ausgesprochen,  ob  dieser 
Knorpelstreif  —  Basalkn  orpel,  hypochordaler  Knorpel 
(Goette)  —  als  untere  Bogenbildung  aufzufassen  ist.  Daß  er  einer 
solchen  wirklich  zuzuzählen  ist,  läßt  sich  aber  wohl  mit  Bestimmtheit 
behaupten.  Wir  trafen  es  ja  schon  bei  den  Telostiern,  daß  in  einzelnen 
Fällen,  z.  B.  im  Schwanz  von  Cyclopterus  lumpus,  die  unteren  Bögen 
zu  einem  unpaaren  Stück  verschmelzen.  Der  hypochordale  Anuren- 
knorpel  entspricht  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  aber  nicht  den  ge- 
samten unteren  Bögen,  sondern  nur  Teilstücken  derselben,  den  sog. 
Hämalfortsätzen  (Schauinsland).  Bei  den  Selachiern  und  den  Gano- 
iden  (vergl.  Fig.  213,  238,  239)  kann  sich  der  untere  Bogen  in  eine 
ventrale  und  eine  dorsale  Partie  sondern,  die  durch  eine  dünne 
Knorpellage  noch  miteinander  verbunden  oder  auch  bereits  völlig  ge- 
trennt sein  können.  Die  erstere  bleibt  in  der  Nähe  der  Aorta  und 
umgiebt  sie,  die  andere  rückt  dorsal  empor,  selbst  bis  zur  Verbindung 
mit  den  oberen  Bögen,  und  gliedert  sich  in  einen  basalen  Teil  (Basal- 
stumpf)  und  Rippe. 

Dasselbe  ist  wohl  auch  bei  den  Anuren  geschehen.  Die  Haupt- 
masse der  unteren  Bögen  verschob  sich  weit  dorsal  bis  zu  den  dor- 
salen Bögen;  sie  wurde  zu  einem  „Querfortsatz"  derselben  und  trägt 
die  Rippe,  während  die  ventralen  Teile  nicht  nur  an  ihrem  Platze 
blieben,  sondern  auch  zu  einem  unpaaren  Stück  verschmolzen.  Eine 
Furche  oberhalb  der  Aorta,  die  sich  bisweilen  im  hypochordalen 
Knorpel  findet  (Fig.  285),  könnte  vielleicht  noch  als  Hinweis  auf  diese 
Verschmelzung  aufgefaßt  werden. 

Der  hypochordale  Knorpel  hängt  mit  dem  dorsalen  nicht  zu- 
sammen, sondern  wird  mit  diesem  nur  durch  das  Bindegewebe  der 
skelettbildenden  Schicht  —  in  dem  sie  beide  ja  entstanden  sind  —  ver- 
einigt (Fig.  285),  sowie  durch  den  bald  in  jenem  auftretenden  Knochen, 
der  sich  rasch  sowohl  auf  die  knorpelfreien  als  auch  die  knorpeligen 
Teile  des  Wirbels  ausbreitet,  zusammengefaßt.  An  dieser  Stelle,  vor- 
nehmlich unterhalb  der  Bögen,  ist  die  Chorda  also  nicht  vollständig 
von  Knorpel  umgeben.    Andererseits  beginnt  schon  früher,   als  die 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  503 

eben  erwähnten  Vorgänge  —  Bildung  des  ventralen  Knorpelstreifens 
und  Auftreten  des  Knochens  —  stattfinden,  von  der  dorsalen  Knorpel- 
masse aus  die  Partie,  welche  unmittelbar  kaudal  von  den  Bögen  liegt, 
die  also  dem  Intervertebralknorpel  der  Urodelen  entspricht  und  daher 
überwiegend  wohl  dem  kranialen  Skierotomabschnitt  (Interdorsalia, 
Gadow)  zuzuzählen  ist,  zu  wuchern  an  und  umwächst  die  Chorda 
vollständig,  sie  allmählich  immer  mehr  zusammendrängend  und 
einschnürend.  Bei  Rana  wird  die  Chorda  dabei  mehr  seitlich  zu- 
sammengedrückt, so  daß  sie  schließlich  nur  ein  ganz  dünnes,  zur 
Längsachse  senkrecht  stehendes  Band  darstellt.  Bei  Bufo  und  Hyla 
dagegen  wächst  der  Knorpel  in  derselben  Weise  wie  sich  vergrößernde 
Bogenbasen  mehr  von  oben  nach  unten  und  innen,  so  daß  der  Chorda- 
rest eine  mehr  dreieckige  Gestalt  annimmt,  deren  Spitze  dorsal  ge- 
richtet ist. 

Innerhalb  dieses  intervertebralen  Knorpels  entwickelt  sich  das 
Gelenk,  das  eine  vollkommenere  Form  annimmt  als  bei  den  Urodelen, 
da  wirklich  eine  vollständige  Tren  nun  g  stattfindet  zwischen  Gelenk- 
kopf und  Gelenkpfanne.  Meistens  fügt  sich  der  vordere  größere  Teil 
des  Knorpels  dem  je  vorhergehenden  Wirbel  an  und  bildet  an 
seinem  kaudalen  Ende  einen  Gelenkkopf,  während  der  andere  an 
dem  nächst  hinteren  Wirbel  dicht  vor  den  oberen  Bögen  eine  Gelenk- 
pfanne entstehen  läßt.  Die  Anurenwirbel  sind  demnach  in  der  Regel 
p  r  0  c  ö  1.  Doch  finden  sich  in  manchen  Formen  (Agiossa,  Disco- 
glossiden  und  einige  Pelobatiden)  auch  opisthocöle  Wirbel,  wie  bei  den 
Urodelen.  Es  kommen  aber  auch  bei  den  procölen  Typen  einzelne 
Wirbel  mit  zwei  Gelenkpfannen  (bikonvexe)  oder  zwei  Gelenkköpfen 
(bikonkave)  vor,  und  daher  kann  man  es  sich  wohl  vorstellen,  daß  die 
Gestaltung  von  pro-  oder  opisthocölen  WMrbeln  nur  davon  abhängt, 
ob  der  den  Gelenkkopf  liefernde  Knorpelteil  zufällig  mit  dem  vorderen 
oder  dem  hinteren  Ende  eines  Wirbels  verschmilzt  (Gadow  1901). 

Der  Knochen  greift  auch  allmähHch  auf  den  intervertebralen 
Knorpel  und  das  Gelenk  selbst  herüber.  Hierbei  ist  es  von  nicht 
unbedeutendem  Interesse,  daß,  wie  Boulenger  (mitgeteilt  von  Gadow 
(1901)  beobachtete,  bei  einzelnen  alten  Individuen  von  Pelobates  der 
Knochen  auf  dem  intervertebralen  Knorpel  getrennt  auftritt  und 
nicht  mit  dem  übrigen  knöchernen  Wirbelkörper  verschmilzt,  daß  also 
je  zwei  Halbwirbel  angedeutet  sind. 

Während  die  Chorda  am  Anfang  der  Gelenkbildung,  Kopf  und 
Pfanne  noch  durchsetzt,  ja  sie  zuerst  fast  in  zwei  Hälften  teilt,  wird 
sie  später  dort  so  vollkommen  verdrängt,  daß  kaum  mehr  eine  Spur 
von  ihr  zu  finden  ist.  In  dem  übrigen  Teil  des  Wirbelkörpers, 
namentlich  also  da,  wo  der  Knochen  schon  in  ganz  früher  Zeit  er- 
schien, bleibt  sie  lange,  bei  Rana  sogar  das  ganze  Leben  hindurch 
erhalten,  während  sie  bei  alten  Exemplaren  von  Bufo  und  Hyla  auch 
hier  verschwindet  und  durch  verkakltes  oder  verknöchertes  Gewebe  er- 
setzt wird.  Der  bei  den  Urodelen  in  der  Mitte  des  Wirbels,  wo  die 
Spitzen  der  beiden  knöchernen  Doppelkegel  zusammenstoßen,  so  charakte- 
ristisch ausgebildete  Chordaknorpel  fehlt  den  Anuren,  deren 
Wirbel,  nebenbei  bemerkt,  auch  nie  die  stundenglasförmige  Gestalt 
besitzen,  vollständig. 

Bei  der  bis  jetzt  betrachteten  Entwickelungweise  der  Anuren- 
wirbelsäule  spielt  die  Chorda  bis  in  die  spätesten  Stadien  hinein  eine 
nicht  unbeträchtliche  Rolle,  und  die  aus  dem  skelettbildenden  Gewebe 
sich   entwickelnden  Bestandteile   des   fertigen  Wirbels  bauen  sich  um 


504 


H.  Schauinsland, 


die  Chorda  herum  auf.  Gegenbaur  nannte  diesen  Wirbeltypus,  der 
charakteristisch  ist  für  Rana,  Bufo,  Hyla  etc.,  daher  auch  den  peri- 
chordalen.  Schon  bei  diesem  fiel  das  Hauptgewicht  bei  der  Wirbel- 
bildung den  dorsalen,  knorpeligen  Elementen  zu;  aber  in  noch  viel 
höherem  Grade  ist  das  bei  dem  epichordalen  (Gegenbaur)  Typus 
(Notocentra,  Gadow)  der  Fall,  nach  welchem  die  Wirbelsäule  von  Pipa, 
Xenopus,  Bombinator,  Pelobates,  Discoglossus,  Alytes   etc.  gebaut  ist. 


NOÖ 


wk  hk 


e 
E 


I oh 


ob 


—  hk 


ch  hk 

Fig.  286  a — e.  Querschnitte  durch  die  Wirbelsäule  einer  15  mm  langen  Larve 
von  Pipa.  Fig.  286a  durch  die  mittlere,  Fig.  286  b  durch  die  hintere  Rumpfgegend, 
Fig.  286  c,  d,  e  durch  das  Steißbein.  Fig.  286  a  ist  der  am  weitsten  kranial,  Fig.  286  e 
der  am  weitesten  kaudal  gelegene  Schnitt.  Fig.  286a,  b  45mal,  Fig.  286c,  d,  e  60mal 
vergrößert,  oh  obere  Bögen,  hk  hypochordaler  Knorpel,  ch  Chorda  (in  Rück- 
bildung). R  Medullarkanal.  wk  Wirbelkörper,  eine  Platte  darstellend,  die  nur  durch 
die  verschmolzenen  Basen  der  oberen  Bögen  gebildet  wird  (epichordaler  Typus).  Die 
dem  Knorpel  bereits  vielfach  aufliegenden  Knochenscherben  sind  durch  einen  tief- 
dunklen Farbenton  angedeutet. 

Allerdings  sind  die  beiden  Bildungsarten  durch  Uebergänge  miteinander 
verknüpft.  So  findet  sich  bei  Xenopus  (Ridewood  1897,  Schau- 
insland) der  hypodordale  Knorpel  in  der  ganzen  Ausdehnung  der 
Wirbelsäule,  ja  an  dem  ersten  Wirbel  vereinigt  er  sich  sogar  mit  dem 
von  den  oberen  Bögen  stammenden  Knorpel,  so  daß  die  Chorda  hier 
noch  völlig  von  ihm  eingeschlossen  wird ;  bei  anderen  wird  er  in  der 
Rumpfregion  aber  gänzlich  unterdrückt  und  durch  Bandmasse  ersetzt, 
so  daß  er  allein  nur  noch  am  Urostyl  (siehe  weiter  unten)  vorkommt. 
Mag  dem  aber  sein,  wie  ihm  wolle,  für  die  ganze  Formenreihe  ist 
es  charakteristisch,  daß  die  Chorda  in  früheren  oder  späteren  Stadien 
gänzlich  rückgebildet  und  von  dem  fertigen  Wirbel  völlig  ausgeschaltet 
wird.  Sie  ist  anfangs  zwar  wie  gewöhnlich  von  der  Chordascheide 
und  auch  von  einer  mehr  oder  minder  dicken  skeletoblastischen  Schicht 
seitlich  und  ventral  umgeben,  bald  aber  haftet  sie  der  dorsalen  Knorpel- 
masse nur  wie  ein  loses  Band  noch  an,  verschwindet  dann  aber  ganz, 
und  die  geringen  Reste  des  sie  noch  umgebenden  Bindegewebes  oder 
Knorpels  werden  dem  dorsalen  Wirbelteil  zugefügt  (vergl.  Fig.  286a— e). 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  505 

Die  Wirbel  und  die  Gelenke  werden  daher  so  gut  wie  ausschließ- 
lich nur  aus  dem  anfangs  an  der  oberen  Seite  der  Chorda  ent- 
standenen Knorpel  gebildet.  Die  Wirbelkörper  stellen  meistens  breite 
Platten  dar  (Fig.  286  a,  b,  292),  von  denen  sich  die  Bögen  erheben. 
Die  Verknöcherung  beginnt  bei  ihnen  von  zwei  (!)  Centren  aus, 
von  denen  das  eine  an  dem  vorderen,  das  andere  an  dem  hinteren 
Ende  der  Wirbelkörperplatte  gelegen  ist. 

Schließlich  haben  wir  noch  die  Entwickelung  des  Steißbeines 
—  Urostyls  oder  Os  coccygis  —  jenes  langen  schwertförmigen 
Knochens  an  dem  distalen  Wirbelsäuleneude  zu  betrachten,  die  so- 
wohl bei  den  Formen  mit  perichordaler  als  auch  bei  denen  mit  epichor- 
daler  Wirbelsäule  in  derselben  Weise  verläuft  (Duges,  Gegenbaur, 
Gadow).  Auch  dieser  Teil  des  Axen Skelettes  wird  von  einer  dorsalen 
und  einer  ventralen  Knorpelmasse  gebildet,  die  jedoch  viel  voluminöser 
ist  als  im  Rumpf.  Anfangs  besteht  der  dorsale  Knorpel  noch  aus 
zwei  getrennten  Längsstreifen;  dann  verschmelzen  diese  nicht  nur 
untereinander,  sondern  auch  mit  dem  ventralen  Knorpel,  so  daß  die 
erst   noch  völlig   intakte  Chorda   ringsum  gänzlich   eingeschlossen  ist. 

Je  weiter  nach  dem  distalen  Ende,  in  desto  höherem  Grade  über- 
wiegt der  ventrale  Knorpel  (Fig.  286c, d,e),  so  daß  der  Urostyl 
schließlich  nur  allein  von  ihm  gebildet  wird.  Innerhalb  des  dorsalen 
verläuft  das  dünne  Medullarrohr,  das  aber  gegen  Ende  des  Larvenlebens 
degeneriert  und  schließlich  völlig  reduziert  wird,  während  der  leere 
Spinalkanal  aber  erhalten  bleibt.  Ebenso  verschwindet  die  Chorda 
samt  ihrer  Scheide,  so  daß  dorsaler  und  ventraler  Knorpel  dann  völlig 
miteinander  verlöten.  An  ihm  lassen  sich  mit  Ausnahme  von  zwei, 
am  vordersten  Ende  des  Urostyls,  die  sich  namentlich  durch  die  ge- 
sonderten oberen  Bögen  als  solche  dokumentieren,  keine  weiteren  ge- 
trennten Wirbel  unterscheiden.  Das  ganze  letzte  Knorpelende  entbehrt, 
abgesehen  von  den  anfänglich  noch  deutlichen  Nervendurchtritten, 
durchaus  einer  metameren  Segmentation.  Dennoch  kann  man  mit  Be- 
stimmtheit sagen,  daß  eine  ganze  Reihe  ursprünglicher  Segmente  zu 
seiner  Bildung  beigetragen  haben  (bei  Bombinator  wahrscheinlich  12 
mit  Einschluß  der  beiden  vorderen  Wirbel,  Gadow). 

Schließlich  erhält  der  Urostylknorpel  an  seiner  Peripherie  einen 
dünnen  Knochenbelag,  der  bereits  beginnt,  wenn  die  Chorda  noch  in- 
takt ist,  und  allmählich  wird  er  in  einen  einheithchen  Knochen  über- 
geführt. 

Das  Axenskelett  des  Schwanzes,  soweit  dieser  später  bei  der 
Metamorphose  der  Larven  zum  ausgebildeten  Tier  resorbiert  wird,  bleibt 
ein  sehr  primitives.  Die  Chorda  stellt  in  ihm  einen  dicken  Stab  mit 
dünner  Scheide  dar,  die  von  Bindegewebe  umgeben  ist,  welches  dorsal 
und  ventral  zur  Umhüllung  des  Rückenmarkes  und  der  Blutgefäße 
stärker  anschwillt  und  festere  Konsistenz  besitzt.  Im  Querschnitt 
zeigen  diese  Verdickungen  die  Form  eines  Dreieckes,  dessen  Spitze 
sich  in  die  dorsale  bezw.  ventrale  Kaudalflosse  hineinerstreckt.  Knorpel 
ist  nie  vorhanden.  — 

Ueber  den  ersten  Wirbel  der  Amphibien,  den  sog.  Atlas,  und 
seine  Entwickelung  sind  die  Ansichten  bis  jetzt  noch  nicht  zur  Ueber- 
einstimmung  gelangt.  Er  besitzt  bei  den  Urodelen  einen  dem  Dens 
des  Epistropheus  der  Amnioten  ähnlichen  zahnartigen  Fortsatz  —  Tuber- 
culum  interglenoidale  Gaupp  —  von  wechselnder  Größe,  der  bei 
Amphiuma  z.  B.  sehr  groß,  bei  Proteus  dagegen  nur  recht  unbedeutend 


506  H.  Schauinsland, 

ist;  bei  den  Anureu  ist  von  ihm  meistens  nur  noch  eine  kleine  Spur 
vorhanden,  den  Gymnophionen  aber  fehlt  er  ganz.  Die  Chorda  durch- 
zieht auch  diesen  Zahnfortsatz  und  wird  in  ihm  in  späteren  Stadien  in 
Chordaknorpel  verwandelt. 

Man  hat  nun  die  Meinung  ausgesprochen,  daß  der  Amphibienatlas 
nicht  einen  einzigen  Wirbel  darstellt,  sondern  daß  der  Wirbel  selbst 
eigentlich  dem  2.  Halswirbel  (Epistropheus)  entspricht  und  der  mit 
ihm  verschmolzene  Zahnfortsatz  erst  als  der  eigentliche  Atlas  zu  deuten 
ist  (C.  K.  Hoffmann). 

Auch  sah  man  den  odontoiden  Fortsatz  als  den  Körper  eines  „Pro- 
atlas"  an  (Cope  1889)  —  dessen  übrigen  Bestandteile  allerdings  nirgends 
zur  Beobachtung  gelangt  sind.  Gadow  wiederum  hält  ihn  für  einen 
besonderen  Wirbelteil,  dessen  dorsalen  Elemente  wahrscheinlich  mit 
den  occipitalen  Partieen  des  Schädels  verschmolzen  sind,  und  gelangt 
zu  diesem  Schluß  namentlich  deswegen,  weil  bei  den  Urodelen  un- 
mittelbar hinter  dem  Hinterhauptsbein  oberhalb  des  Zahnfortsatzes  und 
dicht  vor  dem  Atlas  noch  ein  Spinalnerv  vorhanden  ist  (Nervus  sub- 
occipitalis,  =  Nervus  spinalis  I  =  Nervus  proatlanticus,  Albrecht), 

der  bei  Rana  jedoch 
P^"^^"'  verloren  gegangen  ist, 

prsp ^-^"^  so  daß  der  erste  Spi- 

\  nalnerv   des  Frosches 

p^ai  p         .^  ..^  i„^Sii§  erst  dem  zweiten   der 

Urodelen    oder     Bufo 
entspricht. 

..ob 

Fig.  287.  Ansicht  eines 

vorderen        Rnmpfwirbels 

^^__^,  von  rechts  und  etwas  von 

&.__—...,-_  *?  der  Dorsalseite  her  gesehen 

von    einer   43  mm   langen 

Larve    von    Menobran- 

wk  chus    lateralis.      Nach 


m 


einem    Plattenmodell,     vk 

Wirbelkörper.       ob  oberer 

Bogen,     r  Eippe.  B  Basal- 

]  stumpf,  b  dorsaler  Fortsatz 

I  desselben,  pr.sp.  Processus 

]  spinosus.  f>r.«rt.au.^  Pro- 

/^'^  1  I  cessus  articularis    anterior 

und  posterior.  (Nach  GÖP- 

PERT.) 


^'      , 


Demgegenüber  glaubt  Peter  (1895)  und  mit  ihm  Gegenbaur 
(1898),  daß  der  Amphibienatlas  sicher  allein  aus  einem  Wirbel  ent- 
standen sei.  Bei  der  Bildung  des  Zahnfortsatzes  dehnt  sich  nur  der 
Chordaknorpel  des  ersten  Rumpfwirbels  kranial  aus,  wie  denn  auch 
seine  Verknöcherung  von  diesem  herrührt  und  nicht  selbständig  er- 
folgt. Jedenfalls  aber  ist  der  erste  Wirbel  der  Lurche  nicht  homolog 
dem  Atlas  der  Amnioten  und  besitzt  auch  nur  äuß  ere  Aehnlichkeiten 
mit  dem  zweiten  Wirbel  der  höheren  Tiere.  Der  sog.  Atlas  der 
Amphibien  entspricht  einem  Teil  des  Hinterhauptes  der  Amnioten,  und 
der  Atlas  der  letzteren  kann  nur  erst  dem  dritten  oder  einem  noch 
weiter  kaudalwärts  liegenden  Wirbel  der  Amphibien  gleichgestellt 
werden  (Peter). 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  507 

Durch  die  Ausbildung  eines  atlasartigen  Wirbels  sind  die  Am- 
phibien die  ersten  in  der  Reihe  der  Wirbeltiere,  bei  denen  die  Ver- 
bindung des  Schädels  mit  der  Wirbelsäule  durch  ein  wirkliches  Ge- 
lenk erfolgt. 

Bei  einigen  Anuren,  z.  B.  bei  Ceratophrys,  Breviceps,  Brachy- 
cephalus  (Adolphi),  Pipa,  Xenopus  etc.,  findet  teils  konstant,  teils  aus- 
nahmsweise eine  sekundäre  Verschmelzung  der  beiden  ersten  Runipf- 
wirbel  statt,  so  daß  der  dadurch  entstandene  eine  Wirbel  den  zwei 
gesondert  gebliebenen  der  übrigen  Anurenformen  entspricht.  Bei  Pipa 
scheint  übrigens  diese  Konkrescenz  sich  ontogenetisch  kaum  noch  nach- 
weisen zu  lassen;  wenigstens  zeigt  das  Knorpelstadium  schon  keine 
Spur  mehr  davon  (Ridewood  1897). 

Der  Vollständigkeit  wegen  ist  endlich  noch  zu  erwähnen,  daß  auch 
bei  den  Amphibien  eine  H y p o c h o r d a  oder  Subchorda  vorkommt 
(Fig.  278),  und  daß  sie  gerade  bei  diesen  sehr  sorgfältig  untersucht 
worden  ist  (Stöhr  1895,  Field  1895,  Bergfeldt  1896).  Die  Hypo- 
chorda  ist  nach  Stöhr  bei  Rana  ebenfalls  eutodermalen  Ursprunges 
und  entsteht  aus  einer  Leiste  der  dorsalen  Darmwand.  Man  kann  einen 
Rumpf-  und  einen  Kopfabschnitt  an  ihr  unterscheiden,  von  denen  der 
letztere  sich  später  entwickelt.  Die  Rumpfliypochorda  schnürt  sich, 
vom  Kopf  zum  Schwanz  vorschreitend,  von  der  Darmwand  allmählich 
ab,  doch  so,  daß  anfangs  noch  eine  Anzahl  von  Verbindungsbrücken 
bestehen  bleiben,  die  während  einiger  Zeit  eine  segmentale  Anordnung 
erkennen  lassen.  Dann  treten  Hohlräume  in  der  Hypochorda  auf, 
die  an  einzelneu  Stellen  derart  angeordnet  sind,  daß  sie  aus  kaudal- 
wärts  umgebogenen  Schläuchen  zusammengesetzt  erscheint.  Damit 
ist  der  Höhepunkt  in  der  Entwickelung  erreicht,  die  Verbinduugs- 
brücken  schnüren  sich  von  der  Darmwand  ab,  und  unter  Abplattung 
und  Auseinanderweichen  ihrer  Elemente  bildet  sich  die  Hypochorda 
völlig  zurück.  Bei  Alytes  (Bergfeldt)  vollzieht  sich  die  Entwickelung 
und  Rückbildung  der  Hypochorda  in  den  Grundzügen  ebenso  wie  bei 
Rana,  nur  fehlt  ihr  ein  Lumen,  und  auch  der  Kopfabschnitt  läßt  sich 
nicht  konstant  nachweisen. 

ß-ippen.  Die  Rippen  der  Amphibien  müssen  nach  ihrer  Lagerung 
am  horizontalen  Myoseptum  als  obere  aufgefaßt  werden  und  sind  hierin 
den  oberen  Fischrippen,  im  besonderen  also  namentlich  den  Rippen  der 
Selachier,  homolog.  Während  letztere  jedoch  stets  mit  den  unteren 
Bögen  in  direktem  Zusammenhange  stehen,  ist  dies  bei  den  Amphibien 
und  den  Amnioten  nicht  der  Fall,  da  sie  immer  den  oberen  Bögen 
mit  Hilfe  von  knorpeligen  Querfortsätzen  angefügt  sind.  Sie  machen  da- 
her scheinbar  eine  Ausnahme  von  der  durch  Gegenbaur  aufgestellten 
Regel,  deren  Richtigkeit  auch  wir  bisher  anerkannt  haben,  „daß  die 
Rippen  Differenzierungen  der  unteren  Bögen  sind".  Goette  kam 
daher  zu  dem  Schluß,  daß  „bei  den  Amphibien  die  unteren  Bögen 
den  oberen  homotyp,  beide  aber  den  Rippen  nicht  gleichwertig  sind". 
Die  Rippen  der  Amphibien  und  der  Amnioten  wären  demnach  morpho- 
logisch ganz  andere  Gebilde  wie  die  „Pleuralbögen"  der  Fische  oder 
die  unteren  Bögen  in  der  Schwanzregion  der  höheren  Wirbeltiere. 
Ihre  „Rippen  stellen  keine  selbständigen  Bildungen  dar,  sondern  sie 
wachsen  in  continuo  mit  den  Querfortsätzen  aus  den  oberen 
Bögen  hervor  und  gliedern  sich  erst  später  ab,  können  daher  neben 
unteren  Bögen  bestehen"  (Goette).  In  der  That  finden  sich  am 
Schwanz  der  Urodelen  knorpelige  Querfortsätze,  die  von  den  Neural- 


508 


H.  Schauinsland, 


bögen 
und 


entspringen,    gleichzeitig    mit    den    Hämalbögen    (Fig.  290 

291  b),   wodurch   namentlich  auch  Claus  (1876)  bestimmt  wurde, 

untere  Bögen  und  Rippen  für  völlig  verschiedene  Bildungen  anzusehen. 

Ganz   derselben   Ansicht  waren   auch   Hasse   und   Born  (1879), 

konnten  aber  ebenso  wie  Fick  (1879)  sich  nicht  mit  der  GoETTE'schen 

Anschauung   einverstanden   erklären,   daß   die  Rippen   der  Amphibien 


Fig.  288.  Eumjifwirbel  einer  43  mm  langen  Larve  von  Menobranchus  in 
Flächenprojektion.  ch  Chorda,  oh  oberer  Bogen.  B  Basalstumpf.  b  dorsaler  Fort- 
satz desselben,  r  ßippe.  r^  dorsale  Rippenspange,  l  Ligament  zur  Befestigung 
derselben,  a  Grenze  zwischen  Rippe  und  Basalstumpf.  k  und  k^  Knochengewebe. 
av  Arteria  vertebralis.     (Nach  Göppert.) 

samt  den  Querfortsätzen  als  ein  einheitliches  Ganze  aus  den  oberen 
Bögen  hervorwüchsen,  sondern  behaupteten,  „daß  die  Rippen  nicht 
aus  den  oberen  Bögen  hervorsprossen,  sondern  sich  selbständig 
anlegen  und  entwickeln"  (Fick). 

Daß  Rabl  auch  bei  den  Amphibien  und  Amnioten  die  Selbständig- 
keit der  Rippen  und  ihre  Unabhängigkeit  von  der  Wirbelsäule  be- 
tont, war  schon  bei  den  Selachiern  angeführt  worden.  Dagegen  muß 
hier  noch  die  Auffassung  Eimer's  (1901)  mitgeteilt  werden,  daß  die 
Rippen  als  selbständige  Verknöcherungen  der  zwischen  den  Muskel- 
metameren  gelegenen  Bindegewebsscheidewände  zu  betrachten  seien, 
wodurch  sie  den  (Muskel-) Gräten  der  Fische  entsprächen,  denen  sie 
auch  thatsächlich  homolog  wären.  Sie  stellten  daher  weder  abge- 
gliederte untere  Bögen  oder  abgetrennte  Querfortsätze  dar,  sondern 
gliederten  sich  vielmehr  an  diese  oder  an  die  Wirbelkörper  oder 
auch  an  die  oberen  Bögen  nachträglich  erst  an,  während  sie  in 
anderen  Fällen  wiederum  auch  ganz  frei  bleiben  könnten  (Bauchrippen). 

Knickmeyer  (1891)  lehnt  zwar  ebenfalls  die  GEGENBAUR'sche 
Anschauung  von  der  Differenzierung  der  Rippen  aus  dem  unteren 
Bogensystem  ab,  beweist  aber  durch  eine  sorgfältige  Untersuchung 
bei  Triton,  daß  die  Querfortsätze  zwar  in  Anlehn un  g  an  die  Neural- 
bögen,  aber  doch  unabhängig  von  ihnen  entstehen  (was  durch 
GÖPPERT  bestätigt  wurde) ;  sie  können  demnach  nicht  als  einfache 
Auswüchse  der  oberen  Bögen  betrachtet  werden. 

Wie  man  sieht,  liegt  eine  ganze  Fülle  von  Anschauungen  vor, 
aus  denen  man  aber  doch  nicht  klar  entnehmen  kann,  wie  die  Rippen 
der  Amphibien  abzuleiten  sind,  ob  sie  den  niederen  Wirbeltieren 
gegenüber  als  völlige  Neubildungen  aufgefaßt  werden  müssen,  oder 
ob  sie  doch  an  Zustände  anknüpfen,  die  sich  schon  bei  diesen  finden. 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Eippen  und  Brustbein.  509 


In  Bezug  hierauf  sei  zunächst  daran  erinnert,  daß  wir  bereits  bei 
den  Fischen  vielfach  eine  gewisse  Beweglichkeit  und  Plasticität  der 
unteren  Bögen  antrafen,  die  offenbar  von  der  Muskulatur  und  im 
Rumpf  auch  von  den  Contenta  der  Leibeshöhle  in  Abhängigkeit  war. 
So  konnte  man  ein  allmähliches  Emporsteigen  der  unteren  Bögen  in 
der  Richtung  vom  Schwänze  nach  dem  Kopfe  hin  mitunter  bis  zu  den 
Basen  der  oberen  Bögen  und  selbst  noch  weiter  dorsalwärs  an  diesen 
hinauf  beobachten  (z.  B.  Torpedo ,  Rhodeus ,  Gasterosteus ,  Amia). 
Andererseits  zeigte  sich  aber  auch  die  Fähigkeit  des  unteren  Bogen- 
systems,  in  eine  ventrale  und  eine  dorsale  Partie  zu  zerfallen  (z.  B. 
Laemargus,  Amia). 

Es  ist  demnach  auch  schon  von  vornherein  zu  erwarten,  daß 
solche  Verlagerungen  und  Veränderungen  der  unteren  Bögen  und 
damit  auch  der  genetisch  zu  ihnen  gehörigen  Rippen  ebenfalls  bei 
den  Amphibien  stattfinden  werden. 

Der  Nachweis  hierfür  ist  nun  auch  thatsächlich  von  Göppert  in 
einer  vortrefflichen  Arbeit  (1896)  gebracht  worden,  so  daß  es  nun 
möglich  ist,  die  bei  den  Amphibien  vorkommenden  Verhältnisse  sofort 
an  die  bei  den  Fischen  vorliegenden  einfachen  Zustände  anzuknüpfen. 


Fig.  289. 


Fig.  290. 


ch  B, 


Fig.  289.  Rumpfwirbel  einer  neugeborenen  Larve  von  Salamandramaculosa 
in  Flächenprojektion,  ch  Chorda,  oh  oberer  Bogen,  rt  „Rippen träger",  r  Rippe. 
a  Grenze  zwischen  ihr  und  dem  ßasalstumpf.  r^  dorsale  Rippenspange,  a,  Grenze 
zwischen  ihr  und  dem  Rippenträger,  av  Arteria  vertebralis.  B^  Rest  der  Basis  des 
Basalstumpfes  (ventrale  Portion  des  unteren  Bogens  [Schauinsland]),  ß  Knochen- 
spange an  Stelle  des  proximalen  Teiles  des  Basalstumpfes.     (Nach  Göpreet.) 

Fig.  290.  Zweiter  Schwanzwirbel  einer  23  mm  langen  Triton -Larve  in 
Flächenprojektion,  ob  obere,  üb  untere  Bögen.  Erstere  sind  dorsal  vom  Neuralkanal, 
letztere  ventral  vom  Kaudalkanal  völlig  miteinander  verwachsen,  ch  Chorda,  rt 
„Rippenträger",  av  Arteria  vertebralis.  ß  Knochenspange  an  Stelle  des  proximalen 
Teiles  des  Basalstumpfes.    (Nach  Göppert.) 

Die    Resultate    der    GÖPPERT'schen    Untersuchungen    sind    etwa 

dem 


folgende  (Göppert  1898):  Bei  einem  Vertreter 
Menobranchus  lateralis,  findet  sich  in  frühen 
23  mm)  ventral  vom    oberen  Bogen  (Fig.  287) 


Knorpelstück   vom 
kaudalwärts 


folgt  man 
er    sich 


Wirbelkörper   ausgehend, 
ist.     Sein  laterales  Ende 
sein  Verhalten  gegen  den 
mit   dem    andersseitigen    zu 


gerichtet 


der  U  r  0  d  e  1  e  n , 
Stadien    (Larven    von 
jederseits    ein  starkes 
das  lateral  und  etwas 
trägt  die  Rippe.    Ver- 
Schwanz hin,    so  sieht  man,   daß 
dem    um   den   Kaudalkanal    ge- 


schlossenen unteren  Bogen  (Hämalbogen)  vereinigt ;  die  Ansatzstelle  der 
Rippe  ist  auch  hier  noch  erkennbar  durch  einen  gegen  das  Horizontal- 
septum   gerichteten   Vorsprung.     Jenes    Knorpelstück   verhält 


510 


H.  Schauinsland, 


sich  also  ebenso  wie  der  Basalstumpf  der  Selachier  und 
ist  diesem  auch  ohne  Zweifel  homolog,  wie  denn  auch  die  Rippe 
in  gleicher  Weise  wie  bei  den  Selachiern  am  unteren  Bogen- 
system  Befestigung  findet.  Nur  in  einem  Punkte  beginnt  sich  eine 
Veränderung  anzubahnen.  Vom  dorsalen  Umfang  des  Basalstumpfes 
steigt  nämlich  ein  Gewebsstrang  empor  (Fig.  287,  288),  der  sich  dem 
oberen  Bogen  anlegt,  von  dessen  Knorpel  aber  durch  eine  dünne 
Knochenscheide  getrennt  wird. 

Bei  älteren  Embryonen  (Fig.  288)  hat  sich  dieser  Strang  zu 
Knorpel  weiterentwickelt. 

Vom  Basalstumpf  (Fig.  288)  zieht  demnach  ein  Knorpelstrang 
empor,  der  an  die  Außenfläche  des  oberen  Bogens  herantritt  und  an 
diesem   eine  Strecke  weit  dorsalwärts  entlang  läuft.     An   den  meisten 


pr  art]} 


-p^'  art  a 


^,^ 


oh 


wk 


Fig.  291a.  Ichthyophisglutinosus.  Junge  Larve,  Rumpf wirbel  von 
rechts.  Nach  einem  Plattenmodell,  ob  knorpelige  Anlage  des  obereren  Bogens  und 
seiner  Anhänge,  b  Basalstumpf.  r  Rippe,  r^  dorsale  Eippenspange  am  vorderen  (ie- 
lenkfortsatz  (pr.art.a.)  befestigt.  2)r.  art. p  hinterer  Gelenkfortsatz.  «•^•  Wirbelkörper. 
(Nach  GÖPPERT.) 

Fig.  291b.  Ichthyophis  glutinosus.  Aeltere  Larve.  Zweiter  Wirbel 
hinter  dem  After  Flächenprojektion,  chk  Chordaknorpel.  Der  untere  Bogen  (üb)  trägt 
noch  eine  Rippe  (?•).  a  Grenze  zwischen  Rippe  und  Bogen,  ob  oberer  Bogen,  ck 
Kaudalkanal.    (Nach  Göppert.) 


Stellen  befindet  sich  zwischen  den  beiden  Teilen  eine  Schicht  Knochen- 
gewebe, jedoch  sind  in  dieser  mehrfach  Fenster  vorhanden,  durch  die 
hindurch  ein  Zusammenhang  des  Knorpels  beider  Bildungen  besteht. 
Die  Rippe  ist  nunmehr  an  einem  kompliziert  gebauten  Skelettstück 
befestigt  (Fig.  288),  das  Göppert  als  Rippen  träger  (==  Quer- 
fortsatz des  erwachsenen  Tieres)  bezeichnet;  in  ihm  ist  der  ursprüng- 
liche Basalstumpf  aufgegangen. 

(Man  wird  diese  durch  Göppert  geschilderten  Vorgänge  sehr 
wahrscheinlich  nicht  unpassend  vergleichen  können,  wie  schon  oben 
bemerkt  wurde,  mit  der  bereits  bei  den  Fischen  vorhandenen  Fähig- 
keit des  unteren  Bogensystems,  in  eine  dorsale  und  eine  ventrale  Partie 
zu  zerfallen,  von  denen  die  erste  bis  zu  den  oberen  Bögen  hinauf- 
rücken kann  —  wenn  auch  nicht  so  hoch  wie  bei  den  Amphibien,  bei 
welchen    schon   allein  das   relative  Größenverhältnis  zwischen  Wirbel- 


Die  Eiitwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  511 

körper  und  oberem  Bogen  ein  solches  Wandern  viel  mehr  begünstigt 
—  und  im  Rumpf  die  Rippe  trägt,  während  das  ventrale  viel  unbe- 
deutender bleibt  und  reduzierter  erscheint.  Man  vergleiche  z.  B. 
Fig.  238,  239  mit  Fig.  288  u.  289;  Schauinsland.) 

An  der  Hand  der  bei  Menobranchus  erworbenen  Kenntnisse  läßt 
sich  dann  auch  das  Verhalten  der  Rippen  anderer  Urodelen  verstehen. 
Bei  den  Salamandrinen  (Fig.  289)  ist  der  Anteil  des  Basalstumpfes 
am  Aufbau  des  Rippeuträgers  (rt)  bereits  stark  reduziert,  selbst 
sein  medialer,  am  Wirbelkörper  befestigter  Teil  ist  fast  völlig  ge- 
schwunden und  durch  eine  dünne  Knochenspange  (ß),  die  schon 
GoETTE  (1875)  beschrieben  hatte,  ersetzt.  Nur  hin  und  wieder 
kommen  auch  noch  bei  Salamandra  Reste  dieser  ventralen  Partieen 
des  unteren  Bogeusystemes  vor  (i?i).  Jedenfalls  läßt  der  Rippen- 
träger nicht  ohne  weiteres  erkennen,  daß  er  Bestandteile  des  unteren 
Bogensystems  enthält,  und  namentlich  lassen  sich  seine  Beziehungen 
zu  diesem  am  Schwanz  kaum  noch  vermuten.  Bei  Triton  z.  B. 
(Fig.  290)  findet  man  die  Rippenträger  der  Rumpfregion  als  Quer- 
fortsätze wieder,  die  vom  oberen  Bogen  abgehen,  dabei  aber  von 
diesem  oft  noch  durch  eine  Knochenschicht  völlig  gesondert  sind. 
Ebenso  wie  am  Rumpf  besitzen  sie  am  Wirbelkörper  noch  eine  zweite 
Befestigung  durch  eine  Knochenspange  (ß),  die  von  dem  unteren 
Bogen  ganz  getrennt  ist. 

Querfortsätze,  die  ebenso  wie  jene  bei  Triton  am  medialen  Rand 
des  Horizontalseptums  enden,  besitzt  auch  Menobranchus  in  der 
Schwanzregion,  hier  gehen  sie  aber  vom  unteren  Bogen  aus  und 
liegen  ventral  von  der  Arteria  vertebralis,  während  sie  l)ei 
Triton  dorsal  von  diesem  Gefäß  gelagert  sind  (Fig.  290).  [Die 
Arteria  vertebralis  ist  offenbar  ein  Sammelgefäß  (Göppert),  das 
augenscheinlich  aus  den  Anastomosen  der  Intercostalarterien,  die  jeden- 
falls ihrerseits  identisch  sind  mit  den  ursprünglichen,  zwischen  den 
Ursegmenten  verlaufenden  Intersegmentalgefäßen,  entstanden  ist.  Sie 
steht  bei  Proteus  und  Siren  durch  Vermittelung  der  Intercostalarterien 
noch  in  jedem  Segment  dauernd  mit  der  Aorta  in  Verbindung,  In 
der  Reihe  der  übrigen  Urodelen  schwinden  diese  segmentalen  Ver- 
bindungen jedoch  allmählich.] 

Man  kann  nun  nach  Göppert  annehmen,  daß  die  Salamandrinen 
ursprünglich  Querfortsätze  besaßen ,  die  denen  von  Menobranchus 
glichen,  also  von  den  unteren  Bögen  ausgingen.  Später  erhielten  sie 
dann  noch  eine  zweite  Befestigung  an  den  oberen  Bögen ;  darauf  ging 
ihr  basales  Stück  verloren  und  wurde  durch  eine  Knochenspange  (/i) 
ersetzt,  die  endlich  ihre  Verbindung  mit  dem  Hämalbogen  einbüßte, 
indem  sie  am  Wirbelkörper  dorsalwärts  rückte. 

Bezüglich  des  Verhaltens  des  Rippenträgers  zum  oberen  Bogen 
ist  es  beachtenswert,  daß  diese  beiden  Teile  bei  Triton  bereits  in  viel 
innigerer  Verbindung  stehen  als  bei  Menobranchus  und  Salamandra, 
da  die  trennende  Knochenschicht  zwischen  ihnen  hier  viel  weniger  aus- 
gedehnt ist  wie  bei  den  beiden  anderen  Formen.  Damit  sind  also 
schon  Zustände  angebahnt,  wie  sie  bei  den  Sauriern  bestehen,  bei 
welchen  der  Rippenträger  ganz  mit  dem  oberen  Bogen  verschmolzen 
ist,  einen  Querfortsatz  desselben  darstellt,  und  nichts  mehr  darauf  hin- 
weist, daß  ursprünglich  fremde  Bestandteile  in  den  oberen  Bögen  auf- 
gegangen sind. 

Anders   liegen   die  Verhältnisse  bei  den  G  y  m  n  o  p  h  i  o  n  e  n.     Bei 


512  H.  Schauinsland, 

jungen  Larven  von  Ichthyophis  glutinosa  (Fig.  291  a)  ist  die  Rippe  an 
einem  langen,  als  Processus  transversus  inferior  (Wiedersheim)  be- 
zeichnetem, Knorpelstab  (6),  der  vom  oberen  Bogen  schräg  nach  vorn 
läuft  und  außerdem  noch  mittelst  einer  dorsalen  Spange  (r,)  auch  an 
Teilen  des  oberen  Bogens  befestigt.  Verfolgt  man  den  Processus  trans- 
versus inferior  weiter  kaudalwärts,  so  gewahrt  man,  daß  er  allmählich 
in  die  unteren  Schwanzbögen,  Hämalbögen,  übergeht  (Fig.  291  b) ;  er  ist 
demnach  nur  ein  dorsal  verlagerter  Basalstumpf,  eine  Auf- 
fassung, die  auch  noch  dadurch  unterstützt  wird,  daß  der  Querfortsatz 
ebenso  wie  der  Basalstumpf  von  Menobranchus  ventral  von  der 
Arteria  vertebralis  collateralis  liegt.  Also  auch  hier  kann  die  Rippen- 
verbindung von  den  Zuständen  bei  den  Selachiern  abgeleitet  werden. 
Dasselbe  ist  auch  bei  den  Anuren  der  Fall,  bei  denen  die 
Rippen  mit  den  langen  Querfortsätzen  der  oberen  Bögen  verschmolzen 
sind  (Fig.  292).  Göppert  glaubt  nicht,  daß  jene  Querfortsätze 
Bildungen  ganz  eigener  Art,  etwa  Auswüchse  der  oberen  Bögen  dar- 
stellen, sondern  hält  sie  ebenso  wie  bei  den  Gymnophionen  für  einfach 


wk 

Fig.  292.  B  ombinator  i  gneus.  Junges  Tier  unmittelbar  nach  Beendigung  der 
Metamorphose.  Flächenprojektion  des  dritten  Rumpfwirbels,  ob  oberer  Bogen,  wk 
Wirbelkörper  (epichordaler  Typus).  R  MeduUarkanal.  b  Basalstumpf.  r  Rippe. 
a  Grenze  zwischen  dieser  und  dem  Basalstumpf.  av  Arteria  vertebralis.  (Nach 
Göppert.) 

dorsal  verschobene  Basalstümpfe.  Als  ausschlaggebend  hierfür  sieht 
er  ihre  Lage  zu  der  Arteria  vertebralis  an,  die  dem  gleichbenannten 
Gefäß  der  übrigen  Amphibien  seiner  Meinung  nach  homolog  ist.  (Nach 
G.  Schöne,  1902,  sind  diese  Arterien  bei  den  Urodelen  und  den 
Anuren  allerdings  nicht  ohne  weiteres  zu  identifizieren,  da  sie  bei 
den  ersteren  ventral,  bei  letzteren  dorsal  vom  Spinal ganglion 
verlaufen.)  Der  Querfortsatz  der  Anuren  liegt  nämlich  gleich  dem 
der  Gymnophionen  ventral  von  der  Arterie,  während  der  knorpelige 
Rippenträger  der  Salamandrinen  dorsal  von  ihr  sich  befindet. 

Göppert's  Auffassung  der  Rippen  der  Amphibien  geht  also  dahin, 
daß  sie  bei  allen  Ordnungen  derselben,  ebenso  wie  bei  den  Selachiern 
Abgliederungen  des  primitiven  Basalstumpfes  seien,  also  in  gene- 
tischem Zusammenhang  mit  Teilen  ständen,  die  zum  unteren 
Bogensystem  gehören,  daß  sie  aber  Verbindungen  mit  den  oberen 
Bögen  erhalten  hätten.  Bei  keinem  der  heutigen  Amphibien  finden 
sich  nach  ihm  ursprüngliche  Verhältnisse  der  Rippenbefestigung,  doch 
scheinen  einige  Stegocephalen,  z.  B.  Microbrachis  mollis  und  Diploverte- 
bron  punctatum,  Rippen  besessen  zu  haben,  die  an  Basalstümpfen 
angeheftet  waren,  welche  ihre  primitive  Lage  an  dem  Wirbelkörper 
noch  nicht  aufgegeben  hatten. 


Die    Entwickelung  der   Wirbelsäule  nebst  Hippen  und  Brustbein.  513 

Die  dorsale  Verlagerung  der  Rippen  und  ihres  Tragapparates 
steht  nach  Göppert's  Untersuchungen  im  Zusammenhang  mit  einer 
gleichsinnigen  Verschiebung  des  horizontalen  Myoseptums,  wenigstens 
ist  das  bei  den  Ur  od  eleu  und  Anuren  der  Fall. 

Bei  den  Urodelen,  Gymnophionen  und  vielen  Stegocephalen  ist 
das  proximale  Rippenende  gegabelt;  es  findet  sich  bei  ihnen  entweder 
eine  ausgesprochene  Zweiköpfigkeit,  oder  wenigstens  eine  dieser 
entsprechende  Furche  (Fig.  288,  289,  291a).  Goette  (1878,  1879) 
sah  nun  bei  jungen  Salamandern  und  Tritonen,  daß  sich  die  dorsale 
Spange  dieser  gegabelten  Rippen  gesondert  anlegt,  sich  dann  erst 
dem  Hauptteil  der  Rippen  anfügt  und  dabei  bisweilen  sogar  ihre 
Selbständigkeit  nicht  völlig  einbüßt,  sondern  distal  mit  einem  freien 
Ende  ausläuft.  Er  faßt  daher  die  Amphibienrippen  —  ebenso  wie 
auch  schon  August  Müller  (1853)  —  als  eine  Doppelbildung  auf. 

Auch  Knickmeyer  fand  bei  Triton  in  der  oberen  Spange  das 
Auftreten  hyaliner  Grundsubstanz  getrennt  von  dem  Knorpelgewebe 
der  eigentlichen  Rippen. 

GÖPPERT  beobachtete  ebenfalls  wohl  hin  und  wieder  eine  selb- 
ständige Entwickelung  der  dorsalen  Spange,  hält  diese  Fälle  aber 
nur  für  Rückbildungserscheinungen.  Die  dorsale  Spange  tritt  nach 
ihm  in  der  Regel  als  ein  kleiner  Fortsatz  der  Rippe  auf,  der  erst 
später,  sich  dorsalwärts  ausdehnend,  den  Rippenträger  erreicht;  der 
ventrale  Teil  des  proximalen  Rippenabschnittes  geht  in  jeder  Hinsicht 
dem  dorsalen  voran.  Die  Zweiköpfigkeit  der  Urodelenrippe  ist  nach 
GÖPPERT  nur  so  zu  erklären,  daß  die  dorsale  Spange  auch  phylo- 
genetisch einen  einfachen  Auswuchs  der  Rippe  vorstellt,  der  im 
Dienst  einer  sekun  dar en  Befestigung  derselben  an  der  Wirbelsäule 
entstanden  ist. 

Immerhin  erscheint  es  auch  nach  diesen  Untersuchungen  noch 
wünschenswert,  dem  Problem  der  gegabelten  Amphibienrippen  auch 
fernerhin  noch  nachzugehen ;  unbeschadet  der  Richtigkeit  der  Göppert- 
schen  Angaben  könnte  bei  der  Beteiligung  zweier  Skierotomhälften 
an  dem  Aufbau  jedes  Wirbels  dieser  Vorgang  doch  von  Einfluß  auf 
die  Entstehung  der  Zweiköpfigkeit  sein. 

Mancherlei  deutet  darauf  hin,  daß  die  Rippen  der  heute  lebenden 
Amphibien  in  Hinsicht  auf  ihre  Vorfahren  in  Rückbildung  begriffen 
sind.  Sie  sind  kurz  und  wenig  gewölbt  und  dienen  kaum  zur  Um- 
schließung der  Leibeshöhle.  Bei  den  Anuren  fehlen  sie  sogar  zum 
größten  Teil  und  sind  nur  auf  wenige  Wirbel  beschränkt.  (So  kommen 
z.  B.  bei  der  Larve  von  Pipa  und  Xenopus  nur  an  zwei  Wirbeln 
distinkte  Rippen  vor,  die  später  mit  dem  sie  tragenden  Basalstumpf 
zu  langen  „Processus  transversi"  verschmelzen.  Ridewood  1897.) 
Man  kann  mit  einem  gewissen  Grade  von  Wahrscheinlichkeit  an- 
nehmen, daß  ehemals  die  vorderen  Rumpfrippen  ganz  erheblich  länger 
gewesen  sein  müssen,  als  es  jetzt  der  Fall  ist,  und  gelangt  damit  zur 
Möglichkeit,  gewisse  „bauchrippenähnliche"  Knorpelbildungen,  welche 
von  Goette  (1877)  in  oberflächlichen  Schichten  der  Bauchmuskulatur 
den  ventralen  Enden  eines  (Bombinator)  oder  auch  mehrerer  Paare 
von  Transversalsepten  eingelagert  aufgefunden  wurden,  als  die  Pro- 
dukte ehemals  vorhandener,  jetzt  aber  reduzierter  Rippen  aufzufassen. 
Diese  Anschauung  Gegenbaur's  wird  von  Goette  selbst  nicht 
geteilt.    Dieser  bestreitet  auch,  daß  man  von  einem  costalen  Stern  um 

Handbuch  der  Entwickelungslehre.     III.  2.  33 


514  H.  Schauinsland, 

bei  den  Amphibien  sprechen  dürfe,   wie  es  Cuvier,  Duges,  Gegen- 
BAUR,  Parker,  Rüge  thun. 

Nach  Gegenbaur  sind  die  mit  dem  Schultergürtel  in  Verbindung 
getretenen  sternalen  Knorpelstücke  nicht  als  isolierte,  in  loco  ent- 
standene Teile  zu  betrachten,  sondern  als  Gebilde  anzusehen,  welche 
ihre  Entwickelung  Rippen  verdanken,  mit  denen  früher  noch  ein  un- 
mittelbarer Zusammenhang  bestand,  der  im  Laufe  der  Phylogenese 
jedoch  verloren  ging. 

Amnioten. 

(Reptilia,  Aves,  Mammalia.) 

Hauptsächlichste  Litteratur.  Reptilien:  Rathke  1839,  1848,  1866; 
HYRTL1853;  Gegenbaur  1862,1867,1898;  CK.  Hoffmann  1878, 1879;  Albrecht 
1880,  1883;  Baur  1886,  1895;  v.  Ebner  1888,  1892;  Cornet  1888;  Corning  1891; 
Gadow  1896;  Goette  1897;  Männer  1899;  Schauinsland  1900;  Howes  u. 
SwiNNERTON  1901;  Baldus  1901.  Aves:  Remak  1855;  Jäger  1858;  Gegenbaur 
1862,  1867,  1871;  Schwarck  1878;  Froriep  1883;  Gadow  1891,  1896;  Männich 
1902.  aiammaUa:  Schwegel  1858;  Eobin  1864;  Hasse  1873;  Hasse  und 
Schwarck  1873;  Rosenberg  1875,  1883,  1896,  1899;  Löwe  1879;  Leboucq  1880; 
Holl  1882;  Froriep  1886;  Macalister  1893,  1894;  O.  Schultze  1896,  1897; 
Hagen  1900;  Weiss  1901;  Bardeen  1904;  Adolphi  1905.  Rippen:  Gegenbaur 
1867-  Claus  1876;  C.  K.  Hoffmann  1878,  1879;  Blessig  1885;  Hatschek  1889; 
Haycraft  1890;  Dollo  1892;  Rabl  1892;  Goette  1900;  Schöne  1902.  Sternum: 
Rathke  1838,  1853;  Blanchard  1859;  Parker  1868;  Gegenbaur  1876;  Goette 
1877  •  C.  K.  Hoffmann  1879 ;  Rüge  1880 ;  Schauinsland  1900 ;  Fürbringer  1900 ; 
Paterson  1900,  1904;  Marko wski  1902,  1905;  Eggeling  1904. 

Es  wird  sich  empfehlen  wegen  der  vielen  gemeinsamen  Züge  die 
Amnioten  im  Zusammenhange  zu  betrachten  und  zwar  unter  vor- 
nehmlicher Berücksichtigung  der  Reptilien;  es  erscheint 
dies  auch  schon  dadurch  geboten,  weil  in  den  letzten  Jahren  das 
Studium  der  Wirbelsäulenentwickelung  bei  den  Vögeln  und  Säuge- 
tieren, seit  den  sorgfältigen  Arbeiten  Froriep's,  weniger  Beachtung 
gefunden  hat,  namentlich  auch  in  Bezug  auf  die  neuen  Probleme,  die  bei 
den  übrigen  Vertebraten  zu  so  lebhaften  Erörterungen  geführt  haben. 

Alle  Amnioten  stimmen  darin  überein,  daß  bei  ihnen  im  Gegen- 
satz zu  den  niederen  Vertebraten  die  Chorda  an  Bedeutung  sehr 
verloren  und  ihre  ursprüngliche  Funktion,  als  Stützorgan  zu  dienen, 
so  gut  wie  völlig  eingebüßt  hat.  Angelegt  wird  sie  freilich  noch 
immer  in  ebenderselben  Weise,  wie  wir  es  bei  den  übrigen  Ab- 
teilungen sahen;  ihre  anfangs  protoplasmatischen  Zellen  werden  va- 
kuolisiert,  ein  Vorgang,  der  zunächst  in  der  Nähe  des  Kopfes  beginnt, 
um  darauf  nach  dem  Schwanz  hin  weiter  fortzuschreiten;  die  Chorda 
bildet  dann  in  gewissen  jugendlichen  Stadien  einen  fortlaufenden  Stab 
von  ziemlich  gleichmäßiger  Dicke,  an  dem  Einschnürungen  oder  andere 
Veränderungen  (Fig.  299)  sich  noch  nicht  bemerkbar  machen.  Ent- 
sprechend der  geringen  Bedeutung  der  Chorda  für  den  Aufbau  der 
Wirbelsäule  gegenüber  dem  von  den  Ursegmenten  abstammenden 
Bildungsraaterial  tritt  auch  die  Entwickelung  ihrer  Scheide  recht 
zurück.  Man  kann  in  der  Regel  nur  eine  einzige  unterscheiden, 
deren  Dicke  stets  sehr  gering  bleibt.  In  ihrem  Aussehen  gleicht  sie 
der  Elastica  (externa)  der  anderen  Vertebraten,  und  man  wird  sie 
dieser  auch  wahrscheinlich  geichzusetzen  haben;  doch  wäre  eine  ge- 
nauere Untersuchung  ihrer  Herkunft  erwünscht,  da  auch  bei  den  Am- 
nioten eine  Rindenschicht  der  Chorda  (Chordaepithel)  vorhanden  ist, 
und  es   somit  nachzuweisen  wäre,  warum  diese  im  Gegensatz  zu  den 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  515 

niederen  Wirbeltieren  es  hier  zur  Abscheidung  einer  Faser  scheide 
nicht  bringt. 

Nur  bei  Sphenodon  kann  man  an  günstigen  Präparaten  älterer 
Embryonen  (und  auch  größerer  Tiere)  namentlich  in  der  Inter- 
vertebralregion  eine  äußere,  ganz  dünne  und  eine  innere,  mehr  volu- 
minöse Schicht  der  Chordascheide  entdecken,  die  man  als  elastische 
und  als  Faserscheide  anzusprechen  haben  wird ,  so  daß  sich  hier 
also  noch  Verhältnisse  finden,  die  zu  Zuständen  bei  Urodelen,  unter 
welchen  ja  auch  Formen  mit  sehr  schwach  entwickelter  Chordascheide 
vorkommen,  herüberleiten  (Schauinsland). 

Bei  Sphenodon  liegen  in  der  centralen  Chordaachse  junger  Em- 
bryonen eigentümliche  dünne,  schlauch-  oder  stabförmige  Partikel  von 
oft  nicht  unbedeutender  Länge,  die  vielleicht  als  Rudimente  eines 
Chordastranges,  wie  wir  ihn  bei  den  niederen  Wirbeltieren  vor- 
fanden, zu  deuten  sind  (Schauinsland). 

Die  Cylinderform  der  Chorda  wird  durch  die  Wachstumsvorgänge 
der  perichordalen  Elemente  bei  der  Entwickelung  der  Wirbelkörper 
und  der  intervertebralen  Partieen  bald  stark  beeinflußt. 

In  ähnlicher  Weise  wie  bei  Lepidosteus  und  den  Amphibien 
wird  die  Chorda  bei  der  Ausbildung  der  Gelenkverbindungen  an  den 
Wirbelkörpern  intervertebral  komprimiert,  und  zwar  kann 
mau  feststellen  (bei  Anguis,  Goette  1897),  daß  die  erste  Zusammen- 
schnürung durch  den  wachsenden  Gelenkkopf  hervorgerufen  wird. 
Die  Einschnürung  erfolgt  entweder  ziemlich  gleichmäßig  konzentrisch 
(z.  B.  bei  Lacerta)  oder  nur  von  beiden  Seiten  her  (z.  B.  Anguis), 
so  daß  dann  die  Chorda  ein  schmales  hohes  Band  darstellt,  durch 
welches  Gelenkkopf  und  Pfanne  in  zwei  Hälften  getrennt  sind.  All- 
mählich wird  die  Chorda  an  diesen  Stellen  fadendünn  (Fig.  293),  um 
dann  schließlich  intervertebral  gänzlich  zu  verschwinden,  wodurch 
der  ehemalige  kontinuierliche  Chordastab  in  einzelne  Teilstücke  zer- 
legt ist,  deren  Zahl  mit  der  Wirbelzahl  übereinstimmt.  Die  verte- 
bralen  Chordareste  sind  kranial  breit  und  rund,  kaudal  schmal  und 
spitz  (Fig.  293).  Von  dem  dünnen,  hinteren  Ende  aus  findet  dann 
die  weitere  Verkürzung  statt,  so  daß  die  Chorda  bald  nur  die 
vordere  Hälfte  des  Wirbelkörpers  einnimmt  (Goette  1897).  Ein 
völliges  Schwinden  auch  der  vertebralen  Chorda  tritt  später  in  der 
Regel  ein  (bei  Lacerta  z.  B.  nach  Ablauf  des  ersten  Jahres  [Gegen- 
baur  1862]). 

Bei  jenen  Reptilien,  denen  eine  gelenkige  Verbindung  der  Wirbel- 
säule nicht  zukommt,  den  Ascalaboten  und  Sphenodon,  zieht 
die  Chorda  dauernd  durch  die  ganze  Wirbelsäule.  In  jungen 
Stadien  paßt  sie  sich  dabei  der  amphicölen  Form  der  Wirbelkörper 
vollkommen  an  und  füllt  die  hohlen  Doppelkegel  derselben  aus.  Sie 
ist  in  der  Mitte  der  Wirbelkörper  am  dünnsten  und  schwillt  inter- 
vertebral nicht  unbeträchtlich  an;  in  dieser  Hinsicht  stehen  jene 
Reptilien  also  in  starkem  Gegensatz  zu  den  übrigen,  und  erinnern  an 
viel  niedrigere  Formen,  die  Perennibranchiateu.  Später  allerdings 
wird  durch  das  centripetale  Vordringen  der  intervertebralen 
Wirbelsäulenelemente  die  Chorda  zwischen  den  einzelnen  Wirbeln 
mehr  oder  weniger  stark  zurückgedrängt  (Fig.  306)  und  seitlich  zu- 
sammengepreßt, was  an  den  Schwanzwirbeln  älterer  Tiere  so  weit 
gehen  kann ,  daß  sie  hier  fast  oder  sogar  völlig  durchtrennt  wird 
(Goette). 

33* 


516 


H.  Schauinsland, 


Endlich  ist  noch 
gezeichneter  Weise  z, 
der  Mitte  der  Wirbel 


ch 


ZU  erwähnen,  daß  bei  vielen  Reptilien,  in  aus- 
B.   bei   den  Geckonen    und  bei    Sphenodon,   in 

ein  C  h  0  r  d  a  k  n  0  r  p  e  1  vorkommt,  in  ganz  ähn- 
licher Weise,  wie  es  früher  bei  den  Uro- 
delen  beschrieben  wurde.  Schon  1862 
leitete  ihn  Gegenbaur  aus  der  Umwand- 
lung der  Chordazellen  selbst  her.  Von 
Gadow  (1896)  wurde  dieses  entschieden 
—  für  Gecko  und  Sphenodon  jedoch 
zweifellos  mit  Unrecht  —  bestritten. 
Neuere  Untersuchungen  bei  Sphenodon 
(Schauinsland  1900)  haben  aber  die 
Richtigkeit  der  GEGENBAUR'schen  An- 
sicht vollständig  erwiesen.  Bei  diesem 
Objekt  nehmen  genau  in  der  Mitte  des 

Fig.  298.  Frontalschuitt  durch  einen  Schwanz- 
wirbel von  Anguis  fragilis  nach  Goette.  ch 
Chorda  (in  Rückbildung),  cA,  fadenförmig  ver- 
dünnter Rest  derselben  innerhalb  des  Gelenk- 
kopfes {iv).  iv^  Gelenkpfanne,  m  künftige  Gelenk- 
höhle,    k  periostaler  Knochen,     mh  Markhöhle. 


Wirbels  die  peripheren  Chordazellen,  vom  Chordaepithel  aus  beginnend 
(Fig.  309),  zuerst  an  der  ventralen,  bald  darauf  auch  an  der  dorsalen 
Seite  ein  knorpel-,  später  knochenartiges  Aussehen  an ;  sie  bilden  zu- 
nächst einen  schmalen  Ring,  der  sich  bald  verdickt  und  die  Chorda  an 
dieser  Stelle  einengt,  später  aber  —  namentlich  an  den  Schwanzwirbeln 
—  zu  einer  geschlossenen  Scheibe  wird,  welche  die  Chorda  in  jedem 
Wirbel  vollständig  in  zwei  Teile  zerlegt  (Fig.  307  a).  Von  Howes  und 
SwiNNERTON  (1901)  wurdeu  diese  Beobachtungen  für  Sphenodon  und 
Gecko  bestätigt,  für  Lacerta  jedoch  die  Möglichkeit,  daß  Gadow's  An- 
gaben vom  e  ktochordalen  Ursprung  des  Knorpels  richtig  seien, 
zugegeben.  Bezüglich  des  letzten  Punktes  ist  aber  zu  bemerken,  daß 
es  sich  wahrscheinlich  bei  Lacerta  gar  nicht  um  einen  „Chordaknorpel" 
handelt,  sondern  daß  hier  nur  bei  dem  allmählichen  Verschwinden 
des  vertebralen  Chordarestes  der  Knorpel  des  W  i  r  b  e  1  k  ö  r  p  e  r  s  nach 
innen  wächst  und  das  Gewebe  der  Chorda  unter  Einschnürung  ihrer 
Scheide  bis  zum  völligen  Schwund  zusammenpreßt.  -— 

Die  Vögel  zeigen  in  dem  Verhalten  der  Chorda  sehr  große 
Aehnlichkeit  mit  den  Reptilien  (abgesehen  von  den  zuletzt  genannten 
Formen).  Besitzt  in  jungen  Stadien  die  Chorda,  welche  anfangs  eben- 
falls völlig  cylinderförmig  war,  eine  Zeit  hindurch  intervertebral  zwar 
auch  einen  etwas  größeren  Durchmesser  als  vertebral  (Fig.  320)  — 
wie  es  Froriep  (1883)  vom  Huhn  nachwies  —  so  zeigt  später,  ebenso 
wie  bei  den  Reptilien  (beim  Huhn  etwa  am  10.  Bebrütungstage  — 
Gegenbaur  1862).  das  innerhalb  eines  Wirbelkörpers  verlaufende 
Chordastück  eine  mittlere  Erweiterung.  Hierzu  treten  noch  nach 
den  Wirbelenden  hin  zwei  kleinere  Ausbuchtungen,  so  daß  auf  eine 
Wirbelkörper  drei  erweiterte  und  vier  verengerte  Strecken  der  Chorda 
kommen ;  zwei  der  letzteren  sind  mit  den  benachbarten  Wirbelkörpern, 
da  sie  intervertebral  liegen ,  gemeinsam.  Die  mittlere  Anschwellung 
bleibt  während  des  ganzen  Embryonallebens  bestehen ;  zwischen  den 
Wirbelkörpern    dagegen    geht   die  Chorda   schon   vorher   während  der 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  517 

Gelenkbiklung  verloren.  (Nur  unbedeutende  Reste  von  ihr  erhalten 
sich  anfangs  auch  noch  innerhalb  der  Zwischenwirbelbandscheiben; 
sie  liegen  dort  in  einen  longitudinalen  Strang  eingeschlossen,  der  die 
einzelnen  Wirbelkörper  als  „Ligamentum  Suspensorium"  ver- 
bindet —  G.  JÄGER  1858;  dieses  Verhalten  erinnert  übrigens  an  die 
Krokodile.) 

Der  vertebrale  Ghordarest  wandelt  sich  nach  Gegenbaur  (1862) 
ungefähr  um  die  Zeit  des  Ausschlüpfens  in  Knorpelzellen  um,  wobei 
die  Scheide  verloren  geht;  leider  ist  aus  seinen  Angaben  dabei  aber 
nicht  zu  ersehen,  ob  dieser  Knorpel  dem  vorher  besprochenen  Chorda- 
knorpel der  Reptilien  direkt  zu  vergleichen  ist  —  was  allerdings  recht 
wahrscheinlich  ist  —  oder  nicht.  Durch  die  Markbildung  im  Wirbel- 
körper wird  schließlich  auch  dieser  Knorpel  aufgelöst,  und  damit  ist 
dann  jede  Spur  der  Chorda  verschwunden.  — 

Bei  den  Säugetieren  endlich  erfolgt  der  Schwund  der  Chorda 
am  frühzeitigsten  von  allen  Wirbeltieren,  und  zwar  geht  sie,  ent- 
sprechend der  raschen  Ausbildung  kompakter  knorpeliger  Wirbel- 
körper, am  ehesten  vertebral  verloren,  während  Reste  von  ihr  inter- 
vertebral  lange,  selbst  das  Leben  hindurch  bestehen  können,  also  gerade 
das  umgekehrte  Verhalten  wie  bei  den  Sauropsiden  zeigen.  Anfangs 
besitzt  die  Chorda  noch  eine  wohlausgebildete  Scheide  und  bietet  eine 
kurze  Zeit  hindurch  ein  rosenkranzförmiges  Aussehen ,  indem  sie 
eine  beträchtliche  Anschwellung  intervertebral  und  eine  geringere  in 
der  Wirbelmitte  aufweist  (L.  Löwe  1879). 

Die  Verbindungsbrücken  dieser  Erweiterungen  schwinden  rasch 
völlig,  aber  auch  der  dann  übrig  bleibende  spindelförmige,  vertebrale 
Chordarest  geht  beim  ersten  Auftreten  der  Verknöcherungspunkte 
gänzlich  verloren  (Fig.  322,  323).  (In  den  lange  Zeit  knorpelig  bleiben- 
den Teilen  der  Wirbelsäule,  z.  B.  im  Steißbein  und  im  Zahnfortsatz  des 
Epistropheus,  erhalten  sich  beim  Menschen  jedoch  noch  bis  nach  der 
Geburt  vertebrale  Chordaspuren ;  0.  Schultze.) 

Intervertebral  bleibt  die  Chorda  nicht  nur  bestehen  (Fig.  322, 
323),  sondern  sie  wuchert  dort  geradezu,  wobei  sie  die  Neigung  zeigt, 
mit  dem  sie  umgebenden  Bindegewebe  nach  Verlust  ihrer  Scheide  zu 
verschmelzen  (Leboucq  1880). 

Der  Nucleus  pulposus  oder  gelatinosus  des  Interverte- 
bralligamentes  (Zwischenwirbelscheibe)  älterer  Tiere  besteht  jedenfalls 
aus  solchen  gemeinschaftlichen  Wucherungen  der  Chorda  und 
des  ihr  nächst  anliegenden  Gewebes.  G.  Jäger  ist  wohl  im  Recht, 
wenn  er  prinzipiell  den  Gallertkern  des  Meniscus  der  Säugetiere  mit 
dem  —  oben  erwähnten  —  intervertebralen  Längsband  der  Vögel 
vergleicht. 

Ueber  das  vordere  Ende  der  Chorda  und  ihr  Verhalten 
innerhalb  des  Schädels  vergleiche  man  die  Arbeiten  von  Mihalkovics 
(1875),  Froriep  (1882),  Kann  (1888),  Carius  (1888),  Keibel  (1889), 
Schauinsland  (1900)  u.  A.,  sowie  die  Abhandlung  von  Gaupp  über 
die  Entwickelung  des  Schädels  in  diesem  Handbuch. 

Auch  die  Amnioten  besitzen  einen  Chordastab  (V.Schmidt), 
d.  h.  das  letzte  Ende  der  Chorda  wird  bei  ihnen  nicht  vakuolisiert, 
sondern  während  der  Zeit  seines  Bestehens  dauernd  aus  protoplas- 
matischen Zellen  zusammengesetzt.  Dabei  krümmt  sich  nicht  selten 
dieser  Chordaabschnitt  nach  der  einen  oder  der  anderen  Seite  (Rep- 
tilien) oder  spaltet  sich  auch  (Fig.  294).     Bei  den  Säugetieren  hat  er 


518 


H.  Schauinsland, 


meistens  einen  geschlängelten  Verlauf  und  wickelt  sich  dann  schließlich 
zu  einem  Knötchen  auf. 

Schon  von  den  Teleostiern  an  war  die  Chorda  am  Schwanzende 
etwas  länger  als  die  Anlage  der  knorpehgen  Wirbelsäule.  Diese 
Tendenz  zur  Reduktion  des  Achsenskelettes  tritt  bei  den  Amnioten 
noch  deutlicher  hervor.  M.  Braun  (1881  und  1882)  wies  an  Vogel- 
embryouen  (Wellenpapagei,   Ente,   Taube,  Sperling)   nach,   daß  das 


Fig.  294. 


Fig.  295. 


^ 


ins 


Fig.  294.  Querschnitt  durch  das  hinterste  Schwanzende  eines  2  cm  langen 
Embryos  von  Puffinus  cuneatus  bei  64-maliger  Vergrößerung,  ch  das  gespaltene 
Chordaende,  vt  die  blasenartige  Anschwellung  des  hintersten  Abschnittes  des  Me- 
dullarrohres  (Ventriculus  terminalis). 

Fig.  295.  Sagittaler  Längsschnitt  durch  das  hinterste  Körperende  eines  älteren 
Embryo  von  Spheniscus  demersus.  wk  Wirbelkörper,  oh  obere  Bögen.  R  Rücken- 
mark, vt  eigentümliche,  kugelförmige  Anschwellung  des  Rückenmarks,  bereits  außer- 
halb des  letzten  oberen  Bogens  liegend.  R^  solider  Nervenstrang,  der  die  An- 
schwellung mit  dem  Rückenmark  verbindet. 


letzte  Chordaende,  das  Chordastäbchen,  später  völlig  resorbiert 
wird.  Er  berichtet  ferner  (1882,  nachdem  schon  E.  Rosenberg 
1875  bei  einem  menschlichen  Embryo  gefunden  hatte,  daß  sich  die 
Chorda  noch  jenseits  des  letzten  Wirbels  erstrecke),  daß  bei  einer 
Reihe  Säugetier embryonen  ebenfalls  am  äußersten  Schwanzende 
Wirbel  nicht  mehr  vorhanden  seien,  sondern  daß  dort  die  Chorda 
allein  sich  in  kleinen  eigentümlichen  (schon  von  Ecker,  Stieda  und 
Rosenberg  gesehenen)  Anhängen,  die  er  Seh wanz knöpf chen 
oder  Schwanzfäden  nennt,  welche  später  einem  völligen  Schwunde 
anheimfielen,  befände. 

Derartige  „Schwanzknöpfe"  kommen  übrigens  auch  in  bestimmten 
Stadien  der  Entwickelung  bei  Reptilien  (Lacerta  vivipara,  Tropidonotus 
natrix  etc.;  Schauinsland)  und  Vögeln  vor  (M.  Braun,  Schau- 
insland). Namentlich  bei  letzteren  sind  sie  von  bedeutender 
Größe,  wenn  auch  nicht  so  scharf  abgesetzt  wie  bei  den  Mammalien, 
Die  Grenze  zwischen  dem,  mitsamt  der  in  ihm  enthaltenen  Chorda  der 
Resorption  anheimfallenden  und  dem  bleibenden  Schwanzabschnitt  wird 
durch  den  Ventriculus  terminalis  (W.  Krause),  jene  blasenartige  Er- 
weiterung am  Ende  des  Medullarrohres,  gebildet  (Fig.  294).  Diese 
ist  bei  einigen  Vögeln  (Spheniscus  demersus,  Puffinus  cuneatus)  von 
ganz  erstaunlicher  Größe  (Fig.  294,  295;  Schauinsland  1890)  und 
findet  sich  selbst  bei  ganz  alten  Embryonen  an  der  äußersten  Schwanz- 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  519 

spitze  außerhalb  des  letzten  Wirbels;  in  dieser  Zeit  steht  er  dann 
nur  noch  durch  einen  ziemlich  dünnen  und  fast  ganz  soliden  Strang 
mit  dem  Rückenmark  in  Verbindung  (Fig.  295).  Da  von  ihm  aus 
äußerst  zahlreiche  und  beträchtlich  dicke  Nervenstränge  in  das  Schwanz- 
knöpfchen  abgehen,  so  könnte  man  geneigt  sein,  dabei  an  ein  embryo- 
nales Sinnesorgan  zu  denken,  eine  Vermutung,  die  auch  Braun  bereits 
beim  Wellensittich  aussprach. 

Die  Neigung  zur  Verkürzung  der  kaudalen  Wirbelsäule  findet 
auch  ihren  Ausdruck  in  der  häufig  zur  Beobachtung  gelangenden  Ver- 
schmelzung der  letzten  Schwanzwirbel  zu  einem  Uro  styl;  ein  solcher 
findet  sich  nicht  nur  —  mit  wenigen  Ausnahmen  —  regelmäßig  bei 
den  Vögeln,  sondern  in  geringerem  Maße  auch  bei  Mammalien,  z.  B. 
beim  Schaf  und  Schwein  (M.  Braun  1882,  R.  Bonnet  1888). 

Zu  bemerken  ist  endlich  noch,  daß  sich  die  Rückbildungs- 
erscheinungen und  namentlich  die  zu  lang  angelegte  Chorda  nicht 
etwa,   wie   man   vielleicht   meinen   sollte,   am   meisten   bei  Tieren  mit 


ml       cl 


wji.'hlW'^- 


ch     ao  sei 

Fig.  296.  Querschnitt  durch  den  Eumpf  eines  jungen  Embryos  von  Sphenodon. 
Vergr.  90mal.  Der  Schnitt  geht  etwa  durch  die  Mitte  eines  Ursegments.  d  Cutis- 
lamelle, ml  Muskellamelle  des  Ursegments.  sei  Skierotom.  ao  Aorta,  ch  Chorda. 
E  Rückenmark,     u  Urnierengänge. 


kurzen  Schwänzen    finden,   sondern   daß    sie   im  Gegenteil   in 
Ausbildung    bei   langschwänz  igen   Arten   vorkommen,    und 


größter 
viel- 


leicht gerade  deswegen,  weil  bei  diesen  der  Reduktionsprozeß  noch 
am  lebhaftesten  in  Fluß  ist  (M.  Braun).  — 

Charakteristisch  für  alle  Amnioten  ist  es,  daß  von  vornherein  die 
Anlage  des  Skierotoms  außerordentlich  zellenreich  ist,  und 
daß  somit  der  von  den  Ursegmenten  abstammende  Anteil  des  axialen 
Skelettes  den  chordalen  gleich  von  frühen  Stadien  an  bedeutend  über- 
wiegt. Sie  stehen  dadurch  im  Gegensatz  zu  der  Mehrzahl  der  An- 
amnier,  wenngleich  sich  auch  bei  einigen  von  diesen,  so  namentlich  bei 
den  Rajiden  und  Anuren,  schon  Anklänge  an  die  hier  vorliegenden 
Verhältnisse  finden. 

Die  Entstehung  des  Skierotoms  selbst  weicht  im  Prinzip  nicht 
von  der  Entwickelungsweise  ab,  wie  sie  bei  den  Anamniern  vorkommt. 


520 


H.  Schauinsland, 


Während  bei  diesen  jedoch  meistens  nur  ein  verhältnismäßig  kleiner 
Abschnitt  der  Ursegmente  für  seine  Bildung  verbraucht  wird,  findet 
bei  den  Amnioten  der  größte  Teil  der  inneren,  der  Chorda  und  dem 
Rückenmark  zugewendeten  Ursegmentlamelle  nach  den  neuesten  Schii- 
so gar 


derungen 


Maurer,   p, 
Masse   für 


28^  in 
diesen 


III,   1 
Zweck 


dieses  Handbuches) 
Verwendung.     Gleichzeitig 


Bildung  der  Skierotome  aber  auch  der  sogenannte 
die 


(siehe 
deren  gesamt 
beteiligt  sich  an  der 

„Ur  wir  beikern",  d.  h.  jene  für  die  Amnioten  charakteristische 
Zeihnasse,  die  die  Ursegmenthöhle  in  gewissen  Stadien  zum  grollten 
Teil  ausfüllt.  Sie  steht  ursprünglich  mit  der  medialen  Ursegmentlamelle 
in  Beziehung  und  wuchert  von  der  inneren  und  unteren  Ursegment- 
kante  aus  derart,  daß  sie  später  auch  mit  den  übrigen  Wänden  des 
Ursegments,  mit  Ausnahme  der  lateralen,  welche  der  Epidermis  zu- 
gewendet ist,  verschmilzt  und  somit  die  Ursegmenthöhle  bis  auf  einen 
kleinen  Spalt  verdrängt  (Remak).  Jener  Urwirbelkern  wird  nun  zu- 
sammen mit  der  medialen  Ursegmentwand  als  Skierotom  abgestoßen, 
und   es   ist   daher   einleuchtend,    daß   dieses   bei  den  Amnioten  schon 


von    Anfang    an 


ungemein 


viel    zellenreicher   sein  muß   als   bei  den 


Anamniern  (Fig.  296). 

Die  einzelnen  Skierotome  sind  anfangs  meistens  noch  scharf  von- 
einander gesondert;  bei  vielen  Formen  bleiben  ihre  Grenzen,  welche 
die    direkten    medialen    Fortsätze    der    Zwischenräume    zwischen    den 

Myotomen  sind,  abgesehen  von  den  me- 
dialen Partieen,  auch  später  deutlich  er- 
kennbar, und  zwar  nicht  allein  durch  die 
Lage  der  intersegmentalen  Blutgefäße  (Fig. 
297),     sondern     auch    durch    eine    charak- 


teristische 
(Fig.  298). 


Anordnung 


der    Zellen    selbst 


Fig.  297. 
Rurapfregion 


Frontalschnitt  durch  die  hintere 
eines  Embryos  der  Ringelnatter  mit 
schon  geschlossenen  Kiemenspalten  in  der  Höhe  der 
Chorda.  Nach  v.  Ebner,  isg  Intersegmentalgefäße. 
ivs  Intervertebralspalte.  uh  Ursegmenthöhle.  cl 
Cutis-,  ml  Muskellamelle  des  Ursegments.  sc  Skle- 
rotom. 

Bisweilen  (z.  B.  bei  Sphenodon  und  Gecko)  bleiben  an  den  hin- 
teren Schwanzwirbeln  diese  ursprünglichen  Verhältnisse  dauernd  be- 
stehen, so  daß  man  noch  bei  alten  Tieren  die  einzelnen  Skierotome 
voneinander  unterscheiden  kann  (Fig.  316). 

Sobald  sich  an  den  Ursegmenten 
seits  in  die  Skierotome,  andererseits 
vollzogen   hat,    macht   sich    innerhalb 

bemerkbar;  sie  liegt  in  der  Transversalebene  und  teilt  das  Sklero 
tom   in   eine   kraniale   und   eine  kaudale   Hälfte   (Fig.  297, 
298). 

Bei  der  Pbingelnatter  ist  sie  nach  v.  Ebner  am  deutlichsten  in 
der  Höhe  der  Spinalganglien;  weiter  dorsalwärts  verschwindet  sie; 
ventralwärts  läßt  sie  sich  gut  bis  in  die  Plöhe  der  Chorda  verfolgen. 
Medial  reicht  sie  bis  nahe  an  das  Rückenmark  und  die  Chorda,  berührt 
jedoch  diese  Gebilde  nicht  (Fig.  297,  298). 

Jener  Spalt  wurde  zum  ersten  Male  von  v.  Ebner  (1888  u.  1892) 
bei  den  Embryonen  der  Ringelnatter  aufgefunden  und  gleich  in  seiner 


eine  deutliche  Sonderung  einer- 
in   die  Haut-  und  Muskelplatte 
der  ersteren  eine  feine  Spalte 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  521 

großen  Bedeutung  für  die  Beurteilung  der  Entwickelungsvorgänge  am 
Achsenskelett  völlig  gewürdigt.  Die  „Intervertebralspalte",  wie 
V.  Ebner  sie  nannte,  konnte  er  außerdem  auch  bei  Eidechsen, 
Hühnchen,  Mäusen  und  Fledermäusen  nachweisen. 

Diese  Entdeckung  wurde  von  Corning  1891  (Reptilien),  J.  Koll- 
mann 1891  (Mensch),  0.  Schultze  189(3  u.  1897,  Weiss  1901 
(Säugetiere),  Männer  1899  (Reptilien),  Schauinsland  1900  u.  1903 
(Sphenodou,  viele  Vögel)  und  Baldus  1901  (Gecko)  bestätigt,  so  daß 
das  Vorkommen  der  In  tervertebr  al  s  palte  (v.  Ebner)  ]oder  des 
Ur Segmentspaltes  (0.  Schultze)]  bei  vielen,  wenn  nicht  bei  allen 
Amnioten  nunmehr  als  feststehend  betrachtet  werden  muß. 

lieber  die  Art  und  Weise  der  Entstehung  der  Spalte  liegen  be- 
stimmte Angaben  kaum  vor;  es  ist  jedoch  recht  wahrscheinlich,  daß 
sie  nur  als  Ueberrest  der  Urwirbelhöhle  zu  betrachten  ist,  welcher  bei 
der  Wucherung  der  kranialen  und  kaudalen  Wand  des  Ursegments, 
die  von  der  Vergrößerung  des  ursprünglichen  Urwirbelkernes  mitbe- 
dingt wurde,  erhalten  blieb.  Schon  der  Umstand,  daß  sie  von  Anfang 
an  mit  dem  innerhalb  der  Hautmuskelplatte  befindlichen  Urwirbel- 
höhlenrest  im  Zusammenhang  steht  und  es  auch  bleibt,  bis  Myotom 
und  Skierotom  sich  voneinander  trennen,  läßt  darauf  schließen  (Fig. 
297,  298).     So  wenigstens  sind  die  Verhältnisse  bei  den  Reptilien. 

Bei  den  Vögeln  jedoch  soll  die  Spalte  später  auftreten 
(0.  Schultze  189(3)  und  nur  sekundär  mit  der  Höhle  der  Haut- 
muskelplatte in  Verbindung  treten,  und  bei  den  Säugern  sogar  erst 
dann  erscheinen,  wenn  das  Myotom  bereits  selbständig  geworden  ist 
und  gar  keine  Höhle  mehr  aufweist  (0.  Schultze  189(3). 

Man  wird  annehmen  müssen,  daß  in  diesen  letzteren  Fällen  die 
W^ucherung  der  kranialen  und  kaudalen  Ursegmentwände  eine  derart 
starke  ist,  daß  sie  nach  Verdrängung  der  Urwirbelhöhle  miteinander 
völlig,  wenn  auch  vielleicht  nur  scheinbar,  in  Berührung  kommen. 
Die  Intervertebralspalte  bleibt  daher  anfangs  gleichsam  latent  und 
tritt  erst  dann  in  Erscheinung,  wenn  das  Sklerotom  sich  vom  Myotom 
emanzipiert  hat  und  weitere  Differenzierungen  einzugehen  beginnt. 

Eine  Vergleichung  der  Intervertebralspalte  der  Amnioten  mit  den 
Sklerotomdivertikeln  der  Elasmobranchier  und  Teleostier  ist  sehr  nahe- 
liegend und  sicher  w^ohl  auch  gerechtfertigt.  0.  Schultze  (1896) 
wies  darauf  zum  ersten  Male  hin. 

Schon  V.  Ebner  konnte  an  seinen  Präparaten  (1888,  1892)  mit 
Bestimmtheit  nachweisen,  daß  die  Intervertebralspalten  den  Grenzen 
der  späteren  bleibenden  Wirbel,  im  besonderen  der 
Wirbel körper  entsprechen.  Sie  verschwinden  nach  ihm  schließ- 
lich in  dem  dichten  Gewebestreifen,  in  welchem  viel  später  sekundär 
die  Gelenkhöhle  auftritt. 

Je  ein  Wirbel  entwickelt  sich  in  der  Zellenmasse,  die  vorn  und 
hinten  von  je  einer  Intervertebralspalte  begrenzt  wird ;  er  gehört  dem- 
nach zwei  Skierotomen  an  und  setzt  sich  zusammen  aus  der  kaudalen 
Hälfte  eines  Skierotoms  und  der  kranialen  des  darauf  folgenden.  Da- 
her nimmt  er  zu  den  ehemaligen  Ursegmenten  und  infolgedessen  auch 
zu  den  Myotomen  eine  alternierende  Stellung  ein.  Gerade  dieser 
Entwickelungsgang  ist  es,  durch  den  es  erreicht  wird,  daß  die  Wirbel- 
segmente, wie  es  physiologisch  durchaus  notwendig  ist,  ihre  Wirkung 
auf  zwei  Wirbel  ausüben  können. 

Der   Erkenntnis  jener   Thatsacheu   ist   schon  Remak   (1855)   mit 


522 


H.  Schauinsland, 


Fig.  298. 

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Fig.  298,  299,  300.  Drei  frontale  Längsschnitte  durch  den  Schwanz  junger 
Sphenodonerabryonen.  Der  auf  Fig.  298  dargestellte  gehört  einem  bedeutend  jüngeren 
Btadiuni  an  wie  die  in  Fig.  299  und  300.  Der  Schnitt  Fig.  298  ist  nicht  völlig 
horizontal  geführt,  er  ist  an  seinem  kranialen  Ende  mehr  ventral  gelegen  wie  an 
seinem  kaudalen,  so  daß  er  vorn  die  Chorda,  hinten  das  Rückenmark  schneidet.  Auf 
Fig.  298  und  300  sind  nur  die  Hälften   des  Schnittes   dargestellt.     Fig.  299  und 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  523 

300  gehören  zu  demselben  Präparat,  nur  daß  Schnitt  Fig.  299  durch  die  Chorda, 
Fig.  300  mehr  dorsal  durch  das  Rückenmark  gelegt  ist.  Fig.  298  ist  104-,  Fig.  299 
imd  300  80mal  vergrößert.  Der  Pfeil  er  zeigt  die  Richtung  kranialwärts  an.  ch 
Chorda.  R  Rückenmark,  d  Cutislamelle,  ml  Muskellamelle  des  Ursegments.  uh 
Höhle  des  Ursegments.  ivs  Intervertebral-  (=  Intersegmental-)spalte  (auf  Fig.  298). 
Sie  steht  am  kranialen  Ende  des  Schnittes  mit  der  Ursegmenthöhle  in  Verbindung, 
verliert  diese  jedoch  allmählich,  je  weiter  der  Schnitt  dorsalwärts  steigt,  weil  dort 
die  Muskellamelle  oder  das  Myotom  bereits  völlig  ausgebildet  ist ;  man  vergleiche 
dazu  Fig.  296.  gs  Grenze  der  ursprünglichen  Ursegmente.  sc  Skierotome,  auf  Fig.  298 
in  seiner  ganzen  Ausdehnung  noch  scharf  voneinander  geschieden,  sccr  kraniale, 
scca  kaudale  Skierotomhälften.  In  Fig.  299  und  300  haben  sich  bereits  je  eine  kaudale 
Hälfte  des  einen  Segmentes  mit  der  kranialen  des  nächstfolgenden  zu  den  Bogenanlagen 
des  bleibenden  Wirbels  —  die  auf  Fig.  299  in  der  Region  der  langen  Seitenfortsätze 
des  Schwanzes  lateral  sehr  weit  ausladen  —  zusammengefügt,  p  Perichordalzellen ; 
sie  bilden  die  am  meisten  medial  gelegene  Partie  der  Sklerotomzellen,  die  von  der 
Intervertebralspalte  nicht  geteilt  wird.  In  Fig.  298  erst  in  einer  dünnen  Schicht 
vorhanden,  stellen  sie  in  Fig.  299  bereits  den  primitiven  Wirbelkörper  dar,  dem  die 
Bogenanlagen  sich  seitlich  anfügen.  In  Fig.  299  kann  man  schon  die  „Fadenrollen- 
form" des  Wirbelkörpers  erkennen,  iv  die  intervertebralen  Partieen  der  Perichordal- 
zellen, die  genau  in  der  Mitte  des  ursprünglichen  Ursegments  in  der  Gegend  der 
verschwundenen  Intervertebralspalte  liegen  (Fig.  299)  und  die  Grenzen  der  späteren 
Wirbel  schon  jetzt  zeigen,  (jl  Spinalganglien,  in  Fig.  300  in  der  Höhe  des  Rücken- 
marks, den  größten  Teil  der  kranialen  Skierotomhälfte  verdrängend,  isg  Interseg- 
mentaigefäße ;  sie  sind  von  blasenartigen  Zellen  umgeben,  die  zwischen  den  beiden 
Bogenanlagen  liegen,     m  Muskeln,     ep  Epidermis. 

seiner  Lehre  von  der  „Neugliederung  der  Wirbelsäule"  sehr 
nahe  gekommen.  Er  war  es,  der  (am  Hühnchen)  bereits  erkannte, 
daß  die  „Urwirbel"  nicht,  wie  es  v.  Baer  annahm,  den  späteren 
Wirbeln  entsprechen  und  die  alleinige  (paarige)  Grundlage  der  Wirbel- 
körper samt  den  zugehörigen  Bogen  seien.  Er  wies  nach,  daß  aus 
den  Urwirbeln  (abgesehen  von  den  Spinalganglien  und  Nervenwurzeln, 
die  er  fälschlich  auch  aus  ihnen  ableitete)  zunächst  die  intervertebralen 
Muskeln  hervorgehen,  von  ihrer  ventralen  und  medialen  Fläche  aus 
aber  auch  das  Blastem  entstände,  welches  die  bleibenden  Wirbel  bilde. 

Der  Entwickelungsgang  der  Wirbelkörpersäule  ist  demnach,  wie 
er  wörtlich  sagt,  folgender:  „Die  aus  den  unteren  inneren  Kanten  der 
Urwirbel  hervorgegangenen  , primitiven  Wirbelkörper'  (die  wir  heute 
als  Skierotome  bezeichnen)  verschmelzen  miteinander,  und  gleichzeitig 
bilden  sich  neue  Grenzen  (die  Anlagen  der  Zwischenwirbelscheiben) 
für  die  sekundären  (bleibenden)  Wirbelkörper  in  der  Mitte  zwischen 
den  ursprünglichen  Grenzen.  Ein  sekundärer  Wirbelkörper  be- 
steht daher  aus  den  verschmolzenen  Schwanz-  und  Kopfteilen  je  zweier 
benachbarter  primitiver  Wirbelkörper,  und  das  veränderte  Lageverhältnis 
des  Wirbelbogens  ist  eine  notwendige  Folge  jener  Verschmelzung  und 
neuen  Gliederung,  da  der  Wirbelbogen,  welcher  mit  dem  Schwanzteile 
des  primitiven  Wirbelkörpers  zusammenhängt,  nach  erfolgter  neuer 
Gliederung  mit  dem  Kopfteile  des  sekundären  zusammenhängen  muß." 

Die  PtEMAK'sche  Anschauung,  die  er  mit  zwei  instruktiven  Ab- 
bildungen (Taf.  V,  Fig.  63  und  64  bei  Remak)  belegt,  ist  nach  unseren 
heutigen  Kenntnissen  hauptsächlich  darin  zu  berichtigen,  daß  die  Neu- 
gliederung der  Wirbelsäule  nicht  aus  einem  gleichförmigen  Blastem 
der  Ursegmente  hervorgeht,  sondern  schon  erfolgt,  wenn  die  Grenzen 
der  Skierotome  und  damit  auch  der  ursprünglichen  Ursegmente  noch 
vollständig  deutlich  sind. 

Remak's  Lehre  wurde  lange  Zeit  hindurch  (abgesehen  von 
Kölliker's  Lehrbuch,  1861)  von  vielen  Seiten  durchaus  nicht  aner- 
kannt.  Auf  Grund  von  neuen  und  neuesten  Arbeiten  (v.  Ebner  1888, 


524  H.  Schauinsland, 

1892,  0.  ScHULTZE  189(3,  1897,  Männer  1899,  Schauinsland  1900, 
R.  Baldus  1901)  kann  es  aber  nicht  mehr  zweifelhaft  sein,  daß  man 
berechtigt  ist,  von  einer  Neugliedernng  der  Wirbelsäule  im  Hinblick 
auf  die  ursprüngliche  Gliederung  durch  die  Ursegmente  zu  sprechen. 

Die  Zerlegung  der  Skierotome  durch  die  Intervertebralspalte  in 
zwei  gleiche  Hälften  läßt  das  Auftreten  von  primären  Doppel- 
bildungen an  der  Wirbelsäule,  wie  wir  sie  ja  schon  in  der  Reihe 
der  Anamnier  so  oft  nachweisen  konnten,  überaus  einleuchtend  er- 
scheinen. Auch  bei  den  Amnioten  nämlich  können  derartige  Bildungen 
beobachtet  werden.  Goette  (1896)  lenkte  zuerst  die  Aufmerksamkeit 
auf  sie.  An  der  maceerierten  kn  öchern  en  Schwanzwirbelsäule  von 
Lacerta  viridis  fand  er  hinter  den  Neuralbögen  noch  Rudimente  von 
solchen.  Zwischen  den  vorderen  größeren  und  den  hinteren  kleineren 
ist  anfangs  eine  Spalte  vorhanden,  die  aber  später  durch  Verwachsung 
der  beiden  Bogenanlagen  verschwindet.  Auch  an  den  Rumpfwirbeln 
finden  sich  derartige  Merkmale,  aus  denen  er  darauf  schließen  konnte, 
daß  die  definitiven  Wirbelbögen  von  Lacerta  durchweg  von  je  zwei 
hintereinander  liegenden  Bögen  zusammengesetzt  sind,  einem  voll- 
ständigen vorderen  und  einem  rudimentären  hinteren.  Ebenso  waren 
ihm  die  kaudalen  Seitenfortsätze  bei  Anguis  ein  indirekter  Beweis  für 
die  ursprüngliche  Doppelbildung  der  oberen  Wirbelbögen.  Doppelte 
Seitenfortsätze  beobachtete  er  auch  bei  Embryonen  von  Ovis  aries, 
Didelphys  quica,  Lepus  cuniculus  an  den  hinteren  Wirbeln. 

Goette  gelangte  auf  Grund  dieser  Befunde  und  ausgedehnter 
Studien  an  paläontologischem  Material  zu  dem  Ergebnis,  daß  die 
Bildung  vollständiger  Wirbel  mit  Wirbelkörpern  und  Wirbelbögen  bei 
allen  lebenden  Digitaten  (sowie  auch  in  der  Reihe  der  Amiaden)  mit 
doppelten  Wirbeln  in  jedem  Segment  beginnt,  und  daß  aus  diesen  die 
einfachen  Wirbel  durch  paarweise  Verschmelzung  unter  Rückbildung 
des  einen  oder  des  anderen  der  beiden  Komponenten  entstehen. 

Die  GoETTE'schen  Beweisstücke  wurden  noch  dadurch  vermehrt, 
daß  Männer  (1899)  an  der  Schwanzwirbelsäule  von  Anguis  und  Lacerta, 
anstatt  wie  Goette  erst  die  knöchernen,  nun  auch  die  knorpeligen 
doppelten  oberen  Bögen  nachwies.  Dasselbe  geschah  durch  Schau- 
insland (1900)  bei  Sphenodon,  der  außerdem  auch  auf  die  Doppel- 
bildungen im  Schwanz  von  Castor  fiber  und  von  Cetaceen  hindeutete. 
Wahrscheinlich  ist  es,  daß  solche  Doppelbildungen  in  der  Reihe  der 
Amnioten,  sei  es  bei  Embryonen,  sei  es  bei  erwachsenen  Tieren,  noch 
in  größerer  Anzahl  als  bis  jetzt  später  werden  aufgefunden  werden. 

Es  erscheint  aber  doch  richtiger,  anstatt,  wie  Goette  es  thut,  der 
die  von  vornherein  metamere  Entwickelung  des  skeletogenen  Gewebes 
und  das  gesetzmäßige  Verschmelzen  der  Skierotomhälften  noch  nicht 
kannte,  einen  phylogenetischen  Erklärungsgrund  für  die  Doppel- 
bildungen anzugeben,  ihn  in  der  Ontogenese  zu  suchen.  Bei  den 
Amnioten  ist  wohl  nicht  das  Verschmelzen  zweier  völlig  ausgebildeter 
Wirbel  zu  einem,  sondern  die  Zusammenfügung  zweier  Hälften  ehe- 
mals getrennter  Skierotomen  als  das  Ursprüngliche  anzusehen.  Diese 
Verlötung  erfolgt  meistens  schon  in  frühen  embryonalen  Stadien, 
seltener  während  der  Verknorpelung  oder  Verknöcherung;  unterbleibt 
sie  aber  ganz,  so  entstehen  die  Doppel-  (embolomeren)  Wirbel  in 
jedem  Segment.  — 

Die  Darstellung  der  Entwickelungsvorgänge  im  Zusammenhang 
erfolgt   wohl  am  besten  an  der  Hand  eines  bestimmten  Beispiels;   es 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  525 

mag  hierfür  Spheiiodon  gewählt  werden,    da  dieses  Objekt  in  nenerer 
Zeit  eine  eingehende  Bearbeitung  erfuhr  (Schauinsland  1900). 

Sobald  die  Skierotome  sich  auszubreiten  beginnen,  fügen  sich  zu- 
nächst ihre  medialen  Partieen  fester  der  Chorda  an,  wobei  sich  die 
der  rechten  und  linken  Seite  miteinander  verbinden.  Es  entsteht  auf 
diese  Weise  eine  dünne,  ringförmige  Schicht  perichordaler  Zellen 
[die  von  älteren  Autoren,  z.  B.  auch  noch  von  Corning  (1891),  „äußere 
Chordascheide"  genannt  wirdj.  Diese  sind  anfangs  ebenso  segmentiert 
(Fig.  298)  wie  der  übrige  Teil  der  Skierotome,  der  es  auch  weiterhin 
bleibt,  fließen  dann  aber  zusammen,  so  daß  man  bei  ihnen  nicht  mehr 
die  Grenzen  der  ursprünglichen  Segmente  erkennen  kann  (Fig.  299, 
300).  Anfangs  besitzt  die  perichordale  Zellenlage  eine  im  ganzen 
gleichmäßige  Ausbildung.  Bald  jedoch  verdickt  sie  sich  an  einzelnen 
bestimmten  Stellen,  und  zwar  liegen  diese  in  der  Mitte  der  Sklero- 
tome,  dort,  wo  sich  die  Intervertebralspalte  befindet.  Hier  macht  sich 
eine  gewisse  Wucherung  der  Zellen  bemerkbar,  so  daß  dadurch  ein 
dickerer  ringförmiger  Zellenwulst  entsteht,  dessen  mittlerer  Teil  sich 
bereits  histologisch  von  den  benachbarten  Partieen  zu  unterscheiden 
beginnt.  Die  perichordale  Zellenschicht  ist  nunmehr  wieder  segmen- 
tiert, aber  anders  als  früher.  Man  kann  regelmäßige  Abschnitte  an 
ihr  erkennen,  die  von  den  eben  genannten  Wülsten  begrenzt  werden 
und  von  der  Mitte  des  einen  Skierotoms  bis  zur  Mitte  des  anderen 
reichen,  an  ihren  beiden  Enden  am  dicksten  und  in  der  Mitte,  d.  h. 
also  an  der  Grenze  zweier  Skierotome  am  dünnsten  sind,  demnach 
die  Gestalt  eines  Stundenglases  oder  einer  Fadenrolle  besitzen. 
Jeder  Abschnitt  entspricht  dem  Körper  eines  späteren  Wirbels  ohne 
die  dazu  gehörigen  Bögen ;  man  kann  ihn  daher  zusammen  mit  dem 
von  ihm  eingeschlossenen  Chordastück  den  „primären  Wirbel- 
körper nennen.  Die  mittleren  Teile  der  wulstförmigen  Ver- 
dickungen der  Perichordalschicht  in  der  Gegend  der  Intervertebral- 
spalte der  Skierotome  —  die  sich  vorn  und  hinten  daran  anschließenden 
gehören  bereits  dem  Ende  des  vorhergehenden  und  dem  Anfang  des 
nächstfolgenden  primären  Wirbelkörpers  an  —  stellen  die  späteren 
intervertebralen  Partieen  der  Wirselsäule,  die  Zwischenwirbelscheiben 
(Menisci,  Fibrocartilagines  intervertebrales)  dar ;  wegen  ihrer  großen 
Aehnlichkeit  mit  den  übrigen  Teilen  der  perichordalen  Zellen  könnte 
man  sie  wohl  auch  als  primäre  Zwischenwirbelkörper  bezeichnen. 

Der  primäre  Wirbelkörper  wird  fast  allseitig  umgeben  von  den 
ebenfalls  aus  den  Skierotomen  entstandenen  „Bogenanlagen'^  Es 
ist  klar,  daß  zu  ihrem  Aufbau  auch  wieder  die  kranialen  und  kaudalen 
Hälften  je  zweier  verschiedener  Skierotome  beitragen  (Fig.  299). 
Aus  den  dorsalen  Partieen  der  Bogenanlagen,  die  das  Rückenmark 
umfassen,  indem  auch  dort  die  Skierotome  der  rechten  und  der  linken 
Seite  miteinander  verwachsen,  entwickeln  sich  die  oberen  (oder 
Neural-)Bögen ;  aus  denjenigen  Teilen  jedoch,  welche  in  der  Um- 
gebung der  Chorda  sich  um  den  primären  Wirbelkörper  legen,  den 
„Bogen  b äsen"  also,  entstehen  die  peripheren  Teile  des  Wirbel- 
körpers; sie  sind  es,  welche  zusammen  mit  dem  primären  Wirbel- 
körper den  definitiven  oder  sekundären  Wirbelkörper  (Goette, 
Schauinsland)  bilden. 

Man  darf  hierbei  jedoch  keineswegs  vergessen,  daß  die  primären 
Wirbelkörper  mit  den  Bogenanlagen  den  gemeinsamen  Ursprung 
aus   den   Skierotomen   teilen.     Trotzdem   verläuft   das   Anordnen   der 


526  H.  Schauinsland, 

Pericliordalzellen  um  die  Chorda  herum  zur  Bildung  des  primären 
Wirbelkörpers  und  das  Auftreten  der  Bogenanlagen,  im  besonderen 
ihrer  Basen,  zwar  gleichzeitig,  aber  dennoch  nebeneinander;  beide 
Wirbelkomponenten  werden  zwar  von  den  Skierotomen  erzeugt,  lassen 
sich  aber  schon  sehr  frühzeitig  histologisch  unterscheiden  und  können 
selbst  beim  erwachsenen  Tier  noch  getrennt  voneinander  nachgewiesen 
werden  (vergl.  auch  Fig.  307  a  und  b). 

Uebrigens  umfassen  die  Bogenanlagen  mit  ihren  Basen  den  pri- 
mären Wirbelkörper  nicht  überall  gleichmäßig;  in  beträchtlichster  Dicke 
liegen  sie  seinen  seitlichen  Partieen  auf,  dorsal  jedoch  —  unter- 
halb des  Nervenrohres  —  und  ventral  ■ —  oberhalb  der  Aorta  —  sind 
sie  unbedeutend  und  können  im  Schwanz  an  diesen  Stellen  sogar  fast 
völlig  fehlen  (Fig.  302). 

Aus  den  lateralen  Teilen  der  Bogenanlagen  nehmen  die  Quer- 
fortsätze  sowie  auch  die  Rippen  selbst  ihren  Ursprung. 

Die  Anlagen  der  unteren  Bögen  (Intercentra ,  hypochordale 
Spangen  [Froriep])  findet  man  nicht,  wie  es  bei  den  Anamniern  die 
Regel  ist,  im  Bereiche  der  primären  Wirbelkörper,  sie  sind  viel- 
mehr kranial  verschoben  und  liegen  an  der  Unterseite  des  primären 
Zwischenwirbel  körpers. 

Aus  den  Skierotomen  und  im  besonderen  aus  den  „Bogenanlagen" 
entwickeln  sich,  was  wohl  kaum  noch  besonders  betont  werden  darf, 
selbstvertändlich  nicht  nur  die  festen  Skelettteile  der  Wirbelsäule, 
sondern  auch  das  Bindegewebe,  welches  in  späteren  Stadien  Knorpel 
und  Knochen  des  Achsenskelettes  umgiebt  und  miteinander  verbindet. 

Aus  den  obigen  Schilderungen  ersieht  mau,  daß  bereits  im  Zu- 
stand der  „häutigen  Wirbelsäule"  alle  Komponenten  der  defini- 
tiven Wirbel  vorhanden  sind,  und  daß  die  bleibende  Wirbelsäule  sich 
nicht  etwa  aus  einem  ungegliederten  Blastem  aufbaut,  in  dem  eine 
Segmentierung  erst  durch  das  Auftreten  von  Knorpel  erfolgt,  sondern 
vom   ersten  Augenblick  an   eine  ganz  bestimmte  Gliederung  aufweist. 

Aus  den  Arbeiten  von  Goette  (1896),  Männer  (1899),  Baldus 
(1901)  u.  A.  ergiebt  es  sich  —  soweit  sie  auf  die  bisher  be- 
sprochenen Punkte  eingehen  —  daß  die  Entwickelung  bei  anderen 
Reptilien  (Lacerta  agilis,  Anguis  fragilis,  Tropidonotus  natrix,  Coronella 
laevis,  Hemidactylus  mabuia)  offenbar  ganz  ähnlich  verläuft  wie  bei 
Sphenodon. 

Eine  so  gleichmäßige  Verteilung  der  beiden  Skierotomhälften  auf 
den  in  Entstehung  begriffenen  Wirbel,  wie  sie  oben  beschrieben  wurde, 
zeigt  sich  übrigens  nur  im  Seh  v/  a  n  z  e.  An  anderen  Stellen  des 
Körpers  findet  eine  mehr  oder  weniger  starke  Verdrängung  der  kra- 
nialen Skierotomhälften,  namentlich  der  kranialen  Bogenanlagen  statt. 
Veranlassung  hierzu  wird  in  erster  Linie  schou  durch  das  starke 
Wachstum  des  äußerst  voluminösen  Spinalganglion  gegeben,  das  inner- 
halb des  kranialen  Skierotomabschnittes  liegt  (Fig.  300).  Die  stärkere 
Entwickelung  des  kaudalen  Skierotomstückes  kommt  auch  dadurch 
zum  Ausdruck,  daß  es  an  fingierten  Präparaten  viel  stärker  gefärbt 
erscheint  als  das  andere,  ein  Verhalten,  auf  das  0.  Schultze  (1896) 
bei  der  Entwickelung  der  Säugetierwirbelsäule  zum  ersten  Male  hin- 
gewiesen hat.  Es  liegt  auf  der  Hand,  daß  diese  stärkere  Ausbildung 
des  kaudalen  Skierotomteiles  auch  von  Einfluß  auf  die  spätere  Ent- 
wickelung der  knorpeligen  und  knöchernen  Wirbelelemente  sein  wird. 
Während  bei  Sphenodon  in  einem  beträchtlichen  Teile  des  Schwanzes 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  527 


auch  in  späterer  Zeit  beide  Wirbelhälften  ziemlich  gleichmäßig  aus- 
gebildet sind,  überwiegt  je  weiter  nach  vorne  zum  Rumpfe  hin  und 
innerhalb  dieses  selbst  der  vordere  Wirbelteil,  das  heißt  also  die 
kaudale  Skierotomhälfte,  wenigstens  was  die  oberen  Bögen 
anbelangt,  immer  mehr.  Wir  erhalten  also  auch  hier  wieder  das  Re- 
sultat, welches  wir  bereits  bei  den  Auamniern  gewannen  (vergi.  Holo- 
cephaleu,  Amia  etc.  etc.),  daß  der  kraniale  Teil  des  bleibenden 
Wirbels,  bezw.  Wirbelbogens  {ob  und  uh  =  kau  dal  er  Skierotom- 
abschnitt) der  umfangreichere  und  wichtigere  ist. 

Späteren  Untersuchern   bieten  nach  dieser  Richtung  hin  die  Am 
nioten    noch    ein   dankbares    Arbeitsfeld 
oder   geringeren    Grad    der 
die   in   einzelnen  Fällen  vielleicht 

des   einen   der   beiden   führen    kann,    an    der  Bildung   des  definitiven 
Wirbels    offenbar    (neben    der    verschiedenartigen    Entwickelung    der 
Zwischenwirbelpartieen  und  der  Art 
und  Weise  der  Verknöcherung  der 
einzelnen  Wirbelteile  sowie  der 


Beteiligung 
sogar 


Richtung  hin 
Ist   doch   in   dem   größeren 
der    beiden    Skierotomstücke, 
dem  völligen  Ausschalten 
düng   des 


zu 


er  B 


ge- 


legentlichen nachträglichen  Ver- 
schiebungen derselben)  das  haupt- 
sächlichste Moment  zu  sehen,  um 
die  Verschiedenheiten  auch  im  Bau 
der  Amniotenwirbelsäule  zu  er- 
klären. 

Fig.  301.  Horizontaler  Längsschnitt 
durch,  den  Schwanz  eines  Spnenodon- 
embryos.  Das  geschnittene  Stück  war  an 
beiden  Enden  dorsalwärts  gekrümmt,  so 
daß  der  Schnitt  dort  das  Rückenmark  und 
die  oberen  Bögen,  in  der  Mitte  jedoch  den 
primären  Wirbelkörper  und  die  Bogenbasen, 
welche  diesen  seitlich  anliegen,  trifft.  Vergr. 
64mal.  er  kranial.  R  Eückenmark.  ob  die 
in  dem  kaudalen  Skierotomstück  entstan- 
denen knorpeligen  oberen  Bögen,  ob^  die 
aus  dem  kranialen  Skierotomstück  entstan- 
denen oberen  Bögen,  gs  Grenzen  der  ehe- 
maligen Ursegmente,  deutlich  im  Binde- 
gewebe kenntlich,  prtvk  der  oberflächlich 
angeschnittene  primäre  Wirbelkörper,  iv 
Zwischen  Wirbel. 


:?■ 


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--•et' 


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-S2)n 

-ob 
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-ob. 


i** 


-IV 


Doch  fahren  wir  in  der  Betrachtung  der  Wirbelsäule  an  der  Hand 
der  bei  Sphenodon  beobachteten  Entwickelungsvorgänge  fort!  Der 
kaudale  Skierotomteil  des  einen  ursprünglichen  Ursegments  und  der 
kraniale  des  nächstfolgenden  fügen  sich  allmählich  dichter  zu  den 
Bogenanlagen  des  definitiven  Wirbels  zusammen,  so  daß  die  Grenzen 
zwischen  ihnen  undeutlicher  werden,  bisweilen  sich  sogar  fast  völlig  ver- 
wischen können.  Gleichzeitig  damit  dringt  das  Myotom ,  das  auf 
horizontalen  Längsschnitten  in  dreieckiger  Gestalt  erscheint,  gleichsam 
wie  ein  Keil  an  der  Stelle  der  Intervertebralspalte  vor,  wodurch  die 
Hälften  eines  ehemals  gemeinsamen  Skierotoms  getrennt  und  an  die 
des  Nachbarn  herangedrängt  werden ;  auch  hierdurch  schon  werden  die 
Grenzen  der  einzelnen  bleibenden  Wirbel  bestimmtere  (Fig.  299,  300). 

Dieses  ist  auch  der  Zeitpunkt,  in  dem  die  V  e  r  k  n  o  r  p  e  1  u  n  g  be- 


528 


H.  Schauinsland, 


liegen  am  vorderen,  zwei  am 


Knorpelherde ,   die 
hinteren 


ginnt.     Bei  Sphenodon    erscheinen   zunächst  vier 

bilateral  angeordnet  sind;  zwei 

Ende  des  Wirbels,  und  zwar   in  den  Bogenanlagen,    so  daß  in  jedem 

ursprünglichen  Skierotomteil  je  einer  rechts  und  links  von  der  Chorda 

sich  befindet.    Die  beiden  vorderen,  also  die  in  der  kaudalen  Sklerotom- 


hälfte  gelegenen,  sind 
Rumpfe  verschmelzen 
eine  m  Knorpelherd , 


getrennt 


mächtiger  als  die  beiden  hinteren  (Fig.  30f ).    Im 

die   vorderen    und    die   hinteren    sehr   bald    zu 

werden   hier  vielleicht  oft  sogar  auch  gar  nicht 

voneinander    angelegt.     Im    Schwänze    dagegen    bleiben    sie 


längere  Zeit  voneinander  geschieden  und  wachsen  zu  getrennten  Bogen- 
knorpeln  aus  (Fig.  301).  Wir  haben  somit  auch  bei  den  Reptilien 
wieder,  wenn  auch  meistens  rasch  vorübergehend,  in  jedem  Wirbel 
ein  großes  kaudales  {ob,  kaudal  in  Bezug  auf  die  ursprüngliche 
Skierotomhälfte  und  nicht  auf  den  fertigen  Wirbel)  und  ein  davon 
gesondertes,  kleines,  kraniales  {ohi  auf  P'ig.  301)  Bogenpaar,  wie  wir 
es  ja  fast  überall  bei  den  Anamniern  fanden. 

Männer  konnte  eine  solche  doppelte  Bogenanlage  auch  in  der 
hinteren  Schwanzregion  von  Lacerta  agilis  nachweisen  —  er  nannte 
sie  Haupt-  und  Nebenbogenanlagen  —  während  ja  bereits  Goette 
(1896)  an  den  macerierten  Schwänzen  von  Lacerta  viridis  einen  voll- 
vorderen und  einen  rudimentären  hinteren  knöchernen 
aufgefunden  hatte. 

Bald  verwachsen  die  kaudalen  und  kranialen  Bogenpaare  mitein- 
ander zu  einem  einheitlichen  Stück,    doch  läßt  eine  Furche  in  diesem 


ständigen 
Wirbelbogen 


Fig.  302. 


Fig.  303.     obh 


^(ß 


>Vr 


-=^^^- 


^''^-^^ 


r 


Fig.  302  und  303.  Zwei  Querschnitte  durch  die  Schwanzwirbelsäule  eines  ziem- 
lich jungen  Spbenodonembryos.  Vergr.  112raal.  Der  Schnitt  in  Fig.  302  geht  etwa 
durch  die  Mitte  des  Wirbels,  der  andere  trifft  die  Intervertebralregion  (den  Zwischen- 
wirbel). ^jrwÄ;  der  aus  den  Perichordalzellen  entstandene  primäre  Wirbelkörper,  iv 
die  an  den  Zwischen wirbelpartieen  gelegenen  Perichordalzellen  („primärer  Zwischen- 
wirbelkörper''), oh  obere  Bögen,  nur  erst  zum  Teil  knori:)elig;  dorsal  wird  das 
Rückenmark  {R)  noch  durch  „häutige"  Bögen  {nhh)  eingeschlossen,  obb  die  Basen 
der  oberen  Bögen,  die  den  primären  Wirbelkörper  teilweise  umfassen;  mit  dem 
primären  Wirbelkörper  zusammen  bilden  sie  den  sekundären  Wirbell^örper.  nb 
untere  Bögen  (chevron  bones  etc.),  die  dem  „primären  Zwischenwirbelkörper"  ebenso 
aufsitzen,  wie  die  oberen  dem  primären  Wirbelkörper,    gl  Spinalganglion,    g  Gefäße. 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  529 


noch   lange  Zeit   hindurch,    selbst   nach    der  Verknöcherung,   die  ehe- 


maligen Verhältnisse 
Längsschnitte    durch 


erkennen  (Fig.  307  a 
die  Neuralbögen  des 


u.  b),   wie 
Schwanzes 


auch  horizontale 
eine   charakteri- 


stische bisquitförmige  Gestalt  aufweisen. 


Fig.  304,  305,  306.  Zwei 
Querschnitte  und  ein  horizon- 
taler Längsschnitt  durch  die 
Wirbelsäule  von  Sphenodon. 
Vergr.  48mal.  Fig.  304  und 
306  gehören  zu  zwei  fastgleich- 
alterigen  Embryonen  mittleren 
Entwickelungsstadiums.  Fig. 
305  stammt  von  einem  älteren 
Embryo  her.  Schnitt  Fig.  305 
geht  durch  den  3.  Halswirbel, 
während  die  beiden  anderen  der 
mittleren  Rumpfgegend  an- 
gehören, ch  Chorda,  prwk 
primärer  Wirbelkörper.  oh 
obere  Bögen,  hob  die  blasi- 
gen   Zellen    in    der  mittleren 


Fig.  304. 

2)rtvk   kd  ch 


k,  kv 


Fig.  305 


Partie  der  ßogenbasen  (wahr- 
scheinlich der  Außenzone  der  Se- 
lachierwirbel  entsprechend),  kv 
und  kd  ventrale  und  dorsale 
periostale  Knochenlamelle.  k^ 
die  Verknöcherung,  welche,  von 
den  äußeren  Knochenlamellen 
ausgehend,  au  der  Grenze  von 
primärem  Wirbelkörper  und  Bo- 
genbasen  in  das  Innere  des  Wirbel- 
körpers vordringt,  mk  rechter  und 
linker  Markkanal,  den  primären 
Wirbelkörper  (Fig.  305)  ganz  frei- 
legend, rml  und  dml  ventrale  und 
dorsale  Oeffnungen  der  Mark- 
räume nach  außen,  kob  perio- 
staler Knochenbelag  der  oberen 
Bögen,  durch  eine  Knorpelnaht 
(bn)  von  dem  Knochen  des  Wirbel- 
körpers und  der  ^Bogenbase  ge- 
trennt, r  Rippen,  kr  Knochen- 
belag der  Rippen,  m  Knorpel- 
naht zwischen  Rippe  und  oberem 
Bogen,    m  Muskeln,     iv  Zwischenwirbelpartie, 

Handbuch  der  Entwickelungslchre.  III.  2. 


Fig.  306. 


clikn 
chs 


',mih 


34 


530  H.  Schauinsland, 

Die  bis  dahin  das  Nervenrohr  umgebenden  häutigen  Wirbelbögen 
werden  allmählich  immer  mehr  durch  Knorpel  verdrängt,  und  schließ 
lieh  stoßen    die  ganz  knorpeligen  Bögen  jeder  Seite  dorsal  zusammen 
und  vereinigen  sich  in  einer  breiten  Längsnaht  miteinander. 

Im  Anfange  der  Verknorpelung  unterscheiden  sich  die  Bögen 
äußerst  deutlich  von  dem  primären  Wirbelkörper,  auf  dem  sie  gleichsam 
reiten,  indem  die  Bogenbasen  ihn  seitlich  umfassen  (Fig.  302).  All- 
mählich umwachsen  sie  ihn  fast  völlig,  wenigstens  in  der  Rumpfregion, 
während  sie  im  Schwänze,  und  zwar  je  mehr  nach  der  Schwanzspitze, 
in  desto  höherem  Grade,  ihn  an  der  ventralen  Seite  freilassen. 
Dorsal,  unterhalb  des  Rückenmarkes,  bleibt  bei  allen  Wirbeln  der 
primäre  Wirbelkörper  längere  Zeit  vom  Knorpel  der  Bogenbasen  frei, 
in  späteren  Stadien  kann  er  aber  auch  auf  diese  Stellen  herübergreifen. 

Hieraus  erklärt  es  sich,  wie  einige  Autoren  die  Wirbelsäule  aus 
einer  oben  offenen  knorpeligen  Halbrinne  —  wie  bei  den  Rumpfwirbeln 
von  Sphenodon  —  oder  selbst  aus  zwei  seitlich  voneinander  völlig 
getrennten  Knorpelstücken  (Ebner  u.  A.)  entstanden  ansehen  konnten. 

Während  einer  kurzen  Periode  verwachsen  die  dorsalen  Bogen- 
stücke  benachbarter  Wirbel  miteinander,  so  daß  diese  Teile  dann  ein 
einheitliches  Knorpelstück  darstellen;  dieses  Stadium  dauert  aber 
nicht  lange,  da  sich  der  zusammengelötete  Knorpel  hier  wieder  spaltet 
und  sekundär  an  diesen  Stellen  die  Gelenkflächen  der  vorderen 
und  hinteren  Zygapophysen  sich  bilden. 

Aber  nur  an  diesen  Teilen  findet  vorübergehend  eine  Ver- 
schmelzung des  Knorpels  statt;  ältere  Angaben  (z.  B.  Rathke  1866, 
Gegenbaur  1862),  daß  die  ganze  Wirbelsäule,  selbst  an  den  inter- 
vertebralen  Partieen,  anfangs  ein  kontinuierliches  Knorpelstück 
darstellen  soll,  das  sich  erst  später  in  Segmente  teile,  dürften  wahr- 
scheinlich auch  bei  anderen  Reptilien  nicht  der  Wirklichkeit  ent- 
sprechen. 

Die  Bogenbasen  bestehen  in  dem  mittleren  Teil  des  Wirbels, 
dort,  wo  sie  der  konkaven  Peripherie  des  „fadenrollenartigen"  primären 
Wirbelkörpers  lateral  anliegen  und  die  Höhlung  der  „Fadenrolle''  aus- 
füllen, aus  großen  blasigen  Zellen  (Fig.  304,  305,  306).  Schon  in  recht 
frühen  Stadien  macht  sich  dieses  Gewebe  —  an  den  Grenzen  zweier 
ursprünglicher  Ursegmente  —  bemerkbar  (Fig.  299).  Es  fällt  ebenfalls 
der  Verknorpelung  anheim,  wenn  auch  in  etwas  abweichender  Weise. 
Ohne  daß  prächondrale  Elemente  vorausgehen,  oder  eine  beträchtliche 
hyaline  Grundsubstanz  ausgeschieden  wird ,  verdicken  sich  die  Zell- 
wände nur  wenig,  reagieren  aber  allmählich  gegenüber  Farbstoffen 
ebenso  wie  Knorpel.  Nach  den  beiden  Enden  des  Wirbels  hin  gehen 
diese  Zellen  ohne  scharfe  Grenzen  in  kleinzelligen  Knorpel  über 
(Fig.  306). 

In  ebenderselben  Weise  spielt  sich  der  Vorgang  der  Ver- 
knorpelung im  primären  Wirbelkörper  ab,  indem  er  von  den 
großen  Zellen  der  Wirbelbogenbasen  allmählich  auf  ihn  herübergreift; 
er  beginnt  an  den  beiden  Enden  und  schreitet  nach  der  Mitte  hin  fort. 

Sind  Bogenbasen  und  primäre  Wirbelkörper  völlig  verknorpelt, 
so  ist  es  nicht  ganz  leicht,  beide  Elemente  voneinander  abzugrenzen ; 
doch  ermöglicht  auch  in  diesem  Stadium  die  verschiedene  Gestalt  der 
Zellen  —  runde  bis  polygonale  Form  bei  ersteren,  längliche  und  stab- 
bis  wurstförmige  bei  letzteren  —  immerhin  sie  zu  unterscheiden. 

Es  ist  übrigens  fraglich,  ob  bei  allen  Reptilien  die  Verknorpelung 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  ßippen  und  Brustbein.  531 

der  Bögen  der  des  Wirbelkörpers  vorangeht;  bei  Tropidonotus  soll 
nach  V.  Ebner  das  Umgekehrte  der  Fall  sein. 

Nach  Umwachsung  des  primären  Wirbelkörpers  seitens  der 
knorpeligen  Bogenbasen  kann  man  von  einem  sekundären  knor- 
peligen Wirbelkörper  sprechen  (Fig.  302,  304—307). 

Lateral  von  den  oberen  Bögen  in  der  Höhe  der  Chorda  oder  weiter 
dorsalwärts  bis  hoch  auf  die  Neuralbögen  heraufgerückt  (Fig.  305)  be- 
finden sich  die  Fortsätze,  die  entweder  in  Rippen  und  Rippen- 
träger  (Q  u  e  r  f  o  r  t  s  ä  t  z  e)  sich  gliedern  oder,  wie  an  den  letzten 
Schwanzwirbeln,  wenigstens  später,  ungegliederte  Seitenfortsätze 
darstellen.  Sie  sind  sowohl  im  bindegewel3igen  als  auch  im  knorpeligen 
Zustand  in    kontinuierlicher  Verbindung  mit  den  oberen  Bögen. 


f^_    1 


y  f 


chk 


Fig.  307  a  und  b.  Der  erste  Teil  der  Schwanzwirbelsäule  eines  kurz  vor  dem 
Ausschlüpfen  stehenden  Sphenodonembryos  von  unten  inid  von  der  Seite.  Vergr. 
etwa  ö^/omal.  Das  Präparat  war  zunächst  etwas  eingetrocknet  und  dann  mit  Alkohol- 
Glycerin  behandelt  worden,  wodurch  die  Verhältnisse  des  stundenglasförmigen  pri- 
mären {pwk)  und  sekundären  (sjck)  Wirbelkörpers  deutlich  zur  Anschauung  kommen. 
iv  Zwischenwirbelpartie,  uh  die  daran  sitzenden  unteren  Bögen,  br  Beckenrippen. 
sr  Schwanzrippen  (Seitenfortsätze),  am  letzten  Wirbel  in  Gestalt  zweier  Stümpfe. 
An  den  Beckenrippen  ist  die  beginnende  Drehung  aus  der  dorso-ventralen  Lage  der 
Rumpfrippen  in  die  kranio-kaudale  der  Schwanzrippen  sichtbar,  bn  Naht  zwischen 
dem  oberen  Teil  der  oberen  Bögen  und  den  Basen  der  oberen  Bögen  (bob),  die  den 
primären  Wirbelköri^er  umfassen.  /  Furchen  an  den  Wirbelkörpern,  oberen  Bögen 
und  Schwanzrippen  auf  ihre  Entstehung  aus  zwei  Teilen  hindeutend,  chk  ver- 
knöcherter Chordaknorpel.  „  .^j, 


532  H.  Schauinsland, 

Im  Schwänze  deutet  alles  darauf  hin,  daß  die  Rippen  —  Quer- 
und  Seitenfortsätze  —  ebenso  wie  die  übrigen  Bestandteile  des  Wirbels, 
aus  zwei  Stücken  verschmolzen  sind ,  einem  kranialen  (=  kaudalen 
Skierotomabschnitt)  und  einem  kaudalen  (=  kranialen  Skierotomstück) 
(Fig.  299,  307  a  und  b).  Goette  (1S96)  war  bei  dem  Studium  der 
sacralen  und  kaudalen  Seitenfortsätze  von  Anguis  ebenfalls  schon  zu 
diesem  Schlüsse  gekommen. 

Je  weiter  nach  dem  vorderen  Körperende  hin,  in  desto  geringerem 
Maße  beteiligt  sich  die  kraniale  Skierotomhälfte  am  Aufbau  von  Rippe 
und  Querfortsatz,  so  daß  im  Rumpfe  diese  Skelettteile  fast  nur,  oder 
sogar  ausschließlich  allein  vom  kaudalen  Skierotomstück  gebildet 
werden.  Dementsprechend  findet  man  ja  bei  den  Amnioten  überhaupt 
die  Rippe  dem  vorderen  Teil  des  definitiven  Wirbels  angeheftet. 

Die  Anlagen  der  unteren  Bögen  [die  gleichzusetzen  sind  den 
„hypochordalen  Spangen",  welche  nach  Froriep  (1883  und  1886)  beim 
Huhn  und  Rind  die  „primitiven  oberen  Wirbelbogen"  unterhalb  der 
Chorda  miteinander  verbinden]  liegen,  wie  bereits  bemerkt  wurde, 
bei  Sphenodon  intervertebral;  sonst  verhalten  sie  sich  bei  ihrer 
Verknorpeln  ng  im  größten  Teil  des  Schwanzes  ebenso  wie  die 
oberen  Bögen.  Es  erscheinen  dabei  zunächst  zwei  kleinere  Knorpel- 
kerne, welche  dem  „Zwischenwirbelkörper"  unten  und  seitlich  auf- 
sitzen. Diese  wachsen  dann  zu  zwei  gebogenen  Knorpelstäben  aus 
(Fig.  303),  die  sich  schließlich  miteinander  vereinigen  und  auch  einen 
Dornfortsatz  bilden  können  (Fig.  307  a,  b),  so  daß  die  Hauptblut- 
gefäße des  Schwanzes  dann  in  einem  geschlossenen  Bogen  liegen, 
ebenso  wie  das  Nervenrohr  innerhalb  der  oberen  Bögen.  Auch  diese 
unteren  Bögen  heben  sich  äußerst  scharf  von  den  intervertebralen 
Perichordalzellen  („dem  primären  Zwischen wirbelkörper")  ab,  und  ihre 
Basen  umfassen  sie  seitlich  ebenfalls  etwas,  wenn  auch  in  bedeutend 
geringerem  Grade,  wie  es  bei  den  Neuralbögen  der  Fall  ist  (Fig.  303). 

Derart  entwickelte  kau  dal  e  untere  Bögen,  wie  sie  eben  bei 
Sphenodon   beschrieben  wurden,   kommen  der  Mehrzahl  der  Reptilien 

—  den  Cheloniern  meistens  nur  rudimentär  —  zu.  Man  nannte  sie 
auch  OS  en  chevron,  chevron-bones,  Intercentra,  Zwischenwirbelbeine, 
Gabelknochen,  Basiventralia  (Gadow).  Auch  bei  Vögeln  können 
sie  beobachtet  werden,  und  unter  den  Mamma lien  finden  sie  sich 
z.  B.  bei  den  Cetaceen,  Edentaten,  Marsupialien. 

In  den  übrigen  Körperregionen  kommt  es  bei  Sphenodon  nicht 
zu  so  starker  Ausbildung  der  unteren  Bögen.  An  der  ventralen  Seite 
der  intervertebralen  Perichordalzellenschicht  (primärer  Zwischenwirbel- 
körper) erscheinen  hier  wohl  auch  die  paarigen  Anlagen  derselben, 
sie  wachsen  aber  nicht  zu  richtigen  Bögen  aus,  sondern  verschmelzen, 
wenigstens  in  der  Hals-  und  vorderen  Rumpfregion,  sofort  miteinander 
zu  einer  un  paaren  Knorpelspange,  und  bei  älteren  Tieren  finden 
wir  an  jedem  Zwischenwirbelstück  entweder  knöcherne  Spangen  oder 

—  vom  4.  Schwanzwirbel  an  —  richtige  untere  Bögen. 

(HowES  und  SwiNNERTON  1901  machen  die  bis  jetzt  noch  nicht 
erklärbare  Angabe,  daß  im  Laufe  der  Entwickelung  bei  Sphenodon 
die  primären  paarigen  „Intercentra"  vom  9.  bis  zum  30.  Wirbel  voll- 
ständig verschwinden  und  daß  dann  erst  später  wieder  statt  ihrer 
die  sekundären  unpaaren  Intercentren  erscheinen.  Die  „chevrons" 
vom  4.  Kaudalwirbel  an  gehen  aber  auch  nach  ihm  direkt  aus  den 
paarigen  Anlagen  hervor.) 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  533 

Außer  Sphenodon  besitzt  wohl  kein  anderer  recenter  Vertreter 
der  Amnioten  dauernd  zwischen  jedem  Wirbel  intervertebrale  untere 
Bögen  oder  diese  ersetzende  unpaare  Spangen.  Nur  bei  LacertiUern 
finden  sie  sich  außer  im  Schwänze  auch  noch  zwischen  mehreren 
Halswirbeln,  sonst  werden  sie  zwar  immer  als  bindegewebige  „hypo- 
chordale  Spangen"  angelegt,  verschwinden  aber  im  Laufe  der  Ent- 
wickelung vollkommen,  sei  es  daß  es  überhaupt  nicht  mehr  zu  einer 
Verknorpelung  kommt,  sei  es  daß  sie  auch  erst  nach  dieser  mit  dem 
Körper  des  nächstfolgenden  Wirbels  völlig  verschmelzen. 

Auf  die  abweichenden  Verhältnisse  an  den  beiden  ersten  Hals- 
wirbeln kommen  wir  später  noch  zu  sprechen. 

Ueber  die  morphologische  Stellung  der  eben  besprochenen 
Skelettteile  herrscht  bis  jetzt  noch  keineswegs  Uebereinstimmung. 
Unsere  (Schauinsland)  Ansicht  hierüber  ist  folgende:  Sämtliche  dem 
Zwischenwirbelstück  ventral  angefügten  Skelettteile,  mögen  sie  als 
wirkliche  Bögen  oder  als  paarige  oder  unpaare  Knöpfe  oder  Spangen 
ausgebildet  sein,  sind  einander  homolog.  Sie  sind  als  untere  Bögen 
aufzufassen  oder  richtiger  als  Teile  des  Komplexes  der  unteren  Bögen, 
denn  offenbar  sind  zu  diesen  auch  die  Rippen  und  Querfortsätze  sowie 
ein  Teil  der  Seitenfortsätze  zu  zählen.  (Wie  weit  zu  den  Rippenträgern 
sich  etwa  noch  sekundär  Skelettteile  hinzufügen,  die  ursprünglich  nichts 
mit  den  unteren  Bögen  zu  thun  haben,  werden  spätere  Untersuchungen 
noch  zu  entscheiden  haben.)  Man  erinnere  sich  dabei,  daß  bereits  bei 
vielen  Anamniern  —  Selachiern,  Ganoiden  etc.  —  (Fig.  213,  238,  239) 
an  der  ursprünglich  eihheitlichen  Masse  der  unteren  Bögen  eine  Nei- 
gung sich  bemerkbar  macht,  allmählich  in  eine  dorsale  Portion  —  zu 
der  die  Rippen  gehören  —  und  in  eine  ventrale  —  die  sog.  Hämalfort- 
sätze  —  zu  zerfallen.  Es  ist  nicht  unwahrscheinlich,  daß  ein  solcher 
Vorgang  auch  bei  den  Vorfahren  der  Amnioten  stattgefunden  hat;  ist 
das  aber  der  Fall,  so  sind  die  ventralen  Bögen  und  Spangen  der  Am- 
nioten den  Hämalfortsätzen  der  Anamnier  gleichzusetzen.  Als  Beweise 
für  die  Zusammengehörigkeit  der  beiden  Elemente  könnten  die  Fälle 
angeführt  werden,  jn  denen  „Spangen"  und  Rippen  wirklich  noch 
miteinander  vereinigt  sind.  An  den  beiden  ersten  Halswirbeln  der 
Crocodiliden  kann  man  ein  solches  Verhalten  thatsächlich  noch 
in  späten  Stadien  beobachten  (Fig.  313). 

Auch  bei  Sphenodon  hängen  die  hypochordalen  Spangen  dieser 
beiden  Wirbel  in  frühen  Entwickelungsstadien  dorsalwärts  mit  Rippen 
zusammen;  letztere  sind  hier  allerdings  nicht  knorpelig,  sondern  nur 
in  Gestalt  von  Bindegewebssträngen  vorhanden,  die  später  ganz  ver- 
schwinden. Beim  Huhn  giebt  Froriep  (1883)  an,  daß  am  7.  und 
8.  Brüttage  die  Rippen  sich  dort  befinden,  wo  „das  laterale  Ende  der 
nun  geschwundenen  hypochordalen  Spange  gelegen  haben  würde". 
Auch  bei  anderen  Vögeln  kann  eine  Verbindung  zwischen  Spange  und 
(bindegewebiger)  Rippe  hin  und  wieder  zur  Beobachtung  gelangen 
(Fig.  319). 

Ein  Unterschied  zwischen  den  Amnioten  und  Anamniern  bliebe 
aber  immer  noch  darin  bestehen,  daß  bei  letzteren  die  unteren  Bögen 
—  auch  die  Hämalfortsätze  —  intravertebral,  bei  ersteren  in  der 
Regel  inter  vertebral  liegen,  ja  in  späteren  Stadien  sogar  mit  dem 
nächst  vorhergehenden  Wirbel  verbunden  sein  können,  z.  B.  bei 
Anguis  (Goette). 


534 


H.  Schauinsland, 


Es  hat  bei  den  Amnioten  also  eine  Verschiebung  stattgefunden, 
und  zwar  kranialwärts,  denn  die  intervertebralen  unteren  Bögen  und 
Spangen  gehören  ohne  Zweifel  ursprünglich  dem  vorderen  Teil  des 
n  ä  ch  s  t  f  0 1  g  e  n  d  e  n  Wirbels  (also  je  der  kaudalen  Sklerotonihälfte)  an 
und  sind  erst  im  Laufe  der  phylogenetischen,  bisweilen  sogar  erst  der 
ontogenetischen  Entvvickelung  nach  vorne  in  den  intervertebralen  Raum 
gedrängt  worden.  Nach  Froriep  (1886)  bildet  bei  Hühnerembryonen 
die  (eine  ventrale  Brücke  der  primitiven  Wirbelbögen  darstellende) 
hypochordale  Spange  eine  Hervorragung  an  der  kranio-ventralen 
Kante  des  Körpers,  und  bei  Säugetierembryonen  rückt  sie  sogar  bis 
nahe  zur  Mitte  des  Körpers  herab.  Auch  die  bleibenden  unteren 
Bögen  im  Schwänze  der  Vögel  sieht  man  in  jugendlichen  Stadien 
dem  je  folgenden  Wirbel  angefügt  (Fig.  308). 


Fig.  308.  Sagitlaler  Längs- 
schnitt, durch  das  hintere  Ki'irper- 
ende  eines  8,5  cm  langen  Embryos 
von  Puffinus  cuneatus.  Vergr. 
20inal.  wk  Wirbelkörper.  ob 
obere  Bögen.  Sowohl  Wirbel- 
körper als  auch  obere  Bögen 
verschmelzen  am  Ende  der  Wir- 
belsäule mit  ihren  Nachbarn  und 
bilden  den  „Pygostyl".  t(h  untere 
Bögen ;  sie  sitzen  dem  vorderen 
Ende  des  je  folgenden  Wir- 
belkörpers an  (kaudales  Sklero- 
tomstück).  ch  Chorda;  sie  zeigt 
noch  keine  Einschnürungen,  i? 
Rückenmark,  am  äußersten  Ende 
zum  A^entriculus  terminalis  (Ä) 
erweitert. 


An  dieser  Verschiebung  auf  die  Zwischenwirbelpartieen  nimmt 
häufig  auch  die  andere  Portion  des  Komplexes  der  unteren  Bögen  — 
die  Rippe  —  teil  (Fig.  313),  so  daß  man  sogar  darauf  gekommen  ist 
(K.  Hoffmann  1879),  die  intervertebrale  Lage  der  Rippen  der  Amnioten 
als  den  primären  Zustand  zu  bezeichnen. 

Daß  diese  Verschiebung  der  unteren  Bögen  im  Zusammenhang  steht 
mit  der  äußerst  starken  Entwickelung  der  oberen,  ist  mehr  als  wahr- 
scheinlich. Es  ist  einleuchtend,  daß  durch  die  fast  völlige  Umwachsung 
des  gesamten  Wirbelkörpers  durch  die  Basen  der  oberen  Bögen 
allein    die  Lage   der   unteren  Bögen  stark  beeinflußt  werden  mußte. 

Für  die  Darstellung  der  V  e  r  k  n  ö  c h  e  r  u  n  g  mag  wiederum  Sphe- 
nodon  als  Vorbild  dienen.  Bei  ihrem  Beginn  erscheint  zunächst  an 
der  ventralen  Außenseite  des  Wirbelkörpers,  und  zwar  in  seiner 
Mitte,  eine  dünne  Knochenlamelle,  von  der  es  nicht  unwahrscheinlich 
ist,  obgleich  eine  direkte  Beobachtung  bis  jetzt  nicht  vorliegt,  daß  sie 
aus  einer 
ist.     Sie  bildet 


anfangs 


seme 


bisherige 


ö  --  jetzt  ,^...^^. 

getrennten,   rechten   und  linken  Hälfte  entstanden 
sich  dadurch,   daß  das  Perichondrium  an  dieser  Stelle 


Thätigkeit,  dem  bereits  vorhandenen  Knorpel  neuen 
aufzulagern,  aufgiebt  und  Knochen  zu  produzieren  anfängt.  Dieser 
allmähliche  Uebergang  des  Perichondriums  in  Periost  läßt  sich  in 
frühen  Stadien  sehr  gut  verfolgen.  Etwas  später  legt  sich  auch  auf 
der  dorsalen  Seite  des  Wirbelkörpers,  unterhalb  des  Rückenmarkes 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  535 

und  anfangs  ebenfalls  genau  in  der  Mitte,  eine  zweite  derartige 
Knoclienlamelle  an.  Da  die  knorpeligen  Bogenbasen  an  dieser  Stelle 
den  Wirbelkör] )er  nicht  ganz  umfassen,  so  liegt  hier  der  Knochen  den 
perichordalen  Zellen  —  oder  dem  primären  Wirbelkörper  —  unmittel- 
bar auf  (Fig.  304,  305),  was  an  einem  großen  Teil  der  Schwanzwirbel 
übrigens  auch  an  der  ventralen  Seite  der  Fall  ist. 

Allmählich  vergrößern  sich  die  beiden  Knochenscherben  und  um- 
wachsen nicht  allein  den  ganzen  Wirbelkörper,  sondern  breiten  sich 
auch  auf  die  basalen  Teile  der  oberen  Bögen  aus.  Im  übrigen  er- 
halten letztere  aber  einen  besonderen  Knochenbelag,  und  zwar  je 
einen  für  die  rechte  und  linke  Seite  des  Bogens,  so  daß  im  ganzen 
also  an  jedem  Wirbel,  abgesehen  von  den  Rippen  und  unteren  Bögen, 
vier  ursprünglich  voneinander  gesonderte  Knochenlamelleu  vorhan- 
den sind. 

Der  Knochen  auf  den  dorsalen  Partieen  der  oberen  Bögen  bleibt 
von  jenem,  der  sich  vom  Wirbelkörper  aus  mehr  oder  weniger  hoch 
auf  die  Basen  hinauf  erstreckt,  durch  eine  breite  Knorpelnaht  getrennt 
(Fig.  304,  305).  Diese  Sutur  kann  nicht  allein  bei  Sphenodon,  sondern 
auch  bei  anderen  Reptilien  bis  in  späte  Stadien  hinein,  oft  sogar 
lebenslänglich  bestehen  bleiben. 

Die  Verknöcherung  beschränkt  sich  aber  nicht  nur  auf  die  Peri- 
pherie des  Wirbels,  sondern  greift  auch  auf  seine  inneren  Teile 
herüber.  Unmittelbar  nach  dem  Erscheinen  der  ventralen  Knochen- 
platte schreitet  die  Verkuöcherung,  die  allerdings  nur  in  einer  Ver- 
kalkung der  Zellwände  besteht,  an  der  Grenze  zwischen  dem 
primären  Wirbelkörper  und  der  die  Konkavität  seiner  „Fadenrolle" 
ausfüllenden  blasigen  Knorpelmasse  der  Bogenbasen  weiter,  bis  sie 
einer,  in  derselben  Weise  auch  von  der  dorsalen  Lamelle  ausgehenden 
Knochenzone  begegnet  (Fig.  304 — 306). 

Es  ist  dieses  ein  Stadium,  das  eine  unverkennbare  Aehnlichkeit 
mit  Bildern  besitzt,  welche  die  Wirbelentwickelung  der  Elasmobranchier 
bietet  (Fig.  208  und  306).  Es  wurde  hierauf  bereits  bei  den  Holo- 
cephalen  und  Squaliden  hingewiesen  und  die  Knochenzone  zwischen 
primärem  Wirbel  und  Bogenbasen  bei  Sphenodon  mit  der  Mittel- 
zone des  Elasmobranchierwirbels  verglichen,  der  primäre  Wirbel  selbst 
jedoch  der  Innen-,  die  Bogenbasen  der  Außenzone  jener  Fiscli- 
wirbel  an  die  Seite  gestellt. 

Allmählich  breitet  sich  die  Verknöcherung  bezw.  Verkalkung  im 
Inneren  des  Wirbelkörpers,  aber  auch  auf  den  primären  Wirbel  und 
einen  großen  Teil  der  ihn  umgebenden  Bogenbasen  aus;  auch  der 
früher  besprochene  Chordaknorpel  wird  von  ihr  ergriffen  (Fig.  307  a). 

Bevor  sich  jedoch  alle  diese  Veränderungen  vollziehen,  haben  sich 
an  der  ventralen  äußeren  Knochenplatte  genau  in  der  Mitte  des  Wirbels 
links  und  rechts  von  der  sagittalen  Mittelhnie  zwei  Oeffnungen  — 
vielleicht  entsprechend  der  wahrscheinlichen  Entstehung  dieses 
Knochens  von  zwei  Stellen  aus  —  gleichsam  hineingefressen.  Da  in 
ihnen  sich  von  Anfang  an  Gefäße  befinden,  so  ist  es  wahrscheinlich, 
daß  von  diesen  aus  auch  ihre  Entstehung  eingeleitet  wird.  An  der 
dorsalen  Lamelle  bilden  sich  ebenfalls  zwei  derartige  Oeffnungen.  Mit 
Hilfe  jener  Gefäße,  die  wohl  direkt  von  den  ursprünglichen  Inter- 
segmentalgefäßen  abzuleiten  sind,  beginnt  von  den  vier  Löchern  aus  eine 
Zerstörung  des  verkalkten  Knorpels  im  großen  Maßstabe.  Die  Zell- 
wände öffnen  sich,  und  aus  ihnen  treten  die  Zellkerne,  mit  mehr  oder 


536 


H.  Schauinsland, 


weniger  Protoplasma  umgeben,  heraus  und  werden  zu  Markzellen 
(Fig.  305).  Diese  sammeln  sich  anfangs  in  dem  Markraum,  später 
treten  sie  aus  diesem  aber  unter  allen  Anzeichen  amöboider  Bewegung 
heraus  und  gelangen  in  ein  eigentümliches,  den  Wirbeln  außen  an- 
liegendes Bindegewebe  von  netzartigem  Aussehen,  das  in  älteren 
Stadien  auch  in  die  Markräume  hinein  wandert 

Die  an  den  vier  äußeren  Oeffnungen 
schreiten  bei  ihrem  Vordringen  genau  an  der  Grenze  des  primären 
Wirbelkörpers  vorwärts,  dringen  aber  nicht  in  ihn  hinein,  so  daß 
dieser  allmählich  von  dem  übrigen  Wirbel  mit  Ausnahme  seiner  beiden 
Enden  zum  größten  Teil  wieder  herausgelöst  wird  (Fig.  305). 

Die  beiden  von  der  ventralen  Seite  ausgehenden  Markgänge 
vereinigen  sich  allmählich  zwischen  der  Knochenlamelle  und  dem 
primären  Wirbelkörper  und  legen  ihn  unten  frei;  an  der  dorsalen 


beginnenden   Markräume 


wk.^  chkn  kd 


Fig.  309.  Sagittaler  Längsschnitt  durch,  die  ersten  Halswirbel  von  einem  Sphe- 
nodonembryo  mittleren  Stadiums.  Vergr.  63mal.  ch  Chorda,  chs  Chordascheide. 
chkn  Chordaknoriiel.  wk  Wirbelkörper,  wk^  Atlaskörper,  verschmilzt  später  mit 
%ük^  und  bildet  dessen  Processus  odontoideus.  x  vorderster,  mehr  oder  weniger  deut- 
lich abgesetzter  Teil  des  Atlaskörjjers ;  der  mutmaßliche  Körper  eines  ehemals  noch 
vor  dem  Atlas  gelegenen  Wirbels,  iib  untere  Bögen  oder  hypochordale  Spangen. 
ub^  verwächst  mit  den  losgelösten  oberen  Bögen  des  ersten  Halswirbels,  iv  inter- 
vertebrale  Zone  (Zwischenwirbelkörper),  dem  die  unteren  Bögen  oder  Spangen  an- 
gefügt sind.  t/'2  verschwindet  später  beim  Verwachsen  des  ersten  und  zweiten  Körpers 
völlig,  aus  ty,  dagegen  wird  das  Lig.  transversum  atlantis  gebildet,  o  Occipitale. 
kd  und  kv  dorsale  und  ventrale  periostale  Knochenlamelle  des  Wirbelkörpers,  vml 
ventrale  Oeffnung  des  Markraums. 


Seite  geschieht  dasselbe,  und  indem  sich  dann  die  beiden  Systeme 
auch  miteinander  vereinigen,  wird  schließlich  der  primäre  Wirbelkörper 
nur  noch  durch  wenige  Brücken  mit  den  ihn  umgebenden  Bogenbasen 
verbunden. 

Die  vier  Marklöcher  bleiben  lange  Zeit  hindurch  bestehen,  und 
selbst  noch  bei  alten  Tieren  findet  man  an  jedem  Wirbel  zwei  ihn 
dorsoventral  in  der  Mitte  durchbohrende  Kanäle  (Fig.  307  a).  In  dem- 
selben Maße,  wie  der  Knochen  von  außen  her  sich  durch  Auflage  neuer 
Schichten  seitens  des  Periosts  vergrößert,  wird  er  im  Innern  durch  die 


1 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  537 


Markbildung  wieder  aufgelöst.  So  sind  auch  bei  älteren  Tieren  zwischen 
dem  primären  Wirbelkörper  und  den  knöchernen  Bogenbasen  große 
Markräume  vorhanden,  die  nur  hier  und  da  unterbrochen  werden  von 
Knochenbalken;  letztere  sind  wahrscheinlich  dadurch  entstanden, 
daß  die  Verknöcherung  sich  von  der  äußeren  perichondrotischen 
Knochenplatte  aus  auch  auf  die  stehen  gebliebenen  Knorpelstützen  nach 
innen  hin  ausdehnte. 

Wann  eine  wirkliche  „enchondrotische"  Verknöcherung  beginnt, 
oder  ob  eine  solche  überhaupt  auftritt,  ist  ungewiß. 

Nach  den  Angaben  von  Rathke  (1839,  1848,  1866),  Gegenbaur 
(1862)  und  namentlich  Goette  (1897)  scheint  auch  bei  anderen  Rep- 
tilien   die  Verkuöcherung    nicht   wesentlich   verschieden  zu  verlaufen ; 


Fig.  310. 


Fig.  311. 


obg      obo     ob^  , 


ub^  üb 2    ub.^     bn 


pa 


Fig.  310  11.  311.  Die  ersten  Halswirbel  zweier  Sphenodonembryonen,  die  kurz 
vor  dem  Ausschlüpfen  standen.  Vergr.  etwa  llmal.  Das  Präparat  Fig.  310  war 
etwas  eingetrocknet,  wodurch  der  (mit  dunklem  Farbenton  angegebene)  Knorpel  etwas 
geschrumpft  war  und  die  darunter  liegenden  knöchernen  Teile  sichtbar  werden  ließ. 
Fig.  310  stellt  eine  Ansicht  von  der  linken  Seite,  Fig.  311  eine  solche  von  oben 
dar.  wkj^  erster  —  Atlas  —  Wirbelkörper,  üb  untere  Bögen  oder  hypochordale 
Spangen,  ub^  —  zum  größten  Teil  noch  knorpelig  —  ist  mit  dem  ersten  oberen 
Bogen  (oöj  verschmolzen  und  bildet  mit  diesem  zusammen  den  Atlasring,  r  Rippe. 
bn  Naht  zwischen  oberen  Bögen  und  Wirbelkörpern,  b  (in  Fig.  311)  bindegewebige 
Membran,  die  sich  zwischen  dem  Hinterhaupt  und  deu  ersten  Wirbeln  ausspannt 
(punktiert),    pa  „Proatlas",    so  und  ^o  Supra-  imd  Pleuraoccipitale. 

im  besonderen  geht  es  aus  ihnen  hervor,  daß  sie  mit  der  Ablagerung 
von  periostaler  Knochenlamellen  ihren  Anfang  nimmt.  Nach  außen 
mündende  Markräume  beschrieb  Rathke  bei  der  Natter  schon  1839. 

Auf  die  Verknöcherung  der  Wirbel  bei  den  Vögeln  und  Säuge- 
tieren kommen  wir  weiter  unten  noch  zu  sprechen.  — • 

Eine  besondere  Betrachtung  verlangen  die  beiden  ersten 
Haiswirbel,  der  Atlas  und  Epistropheus,  die  bei  den  Am- 
nioten  eine  von  den  Anamniern  völlig  abweichende  Ausbildung  und 
Entwickelung  zeigen.  Als  typisches  Beispiel  sei  wieder  Sphenodon 
gewählt  (Fig.  309—312). 

In  frühen  Stadien  zeigen  auch  die  beiden  ersten  Wirbel  keine 
Abweichung  von  den  anderen,  nur  daß  ihre  unteren  Bögen  oder  sub- 
chordalen  Spangen  bedeutend  stärker  ausgebildet  sind,  als  es  bei  den 
übrigen  der  Fall  ist.  Allmählich  macht  sich  dann  eine  Lockerung 
zwischen  den  oberen  Bögen  und  dem  Wirbelkörper  am  ersten  Wirbel 
bemerkbar,   die   so  weit   geht,   daß   sich  diese  beiden  Elemente  völlig 


538 


H.  Schauinsland, 


voneinander  trennen.  (Vielleicht  ist  die  Stelle,  an  der  dies  geschieht, 
identisch  mit  jener,  an  welcher  bei  den  anderen  Wirbeln  während  der 
Verknöcherung  sich  eine  Sutur  zwischen  Körper  und  oberen  Bögen  ent- 
wickelt.) Statt  dessen  verwachsen  dann  die  oberen  Bögen  mit  der  zu 
diesem  Wirbel  gehörigen  snbchordalen  Spange  und  bilden  mit  dieser 
zusammen  einen  geschlossenen  Ring,  den  Atlas  ring.  Der  frei  ge- 
wordene Körper  aber  verschmilzt  mit  dem  Körper  (und  einem  kleinen 
ventralen  Teil  der  oberen  Bögen)  des  zweiten  Wirbels  und  bildet  an 
ihm  einen  Zahnfortsatz  (Dens,  Processus  odontoideus); 
dadurch  ist  dieser  zum  E  p  i  s  t r  o  p  h  e  u  s  geworden. 

Die  erste  subchordale  Spange  oder  das  nunmehrige  ,.untere  Ver- 
schlußstück  des  Atlas^'  artikuliert  kranialwärts  mit  dem  Hinterhaupts- 


Fig.  312. 


Fig.  313. 

ob,  iv 


ob^ 


— r 


ub.^       bn  iih^  wk^ 


Fig.  312.  Die  ersten  Wirbel  eines  23  cm  langen  Sphenodon  ( Trocken präparat); 
es  sind  nur  die  knöchernen  Teile  abgebildet,  wk  Wirbelkörper,  wk^  Körper  des 
Atlas  mit  dem  2.  Wirbel  verschmolzen,  üb  untere  Bögen  oder  „hypochordale  Spangen". 
ob  obere  Bögen.  Der  erste  obere  Bogen  und  die  erste  Spange  smd  nicht  abgebildet. 
r  Rippe,     bn  Naht  zwischen  oberen  Bögen  und  Wirbelkörpern. 

Fig.  313.  Die  ersten  Halswirbel  von  einem  22  cm  langen  Alligator  lucius. 
Vergr.  7mal.  Der  Knorpel  ist  punktiert,  wk  Wirbelkörper,  nb  untere  Bögen  oder 
Spangen,  iv  Intervertebralscheiben  oder  Menisci  (=  Zwischenwirbelkörper),  r  Rippen. 
ob  obere  Bögen,     z  und  «^  Gelenkfortsätze  (Zygapophysen).    pa  linke  Proatlashälfte. 


bein  und  kaudalwärts  mit  einer  breiten  Gelenkfläche  der  zweiten 
Spange,  die  eine  außerordentliche  Größe  erreicht  (Fig.  309  u.  310). 
Der  zwischen  dem  ersten  und  zweiten  Wirbel  befindliche  „Zwischen- 
wirbelkörper" (Fig.  309),  dem  die  zweite  Spange  ursprünglich  in 
derselben  Weise  angeheftet  war,  wie  wir  es  oben  bei  den  übrigen 
intervertebral  gelegenen  unteren  Bögen  kennen  gelernt  haben,  nur 
daß  sie  entsprechend  ihrer  Größe  ihn  auch  weiter  dorsal  umfaßte, 
bildet  sich  immer  mehr  und  mehr  zurück  und  verschwindet  später 
völlig,  so  daß  erster  und  zweiter  Wirbelkörper  dann  in  unmittel- 
barer Berührung  stehen. 

Der  erste,  zwischen  dem  Hinterhaupt  und  dem  Atlaskörper  ge- 
legene „Zwischenwirbelkörper"  (Fig.dOQiv^)  geht  dagegen  nicht  gänz- 
lich verloren,  sondern  in  Verbindung  mit  der  zu  ihm  gehörenden  ersten 
Spange  bildet  er  sich  in  das  teils  knorpelige,  teils  bindegewebige  Liga- 
mentum transversum  atlantis  um,  welches  von  der  vordersten 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  539 

Spitze  des  Zahnfortsatzes  durchbohrt  wird;  dasselbe  ist  also  homolog 
den  übrigen  Zwischenwirbelkörpern  oder  Menisci,  worauf  bereits 
Jäger  (1858)  hinwies. 

An  dem  dorsalen  Ende  der  ersten  und  zweiten  Zwischenwirbel- 
spange finden  sich  bei  Sphenodon  bindegewebige  Stränge,  die  offenbar 
die  Stelle  von  Rippen  vertreten,  da  ihre  Lage  dieselbe  ist,  wie  die  der 
ersten  knorpeligen  Rippe  am  dritten  Wirbel ,  nur  daß  letztere  vom 
Wirbelkörper  abgeht.  Bei  den  beiden  ersten  Wirbeln  stehen  dem- 
nach die  beiden  Elemente  des  Komplexes  der  unteren  Bögen  —  Rippe 
und  Spange  —  miteinander  in  Verbindung. 

Noch  deutlicher  wird  man  dieses  bei  den  Crocodiliden  gewahr 
(Fig.  313).  Bei  ihnen  besitzt  sowohl  der  erste,  als  auch  der  zweite 
Halswirbel  seine  wohl  ausgebildete  Rippe.  Daß  das  erste  Rippenpaar 
an  der  zu  ihm  gehörigen  Spange  —  dem  „unteren  Schlußstück  des 
Atlas"  —  sitzt,  ist  ohne  weiteres  klar.  Früher  glaubte  man  —  und 
die  Mehrzahl  der  bis  jetzt  vorhandenen  Abbildungen  stellen  es  so 
dar  —  daß  auch  das  zweite  Rippenpaar  ebenfalls  zum  Atlas  gehöre, 
da  es  seinem  Körper  —  dem  Zahnfortsatz  des  Epistropheus  —  ange- 
heftet wäre.  In  Wirklichkeit  ist  das  jedoch  nicht  der  Fall.  An  ge- 
eigneten Präparaten  (Fig.  313)  sieht  man,  daß  das  Zwischenwirbelstück 
zwischen  dem  ersten  und  zweiten  Wirbelkörper  (welches  später  aller- 
dings gänzlich  verschwindet)  in  der  Jugend  von  nicht  unbeträchtlicher 
Größe  ist,  und  daß  auch  ihm,  wie  bei  anderen  Reptilien,  ventral  eine 
große,  knorpelige  Spange  angefügt  ist.  Mit  diesem  Zwischenwirbel- 
stück  sind  nun  die  zweiten  Rippen  verbunden  und  müssen  demnach 
auch  dem  zweiten  Wirbel  zugezählt  werden,  trotzdem  sie  später, 
wenn  der  erste  und  zweite  Wirbelkörper  synostotisch  miteinander 
vereinigt  sind,  dem  ersten  der  beiden,  dem  Zahnfortsatz,  aufsitzen. 
Gadow  (1896)  hat  zum  ersten  Mal  die  eben  geschilderten  Verhältnisse 
beim  Krokodil  richtig  gedeutet. 

Auch  nach  dem  Verwachsen  mit  dem  zweiten  Wirbel  verleugnet 
der  Zahnfortsatz  nicht  seine  Natur  als  Wirbelkörper.  Seine  Verknöche- 
rung findet  ebenso  statt  (bei  Sphenodon)  wie  bei  allen  übrigen ;  auch  er 
erhält  zunächst  eine  ventrale  und  eine  dorsale  periostale  Knochen- 
lamelle, von  denen  aus  die  Knochenbildung  ebenso  weiterschreitet,  wie 
es  oben  geschildert  wurde,  und  auch  auf  die  Chorda  hinübergreift. 
Es  finden  sich  auch  die  beiden  ihn  dorso-ventral  durchbohrenden 
Markkanäle  wieder.  Am  Körper  des  Epistropheus  selbst  aber  werden 
diese  durch  das  weite  Hinübergreifen  der  hypochordalen  Spange  ge- 
zwungen, an  der  ventralen  Seite  von  der  Mitte  weg  an  das  kaudale 
Ende  des  Körpers  zu  rücken,  wo  sie  sich  vereinigen  und  in  einer 
Oeffnung  nach  außen  münden.  — 

Zur  Geschichte  der  Forschungen  über  den  Atlas  und  den  Epi- 
stropheus der  Amnioten  sei  erwähnt,  daß  bereits  Cuvier  die  Meinung 
aussprach,  der  Zahnfortsatz  des  Epistropheus  wäre  in  Wirklichkeit  der 
Atlaskörper.  Doch  war  es  erst  Rathke,  der  in  seiner  Entwickelungs- 
geschichte  der  Natter  (1839)  die  Vorgänge,  welche  sich  bei  der 
Umbildung  des  ersten  und  zweiten  Halswirbels  vollziehen,  deutlich 
schilderte.  Er  war  es  auch,  welcher  das  „untere  Schlußstück  des 
Atlasringes"  bereits  für  einen  modifizierten  unteren  Dornfortsatz,  das 
heißt  also  für  das  Rudiment  eines  unteren  (Hämal-)Bogens  richtig 
ansprach.  Bei  seinen  Studien  über  die  Entwickelungsgeschichte  der 
Schildkröten  (1848)  und  Krokodile  (1866)  konnte  er  die  bei  der  Natter 


540 


H.  Schauinsland, 


gewonnenen 


die  RATHKE'schen 
Hier  war  es  aber 
EntwickelungSYorgänge 


Resultate    nur    bestätigen. 


übertrug 


Bergmann  (1845) 
Anschauungen  auch  auf  die  höheren  Amnioten 
vor  allem  Froriep,  welcher  in  exakter  Weise  die 
am  ersten  und  zweiten  Wirbel  aufhellte.  Nach 
seiner  Darstellung  unterscheiden  sich  die  Vögel  (1883)  hierin  kaum 
wesentlich  von  den  Reptilien,  wenn  wir  für  diese  die  oben  gegebene 
Schilderung  von  Sphenodon  zu  Grunde  legen  (Fig.  314,  315).    Froriep 


Fig.  315. 


Fig.  314. 


o&j  wk^^        ch 


«6^      üb  2 


ob. 


^i- 


M&j      «^2      lük^ 


Fig.  314  u.  315.  Die  ersten  Halswirbel  von  zwei  Vögeln.  Fig.  314  von  einem 
jungen  Embryo  von  Anous  stolidus,  Fig.  315  von  einem  noch  etwas  jüngeren  von 
Sula  cyanops.  Vergr.  bei  Fig.  314  ISmal,  bei  Fig.  315  33mal.  Fig.  314  bietet  eine 
Ansicht  von  der  linken  Seite,  Fig.  315  von  unten.  Beides  sind  Methylenblauprcäparate 
(Van  Wijhe),  zeigen  also  vornehmlich  nur  knorpelige  Teile,  ick  Wirbelkörper; 
durch  die  Färbung  hebt  sich  von  ihnen  eine  vordere  und  hintere  Partie  ab;  ebenso 
sieht  man  dadurch  (Fig.  315),  daß  die  knorpeligen  Bogenbasen  den  Körper  au  der 
ventralen  Seite  noch  nicht  völlig  umwachsen  haben,  «'ä,  Atlaskörper;  auf  Fig.  314 
noch  nicht  völlig  mit  dem  2.  Wirbelkörper  verwachsen,  obgleich  er  sich  bereits  von 
seinen  oberen  Bögen  gelöst  hat;  auf  Fig.  315  ist  der  Atlaskörper  durch  die  Spangen 
verdeckt,  ob  obere  Bögen,  üb  untere  Bögen  oder  „hypochordale  Spangen" ;  in 
Fig.  315  ist  die  2.  Spange  mit  dem  Körper  noch  wenig  verschmolzen  und  zeigt 
außerdem  deutlich  ihr  Entstehen  aus  einer  rechten  und  linken  Hälfte,  ch  Chorda. 
0  Hinterhaupt. 


zeigte  dabei  unter  anderem  auch,  daß  der  Teil  des  zweiten  Wirbels, 
auf  dem  der  Atlas  artikuliert,  nicht  dem  Körper  jenes  Wirbels  an- 
gehöre, sondern  ein  besonderes  Element  darstelle  —  was  vor  ihm 
bereits  Jäger  (1858)  betont  hatte  —  nämlich  die  hypochordale  Spange 
der  zweiten  Bogenanlage  sei. 

Für  die  Säugetiere  wies  ebenfalls  Froriep  (1886)  beim  Rinde 
nach,  daß  der  Entwickelungsvorgang  im  ganzen  derselbe  sei  wie  bei 
den  Vögeln ,  daß  aber  folgender,  nicht  unwichtiger  Unterschied  da- 
bei vorkäme:  Im  Gegensatz  zu  den  Vögeln,  bei  denen  die  zweite 
hypochordale  Spange  einen  wesentlichen  und  dauernden  Bestandteil 
des  Epistropheus  ausmacht,  schwindet  sie  bei  den  Säugetieren 
vollständig.  Dagegen  verbreitert  sich  der  Körper  des  ersten  Wirbels 
an  seinem  kaudalen  Ende  beim  Anschluß  an  den  zweiten  ungeheuer 
und  überlagert  nicht  nur  ihn,  sondern  auch  die  Bogenhälften,  so  daß 
der  kranialwärts  schauende  Teil  des  Epistropheus,  der  die  Gelenk- 
Häche  für  den  Atlasring  trägt,   ausschließlich   vom  Körper   der 


Die  Eutwickelung    der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  541 

ersten  Bogenanlage  gebildet  wird.  Die  Articulatio  atlauto-e])istropliica 
ist  daher  nur  teilweise  homolog  mit  derjenigen  der  Vögel  und  Rep- 
tilien; bei  diesen  ist  die  Gelenkverbindung  i  n  t  e  r  vertebral,  bei  den 
Mammalien  in tra vertebral  (Gadow).  Froriep  korrigierte  außerdem 
auch  die  von  Hasse  (1873)  gemachten  Angaben,  daß  sich  vom  Körper 
der  ersten  Wirbelanlage  nicht  nur  der  Zahnfortsatz ,  sondern  auch 
der  „untere  Atlasbogen"   und  das  Lig.  transversum  ableiten.  — 

Wenn  wir  noch  einmal  zu  Sphenodon  zurückkehren,  so  müssen 
wir  dort  noch  auf  eine  Erscheinung  hinweisen,  die  sich  am  vordersten 
Ende  des  Zahnfortsatzes  bemerkbar  macht.  In  gewissen  Stadien 
(Schauinsland  1900)  erscheint  nämlich  sein  vorderstes  Ende  merklich 
abgesetzt  (Fig.  309),  so  daß  es  den  Anschein  erweckt,  als  wäre  hier 
in  früherer  Zeit  noch  eine  weitere  Verschmelzung  erfolgt,  als  bestände 
er  nicht  nur  aus  einem,  sondern  aus  zwei  Wirbelkörpern,  von  denen 
der  vordere  allerdings  bereits  stark  in  Rückbildung  begriffen  sei.  Wir 
kommen  damit  zu  der  Frage  nach  dem  Proatlas  (P.  Albrecht  1880), 
jenes  hypothetischen  Wirbels,  von  dem  man  annimmt,  daß  er  ehemals 
zwischen  dem  jetzigen  Atlas  und  dem  Hinterhaupt  bei  den  Amnioten 
vorhanden  gewesen  wäre,  und  von  dem  jetzt  nur  noch  wenige  Reste 
Zeugnis  geben.  Seit  Rathke  kannte  man  bei  den  Crocodiliden  ein 
anfangs  paariges  (Fig.  313),  bald  aber  dorsal  miteinander  verschmel- 
zendes Skelettstück,  zwischen  dem  Exoccipitale  und  den  oberen  Atlas- 
bögen. Aehnliche,  aber  kleinere  Gebilde  wies  P.  Albrecht  (1883) 
bei  Sphenodon  nach  und  sprach  sie  dort  als  Reste  eines  unter- 
gegangenen Wirbels  an.  Auch  bei  anderen,  meistens  ausgestorbenen 
Reptilien  und  selbst  bei  Säugetieren  fand  man  solche  Elemente  auf 
(man  vergleiche  die  Litteratur  über  den  Proatlas  bei  Baur  1895, 
Gadow  1896,  Weiss  1901),  ohne  jedoch  bei  ihrer  Deutung  zu  über- 
einstimmenden Anschauungen  zu  gelangen. 

Bei  Sphenodon  (Schauinsland  1900)  treten  jene  Skelettteile 
ziemlich  spät  auf  und  erscheinen  als  Knorpel  von  zwar  wechselnder, 
meistens  aber  dreieckiger  Gestalt.  Die  eine  Spitze  dieses  Dreiecks 
legt  sich  an  das  Pleuroccipitale ,  die  zweite  an  den  Atlasbogen,  und 
die  dritte  ragt  frei  in  den  Raum  zwischen  Schädel  und  Atlas  hinein. 
Nach  der  Verknöcherung  ist  die  Gestalt  mehr  linsenförmig  (Fig.  311). 
Es  liegt  nun  thatsächlich  nahe,  diese  Stücke  für  die  rudimentären 
oberen  Bögen  eines  Wirbels  zu  halten,  dessen  ebenso  oder  selbst 
noch  in  stärkerer  Weise  rückgebildeter  Körper  in  dem  oben  erwähnten 
kranialen  Ende  des  Zahnfortsatzes  zu  suchen  ist  (Fig.  309).  Jene  An- 
nahme gewinnt  an  Wahrscheinlichkeit  durch  einen  zweiten  derartigen 
Fund.  Weiss  (1901)  sah  bei  der  Ratte  den  vordersten  Abschniit  des 
Proc.  odontoideus  ebenfalls  und  zwar  in  recht  starker  Weise  von  dem 
übrigen  Teil  abgesetzt  und  deutet  ihn  auch  als  den  Rest  eines  post- 
occipitalen  Wirbelkörpers.   — 

Wenden  wir  uns  nunmehr  der  intervertebralen  Verbin- 
dung bei  den  Amniotenwirbeln  zu,  so  finden  wir  die  einfachsten 
Verhältnisse  unter  den  Reptilien  bei  Sphenodon.  Wie  bereits  früher 
mitgeteilt  wurde,  entwickelt  sich  der  „Zwischen  wir  bei"  genau  in 
der  Mitte  des  ursprünglichen  Ursegments  (Fig.  299).  Die  Perichordal- 
zellen  beginnen  an  dieser  Stelle  gegenüber  denen  der  vertebralen 
Partieen  sich  histologisch  zu  differenzieren.  So  entsteht  der  „Zwischen- 
wirbelkörper", der  mehr  oder  weniger  von  den  Basen  der  unteren 
Bögen  (Spangen)  umwachsen  wird  (Fig.  303).    An  der  Verknorpelung 


542  H.  Schauinsland, 

oder  Verknöcherung  nimmt  der  Zwischenwirbel  nie  teil,  sondern  stellt 
eine  bindegewebige,  allmählich  in  die  beiden  benachbarten  Wirbelenden 
übergehende  Scheibe  dar,    die  als  Intervertebralligament  funktioniert. 

Eine  ähnliche  Ausbildung  der  intervertebralen  Partieen  weisen 
fast  nur  noch  die  Ascalaboten  auf;  sie  und  Sphenodon  erinnern  darin 
thatsächlich  an  die  perennibranchiaten  Amphibien ,  mit  denen  sie  ja 
auch  die  am  p  hie  ölen  Wirbelkörper  teilen.  Allerdings  wird  diese 
Amphicölie  in  älteren  Stadien  bei  Sphenodon  dadurch  verringert,  daß 
das  intervertebrale  Gewebe  etwas  nach  innen  in  den  knöchernen 
Doppelkegel  hineinwächst  und  dort  die  Chorda  mehr  oder  weniger  stark 
verdrängt. 

Bei  den  übrigen  Reptilien  sind  die  intervertebralen  Bildungen 
komplizierter.  Bei  Lacerta  wurde  ihre  Entwickelung  von  Goette 
(1897)  untersucht.  Er  wies  zunächst  nach,  daß  die  intervertebralen 
Teile  nicht  die  unverkalkten  Reste  eines  ursprünglich  kontinuier- 
lichen Knorpelrohres  seien,  sondern  von  vornherein  als  Intervertebral- 
ligamente  angelegt  werden.  Man  darf  daher  bei  Reptilien  nicht  von 
einem  Intervertebralknorpel  (Gegenbaur  1862)  sprechen.  Jeder 
ursprüngliche,  die  Chorda  einschließende  Intervertebralring  wird  bei 
Lacerta  nachträglich  noch  umgeben  von  einem  Außen wu Ist,  der 
eine  intervertebrale  Verdickung  des  Perichondriums  darstellt.  Die 
Gelenkbildung  erfolgt  in  der  Weise,  daß  der  Intervertebralring 
und  Außenwulst  unter  Form-  und  Gewebsveränderung  mit  dem  vor- 
hergehenden Wirbelkörper  als  dessen  G  e  1  e  n  k  k  o  p  f  (kraniale 
Skierotomhälfte  V  Schauinsland)  verschmelzen,  während  die  Pfanne 
aus  dem  dahinter  gelegenen  Wirbelkörper  (kaudales  Skierotomstück? 
Schauinsland)  hervorgeht  (procöler  Wirbel,  Fig.  293). 

Auch  über  die  Krokodile  macht  Goette  Mitteilungen.  Bei  ihnen 
bleiben  die  Intervertebralringe,  die  sich  bei  den  Sauriern  in  die  Ge- 
lenkköpfe verwandeln,  zeitlebens  erhalten.  Der  Meniscus,  der  im 
erwachsenen  Krokodil  je  zwei  Wirbelkörper  trennt,  ist  nach  ihm  dem 
Intervertebralring  und  Außenwulst  von  Lacerta  gleichzusetzen.  Dies 
wird  auch  dadurch  bestätigt,  daß  noch  im  Fötalleben  ein  äußerer 
fester  Ring  (der  zum  ersten  Mal  von  Gegenbaur  [1867]  erwähnt 
wurde,  während  der  Meniscus  selbst  zuerst  durch  Rathke  [1866J  be- 
schrieben worden  ist)  sich  von  dem  übrigen  Meniscus  ablöst.  Bei 
diesen  Angaben  Goette's  verlangt  noch  der  Umstand  Aufklärung, 
daß  ja  auch  bei  den  Krokodilen  neben  dem  Meniscus  noch  Gelenk- 
köpfe und  Pfannen  vorkommen,  die  sich  ja  eben  bei  Lacerta  zum 
größten  Teil  aus  dem  Intervertebralring  bilden.  Gegenbaur  (1867) 
nahm  somit  auch  an,  daß,  während  sich  der  „Intervertebralknorpel" 
bei  den  Anuren,  Schlangen  und  Eidechsen  in  zwei  den  beiden  be- 
nachbarten Wirbelkörpern  zufallende  Abschnitte  teilt,  bei  den  Kroko- 
dilen noch  ein  dritter  intermediärer,  der  Meniscus,  daraus  hervorgeht. 
Er  zeigte  auch,  daß  der  von  Rathke  gemachte  Hinweis  auf  die  große 
Aehnlichkeit  zwischen  dem  Meniscus  der  Krokodile  und  der  Säuge- 
tiere in  der  Hinsicht  eingeschränkt  werden  müßte,  als  bei  ersteren 
die  Scheibe  ohne  Zuthun  der  Chorda  sich  entwickele  und  daher  auch 
fester  sei,  bei  letzteren  jedoch  unter  Anteilnahme  derselben. 

So  notwendig  weitere  Untersuchungen  für  die  Aufklärung  der 
Entwickelungsverhältnisse  bei  den  Krokodilen  und  Schildkröten, 
welche  ganz  ähnliche  Verhältnisse  aufweisen,  sind,  so  wünschenswert 
erscheinen  sie  auch  für  die  übrigen  Amniotenabteiluugen.  — 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  543 


Auch   die 


Vögel 


den   Wirbeln    neben    den 
eine    komplizierte  Sattelform 


also  näher 
Schlangen 


bandartigen, 


teils 


besitzen  zwischen 
bestehenden  Gelenken,  die  am  Halse 
annehmen,  Bandscheiben  (Menisci) ;  sie  schließen  sich  darin 
den  Schildkröten  und  Krokodilen  als  den  Sauriern  und 
an.  Die  Scheiben  bestehen  aus  einem  äußeren,  teils 
faserknorpeligen  Teil  und  einem  inneren  longitudinalen,  zuerst  von 
G.  Jäger  (1858)  beschriebenen  Strang  (Ligamentum  Suspensorium), 
der  anfangs  noch  Chordareste  einschließt.  In  späterer  Zeit  erlangt 
die  Wirbelsäule  der  Vögel,  abgesehen  von  der  Halsregion,  die  stets 
einen  hohen  Grad  von  Beweglichkeit  aufweist,  eine  gewisse,  durch 
die  Flugtätigkeit  bedingte  Starrheit;  die  einzelnen  Wirbel  lassen  sich 
kaum  gegeneinander  verschieben  und  verwachsen  in  der  Lendenregion 
meistens  vollständig.  — 

Bei  den  Säugetieren  setzt  sich  die  Tendenz  zur  Gelenkbildung 
nicht  weiter  fort,  echte  Gelenke  kommen  bei  ihnen  nirgends  mehr 
vor;  meistens  sind  die  Wirbelenden  eben  oder  leicht  konkav,  und  nur 
am  Halse  der  Ungulaten  finden  sich  opisthocöle  Wirbelkörper,  wodurch 
aber  die  für  alle  Säugetiere  charakteristische  intervertebrale  Wirbel- 
verbindung nicht  beeinflußt  wird.  Diese  wird  überall  durch  Scheiben, 
die  Fibrocartilagines  intervertebrales ,   hergestellt,   die   sich   dort   ent- 


Fig.  316.  _  Einige 
Schwanz  Wirbel  eines  älte- 
ren fephenodonembryos  von 
der  linken  Seite.  Vergr. 
12mal.  u'k  Wirbelkörper. 
chk  Chordaknorpel.  ob 
obere  Bögen,  üb  untere 
Bögen.  b  dicke  Binde- 
gewebslage,  die  aus  den 
lateralen  Teilen  der  Skle- 
rotorae  entstanden  ist 
und  die  Wirbelsäule  all- 
seitig umgiebt.  gs  eine 
durch  die  Lage  der  Zellen 
stark  markierte  Abgren- 
zung innerhalb  derselben ; 


rd      gs 


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VW  üb  spn  b  m       gs       b 

sie  entspricht  genau  den  ursprünglichen  Ursegraentgrenzen  und  geht  lateral  in  die 
Myosepten  über.  Beim  Brechen  des  Schwanzes  liegt  hier  die  Bruchstelle,  die  den 
Wirbel  in  zwei,  ebenfalls  durch  eine  Furche  (/)  markierte  Hälften  zerlegt  und  den 
Wirbelkörper  in  der  Mitte  des  Chordaknorpels  {chk)  trifft,  spn  Spinalnerv,  rd  Ra- 
mus  dorsalis  desselben,  gl  Spinalganglion,  vw  und  dw  ventrale  und  dorsale  Wurzel 
desselben,    m  Muskeln. 


wickeln ,  wo  ehemals  die  Centren  der  „primitiven  Wirbelkörper" 
(=  Skierotome)  sich  befanden  (0.  Schultze).  Sie  bestehen  aus 
einem  centralen,  weichen  Kern  (Nucleus  gelatinosus),  der  zum  großen 
Teil  aus  intervertebralen  Wucherungen  der  Chorda  (Fig.  322,  323) 
hervorgeht  (Löwe  1879,  Lebouq  1880),  und  aus  einer  äußeren  um- 
fangreicheren Partie,  an  der  man  wiederum  (Löwe)  eine  periphere 
Faserzone  (Fig.  322,  323)  von  einer  mehr  central  gelegenen  Faser- 
knorpelzone unterscheiden  kann.  Letztere  bildet  sich ,  da  bei  den 
Säugetieren  (ob  bei  allen?)  die  vorher  getrennten  Wirbelkörper  in 
einem  bestimmten,  aber  schnell  vorübergehenden  Stadium  auch  inter- 
vertebral  durch  Knorpel  verbunden  sind  (Fig.  322),  erst  allmählich 
aus  diesem  heraus.  — 

Es  ist  notwendig,  noch  auf  eine  Erscheinung  einzugehen,  die  sich 


544 


H.  Schauinsland, 


Fig.  317a. 

isg       sccr  uh    scca    ifg     ep 


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Fig.  317b. 

scca    ts^     ep    cl  ml 


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Fig.  318. 


c    m        ep     'iS(/     sccr 


SCCrt      IS(J 


ivs  p  IVS  ch 

Fig.  317a  u.  b  und  Fig.  318.  Zwei  frontale  Längsschnitte  durch  die  Wirbel- 
säule eines  0,5  cm  langen  Albatrossembryos  (Diomedea  immutabilis)  und  ein  eben- 
solcher Schnitt  durch  die  Wirbelsäule  eines  Embryos  von  Fuffinus  cuneatus  (Fig.  318), 
der  älter  war  als  der  Albatross.  Es  ist  immer  nur  die  rechte  Hälfte  der  Schnitte 
abgebildet.     Die  Schnitte  in  Fig.  317a  und  318  verlaufen  in   der  Höhe  der  Chorda,. 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  545 

Schnitt  Fig.  317b  durch  das  Eückenmark.  Vergr.  bei  Fig.  317a  und  b  112mal,  bei 
Fig.  318  7ymal.  Der  Pfeil  deutet  die  Eichtuug  kranialwärts  an.  ch  Chorda.  R 
Kückenmark,  cl  Cutislamelle  des  Ursegments,  teilweise  in  Auflösung  begriffen  in 
Fig.  317a  und  b,  völlig  aufgelöst  in  Fig.  318.  Man  beachte  die  Zweiteilung  der 
Cutislamelle  auf  Fig.  317a  und  b.  ml  Muskellamelle,  m  Muskeln,  uh  Urwirbel- 
höhle.  isg  Intersegmentalgefäße.  gs  Grenze  der  ursprünglichen  Ursegmente  bezw. 
Skierotome,  ivs  Intervertebralspalte.  sccr  und  scca  die  durch  letztere  abgeteilte 
kraniale  und  kaudale  Sklerotomhälfte;  die  kaudale  ist  im  Rumpf  meistens  dunkler 
gefärbt  (Fig.  318)  wie  die  kraniale;  letztere  wird  in  der  Höhe  des  Rückenmarks  fast 
völlig  durch  das  spinale  Ganglion  ((ß)  verdrängt  (Fig.  317b)  und  findet  wahrschein- 
lich später  hauptsächlich  zur  Bildung  der  intervertebralen  Partieen  Verwendung. 
spn  Spinalnerv,     p  Perichordalzellen.     Man  vergleiche  auch  die  Figuren  298 — 300. 

an  den  Scliwanzwirbeln  vieler  Lacertilierfamilien  und  außerdem  auch 
bei  den  Ascalaboten  und  bei  Sphenodon  vorfindet.  Schon  Cuvier 
machte  auf  das  leichte  Abbrechen  des  Eidechseuschwanzes  und  die 
damit  zusammenhängende  Querteilung  der  Schwanzwirbel  auf- 
merksam. Später  wurde  dieses  Verhalten  namentlich  von  Stannius 
und  Hyrtl  (18Ö2),  dann  von  Gegenbaur  (1862),  H.  Müller  (1864), 
Gadow  (1896)  u.  A.  näher  untersucht  und  beschrieben.  Danach  stellte 
es  sich  heraus ,  daß  beim  Abbrechen  des  Schwanzes  die  Trennung 
nicht  etwa  im  Bereiche  eines  Gelenkes,  sondern  innerhalb  eines  Wirbel- 
körpers  sich  vollzieht;  letzterer  wird  dabei  in  einen  vorderen  und 
einen  hinteren  Abschnitt  geteilt,  und  zwar  liegt  die  Bruchstelle  dort, 
wo  der  Chordaknorpel,  bezw.  Chordaknochen,  oder  der  später  an  seine 
Stelle  tretende  große  Markraum  (Gegenbaur)  sich  befindet  (Fig.  307, 
316).  Oft  ist  dieses  gerade  die  Mitte  des  Wirbelkörpers  (Sphenodon, 
Gecko);  bei  den  Lacertiliern  jedoch,  deren  Wirbelenden  mehr  oder 
weniger  stark  zur  Gelenkbildung  in  Anspruch  genommen  werden,  er- 
folgt durch  den  Bruch  häufig  eine  Zerlegung  des  Wirbels  in  zwei 
ungleiche  Hälften,  eine  kleinere  vordere  und  eine  größere  hintere. 
Der  Verlauf  der  Bruchlinie  kann  übrigens  auch  an  den  noch  unver- 
letzten Wirbeln  schon  deutlich  aus  einer  breiten  Querspalte,  die  die 
äußeren  Knochenschichten  des  Wirbels  durchsetzt,  erkannt  werden. 
Die  oberen  Wirbelbögen  und  das  Wirbelbogendach  werden  ebenfalls 
in  zwei  Teile  zerlegt,  wobei  der  Dornfortsatz  dem  hinteren  Stück  an- 
gehört; ebenso  bleiben  meistens  auch  die  Seitenfortsätze  dem 
kaudalen  Wirbelabschnitt  angefügt.  Es  können  bisweilen  aber  auch 
Abweichungen  davon  eintreten,  indem  einerseits  auf  jedem  der  beiden 
Stücke  des  Wirbelbogendaches  ein  Dornfortsatz  sich  befindet,  anderer- 
seits auch  die  Seitenfortsätze,  zum  mindesten  an  ihrer  Basis,  einer 
Teilung  unterworfen  werden. 

Innerhalb  des  die  Schwanzwirbelsäule  umgebenden  Gewebes  voll- 
zieht sich  der  Bruch  stets  im  Verlauf  der  Myosepten  und  eines  Ge- 
■svebestranges,  der  das  Bindegewebe  von  dem  medialen  Ende  eines 
Myoseptums  bis  zur  Mitte  des  knöchernen  Wirbelkörpers  und  der 
dort  vorhandenen  Kerbe  durchzieht  (Fig.  301,  316)  und  der  oft  durch 
die  Anordnung  seiner  Zellen  den  Anschein  erweckt,  als  ob  in  ihm 
ein  Spalt  verläuft. 

Während  man  früher  allgemein  der  Ansicht  war,  daß  das  leichte 
Brechen  des  Schwanzes  und  die  dieses  bedingende  gewebliche  Ver- 
änderung eine  erst  im  späteren  Leben  sich  entwickelnde  sekundäre 
Erscheinung  wäre,  konnte  es  bei  Sphenodon  erwiesen  werden  (Schau- 
insland 1900),  daß  das  thatsächlich  nicht  der  Fall  sei ,  sondern  daß 
es  sich  vielmehr  dabei  um  die  Erhaltung  ursprünglicher  Verhalt- 
Handbuch  der  Entwickelungslehre.  III.  2.  35 


546 


H.  Schauinsland. 


nisse  handele.  Es  läßt  sich  dartun,  daß  der  Bruch  an  der  Grenze 
zweier  ehemaliger  Ursegmente,  bezw.  Skierotome,  erfolgt,  die  an 
dem  Schwänzende  nicht  so  intensiv  miteinander  verlöten,  wie  an 
den  anderen  Stellen.  Diese  Anschauungen  fanden  beim  Gecko  durch 
Baldus  (1902)  vollständige  Bestätigung  und  weitere  Begründung.  — 
Nachdem  auf  den  vorigen  Seiten  bereits  viele  Angaben  über  die 
Wirbelsäulenentwickelung  auch  der  höheren  Amnioten  gemacht 
worden  sind,  wird  es  genügen,  jetzt  nur  noch  auf  wenige  Punkte  er- 
gänzend hinzuweisen.  Die  letzte  Arbeit,  welche  sich  eingehend 
mit  der  Entwickelung  des  Achsenskelettes  der  Vögel  beschäftigte,  war 
die  von  Froriep  (1883).  Nach  ihm  vollzieht  sich  diese  beim  Huhn, 
mit  wenigen  Worten  gesagt,  auf  folgende  Weise :  In  den  ersten  Brüt- 
tagen ist  die  Chorda  mit  ihrer  Scheide  noch  das  eigentliche  stützende 


ob. 


Fig.  319. 


oh 


Fig.  321. 


A( 


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ub^  ub<2 


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ob     ob. 


Fig.  320, 


IVS 

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-r-K^n      HfclilKli,  -««^PJ     f*«*»,,.,   «*•*!? 


ivk         ch 

Fig.  319  u.  320.  Die  ersten  Halswirbel  eines  jungen  Embryos  von  Haliplana 
fuliginosa  (Fig.  319)  und  die  rechte  Seite  von  vier,  in  der  Mitte  halbierten  Rumpf- 
wirjjeln  eines  8-tägigen  Hühnerembryos  (Fig.  320).  Vergr.  22inal.  Methylenblau- 
präparate (Van  Wi.the).  Durch  die  Färbung  ist  sowohl  im  Körper  (irk)  als  auch 
im  ßogenknorpel  eine  vordere  größere  und  eine  hintere  kleinere  Partie  bemerkbar 
{ob  und  o/>,  in  Fig.  320).  ch  Chorda.  Man  beachte  in  Fig.  320  die  amphicöle  Gestalt 
der  Wirbelkörper  in  diesem  Stadium,  vh  untere  Bögen  oder  Spangen.  ?-  Rippen,  r, 
(Fig.  319)  steht  mit  der  dorsalen  Ecke  der  2.  Spange  in  Verbiijdung.  r^  ist  jedoch 
nicht  knorpelig,  sondern  nur  sehnenartig,    ob^  (in  Fig.  319)  Atlasbogen. 

Flg.  321.  Frontalschnitt  der  Rückengegend  eines  1  cm  langen  Schwein eerabryos 
(3.  Woche).  Das  Rückenmark  ist  oben  und  unten  getroffen,  in  der  Mitte  die  Chorda. 
Kopie  nach  O.  Schultze.  d  Cutis-,  ml  Muskellamelle  der  Ursegmente.  is(/  Jnter- 
segmentale  Gefäße,  (js  Grenze  zwischen  den  einzelnen  Skierotomen,  srcr  und  sccn 
kraniale  und  kaudale  Hälfte  der  Skierotome ;  letztere  stellen  nach  0.  Schultze  die 
Bogenanlagen  dar. 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Eippen  und  Brustbein.  547 

Organ.  Bald  aber  (4.  Tag)  finden  sich  daneben  schräg  kaudal-lateral- 
wärts  geneigte  bindegewebige  Stützplatten,  die  primitiven  Wirbel- 
bögen,  an  welche  sich  die  Muskelplatten  ansetzen.  Anfangs  stehen  sie 
mit  der  Chordascheide  im  festen  Zusammenhang,  geben  ihn  später  — 
Mitte  des  5.  Tages  —  aber  auf,  indem  sich  ihre  pericliordalen  Teile 
lockern.  Gleichzeitig  damit  verwandeln  sie  sich  in  Knorpel.  Diese 
Bogen knorpel  sind  hufeisenförmig  und  setzen  sich  aus  zwei 
symmetrischen  Stücken  zusammen,  die  durch  eine  ventralwärts  unter 
der  Chorda  herübergreifende  Spange,  die  hypochordale  Spange, 
in  Verbindung  stehen.  Dann  erst  —  an  der  Grenze  zwischen  dem  5. 
und  6.  Brüttage  —  kommt  es  zur  Bildung  des  Wirbelkörpers  in 
Gestalt  eines  unpaaren  Herdes  chondrogenen  Gewebes,  welcher  zuerst 
an  der  ventralen  Seite  der  Chordascheide,  kaudalwärts  neben  den  aus 
dem  primitiven  Wirbelbogen  hervorgegangenen  Gebilden  auftritt. 
Kranialwärts  reicht  er  bis  nahe  an  die  hypochordale  Spange  heran. 
Letztere  bildet  sich,  abgesehen  von  den  vordersten  Halswirbeln  ^ 
siehe  oben  die  Mitteilungen  über  den  Atlas  und  Epistropheus  —  all- 
mählich völlig  zurück,  die  Bogenknorpel  dagegen  vereinigen  sich 
mit  dem  Körperknorpel,  der  an  Umfang  beträchtlich  zunimmt 
und  sich  immer  mehr  als  die  eigentliche  Grundlage  des  Wirbels  dar- 
stellt. Er  umfaßt  die  Chorda  auch  dorsalwärts  und  trägt  an  seinem 
kranialen  Rande  den  Bogen,  der  in  den  knorpeligen  Neuralbogen 
und  die  anfangs  noch  bindegewebige  Rippenanlage  gesondert  ist. 

Weitere  Untersuchungen  werden  es  wahrscheinlich  darthun,  daß 
die  Wirbelsäulenentwickelung  der  Vögel  sich  im  großen  und  ganzen 
ebenso  verhält  wie  bei  den  Reptilien.  Die  meisten  Angaben  Froriep's 
stehen  einer  solchen  Annahme  nicht  entgegen.  Froriep  kannte  vor 
allem  noch  nicht  das  Vorhandensein  einer  Urwirbelspalte  und  ver- 
mochte daher  auch  nicht  die  sich  aus  ihr  ergebenden  Konsequenzen 
mit  in  Betracht  zu  ziehen. 

Die  Figg.  317—319  werden  zeigen,  daß  die  frühesten  Zustände 
der  Wirbelsäule,  namentlich  die  Skierotome,  nicht  wesentlich  andere 
sind  als  bei  den  Reptilien.  Betrachtet  man  aber  die  Abbildungen 
Fig.  314,  315,  319,  320,  so  wird  man  geneigt  sein,  dieses  auch  für 
die  späteren  Stadien  anzunehmen.  Man  dürfte  daher  nicht  fehlgehen 
mit  der  Behauptung,  daß  auch  bei  den  Vögeln  sich  an  dem  Aufbau 
eines  jeden  W^irbels  immer  die  Hälften  je  zweier  benachbarter 
Skierotome  beteiligen,  sowohl  beim  Wirbelkörper  als  auch  bei  den 
Wirbelbögen.  Der  Anteil  des  kaudalen  Skierotomabschnittes  (kranialer 
Teil  des  fertigen  W^irbels)  wird  den  des  kranialen,  namentlich  was  die 
Zusammensetzung  der  Bögen  anbelangt,  wahrscheinlich  meistens  be- 
trächtlich überwiegen ;  vielleicht  wird  letzterer  zum  großen  Teil  auch 
für  den  Aufbau  der  intervertebralen  Partieen  verwendet,  ja  es  ist  so- 
gar nicht  unmöglich,  daß  er  im  Rumpfe  stellenweise  mehr  oder  weniger 
völlig  zurückgebildet  wird. 

Daß  Froriep's  hypochordale  Spangen  wohl  bestimmt  unteren 
Bögen  gleichzusetzen  sind,  die  durch  die  starke  Entwickelung  der  Basen 
der  oberen  Bögen  teils  verdrängt,  teils  so  unterdrückt  werden,  daß 
sie  später  meistens  gänzlich  schwinden  und  sich  nur  an  den  vordersten 
Halswirbeln,  sowie  häufig  auch  am  Schwänze  erhalten,  wurde  oben 
bereits  erwähnt. 

Von  den  Reptilienwirbeln  unterscheiden  sich  die  der  Vögel  durch 
die  bedeutend  stärkere  und  massenhaftere  Entfaltung  des  Knorpels  in 

35* 


548  H.  Schauinsland, 

hervorragender  Weise,  wie  auch  schon  von  vornherein  das  von  den 
Skierotomen  stammende  skeletoblastische  Gewebe  bei  ihnen  beträcht- 
lich voluminöser  ist.  Schwarck  (1873)  unterscheidet  am  Wirbel- 
körperknorpel  zwei  Schichten,  eine  innere  und  eine  äußere;  be- 
wahrheitet sich  dieses,  so  liegt  es  nahe,  in  der  äußeren  die  Basen  der 
oberen  Bögen  zu  erblicken,  die  die  innere,  perichordale  Schicht  um- 
wachsen haben  (Fig.  315),  so  daß  dann  also  auch  noch  bei  den  Vögeln 
Andeutungen  eines  „primären"  und  „sekundären"  "Wirbelkörpers  sich 
vorfinden  würden. 

Die  V  erknöcher  un  g  der  Wirbel  nimmt  einen  anderen  Verlauf 
als  bei  den  Reptilien.  Bei  diesen  begann  sie  mit  der  Ablagerung 
äußerer,  periostaler  Knochenlamellen.  Bei  den  Vögeln  dagegen 
geht  die  Verkalkung,  wie  es  schon  v.  Bär  (1828)  genau  angab  und 
wie  es  von  Gegenbaur  (1862)  und  Schwarck  (1871)  bestätigt  wurde, 
von  der  Mitte  und  dem  Innern  des  knorpeligen  Wirbelkörpers  aus. 
Jener  „0  s  sif  ikationspunkt"  oder  „Knochenkern"  liegt  in  der 
inneren  der  von  Schwarck  beschriebenen  beiden  Knorpelschichten 
des  Wirbelkörpers,  von  der  Chorciascheide  noch  durch  eine  Reihe  ring- 
förmig angeordneter  Knorpelzellen  getrennt  (Schwarck),  und  breitet 
sich  von  hier  aus  rasch  nach  den  Enden  und  nach  der  Peripherie  des 
Wirbels  hin  aus.  Es  ist  nicht  unmöglich,  daß  die  Stelle  des  ersten 
Auftretens  der  Wirbelverknöcherung  bei  den  Vögeln  der  Knochenzone 
gleichzusetzen  ist,  welche  bei  den  Reptilien  (Fig.  304)  zwischen  dem 
primären  Wirbel  und  den  Bogenbasen  erscheint.  Es  hat  demnach 
eine  Ausschaltung  der  peripheren  Knochenablagerungen,  mit  denen 
bei  den  Reptilien  die  Verknöcherung  beginnt,  stattgefunden.  In  Bezug 
darauf  ist  es  interessant,  daß  hin  und  wieder,  wenn  auch  nur  als  sehr 
seltene  Ausnahme,  auch  am  Vogelwirbel  eine  solche  äußere  Knochen- 
lamelle beim  Beginn  der  Ossifizierung  auftreten  kann  (Schwarck). 
Der  Anfang  der  Bogen  verknöcherung  besteht  sogar  wahrscheinlich 
regulär  in  der  Ablagerung  derartiger  äußerer,  vom  Wirbelkörper  ge- 
sonderter Lamellen  (Gegenbaur  1867). 

Zum  Schluß  mag  noch  erwähnt  werden,  daß  in  mehr  oder  weniger 
späten  embryonalen  Stadien  —  am  spätesten  wohl  bei  den  Pinguinen  — 
die  letzten  Schwanzwirbel  zu  einem  in  der  Sagittalebene  flachen,  breiten 
Knochen,  demUrostyl  oder  Pygostyl  (Fig.  308),  an  den  sich  die 
Steuerfedern  des  Schwanzes  fächerförmig  ansetzen,  verschmelzen.  Eine 
derartige  Verlötung  fand  bekanntlich  bei  Archaeopteryx  noch  nicht 
statt.  Wie  erstaunlich  groß  auch  bei  diesem  die  Zahl  der  Kaudalwirbel 
sein  mag,  so  darf  man  demgegenüber  die  Ausbildung  des  Schwanz- 
abschnittes  der  Wirbelsäule  bei  den  heutigen  Vögeln  doch  nicht  unter- 
schätzen und  für  so  unbedeutend  halten,  wie  es  auf  den  ersten  Blick 
wohl  erscheinen  könnte.  Eine  ganze  Anzahl  ursprünglich  freier 
Schwanzwirbel  schließt  sich  nämlich  später  dem  Sacrum  an,  das  an- 
fangs ebenso  wie  bei  den  Rentilien  nur  aus  zwei  Wirbeln  bestellt, 
an  die  oder  vielmehr  an  deren  Rippen  das  Ilium  sich  anfügt. 
Entsprechend  der  Ausbreitung  des  letzteren  längs  der  Wirbelsäule 
assimilieren  sich  den  beiden  primären  Sacralwirbeln  allmählich  immer 
mehr  Schwanzwirbel  (wie  es  kranialwärts  auch  mit  einer  Reihe  Rumpf- 
wirbeln der  Fall  ist)  und  verwachsen  mit  diesen  und  auch  miteinander. 
Rechnet  man  jene  verschmolzenen  „sekundären"  Sacralwirbel  den 
freien  Schwanzwirbeln   und  den  zur  Bildung  des  Pygostyls  verlöteten 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule   nebst  Rippen  und  Brustbein.  549 

hinzu,  so  erhält  man  auch  bei  den  recenteu  Vögeln  die  Zahl  von  etwa 
18 — 19  ursprünglich  freien  Kaudalwirbeln  (Wiedersheim). 

Bei  den  Säugetieren  verläuft  nach  Froriep  (1886)  die  Ent- 
wickelung der  Wirbelsäule  ganz  ähnlich  wie  bei  den  Vögeln.  Zuerst 
finden  sich  nach  ihm  beim  Rind  als  primitiver  Zustand  wieder 
bindegewebige  Stützplatten,  Froriep's  primitive  Wir  bei  bögen, 
welche  von  der  Chorda  in  regelmäßigen,  den  intermuskulären  Zwischen- 
räumen entsprechenden  Abständen  schräg  kaudal-lateralwärts  abgehen, 
an  deren  Rändern  sich  die  Muskelsegmente  befestigen.  In  der  Ueber- 
gangsperiode  verlieren  die  primitiven  Wirbelbögen  ihren  festen 
Halt  an  der  Chorda,  bleiben  im  übrigen  aber  als  bindegewebiges 
Bogenpaar,  das  ventral  durch  eine  hypochordale  Spange  ge- 
schlossen wird,  bestehen.  Der  definitive  Zustand  bildet  sich 
dadurch  aus,  daß  der  Bogen,  während  seine  hypochordale  Spange  sich 
zurückbildet  und  gänzlich  schwindet,  in  seinen  lateralen  Teilen  knor- 
pelig wird,  und  daß  diese  knorpeligen  Bogenstücke  alsbald  mit  dem 
mittlerweile  entstandenen  Körperknorpel  zu  einem  Ganzen  verschmelzen. 

Verschieden  von  der  Entwickelung  bei  Hühnerembryonen,  bei 
denen  hyaliner  Knorpel  zuerst  in  den  Bögen  auftritt,  entsteht  dieser 
beim  Rinde  zunächst  im  Wirbelkörper,  und  zwar  nicht  alimählich, 
sondern  das  gesamte  Körpergebiet  verwandelt  sich  mit  einem  Schlage 
in  Knorpel.  Die  Gestalt  der  Körperanlage  ist  anfangs  bilateral  — 
was  bereits  K.  E.  v.  Bär  (1828)  und  Rathke  (1839)  behaupteten  — 
in  dem  Sinne,  daß  zwei  zu  beiden  Seiten  der  Chorda  gelegene,  größere 
Knorpelherde  durch  eine  dünne,  die  Chorda  ventral  umfassende  Knorpel- 
brücke in  Verbindung  stehen. 

Abweichend  vom  Huhn  ist  auch  das  Verhalten  der  hypochor- 
daleu  Spange.  Während  diese  bei  ersterem,  sobald  der  Bogen- 
knorpel  mit  dem  Wirbelkörper  verschmilzt,  zunächst  vom  Körperknorpel 
aufgenommen  wird,  so  daß  sie  einen  Vorsprung  an  ihm  bildet  und 
erst  später  als  solcher  reduziert  wird,  fließt  sie  beim  Rind  überhaupt 
nicht  mit  dem  Körper  zusammen,  sondern  bleibt,  ohne  zu  verknorpeln, 
als  Bindegewebswulst  am  ventralen  Rande  der  intervertebralen  Region 
liegen  und  schwindet  dort  allmählich  völlig. 

Man  ersieht  daraus,  daß  die  unteren  Bögen,  als  welche  man 
die  „hypochordalen  Spangen"  auch  bei  den  Säugetieren  aufzufassen 
haben  wird,  bei  diesen  in  der  Regel  noch  mehr  rückgebildet  sind  als 
bei  den  Vögeln.  (Weiss  1901  konnte  au  den  Halswirbeln  der  Ratte 
selbst  die  bindegewebigen  „Spangen"  überhaupt  nicht  mehr  auffinden.) 
Andererseits  kommen  aber  in  der  Kaudalregiou  vieler  Mammalien 
(z.  B.  Cetaceen,  Sirenen,  Känguruhs  etc.)  dennoch  wohleutwickelte, 
intervertebrale  untere  Bögen  vor,  deren  Ontogenese  bis  jetzt  aller- 
dings noch  nicht  untersucht  ist,  die  aber  die  größte  Aehnlichkeit 
mit  den  gleichen  Bildungen  niederer  Amnioten  aufweisen. 

Nach  Froriep  hat  sich  namentlich  0.  Schultze  (1896)  mit  der  Ent- 
stehung der  Säugetierwirbelsäule  beschäftigt,  und  zwar  mit  Berücksich- 
tigung des  Ur Segmentspaltes  (=  Intervertebralspalte  v.  Ebner's), 
die  er,  wie  bereits  früher  v.  Ebner,  in  den  Skierotomen  vom  Schwein 
(Fig.  321),  Kaninchen  etc.  nachwies  (Weiss  1901  fand  sie  auch  bei 
der  Ratte).  Er  zeigte,  daß  sich  in  der  Rumpfregion  der  Wirbel  bogen 
aus  der  kaudalen  Hälfte  des  „primitiven  Wirbels"  (wie  er  mit 
Remak  das  Skierotom  nennt),  die  sich  übrigens  durch  ihre  dunklere 
Färbung   und  ihr  festeres  Gefüge  vor  der  kranialen  auszeichnet,   ent- 


550 


H.  Schauinsland, 


wickele,  und  daß  der  bleibende  Wir  bei  kör  per  sich  zum  größeren 
Teile  aus  dem  Material  des  vorhergehenden,  zum  kleineren  aus  dem 
des  nächstfolgenden  „primitiven  Wirbelkörpers"  aufbaue,  daß  also 
eine  Neugliederung  der  Wirbelkörpersäule  stattfinde. 

Man  ersieht  hieraus  die  Aehnlichkeit  mit  den  Entwickelungsvor- 
gängen,  die  wir  bei  den  Reptilien  kenneu  lernten,  und  die  Ueberein- 
stimmung  erscheint  noch  größer,  wenn  man  dabei  den  Verlauf  der 
Spinalnerven    und   segmentalen  Gefäße   mit   in  Betracht  zieht,   die  in 


V.x' 


Fig.  322. 


Fig.  323. 


■-./ 


-ch 


Fig.  322  u,  323.  Zwei  Frontalschnitte  durch  die  Schwanzwirbelsäule  zweier 
Säugetierembryonen ;  Fig.  322  von  Dipus  aegyptiacus,  Fig.  323  von  Delphinus  del- 
phis.  Vergrößerung  28mal.  Die  Schnitte  sind  in  der  Höhe  der  Chorda  geführt. 
Letztere  ist  im  Wirbel  selbst  aber  bereits  völlig  verschwunden,  und  nur  eine  gewisse 
Struktur  des  centralen  Wirbelkörperknorpels  zeigt  dort  ihre  ehemalige  Lage  an  [chX 
In  den  intervertebralen  Partieen  ist  sie  gewuchert  {ch).  g  und  n  segmentale  Blutgefäße 
nnd  Nerven.  Sie  liegen  bei  Dipus  dem  Wirbelkörper  lateral  an,  während  sie  ihn  bei 
Delphinus  dorsoventral  durchbohren.  Jedenfalls  wird  durch  sie  bei  beiden  der 
Wirbelkörper  in  eine  kraniale  und  eine  kaudale  Hälfte  zerlegt,  die  sich  bei  Dipus 
auch  durch  eine  äußerliche  Furche  voneinander  abheben.  Wahrscheinlich  zeigen 
Gefäße  und  Neryen  die  Grenzen  der  ehemaligen  Ursegmente  an.  k  Verknöcherungs- 
punkt  im  Centrum  des  Wirbelkörpers,  iv  intervertebrale  Partieen,  aus  denen  später 
in  Verbindung  mit  der  gewucherten  Chorda  die  Zwischenwirbelscheiben  entstehen. 
Es  läßt  sich  eine  äußere  und  innere  Zone  an  ihnen  unterscheiden,  von  denen  bei 
Dipus  die  letztere  in  diesem  Stadium  noch  knorpelig  ist,  so  daß  die  einzelnen 
Wirbelkörper  noch  durch  Knorpel  miteinander  zusammenhängen. 


der  Schwanzregion  mancher  Säuger  (z.  B.  bei  Dipus,  Fig.  322)  in 
einer  Furche  an  der  Mitte  des  Wirbels  verlaufen  oder  ihn  sogar  (z.  B. 
bei  Cetaceen,  Fig.  323)  durchbohren.  Aus  der  Analogie  mit  niederen 
Vertebraten  kann  man  daraus  wohl  folgern,  daß  der  vordere  Teil  des 
Wirbels  sich  aus  dem  kaudalen,  der  hintere  aus  dem  kranialen  Sklero- 
tomabschnitt  gebildet  hätte. 

0.  ScHULTZE  ist  der  Ansicht,  daß  sich  die  oberen  (und  auch  die 
unteren)  Wirbelbögen  sowie  auch  die  Auswüchse  der  letzteren,  die 
Rippen,  allein  aus  den  kaudalen  Skierotomstücken  entwickeln;  es 
muß  späteren  Untersuchungen  überlassen  bleiben,  ob  diese  Annahme 
bei  den  Säugetieren  immer  zutreffend  ist,  oder  ob  sich  nicht  vielmehr, 
was  sehr  wahrscheinlich  ist,  auch  die  kraniale  Skierotomhälfte  nament- 
lich in  der  Schwanzregion  mehr  oder  weniger  an  dem  Aufbau  der 
Bögen  beteiligt. 


Die  Entwickeluüg  der  AVirbelsäule  nebst  Ripjjen  und  Brustbein.  551 

Wie  die  Sklerotonie  bereits  von  Anfang  an  sehr  zellenreich  sind, 
so  ist  auch  die  voluminöse  Ausbildung  des  Knorpels  eine  sehr  be- 
deutende, und  die  Säugetiere  stehen  hierin  wohl  an  der  Spitze  aller 
Wirbeltiere.  —  Beim  Menschen  beginnt  die  Verkn  orp  elun  g  im 
Anfange  des  zweiten  Monats,  und  zwar,  wie  überall  bei  den  Säugetieren, 
soweit  es  bis  jetzt  beobachtet  worden  ist,  im  Wirbel  kör  per.  Der 
Knorpel  der  Wirbelbögen  wächst  anfangs  nur  ziemlich  langsam  dorsal- 
wärts  aus,  so  daß  ein  großer  Teil  des  Rückenmarkes  zunächst  von 
ihm  noch  nicht  eingeschlossen  ist,  und  nur  von  der  Membrana  reuniens 
superior  bedeckt  wird.  Noch  im  dritten  Monat  klaffen  die  oberen 
knorpeligen  Bögen  in  der  Lumbal-,  Sacral-  und  Halsregion  ziemlich 
weit,  aber  im  vierten  hat  sich  die  dorsale  Vereinigung  der  rechten 
und  hnken  Bogenhälfte  völlig  vollzogen.  Dann  ist  der  Knorpelwirbel 
vollkommen  ausgebildet  und  besitzt  alle  Teile,  die  auch  der  knöcherne 
Wirbel,  der  sich  auf  seiner  Grundlage  allein  aufbaut,  später  aufweist. 

Bemerkenswert  ist  es,  daß  sich  die  Verknorpelung  sogar,  wenn 
allerdings  auch  nur  schnell  vorübergehend,  auf  die  interverte- 
bralen  Partieen  erstrecken  kann  (0.  Schultze),  so  daß  dann  die 
ganze  Wirbelkörpersäule  eine  kurze  Zeit  hindurch  aus  einem  einheit- 
lichen Knorpelstab  besteht  (Fig.  322),  aus  dem  sich  die  Zwischenwirbel- 
scheiben sekundär  wieder  differenzieren  müssen. 

Bei  der  Verknöcherung  des  Säugetierwirbels  sind  die  äußeren, 
periostalen  Knochenscherben,  mit  denen  die  Wirbelossifikation  bei  den 
Reptilien  wohl  regelmäßig  beginnt,  und  die,  wenn  auch  nur  als  seltene 
Ausnahme  hin  und  wieder  selbst  noch  bei  den  Vögeln  vorkommen 
können,  völlig  verschwunden.  Die  Verknöcherung  beginnt  im  Innern 
des  Knorpels  unter  gleichzeitigem  Eindringen  von  Blutgefäßen  vom 
Perichondrium  aus,  und  zwar  zunächst  in  den  Basen  der  oberen 
Bögen  gleichzeitig  auf  der  rechten  und  linken  Seite;  zu  jenen  beiden 
Ossifikationscentren  tritt  etwas  später  noch  ein  drittes  im  Innern  des 
Wirbelkörpers  hinzu.  Letzteres  liegt  anfangs  an  der  dorsalen 
Seite  der  Chorda  (Robin  1864),  vergrößert  sich  später  und  umschließt 
die  Chorda  vollständig,  die  darauf  in  den  Wirbeln  selbst  bald  gänzlich 
verschwindet  (Fig.  322,  323).  Diese  drei  Ossifikationspunkte  wuchern 
ziemlich  rasch  und  gelangen  bald  an  die  Oberfläche  des  Knorpels  — 
beim  Menschen  im  vierten  und  fünften  Monat.  Der  Wirbel  besteht 
dann  aus  drei  Knochenstücken,  die  durch  Knorpelnähte  an  den  Basen 
der  Bogen  und  an  der  median-dorsalen  Vereinigung  der  rechten  und 
linken  Bogenhälfte,  längere  oder  kürzere  Zeit  noch  voneinander  ge- 
trennt bleiben. 

Neben  diesen  Knochenpunkten,  welche  die  Hauptmasse  der  Wirbel 
darstellen,  kommen  noch  einige  andere  vor,  von  denen  vornehmlich 
zwei,  je  einer  an  der  kranialen  und  kaudalen  Endfläche  des  Wirbel- 
körpers, bemerkenswert  sind.  Aus  ihnen  entstehen  die  sogenannten 
Epiphysenplatten,  die  in  einzelnen  Fällen,  z.  B.  bei  den  Cetaceen, 
als  gesonderte  Knochenscheiben  dauernd  bestehen  bleiben,  in  anderen 
jedoch  früher  oder  später  mit  dem  Körper  völlig  verschmelzen.  Diese 
Epiphysenstücke  sind  charakteristisch  für  die  Säugetiere;  da  ihnen  bei 
den  anderen  Wirbeltieren  nichts  an  die  Seite  gesetzt  werden  kann, 
so  ist  man  über  ihre  phylogenetische  Herkunft  bis  jetzt  noch  völlig 
im  Unklaren. 

Außerdem  sind  endlich  noch  einige  Nebenkn  ochen  k  erne  an 
den  Enden    der   Wirbelfortsätze    zu   erwähnen ,    auf  deren    Auftreten 


552  H.  Schauinsland, 

beim  Menschen  namentlich  Schwegel  (1858)  hingewiesen  hat.  Einer 
von  ihnen  tritt  in  der  Spitze  aller  Dornfortsätze  auf.  Letztere  ent- 
stehen nämlich  so,  daß  die  Knorpelmasse,  welche  sich  zwischen  der 
rechten  und  linken  Bogenhälfte  dorsal  vom  Rückenmark  befindet, 
allmählich  zu  einem  Dorn  auswächst,  in  dessen  Innerem  dann  später 
ein  besonderer  Knochenkern  erscheint.  (Hierin  liegt  ein  Unterschied 
zwischen  der  Entwickelung  der  Dornfortsätze  bei  Reptilien.  Bei 
Sphenodon  z.  B.  [Schauinsland]  wächst  nämlich  zwar  auch  die 
mediane  Knorpelnaht  zunächst  zwischen  den  Bogen  sekundär  zu  einem 
Kamm  oder  Dorn  aus;  dieser  verknöchert  aber  nicht  für  sich  allein, 
sondern  es  erstrecken  sich  die  Knochenlamellen  des  rechten  und 
linken  Bogens  auch  auf  ihn  herauf,  bleiben  an  der  Spitze  noch  lange 
Zeit  hindurch  voneinander  getrennt  und  verschmelzen  erst  im  hohen 
Alter.) 

Weitere  Nebenknochenkerne  finden  sich  dann  noch  an  den  Spitzen 
aller  Querfortsätze,  vereinzelt  auch  an  den  Gelenkfortsätzen  u.  s.  w. 
Alle  diese  Kerne  erscheinen  beim  Menschen  im  allgemeinen  spät, 
nach  Schwegel  vom  8.  bis  15.  Jahre,  und  verschmelzen  etwa  erst 
um  das  25.  Jahr  mit  der  Hauptmasse  des  Wirbels,  der  von  da  an 
einen  einzigen  kompakten  Knochen  darstellt. 

Von  anderen  Einzelheiten,  die  die  Wirbelsäule  der  Säugetiere  be- 
treffen, wären  noch  die  Verwachsungen  mehrerer  Wirbel  während 
der  Ontogenese  zu  erwähnen.  Derartige  Verschmelzungen  kommen 
in  mehi-  oder  weniger  ausgedehnter  Weise  namentlich  an  der  Hals- 
wirbelsäule  der  Cetaceen  vor  unter  gleichzeitiger  Verkürzung  der 
einzelnen  Wirbel.  Auch  bei  Edentaten,  bei  Dipus  u.  s.  w.  finden 
sie  sich. 

Regelmäßig  kommt  es  zur  Wirbelverwachsung  —  mit  Ausnahme 
der  Cetaceen  —  aber  in  der  Sacralregion.  Unter  den  hier  zu 
dem  einheitlichen  Os  sacrum  verschmelzenden  Wirbeln  hat  man 
nach  Gegenbaur  wiederum  zwischen  echten  und  unechten 
Sacral  wirb  ein  zu  unterscheiden.  Ebenso  wie  bei  allen  übrigen 
Vertebraten  von  den  Amphibien  an  wird  die  Verbindung  zwischen 
dem  Ilium  und  der  Wirbelsäule  durch  Rippen  gebildet.  Ursprüng- 
lich ist  es  jedoch  nur  ein  einziger  Wirbel,  der  eine  solche  Ver- 
bindung eingeht  (Gegenbaur).  Später  folgt  ihm  darin  noch  ein 
zweiter,  und  diesem  schließen  sich  in  verschiedener  Zahl  nocli  weitere 
kaudale  Wirbel  an ,  die  mit  dem  ersteren  synostisieren  und  als 
pseudosacrale  bezeichnet  werden  müssen.  Diese  Verhältnisse 
des  näheren  zu  schildern,  ist  wohl  aber  bereits  Aufgabe  der  ver- 
gleichenden Anatomie,  der  wir  auch  die  Beschreibung  und  Erläute- 
rung der  R  e  g  i  0  n  b  i  1  d  u  n  g  e  n  an  der  Wirbelsäule  der  Vertebraten 
überlassen  müssen.  Hingewiesen  mag  aber  noch  auf  die  interessanten 
Studien  E.  Rosenberg's  (1875,  1883,  1896,  1897,  1899)  werden,  durch 
die  er  feststellen  konnte  (1875),  daß  am  distalen  Abschnitt  der  Brust- 
region und  au  allen  folgenden  Regionen  der  menschlichen  Wirbelsäule 
ein  proximalwärts  fortschreitender  Umformungsprozeß  stattfinde. 
Im  besonderen  zeigte  er,  daß  das  Sacrum  anfangs  von  einer  mehr 
distalwärts  reichenden  Reihe  von  Wirbeln  zusammengesetzt  wird,  als 
später  im  erwachsenen  Zustand,  und  daß  während  der  Entwickelung 
eine  Verschiebung  eintrete,  insofern  als  Lumbal-  in  Sacralwirbel 
und  Sacral-  in  Kaudalwirbel  verwandelt  werden.  Es  ergiebt  sich 
daraus   eine  Art  von  flüssigem  Zustand  für  die  Wirbelsäulenregionen. 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  553 

Derselbe  Wirbel,  welcher  in  dem  einen  Falle  Thorakalwirbel  ist, 
erscheint  in  einem  anderen  als  lumbaler,  um  wieder  im  anderen 
Sacralwirbel  zu  sein,  oder  endlich  einen  Schwanzwirbel  vorzustellen 
(Gegenbaur). 

Später  erweiterte  Rosenberg  seine  Theorie  noch  dahin,  daß  am 
distalen  Abschnitt  der  Halswirbelsäule  sich  ein  distal wärts  fort- 
schreitender Umformungsprozeß  vollziehe. 

Gegen  Rosenberg's  Annahme  wurden  aber  auch  Einwendungen 
erhoben  (so  von  Welker  1878,  Holl  1882,  Paterson  1893, 
Adolphi  1902,  Bardeen  1904,  etc.).  Die  neueste  Arbeit  von 
Adolphi  (1905)  nimmt  einen  vermittelnden  Standpunkt  ein.  In  ihr 
und  in  der  von  Bardeen  findet  sich  die  gesamte,  diesen  Gegenstand 
behandelnde  Litteratur  zusammengestellt. 

Rippen.  Wirkliche  Beobachtungen  über  die  p]ntwickelung  der 
Amniotenrippen  sind  nicht  gerade  zahlreich ;  theoretische  Erwägungen 
finden  sich  dagegen  häufiger  und  sind  zum  Teil  schon  bei  der  Be- 
sprechung der  Rippen  der  niederen  Vertebraten  erwähnt  worden.  So 
kann  sich  z.  B.  Claus  (1876)  nicht  damit  einverstanden  erklären,  daß, 
wie  Gegenbaur  will,  die  Rippen  Abgliederungen  der  unteren  Bögen 
seien,  da  von  den  Reptilien  an  die  Rippen  u  n  d  unteren  Bögen  am 
Schwänze  gleichzeitig  vorkämen.  Die  Rippen  gehören  nach 
ihm  vielmehr  dem  System  der  Querfortsätze  an. 

C.  K.  Hoffmann  (1878,  1879)  teilt  diese  Auffassung  jedoch  nicht, 
ebenso  wie  er  die  von  Gegenbaur  verwirft  und  auch  der  Meinung 
Goette's,  daß  sie  seitliche  Anhänge  oberer  Wirbelbögen  wären, 
nicht  zustimmt.  Dagegen  behauptet  er,  daß  die  Rippen  „ursprüng- 
liche intervertebrale,  aus  der  die  Chorda  umgebenden  skeleto- 
genen  Schicht  hervorwachsende  Stücke  bilden,  welche  selbständig  ossi- 
fizieren". Baur  (1887)  suchte  diese  Anschauung  zu  unterstützen 
und  in  gewisser  Weise  auch  Gadow  (1896),  wenn  er  seine  Meinung 
dahin  ausspricht,  daß  die  Amniotenrippen  laterale  und  die  „ Chevron s 
und  Haemapophysen"  ventrale  Auswüchse  seiner  „Basiventralien", 
aus  welchen  die  ,,Intercentra"  entstehen,  seien. 

Nach  Bruch  (1863,  1867),  Kölliker  (1879),  Hasse  und  Born 
(1879),  Rabl  (1892),  Eimer  (1901)  sind  die  Amniotenrippen  selb- 
ständige Bildungen,  die  in  den  Bindegewebsscheidewänden  zwischen 
den  Muskeln  entstehen  und  sich  dann  später  an  Querfortsätze  oder 
auch  unmittelbar  an  Wirbelkörper  oder  obere  Bögen  angliedern 
(Eimer). 

0.  ScHULTZE  (1897)  endlich  leitet  ihre  Entwickelung  ebenso  wie 
Gegenbaur  aus  den  unteren  Bögen  her;  sie  sind  Auswüchse  der 
unteren  Bögen  „des  primitiven  Wirbels"  und  wie  diese  segmentale 
Bildungen.  Jede  Rippe  ist  auf  den  kau  dal en  Teil  eines  Ursegments 
zurückzuführen. 

Diese  letztere  Anschauung  kommt  unserer  eigenen  (Schauins- 
land) am  nächsten.  Schon  oben  ist  sie  erwähnt  worden  (p.  533). 
Danach  sind  die  Rippen  der  Amnioten  Abkömmlinge  der  unteren 
Bögen,  wenn  sie  auch  noch  so  weit  dorsal  verschoben  scheinen.  Nach 
den  bei  Anamniern  gemachten  Erfahrungen  wissen  wir,  daß  sich  das 
System  der  unteren  Bögen  in  eine  ventrale  und  eine  dorsale  Partie 
teilen  kann.  Wir  werden  uns  daher  nicht  wundern,  wenn  wir,  wie 
z.  B.  in  der  Schwanzgegend,  beiden  gleichzeitig  begegnen,  den  dorsal 
gelegenen,  mit  den  Querfortsätzen  zu  Seiten fortsätzen  verschmol- 


554  H.  Schauinsland, 

zenen  Rippen  und  den  ventralen  unteren  Bögen  (Chevron  bones), 
und  werden  dalier  Claus  u,  A.  nicht  beistimmen,  Avenn  sie  darin 
einen  Grund  linden  wollen,  die  Zugehöiigkeit  der  Rippen  zu  den 
unteren  Bögen  in  Abrede  zu  stellen. 

Es  ist  allerdings  sicher,  daß  die  Zusammengehörigkeit  der  beiden 
Komponenten  des  Komplexes  der  unteren  Bögen  sich  nur  in  wenigen 
Fällen  —  wie  z.  B.  an  den  Halswirbeln  der  Krokodile  —  noch  un- 
mittelbar nachweisen  läßt.  Im  Laufe  der  Phylogenese  haben  außer- 
ordentlich starke  Verschiebungen  stattgefunden,  so  daß  es  oft  that- 
sächlich  den  Anschein  hat,  als  besäßen  die  Rippen  nähere  Beziehungen 
zum  System  der  oberen,  als  zu  dem  der  unteren  Bögen.  Häufig  stehen 
selbst  ontogenetisch  Rippe  und  oberer  Bogen  jederzeit  in  unmittelbarem, 
festem  Zusammenhang.  Die  Zustände  bei  den  Amphibien  und  die 
Wanderungen  der  Rippen  bei  diesen,  wie  Göppert  sie  aufgeklärt  hat, 
lassen  aber  den  Weg  ahnen,  den  offenbar  auch  die  Amniotenrippen 
genommen  haben,  wenn  wir  ihn  im  einzelnen  bis  jetzt  auch  durchaus 
noch  nicht  deutlich  erkennen. 

Wie  die  ventralen  Teile  der  unteren  Bögen  (die  hypochordalen 
Spangen,  Gabelknochen,  chevron  bones)  durch  die  starke  Ausbildung 
der  oberen  Bogenbasen  meist  völlig  vom  Wirbelkörper  verdrängt 
worden  sind  und  eine  intervertebrale  Lage  angenommen  haben, 
so  haben  die  genetisch  zu  ihnen  gehörigen  Rippen  die  Verschiebung 
nach  dieser  Richtung  hin  ebenfalls  oft  mitgemacht.  — 

In  Hinsicht  auf  ihre  Beziehungen  zur  Muskulatur  wird  man  die 
Amniotenrippen  auf  diejenigen  der  Amphibien  zurückzuführen  haben 
(Hatschek  u.  A.)  und  sie  im  Gegensatz  zu  den  unteren  Fischrippen 
als  obere  bezeichnen  müssen.  — 

Um  einige  bestimmte  Beispiele  der  Rippenentwickelung  zu  geben, 
so  vollzieht  sich  diese  bei  Sphenodon  auf  folgende  Weise  (Schau- 
insland 1900) :  In  frühen  Stadien,  in  denen  noch  keine  Spur  von 
Verknorpelung  vorhanden  ist,  machen  sich  an  den  „Bogenanlagen", 
welche  den  „primären  Wirbelkörper"  umgeben,  etwa  in  der  Höhe  der 
Chorda  (wenigstens  im  mittleren  Rumpfabschnitt,  weiter  kranialwärts 
rücken  sie  weit  dorsal  auf  die  Bögen  herauf)  laterale  Fortsätze  be- 
merkbar, in  denen  man  die  Anlagen  der  Querfortsätze  und  der  Rippen 
zu  erblicken  hat.  Vom  ersten  Augenblick  ihres  Erscheinens  an 
stehen  sie  mit  den  Bogenanlagen  in  kontinuierlichem  Zusammenhang; 
nichts  deutet  somit  während  der  Ontogenese  in  direkter  Weise  auf 
ihren  ehemaligen  Zusammenhang  mit  den  unteren  Bögen  noch  hin.  An 
dem  Aufbau  der  Hals-  und  fast  aller  Rumpfrippen  beteiligt  sich  ganz 
überwiegend,  wenn  nicht  ausschließlich,  nur  der  kaudale  Skierotom- 
anteil (also  der  kraniale  Wirbelabschnitt),  von  der  2.  Sacralrippe  an 
aber  auch  der  kraniale.  Die  meisten  Schwanzrippen  setzen  sich  aus 
beiden  Skierotomstücken  zusammen,  was  auch  noch  in  späteren 
Stadien  durch  eine  Furche  angedeutet  wird  (Fig.  307).  (Hin  und 
wieder  können  die  allerletzten  Rippen  sogar  auch  in  Gestalt  von  zwei 
Rippenstümpfen,  die  an  zwei  Querfortsätzen  sitzen,  vorkommen ;  Fig.  307). 
Hiermit  im  Zusammenhang  steht  es,  daß  die  Rippen  der  Hals-  und 
Rumpfregion  in  kranio-kaudaler  Richtung  ganz  schmal  sind  und  fast 
genau  senkrecht  (dorsoventral  zur  Körperachse)  stehen,  in  der  Schwanz- 
gegend jedoch  kranial-kaudalwärts  stark  verbreitert  und  parallel  zur 
Achse  angeheftet  sind.  Bei  den  letzten  Lumbal-  und  den  beiden 
Sacralrippen  beginnt  diese  Aenderung  in  der  Stellung  allmählich  ein- 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  555 

zutreten  und  hat  sich  bei  der  ersten  Schwanzrippe  bereits  vollständig 
vollzogen  (Fig.  307). 

Auch  nach  der  Verknorpelung  ist  zunächst  der  Zusammen- 
hang zwischen  Rippe  und  Wirbel  ein  vollständiger;  eine  Trennungs- 
linie im  Knorpel  ist  zwischen  diesen  beiden  Elementen  nicht  vor- 
handen. Bald  darauf  tritt  eine  solche  aber  auf.  Die  Zellen  verlieren 
an  der  Stelle  des  späteren  Gelenkes  ihren  Charakter  als  Knorpelzellen 
und  statt  ihrer  erscheinen  Bindegewebsfasern ;  hierdurch  ist  dann  die 
Rippenanlage  in  einen  kurzen,  mit  dem  Wirbelkörper  untrennbar  ver- 
bundenen Querfortsatz  und  die  eigentliche  Rippe  zerlegt.  Diese 
stellt  im  Rumpf  anfangs  einen  einheitlichen  und  fast  gleichmäßig 
dicken  Knorpelstab  dar,  in  dem  später  in  ähnlicher  Weise  wie  vor- 
her bei  der  Scheidung  vom  Querfortsatz  nochmals  eine  Trennung  er- 
folgt, wodurch  die  Rippe  in  einen  proximalen  und  einen  kurzen  di- 
stalen Abschnitt  zerlegt  wird,  welch'  letzterer  anfangs  nur  wenig, 
später  sehr  stark  kranialwärts  umbiegt  und  die  Leibeshöhle  von  unten 
umfaßt,  ein  Vorgang,  der  sich  übrigens  bei  vielen  anderen  Reptilien 
in  ganz  ähnlicher  Weise  findet.  Bei  Sphenodon  —  bei  Lacertiliern 
ist  das  meistens  ebenso  der  Fall  —  verknöchert  nur  der  obere 
proximale  Teil  der  Rippe,  indem  er  ringsum  von  einer  Knochenrinde 
eingehüllt  wird;  der  innere  Knorpel  wird  durch  eindringende  Gefäße 
zum  großen  Teil  später  zerstört  und  in  Markmassen  aufgelöst.  Eine 
e  u  1 0  c  h  0  n  d  r  0 1  i  s  c  h  e  Verknöcheruug  findet  während  des  Embryonal- 
lebens nicht  statt.  Der  untere  Abschnitt  des  proximalen  Rippen- 
stückes sowie  der  gesamte  distale,  abgegliederte  Teil  verknöchert 
nicht,  sondern  hier  verkalkt  der  Knorpel  nur. 

Bei  den  distalen  Rippenstücken,  die  anfangs  auch  nur  fast  ganz 
gleichmäßig  ausgebildete  Knorpelstäbe  darstellen,  treten  später  bei 
Sphenodon  an  der  kranialen,  darauf  auch  an  der  kaudalen  Seite  flügel- 
artige Verbreiterungen  auf,  so  daß  dann  das  Rippenende  die  Gestalt 
eines  verschobenen  Kreuzes  besitzt.  Nach  dem  Ausschlüpfen  ver- 
breitern sich  die  beiden  Kreuzesarme  noch  mehr  und  wachsen  jeder- 
seits  zu  einer  ganz  dünnen  knorpeligen  Schuppe  aus;  von  diesen  legt 
sich  die  vorhergehende  immer  über  die  nachfolgende  herüber,  und 
durch  dieses  Uebereinanderschieben  wird  ein  vorzüglicher  Schutz  der 
Eingeweide  geschaffen. 

Die  Län^e  der  Querfortsätze  der  knöchernen  Rippen  ist  bei  Sphe- 
nodon immer  sehr  unbedeutend,  so  daß  die  Rippen  dem  Wirbel  dicht 
aufsitzen,  und  zwar  in  der  Hals-  und  Rumpfpartie,  wie  bereits  ange- 
deutet, quer  zur  Sutur  zwischen  Wirbelkörper  und  oberen  Bögen.  Das 
proximale  Rippenende  befindet  sich  demnach  teils  auf  dem  Wirbel- 
körper, teils  auf  dem  Wirbelbogen,  meistens  zur  Hälfte  auf  dem 
ersteren  und  zur  anderen  Hälfte  auf  dem  letzteren,  wenn  auch  in  den  ver- 
schiedenen Körperregionen  hiervon  Abweichungen  vorkommen  können. 
(An  den  ersten  Halswirbeln  können  die  Rippen  sogar  ganz  auf  den 
Bogen  heraufrücken.)  Der  Rippenanfang  gabelt  sich  dabei  zwar  nicht, 
aber  man  kann  auf  ihm ,  entsprechend  der  Bogeukörpe]-naht,  eine 
Furche  bemerken,  die  wahrscheinlich  als  erste  Andeutung  eines  sich 
bildenden  Capitulums  und  Tuberculums  aufzufassen  ist.  Jedoch  ist 
das  nur  eine  Vermutung,  wie  überhaupt  die  Entstehung  der  Doppel- 
köpfigkeit  der  Amniotenrippe  zum  größten  Teil  noch  ein  ungelöstes 
Problem  darstellt.  Da  im  Schwänze  von  Sphenodon  die  Rippen  eben- 
falls eine  Furche  aufweisen,  die  sie  aber  nicht  wie  vorne   in  eine  dor- 


556  H.  Schauinsland, 

sale  und  ventrale  Partie  scheidet,  sondern  vielmehr  in  eine  kraniale 
und  kaudale,  entsprechend  ihrer  Zusammensetzung  aus  zwei  Sklerotoin- 
hälften,  so  ist  es  nicht  undenkbar,  daß  bisweilen  die  Zweiköptigkeit 
einer  Rippe  auch  aus  dem  letzteren  Umstände  abgeleitet  werden  kann.  — 

Eine  ganz  besondere  Ausbildung  erfahren  die  Rippen  bei  den 
Schildkröten,  da  sie  hier  in  hervorragender  Weise  an  der  Ent- 
stehung des  Rückenpanzers  sich  beteiligen.  Es  hat  ziemlich  lange 
gewährt,  bis  man  über  die  sich  dabei  abspielenden  Vorgänge  Klarheit 
gewann.  Anfangs  hielt  man  überwiegend  sowohl  das  Bauch-  als  auch 
das  Rückenschild  für  Abkömmlinge  des  Haut  Skeletts.  Man  er- 
kannte dabei  allerdings,  daß  ein  Teil  der  Platten  des  Rücken- 
schildes,  die  Costal-  und  Spinalplatten,  Beziehungen  zum 
Achsenskelett  aufweisen,  nahm  jedoch  an,  daß  diese  erst  sekundärer 
Natur  seien,  daß  die  dermal  entstandenen  Platten  erst  später  mit 
dem  Stammskelett  verwüchsen  (Carus,  J.  Müller,  Peters,  Owen, 
Stannius,  Cope,  Baur,  Dollo  u.  A.). 

Nach  C.  K.  Hoffmann  (1879)  hingen  Rippen  und  Wirbel  ur- 
sprünglich in  knorpeliger  Anlage  ohne  Trennungslinie  zusammen, 
worauf  sich  die  Rippe  durch  eine  besondere  Ossifikationslinie  ab- 
grenze. Der  Rippenknorpel  verkalke  allmählich  von  innen  nach  außen, 
und  um  ihn  bilde  sich  eine  perichondrale  Knochenkruste.  (Haykraft, 
1892,  behauptet  sogar,  daß  die  Wirbel  und  Rippen  der  Schildkröten 
überhaupt  kein  Perichondrium  oder  Periost  besäßen.)  Rings  um  diese 
lagerten  sich  dann  Hautknochen  ab,  während  der  verkalkte  Rippen- 
knorpel resorbiert  würde.  Nur  das  mediane,  nicht  vom  dermalen 
Knochen  eingeschlossene  Rippenende  erhielte  sich.  Danach  wären 
also  die  Costalplatten  (und  auch  die  Spinalplatten)  außerhalb  des 
Periost  rein  kutan  entstanden. 

Andererseits  (Rathke  1848,  Huxley  1873,  Gegenbaur  1898) 
leitete  man  die  Platten  zwar  ontogenetisch  vom  Innenskelett  her,  führte 
sie  schließlich  trotzdem  aber  doch  wieder  auf  das  Hautskelett  zurück  in 
der  Annahme,  daß  Teile  von  diesem  während  der  Phylogenese  mit  dem 
Achsenskelett,  speciell  den  Rippen,  sich  verbunden  hätten  und  in 
ihnen  aufgegangen  wären. 

Dem  allem  gegenüber  wies  Goette  (1899)  überzeugend  nach 
(bei  Chelone,  Podocnemis  etc.),  daß  die  ganze  knöcherne  Rippenplatte 
des  Rückenschildes  nichts  weiter  als  ein  stark  verdickter  Periost- 
knochen  der  knorpeligen  Rippe  nebst  einer  Verbreiterung  und  Fort- 
setzung derselben  in  einer  rückgebildeten  Muskelschicht  ist.  (Die 
Spinalplatten  sind  gleichfalls  subkutane,  teils  periostale,  teils  ligamen- 
töse  Verknöcherungen,  während  andererseits  die  Nacken-,  Rand-, 
Pygalplatten  und  das  Bauchschild  zweifellos  in  der  ursprünglichen 
Cutis  entstellen.)  Die  Wirbel  und  Rippen  der  Chelone  und  wohl 
aller  Seeschildkröten  enthalten  keine  Spur  von  Hautknochen,  eine 
Ansicht,  die  auch  Eimer  (1901)  teilt.  — 

Beim  Hühnchen  findet  Froriep  (1883)  am  Ende  des  6.  Brüt- 
tages die  „hypochordale  Spange"  lateralwärts  fortgesetzt  in  eine  Platte 
aus  nicht  knorpeligem,  sehr  dichtem  Bindegewebe,  welches  die  Rippen- 
anlage  repräsentiert.  (Hiernach  wird  also  thatsächlich  durch  die 
Beobachtung  der  von  uns  angenommene  ursprüngliche  Zusammen- 
hang zwischen  unteren  Bögen  und  Rippen  nachgewiesen!)  Dorsal- 
wärts  geht  die  „Spange"  in  den  Neuralbogen  über;  zwischen  diesem 
und   der  Rippenanlage  liegt  ein  lougitudinaler  Gefäßstamm,   die  Ar- 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  557 

z 

teria  vertebralis,  die  ursprünglich  sich  als  eine  Längsanastomose 
zwischen  den  regelmäßig  metanieren  „Interprotovertebralarterien''  ge- 
bildet hat. 

In  der  bindegewebigen  Rippenanlage  erscheint  dann  später  — 
etwa  im  Laufe  des  8,  Tages  —  ein  kurzes  Knorpelstück,  welches  mit 
der  Bogenbasis  und  dem  Körper  an  der  Stelle  in  Zusammenhang 
tritt,  an  welcher  das  laterale  Ende  der  nun  geschwundenen  hypo- 
chordalen  Spange  gelegen  haben  würde  (vergl.  auch  Fig.  319).  Ob 
dieser  Rippenknorpel  selbständig  entstanden  oder  aus  der  Bogenbasis 
hervorgewachsen  sei,  konnte  Froriep  nicht  entscheiden,  jedenfalls 
war  aber  am  Ende  des  8.  Tages  das  betreifende  Knorpelstück  mit 
dem  Wirbel   verschmolzen    und   erschien  als  dessen  „Rippenfortsatz". 

Später  gliedern  sich  auch  bei  den  Vögeln  die  Rippen,  wenigstens 
die,  welche  mit  dem  Sternum  in  Verbindung  stehen,  nochmals  und 
zerfallen  dann  in  ein  vertebrales  und  ein  sternales  Stück,  welch'  letz- 
teres selbständig  ossifiziert.  — 

Für  die  Säug  eti er e  (1897),  insbesondere  den  Menschen  ,  gibt 
0.  ScHULTZE,  wie  bereits  früher  bemerkt,  an,  daß  die  Rippen  laterale 
und  ventrale  Auswüchse  der  unteren  Bögen  und  auf  den  kaudalen 
Teil  der  Ursegmente  zurückzuführen  sind.  Nach  ihm  findet  die  Ver- 
knorpelung  in  dorsoventraler  Richtung  statt,  und  die  knorpelige 
Rippe  bildet  eine  Zeit  lang  ein  Knorpelstück  mit  dem  knorpeligen 
Wirbel,  in  dem  das  Gelenk  erst  später  auftritt.  (Nach  W.  Hagen, 
1900  erhalten  jedoch  die  Rippen  ihr  eigenes,  wohl  charakterisiertes 
Knorpelzentrum,  während  die  Gelenke  zwischen  dem  Wirbel  von  vorn- 
herein bindegewebig  sind  und  es  auch  bleiben.) 

Die  Rippen  verknöchern  beim  Menschen  früh,  schon  am  Ende 
des  zweiten  Monats,  jede  mit  einem  dorsalen  Knochenkern,  der  sich 
rasch  nach  beiden  Seiten  ausbreitet.  Das  distale  Ende  der  Rippe  bleibt 
jedoch  knorpelig.  In  späterer  Zeit  (vom  8.  bis  14.  Jahr  nach  Schwegel) 
erscheinen  in  den  Knorpeln  des  Capitulums  und  Tuberculums  be- 
sondere Knochenkerne,  die  zwischen  dem  14.  und  25.  Jahr  mit  dem 
übrigen  Rippenknorpel  verschmelzen.  — 

Ursprünglich  hatten  oifenbar  alle  Wirbel  die  Fähigkeit,  Rippen  zu 
erzeugen.  Durch  physiologische  Einflüsse  bedingt,  sind  darin  aber 
Aenderungen  eingetreten,  und  die  Ausbildung  der  Rippen  wurde  an 
vielen  Stellen  gehindert.  Teils  sind  sie  gänzlich  ausgefallen,  teils  sind 
sie  schon  frühzeitig  mit  anderen  Wirbelteilen  verschmolzen,  so  daß 
man  sie  ohne  Kenntnis  der  Entwickelungsgeschichte  nicht  mehr  nach- 
weisen könnte.  So  verwachsen  z.  B.  die  Halsrippen  frühe  und  voll- 
ständig mit  dem  Wirbel  und  in  der  Lumbal-,  Sacral-  und  Kaudal- 
region enthalten  wohl  bei  allen  Amnioten  die  „Querfortsätze"  Rippen, 
die  mehr  oder  weniger  früh  mit  ihnen  verwachsen  sind.  Man  sollte 
sie  daher  dort  auch  lieber  statt  „Querfortsätze"  Seitenfortsätze 
nennen  (0.  Hertwig). 

Es  wird  nicht  wunder  nehmen,  daß  an  solchen  Stellen,  wo  Rippen 
unterdrückt  sind,  sie  bisweilen  ausnahmsweise  auch  wieder  auftreten 
können.  Die  Literatur,  in  der  uns  beim  Menschen  freie  Hals-  und 
Lendenrippen  mitgeteilt  werden,  ist  nicht  unbeträchtlich.  Bei  fast 
allen  Haussäugetieren  sind  solche  Fälle  ebenfalls  nachgewiesen  worden 
(CoRNEViN  et  Lesbre  1897).  Neuerdings  beschrieb  Pfützenreuter 
(1904)  das  Vorkommen  von  Rippen  in  der  Lendengegend  beim  Kameel 
und  wies   nach,   daß   in   den  Querfortsätzen   der.  Lendenwirbel   dieses 


558  H.  Schauinsland, 

Tieres  nicht  nur  Rippenrudimente  enthalten  sind,  sondern  daß  der 
„Querfortsatz"  zum  überwiegenden  Teil  einer  Rippe  entspricht.  — 

Einen  Versuch,  der  Lösung  des  Problems,  auf  welche  Weise  die  Ver- 
schiebung der  Amniotenrippe  stattgefunden  hat,  näher  zu  kommen, 
wurde  von  Schöne  (1902)  unternommen,  indem  er  dabei  von  den  Unter- 
suchungen Göppert's  über  die  Amphibienrippen  ausging  und  nament- 
hch  die  Verhältnisse  der  Arteria  vertebralis  zu  Rate  zog.  Dieses  Gefäß, 
welches  aus  einer  Längsverbindung  der  ursprünglichen,  zwischen  den 
Ursegmenten  verlaufenden  Arterien  hervorgeht  (Froriep)  ,  liegt  bei 
den  Amnioten  bald  ventral,  bald  dorsal  von  der  Verbindung  der  Rippen 
mit  der  Wirbelsäule.  Es  fragt  sich  nun,  ob  in  den  Fällen,  in  denen 
sich  die  Arteria  vertebralis  dorsal  von  der  Capitulumverbindung  der 
Rippe  findet  (Schildkröten,  Vögel,  Säugetiere,  Halsrippen  der  Krokodile) 
hierin  die  alte  (bei  MenoJjranchus  beobachtete  Lage)  bewahrt  ist,  und 
ob  andererseits  bei  einer  dorsal  von  der  Arterie  sich  vollziehenden 
Rippenverbiudung  (hintere  Rippen  der  Krokodile,  Saurier,  Schlaugen) 
sich  diese  ebenso  wie  bei  höheren  Urodelen  vermittelst  einer  Rippen- 
trägerbildung  herausgebildet  hat.  Wäre  letzteres  nicht  der  Fall. 
so  könnte  es  sich  nur  um  eine  einfache  Verschiebung  der  Basalstumpf- 
verbindung,  wie  bei  Gymnophionen  handeln ,  allerdings  unter  Um- 
bildung der  Arteria. 

Im  Laufe  seiner  Untersuchungen  kommt  Schöne  zu  dem  Schluß, 
daß  sehr  wahrscheinlich  bei  den  Schildkröten,  Krokodilen  (Halsrippen). 
Vögeln  und  Säugetieren  die  Capitulumverbindung  der  Rippe  thatsäch- 
lich  identisch  ist  mit  der  primitiven  Basalstumpfverbiudung  der  niederen 
Urodelen. 

Bei  den  hinteren  Rippen  der  Krokodile  dagegen  muß  seiner  Mei- 
nung nach  das  Capitulum  ähnlich  wie  bei  den  Gymnophionen  und 
Anuren  einfach  auf  den  Neuralbogen  heraufgeglitten  sein,  wobei  die 
A,  vertebralis  aber  nicht,  wie  bei  den  genannten  Formen,  mit  ver- 
lagert wurde,  sondern  sich  durch  Ausbildung  bestehender  kollateraler 
Zweige  in  ihrer  alten  Bahn  erhielt.  Er  fand  nämlich  keine  Spur  einer 
Rippenträgerverbindung,  mit  deren  Hilfe  das  Capitulum  über  die 
Arteria  hätte  hinüberwandern  können. 

Ebenso  gelang  es  ihm  nicht,  Rippenträgerbildungen  bei  Sauriern 
und  Schlaugen  nachzuweisen,  und  er  hält  es  demnach  für  wahrschein- 
lich, daß  bei  ihnen  ebenso  wie  bei  Anuren  und  Gymnophionen  die 
Rippe  ohne  Rippenträger  einfach  dorsal  verschoben  ist.  Ob  an  dieser 
Wanderung  sich  auch  der  Basalstumpf  beteiligt  hat,  ist  unentschieden, 
jedenfalls  hat  er  bei  den  Sauriern  und  bei  den  Reptilien  überhaupt 
seine  Selbständigkeit  gegenüber  dem  Wirbelkörper  und  den  oberen 
Bögen  verloren.  — 

Endlich  sind  noch  die  Proc.  uncinati  zu  erwähnen,  jene  kurzen, 
kaudal-dorsalwärts  gerichteten,  hakenförmigen  Foi-tsätze  der  Rippen, 
die  sich  bei  einigen  Reptilien,  Sphenodon  und  Krokodile,  sowie  bei 
den  Vögeln  vorfinden. 

Bei  Sphenodon,  wo  sie  vom  8.  bis  zum  letzten  Rumpfwirbel  vor- 
handen sind  (Schauinsland  1900)  werden  sie  knorpelig  angelegt. 
Ihr  Knorpel  erscheint  beträchtlich  später  wie  der  Knorpel  der  Rippen, 
von  dem  er  sich  auch  durch  kleinere  Kapseln  und  kleinere  Kerne 
dauernd  unterscheidet.  Der  Fortsatz  bleibt  während  des  ganzen 
Lebens  von  der  Rippe  isoliert  und  verwächst  nie  mit  ihr;  ebenso  ver- 
knöchert er  niemals,  sondern  verkalkt  nur. 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  559 

Gegenbaur's  Ansicht,  daß  die  Process.  uncinati  sich  aus  den 
hakenförmigen  Fortsätzen,  die  am  distalen  Ende  der  5.  6.  und  7.  Hals- 
wirbelrippe vorkommen,  entwickelt  hätten,  ist  nicht  sehr  wahrschein- 
lich. Die  Aehnlichkeit  dieser  beiden  Gebilde  ist  wohl  nur  eine  äußere ; 
die  hakenförmigen ,  niemals  abgegliederten,  seitlichen  Fortsätze  der 
Rippen  der  Halswirbel  entsprechen  wahrscheinlich  eher  den  distalen 
Enden  der  Rumpfwirbel  und  nicht  den  an  den  mittleren  Rippenteilen 
von  Anfang  an  distinkt  auftretenden  Process.  uncinati. 

Ueber  die  hakenförmigen  Fortsätze  bei  Krokodilen  macht 
Rathke  (1866)  nähere  Angaben.  Sie  entstehen  auch  hier  auf  knorpeliger 
Grundlage,  und  zwar  in  einer  Sehnenplatte;  eine  Verknöcherung  tritt 
bei  ihnen  ebenfalls  nicht  ein,  wie  sie  wahrscheinlich  auch  niemals  mit 
den  Rippen  verschmelzen. 

Bei  den  Vögeln  verhalten  sich  die  Process.  uncinati  etwas  anders. 
Auch  hier  werden  sie  innerhalb  einer  Sehne  (Behrens  1880)  knorpelig 
angelegt  und  zwar  recht  spät  (beim  Hühnchen  treten  sie  erst  etwa  am 
12.  Tage  auf).  Später  jedoch  ossifizieren  sie  von  einem  besonderen 
Centrum  aus  (Rathke  1866)  und  verwachsen  mit  den  Rippen  meistens 
vollständig.  Hin  und  wieder  kann  bei  einzelnen  Rippen  diese  Ver- 
schmelzung unterbleiben  und  tritt  bei  Apteryx  überhaupt  nicht  ein. 
Bei  Eudyptes  chrysocome  (Männich  1902)  und  vielleicht  bei  allen  Pin- 
guinen bleiben  die  Fortsätze  lebenslänglich  knorpelig  und  haben  sich 
somit  Reptiliencharakter  bewahrt. 

Sternum.  Während  bei  den  Amphibien  noch  die  Streitfrage  auf- 
geworfen werden  konnte,  ob  bei  ihnen  die  sternalen  Knorpel  wirklich 
als  costales  Sternum  aufzufassen  seien  oder  nicht,  treten  uns  bei  allen 
Amnioten  Sterualbildungen  entgegen,  die  nicht  nur  mit  Rippen  im  Zu- 
sammenhang stehen,  sondern  auch  als  ihr  Produkt  zu  betrachten  sind. 
Sie  dienen  als  Träger  des  primären  Schultergürtels,  und  Gegenbaur 
sieht  hierin  das  genetische  Moment  für  ihre  Entstehung.  Die  unmittel- 
bare Berührung  des  nach  hinten  gewanderten  Schultergürtels  mit  einer 
Sternalrippe  stellte  diese  vor  die  neue  Aufgabe,  ihm  als  Stützapparat 
zu  dienen,  der  sie  in  um  so  höherem  Grade  nachkommen  konnte, 
wenn  sie  mit  einer  Anzahl  ihr  folgender  Rippen  in  Verband  trat. 
Eine  solche  Verschmelzung  wird  auch  durch  die  Ausdehnung  des  Epi- 
sternums  nach  hinten  hin  und  seine  Verbindung  mit  den  ventralen 
Rippeneuden  begünstigt  worden  sein  (FtJRBRiNGER). 

Wir  haben  hier  nur  das  aus  den  Rippen  hervorgegangene  Brust- 
bein (costale  oder  primäre  Sternum)  zu  berücksichtigen,  wäh- 
rend die  ursprünglich  nicht  dazu  gehörigen  Teile,  der  sekundäre 
Brustschulterapparat,  namentlich  auch  soweit  sie  dermaler  Natur 
sind  (Episternum  etc.),  von  H.  Braus  (Entw.  der  Form  der  Extremi- 
täten etc.)  in  diesem  Handbuch  besprochen  werden. 

Rathke  war  es,  der  zuerst  beim  Hühnchen  und  bei  Säugetieren 
(1838)  nachwies,  daß  das  Brustbein  anfänglich  aus  zwei  völlig  von- 
einander getrennten  Seitenhälften  bestehe.  Am  8.  Bruttage  beginnen 
diese  sich  beim  Hühnchen  vorne  zu  berühren,  während  sie  hinten 
noch  weit  auseinander  klaffen,  am  10.  aber  sind  sie  bereits  in  ihrer 
ganzen  Länge  miteinander  verwachsen. 

Später  (1853,  1866)  dehnte  er  seine  Untersuchungen  auch  auf 
die  Reptilien,  Saurier  und  Krokodile  aus  und  konnte  auch  bei  diesen 
seine  früher  gewonnenen  Anschauungen  bestätigen.  Aus  diesen  vor- 
züglichen Arbeiten  Rathke's  ließ  es  sich  aber  noch  nicht  mit  völliger 


560  H.  Schauinsland, 

Sicherheit  entnehmen,  daß  die  beiden  Brustbeinhälften  auch  wirklich 
Produkte  der  Rippen  seien,  was  von  Bruch  (1852)  sogar  direkt  in  Abrede 
gestellt  wurde,  indem  er  sich  zu  Gunsten  einer  selbständig  stattfindenden 
Genese  des  Sternums  bei  Vögeln  und  Säugetieren  aussprach  und  letz- 
teres damit  als  einen  durchaus  neuen  Skeletteil  hinstellte,  der  erst 
sekundär  mit  den  Bippen  in  Verbindung  trete.  Von  späteren  Forschern 
(Parker  1868,  Goette  1875,  1877,  K.  Hoffmann  1879,  Kölliker 
1879  u.  A.)  konnte  es  aber  nachgewiesen  werden,  daß  die  Brustbein- 
hälften in  ihrer  ersten  Anlage  durch  Anschwellen  und  späteres 
Verwachsen  der  medialen  Rippenenden  zu  stände  kommen. 

Um  auf  die  verschiedenen  Amniotenabteilungen  noch  etwas  näher 
einzugehen  (man  vergleiche  die  Abbildungen  Fig.  229,  230,  234  von 
Cnemidophorus  —  Goette  —  und  Sphenodon  —  Schauinsland),  so 
findet  sich  bei  jungen  Sphenodonembryonen  jede  der  beiden  Sternal- 
hälften  in  Gestalt  einer  ungefähr  dreieckigen,  bindegewebigen  Platte. 
Sie  stehen  weit  voneinander  entfernt,  doch  ist  kranialwärts  der  Zwischen- 
raum zwischen  ihnen  bedeutend  geringer  wie  weiter  kaudal,  ein  Ver- 
halten, das  übrigens  schon  allein  durch  die  aufgerollte  Lage 
des  Embryos  sowie  durch  den  noch  sehr  weiten  Dotter sack- 
nabel  bedingt  wird. 

Jede  der  beiden  Platten  hängt  mit  dem  distalen  Ende  der  Rippen 
des  9.  und  10.  Wirbels  zusammen,  während  die  Rippe  des  8.  ganz  in 
ihrer  Nähe  endet.  Bald  vereinigt  sich  mit  ihr  auch  noch  die  Rippe 
des  11.  Wirbels,  und  diese  drei  Rippen,  aus  denen  man  sich  das 
Sternum  überhaupt  erst  entstanden  zu  denken  haben  wird,  bleiben 
fortan  in  dauernder  Verbindung  mit  ihm.  Im  Alter  vereinigt  sich 
auch  noch  eine  4.  Rippe  mit  den  kaudalen  Brustbeinenden,  aber  nicht 
mehr  knorpelig,  sondern  nur  durch  ein  sehnenartiges  Band. 

Die  Verknorpelung  des  Brustbeines  erfolgt  verhältnismäßig 
spät,  und  auch  in  diesem  Zustand  ist  seine  Verbindung  mit  den  obigen 
Rippen  eine  durchaus  kontinuierliche;  später  gliedern  sich  diese  aber 
wieder  etwas  von  ihm  ab. 

Eine  richtige  Verknöcherung  tritt  im  Sternum  der  Reptilien 
niemals  auf;  Kalksalze  dagegen  können  sich  in  seinem  Knorpel  ab- 
lagern. 

Die  Kontinuität  der  Rippen  mit  der  im  Entstehen  begriffenen 
Brustbeinplatte,  das  allmählich  zunehmende  Wachstum  der  letzteren 
in  dem  Maße,  als  sich  ihr  neue  Rippen  anschließen,  und  endlich  der 
Umstand,  daß  die  unveränderten  Rippen  teile  sich  erst  spät  vom 
Sternum  abgliedern  und  dadurch  diesem  erst  seine  Selbständigkeit 
verleihen,  sind  nach  Goette  (1877)  —  bei  Cnemidophorus  —  hin- 
längliche Zeugnisse  dafür,  daß  das  Brustbein  nicht  aus  selbständiger 
Anlage,  sondern  aus  der  Verschmelzung  mehrerer  Rippenenden  her- 
vorgeht. 

Bei  Anguis,  dessen  Brustbeinhälften  nach  Rathke  sich  frei  von 
den  Rippen  völlig  selbständig  entwickeln  sollten,  gelang  es  Goette 
ebenfalls,  ein  Stadium  zu  beobachten,  in  dem  ein  Zusammenhang  des 
Sternums  mit  den  Rippen,  wenn  auch  nur  mit  einem  Paar,  noch 
vorhanden  war,  das  sich  später  allerdings  wieder  völlig  löste. 

Erwähnt  möge  auch  das  interessante  Vorkommen  werden,  das 
Rathke  bei  Acanthias  meleagris  fand.  Bei  diesem  Tier  besteht  näm- 
lich das  Brustbein  während  des  ganzen  Lebens  aus  zwei 
Seitenhälften,  die  zwar  sehr  nahe  Hegen,  aber  nie  miteinander  ver- 
schmelzen, somit  auf  einem  frühembryonalen  Stadium  verharren. 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  561 

Das  Reptiliensternum  zeigt  im  ausgebildeten  Zustand  ent- 
weder die  Gestalt  einer  einfachen  rhombischen  Knorpelplatte,  z.  B.  bei 
Sphenodon  (das  Prosternum  Parker's),  oder  es  läuft  hinten  in  einen 
paarigen  Fortsatz  aus  (Xiphisternum),  der  nach  Rathke  die  unver- 
schmolzen  gebliebenen  Enden  der  beiden  Brustbeinhälften  darstellt. 
Diese  Fortsätze  können  dann  wiederum  miteinander  verschmolzen  sein 
zu  einem  Stück  (Metasternum  Parker's),  das  entweder  noch  deut- 
lich seine  Entstehung  aus  Rippen  aufweist  oder  auch  als  sekundäre 
Angliederung  an  das  Prosternum  erscheint.  Andere  Sternalformen 
endlich  lassen  auch  bereits  Zeichen  von  Rückbildungen  erkennen,  indem 
eine  Verminderung  der  ursprünglich  sie  produzierenden  Rippen  und 
eine  allmähliche  Loslösung  von  ihnen  eingetreten  ist.  — 

Bei  den  Vögeln  weist  die  Entwickelung  des  Sternums  keinen 
prinzipiellen  Unterschied  gegenüber  den  Reptilien  auf  (Rathke);  an 
seine  Leistungsfähigkeit  werden  durch  die  Flugbewegung  aber  größere 
Anforderungen  gestellt.  Es  bleibt  daher  nicht  knorpelig,  sondern  ver- 
knöchert, und  nach  dem  Verschmelzen  der  beiden  Hälften  erhält  es  bei 
den  Carinaten  eine  mediane  Crista  zur  besseren  Anheftung  der  Flug- 
muskeln. Distal  fehlen  derartige  Anhänge,  wie  das  Xiphisternum  oder 
Metasternum,  doch  kann  es  an  seinem  hinteren  Ende  sekundär  oft 
gelappt  und  tief  eingeschnitten  erscheinen,  wodurch  sich  mehr  oder 
weniger  lange  Proc.  abdominales  bilden. 

Die  Ver knöcherung  beginnt  von  je  einem  Centrum  in  jeder 
Seitenhälfte,  und  von  hier  aus  wird  allmählich  auch  die  Crista  von  der 
Ossifikation  ergriffen,  die  manchmal  aber  auch  selbständig  ossifiziert. 
In  den  Fällen,  in  welchen  sich  stark  entwickelte  Abdominalfortsätze 
finden,  können  diese  eigene  Knochenkerne  erhalten,  was  sogar  hin 
und  wieder  auch  an  den  vorderen  Seitenfortsätzen  der  Fall  sein  kann. 

Nach  den  Schilderungen  von  Rathke,  Goette,  Hoffmann  und 
namentlich  Rüge  (beim  Menschen)  verläuft  die  Entwickelung  des  Ster- 
nums auch  bei  Säugetieren  nach  dem  allgemein  üblichen  Typus. 
Meistens  geht  bei  ihnen  eine  größere  Zahl  Rippen,  als  es  bei  den  anderen 
Amnioten  üblich  ist,  in  ihre  Bildung  ein.  Am  distalen  Ende  vereinigen  sie 
sich  je  zu  einer  knorpeligen  Längsleiste  (Seitenhälfte  des  Brustbeines, 
Rathke,  oder  Sternalleiste,  Rüge),  die  dann  wiederum,  kranialwärts 
beginnend,  miteinander  verschmelzen.  Beim  Menschen  beteiligen  sich 
die  1.  bis  7.  Rippe  am  Aufbau  des  Brustbeines.  (Minot  hält  es  sogar 
für  wahrscheinlich,  daß  sich  die  Vereinigung  zu  den  Sternalleisten  ur- 
sprünglich über  sämtliche  Rippen  erstreckt,  daß  das  Verbindungsstück 
zwischen  der  7.  und  12.  aber  fibrillär  wird  und  sich  zu  den  Ligamenta 
intercostalia  anteriora  ausbildet,  die  demnach  eine  Verlängerung  des 
Brustbeines  darstellen  würden.) 

Das  knorpelige  Brustbein  zeigt  später  einige  quere  Trennungslinien 
(Hoffmann,  Rüge),  durch  die  es  in  mehrere  Stücke  zerlegt  wird, 
welche  von  diesen  Autoren  als  Beweis  für  eine  Zusammensetzung  des 
Organs  aus  hintereinander  liegenden  Metameren  angesehen  werden. 

Der  Proc.  xyphoideus  oder  ensiformis  entsteht  auch  aus  zwei 
Hälften. 

Die  Bildungsweise  des  vordersten  Brustbeinendes,  des  Manu - 
brium,  besonders  bezüglich  der  Frage,  in  wie  weit  sich  etwa  Elemente 
des  Schultergürtels  oder  dermale  Skeletteile  an  seinem  Aufbau  be- 
teiligen, ist  leider  noch  durchaus  nicht  geklärt.     Man  vergleiche  dazu 

Handbuch  der  Entwickelungslehre.  III.    2.  36 


562  H.  Schauinsland, 

die  vorangehende  Abhandlung  von  Braus  in  diesem  Handbuch  und 
namentlich  auclr  die  Arbeit  von  Eggeling  (1904),  in  der  er  zu  fol- 
gendem Schluß  kommt: 

„Der  Hauptteil  des  Brustbein  hand  griff  es  der  Säugetiere 
wird  geliefert  von  der  medianen  Vereinigung  des  1.,  2.  und  eventuell 
3.  Rippenpaares.  Von  diesem  Skelettstück  erstreckt  sich  in  kranialer 
Richtung  ein  Fortsatz  von  wechselnder  Länge.  Dieser  ist  hauptsächlich 
zurückzuführen  auf  Reste  zu  Grunde  gegangener  Halsrippen.  Jener 
Fortsatz  verbindet  sich  innig  mit  einer  Gruppe  von  Skelettteilen,  die 
aus  der  Clavicularanlage  hervorgehen  und  deren  eventuelle  Ossifikation 
von  dem  dermalen  Episternum  niederer  Formen  herzuleiten  ist." 

Die  Verknöcherung  beginnt  bei  den  Säugetieren  im  allge- 
meinen spät;  häufig  lassen  die  auftretenden  Knochenkerne  noch  die 
Entstehung  des  Brustbeines  aus  einer  paarigen  Anlage  und  eine  meta- 
mere  Gliederung  desselben  erkennen.  Oft  aber  verwischt  sich  letztere, 
wie  z.  B.  bei  den  Anthropoiden,  durch  Verschmelzung  der  einzelnen 
Glieder  wieder. 

Beim  Menschen  tritt  die  Ossifikation  auch  ziemlich  spät  (im 
6.  Monat)  ein;  sie  beginnt  mit  einem  Knochenkern  im  Manubrium, 
an  den  sich  später  noch  eine  ganze  Zahl  mehr  oder  weniger  paarig 
oder  metamer  angeordnete  Kerne  im  übrigen  Teil  des  Brustbeines 
anschließen.  Neben  Anderen  vertritt  Markowski  im  Gegensatz  zu 
abweichenden  Anschauungen  —  z.  B.  von  Paterson,  der  den  Knochen- 
kernen des  Brustbeines  jede  morphologische  Bedeutung  abspricht  — 
energisch  die  Meinung,  daß  auch  das  knöcherne  Brustbein  aus  einer 
Anzahl  von  intercostalen  Segmenten  zusammengesetzt  ist,  welche  der 
Zahl  der  an  dasselbe  sich  inserierenden  Rippenpaare  entspricht.  Später 
bei  älteren  Embryonen  und  im  Kindesalter,  nachdem  auch  im  Pro- 
cessus ensiformis  ein  Kern  aufgetreten  ist,  verschmelzen  die  einzelnen 
Knochenpunkte  miteinander,  und  das  Brustbein  besteht  dann  aus  3 
bis  4  größeren  Knocheustücken.  — 

Zum  Schluß  sei  noch  erwähnt,  daß  die  Bauchrippen  oder  das 
Parasternum  m  ihrer  Genese  zu  dem  Achsenskelett  in  keiner  Be- 
ziehung stehen.  Von  recenten  Tieren  kommen  diese  Bildungen  nur 
Sphenodon  und  den  Krokodilen  zu.  Ihre  Entwickelung  bei  ersterem 
beschrieb  Schauinsland  (1900);  sie  erfolgt  ohne  knorpelige  Grund- 
lage. Bei  den  Krokodilen  (Völtzkow  1901)  verläuft  sie  fast  genau 
ebenso  wie  bei  Sphenodon. 

Das  Parasternum  ist  phylogenetisch  offenbar  von  dermalen  Bil- 
dungen herzuleiten  und  entspricht  wohl  dem  „Bauchpanzer"  der 
Stegocephalen  (Gegenbaur  1898,  Fürbringer  1900,  Völtzkow  und 
DÖDERLEIN    1901). 


Litteratur. 

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Bd.  XXX.  1902. 

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Bd.  XXXIU.  1905. 


Die  Entwickelung  der;  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  563 

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564  H.  Schauinsland, 

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—  Ueber  den  feineren  Bau  der  Chorda  dorsalis  von  Myxine  nebst  tveiteren  Bemerkttngen 

über  die   Chorda  von  Ammocoetes.     Ebenda.  Bd.   CIV.  1895. 

—  Lieber  den  Batt,    der  Chorda  dorsalis    des  Amphio.vus  lanceolatus.     Ebenda.  Bd.  CIV. 

1895. 

—  Ueber  den  feineren  Bau  der  Chorda  dorsalis  von  Acipenser.    Ebenda.  Bd.  CIV.  1895. 
- —   Ueber  den  feineren  Bau  der  Chorda  dorsalis  der  Cyclostomen.  Ebenda.  Bd.  CIV.  1895. 

—  Ueber    die    Wirbel    der  Knochenfische    tmd    die   Chorda  dorsalis    der   Fische    und  Am- 

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—  Ueber    die    Halsrippen    des   Menschen    mit    vergleichend- anatomischen    Bemerkungen^ 

Mem.  d.  l'Acad.  Imp.  d.  sc.  d.  St.  Petersbourg.   7.   Ser.   T.   XIII.  No.   2.  1869. 
Hagen,    W.     Die   Bildung    des   Knorpelskeletts    beim   menschlichen   Embryo.     Archiv   /. 

Anat.  u.  Entwickelungsgesch.  Anat.  Abt.  1900, 
Hasse,    C.     Entioickelung  des  Atlas  und  Epistropheus  des  Menschen  imd  der  Säugetiere. 

Anat.  Studien.  I.  1873, 

—  und  Schivarck,    W,     Studien    zur    vergleichenden    Anatomie    der    Wirbelsäule ,    ins- 

besondere des  Menschen  und  der  Säugetiere.     Anat.  Studien.  Leipzig  1873. 

—  Die  fossilen   Wirbel.     Morph.  Jahrb.  Bd.  II.  1876. 

—  Die  fossilen   Wirbel.     Ebenda.  Bd.  III.  1877. 

—  Die  fossilen   Wirbel.     Ebenda.  Bd.  IV.  1878, 

—  ^lnd  Born,    G,     Bemerkimgen  über  die  Morphologie  der  Rippen.     Zool.  Anz.  Leipzig 

1879. 
■ —  Das  natilrliche  System,   der  Elasmobranchier   aiif   Grundlage   des  Baues  und  der  Ent- 
ivickelung  der  Wirbelsäule.     Jena  1879—1882. 

—  Beiträge  zur  allgemeinen  Stammesgeschichte  der   Wirbeltiere.     Jena  1883. 

—  Das  natürliche  System  der  Elasmobranchier.     Ergänzimgsheft.     Jena  1885. 

—  Die  Entwickelung  der  Wirbelsätde  von  Triton  taeniatus.  Zeitschr.  wiss.  Zool.  Bd.  LIII. 

Suppl.  1892. 

—  Die  Entivickekmg  der  Wirbelsäule  der  imgeschwänzten  Amphibien.    Ebenda.  Bd.  L  V. 

1893. 

—  Die  Entwickelung  der   Wirbelsäule  der  Elasmobranchier.     Ebenda.  Bd.  LV.  1893. 

■ —  Die  Entwickelung    und    der  Bau  der    Wirbelsäule  der  Ganoiden.     Ebenda.  Bd.  LVII.. 
1894. 

—  Die  Entwickelung  der  Wirbelsäide  der  Cyclostomen.     Ebenda.  Bd.  LVII.  1894. 

—  Allgemeine  Bemerkungen  über  die  Entwickelung  und  die  Stammesgeschichte  der  Wirbel- 

säule.    Anat.  Anz.  Jahrg.    VIII.  1893. 

—  Die  Entwickelung  der   Wirbelsäule  der  Dipnoi.     Zeitschr.  iviss.  Zool.  Bd.  LV.  1893, 
Hatschek,  B,     Studien    über  die  Entioickehtng  der  Amphioxiis.    Arb.  Zool.  Inst.   Wien. 

1882. 

—  Ueber  den  Schichtenbau  der  Amphioxus.     Verhandl.  Anat.  Gesellsch.    Würzburg.  1888. 

—  Die  Rippen  der   Wirbeltiere.     Ebenda.  Berlin.  1889. 


568  H.  Schauinsland, 

Hay,    O.  P.      On  the  structure  and  development  of  the  vertebral  column  of  Amia.     Field 
Columb.  Mus.  Public.  3.  Zool.  Ser.    Vol.    VI.  No.  1.  1895. 

—  The    structure    and    mode    of    development    of   the    vertebral    column.      Science.  iV\  S. 

Vol.  IV.  1897. 
Haycraft,      The  development  of  the   Carapace  of  the  Chelonia.    Transact.  R.  Soc.  Ediri- 

hurgh.    Vol.  XXXVI.  (1890)  1892. 
Henneguy.     Recherches  sur  le  developpement  des  poissons  osseux.     Journ.  anat.  physiol. 

Paris.  1888. 
Heusinger,     MerMuürdige     3Ietam,orphose     des     Brustbsines     und    der    ersten    Rippen. 

Meckel's  Archiv.  Bd.    VL  1820. 
Hoffmann,    C.   K.     Beiträge  zur  vergleichenden  Anatomie  der  Wirbeltiere.      VIII.    lieber 

die    Chorda    dorsalis    bei    den  Schildkröten.     IX.  3IorphoJogie    der  Rippen.     Niederl. 

Archiv  f.  Zool.  Bd.  IV.  1878. 

—  Beitrüge  zur  vergleichenden  Anatomie  der    Wirbeltiere.    X.    Ueber  das  Voi'kommen  von 

Halsrippen  bei  Schildkröten.  XI.  Ueber  das  Verhältnis  des  Atlas  und  des  Epistro- 
phus  bei  den  Schildkröten.  XII.  Zur  3Iorphologie  des  Schulter  gürteis  und  des  Brust- 
beines bei  Reptilien,    Vögeln,  Sätigetieren  und  dem  Nenschen.    Ebenda.  Bd.   V.  1879. 

—  üeber  die  Entwickelungsgeschichte  der   Chorda  dorsalis.     Festschr.  f  J.  Henle.  1882. 
Holt,  M.      Ueber  die  richtige  Deutung  der   Querfortsätze  der  Lendenwirbel  und,  die  Ent- 

wickelung     der     Wirbelsäule    des    dienschen.      Sitzungsber.     K.    Akad.    Triss.     Wien. 
Bd.  LXXXV.  Abt.  III.  1882. 
Howes,    G.   B.    Concerning  the  pi-oatlas.     Proc.  Zool.  Soc.  1890, 

—  Notes    on    the    variahility    and    development  of  the  vertebrae  and,  limb   skeleton  of  the 

Amphibia.     Ibid.  1894. 

—  and    Swinnerton ,    H.    H.      On    (he    development    of   the    skeleton    of  the    Tuatara, 

Sphenodon  punctatus.      Transact.  Zool.  Soc.  London.  1901. 
Hubrecht,  A.    W.     Beitrag   zur   Kenntnis    des   Kopfskeletts    der  Holocephalen.     Morph. 

Jahrb.  Bd.  III.  1877. 
Huocley,     Handbuch  der  Anatomie  der   W^irbeltierc.      Uebers.  v.  F.  Ratzel.  1873. 
Hyrtl,  J.     Ueber  normale  Querteilung  der  Saurierwirbel.    Sitzungsb.  d.  K.  Akad.  d.  Wiss. 

in   Wien.  Bd.  X.  1853. 
^aeger,    G.    Das  Wirbelkörpergelenk  der  Vögel.    Sitzungsber.  Akad.    Wien.  Bd.  XXXIII. 

18.58. 
tfaekel,     Otto.      Die    Organisation  von    Archegosaurtis.     Zeitschr.    Deutsch,    geol.     Ges. 

Bd.  XLVIIL   1896. 
von  tThering,   H.     Das   per ijy herische  Nervensystem    der   Wirbeltiere  als  Grundlage  für 

die  Keiintnis  der  Regionenbildung  der   Wirbelsäule.     Leipzig  1878. 

—  Ueber  den  Begriff  der  Segmente  bei  Wirbeltieren  und  Wirbellosen,  nebst  Beobachtungen 

über  die   Wirbelsäule  des  Menschen.     Centralbl.  f.  d.  med.    Wiss.  No.  9.  1878. 

—  Ueber  die    Wirbelsä,ule  von  Pipa.     ßlorph.  .Tahrb.  Bd.    VI.  1880. 

xToseph,    H.      Ueber   das  Achsenskelett   des  Am]}hioxus.     Zeitschr.   wiss.  Zool.    Bd.  LIX. 

1895. 
Iwanzow.      Scaphirhynchtis.  Eine  vergleichend-anatomische  Beschreibung.    Moskau  1887, 
Kann,   Max.     Das  vordere  Chordaende.     Diss.  Erlangen  1888. 
Kapelkin,    W.     Zur  Frage  über    die  Entwickelung  des  axialen  Skeletts  der  Amphibien. 

Bull.   Societ.  d.  Naturalistes  de  Moscou.   T.  XIV.  1900. 
Keihel,   Fr.      Zur    Entwickelungsgeschichte    der    Chorda    bei  Säugern.     Archiv  Anat.  u. 

Fhys.   Anat.  Abt.   1889. 

—  Ueber  den  Schwanz  des  menschlichen  Embryos.    Arch.  f.  Anat.  u.  Phys.  Anat.  Abt.  1891. 
Kiaatsch,   H.     Beiträge    zur   vergleichenden  Anatomie    der   Wirbelsäule.     I.    lieber    den 

Urzustand  der  Fisch  Wirbelsäule.     Morph.  Jahrb.  Bd.  XIX.  1893. 

—  Beiträge     zur     vergleichenden     Anatomie    der     Wirbelsäule.     II.     Ueber    die    Bildung 

knorjyeliger   Wirbelkörper  bei  Fischen.     Ebenda.  Bd.  XX.  1893, 

—  Beiträge    zur   vergleichenden    Anatomie    der    Wirbelsäule.     III.    Zur   Phylogenese    der 

Chordascheiden,  U7ul  zur  Geschichte  der  Umwandlungen  der  Chordastruktur.  Ebenda. 
Bd.  XXII.  1895. 

—  Zur  Frage  nach  der  morphologischen  Bedeutung  der  Hypochorda.    Ebenda.  Bd.  XXV. 

1898. 

—  Ueber    die    Chorda    und    die    Chordascheiden    der  Amphibien.      Verhandl.  Anat.   Ges. 

11.    Vers.  1897. 
Knicktneyer,    C      Ueber  die  Entwickelung  der  Rippen,   Querfortsätze  und  unteren  Bogen 

bei  Triton.     Diss.  München  1891, 
Kölliker,  A,      Ueber  die  Beziehungen  der  Chorda  dorsalis  zur  Bildiing  der  Wirbel  der 

Selachier  und  einiger  anderer  Fische.      Verh.  d.  Phys. -med.   Ges.    Würzburg.  Bd.  IX. 

1859, 

—  Ueber  d,ie  Beziehungen  der  Chorda  dorsalis  zur  Bildung  der  Wirbel  der  Selachier  und 

einiger   anderer  Fische.      Verhandl.  d.   Phys. -med.   Ges.  in   Würzburg.  Bd.  X.  1860. 


Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  569 

Kölliker,    A.      Kritische   Bemerkungen   zur    Geschichte    der    Untersuchungen    über    die 
Scheiden  der  Chorda  dorsaliti.     Ebenda.  Bd.  X.  1S60. 

—  lieber  das  Ende  der  Wirbelsäule  der  Ganoiden  und  einiger  Teleostier.     Leipzig  ISßO. 

—  Weitere  Beobachtungen  über  die   Wirbel  der  Selachier.     Äbhandl.  d.  Senckenb.  Naturf. 

Ges.  Bd.   V.  1864—65.  1864:. 

—  Kritische    Bemerkungen    zur    Geschichte    der   Untersuchungen    über    die  Scheiden    der 

Chorda  dorsalis.      Verh.  d.  Phys.-med.   Ges.  in   Würzburg.  N.  F.  Bd.  III.   1872. 

—  Entwickelungsgeschichte  des  3Ienschen  und  der  höheren  Tiere.    2.  Aufl.  Leipzig  1879, 

—  Ueber    die  Chordahöhle    und    die  Bildung    der  Chorda  beim  Kanincheii.     Sitzungsber. 

d.  Phys.-med.   Gesellsch.  in   Würzburg.  1883. 
Kollmcmn.     Die  Eumpjscgmente  menschlicher  Embryonen  von  13 — 35  Urwirbeln.    Ar  eh. 

f.  Anat.  u.  Phys.  Anat.  Abt.  1891. 
Kossniann,   R.     Bemerkungen    über  die  sogenannte  Chorda  des  Amphioxus.      Verhandl. 

Phys.-med.   Ges.  in    Würzburg.   1874:, 
Howalewshy ,     A,     Entwickelungsgeschichte    des    Amphioxus    lanceolatus.      3Iem.    Acad. 

Imp.  St.  Petersbourg.  18ß7. 

—  Zur  Entwickelung  des  Aviphioxus.    Schriften  d.  Naturf.  Gesellsch.  Kieiü.  Bd.  I,  1870, 

—  Weitere    Studien    über    die    Enttcickelungsgeschichte    des    Amphioxus    lanceolatus    etc. 

Archiv  mikrosk.  Anat.  Bd.  XIII.  1876, 
Krause,    W,     Der     Ventriculus    terminalis    des    Rückenmarks.     Archiv    mikrosk.    Anat. 

Bd.  XL  1875. 
Kröncke,   H.      Ueber  die  siebente  IIalsripj)e.     Diss.  Kiel  1894. 
LanUaster,  Ray.     Contributions    to    the  knoivledge  of  Amphioxus    lanceolatus.     Quart. 

Jonrn.  micr.  Sc.    Vol.  XXIX.  1889, 
Lavocat.      Cotes  et  sternum  des  vertebres.    Mem.  de  l'  Acad.  de  Toul.  Ser.  9.   T.  I.  1889. 
Leboucq,   H.     Recherches  sur  le  mode  de  disparition  de  la  corde  dorsale  chez  les  verte- 

brates  superieurs.     Arch.  de  biol.   T.  L.   1880, 

—  De  quelques    anomalies    des    cotes    chez  l'homme.     Extr.  des  Ann.  de  la  Soc.  de   med. 

de   Gand.  1885. 

—  Zur  Frage    nach    der   Herkunft    überzähliger   Wirbel.      Verhandl.  d.  Anat.   Ges.  1894. 

—  Die   Querfortsätze  der  Halswirbel  in  ihrer  Beziehung  zu  Halsrippen.     Ebenda.  1894. 

—  Recherches    sur    les  variations  anatomiques  de  la  premii're  cote  chez  l'homme.     Journ. 

de  biol.   T.  XV.    1898, 
JLeydig,   F.     Zur  Anatomie  und  Physiologie  der  Chimaera  monstrosa.    ßlüller' s  Archiv 
f.  Anat.  1851, 

—  Beiträge  zur  mikroskopischen  Anatomie  und  Entwickelungsgeschichte    der  Rochen  und 

Haie.     Leipzig  1852. 

—  Anatomisch -histologische    Untersuchungen    über  Fische   und  Reptilien.     Berlin  1853. 

—  Lehrbuch  der  Histologie  des  Menschen  und  der   Tiere.     Frankfurt  1857. 

Lotz,   Th,      Ueber  den  Bati  der  Schwanzwirbelsäule  der  Salmoniden  etc.     Zeitschr.  wiss. 

Zool.  Bd.  XIV.   1864. 
Löwe,  L.     Zur  Kenntnis   der  Säugetierchorda.     Archiv  f.  mtkr.  Anat.  Bd.  XVI.  1879. 
Jjusclilia,   H.     Die  Halsrippen   und   die   Ossa  suprasternalia    des  SIenschen.     Denkschr. 

d.  Kais.  Ak.  d.    Wiss.  Bd.  XVI.  Abt.  2.    Wien  1859. 
IdWoff,    B.      Vergleiche7id-anatomische  Studien   über   die    Chorda    und  die  Chordascheide. 

Bull.  Soc.  Imp.  Naturalistes  de  Moscou.  No.  2.  1887. 

—  Ueber  Baxi,  und  Entwickelung  der  Chorda  von  Amphioxus.    3Iitteil.  Zool.  Stat.  Neapel. 

Bd.  IX.  1891. 

—  Ueber  den  Zusam,menhang  von  Markrohr  und  Chorda  beim  Amphioxus    und    ähnliche 

Verhältnisse  bei  den  Anneliden.     Zeitschr.  wiss.  Zool.  Bd.  LVI,  1893, 
Macalister,  A.     Notes    on    the    development    and  Variation  of  the  atlas,     Journ.  Anat. 
Phys.    Vol.  XXVII.  1893. 

—  The    development    and    varieties   of  the  second  cervical  vertebra.     Ibid.    Vol.  XXVIII. 

1894. 
Männer ,    H.      Beiträge    zur    Entwickelungsgeschichte    der     Wirbelsäule    bei    Repiiiien. 

Zeitschr.  f.  wiss.  Zool.  Bd.  LXVI.  1899, 
Männich,   H.     Beiträge    zur    Entwickelung    der  Wirbelsäule  von   Eudyptes   chrysocome. 

Inaug.-Dissert.  Jena  1902, 
Markowski,  J,      Ueber    die     Varietäten    der  Ossifikation    des    menschlichen    Brustbeins 

und  über  deren  morphologische  Bedeutung.     Poln.  Archiv  f.  biol.  u.  med.  Wiss.  Bd.  I. 

1902. 

—  Sollte    der   Verknöcherungsprozeß    des  Brustbeins    von    keiner  moi'phologischen  Bedeu- 

tung seinf     Anat.  Anz.  Bd.  XXVI.  1905, 
Mayer,  P,    Die  unpaaren  Flossen  der  Selachier.    Mitt.  Zool.  Stat.  Neapel.  Bd.  VI.  1886, 
Meckel,  J,   F.     System  der  vergleichenden  Anatomie.     Halle  1821—1833. 
Merkel,   F.      Ueber    den    Bau    der    Lendenwirbelsäule.     Archiv  f.  Anat.  u.  Phys.  Anat. 

Abt.  1877. 


570  H.  Schauinsland, 

Meyer,  H.  v,  Ueber  den  Ärchaegosaurus  der  Steinkohlenformation.  Palaeontognqyhica. 
Bd.  1.  1851. 

—  Eeptilien  avs  der  Steinkohlenformation  in  Deutschland.      Palaeontographica.   Bd.    VI. 

Kassel  1857. 

—  Reptilien  aus  der  Steinkohlen f arm ation  in  Deutschland.     C'assel  1858. 

V.   Mihalkowics,    V.    Wirbelsäule  und  Hirnanhang.    Archiv  mikr.  Anat.  Bd.  XI.  1875. 

—  Die   Chorda  des  Amphioxus  lanceolatus.     Ebenda.  Bd.  XL  1876. 

Minot,    Ch.   S.     Lehrbuch   der  Enttvickelungsgeschichte    des  Menschen.     Dtsch.  Ausgabe. 

Leipzig  1894. 
Mivartf   St.   G,      On  the  axial  skeleton  of  the   Urodela.     P)-oc.  Zool.  Soc.  1870. 
Müller,   Aug.     Beobachtungen  zur  vergleichenden  Anatomie  der  Wirbelsäule.     Archiv  f. 

Anat.  u.  Phys.  1853. 
Müller,   H.     Regeneration   von   Eidechsenschwänzen.      Verh.    d.   phys.-med,    Ges.   Würz- 

bürg.  Bd.  IL  1852. 

—  Ueber   das    Vorkommen    von   Resten   der    Chorda    dorsalis    beim   3Ienschen   nach   der 

Gehurt.     Zeitschr.  f.  rat.  3Ied.  3.  R.  Bd.  IL  1858. 
Müller,  Joh.      Vergleichende  Anatomie  der  Blyxinoden.  1.  T.    Abh.  d.  K.  Akademie  d.  W. 
in  Berlin  aus  dem  Jahre  1834-     Berlin  1836. 

—  Ueber    den    Bau    und    die    Lebenserscheinungen    des   Branchiostoma   lubricum.     Abh. 

Berl.  Akad.  184:1. 

—  Ueber  den  Bau    und  die   Grenzen  der  Ganoiden.     Sitzungsb.  Berl.  Akad.    1844    und 

selbständig  Berlin  1846. 
Müller,    W.      Ueber    den    Bau    der    Chorda    dorsalis.     Jen.    Zeitschr.  f.   Med.   u.    Nat. 

Bd.    VI.  1871. 
Murray,  J.  A,      The   vertebral   column   of  certain  primitive    Urodela :    Spelerpes,    Ple- 

thodon,  Desmognathus.     Anat.  Anz.  Bd.  XIII.  1897. 
Osborn,    Henry  Fairflelcl.     Intercentra    and   hypapophyses  in   the   cervical   region  of 

3Iosasaurs,  Lizards  and  SjJhenodon.     1900. 
Owen.      On  the  development   and   homologies  of  the    carapace    and  plastron  of  the   Che- 

lonian  Reptiles.     Phil.   Transet.  London.  1849. 
Parker,   T.  J.      On  the  origin  of  the  sternum.     Trans.  Netv  Zealand  List.    Vol.  XXIII. 

1891. 
Parker,    W,    K.     A  monograph   on    the  struct^ire  and  development  of  the  Shoulder  girdle 

in  the  vertebrates.     Ray.  Society  London.  1868, 

—  Structure  and    development    of   the    Shoulder    girdle    and    sternum    in    the   vertebrata. 

London  1868. 
Paterson,   A.  M.     The    human    sacrum.     Scientific    Transactions    of  the   Roycd  Dublin 
Society.    Vol.    V  (Ser.  2).  1893. 

—  The  sternum;    its    carly    develojiment  and  ossißcation  in  3Ian  and  Mammals.    Journ. 

Anat.  Phys.   Vol.  XXXV.  N.  Ser.    Vol.  XV.  Part  1.  1900. 
■ —  The  human  sternum.    Published  for  the   University  Press  of  Liverpool,    London  1904. 
P4repelkine,   K,     Sur    la"  structure  de  la  notochorde  de  la  lamproie.     Bull.  Soc.  Imp. 

d.  Naturalistes  d.  SIoscou.   T.  III.  1878. 
Peter,   K.     Die   Wirbelsäide  der  Gymnophionen.     Diss.  Freiburg  1894, 

—  Ueber  die  Bedeutung  des  -Atlas  der  Amphibien.     Anat.  Anz.   1895. 

Peters,      Ueber  die  Entwickelung  des  Schildkrötenskelettes,    ßlüller's  Arch.  f.  Anat.  1839. 

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Die  Entwickelung  der  Wirbelsäule  nebst  Rippen  und  Brustbein.  571 

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Sechstes  Kapitel. 
Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes. 

Von 
Prof.  E.  Graupp  (Freibiirg  i.  B.). 

I.  Allgemeine  Eiitwickeluiigsgescliichte  des  Kopfskelettes. 

A.    Einleitung. 

(Aufgaben  des  Kopfskelettes.     Funktionswechsel  der  Hartgebilde. 
Material  der  Komponenten  des  Kopfskelettes). 

Aufgaben  des  Kopfskelettes.  Gegenüber  der  relativen 
Einfachheit,  die  das  Rumpfskelett  zeigt,  bietet  das  Kopfskelett  der 
Wirbeltiere  außerordentlich  komplizierte  Gestaltungen  dar,  die  auch  bei 
den  verschiedenen  Klassen  eine  viel  größere  Mannigfaltigkeit  auf- 
weisen, als  das  am  Eumpfskelett  der  Fall  ist.  Der  Grund  hierfür 
liegt  einmal  in  den  zahlreichen,  mannigfach  gestalteten  und  mit  viel- 
seitigen Verrichtungen  betrauten  Organen,  die  am  Kopf  der  Wirbel- 
tiere auf  kleinem  Räume  zusammengedrängt  sind,  andererseits  in  der 
Lage  am  vordersten  Ende  des  Körpers,  aus  der  dem  Kopfe  teils 
neue  spezielle  Aufgaben  erwachsen,  teils  mechanische  Einflüsse  auf 
seine  Gestaltung  sich  ergeben. 

Am  Kopfe  erlangt  das  Centralnervensystem  seine  volu- 
minöseste Entw^ickelung  und  zugleich  seine  weitestgehende  Gliederung 
in  einzelne  Abschnitte,  von  denen  ein  jeder  einer  besonderen  Aus- 
bildung fähig  ist;  hier  liegen  auch  die  hauptsächlichsten  Sinnes- 
organe, Auge,  Ohr  und  Geruchsorgan,  die  in  der  Wirbeltierreihe 
die  mannigfaltigsten  formalen  Ausgestaltungen  erfahren,  und  von  denen 
das  Geruchsorgan  dadurch,  daß  seine  Höhle  (von  den  Dipnoern  an)  in 
Kommunikation  mit  der  Mundhöhle  tritt,  den  Anstoß  zur  Ausbildung 
neuer,  der  Luftrespiration  dienender  Einrichtungen  giebt.  Am 
Kopfe  findet  sich  zudem  der  An  fängst  eil  des  Darm  roh  res^ 
mit  seinen  vielfachen  Einrichtungen  zum  Ergreifen  und  zur  provi- 
sorischen Bewältigung  der  Nahrung,  mit  den  besonderen  Anpassungen^ 
die  er  mit  dem  Eintritt  der  Nasenhöhle  in  den  Dienst  der  Luft- 
respiration erfährt,  und  mit  den  S  c  h  1  u  n  d  s  p  a  1 1  e  n ,  die  seinen 
hinteren  Abschnitt  durchsetzen  und  bei  den  wasserlebenden  Anamnia 
als  Kiemenspalten  eine  hohe  Ausbildung  erfahren. 

Die  Hartgebilde,  die  in  der  Umgebung  der  genannten  Organe 
auftreten,  bilden  das  Kopfskelett.  Ihre  Form  und  Anordnung 
wird  durch  jene  Organe  bestimmt  und  beeinflußt,  und  der  von  ihnen 
zusammengesetzte  Skelettkomplex,   der  Schädel,  wird   zu   einem  kom- 


574  E.  Gaupp, 

plizierten  Gebilde,  das  ganz  besonders  durch  die  große  Vielfältigkeit 
in  den  Einrichtungen  des  Kieferapparates  bei  den  einzelnen  Wirbel- 
tieren das  verschiedenartigste  Aussehen  darbietet. 

Den  durch  die  Einzelorgane  und  ihre  Funktion  bedingten  Momenten 
gesellen  sich  dann  noch  die  hinzu,  die  auf  das  Kopfskelett  ihren  Ein- 
fluß äußern,  weil  dieses  den  vordersten  Teil  des  Körpers 
bildet.  So  wird  bei  wasserlebeuden  Tieren  der  Kopf  zu  einem  Wasser- 
brecher geformt,  gelegentlich  unter  Ausbildung  besonderer  Skelett- 
gebilde, die  nur  hierin  ihre  Erklärung  tinden,  so  erhalten  die  Schädel 
bei  grabenden  Formen  aus  den  verschiedenen  Wirbeltierklassen  über- 
einstimmende formale  Charaktere.  Die  speziellen  Anforderungen,  die 
der  Flug  der  Vögel  an  die  Lastverteilung  im  Vogelkörper  stellt, 
üben  auf  das  Kopfskelett  dieser  Wirbeltierklasse  nicht  minder  ihren 
Einfluß  aus,  als  der  aufrechte  Gang  beim  Menschen.  Schließlich  aber 
entspricht  es  der  exponierten  Lage  des  Kopfes,  daß  sein  Skelett 
Waffen  oder  Schmuckteile  ausbildet  (Geweihe,  Hörner,  Schädel- 
höcker mancher  Vögel  u.  a.). 

Fun ktions Wechsel  der  Hartgebilde.  Der  Natur  der 
Hartgebilde  als  passiv  funktionierender  Organe  entspricht  es,  daß  das 
einzelne  Skelettelement  oder  ein  Teil  eines  solchen  seine  specielle 
Funktion  ändern  kann.  Der  Anstoß  hierzu  kann  in  verschiedenen 
Momenten  gegeben  sein.  So  kann  die  Vergrößerung  eines  Organes 
am  Kopfe,  wie  eines  Sinnesorganes  oder  des  Gehirns,  eine  solche 
Veränderung  in  der  Anordnung  der  Skelettteile  bedingen,  daß  sich 
daraus  für  sie  eine  neue  Verwendung  ergiebt.  Vielfach  geht  der  An- 
stoß zu  einer  veränderten  Anordnung  der  Skelettelemente  vom  Kiefer- 
apparat aus  (Aenderung  der  Nahrung  und  Nahrungsaufnahme).  Aber 
nicht  nur  die  Anordnung,  sondern  auch  Form  und  Gestaltung  des 
einzelnen  Skelettteiles  werden  durch  die  veränderte  Inanspruchnahme 
verändert.  Daraus  folgt,  daß  ein  und  dasselbe,  morphologisch  ver- 
gleichbare Skelettmaterial  eine  verschiedene  Gestaltung  annehmen 
kann,  und  daß  zwischen  Material  einerseits  und  Form  und  Ver- 
wendung andererseits  zu  unterscheiden  ist.  In  dem  Funktions- 
wechsel liegt  denn  auch  zugleich  die  Erklärung  für  die  Erscheinung, 
daß  Skelettteile  oder  specielle  Gestaltungseigentümlichkeiten  von  solchen 
in  ihrer  Existenz  nicht  an  das  Fortwirken  des  ursächlichen  Momentes 
geknüpft  sind,  dem  sie  ursprünglich  ihre  Entstehung  verdankten. 
Denn  die  Ausbildung  irgend  einer  besonderen  Gestaltung  an  irgend 
einem  Teile  des  Skelettes  wird  ihrerseits  wieder  andere  Veränderungen 
in  der  Anordnung  und  Lagerung  anderer  Skelett-  und  Weichteile, 
Wechsel  in  den  architektonischen  Verhältnissen  u.  s.  w.  zur  Folge 
haben,  die  nicht  immer  ohne  weiteres  wieder  aufgegeben  werden 
können.  Durch  Anpassungen  an  neue  Bedingungen,  durch  Wechsel 
der  ursprünglichen  Bedeutung  kann  dann  irgend  eine  Bildung  fixiert 
bleiben,  auch  wenn  die  primären  Bedingungen,  die  sie  in  die  Er- 
scheinung riefen,  längst  zu  wirken  aufgehört  haben  (Gaupp  1900). 

Material  der  Komponenten  des  Kopfs  kelettes.  Inner- 
halb der  Wirbeltierreihe  läßt  die  Ausbildung  des  Kopfskelettes  in  Bezug 
auf  das  Material  verschiedene  Zustände  unterscheiden.  Beim 
Amphioxus,  bei  dem  ein  Kopf  überhaupt  noch  nicht  scharf  von  dem 
Rumpfe  abgesetzt  ist,  bestehen  die  festeren  stützenden  Partieen 
zwischen  den  Organen  aus  verdichtetem  Bindegewebe,  das  nur  stellen- 
weise knorpelähnlichen  Charakter  annimmt.    Von  einem  Schädel  kann 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes,  575 

hier  aber  noch  nicht  gesprochen  werden.  Bei  den  Cyclostomen  sind 
bereits  zum  Teil  recht  komplizierte  Knorpel  teile  am  Kopfe  in  der 
Umgebung  des  Gehirns,  der  Sinnesorgane,  der  Mundhöhle  und  der 
Kiemenspalten  vorhanden,  und  bei  den  Selachiei-n  erscheint  das  knor- 
pelige Cranium  in  hoher  formaler  Ausbildung  und  Vollständigkeit. 
Bei  den  übrigen  Wirbeltieren  treten  dann  zu  den  knorpeligen  Schädel- 
teilen knöcherne  hinzu  und  gewinnen  vielfach  die  Oberhand.  Der 
Zustand,  den  das  Kopfskelett  der  Cyclostomen  und  Selachier  zeit- 
lebens repräsentiert,  wird  als  Primordiale  r  a  ni  u  m  (Jacobson  1842) 
oder  auch,  wegen  des  Materials,  aus  dem  es  aufgebaut  ist,  als  Chon- 
drocranium  bezeichnet.  Auch  bei  den  über  den  Selachiern  stehenden 
Wirbeltieren  bildet  sich  embryonal  als  erster  Repräsentant  eines  festen 
Kopfskelettes  ein  knorpeliges  Primordialcranium ;  der  Grad  der  Aus- 
dehnung aber,  in  dem  dasselbe  in  den  erwachsenen  Zustand  über- 
nommen wird,  schwankt  bei  den  einzelnen  Klassen  recht,  erheblich. 
Ein  verschieden  großer  Teil  von  ihm  geht  wieder  zu  Grunde,  haupt- 
sächlich unter  dem  Einfluß  der  knöchernen  Skelettteile,  die,  nachdem 
sie  einmal  in  der  Wirbeltierreihe  aufgetreten  sind,  im  allgemeinen  zu 
den  wichtigsten  den  Schädel  aufbauenden  Elementen  werden. 

Die  knöchernen  Elemente  finden  sich  bei  ihrer  ersten  Ent- 
stehung in  verschiedener  Lagerung  zu  dem  Primordialcranium.  Ein 
Teil  von  ihnen  entsteht  in  mehr  oder  minder  großer  Entfernung  von 
dem  Primordialcranium,  hauptsächlich  nahe  der  Haut  und  der  Mund- 
schleimhaut, doch  auch  näher  dem  Knorpelschädel:  immer  aber  von 
diesem  durch  Bindegewebe  getrennt.  Diese  werden  bezeichnet  als 
Deck-  oder  Beleg knochen  (Allostosen).  Eine  zweite  Kategorie 
entsteht  von  vornherein  in  Form  von  knöchernen  Auflagerungen  auf 
Teilen  des  Primordialcraniums  in  engster  Nachbarschaft  des  letzteren, 
und  im  Laufe  ihrer  weiteren  (phylogenetischen  wie  ontogenetischen) 
Entwickelung  können  sie  in  den  Knorpel  eindringen,  ihn  zur  Zer- 
störung bringen  und  sich  selbst  an  seine  Stelle  setzen.  So  entstehen 
an  Stelle  des  Primordialcraniums  knöcherne  Territorien,  die  mit  dem 
Namen  Ersatzknochen  (primordiale  Knochen,  Autostosen) 
bezeichnet  werden. 

Der  definitive  Schädel  der  über  den  Selachiern  stehenden  Wirbeltiere  setzt  sich 
somit  aus  unveränderten  Knorpelteilen  des  primordialen  Craniums  und  aus  Knochen 
der  beiden  genannten  Kategorieen  zusammen.  Er  ist  auch  bei  den  Wirbeltieren,  wo 
die  Knochen  sehr  stark  prävalieren  und  den  Knorpel  zurückdrängen,  doch  niemals 
ein  reines  Osteo cranium,  sondern  immer  enthält  er  noch  irgendwelche  Knorpel- 
teile. Der  reine  trockene  Knochenschädel,  wie  ihn  die  Sammlungen  beherbergen,  ist 
als  Schädel  unvollständig. 

Im  nachfolgenden  wird  erst  das  Primordialcranium  als  der  älteste 
und  konstanteste  Teil  des  Kopfskelettes  zur  Behandlung  kommen,  als- 
dann  die   allgemeine  Genese   der   knöchernen  Elemente  des  Schädels. 

B.   Das  Primordialcranium. 
1.   Allgemeine  Entwickelungsverhältnisse. 
(Einteilung   des  Primordialcraniums.     Erste  Zustände.     Zeitliche  Ver- 
hältnisse der  Entwickelung.     Histologische  Differenzierung.) 
Einteilung   des   Primordialcraniums.     Die  Knorpelteile, 
die  in  ihrer  Gesamtheit  das  Primordialcranium  oder  Chondro- 
er an  ium   bilden,   entstehen:    1)  in   der  Umgebung  des  Gehirns  und 
der   drei  Hauptsinnesorgane  (Labyrinth-,   Augen-,   Geruchsblase)   und 


576  E.  Gaupp, 

2)  in  der  Umgebung  des  Kopfdarmes.  Die  erstgenannten  Teile  bilden 
den  dorsal  gelagerten  neuralen  Abschnitt  des  Craniums  oder 
das  Neurocrauium  (Gaupp),  die  letztgenannten  den  visceralen 
Abschnitt  (Visceralskelett,  Splanchnocranium);  an  ihm 
werden  noch  die  sog.  präoralen  oder  präkranialen  Skelett- 
teile und  die  Visceralb  ogen  unterschieden. 

Diese  Einteilung  hat  indessen  nur  bei  den  niederen  Wirbeltieren  wirkliche 
Gültigkeit.  Die  Entstehungsgeschichte  der  Gehörknöchelchen  bei  den  luft- 
lebenden Formen,  besonders  bei  den  Säugern,  ist  ein  Beispiel  dafür,  daß  Teile,  die 
ursprünglich  dem  visceralen  Skelett  angehören,  unter  Aufgabe  ihrer  primären  Funktion 
in  den  Dienst  eines  Sinnesorganes  treten  können.  Trotzdem  werden  sie  später  unter 
den  visceralen  Teilen  geschildert  werden. 

Erste  Zustände.  Auch  im  Kopfgebiet  ist  das  erste  stützende 
Element  die  Chorda  d  o  r  s  a  1  i  s ,  die  in  embryonaler  Zeit  nach  vorn 
bis  zum  Zwischenhirn  reicht  und  um  deren  vorderes  Ende  herum  die 
Kopfbeuge  erfolgt.  Frühzeitig  tritt  Mesenchym  auf,  breitet  sich  um 
die  Chorda  aus,  umhüllt  das  Medullarrohr,  das  Labyrinth-,  Augen-  und 
Geruchsbläschen,  dringt  zwischen  die  Myotome,  verbreitet  sich  um 
das  Darmrohr,  in  der  Umgebung  des  Mundes  und  zwischen  den 
Kiemenspalten.  Im  dorsalen  Gebiete  des  Kopfes  sind  die  Segmente 
des  dorsalen  Mesoderms,  im  ventralen  die  Seitenplatten  die  Quellen, 
aus  denen  die  Mesenchymmassen  fließen  (s.  Bd  I,  Kap.  5).  Aus  diesen 
Massen  differenzieren  sich  nun  in  der  Folge  verschiedene  Gebilde 
heraus:  die  Hüllen  des  Gehirns,  die  Hartgebilde  des  Schädels,  das 
Corium  u.  a. 

Von  den  Hartgebilden  des  Schädels  entstehen  zuerst  die  primor- 
dialen knorpeligen  Teile,  die  in  ihrer  Gesamtheit  das  Primordialcranium 
darstellen. 

Zeitliche  Verhältnisse  der  E  n  twickelung.  Die  primordialen  Skelett- 
teile im  Bereiche  des  Kopfes  entstehen  relativ  spät,  zu  einer  Zeit,  wo  die  Organe, 
denen  sie  sich  anpassen  sollen,  schon  einen  ziemlich  hohen  Grad  der  Ausbildung  er- 
langt haben.  Der  Gang,  den  ihre  Entwickelung  einschlägt,  ist  durchaus  nicht  immer 
der  gleiche.  Meist  geht  allerdings  der  neurale  Teil  dem  visceralen  etwas  voraus, 
doch  ist  dies  nicht  immer  der  Fall,  und  bei  den  Amphibien  z.  B.  treten  die  visceralen 
Teile  etwas  vor  den  neuralen  auf.  Innerhalb  des  neuralen  Abschnittes  selbst  erfolgt 
die  Differenzierung  gewöhnlich  von  hinten  nach  vorn,  doch  auch  dies  erleidet  Aus- 
nahmen, und  auch  hier  wieder  bieten  die  Amphibien  Beispiele  des  Gegenteils. 

Auf  diese  Verschiedenheiten  hat  Stöhe  (1882)  aufmerksam  gemacht  und  dar- 
aus mit  Eecht  den  Schluß  gezogen,  daß  die  Zeit  des  ontogenetischen  Auftretens  der 
einzelnen  Skelettabschnitte  nicht  zur  Beurteilung  ihres  phyletischen  Alters  geeignet 
ist.  In  manchen  Fällen  läßt  sich  ein  Verständnis  für  gewisse  Besonderheiten  in  der 
chronologischen  Reihenfolge  der  Entwickelung  der  Skelettteile  gewinnen,  so  kann  das 
verfrühte  Auftreten  des  visceralskelettes  bei  den  Amphibien  auf  das  frühzeitige 
freie  Larven  leben  dieser  Tiere  bezogen  werden,  ebenso  das  späte  Auftreten  der  Nasen- 
kai^sel:  auch  das  Geruchsorgan  kommt  spät  zur  vollen  Ausbildung,  da  es  erst  für 
das  Luftleben  bestimmt  ist. 

Da  vielfach  an  manchen  Stellen  des  Primordialcraniums  schon  wieder  die  Ver- 
knöcherung und  damit  die  Zerstörung  des  Knorpels  beginnt,  während  an  anderen 
Stellen  das  Höhestadium  der  Entwickelung  noch  nicht  erreicht  ist,  so  läßt  sich  ein 
Stadium,  in  dem  das  gesamte  Knorpelcranium  vollentwickelt  vorhanden  wäre,  oft 
nicht  finden;  in  anderen  Fällen  liegen  die  Dinge  günstiger,  und  es  besteht  ein 
Stadium  Optimum  des  Knorpelcraniums,  an  das  sich  später  nur  an  einigen  Stellen 
noch  weniger  bedeutungsvolle  Fortbildungen  anschließen. 

Histologische  Differenzierung  der  Teile  des  Knorpe  1- 
schädels.  Die  Art,  wie  die  Teile  des  primordialen  Knorpelschädels 
innerhalb  der  oben  erwähnten  Mesenchymmassen  auftreten,  ist  noch  erst 
recht  mangelhaft  bekannt,  so  daß  allgemeingiltige  Angaben  kaum  und 
nur  mit  Vorbehalt  gemacht  werden  können.    Meist,  doch  nicht  immer, 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  577 

ist  es  möglich,  die  Anlagen  der  Teile  des  Chondrocraniums  schon  vor  der 
Knorpelbildung  zu  erkennen,  in  Form  von  Gewebsverdichtungen,  die 
als  prochondrale  (vor knorpelige)  Anlagen  (auch:  Chondro- 
blastem) bezeichnet  werden.  Manche  dieser  prochondralen  Massen 
dokumentieren  eine  größere  Selbständigkeit,  die  Verdichtung  erfolgt 
von  einem  besonders  Vorknorpelkern  aus,  und  die  Anlage  setzt 
sich  mehr  oder  minder  deutlich  gegen  andere  ab.  In  anderen  Fällen 
sind  solche  vorknorpelige  Centrierungen  nicht  nachweisbar,  und  die 
Gewebsverdichtung  erstreckt  sich  gleichmäßig  über  ausgedehntere  Ge- 
biete, Es  können  auch  vorknorpelige  Anlagen,  die  anfangs  getrennt 
auftreten,  so  miteinander  verschmelzen,  daß  die  Grenze  zunächst  ver- 
schwindet. 

Aelmlich  wechselnd  liegen  die  Verhältnisse  bei  der  Ue b er- 
füll r  u  n  g  der  V 0 r k n 0 r p e  1  i g e n  Anlagen  in  Knorpel.  Auch 
die  Verknorpelung  erfolgt  manchmal  von  deutlich  bestimmbaren 
Knorpelkern  en  aus,  und  für  einige  Fälle  ist  sogar  nachgewiesen, 
daß  ein  Knorpelkern  an  der  gleichen  Stelle  auftritt,  wo  ein  Vor- 
knorpelkern lag.  In  anderen  Fällen  ist  aber  ein  solches  bestimmt 
lokalisierbares  Centrum  der  Verknorpelung  nicht  nachweisbar,  und 
ausgedehntere  Gewebspartieen  verknorpeln  gleichzeitig  „wie  aus  einem 
Gusse".  Durch  den  Verknorpelungsprozeß  können  einerseits  Teile, 
die  als  vorknorpelige  Massen  getrennt  waren,  vereinigt  werden,  so  daß 
nach  der  Verknorpelung  die  ursprüngliche  Trennung  nicht  mehr  er- 
kennbar ist,  andererseits  können  aber  auch  in  Gewebsmassen,  die  vor 
der  Verknorpelung  einheitlich  erschienen,  mehrere  Knorpelkerne  auf- 
treten, und  somit  eine  Zerlegung  der  vorher  einheitlichen  Masse  er- 
folgen. Dabei  kann  es  sich  um  eine  „Wiederj^erlegung"  handeln,  in 
Fällen,  wo  die  betreffende  einheitliche  Masse  vorher  aus  Verschmelzung 
mehrerer  entstanden  war. 

Gelegentlich  kommt  es  aber  auch  vor,  daß  Knorpel  gebildet  wird 
an  einer  Stelle,  wo  vorher  eine  dichtere  Gruppierung  der  Zellen  nicht 
beobachtet  wird. 

Vielfach  wird  von  einem  häutigen  Primordialcranium  gesprochen, 
welches  das  erste  Stadium  des  Schädels  repräsentieren  soll.  Unter  dem  „häutigen 
Primordialcranium"  werden  aber  zweierlei  verschiedene  Dinge  verstanden :  1)  ent- 
weder die  gesamte  Mesenchymmasse,  die  vor  dem  Auftreten  von  Hartgebilden  das 
Gehirn  und  die  Sinnesorgane  umgiebt  und  bis  an  das  Elrtoderm  der  Körperober- 
fläche reicht,  oder  2)  eine  zusammenhängende  häutige  Hülle,  die  sich  aus  jener 
Mesenchymmasse  sondert  und  aus  deren  Verknorpelung  das  knorpelige  Primordial- 
cranium hervorgehen  soll.  —  In  der  ersten  Bedeutung  ist  der  Ausdruck  ,, häutiges 
Primordialcranium"  nichtssagend  und  irreführend,  da  aus  jener  einheitlichen  Mes- 
enchymmasse ja  auch  die  Gehirnhüllen,  die  Haut  und  andere  Teile,  die  nichts  mit 
dem  Cranium  zu  thun  haben,  entstehen.  Faßt  man  den  Ausdruck  aber  in  dem 
zweiten  Sinne,  so  ist  zu  bemerken,  daß  ein  solches  häutiges  Primordialcranium  als 
gegen  die  Umgebung  abgrenzbare  zusammenhängende  Schicht  gar  nicht  überall  zur 
Ausbildung  gelangt,  und  daß,  wo  sie  besteht,  ihre  Bezeichnung  als  „Primordialcranium" 
darum  nicht  sehr  zweckmäßig  ist,  weil  aus  ihr  nicht  in  ganzer  Ausdehnung  Knorpel- 
teile hervorgehen.  Immerhin  mag  er  in  dem  letzteren  Sinne  beibehalten  werden. 
Im  übrigen  mangeln  vergleichende  Untersuchungen  über  die  ersten  Differenzierungen 
der  Knorpelteile  am  Kopfe,  namentüch  mit  Berücksichtigung  der  Differenzierung 
der  Gehirnhüllen,  noch  sehr,  und  damit  fehlt  die  Möglichkeit,  jetzt  schon  allgemein- 
giltige  Uebersichten  zu  geben. 

Die  verschiedenen  Stadien,  die  ein  Knorpelteil  des  Schädels  durchläuft, 
wurden  1881  von  Stöhr  für  die  Amphibien  beschrieben.  Seitdem  sind  von  anderen 
Autoren  auch  an  einigen  anderen  Objekten  die  Vorgänge  der  Knorpelbildung  ver- 
folgt, ohne  daß  eine  Einigung  bezüglich  dessen,  was  man  als  ,, Anlage",  „Vorknorpel", 
„Jungknorpel"  zu  bezeichnen  habe,  erzielt  wäre.    Auch  in  dieser  Hinsicht  wird  erst 

Handbuch  der  Entwickelungslehre.     III.  2.  37 


578  E.  Gaupp, 

durch  ausgedehntere  Untersuchungen  die  Möglichkeit  zur  Aufstellung  einer  allgemein- 
gültigen Norm  zu  erwarten  sein. 

Jedenfalls  sind,  dem  oben  Gesagten  zufolge,  die  Erscheinungen  bei  dem  Auf- 
treten der  knorpeUgen  Skelettteile  sehr  mannigfaltig,  und  daraus  ergiebt  sich  eine 
große  Schwierigkeit  bei  der  Entscheidung  der  Frage,  wie  die  einzelnen  Teile  des 
Craniums  bezüglich  ihrer  Zusammengehörigkeit  oder  Selbständigkeit,  ihrer  Einheit- 
lichkeit oder  Mehrwertigkeit  aufzufassen  sind.  So  viel  dürfte  jedenfalls  feststehen, 
daß  die  Vorgänge  bei  der  Verknorpelung  zur  Entscheidung  jener  Fragen  nicht 
geeignet  und  für  Vergleiche  und  phylogenetische  Schlüsse  nicht  verwertbar  sind. 
Es  lassen  sich  Beispiele  dafür  anführen ,  daß  Knorpelfortsätze,  die  bei  gewissen 
Formen  als  richtige  Teile  eines  anderen  Stückes  auftreten  und  mit  diesem  zusammen 
verknorpeln,  bei  anderen  Formen  ganz  selbständig  verknorpeln  und  nur  noch  in  sehr 
jungen  Stadien,  in  der  allerersten  Anlage,  die  Zugehörigkeit  zu  dem  früheren  Mutter- 
boden erkennen  lassen  (Proc.  ascendens  des  Palatoquadraturas  bei  Amphibien  und 
Hatteria  einerseits  und  Lacerta  andererseits).  Daneben  fehlt  es  aber  auch  nicht  an 
Belegen  dafür,  daß  durch  einheitliche  Verknorpelung  ein  Skelettteil  entstehen  kann, 
dessen  Bildungsmaterial,  wie  sich  aus  Vergleichen  ergiebt,  bei  anderen  Formen  mehrere 
getrennte  Stücke  entstehen  läßt  (so  in  der  Occipitalregion  des  Schädels).  Aber  auch 
für  eine  richtige  Bewertung  der  sog.  vorknorpeligen  „Anlagen"  fehlt  zur  Zeit  noch 
das  genügende  Beobachtungsmaterial.  Es  ist  zudem  besonders  zu  betonen,  daß  die 
Vorgänge  bei  der  Entstehung  der  primordialen  Skelettteile  sehr  anders  liegen  als 
etwa  bei  der  von  epithelialen  Gebilden,  die,  wie  z.  B.  Drüsen,  ganz  bestimmt  als 
Produkte  eines  Epithels,  das  den  Mutterboden  abgiebt,  bezeichnet  werden  können, 
und  die  nachweislich  von  einer  bestimmten  Stelle  aus  ,, entstehen".  Im  Gegensatz 
hierzu  handelt  es  sich  bei  den  Skelettteilen  um  eine  an  Ort  und  Stelle  erfolgende 
Umwandlung  bestimmter  Gewebspartieen,  die  erst  von  einem  bestimmten  Augenblick 
an  gegenüber  der  Umgebung  unterscheidbar  werden.  Dadurch  wird  der  Begriff  der 
„Anlage"  für  die  primordialen  Skelettteile  ein  sehr  unbestimmter:  praktisch  können 
wir  ja  von  dem  „Auftreten  einer  Anlage"  erst  in  dem  Augenblicke  reden,  wo  die- 
selbe durch  die  bisher  gebräuchlichen  Methoden  für  unser  Auge  sichtbar  wird;  was 
für  Verlagerungen  die  betreffenden  Zellen  aber  durchmachten,  solange  sie  für  unsere 
bisherigen  Methoden  noch  indifferent  erschienen,  ist  erst  in  wenigen  Fällen  fest- 
zustellen versucht  worden,  und  jedenfalls  immer  sehr  schwer  zu  ermitteln.  Daß 
aber  thatsächlich  die  „Anlagen"  zu  dem  Chondrocranium  viel  früher  lokal  ausgeteilt 
sind,  als  sie  für  uns  als  solche  sich  bemerkbar  machen,  hat  BoRN  (1897)  durch  Zer- 
schneidungsversuche  an  Amphibienlarven  bewiesen.  Born  hat  zugleich  gezeigt,  daß 
auch  die  A.nlagen  ganz  kleiner  und  unbedeutender  Abschnitte  des  Primordialcraniums 
bei  weitestgehendem  Verluste  der  anschließenden  Teile  —  und  zwar  nicht  bloß  derer, 
die  nach  vorn,  sondern  auch  derer,  die  nach  hinten  gelegen  sind  —  einer  selb- 
ständigen Differenzierung  fähig  sind  und  zur  Bethätigung  ihrer  chondroblastischen 
Tendenzen  den  normalen  Zusammenhang  mit  den  übrigen  Teilen  der  „Anlage"  nicht 
nötig  haben. 

Aus  diesen  Beobachtungen  und  üeberlegungen  folgt  jedenfalls,  daß  bei  der 
Deutung  einzelner  ontogenetischer ,  die  Entwickelung  des  Primordialschädels  be- 
treffender Befunde  große  Vorsicht  geboten  ist.  Es  ergiebt  sich  zugleich  die  Not- 
wendigkeit, die  individuelle  Bildungsgeschichte  einzelner  Primordialkranien  von  den 
ersten  Stadien  an  bei  zahlreichen  Formen  systematisch  zu  erforschen  und  die  Er- 
gebnisse der  Einzelforschungen  unter  Abwägung  aller  in  Betracht  kommenden  Mög- 
lichkeiten zu  vergleichen.    Im  Augenblick  ist  dazu  erst  ein  Anfang  gemacht. 

2.  Das   neurale  Primordialcranium. 

Der  neurale  Abschnitt  des  Primordialcraniums  stellt  in  seiner 
Vollendung  ein  in  sich  zusammenhängendes  knorpeliges  Ganzes  dar, 
an  dem  eine  Gliederung  in  einzelne  Abschnitte,  die  etwa  Wirbeln  ent- 
sprechen könnten,  nicht  vorhanden  ist,  und  höchstens  kleinere  Stücke 
in  loserer  Verbindung  mit  dem  übrigen  Gerüst  sich  finden.  Eine 
Gliederung  des  gesamten  Kopfskelettes  in  einzelne  knorpelige  Wirbel 
ist  überhaupt  zu  keiner  Zeit  der  ontogenetischen  Entstehung  vorhanden: 
die  Entwickelung  des  Neurocraniums  schlägt  also  frühzeitig  einen 
anderen  Gang  ein  als  die  der  Wirbelsäule.  Indessen  entsteht  es  auch 
nicht  auf  einmal,  „wie  aus  einem  Gusse",  und  auch  nicht  so,  daß 
etwa  an  einem  Punkte  die  Verknorpelung  anfinge  und  von  hier  aus 
nach    allen    Seiten    gleichzeitig   fortschritte ,    sondern    es    bilden    sich 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  579 

(meistens  wenigstens)  zuerst  unabhängig  voneinander  verschiedene  selb- 
ständige Stücke,  die  auch  successive  sichtbar  werden  und  erst  später 
untereinander  verschmelzen.  Die  Entstehung  des  Knorpelcraniums 
ist  somit  eine  diskontinuierliche,  und  auch  zeitlich  erstreckt  sich 
seine  Ausbildung  über  einen  gewissen,  bei  den  einzelnen  Wirbeltieren 
allerdings  sehr  verschieden  langen  Zeitraum,  so  daß  erst  ein  einfacheres 
Gerüst  zu  stände  kommt,  das  dann  nachträglich  eine  immer  weiter 
gehende  Vervollkommnung  erfährt.  An  dem  ausgebildeten  neuralen 
Cranium  ist  demnach  nur  eine  Einteilung  nach  Regionen  (Gegen- 
BAUR  1872)  durchführbar,  deren  Grenzen  aber  bei  der  Einheitlichkeit 
des  ganzen  Gerüstes  keine  ganz  scharfen  sein  können.  Man  unter- 
scheidet den  hinteren  Abschnitt,  der  in  seiner  Basis  die  Chorda  dor- 
salis  einschließt,  als  den  chordalen  und  den  davor  gelegenen,  in 
den  sich  die  Chorda  nicht  mehr  erstreckt,  als  den  prächordalen 
Teil  des  Schädels  (Kölliker).  Durch  die  Beziehungen  zu  den 
Sinnesorganen  werden  an  jedem  der  beiden  Abschnitte  noch  weitere 
Einteilungen  möglich:  am  chordalen  Abschnitt  lassen  sich  bei  den 
Gnathostomen  eine  Hinterhaupts-  und  eine  Labyrinthregion  (Regio  occi- 
pitalis  und  Regio  otica)  unterscheiden,  von  denen  die  Labyrinth- 
region in  ihren  Seitenteilen  die  Labyrinthorgane  eingelagert  enthält, 
während  die  Occipitalregion  die  Verbindung  mit  der  Wirbelsäule  ver- 
mittelt. Den  Cyclostomen  fehlt  die  Occipitalregion,  und  das  Cranium 
schließt  mit  der  Labyrinthregion  ab.  Am  prächordalen  Schädel- 
abschnittwerden eine  Regio  orbito-temporalis  und  eine  Regio 
ethmoidalis  durch  die  Beziehungen  zu  dem  Auge  und  den  Kiefer- 
muskeln, sowie  zum  Geruchsorgan  unterscheidbar.  Die  Ethmoidalregion 
ist  zudem  dadurch  charakterisiert,  daß  sich  in  sie  hinein  die  Schädel- 
höhle nicht  fortsetzt;  diese  hört  schon  in  der  Orbito-temporalregion 
auf.  Daraus  ergiel)t  sich  eine  weitere  Einteilung:  die  drei  hinteren 
Regionen  bilden  die  Pars  cerebralis  des  neuralen  Craniums  (Cra- 
nium cerebrale),  der  die  Pars  ethmoidalis  als  besonderer  Vorbau 
gegenübersteht. 

Die  GEGENBAUR'sche  Bezeichnung  Regio  orbitalis  wird  zweckmäßiger- 
weise in  E.  orbito-temporalis  erweitert,  da  die  fragliche  Gegend  bei  den  meisten 
Wirbeltieren  mit  ihrem  hinteren  Abschnitt  die  oft  sehr  ausgedehnte  Schläfengrube 
bildet,  und  andererseits  die  „Orbita"  nicht  an  die  „Orbitalregion"  des  Primordial- 
craniums  gebunden  ist,  wie  vor  allem  die  Primaten  zeigen.  Die  Bezeichnung 
Sphenoidalregion,  die  ebenfalls  für  die  Orbito-temporalgegend  gebraucht  wird, 
ist  besser  zu  vermeiden,  weil  sie  zu  dem  Irrtum  Veranlassung  geben  kann  und  gegeben 
hat,  daß  die  Grenzen  der  Region  mit  den  Grenzen  des  knöchernen  Keilbeins  (wo 
ein  solches  zur  Ausbildung  kommt)  zusammenfallen.     Das  ist  nicht  richtig. 

Daß  es  am  Kopfe  nicht  zur  Zerlegung  des  Achsenskelettes  in  eine  Anzahl  von 
Wirbeln  kommt,  wird  verständlich  durch  die  besonderen  Aufgaben,  die  dem  Kopf- 
skelett  im  Gegensatz  zum  Rumpfskelett  zukommen.  Während  das  Rumpfskelett 
eine  wichtige  Rolle  bei  der  Lokomotion  spielt,  bei  manchen  Wirbeltieren  (namentlich 
den  im  Wasser  lebenden,  sowie  den  extremitätenlosen  Formen  der  höheren  Klassen) 
sogar  das  wichtigste  oder  gar  einzige  Lokomotionsorgan  darstellt,  hat  das  Kopfskelett 
in  erster  liinie  die  Aufgabe,  dem  Gehirn  und  den  Hauptsinnesorganen  Schutz  zu 
verleihen,  eine  Aufgabe,  die  durch  eine  einheitliche  Kapsel  besser  erreicht  wird  als 
durch  ein  gegliedertes  Rohr.  Dem  Zustand  des  Skelettes  entspricht  der  Zustand 
der  Muskulatur:  die  Muskelmassen,  die  aus  den  vordersten  Partieen  des  dorsalen 
Mesoderms  entstehen,  treten  in  den  Dienst  des  Auges.  Als  weitere  Gesichtspunkte, 
die  für  das  Verständnis  des  Ausbleibens  einer  Wirbelgliederung  herangezogen  werden 
können,  wäre  die  Lage  des  Kopfes  am  vorderen  Körperende  (Wasserbrecher!)",  sowie 
der  Umstand  zu  nennen,  daß  die  Muskeln  der  ventralen  Skelettteile  (Kiefer-  und 
Kiemenskelett)  fester  Ursprungspunkte  bedürfen,  die  ihnen  von  einer  ungegUederten 
Schädelkapsel  besser  geboten  werden  als  von  einer  segmentierten.  Ob  friiher  einmal 
eine  wirbelähnliche  Gliederung  im  Gebiet  des  Kopfskelettes  bestand,  ist  später   zu 

37* 


580  E.  Gaupp, 

erörtern,  ebenso  wie  die  Frage,  welche  Bedeutung  den  einzelnen  Knorpelpartieen  zu- 
kommt, die  bei  der  Entstehung  des  Neurocraniums  als  mehr  »eibständige  Stücke  zu 
beobachten   sind. 

Bei  allen  Wirbeltieren  entstehen  als  Grundlage  der  Schädelbasis 
im  chordalen  Schädelabschnitt  die  Parach  ordalia,  seitlich  von 
dem  Kopfteil  der  Chorda  gelegene  Knorpelmassen,  die  meist  früher 
oder  später  sich  auch  dorsal  oder  ventral  von  der  Chorda  vereinigen 
und  so  die  Basalplatte  bilden.  Gewöhnlich  sind  sie  schon  vor 
der  Verkuorpelung  als  verdichtete  Gewebsmassen  erkennbar.  Manch- 
mal erscheint  die  Basalplatte  auch  schon  bei  ihrer  ersten  (vorknorpeligen) 
Anlage  einheitlich,  so  daß  getrennte  symmetrische  Parachordalia  nicht 
zur  Entwickelung  kommen.  Die  Parachordalia  gehen  anfangs  häufig 
ohne  Grenze  in  die  parachordalen  Massen  des  Rumpfes  über,  d.  h.  die 
Grenze  des  Schädels  und  der  Wirbelsäule  bildet  sich  in  manchen 
Fällen  erst  spät  aus.  Nach  vorn  reichen  sie  im  allgemeinen  bis  an  die 
Spitze  der  Chorda  dorsalis. 

Die  Chorda  erstreckt  sich  anfangs  nach  vorn  bis  an  die  Rathke- 
sche  Tasche  und  endet  hier  über  dem  oberen  Rande  der  primären 
Rachenhaut.  Wo  sich  eine  starke  Kopfbeuge  (Mittelhirnbeuge)  aus- 
bildet, wird  das  vordere  Ende  der  Chorda  ventralwärts  umgebogen 
(Chordakrücke,  Rabl-Rückhardt).  Später,  nachdem  die  Chorda  in 
die  Basalplatte  eingeschlossen  worden  ist,  geht  sie  in  dieser  meist 
zu  Grunde.  Bei  Cyclostomen  und  Dipnoern  bleibt  sie  unverändert, 
bei  manchen  Haien  in  Resten  erhalten ;  bei  manchen  Amphibien  werden 
Teile  der  Kopfchorda,  nachdem  sie  vorher  verknorpelten,  zum  Aufbau 
der  Basalplatte  verwendet.  Bei  den  Formen  mit  starker  Mittelhirn- 
beuge findet  sich  anfangs  in  dem  Zwischenraum,  der  an  der  Gehirn- 
basis zwischen  Vorder-,  Mittel-  und  Hinterhirn  besteht,  eine  Gewebs- 
masse.  die  von  Rathke  den  Namen  mittlerer  Schädelbalken 
(vorderer  Schädelbalken,  Kölliker;  primitive  Sattellehne  Autt.)  er- 
halten hat  (Fig.  333).  Da  dieses  Gewebe  jedoch  höchstens  aus  seinem 
basalen  Abschnitt  den  als  definitive  Sattellehne  bezeichneten 
vorderen  Raudteil  der  Basalplatte  entstehen  läßt,  in  der  Hauptsache 
aber  atrophiert  und  nur  als  eine  Gefäße  einschließende  Pialamelle  be- 
stehen bleibt  (es  stellt  überhaupt  nur  einen  Teil  der  zwischen  der 
Schädelbasis  und  dem  Gehirn  gelegenen,  hauptsächlich  für  die  Gehirn- 
hüllen Verwendung  findenden  Gewebsschicht  dar),  so  ist  die  Bezeichnung 
Schädelbalken  unzweckmäßig,  wie  schon  oft  hervorgehoben  wurde.  Ich 
schlage  dafür  Mittel hirnpolster  vor.  Bei  den  Säugern  findet  sich 
auch  ein  Nachhirnp  olster  (hinterer  Schädelbalken,   Kölliker). 

Bei  allen  gnathostomen  Wirbeltieren  sind  an  dem  Parachordale 
jeder  Seite  zwei  Abschnitte  zu  unterscheiden,  ein  hinterer.  Pars 
occipitalis,  und  ein  vorderer,  Pars  otica.  Der  wichtige  Gegen- 
satz zwischen  beiden  liegt  darin,  daß  an  der  P.  occipitalis  eine 
metamere  Gliederung  wenigstens  angedeutet  ist,  so  daß  dieser 
Teil  eine  unverkennbare  Aehnlichkeit  mit  dem  Rumpfskelett  zeigt. 
Die  vordere  Grenze  dieses  Abschnittes  wird  gebildet  durch  den  Aus- 
tritt des  N.  vagus.  Bis  hierher  reicht  stets  die  Reihe  der  Ursegmente 
des  Mesoderms,  die  seitlich  von  der  Chorda  dorsalis  gelagert  sind, 
und  bis  hierher  sind  auch  metamer  angeordnete  Nerven  vom  Typus 
der  spinalen  Nerven  zu  verfolgen.  Dem  entspricht  denn  auch  bis  zu 
einem  gewissen  Grade  die  Anlage  des  Skelettes.  Unmittelbar  neben 
der  Chorda  pflegt  zwar  meist  eine  GKederung  der  sich  verdichtenden 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  581 

Zellmasse  nicht  sichtbar  zu  sein :  hier  erfolgt  eine  einheitliche  Ver- 
dichtung des  Zellmaterials.  Weiter  lateral-dorsal  aber  wird  durch  die 
die  Medulla  verlassenden  Nerven  eine  Gliederung  der  Skelettanlage 
bedingt.  Zwischen  je  zwei  hintereinander  folgenden  Nervenwurzeln 
schreitet  die  Verdichtung  des  Zellmaterials  peripherwärts  vor  und 
bildet  so  wirbelbogenähnliche  Fortsätze  (Occipitalbogen).  Die  Ver- 
gleichbarkeit dieser  die  Nerven  trennenden  Streifen  mit  Wirbelbogen 
wird  noch  erhöht  dadurch,  daß  an  sie  sich  die  Myocommata  (Septa 
intermuscularia)  ansetzen,  die  lateralwärts  als  trennende  Scheidewände 
zwischen  den  Muskelplattten  des  Kopfes  ausgespannt  sind.  So  äußert 
sich  hier  in  der  hinteren  Kopfregion  eine  durch  Nerven  und  Muskel- 
anlagen bedingte  Gliederung  des  Skelettes.  Die  direkt  der  Chorda 
anliegenden  oder  sie  cirkulär  umgebenden  Zellmassen  lassen ,  wie 
gesagt,  eine  Gliederung,  die  etwa  den  Wirbelkörpern  entsprechen 
könnte,  nicht  erkennen. 

Die  Andeutung  einer  Segmentierung  des  hinteren  Schädelabschnittes 
wird  mit  dem  Auftreten  der  Verknorpelung  noch  mehr  verwischt. 
Der  Verknorpelungsprozeß  ergreift  die  ganze  Anlage  der  Pars  occi- 
pitalis,  ohne  daß  dabei  besondere  Zentrierungen,  die  den  Wirbelkörpern 
oder  Wirbelbogen  entsprechen  könnten,  sichtbar  werden.  Ueber  den 
Nervenwurzeln  Hießen  die  Knorpelmassen  zusammen  und  bilden  den 
aufsteigenden  lateralen  Teil  der  Regio  occipitalis  (Occi- 
pitalpfeiler  Pila  occipitalis),  der  sich  dorsalwärts  meist  beträchtlich 
verjüngt,  und  dessen  oberes  Ende  später  mit  der  davor  entstandenen 
Ohrkapsel  verschmilzt.  Auch  eine  dorsale  Vereinigung  der  beider- 
seitigen kann  zu  stände  kommen.  Die  umschlossenen  Nerven  (Nn. 
spino-occipitales  Fürbringer)  durchsetzen  alsdann  (durch  For. 
spino-occipitalia)  die  Occipitalregion,  deren  vordere  Grenze  durch  die 
Austrittsstelle  des  N.  vagus  bezeichnet  wird,  d.  h.  durch  die  gewöhnlich 
als  For.  jugulare  benannte  Oeffnung,  die  durch  Verbindung  des 
oberen  Endes  der  Occipitalregion  mit  der  Ohrkapsel  zu  stände  kommt. 

In  der  soeben  geschilderten  Weise  vollzieht  sich  im  allgemeinen  die  Entstehung 
des  occipitalen  Schädelabschnittes  der  gnathostomen  Wirbeltiere,  der  somit  überall 
eine  sehr  ähnliche  Form  erhält,  die  zweier  (symmetrischer)  dorsalwärts  sich  ver- 
jüngender Bogen,  deren  basale  verbreiterte  Partieen  dem  lateralen  Umfang  der  Chorda 
dorsalis  ansitzen.  Gleicht  er  nun  hierin  auch  einem  Wirbelbogen,  so  ist  er  doch 
nicht  ohne  weiteres  einem  solchen  zu  identifizieren;  vielmehr  stellt  er  bei  den  ein- 
zelnen Wirbeltieren  eine  quantitativ  verschieden  wertige  Bildung  dar.  Das 
Skelettmaterial,  dem  er  seine  Entstehung  verdankt,  wird  von  einer  verschieden  großen 
Anzahl  von  Ursegmenten  geliefert,  und  es  setzt  dementsprechend  auch  eine  ver- 
schiedene Anzahl  von  intermuskulären  Septen  an  ihm  an,  wie  auch  die  Zahl  der 
ihn  durchbohrenden  spinalartigen  Hirnnerven  bei  den  einzelnen  Wirbeltieren  eine 
verschiedene  ist.  So  erweist  er  sich  als  das  Verschmelzungsprodukt  einer  ver- 
schieden großen  Anzahl  von  ehedem  freien  spinalen  Skelettsegmenten.  Wenn  die 
letzteren  mit  Recht  als  Occipitalbogen  bezeichnet  werden,  so  ist  für  das  ge- 
samte Skelettstück  ein  besonderer  Name  nötig,  und  als  solchen  schlage  ich  Occi- 
pitalpfeiler  vor.  Für  den  basalen  Teil  den  STÖHR'schen  Namen  Occipital- 
platte  beizubehalten,  scheint  mir  zweckmäßig,  weil  vieles  dafür  spricht,  daß  sich 
an  seiner  Zusammensetzung  basale  Reste  spinaler  Skelettelemente  beteiligen  können, 
deren  aufsteigende  Teile  ganz  verkümmert  sind.  —  Durch  die  metamere  Entstehung 
nimmt  die  Occipitalregion  eine  Sonderstellung  gegenüber  den  übrigen  Abschnitten 
des  Craniums  ein. 

Bei  den  Cyclostomen  fehlt  eine  Occipitalregion  des  Craniums,  und  hinter 
der  Ohrkapsel  beginnt  die  Reihe  der  Wirbelbogen.  Daraus  darf  gefolgert  werden, 
daß  die  Occipitalregion  der  Gnathostomen  aus  einer  Anzahl  früher  freier  spinaler 
Skelettelemente,  wie  sie  bei  Cyclostomen  noch  bestehen,  hervorgegangen  ist.  In  den 
Andeutungen  einer  Metamerie  in  der  Occipitalregion  kommt  das  auch  bei  der  Onto- 
genese der  Gnathostomenkranien  noch  zum  Ausdruck.    Auf  die  daraus  sich  ergebenden 


582  E.  Gaupp, 

Konsequenzen   wird   in   einem    besonderen  Abschnitt   über  die  Stellung  des   Kopf- 
skelettes zum  Rumpfskelett  eingegangen  werden. 

Wie  bemerkt,  ist  auch  bei  den  Gnathostomen  die  Zahl  der  Segmente,  die 
bei  der  Entwickelung  der  Occipitalregion  noch  erkennbar  sind,  nicht  gleich.  Als 
Regel  gilt  dabei,  daß  die  Erkennbarkeit,  d.  h.  die  Wirbelähnlichkeit,  von  hinten  nach 
vorn  abnimmt,  so  daß  also  das  am  meisten  kaudal  gelegene  Segment  am  deutlichsten 
Wirbelcharakter  besitzt,  während  in  dem  davor  gelegenen  Gebiet  bis  in  die  Vagus- 
gegend die  Segmentierung  undeutlich  wird  und  oft  nur  aus  dem  Verhalten  der 
Nerven  und  Muskelsegmente  erschlossen  werden  kann.  Dies  im  Zusammenhang  mit 
der  großen  Verschiedenheit  der  wirklich  erkennbaren  occipitalen  Segmente,  auch  bei 
sehr  nahestehenden  Formen,  rechtfertigt  die  Vermutung,  daß  auf  der  Grenze  zwischen 
der  Occipital-  und  Labyrinthre^ion  ein  Ausfall  von  Segmenten  stattfinden  kann 
und  thatsächlich  erfolgt  ist  (Fürbringer).  Dadurch  allein  kann  aber  die  Ver- 
schiedenheit in  der  Zahl  der  nachweisbaren  occipitalen  Skelettsegmente  nicht  erklärt 
werden ;  vielmehr  sprechen  Argumente,  die  namentlich  dem  Verhalten  der  Nerven 
entnommen  sind,  dafür,  daß  die  Occipitalregion  der  Gnathostomen  thatsächlich  eine 
verschiedene  Wertigkeit  besitzt,  daß  bei  manchen  Formen  die  Cranio-vertebralgrenze 
Aveiter  kaudal  liegt  als  bei  anderen ;  daß  z.  B.  der  hinterste  Teil  des  Amniotencraniums 
den  3  ersten  freien  Wirbeln  der  Amphibien  entspricht.  Demnach  liegt  die  Grenze 
des  Amphibien-  und  Amniotencraniums  nicht  an  gleicher  Stelle;  3  bei  den  Amphibien 
noch  freie  Wirbel  haben  sich  bei  den  Amnioten  dem  Cranium  assüniliert.  Genauer 
wird  hierauf  noch  zurückzukommen  sein. 

Die  Pars  otica  des  Parachordale  läßt  eine  solche  Segmentierung, 
wie  sie  die  Pars  occipitalis  zeigt,  nicht  erkennen.  Wohl  aber  macht 
sich  bei  einigen  Formen  in  ihr  noch  eine  Teilung  in  einen  vorderen 
und  einen  hinteren  Abschnitt  bemerkbar  (Cyclostomen,  Amphibien» 
Teleostier).  Welche  Bedeutung  diesen  zukommt,  läßt  sich  im  Augen- 
blick noch  nicht  sagen. 

Die  beiden  Abschnitte  wurden  zuerst  von  Stöhr  für  die  Amphibienkranien  be- 
schrieben und  als  Balkenplatte  (der  vordere)  und  mesotischer  Knorpel 
(der  hintere)  beschrieben.  Der  raesotische  Knorpel  Stöhr's  ist  also  nur  ein  Teil  der 
gesamten  Pars  otica  des  Parachordale,  und  ich  halte  es  nicht  für  zweckmäßig,  wenn 
Sewertzoff  (1899)  den  von  Stöhr  gebildeten  und  bestimmt  definierten  Ausdruck 
„mesotischer  Knorpel"  auf  den  ganzen  jiräoccipitalen  Teil  des  Parachordale  bis  zur 
Chordaspitze  überträgt.  Im  Augenblick  wenigstens,  wo  die  Dinge  noch  so  unklar 
liegen,  sind  solche  Riickungen  an  den  Definitionen  bedenklich. 

Im  Bereich  der  Labyrinthregion  tritt  der  N.  acusticus  aus  dem 
Schädeiraum  in  die  Ohrkapsel,  und  außerdem  verlassen  hier  gewöhn- 
lich der  N.  glossopharyngeus,  N.  facialis  und  N.  abducens  das  Cavum 
cranii,  um  nach  außen  zu  treten.  Doch  zeigen  die  letztgenannten 
Nerven  manche  Varianten  bei  den  verschiedenen  Formen,  so  können 
sie  selbständig  verlaufen  oder  sich  anderen  Nerven  anschließen:  der 
Glossopharyngeus  dem  Vagus,  der  Facialis  und  Abducens  dem  Tri- 
geminus,  der  Facialis  auch  dem  Acusticus.  Diese  letztere  Vereinigung 
ist  wohl  als  das  Primäre  anzusehen,  die  Trennung  des  Facialis  vom 
Acusticus  als  das  Sekundäre. 

Die  Ausbildung  der  Basal  platte  unterliegt  vielen  Schwankungen 
und  kann  in  großer  Ausdehnung  unterdrückt  bleiben,  wodurch  eine 
verschieden  große  Fen  es  tra  basicranialis  posterior  zustande 
kommt. 

Lateral  von  der  Pars  otica  des  Parachordale  liegt  auf  frühen 
Stadien  jederseits  die  Ohrblase.  Das  sie  umgebende  Gewebe  ver- 
dichtet sich  (periotisches  Gewebe)  und  läßt,  verknorpelnd,  eine 
Kapsel,  die  Ohrkapsel,  entstehen,  die  mit  dem  Parachordale  viel- 
fach in  Zusammenhang  tritt  und  durch  dieses  ergänzt  wird.  Schon 
vor  der  Verknorpelung  steht  das  periotische  Gewebe  meist  in  Ver- 
bindung mit  dem  parachordalen.  Die  Verknorpelung  der  Ohrkapsel 
erfolgt  jedoch  gewöhnlich  selbständig,  und  die  Verbindung  der  Knorpel- 


Die  Entwickelung  des  Koj^fskelettes..  583 

kapsei  mit  der  knorpeligen  Basalplatte  ist  ontogenetisch  sekundär. 
Meist  erfolgt  die  Verknorpelung  der  Kapsel  vom  lateralen  Bogengang 
aus;  die  Verknorpelung  der  medialen  Wand,  die  mehrere  Oeffnungen, 
darunter  die  für  den  N.  acusticus,  umschließt,  erfolgt  zuletzt  und 
kann  ganz  unterbleiben  (Teleostier).  Die  Ohrkapsel  hat  ihre  typische 
Lage  zwischen  dem  Ganglion  des  Trigeminus  und  dem  des  Vagus. 

Bei  den  Amnioteu,  besonders  bei  den  Säupjern,  wächst  embryonal  der  Ductus 
cochlearis  von  der  Basis  des  häutigen  Labyrinthes  sehr  beträchtlich  weit  aus  und 
schiebt  sich  in  die  lateralen  Partieen  des  parachordalen  Gewebes  vor.  Diese  Partieen 
bilden  dann,  verknorpelnd,  die  Pars  cochlearis  der  Ohrkapsel,  die  nach  dieser 
von  mir  vertretenen  Auffassung  somit  aus  einem  Gewebe  hervorgeht,  das  bei  den 
niederen  Formen  zum  lateralen  Teil  der  Basalplatte  wird.  Der  Begriff  „Ohrkapsel" 
drückt  somit  nur  die  funktionelle  Verwendung,  nicht  die  morphologische  Wertigkeit 
aus  und  ist  morphologisch  keine  konstante  Größe.  Auf  die  Frage  nach  der  ur- 
sprünglichen Selbständigkeit  der  Ohrkapsel  komme  ich  noch  zurück. 

Bei  der  Verbindung  der  Ohrkapsel  mit  dem  Parachordale  bleibt 
bei  Teleostiern  (GanoidenV),  Amphibien  und  Amnioten  eine  basal  ge- 
lagerte Lücke  (Fen.  basicapsularis)  ausgespart,  die  sich  bei 
Teleostiern  später  vollständig  schließt,  bei  Amphibien  und  Amnioten 
aber  als  Fenestra  vestibuli  (For.  ovale)  erhalten  bleibt  und  nur 
durch  die  Fußplatte  eines  selbständigen  Skelettelementes,  der  C o Iu- 
ra eil  a  auris,  verschlossen  wird.  Die  Genese  der  Columella,  des 
wichtigsten  Skelettelementes  des  schallleitenden  Apparates,  ist  vielfach 
studiert,  ohne  daß  bisher  ein  abschließendes  Urteil  darüber  möglich 
wäre.  Bald  erscheint  sie  als  ein  von  der  Ohrkapsel  auswachsender 
Teil,  bald  als  ein  Derivat  des  Zungenbeinbogens,  bald  als  ein  Com- 
positum aus  labyrinthärem  und  hyalem  Material.  Specielles  kommt 
später  zur  Sprache. 

Die  wichtige  Thatsache,  daß  auch  in  der  Ontogenese  der  Teleostier  eine  Bil- 
dung bemerkbar  ist,  die  mit  der  Fenestra  vestibuli  verglichen  werden  kann,  wurde 
von  Parker  festgestellt  und  von  Stöhr  bestätigt;  sie  verdiente,  weiter  verfolgt  zu 
werden.  Bezüglich  der  Nomenklatur  der  Columella  möchte  ich  vorschlagen,  die 
Bezeichnung  Columella  auris  durchaus  nur  als  physiologischen,  nicht  aber  als 
morphologischen  Begriff  zu  verwenden,  da,  wie  sich  noch  zeigen  wird,  die  Columella 
der  Amphibien  wahrscheinlich  gar  nicht  komplett  homolog  der  der  öauropsiden  ist. 
Dementsprechend  subsummiere  ich  auch  das  einfache  Operculum  mancher  Urodelen 
unter  den  Begriff  Columella  und  bezeichne  andererseits  auch  das  ganze  Gehör- 
knöchelchen der  Reptilien  mit  demselben  Namen.  Die  einzelnen  Teile  sind  dann 
mit  besonderen  Bezeichnungen  zu  belegen. 

Wie   im   chordalen   Schädelabschnitt,    so   entstehen   auch  im  prä- 

chordalen   zuerst   die   basalen  Teile,  und  zv/ar  ebenfalls  in  Form  von 

2  Knorpelspangen,   den   S  chädel  balken  (Rathke  1838),   Trabe- 

culae  baseos  cranii,  die  mit  ihren  hinteren  Enden  zu  beiden  Seiten 

der  Hypophysis  cerebri  liegen  und  von  hier  aus  nach  vorn  ziehen.    Sie 

bilden   sich   entweder   unabhängig   von  den  Parachordalia   und  setzen 

sich  erst  sekundär  mit  diesen  in  Verbindung,    oder  sie  entstehen  von 

vornherein  in  Zusammenhang  mit  ihnen. 

Die  Trabekel  bilden  sich  an  der  Basis  des  Vorderhirns,  und  demzufolge  ist 
ihre  Lage  von  dem  des  letzteren  abhängig.  Liegt  zur  Zeit  der  Trabekelentstehung  das 
Prosencephalon  in  einer  annähernd  geraden  Linie  mit  der  Medulla  oblongata,  so 
liegen  auch  die  Trabekel  von  vornherein  horizontal,  in  gleicher  Richtung  wie  die 
Parachordalia.  Dies  ist  namentlich  der  Fall,  wenn  eine  Mittelhirnbeuge  fehlt  oder 
nur  schwach  entwickelt  ist;  doch  kann,  worauf  Sewertzoff  aufmerksam  macht, 
auch  bei  stark  entwickelter  Mittelhirnbeuge  durch  eine  gleichzeitig  vorhandene 
Brückenkrümmung  das  Prosencephalon  vor  die  Medulla  oblongata  zu  liegen  kommen, 
so  daß  doch  die  Trabekel  von  vornherein  die  Richtung  der  Parachordalia  fortsetzen 
(Aeipenser).  Liegt  dagegen  zur  Zeit  der  Trabekelentwickelung  das  Prosencephalon 
ventral  von  der  Medulla  oblongata,   so  bildet  auch  die  Achse  der  Trabekel  mit  der 


584 


E.  Gaupp, 


der  Parachordulia  einen  rechten  Winkel,  die  Trabekel  stoßen  mit  ihren  kaudalen 
Enden  an  die  Ventralfläche  der  Parachordalia  und  wachsen  hier  an.  Dies  ist  das 
Gewöhnliche,  wo  eine  embryonale  Mittelhirnbeuge  vorhanden  ist  (Belachier,  alle 
Amnioten).  Die  Art,  wie  jene  anfängliche  Winkelstellung  der  Trabekel  später  aus- 
geglichen wird,  und  das  Maß,  in  dem  dies  geschieht,  ist  bei  den  einzelnen  Formen 
verschieden. 

Noch  in  eineni  anderen  Punkte  bietet  das  Verhältnis  der  Trabekel  zu  den 
Parachordalia  bei  den  verschiedenen  Wirbeltierformen  Verschiedenheiten  dar.  Meist 
{Selachier,  Ganoiden,  Teleostier,  Vögel)  sind  die  Trabeculae  anfangs,  auch  noch  als 
Knorpelstücke,  selbständig  gegenüber  den  Parachordalia;  bei  den  ürodelen  besitzen 
sie  diese  Selbständigkeit  wenigstens  im  vorknorpeligen  Stadium,  verschmelzen  aber 
dann  bald  mit  dem  vordersten,  von  Stöhr  als  Balkenplatte  bezeichneten  Abschnitt 
des  Parachordale ;  bei  den  Anuren  endlich  erfolgt  (Stöhr)  schon  die  Anlage  der 
Balkenplatte  in  direktem  Anschluß  an  den  Balken  und  somit  von  vornherein  im 
Zusammenhang  mit  diesem.  Vielleicht  stehen  auch  diese  —  in  erster  Linie  zeit- 
lichen —  Differenzen  im  Zusammenhang  mit  dem  Vorhandensein  oder  Fehlen 
einer  Kopfbeuge  zur  Zeit  der  Trabckelentwickelung. 


For.  apicale 


N".  medialis  nasi 


For.  epiphaniale 
Septum  nasi 

Plan,  antorbit.  ■  - 

Trabec.  commun.  ~ 


Fen.  hypophys. 

Trabecula    ^ 

J'or.  carotic. 


N.  lateralis  nasi 

Caps,   nasalis 
-  N.  olfactorius 


ophthalm.  (V,  l) 


Plan,  basal.  -, 


Pila  occipit. 
Chorda  dorsalis 


N.  trochlear. 

For.  prooticum 
(N.  trig.) 


For.  N.   facial. 

-  Caps.  a%cd. 
■  -For.  acust. 


/%-  -  Columella  aur. 

^  For.  JV.  glossophar. 
■For.  metoticum  s.  jugul. 

(N.  vagus) 
For.  spino-occipitales 
(Nn.  spino-occipit.) 


Fig.  324.  Bchematischer  Grundriß  eines  tropibasischen  Primordialcraniums. 
Zu  Grunde  gelegt  sind  die  Verhältnisse  bei  den  Sauropsiden.  Topographie  der  wich- 
tigsten Foramina  des  Knorpelschädels. 


Die  Trabekel  ziehen  anfangs  etwa  parallel  nach  vorn  und  enden 
im  Gebiet  der  Nasensäcke,  manchmal  mit  nach  außen  umgebogenen 
Enden  am  Boden  derselben  (Trabekelhörner  Rathke,  Cornua  trabe- 
cularum).  Dieser  Parallelismus  der  Trabekel  kann  erhalten  bleiben; 
es  bildet  sich  dann  der  Schädeltypus,  den  ich  als  plattbasisch 
(platybasisch)  bezeichnet  habe,  weil  bei  ihm  die  Schädelbasis  in 
der  ganzen  Orbito-temporalregion  in  gleichmäßiger  Flucht  nach  vorn 
zieht  (viele  Selachier,  alle  Amphibien).     Das  Schädelcavum  dehnt  sich 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  585 

alsdann  bis  an  die  Ethmoidalregion  in  ziemlich  gleich  bleibender  Weite 
aus.  Im  anderen  Falle  aber  werden  die  Trabekel  vor  der  Hypophysis 
durch  die  Augen  gewissermaßen  zusammengeschoben,  legen  sich  in  der 
Mittellinie  aneinander  und  verschmelzen  sogar  gewöhnlich  zu  einer 
T r a b  e cu  1  a  communis  (Fig.  325).  In  diesem  zweiten  Falle  entsteht 
über  diesem  unpaaren  medianen  Balken,  resp.  über  den  beiden  dicht 
nebeneinander  liegenden  Abschnittein  der  Trabekel  zwischen  den  Augen 
eine  mehr  oder  minder  ausgebildete  mediarre  Scheidewand,  das  Sep- 
tum  inter orbitale,  das  den  kielbasischen  (tropibasischen) 
Schädeltypus  charakterisiert  (manche  Selachier,  Ganoiden,  Teleostier, 
Amnioten).  Die  ganze  Orbito-temporalregion  erscheint  dann  in  zwei 
Abschnitte  zerlegt,  einen  hinteren,  in  dem  die  Schädelhöhle  weit  ist, 
und  einen  vorderen,  in  dem  sie  auf  die  Höhe  des  (wie  ein  Kiel  unter- 
geschobenen) Septums  emporgehoben  und  zugleich  auf  einen  engen 
Kanal  für  die  lang  ausgezogenen  Lobi  olfactorii  reduziert  ist.  In 
Fällen  excessiver  Ausbildung  des  Septums  (Teleostier,  Vögel)  hört  die 
Schädelhöhle  schon  in  der  Mitte  der  Orbito-temporalgegend  auf,  so 
daß  die  Nn.  olfactorii  eine  Strecke  weit  frei  durch  die  Orbita  ver- 
laufen müssen. 

Die  Trabekel  bilden  nur  die  erste  Skelettgrundlage  der  Orbito- 
temporalregion;  eine  Vervollkommnung  erfährt  letztere  durch  die 
Ausbildung  eines  Bodens,  Daches  und  zweier  Seitenwände.  Dies  er- 
folgt jedoch  in  sehr  verschiedenem  Umfange,  und  vielfach  bleiben  in 
diesen  Gebieten  weite  Lücken  des  Primordialcraniums  bestehen.  Die 
Bildung  des  Bodens  und  der  Seitenwände  kann  wenigstens  teilweise 
im  Anschluß  an  die  Trabekel  erfolgen  (ohne  daß  es  deshalb  statthaft 
wäre,  von  einem  wirklichen  „Auswachsen"  der  Trabekel  zu  sprechen), 
vielfach  vollzieht  sich  aber  auch  die  Bildung  der  fraglichen  Partieen 
selbständig,  ohne  Zusammenhang  mit  den  Trabekeln.  Speciell  die 
obere  Randpartie  der  Seitenwand  zeigt  häufig  eine  Selbständigkeit  bei 
ihrer  Entstehung,  doch  gilt  das  Gleiche  auch  für  Partieen  des  Bodens 
und  des  Daches.  Die  Knorpelteile  der  Seitenwand  umgeben  meist  in 
weiterem  oder  näherem  Umfang  die  Nn.  opticus,  oculomotorius  und 
trochlearis,  während  durch  Verbindung  des  hinteren  Randes  der  Seiten- 
wand mit  der  Ohrkapsel  ein  großes  Foramen  prooticumzu  stände 
kommt,  durch  das  der  N.  trigeminus  den  Schädelraum  verläßt. 

Am  Boden  besteht  zwischen  den  beiden  Trabekeln  anfangs  eine 
weite  Lücke  (Fenestra  basicranialis  anterior),  durch  deren 
hinteren  Teil  der  Hypophysengang  hindurchtritt.  Bei  tropibasischen 
Schädeln  wird  sie  durch  Aneinanderlegung  der  vorderen  Trabekel- 
hälften auf  die  kleine  Fenestra  hypophyseos  reduziert.  Nach 
Abschnürung  des  Hypophysenganges  kann  die  Lücke  gänzlich  ver- 
schlossen werden  oder  erhalten  bleiben.  Auch  Zusammenfluß  der  Fen. 
basicran.  ant.  mit  der  Fen.  basicran.  post.  kommt  vor. 

An  der  vorderen  Grenze  der  Orbito-temporalregion  erreicht  ge- 
wöhnhch  das  Gavum  cranii  sein  Ende  und  steht  hier  durch  die 
Foramina  olfactoria,  die  den  Riechnerven  zum  Durchtritt  dienen, 
mit  den  Nasengruben  in  Verbindung. 

Die  Art  des  vorderen  Abschlusses  der  Orbito-temporalregion  ist  bei  den  ein- 
zelnen Formen  außerordentlich  verschieden,  vor  allem  abhängig  von  dem  platy-  oder 
tropibasischen  Charakter  der  Region.  Bei  starker  Ausbildung  des  Septum  inter- 
orbitale, verbunden  mit  Reduktion  des  Primordialcraniums  in  dieser  Gegend,  kommt 
€s  sogar,  wie  gesagt,  vor  (manche  Teleostier,  Vögel),  daß  die  Schädelhöhle  schon  in 
«iniger  Entfernung  hinter  der  Ethmoidalregion  ihr   vorderes  Ende  findet,   und  die 


586  E.  Gaupp, 

Nn.  olfactorii  in  die  Augenhöhle  eintreten,  frei  durch  diese  hindurch  verlaufen  und 
dann  erst  in  die  Geruchsgruben  eindringen.  Dann  sind  ein  For.  olfactorium 
evehens  und  ein  For.  olf.  advehens  zu  unterscheiden. 

Den  vordersten  Teil  des  Primordialcraniums  bildet  die  Etli- 
moidalregion,  die  bei  den  Cyclostomen  das  unpaare  Geruclisorgan, 
bei  den  Guathostomen  die  beiden  Geruchssäcke  umschließt  und  in 
Anpassung  an  die  Ausbildung  des  Organs,  ferner,  von  den  Amphibien 
an,  an  specielle  Erfordernisse  der  Luftatmung,  endlich  auch  als  Wider- 
lager des  vordersten  Teiles  des  Kieferapparates,  die  mannigfaltigsten 
Gestaltungen  und  Einrichtungen  darbieten  kann.  Den  Verschieden- 
heiten der  ausgebildeten  Zustände  (als  in  die  Augen  springendste  sind 
zu  nennen:  unpaare  Nasenkapsel  bei  Cyclostomen,  paarige  oder  in 
der  Mitte  geteilte  bei  Guathostomen ;  ventrale  Mündung  der  blinden 
Geruchsgruben  bei  Selachiern,  dorsale  Mündung  bei  Ganoiden  und 
Teleostiern ;  doppelte  Mündungen  bei  Dipnoern,  Amphibien  und  Am- 
nioten)  entsprechen  Verschiedenheiten  der  Entwickelungsvorgänge,  so 
daß  einheitliche,  für  alle  Wirbeltiere  giltige  Momente  bisher  kaum  an- 
zugeben sind,  auch  die  Nomenklatur  vorläufig  noch  am  besten  speciellen 
Charakter  beibehält.  Höchstens  kann  man  als  allgemeingiltig  hin- 
stellen, daß  die  vordersten  Enden  der  Trabekel,  die  Trabekel- 
hörner,  die  in  verschieden  großer  Ausdehnung  untereinander  ver- 
wachsen, die  erste  Grundlage  für  das  Ethmoidalskelett  abgeben,  und 
daß  dieses  durch  Verknorpelung  des  perirhinischen  (den  Nasensack, 
resp.  die  Nasensäcke  umgebenden)  embryonalen  Bindegewebes  seine 
Vervollkommnung  erfährt. 

Noch  zwischen  Amphibien  und  Aranioten,  deren  Nasenkapseln  doch  in  einem 
wichtigen  Momente,  dem  Vorhandensein  äußerer  und  innerer  Nasenöffnungen,  über- 
einstimmen, bestehen  große  Unterschiede  in  der  Art,  wie  die  Bildung  der  Kapseln 
erfolgt.  Das  hängt  vornehmlich  zusammen  mit  der  Bedeutung,  die  die  Trabekel 
während  des  Larvenlebens  gewinnen,  und  mit  der  Differenz,  die  in  dem  platybasischen 
Typus  des  Amphibien-  und  dem  tropibasischen  Typus  des  Amniotenschädels  ausge- 
sj^rochen  ist.  Doch  auch  andere  Momente  spielen  dabei  noch  eine  KoUe.  —  Die 
aus  der  Verschmelzung  der  vorderen  Trabekelabschnitte  hervorgehende  Platte  besitzt 
von  vornherein  verschiedene  Ausdehnung,  und  daher  rechtfertigen  sich  verschiedene 
Namen  (Ethmoidalplatte,  Internasalpjatte,  vordere  Trabecularplatte).  Der  Gang,  den 
die  Verknorpelung  des  perirhinischen  Gewebes  nimmt,  ist  noch  wenig  genau  ver- 
folgt; Verschiedenheiten  kommen  mannigfach  in  Frage:  die  Verknorpelung  erfolgt 
im  Anschluß  an  die  aus  der  Trabekelverschmelzung  hervorgegangene  Platte,  oder  un- 
abhängig von  dieser;  sie  tritt  in  ausgedehnten  Partieen  gleichzeitig  oder  stellenweise 
mit  mehr  Selbständigkeit  auf. 

Da  es  sich  hier  wie  überall  bei  der  Entstehung  des  Knorpelskelettes  um  lokale 
Differenzierung  eines  schon  an  Ort  und  Stelle  befindlichen  Gewebes  handelt,  so  ver- 
heren  diese  Unterschiede  ihre  prinzipielle  Bedeutung;  sie  sind  a  priori  nicht  zu  weit- 
gehenden morphologischen  Schlüssen,  zur  Aufstellung  selbständiger  Elemente  oder 
Charakterisierung  anderer  Partieen  als  bloßer  „Auswüchse"  verwendbar.  Das  spiegelt 
sich  schon  darin  wieder,  daß  zwischen  nahestehenden  Formen  (Urodelen  und  Anuren, 
ja  selbst  zwischen  Rana  und  Pelobates)  recht  beträchtliche  Unterschiede  der  ge- 
nannten Art  beobachtet  werden. 

Für  die  Betrachtung  der  Gnathostomenverhältnisse  können  einfache  Zustände,  wie 
sie  etwa  die  Acipenseriden  zeigen,  zu  Grunde  gelegt  werden  (abgesehen  von  der 
doppelten  Oeffnung!).  Hier  bildet  die  ethmoidale  Knorpelmasse  einen  massiven 
Vorbau  vor  der  Pars  cerebralis  cranii,  in  dessen  Seitenteile  die  Nasengruben  einge- 
graben sind.  Eine  dicke  septale  Knorpelmasse  trennt  die  beiderseitigen  Gruben  und 
bildet  mit  ihrem  hinteren  präcerebralen  Teil  den  vorderen  Abschluß  des  Cavum 
cerebrale  cranii.  Ein  Foramen  olfactorium  oder  richtiger  ein  kurzer  Canalis  olfac- 
torius  verbindet  das  Cavum  cranii  mit  der  Fossa  nasalis  jeder  Seite.  Die  seitlichen,^ 
antorbitalen  Knorpelmassen  trennen  die  Orbitae  von  den  Nasengruben.  Vor  den 
Nasengruben  springt  der  Ethmoidalknorpel  als  Rostrum  vor. 

Für  die  hauptsächlichsten  Teile  des  Nasenskelettes  der  Tetrapoden  habe  ich  im 
nachfolgenden  versucht,   eine  einheitliche  Nomenklatur  einzuführen,  während  bisher 


Die  EntwickelunD-  des  Kopfskelettes.  587 

auf  diesem  Gebiete  große  Verwirrung  herrschte.  Ich  unterscheide  also  Dach  (Tectum 
nasi),  Seitenwand  (Paries  n.),  Boden  (Solum  n.),  Septum  (statt  desselben  sind  nur 
bei  Urodelen  entweder  in  ganzer  Ausdehnung  oder  streckenweise  zwei  Innenwände, 
Laminae  mediales,  vorhanden).  Der  den  vorderen  kuppeiförmigen  Abschluß  bildende 
Knorpel  heiße  Cart.  cupularis,  von  ihm  können  Stücke  abgegliedert  sein  als  Nasen- 
flügelknorpel, Cart.  alares.  Die  Hinterwand,  die  das  Cavum  nasi  von  der  Orbita 
trennt,  wird  am  besten  als  Planum  antorbitale  bezeichnet.  Die  wichtigsten  Lücken 
im  Skelett  sind  die  Fenestra  narina  (für  die  Apertura  nas.  ext.,  vorn  oder  vorn- 
seitlich gelegen)  und  die  Fen.  basalis  (für  die  Choane,  an  der  Basis  der  Kapsel). 
Eine  vielfach  vorhandene  Oeffnung  in  der  vorderen  Kuppel,  für  den  Austritt  des 
N.  medialis  nasi  ("V,  1)  bestimmt,  nenne  ich  For.  apicale;  ein  etwa  in  der  Mitte  der 
Seitenwand  gelegenes  für  den  Austritt  des  N.  lateralis  nasi  (V,  1)  möge  im  Gegen- 
satz dazu  For.  epiphaniale  {iK'.cpi^tia,  Kegelmantel)  heißen.  Dabei  gehe  ich  aus  von 
dem  Vergleich  des  ganzen  Nasenskelettes  mit  einem  Halbkegel  (die  Halbierungs- 
ebene würde  dem  Boden  der  Kapsel  entsprechen).  Da  gewöhnlich  der  hintere  Teil 
der  Kapsel  weiter  und  geräumiger  ist  als  der  vordere,  somit  eine  Verjüngung  nach 
vorn  statthat,  so  scheint  mir  der  Vergleich  mit  einem  Halbkegel  (dessen  Inneres 
durch  das  Septum  in  zwei  Teile  geteilt  wird)  besser  als  der  von  Spurgat  befür- 
wortete mit  einer  Doppelröhre  mit  parallel  gestellten  Läufen,  der  nur  für  einige 
Säuger  zutreffend  ist.  Von  allgemeiner  verbreiteten  Teilen  mögen  endlich  noch  die 
Cartilago  paraseptalis  (Spurgat)  und  die  Cart.  ectochoanalis  genannt  werden.  Weitere 
Einzelheiten  werden  im  speciellen  Teil  erwähnt  werden.  Für  den  Vergleich  der  ein- 
zelnen Nasenkapselbildungen  erweist  sich  vielfach  als  vorteilhaft  die  Unterscheidung 
von  drei  Skelettzonen,  einer  vorderen,  mittleren  und  hinteren,  die  natürlich  nicht 
scharf  gegeneinander  abgrenzbar  sind.  Die  mittlere  liegt  auf  der  Grenze  zwischen 
dem  vorderen  schmäleren  und  dem  hinteren  weiteren  Abschnitt  der  Nasenkapsel 
und  ist  vielfach  dadurch  ausgezeichnet,  daß  sich  hier  ein  Bodenabschnitt  (Lamina 
transversalis  anterior)  findet,  der  vom  ventralen  Rande  der  Seitenwand  zu  dem  des 
Septums  zieht,  so  daß  in  dieser  Gegend  die  Nasenhöhle  ringförmig  von  Knorpel  um- 
schlossen wird,  wodurch  dann  die  Bezeichnung  Zona  anularis  für  diese  mittlere 
Skelettzone  Berechtigung  erhält.  Im  übrigen  ist  gerade  die  Morphologie  des  Eth- 
moidalskelettes  noch  ein  vielfach  unerforschtes  Gebiet. 

Vom  vorderen  Teile  des  Ethmoidalskelettes  springen  bei  manchen 
Formen  Fortsätze  nach  vorn  vor  (R  o  s  t  r  ii  m  b  i  1  d  u  n  g  e  n  der  Fische, 
Pränasalknorpel  der  Amphibien;  auch  manche  Sauropsiden  besitzen 
Rostra).  Sie  entstehen  im  Anschluß  an  das  Ethmoidalskelett ;  eine 
zusammenfassende  vergleichende  Bearbeitung  haben  sie  bisher  nicht 
gefunden. 

Cavum  cranii.  Durch  die  Occipital-,  Labyrinth-  und  Orbito- 
temporalregion  des  Primordialcraniums  erstreckt  sich  das  primordiale 
Cavum  cranii,  gewöhnlich  als  einheitlicher  Raum,  der  in  der  Haupt- 
sache das  Gehirn  umschließt.  Abtrennung  eines  besonderen  Ab- 
schnittes von  diesem  Raum  kommt  bei  Fischen  vor  (hinterer  Augen- 
muskelkanal) ;  in  diesem  Falle  ist  also  Cavum  cranii  nicht  identisch 
mit  Cavum  cerebrale  cranii.  Die  Wände  des  Cavum  cranii  am  Pri- 
mordialschädel sind  häutig  sehr  lückenhaft;  sie  erfahren  eine  Er- 
gänzung durch  außerhalb  des  letzteren  entstandene  Deckknochen. 
Dabei  können  die  Deckknochen  die  Lücken  des  Knorpelschädels  so 
verschließen,  daß  das  Cavum  cranii  keine  weitere  Raumvergrößerung 
erfährt,  oder  aber  es  werden  dabei  Gebiete,  die  außerhalb  des  primor- 
dialen Craniums  lagen,  mit  zur  Bildung  des  definitiven  Schädelraumes 
verwendet.  Bei  den  Säugern  bedingt  die  starke  Volumentfaltung  des 
Gehirns  eine  entsprechende  Vergrößerung  der  Schädelhöhle,  die  zu 
schaffen  die  ursprünglichen  Wände  des  primordialen  Cavum  cranii 
außer  stände  sind.  Unter  Reduktion  und  Verlagerung  des  letzteren 
erfolgt  die  Bildung  einer  definitiven  Schädelhöhle,  zu  deren  Begrenzung 
Skelettteile  (primordiale,  wie  Deckknochen),  die  vorher  mit  der  Um- 
wandung  des  Schädelraumes  nichts  zu  thun  hatten,  herangezogen 
werden.      Durch    derartige    Vergrößerungen    des    Cavum    cranii    auf 


588  E.  Gaupp, 

Kosten  von  Räumen,  die  ursprünglich  außerhalb  des  primordialen 
Cavum  cranii  liegen,  erklärt  es  sich,  wenn  Nerven,  die  gewöhnlich 
außerhalb  der  Schädelhöhle  verlaufen,  bei  manchen  Formen  mehr  oder 
minder  weit  in  dieselbe  eingeschlossen  sind.  Das  definitive  Cavum 
cranii  entspricht  also  durchaus  nicht  immer  dem  primordialen,  und 
auch  in  der  Tierreihe  ist  der  Begriff  Cavum  cranii  keine  konstante 
Größe.  —  Von  dem  verschiedenen  Abschluß  der  Schädelhöhle  in  der 
Orbito-temporalregion  wurde  schon  gehandelt. 

3.  Das  primordiale  Visceralskelett. 

Im  Gegensatz  zu  dem  neuralen  Cranium,  das  ein  zusammen- 
hängendes ungegliedertes  Gerüst  bildet,  ist  das  primordiale  Visceral- 
skelett aus  einer  Anzahl  einzelner,  untereinander  nur  lose  verbundener 
Teile  zusammengesetzt.  Wie  schon  bemerkt,  werden  dieselben  als 
präkraniale  (präorale)  Skelettteile  und  als  Visceralbogen 
unterschieden. 

Die  präkranialen  Skelettteile  finden  sich  in  der  Umgebung 
der  Mundöffnung,  und  zwar  bei  Cyclostomen  in  reicher  Entwickelung ; 
bei  den  Selachiern  werden  die  Lippenkuorpel  zu  ihnen  gerechnet, 
auch  bei  Teleostiern  kommen  ähnliche  Dinge  vor,  und  endlich  sind 
bei  den  Larven  der  Anuren  die  sog.  oberen  Lippenknorpel  hierher 
gestellt  worden.  Genetische  Kriterien  zur  Charakteristik  der  prä- 
kranialen Skelettteile  fehlen  bisher,  und  die  diesbezüglichen  Vergleiche 
sind  noch  vielfach  unsicher.  Unbekannt  ist  auch,  ob  sie  als  selb- 
ständige Gebilde  aufzufassen  sind  oder  in  einem  genetischen  Ver- 
hältnis zum  neuralen  Cranium  oder  den  Visceralbogen  oder  beiden 
stehen. 

Gegenbaur  deutete  (1872)  die  Lippenknorpel  als  Rudimente  prämandibularer 
Kiemenbogen,  erklärte  aber  später  (i898j  diese  Ansicht  für  unbeweisbar  und  die 
Lippenknorpel  selbst  für  die  Ueberreste  eines  präoralen  Apparates,  ähnlich  der  unten 
zu  erwähnenden  Anschauung  von  Pollard.  Balfour  vertrat  (1881,  A.  L.  II)  die 
Hypothese,  daß  der  Mund  bei  den  Vorfahren  der  Chordaten  mehr  oder  weniger  be- 
stimmt den  Charakter  eines  Saugorgans  besaß,  und  ist  daher  geneigt,  auch  die  prä- 
kranialen Skelettteile  als  Ueberbleibsel  eines  primitiven  Skelettes  anzusehen,  welches 
den  Saugmund  stützte.  Die  verschiedenen,  meist  als  Lippenknorpel  bezeichneten 
Skelettstücke  wären  danach  als  homologe  Bildungen  zu  betrachten ;  der  Saugmund 
der  Anurenlarven  mit  seinen  Skelettgebilden  wäre  ebenfalls  noch  auf  jenen  primitiven 
Saugmund  zurückzuführen.  Ganz  im  Gegensatz  dazu  leitet  Dohrn  den  Zustand 
des  Saugmundes  bei  den  Cyclostomen  von  einem  Kiefermund  ab;  auch  HoWES  (1891) 
spricht  sich  gegen  Balfour's  Vorstellung  aus.  Pollard  sieht  die  ursprüngliche 
Bedeutung  der  präkranialen  Skelettteile  darin,  Tentakel  zu  stützen,  wie  sie  bei  Myxine 
den  Mund  umgeben  und  auch  bei  manchen  Gnathostomen  (Siluroiden,  Dactylethra- 
larven)  vorkommen.  Die  Tentakel  leitet  er  von  den  Cirren  des  Amphioxus  ab.  In 
dem  Tentakelstützskelett  sieht  er  die  ersten  Skelettteile  des  Kopfes,  von  denen  die 
Bildung  des  übrigen  Craniums  ihren  Ausgang  genommen  habe.  Im  einzelnen  ent- 
halten Pollard's  Vorstellungen  sehr  viel  unbewiesene  und  unwahrscheinliche  Punkte, 
so  daß  auf  ihre  Wiedergabe  verzichtet  werden  kann.  Gegen  die  Ableitung  der 
Lippenknorpel  der  Gnathostomen  von  den  Tentakeln  der  Myxinoiden  sjmcht  sich 
K.  FÜRBRINGER  aus.  Derselbe  führt  einige  Gründe  zu  Gunsten  der  alten  Gegen- 
BAUR'schen  Visceralbogen theorie  an,  die  neuerdings  auch  von  Schauinsland  sehr 
bestimmt,  aber  ohne  Begründung  proklamiert  wird  (1903). 

Die  Visceralbogen  bilden  Knorpelstücke,  die,  ähnhch  wie  die 
Rippen  am  Rumpfe,  den  Anfang  des  Darnirohres  umgürten  und  sich 
ventral  von  ihm,  zum  Teil  unter  Vermittelung  besonderer  unpaarer 
Stücke,  Copulae,  vereinigen.  Sie  entstehen,  meist  unabhängig  vom 
neuralen  Cranium,  in  den  von  den  Seitenplatten  des  Mesoderms 
stammenden  Mesenchymmassen   der  häutigen  Visceral-  oder  Schlund- 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  589 

bogen  und  werden  mit  entsprechenden  Namen  belegt  (Kiefer-, 
Zungenbein-,  Kiemenbogen).  Die  Unterscheidung  eines 
äußeren  und  eines  inneren  Visceral-  oder  Kiemenskelettes,  von 
denen  das  erstere  den  Cyclostomen  und  in  Resten  auch  den  Se- 
lachiern  zukommen  soll,  wird  durch  die  Eutwickelungsgeschichte 
nicht  bestätigt.  Die  Visceralskelette  der  einzelnen  Wirbeltierklassen 
sind  untereinander  homolog  und  als  innere  im  Sinne  der  früheren 
Nomenklatur  zu  bezeichnen.  (Genaueres  s.  im  speciellen  Teil  unter 
Cyclostomen.) 

Der  Kieferbogen  steht  im  Dienste  der  Ergreifung  und  provisorischen  Bewälti- 
gung der  Nahrung.  Der  Zungenbein-  und  die  Kiemenbogen  (zusammen  das  Hyo- 
branchialskelett  bildend)  trennen  die  Kiemenspalten  und  dienen  so  bei  wasser- 
lebenden Anamnia  der  Kiemenrespiration;  daneben  besteht  für  den  Zungenbeinbogen 
schon  frühzeitig  die  Aufgabe,  der  Zunge  eine  Stütze  zu  bieten,  und  sie  ist  es,  die  nach 
Fortfall  der  Kiemenatmung  dem  ganzen  Hyobranchialskelett,  soweit  es  nicht  redu- 
ziert wird,  als  Hauptfunktion  bleibt  und  zu  der  weiteren  Aufgabe,  der  Zunge  Be- 
weglichkeit zu  verleihen,  vervollkommnet  wird.  Auch  an  der  Schallleitung  gewinnt 
der  Kiefer-  wie  der  Zungenbeinbogen  Anteil. 

Gegenüber  der  Vorstellung,  daß  die  knorpeligen  Visceralbogen  aus  einem  Mes- 
enchym  mesodermalen  Ursprungs  entstehen,  hat  J.  B.  Platt  für  Necturus  die  An- 
schauung aufgestellt,  daß  jene  Mesenchymmassen  ektodermaler  Herkunft  seien.  Zur 
gleichen  Anschauung  gelangte  Kupffer  für  die  Branchialbogen  bei  Petromyzon, 
DoHEN  (1902)  für  die  Selachier  (Torpedo),  Brauer  (1904)  für  den  Mandibularbogen 
von  Hypogeophis.  Allerdings  lassen  Platt  und  Kupffer  die  fraglichen  Zellen  aus 
der  Epidermis  entstehen,  Dohrn  nnd  Brauer  dagegen  aus  der  Ganglienleiste.  Dar- 
aufhin würde  das  Visceralskelett  dem  Skelett  des  neuralen  Craniums  als  genetisch 
verschiedenartig  gegenüberaustelleu  sein.  Diesen  Angaben  wird  vielfach  wider- 
sprochen. —  Was  die  ursprüngliche  Stellung  der  Visceralbogen  zum  neu- 
ralen Cranium  anlangt,  so  spricht  die  Eutwickelungsgeschichte  wohl  mehr  zu 
Gunsten  der  Selbständigkeit  jener.  Allerdings  giebt  es  auch  Befunde,  die  auf  einen 
ursprünglichen  Zusammenhang  beider  Teile  hinzudeuten  scheinen  (Verhalten  des 
Visceralskelettes  der  Cyclostomen,  der  Columella  auris  bei  Amphibien  und  Eeptilien). 
Doch  kann  in  diesen  Fällen  die  Vereinigung  und  auch  die  gemeinsame  ontogenetische 
Anlage  den  sekundär  abgeänderten  Zustand  darstellen.  Die  Anschauung,  daß  die 
Visceralbogen  vom  Skelett  des  neuralen  Craniums  abstammen,  gewissermaßen  als 
Fortsatzbildungen  desselben  entstanden,  wird  von  Gegenbaur  vertreten.  —  Die 
Frage  endlich  nach  der  Stellung  der  Visceralbogen  zu  ein  ander  wird  von 
Gegenbaur  dahin  beantwortet,  daß  alle  Bogen,  vom  Kieferbogen  angefangen, 
unter  sich  homodyuame  Bildungen  darstellen.  Auch  der  Kieferbogen  ist  danach 
einmal  ein  Kiemenbogen  gewesen  und  hat  erst  sekundär,  infolge  seiner  exponierten 
Lage  am  Mundrand,  die  Beziehungen  zur  respiratorischen  Funktion  verloren  und 
mit  der  Uebernahme  neuer  Leistungen  (Ergreifen,  Zerkleinern  der  Nahrung)  neue 
Gestaltung  gewonnen.  Auch  diese  Vorstellung  ist  nicht  unbestritten  geblieben 
DoHRN  1885). 

Der  Kieferbogen  der  Gnathostomen  (bei  den  Cyclostomen  be- 
steht hinsichtlich  der  Komponenten  des  Kieferbogens  noch  Unsicherheit) 
läßt  schon  bei  oder  doch  bald  nach  seiner  ersten  Anlage  mindestens 
zwei  Stücke  unterscheiden,  ein  dorsales  oder  Palatoquadratum 
und  ein  ventrales  oder  primordialen  Unterkiefer  (Meckel- 
schen  Knorpel).  Zwischen  beiden  kommt  es  zur  Ausbildung  eines 
Gelenkes,  das  bei  den  Gnathostomen  bis  zu  den  Vögeln  inkl.  als 
Kiefergelenk  funktioniert.  Am  Palatoquadratum  sind,  abgesehen  von 
Fortsätzen,  die  vor  allem  zur  Befestigung  mit  dem  neuralen  Cranium 
dienen,  hauptsächlich  zwei  Abschnitte  erkennbar,  die  Pars  quadr ata, 
die  die  Gelenkfläche  für  den  primordialen  Unterkiefer  trägt,  und  die 
Pars  palatina,  die  am  Dach  der  Mundhöhle  nach  vorn  zieht  und 
bei  niederen  Vertebraten  Zähne  („Gaumenbogen'')  trägt.  Bei  den 
Selachiern  bildet  sie  die  obere  Begrenzung  der  Mundspalte,  bei  den 
übrigen  Wirbeltieren    findet   sie   sich   weiter   hinten   am  Mundhöhlen- 


590  E.  Gaupp, 

dach,  da  sich  der  niaxillare  Zahnbogen  ausbildet  (s.  Knochen).  Zu- 
gleich läßt  sie  aber  eine  Längenreduktion  erkennen,  und  schon  bei 
den  Amphibien  reicht  sie  nicht  mehr  so  weit  nach  vorn  wie  bei  den 
Selachiern.  Bei  den  Amnioten  kommt  sie  meist  gar  nicht  mehr  zur 
Anlage.  Die  Pars  quadrata  ist  der  konservativere  Abschnitt  des 
Palatoquadratums,  aber  auch  sie  erfährt  bei  den  Säugern  eine  Größen- 
reduktion, die  in  Zusammenhang  steht  mit  der  Aufgabe  der  ursprüng- 
lichen und  Uebernahme  einer  neuen  Funktion :  sie  bildet  den  in  den 
Dienst  des  Gehörorgans  tretenden  Amboß.  Dies  hängt  zusammen  mit 
der  Ausbildung  eines  neuen  Kiefergelenkes  bei  den  Säugern.  Der 
primordiale  Unterkiefer,  der  bei  den  Selachiern  Zähne  trägt 
und  den  unteren  Begrenzungsrand  der  Mundspalte  bildet,  wird  in  der 
aufsteigenden  Wirbeltierreihe  ebenfalls  immer  mehr  und  mehr  redu- 
ziert, in  dem  Maße,  als  sich  die  knöchernen  Elemente  ausbilden.  Aber- 
auch  an  ihm  ist  der  Gelenkabschnitt  der  konservativste  und  bleibt 
noch  bei  den  Säugern  erhalten.  Doch  vollzieht  sich  an  ihm  ein  ähn- 
licher Vorgang  wie  an  dem  Gelenkteil  des  Palatoquadratums:  indem 
die  Knochen,  speciell  das  Dentale,  eine  größere  Entfaltung  erfahren 
und  ihrerseits  am  dorsalen  Schädelabschnitt  eine  Anlagerung  finden, 
wird  er  reduziert  und  tritt  als  Malleus  in  den  Dienst  des  Gehör- 
organs. 

In  der  Art,  wie  das  Palatoquadratum  mit  dem  neuralen  Cranium  verbunden 
ist,  bestehen  drei  Möglichkeiten.  Entweder  ist  die  Verbindung  zwischen  beiden 
Teilen  eine  unmittelbare,  oder  sie  erfolgt  unter  Vermittelung  des  oberen  Stückes  des 
Hyalbogens  (des  Hyoraandibulare),  oder  endlich  es  bestehen  beide  Arten  von  Ver- 
bindung nebeneinander  (autostyler,  hyostyler,  amphisty  1er  Typus  ;  Huxley1876).  Hin- 
sichtlich der  Fortsätze,  die  das  Palatoquadratum  zur  Verbindung  mit  dem  Neuro- 
cranium  aussendet,  bestehen  noch  manche  Unklarheiten. 

Der  Hyal-  und  die  Branchialbo  g  en  bilden,  bei  den  Gnathosto- 
men  zusammen  mit  den  Copulae,  das  Hyobranchialskelett, 
das  bei  den  einzelnen  Wirbeltieren  die  mannigfachsten  Verschieden- 
heiten darbietet.  Die  Zahl  der  (außer  dem  Hyalbogen)  zur  Aus- 
bildung kommenden  Branchialbogen  schwankt:  Petromyzon  und  Hept- 
anchus  besitzen  7,  Hexanchus  6,  die  pentanchen  Haie  5;  die  über 
den  Selachiern  stehenden  Formen  lassen  eine  noch  weitergehende,  von 
hinten  her  erfolgende  Reduktion  der  Branchialbogen  erkennen.  Auch 
der  Grad  der  Ausbildung  des  Einzelbogens  ist  Schwankungen  unter- 
worfen. 

In  der  ventralen  Mittellinie  unter  der  Mundschleimhaut  entsteht 
bei  den  Gnathostomen  das  System  der  Copulae,  deren  genetische 
Stellung  zu  den  Bogen  zweifelhaft  ist.  Die  Geweljsverdichtung,  aus 
der  sie  hervorgehen,  hängt  meist  in  der  ersten  Anlage  mit  den  An- 
lagen der  lateralen  Bogenteile  kontinuierlich  zusammen. 

Sehr  verschiedenartig  gestaltet  sich  die  Gliederung  des  Hyo- 
branchialskelettes.  Bei  Petromyzon  werden  die  Kiemenbogen  ein- 
heitlich angelegt  und  bleiben  auch  stets  ungegliedert,  bei  Selachiern 
und  Teleostiern  ist  die  Anlage  eine  einheitliche,  und  sekundär  tritt 
eine  Gliederung  in  4  Stücke  (Hypo-,  Kerato-,  Epi-,  Pharyngobranchiale) 
ein,  wozu  dann  noch  die  unpaaren  Copulae  (Basibranchialia)  kommen. 
Schon  bei  den  Selachiern  zeigen  sich  die  weitestgehenden  Verschieden- 
heiten in  Bezug  auf  diese  Gliederung,  und  das  Idealschema  eines 
Branchialbogens:  Pharyngo-,  Epi-,  Kerato-,  Hypobranchiale  auf  jeder 
Seite  und  dazu  eine  unpaare  die  beiden  Bogenhälften  verbindende 
Copula  (Basibranchiale),  ist  auch  hier  nur  in  einigen  Fällen  realisiert. 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  591 

Es  als  allgemeingiltig  vorauszusetzen  und  nach  dieser  Voraussetzung 
die  Thatsachen  gewaltsam  zu  deuten,  wie  es  Parker  vielfach  thut, 
ist  ganz  ungerechtfertigt.  Da  der  Bogen  in  der  Anlage  und  selbst 
auf  Knorpelzustand  noch  einheitlich  ist,  so  erscheint  die  (Gliederung 
als  eine  sekundäre  Einrichtung,  die  offenbar  auf  den  Einfluß  der  Mus- 
kulatur zurückzuführen  ist.  Es  kommt  ihr  somit  keine  prinzipielle 
Bedeutung  zu,  und  die  einzelnen  Teilstücke  dürfen  nicht  als  selb- 
ständige morphologische  Elemente  betrachtet   werden. 

Dies  ist  besonders  zu  berücksichtigen  bei  der  Betrachtung  des 
Hyobranchialskelettes  höherer  Formen.  Auch  hier  können  noch  Ab- 
gliederuugen  einzelner  Stücke  vorkommen,  wenn  auch  nicht  mehr  in 
der  Zahl  wie  bei  den  Fischen.  Andererseits  können  auch  die  Bogen 
durchaus  einheitlich  bleiben.  Wieweit  jene  Teilstücke  bestimmten 
Elementen  des  Hyobranchialskelettes  der  Selachier  entsprechen,  ist 
noch  gar  nicht  sicher  ausgemacht.  Was  für  die  Branchialbogen  im 
engeren  Sinne  gilt,  gilt  auch  für  den  Hyalbogen :  auch  dieser  kann 
mannigfache  Gliederungen  zeigen.  Die  bedeutsamste  Abgliederung, 
die  er  bei  den  Amnioten  erkennen  läßt,  ist  die  des  Stapes  (inneres 
Glied  der  Columella  der  Sauropsiden).  Ob  er  mit  Recht  auf  die  bei 
den  Fischen  bereits  abgegliederte  und  in  specieller  Verwendung  an- 
zutreff"ende  Hyomandibula  zurückgeführt  wird,  steht  dahin.  Seine 
Zugehörigkeit  zum  Zungenbeinbogen  kann  allerdings  durch  die  Ver- 
hältnisse bei  den  Amphibien,  wo  er  innigere  genetische  Beziehungen 
zur  Ohrkapsel  zeigt,  fraglich  werden  (s.  das  specielle  Kapitel). 

Im  übrigen  tritt  von  den  Amphibien  an  nach  Fortfall  der  Kiemen- 
respiration die  zungenstützende  und  -bewegende  Aufgabe  des  Hyo- 
branchialskelettes in  den  Vordergrund;  der  in  seinem  Aufbau  ver- 
einfachte Apparat  fungiert  als  Zun  gen b ein. 

Unsere  Kenntnis  vom  Hyobranchialskelett  der  Wirbelthiere  ist  stellenweise  noch 
recht  mangelhaft.  Ganz  besonders  gilt  dies  bezüglich  der  Gliederung  und  ihrer  Be- 
dingtheit, sowohl  der  lateralen  ßogenhälften  als  der  medianen  Copulae.  Ein  Extrem 
der  Auffassung  bietet  die  Betrachtungsweise,  wie  sie  die  Darstellungen  von  W.  K. 
Parker  beherrscht.  Parker  ist  geradezu  befangen  in  dem  Glauben  an  die  morpho- 
logische Wichtigkeit  des  Kiemenbogenschemas,  das  die  Selachier  zeigen ;  die  einzelnen 
Stücke  sind  ihm  nicht  Teile  eines  Ganzen,  sondern  selbständige  ursprüngliche  In- 
dividualitäten. Die  von  den  Öelachiern  hergenommenen  Bezeichnungen  spielen  daher 
bei  ihm  eine  sehr  große  Rolle.  Mit  Geoenbaur  (1898,  p.  444)  halte  ich  es  für 
richtig,  mit  dem  Gebrauch  dieser  Bezeichnungen  möglichst  sparsam  zu  sein  und  im 
Auge  zu  behalten,  daß  die  Uebertraguug  derselben  selbst  auf  das  Hyobranchialskelett 
der  Amphibien  noch  nicht  mit  sicherer  Begründung  geschehen  kann.  Dies  gilt  für 
die  lateralen  Teile  wie  für  die  Copulae.  Der  kontinuierliche  Zusammenhang,  den 
die  Anlagen  der  letzteren  mit  denen  der  lateralen  Bogenteile  zeigen,  kann  zu  Gunsten 
der  Auffassung  sprechen,  daß  die  Copulae  ihre  Entstehung  den  medialen  Bogenenden 
verdanken,  also  in  ähnlichem  Verhältnis  zu  ihnen  stehen  wie  das  Sternum  zu  den 
Rippen.  Diese  Auffassung  findet  eine  Stütze  in  dem  Verhalten  bei  Petromyzon,  wo 
eine  Vereinigung  der  beiderseitigen  Kiemeubogen  in  der  ventralen  Mittellinie  erst 
sekundär  erfolgt.  Die  zwischen  den  Hyalbogenhälften  gelegene  Copula  heißt  Basi- 
hyale,  dahinter  folgen  die  Basibranchialia;  eine  prähyale  Copula  kann  als 
Glossohyale  selbständig  sein  und  spricht  vielleicht  dafür,  daß  sich  die  Reihe  der 
Copulae  früher  bis  zum  vorderen  Kieferwinkel  fortsetzte  (Gegenbaur  1898). 

Im  Zungenbein  der  höheren  Formen  wird  das  Skelettmaterial  des  Hyo- 
branchialskelettes zu  besonders  gestalteten  Gebilden  geformt,  an  denen  ein  Körper- 
abschnitt (aus  den  ventralen  Teilen  hervorgegangen)  und  Fortsatzbildungen 
unterscheidbar  sind.  Die  letzteren  werden  zweckmäßig  als  Hörner  und  Fortsätze 
auseinandergehalten :  die  Hörner  gehen  aus  den  Anlagen  von  Visceralbogen  hervor, 
die  Fortsätze  entstehen  am  Körper  als  specielle  Anpassungen.  Die  Unterscheidung 
der  Hörner  als  Cornu  principale  oder  hyale  (aus  dem  Hyalbogen  hervor- 
gegangen) und  Cornua  branchialia  (I,  II  u.  s.  w.)  läßt  in  den  JS^amen  gleich  die 


592  E.  Gaupp, 

Bedeutung  erkennen  (Gaupp  1893).  —  Knorplige  oder  knöcherne  Kontinuität  mit 
dem  Körper  oder  Abgliederung  von  demselben  sind  für  die  Beurteilung  der  Fortsatz- 
bildungen keine  ausschlaggebenden  Momente. 

Nach  der  Vorstellung'von  van  Wuhe  (1893,  1902)  ist  hinter  der  Hyomandibular- 
s^jalte  der  Cranioten  eine  Spalte  ausgefallen,  und  der  Zuugenbeinbogen  repräsentierte 
somit  zwei  verwachsene  Schlundbogen.  Von  den  beiden  daraufhin  anzunehmenden 
Skelettbogen  werde  der  vordere  durch  das  Hyale  (inkl.  des  Hyomandibulare)  re- 
präsentirt,  der  hintere  durch  das  „Hyobranchiale",  d.  h.  den  Knorpelbogen,  der  bei 
Rochen  hinter  dem  Hyomandibulare  gelagert  ist  und  von  Gegenbaur  als  in  die 
Höhe  gerücktes  unteres  Stück  des  Hyalbofjens  gedeutet  wurde.  Ein  Hyobranchiale 
glaubt  VAN  WiJHE  auch  bei  Protopterus  wiederzufinden,  während  es  bei  den  Selachiern 
als  verschwunden  anzusehen  ist.  Ob  das  Hyoidstück  der  Teleostier,  Ganoiden  und 
höheren  Tiere  als  Hyale  oder  Hyobranchiale  aufgefaßt  werden  muß,  läßt  van  Wijhe 
unentschieden.  Ob  diese  Vorstellung  van  Wijhes  richtig  ist,  muß  die  Zukunft  lehren. 
Auch  DoHRN  sieht  in  dem  Zungenbeinbogen  zwei  Bogen;  den  Skelettstab  des 
vorderen  soll  das  Hyomandibulare,  den  des  hinteren  das  eigentliche  Hyale  bilden 
(s.  auch  Selachier). 

4.  Schicksal   und   Bedeutung   des   primordialen   Kopf- 
skelettes  im   Individuum. 

Nur  bei  Cyclostomen  und  Selachiern  bleibt  das  Primordialcranium  zeitlebens 
erhalten  und  repräsentiert  allein  das  Skelett  des  Kopfes.  Schon  bei  den  höheren 
Fischen  tritt  es  in  seiner  Bedeutung  zurück  gegenüber  den  mit  besseren  Qualitäten 
ausgerüsteten  knöchernen  Elementen,  und  es  sind  hier,  wie  bei  den  höheren  Wirbel- 
tierformen, folgende  Schicksale  des  Knorpelschädels  zu  konstatieren  (s.  Gaupp  1901). 
1)  Einige  Partieen  bleiben  in  knorpeligem  Zustand  zeitlebens  erhalten.  Die  Bedeutung 
derselben  ist  noch  nicht  überall  klar,  ja  auch  der  Umfang,  den  sie  bei  den  einzelnen 
Formen  besitzen,  ist  noch  nicht  genügend  bekannt.  Im  allgemeinen  bleiben  bei 
niederen  Formen,  namentlich  Fischen,  knorpelige  Schädelteile  in  größerem  Umfang 
erhalten  als  bei  iiöheren,  doch  giebt  es  hiervon  auch  Ausnahmen  (manche  Teleostier 
und  ürodelen).  Wo  sie  sehr  reichlich  bestehen  bleiben,  bilden  sie  noch  in  beträcht- 
lichem Grade  Schutz  und  Stütze  für  die  Weichteile;  im  übrigen  fungieren  sie  als 
Synchondrosen,  bilden  Wachstumsgrenzen  zwischen  knöchernen  Stücken  oder  be- 
wirken Bewegungsmöglichkeit  zwischen  solchen ;  in  der  äußeren  Nase  der  Säuger 
bilden  sie  das  nachgiebige  Gerüst,  auch  als  Gelenküberzüge  bleiben  Reste  von  Knorpel 
erhalten  —  aber  in  vielen  Fällen  ist  eine  genaue  Einsicht  in  die  funktionelle  Be- 
deutung der  perennierenden  Teile  des  Knorpelschädels  noch  nicht  vorhanden.  2)  Hin 
und  wieder  wandeln  sich  beschränkte  Partieen  des  Chondrocraniums  zu  Bindegewebe 
um  und  bleiben  als  Ligamente  oder  Syndesmosen  erhalten.  Viele  Abgliederungen 
einzelner  Stücke  des  Knorpelschädels  kommen  so  zu  stände  (Nasenknorpel  des 
Frosches  und  des  Menschen,  Gliederung  der  Kiemenbogen  in  manchen  Fällen).  3)  Es 
können  auch  Teile  des  Knorpelschädels  embryonal  wieder  zu  Grunde  gehen,  ohne 
Spuren  zu  hinterlassen,  und  ohne  daß  Knochen  an  ihre  Stelle  tritt.  (Viele  Teile 
des  larvalen  Knorpelschädels  der  Anuren,  MECKELscher  Knorpel  der  Säuger  u.  a.) 
4)  Das  häufigste  und  in  weitestem  Umfang  vorhandene  Schicksal,  das  Teile  des 
embryonalen  Knoq^elschädels  trifft,  ist  die  Zerstörung  durch  knöcherne  Elemente, 
die  sich  an  ihre  Stelle  setzen  (s.  Knochen). 

Aus  dem  Gesagten  geht  hervor,  daß  das  Chondrocrauium  in  ausgedehntem 
Maße  die  Rolle  einer  nur  provisorischen,  transitorischen  Bildung  während  des  Em- 
bryonallebens spielt,  und  zwar  ist  das  im  allgemeinen  um  so  mehr  und  um  so  aus- 
schließlicher der  Fall,  je  höher  wir  in  der  Wirbeltierreihe  aufsteigen. 

Diese  Thatsache  darf  aber  nicht  ohne  weiteres  dahin  gedeutet  werden,  daß  das 
Primordialcranium  lediglich  dem  Gesetze  der  Vererbung  entsprechend  immer  wieder 
angelegt  werde  und  schließlich  nur  eine  rudimentäre  Bildung  ohne  selbständige  Be- 
deutung darstelle.  Wie  ein  Vergleich  der  Zustände,  die  das  Primordialcranium  in 
der  WirbeltieiTeihe  darbietet,  lehrt,  befindet  sich  dasselbe  von  den  Selachiern  an 
nicht  etwa  nur  in  absteigender  Entwickelung,  sondern  kann  ebenso  gut  auch  pro- 
grediente Entwickelungstendenzen  zeigen,  d.  h.  auch  höhere  Formen  können  stellen- 
weise eine  reichere  Knorpelentwickelung  und  ganz  neue  formale  Verwertung  des 
Materials  darbieten  als  niederer  stehende.  Da  nun  bei  den  höheren  Formen  bei 
weitem  der  größte  Teil  des  Knorpelschädels  embryonal  wieder  zerstört  wird,  so 
müssen  in  der  Ontogenese  selbst  die  Momente  liegen,  die  die  Hervorbringung  des 
Knorpelschädels  erklären.  Man  wird  wohl  nicht  fehlgehen  mit  der  Ueberlegung, 
daß  der  Knorpel  eine  Hartsubstanz  ist,  die  viel  rascher  in  größerem  Umfange  pro- 
duziert  werden   kann  als   der  Knochen,  der  zu  seiner  Bildung  zudem  der  Zufuhr 


p 


Die  EntwickeluDg  des  Kopfskelettes.  593 


größerei-  Kalkmassen  bedürfte.  So  übernimmt  der  Knorpel  die  Aufgabe,  schon  in 
fi'üher  Embryonalzeit  ein  provisorisches  Skelett  zu  bilden,  dazu  bestimmt,  einmal 
den  Weichteilen  schon  frühzeitig  eine  Stütze  zu  verleihen,  andererseits  den  erst 
später  und  langsamer  sich  ausbildenden  knöchernen  Skelettteilen  den  Platz  frei  zu 
halten.  Die  raschere  Wachstumsfähigkeit  und  raschere  formale  Anpassungsfähigkeit 
macht  ihn  in  dieser  Hinsicht  besonders  geeignet.  In  dieser  specifisch  embryonalen 
Funktion  (die  sich  in  Resten  auch  das  ganze  Leben  hindurch  erhalten  kann)  darf 
das  Moment  gesehen  werden,  welches  das  Primordialcranium  (wie  überhaupt  das 
ganze  Knorpelskelett)  nicht  nur  vor  dem  gänzlichen  Untergang  schützt,  sondern  ihm 
sogar  die  Möglichkeit  zu  höherer  quantitativer  und  formaler  Ausbildung  auch  in  der 
aufsteigenden  Wirbeltierreihe  gewährt.  Die  Schnelligkeit,  mit  der  die  ganze  Onto- 
genese abläuft,  der  Zeitpunkt,  zu  welchem  das  Individuum  zum  freien  Leben  über- 
geht, werden  dabei  sehr  wesentlich  die  Ausbildung  des  Knorpelskelettes  beeinflussen. 
Es  ergiebt  sich  daraus  der  auch  schon  von  Gegenbaur  (1878)  ausgesprochene 
Schluß,  daß  das  Maß  von  Knorpel  nicht  ohne  weiteres  auf  die  phylogenetische 
Stellung  bezogen  werden  darf.  Hier  mag  denn  auch  noch  die  allgemeine  Bemerkung 
Platz  finden,  daß  das  Auftreten  von  Knoqielgewebe  überhaupt  ein  Moment  ist,  das 
in  seiner  Bedeutung,  so  wichtig  dieselbe  ist,  doch  auch  nicht  überschätzt  werden  darf. 
Es  geht  sicherhch  zu  weit,  wenn  man  sich  bemüht,  alle  Verknorpelungen,  die  irgendwo 
auftreten,  durchaus  als  Derivate  des  Achsen-  oder  Kiemenskelettes  nachzuweisen. 
Auch  ganz  lokal  und  selbständig  kann  Knorpelgewebe  entstehen,  wie  es  unter 
anderem  die  sekundären  Knorpelbildungen  bei  der  Entstehung  von  Deckknochen 
zeigen. 

5.  Phylogenetische   Fragen: 

Stellung  des  Kopfskelettes  zum  Rumpfskelett  (Seg- 
menttheorie  des  Schädels).  Weitere  das  Palaeocranium 
betreffende  Fragen,  Bedeutung  seiner  Komponenten. 
Schicksal  in  der  W i r b e  1 1 i e r r e i h e ,  Geschichte  der  Ge- 
hörknöchelchen. 

Die  phylogenetische  Betrachtung  des  Primordialcraniums  läßt  eine  Anzahl  von 
Fragen  auf  werfen,  auf  die  sichere  Antworten  bisher  vielfach  nicht  zu  geben  sind. 
Im  Vordergrund  des  Interesses  steht  seit  langer  Zeit  das  Problem  von  der  Stellung 
des  Kopfskelettes  zum  Rumpfskelett,  unter  das  eine  ganze  Menge  von  Einzelproblemen 
zu  subsumieren  ist,  und  das  schließlich  selbst  wieder  nur  ein  Teil  der  allgemeinen 
Frage  nach  dem  ursprünglichen  Zustand  des  Kopfskelettes  und  der  Bedeutung  seiner 
Teile  darstellt.  Im  allgemeinen  wird  bei  der  Betrachtung  des  Knorpelschädels  von 
dem  der  Selachier  ausgegangen,  und  von  diesem  werden  wenigstens  die  der  übrigen 
gnathostomen  Wirbeltiere  abgeleitet.  Zur  Beantwortung  der  Frage,  welche  stammes- 
geschichtliche Entwickelung  das  Selachiercranium  selbst  durchgemacht  habe,  blieben 
dann  nur  das  Studium  der  Ontogenese  sowüe  die  Cyclostomencranien.  Unter  Be- 
rufung auf  diese  beiden  Faktoren  sind  die  Fragen  behandelt  worden,  die  sich  mit 
der  Urform  des  Chondrocraniums  und  der  Bedeutung  seiner  Teile  beschäftigen.  Da 
hier  noch  sehr  vieles  unklar  ist,  so  wird  die  Darstellung  vielfach  nur  eine  historische 
sein  können.  Im  Anschluß  daran  ist  das  Schicksal  des  Primordialcraniums  in  der 
Wirbeltierreihe,  von  den  Selachiern  an,  sowie  die  Geschichte  der  Gehörknöchelchen 
zu  verfolgen. 

a)  Die  Stelliiug'  des  Kopfskelettes  zum  Rumpfskelett. 

Die  Frage  nach  der  Stellung  des  Kopfskelettes  zum  Rumpfskelett  ist  eine  sehr 
alte  und  hat  eine  bewegte  Geschichte  durchgemacht.  In  Erwägung  gezogen  wurde 
sie  zuerst  durch  Goethe  (1790j  und  durch  Oken  (1806),  die  beide  selbständig  aus 
der  Betrachtung  macerierter,  getrockneter  Wiederkäuerschädel  zu  der  Anschauung 
kamen,  daß  die  Kopfknochen,  zunächst  des  Säugetierschädels,  sich  zu  Segmenten 
zusammenfassen  lassen,  die  eine  gewisse  Aehnlichkeit  mit  Wirbeln  besitzen.  Daher 
der  Name  Wirbeltheorie  des  Schädels,  den  diese  Lehre  erhalten  hat.  Es 
mag  besonders  betont  sem,  daß  ihrer  Aufstellung  nur  das  Bestreben  zu  Grunde  lag, 
den  Wirbel,  als  das  den  Aufbau  des  Rumpfskelettes  beherrschende  Formelement,  auch 
im  Schädel  wiederzufinden  und  so  auch  den  letzteren  als  nach  dem  gleichen  Schema 
wie  das  Rumpfskelett  gebaut  zu  analysieren.  Dagegen  fehlte  wohl  noch  jeder 
genetische  Gedanke.  Die  GoEXHE-OKEN's'che  Lehre  fand,  wenigstens  in  ihrer  Grund- 
anschauung, fast  aligemeine  Annahme;  nur  wenige  Widersprüche  wurden  laut.  Ueber 
die  Frage  allerdmgs,  wie  viele  hypothetische  Schädehvirbel  anzunehmen  seien, 
gingen    die   Ansichten    auseinander    [Goethe    nahm    6,    Oken    anfangs   3,    .später 

Handbuch  der  Entwickelungslehre.   III.  2.  38 


594  E.  Gaupp, 

4  an;  die  Vierzahl  vertreten  auch  Rathke  (1839),  Owen  (1846),  Bruch  (1862)  u.  A. ; 
die  höchste  Zahl  von  Wirbeln,  die  aufgestellt  wurde,  ist  wohl  7].  Auch  die 
entwickelungsgeschichihche  Forschung  (Rathke,  Reichert)  erklärte  sich  mit  der 
Grundvorstellung  einverstanden,  fügte  allerdings  wichtige  Modifikationen  hinzu.  So 
unterscheidet  Ratke  (1839),  der  zuerst  zusammenfassend  die  Schädelentwickelung 
der  Wirbeltiere  verfolgte,  zwei  Komponenten  des  Schädels:  einen  Abschnitt,  der  auf 
die  Belegungsraasse  der  Wirbelsäule  zurückzuführen  und  somit  gleichen  Ursprungs 
ist  wie  die  Wirbelsäule,  und  einen  zweiten,  bei  dem  dies  nicht  der  Fall  ist.  Ziim 
ersten  gehört  der  Gehirnschädel  (in  4  Wirbel  zu  zerlegen),  ohne  die  Ohrkapselu,  da- 
für aber  mit  einigen  der  Gesichtsknochen,  die  als  rippenähnliche  Bildungen  oder  als 
Belegknochen  an  solchen  aufgefaßt  werden;  die  Ohrkapseln  sind  Schaltstücke; 
Zwischenkiefer,  Nasenbeine  und  Vomer  sind  dem  Wirbelsystem  fremde  Elemente. 
Im  übrigen  hat  gerade  die  Entwickelungsgeschichte,  die  das  Vorhandensein  eines 
Knorpelschädels  bei  den  Wirbeltieren,  seine  Entstehung  und  Einrichtung,  kennen 
lehrte,  das  Material  zur  Bekämpfung  der  Wirbeltheorie  herbeigeschafft. 

Die  erste  Periode  der  Geschichte  der  Wirbeltheorie  kann  bis  1859  gerechnet 
werden,  dem  Jahre  des  Erscheinens  von  Huxley's  (schon  1858  gelesener)  berühmter 
Croonian  lecture  über  den  Wirbeltierschädel,  in  der  jener  GOETHE-OKEN'schen 
Vorstellung  der  Boden  entzogen  wurde.  Hier,  wie  in  den  1864  erschienenen  Lectures 
on  the  Elements  of  comparative  Anatomy  wies  Huxley  vor  allem  darauf  hin,  daß 
nur  in  den  ersten  Stadien  die  Anlagen  der  kranialen  imd  der  spinalen  Region  des 
Körpers  einander  ähnlich  sind,  daß  dann  aber  beide  ganz  divergente  Entwickelungs- 
richtungen  einschlagen :  in  der  Rumpfregion  kommt  es  zu  einer  Segmentierung, 
während  diese  am  Schädel  zunächst  unterbleibt  und  erst  sekundär  durch  den 
Ossifikationsj^rozeß  eintritt.  Sie  ist  somit  am  Schädel  etwas  ganz  Sekundäres  und 
hat  nichts  mit  der  Gliederung  der  Wirbelsäule  in  Wirbel  zu  schaffen,  die  eine  ganz 
frühe  Erscheinung  darstellt.  Daher  können  auch  die  4  Segmente,  in  die  der 
knöcherne  Schädel,  speciell  der  Säuger,  zerfällt,  nicht  mit  Wirbeln  verglichen  werden. 
Mit  dieser  durch  Huxley  geschaffenen  Erkenntnis  des  Gegensatzes  zwischen  Schädel 
und  Wirbelsäule  schließt  die  erste  Phase  der  Lehre  von  der  Segmentierung  des 
Schädels  ab.  Eine  neue  beginnt  1872  mit  dem  großen  Werk  Gegenbaur's  über  den 
Selachierschädel.  Hier  sucht  Gegenbaur  den  Grundgedanken  der  alten  Wirbeltheorie 
zu  retten,  indem  er  ihn  auf  das  knorpelige  Primordialcraniuni  überträgt.  Ausgehend 
vom  Knorpelschädel  der  Selachier,  versucht  Gegenbaur  den  Nachweis,  daß  der 
hintere  Teil  desselben  einmal  vertebral  gegliedert  war.  Die  Momente,  auf  die  sich 
diese  Ueberzeugung  gründete,  waren:  die  Chorda  dorsalis,  die  die  Basis  des 
hinteren  Schädelabschnittes  ebenso  wie  die  Wirbelsäule  durchsetzt;  die  Visceral- 
bogen,  die  Gegenbaur  als  untere  Bogenbildungen  ähnlich  den  Rippen  betrachtet, 
von  denen  er  ferner  annimmt,  daß  sie  in  innigem  Zusammenhang  mit  dem  Cranium 
entstanden,  und  die  so  auch  auf  eine  einstige  metamere  Gliederung  desselben  hin- 
weisen; endlich  die  Nerven,  die  Gegenbaur  als  aus  Spinalnerven  hervorgegangen 
zu  analysieren  sucht.  Der  vertebrale  Teil  des  Craniums  erstreckt  sich  an  der 
Basis  vom  Foramen  occipitale  bis  zur  Sattellehne;  von  hier  aus  ist  die  Grenzlinie 
an  der  Seitenwand  der  Orbito-temporalregion  schräg  aufwärts  bis  vor  das  Trochlearis- 
loch  zu  ziehen,  so  daß  dieser  Abschnitt  also  die  Occipital-  und  Labyrinthregion 
sowie  den  hinteren  Teil  der  Orbito-temporalregion  umfaßt  und  die  Austrittsstelle 
der  ventralen  Vaguswurzeln,  des  Vagus  selbst,  des  Glossopharyngeus,  Acusticus, 
Facialis,  Trigeminus  und  der  Augenmuskelnerven  enthält.  Die  Zahl  der  in  den 
vertebralen  Teil  eingeschmolzenen  Schädel wirbel  bestimmte  Gegenbaur  auf  mindestens 
9;  die  Visceralbogen  gehören  ihnen  als  ventrale  Bogenbildungen  au.  Die  Kon- 
krescenz  erfolgte  unter  Reduktion  der  die  Wirbel  früher  bewegenden  Muskulatur  und 
unter  dem  Einfluß  mehrerer  Momente:  die  Visceralbogen  lösten  sich  vom  Cranium 
ab,  wurden  beweglich  und  verlangten  für  ihre  Muskulatur  feste  Ursprungsgebiete ; 
das  Gehirn,  das  Ohrlabyrinth  und  das  Auge  wirkten  weiter  umgestaltend  auf  das 
Skelett  ein.  —  Dem  vertebralen  Teil  steht  der  prävertebrale  (später  auch 
als  evertebraler  bezeichnete)  gegenüber.  Er  umfaßt  nur  das  Austrittsgebiet  des 
Olfactorius  und  des  Opticus,  also  die  Ethmoidalregion  und  den  vorderen  Teil  der 
Orbito-temporalregion,  und  ist  wahrscheinlich  erst  nach  erfolgter  Konkrescenz  des 
vertebralen  Teiles  durch  Auswachsen  des  nunmehr  kontinuierlichen  Knorpels  in  An- 
passung an  die  Riechgruben  entstanden.  In  dieser  Vorstellung  Gegenbaur's  ist 
gegenüber  der  alten  Wirbeltheorie  nicht  nur  das  Objekt  ein  anderes  geworden 
(Knorpelschädel  statt  Knochenschädel),  sondern  auch  die  Art  der  Betrachtung; 
Gegenbaur  faßt  die  Frage  als  ein  Problem  der  Phylogenese:  der  Knorpelschädel 
war  einmal  in  seiner  größeren  hinteren  Hälfte  segmentiert.  Die  genetische  Fassung 
des  Problems  bleibt  fortan  die  herrschende.  Die  namhaftesten  Forscher  schlössen 
sich  Gegenbaur's  Anschauung  an;  Stöhr  (1879,  1881,  1882)  fügte  ihr  den  sehr 
fruchtbringenden    Gedanken    hinzu,    daß    die    Umgestaltung    des    ursprünglich   ge- 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  595 

gliederten  Skelettes  im  Kopfbereich  von  vorn  nach  hinten  fortschritt  und  in  der 
Wirbeltierreihe  ihr  Ende  noch  nicht  erreicht  habe.  Der  Schädel  ist  in  stetem 
kaudalen  Vorrücken  begriffen  und  ist  somit  in  der  VVirbeltierreihe  nicht  von  kon- 
stanter Ausdehnung,  sondern  bei  den  einzelnen  Formen  ungleichwfertig.  Dieser 
letzte  Satz  wurde  in  den  folgenden  Jahren  durch  Untersuchungen  von  Rosenberg, 
Gegenbaur,  Sagemehl  an  Fischschädeln  als  thatsächlich  zu  Hecht  bestehend  er- 
kannt. Es  zeigte  sich,  daß  bei  den  Fischen  (Selachiern,  Ganoiden,  Teleostiern)  An- 
schlüsse von  Wirbeln  oder  Wirbelteilen  an  den  Schädel  in  verschiedener  Form  vor- 
kommen, und  es  ließen  sich  daran  Schlußfolgerungen  allgemeiner  Natur  knüpfen. 
Allerdings  weichen  in  diesen  die  einzelnen  Forscher  voneinander  ab.  Für  die 
Selachier  kommt  Rosenberg  zu  dem  Schluß,  daß  der  Begriff  Selachiercranium  keine 
konstante  Größe,  und  daß  z.  B.  das  Carchariascranium  um  einen  Wirbel  länger  sei 
als  das  Musteluscranium.  Zu  weitergehenden  Resultaten  gelaugt  Sagemehl.  Das 
Selachier-  und  das  Amphibiencranium  repräsentieren  ihm  Kranien,  die  in  ihrer 
kaudalen  Ausdehnung  gleich  und  von  primitivem  Typus  sind ;  ihnen  stehen  die 
Kranien  der  höheren  Fische  und  der  Amnioten  gegenüber,  die  noch  eine  Verlängerung 
durch  Assimilation  von  3  Wirbeln  erfahren  haben.  Der  Schädel  der  letzteren  ist 
also  thatsächlich  kaudalwärts  vorgerückt.  Dieser  Vorgang  vollzieht  sich  aber  nicht 
stetig  in  der  Wirbeltierreihe,  sondern  ist  nur  einmal  erfolgt,  und  zwar  unter  dem 
Einfluß  des  sich  nach  hinten  ausdehnenden  Parasphenoids,  durch  das  die  vorderen 
Wirbel  ihre  Beweglichkeit  einbüßten.  In  der  Frage  nach  der  Herkunft  des  Selachier- 
craniums,  das  als  Ausgang  genommen  wird,  schließt  sich  Sagemehl  an  Gegenbaur's 
Darstellung  von  1872  an:  es  ist  aus  Metameren  entstanden.  Diese  waren  aber  noch 
keine  Wirbel,  und  der  Prozeß  ihrer  Konkrescenz,  der  zur  Bildung  des  Craniums  vom 
Typus  der  Selachier  führte,  ist  seinem  Wesen  nach  verschieden  von  dem  der  nach- 
träglichen Assimilation  von  wirklichen  Wirbeln  bei  höheren  Fischen  und  Amnioten. 
Für  das  .Selachier-  (und  Amj)hibien-)Cranium  braucht  Sagemehl  den  Ausdruck 
protometamer ,  die  durch  Zuwachs  von  3  Wirbeln  vergrößerten  übrigen  Kranien 
nennt  er  auximetamer.  —  Mit  den  Deutungen,  die  Sagemehl  den  Befunden  bei 
den  Fischen  gegeben  hat,  erklärte  sich  Gegenbaur  (1887*)  für  nicht  einverstanden ; 
nach  ihm  sind  die  verschiedenen  Erscheinungen  von  wirkhcher  oder  scheinbarer 
Wirbelassimilation  sehr  mannigfacher  Natur  und  dürfen  nicht  direkt  miteinander 
verglichen  werden ;  von  wirklichen  Konkrescenzen  sind  Rückbildungen  von  Wirbeln 
oder  Wirbelteilen  mit  dem  Anschein  von  Konkrescenzen  zu  unterscheiden.  Beides 
kommt  vor  und  beweist  den  umgestaltenden  Einfluß,  den  das  Cranium  auf  den 
vordersten  Teil  der  Wirbelsäule  ausübt. 

Die  Frage  nach  der  ursprünglichen  Entstehung  des  Craniums  war  durch 
die  letztgenannten  Arbeiten  nicht  gefördert  worden.  Wohl  aber  geschah  dies  durch 
zwei  Arbeiten,  die  beide  im  Jahre  1882  erschienen  und  zu  Ausgangspunkten  für  die 
weitere  Forschung  geworden  sind :  von  van  Wijhe  und  Froriep.  van  Wijhe  zeigte, 
in  Erweiterung  früherer  Untersuchungen  von  Balfour  und  Milnes  Marshall, 
daß  bei  Selachiern  das  gesamte  dorsale  Mesoderm  des  Kopfes  in  9  ganz  entsprechende 
Segmente  (Urwirbel,  Somite)  zerfällt,  wie  das  dorsale  Mesoderm  des  Rumpfes,  er 
glaubte  ferner  den  Nachweis  führen  zu  können,  daß  zu  jedem  der  9  Somite,  mit 
Ausnahme  des  ersten,  auch  ein  ventraler  Mesodermabschnitt,  also  ein  Visceralbogen, 
gehöre  oder  doch  einmal  gehört  habe,  daß  weiter  jedem  solchen  (aus  Somit  und 
Visceralbogen  bestehenden)  Kopfsegment  auch  eine  dorsale  und  eine  ventrale  Nerven- 
wurzel zukomme,  von  denen  die  ventrale  die  Muskelprodukte  des  Somites,  die  dorsale 
aber  die  aus  dem  Visceralbogenmesoderm  entstehende  Muskulatur  versorge,  kurzum, 
er  kam  zu  Ergebnissen,  die  eine  ursprüngliche  Metamerie  des  Wirbelthierkopfes  sehr 
wahrscheinlich  zu  machen  geeignet  waren,  eine  Metamerie,  die  überdies  wenigstens 
im  dorsalen  Kopfgebiet  die  Verhältnisse  des  Rumpfes  zu  vpiederholen  und  damit  die 
GEGENBAUR'sche  Auffassung  des  Kopfes  als  eines  umgewandelten  Rumpfabschnittes 
zu  stützen  schien.  Für  das  Skelett  allerdings  waren  die  Befunde  weniger  von  Be- 
deutung; VAN  Wijhe  fand  zwar,  daß  von  den  einzelnen  Somiten  auch  Skierotome 
entstehen,  daß  aber  diese  segmentale  Anlage  des  Skelettes  sofort  wieder  unterdrückt 
werde  (s.  auch  Selachier).  Von  größerer  dokumentarischer  Wichtigkeit  für  die  Ge- 
schichte des  Wirbeltierschädels  waren  dagegen  die  Befunde  der  Arbeit  von 
Froriep.  Froriep  tritt  in  einen  bestimmten  Gegensatz  zu  Gegenbaur's  An- 
schauungen. Wie  dieser,  so  erkennt  auch  Froriep  im  Schädel  zwei  Teile,  einen 
einstmals  segmentierten  und  einen  von  jeher  unsegmentierten  an,  doch  verlegt  er  die 
Grenze  beider  Teile  in  die  Höhe  der  Austrittssteile  des  N.  vagus:  der  einstmals  ge- 
gliederte Teil  ist  somit  sehr  kurz  und  umfaßt  nur  die  Hinterhauptsregion.  Von  dieser 
wies  Froriep  zunächst  für  Säuger,  später  auch  für  Vögel,  nach,  daß  sie  sich  em- 
bryonal als  vorderster  Teil  der  Wirbelsäule  verhält  und  dementsprechende  Er- 
scheinungen in  der  Anlage  von  Urwirbeln,  Wirbelbogen  und  Nerven  zeigt,   während 

38* 


596  E.  Gaupp, 

von  dem  Vagus  an  nach  vorne  nichts  nachweisbar  ist,  was  der  Gliederung  im  spinalen 
Bereich  vergleichbar  wäre.  So  erweist  sich  die  Occipitalregion  des  Schädels  als 
durch  eine  kaudalwärts  fortschreitende  Umbildung  des  kranialen  Endes  der  Wirbel- 
säule entstanden  und  ist  als  spinaler  Abschnitt  dem  übrigen  cerebralen  oder 
präspinalen  Schädelgebiet  gegenüberzustellen.  Ein  sehr  wichtiges  Glied  in 
dieser  Kette  von  Betrachtungen  bildet  der  N-  hypoglossus.  Indem  es  Froriep 
glückte,  bei  Schafembryonen  Ganglien  nachzuweisen,  die  zu  dem  vorher  als  rein 
motorisch  angesehenen  Hypoglossus  gehörten,  ergab  sich  die  Auffassung  dieses  Nerven 
als  eines  Komplexes  früherer  richtiger  Spinalnerven,  und  zugleich  seine  Selbständig- 
keit gegenüber  dem  Vagus,  mit  dem  er  früher  als  zusammengehörig  betrachtet 
worden  war.  Er  offenbarte  sich  so  als  entstanden  aus  den  Spinalnerven,  die  zu  dem 
dem  Schädel  assimilierten  Wirbelsäulengebiet  gehörten.  Endlich  erkannte  auch  bereits 
Froriep,  daß  wahrscheinlich  an  der  Grenze  des  spinalen  und  des  präspinalen 
Schädelgebietes  Reduktionen  stattgefunden  haben  und  einige  Segmente  gänzlich  unter- 
drückt sind. 

Mit  der  Arbeit  van  Wijhe's  ist  aus  dem  enger  gefaßten  Schädelproblem  das 
viel  weitere,  umfassendere  Kopfproblem  geworden,  auf  das  zwar  Gegenbaur 
schon  1872  hingewiesen  hatte,  das  aber  doch  erst  von  nun  als  selbständige  Aufgabe 
behandelt  wird.  Die  Kopfsoraite,  die  Visceralbogen,  das  Verhältnis  beider  zu  einander 
(der  Mesomerie  zur  Branchiomerie),  die  Glieder  des  centralen  und  des  peripheren 
Nervensystems,  kurz,  die  Frage  nach  der  Metamerie  des  Gesamtkopfes  stehen  dabei 
im  Vordergrund  der  Betrachtung,  während  der  Schädel  dagegen  zurücktritt.  Die 
Ansichten  bezüglich  der  genannten  Dinge  gehen  noch  in  fundamentalsten  Punkten 
auseinander.  Ob  alle  von  van  Wijhe  beschriebenen  Mesodermsegmente  des  Kopfes 
wirklich  den  Wert  von  Somiten  besitzen,  oder  ob  diese  Bedeutung  nur  den  hinter 
der  Ohrblase  gelegenen  (den  metotischen)  zukommt,  den  prootischen  aber  abgeht 
(Rabl  1892 ;  etwas  modifiziert  auch  Froriep  1902),  ist  noch  strittig,  und  damit  ist 
auch  unbestimmt,  ob  man  dem  ganzen  Kopf  oder  nur  seinem  hinteren  Abschnitte 
eine  einstmalige  Segmentierung  zuschreiben  soll.  Hinsichtlich  der  Zahl  der  Kopf- 
Mesodermsegmente  (der  prootischen  wie  der  metotischen)  gehen  die  Angaben  für  die 
einzelnen  untersuchten  Tierformen  auseinander;  nach  Dohrn  (1901)  wäre  es  in 
dieser  Hinsicht  überhaupt  nur  möglich,  ein  allgemeines  Minimum  festzustellen,  nicht 
aber  ein  Maximum,  da  mit  Somitverschmelzung  gerechnet  werden  muß,  durch  die 
sich,  nach  Dohrn's  Auffassung,  die  größere  Somitezahl  der  Rochen  (Dohrn, 
Killian,  Sewertzoff)  gegenüber  der  der  Haie  erklärt.  Eine  andere  Auffassung 
erklärt  die  Verschiedenheit  in  der  Zahl  der  Kopf-Mesodermsegmente  aus  einer  in 
verschiedenem  Umfange  erfolgenden  Reduktion  von  solchen  und  Einverleibung  von 
Rumpf  somiten  ins  Kopf  gebiet.  Damit  ist  denn  die  weiterere  Streitfrage  berührt, 
ob  die  Hinterkopfsomite,  denen  die  Somitnatur  von  allen  Seiten  zuerkannt  wird, 
wirklich  ursprünglich  dem  Kopfe  angehörten,  oder  ob  sie  als  ursprüngliche  Rumpf - 
somite  sich  sekundär  dem  Kopfe  anfügten,  als  cänogenetische  Bestandteile  desselben 
zu  den  palingenetischen  hinzukamen,  indem  sie  in  Gebiete  einrückten,  die  einstmals 
auch  von  palingenetischen  Somiten  eingenommen,  aber  durch  Reduktion  der  letzteren 
frei  wurden  (Gegenbaur  1887).  Ferner  steht  zur  Diskussion  das  Verhältnis  der  in 
den  Visceralbogen  sich  aussprechenden  Gliederung  zu  der  Somitgliederung  im  dor- 
salen Kopfgebiet  (der  Branchiomerie  zur  Mesomerie,  Ahlborn):  sind  beiderlei  Seg- 
mente unabhängig  voneinander  oder  entsprachen  sie  sich  einmal,  und  wenn  ja, 
welche  Verschiebungen  haben  stattgefunden,  um  den  jetzigen  Zustand  herbeizuführen, 
wo  eine  Inkongruenz  zwischen  den  Visceralbogen  vom  dritten  an  und  den  dorsalen 
Mesodermsegmenten  schon  in  frühen  Stadien  der  Cephalogenese  der  Selachier  be- 
steht? Endlich  ist  in  Zusammenhang  mit  den  erwähnten  Problemen  auch  die  Frage 
behandelt  worden,  welchem  Abschnitt  des  Amphioxuskörpers  der  Kopf  der  Cranioten 
entspricht. 

Die  Erörterung  dieser  Punkte,  so  sehr  von  ihrer  endlichen  Entscheidung  die 
Frage  nach  dem  Urzustand  des  Schädels  beeinflußt  wird,  hat  an  anderer  Stelle  zu 
erfolgen,  da  nicht  das  Skelett,  sondern  andere  Organsysteme,  die  Mesodermgliederung, 
die  Entwickelung  des  centralen  und  peripheren  Nervensystems  u.  a.,  das  Objekt  der 
Diskussion  dabei  bilden  müssen.  Denn  es  handelt  sich  dabei,  um  mit  Dohrn  zu 
reden,  um  die  „Aufdeckung  der  urgeschichtlichen  Prozesse  des  Wirbeltierkopfes", 
die  viel  weiter  zurückliegen  als  die  Schädelbildung,  und  die  im  übrigen  selbst  noch 
zu  wenig  klar  sind,  als  daß  sie  es  rechtfertigten,  einen  Urzustand  des  Kopfskelettes 
anzunehmen,  der  von  dem  aus  der  Ontogenese  der  Cranioten  direkt  ablesbaren 
wesentlich  verschieden  wäre.  Im  nachfolgenden  sind  daher  nur  die  Arbeiten  luid 
Vorstellungen  weiter  verfolgt,  die  sich  unmittelbarer  mit  der  Schädclbildung  be- 
schäftigen. Für  sie  haben  sich  Froriep's  Untersuchungen  als  ganz  besonders  frucht- 
bar erwiesen.  Denn  in  der  That  ist  seit  Erscheinen  derselben  die  Anschauung  immer 
weiter  vorgedrungen,  daß  die  Occipitalregion  der  Gnathostomen  ein  Teil  des  Craniums 


Die  Entvvickelung  des  Kopfskelettes.  597 

ist,  der  den  davor  gelegenen  Abschnitten  gegenübergestellt  werden  muß.  An  Ver- 
tretern aller  Klassen  der  Gnathostomen  ist  gezeigt  worden,  daß  er  in  seiner  Anlage 
eine  weitgehende  Aehnlichkeit  mit  der  Wirbelsäule  erkennen  läßt.  In  der  Occipital- 
region  bilden  sich  zweifellose  Myotome  aus,  zu  denen  spinalartige  Nerven  treten, 
und  wenn  auch  bei  der  Anlage  des  Skelettes  selbst  (d.  h.  des  occipitalen  Teiles  des 
Parachordale)  diskrete  Wirbel  nicht  mehr  gebildet  werden,  so  sind  doch  Andeutungen 
einer  Segmentierung  auch  hier  erkennbar.  Sie  äußern  sich  teils  darin,  daß  die 
zwischen  den  Nerven  zur  Verknorpelung  kommenden  Partieen  Aehnlichkeit  mit 
Wirbelbogen  zeigen,  teils  darin,  daß  wenigstens  die  Myocommata  zwischen  den  ein- 
zelnen occipitalen  Myotonien  an  der  parachordalen  Skelettmasse  ansetzen,  in  ähn- 
licher Weise,  wie  das  im  Rumpfgebiet  an  den  Wirbelbogen  der  Fall  ist.  Auf  dieses 
Moment  hat  Sewertzoff  aufmerksam  gemacht.  Demgegenüber  ist  an  dem  otische  n 
Abschnitt  des  Parachordale,  abgesehen  von  den  auch  noch  nicht  ganz  unbestrittenen 
Soraiten,  nichts  nachweisbar  gewesen,  was  auf  eine  frühere  Gliederung  schließen 
ließe.  Ein  Argument  der  vergleichenden  Anatomie  kommt  hinzu:  bei  den  Cyclo- 
stomen  schließt  das  Cranium  mit  der  Ohrkapsel,  hinter  der  der  Vagus  austritt,  ab, 
und  dahinter  folgen  bereits  freie  Wirbelbogen.  Der  Schluß  ist  nicht  von  der  Hand 
zu  weisen,  daß  sich  aus  den  vordersten  derselben  (aber  nicht  aus  schon  fertigen 
Wirbeln  mit  Körpern)  die  Occipitalregion  der  Gnathostomen  gebildet  hat  (Hatschek 
1892).  Bei  den  Myxinoiden  fehlen  die  Rumpfwirbelbogen  überhaupt  gänzlich,  was 
erst  recht  auf  eine  Sonderstellung  des  primitiven  (mit  der  Ohrkapsel  abschließenden) 
Craniums  gegenüber  dem  Rumpfskelett  deutet  (van  Wuhe  1889). 

Die  größte  Schwierigkeit,  die  sich  bei  der  Verwertung  der  ontogenetischen,  die 
Kopfmetamerie  betreffenden,  Befunde  herausgestellt  hat,  liegt  in  der  großen  Ver- 
schiedenheit der  Einzelthatsacheu.  Auch  wenn  nur  die  metotischen  Segmente  be- 
rücksichtigt werden,  ergeben  sich  weitgehende  Verschiedenheiten  in  der  Zahl  der 
letzteren,  die  dem  Kopfgebiet  zugezählt  werden  müssen.  Damit  hat  der  von  Stöhr 
zuerst  ausgesprochene  und  dann  von  Sagemehl  verfolgte  Gedanke,  daß  die  kaudale 
Ausdehnung  der  einzelnen  Wirbeltierkran ien  eine  ungleiche  sei,  seine  Bestätigung 
und  Nahrung  gefunden.  Der  direkten  Vergleichung  der  Emzelbefunde  steht  dabei 
■eine  Erwägung  entgegen,  die  schon  von  Froriep  angestellt  worden  ist:  daß  nämlich 
möglicherweise  auf  der  Grenze  des  cerebralen  und  des  spinalen  Schädelanteiles 
Segmente  zu  Grunde  gegangen  sein  können,  so  daß  die  bei  den  Einzelformen  be- 
obachtete Segmentzahl  kein  einwandfreies  Vergleichsobjekt  abgiebt.  (Dohrn,  der 
der  Annahme  von  zwei  Abschnitten  des  Kopfes  ablehnend  gegenübersteht,  erklärt, 
wie  schon  erwähnt,  die  Reduktion  der  Somitezahl  durch  Verschmelzungsprozesse.) 
Ob  und  in  welchem  Umfange  ein  solcher  Reduktionsprozeß  anzunehmen  ist,  wird 
sicherlich  durch  systematisch- vergleichende  embryologische  Erhebungen,  bei  denen 
nicht  weit  entfernt,  sondern  möglichst  nahe  stehende  Formen  verglichen  werden,  er- 
mittelt werden  können.  Was  in  dieser  Hinsicht  an  vergleichend-embryologischem 
Material  bis  zum  Jahre  1897  vorlag,  hat  Fürbringer  in  seiner  großen  und  vor- 
trefflichen Monographie  über  die  spino-occipitalen  Nerven  der  Selachier  und  Holo- 
cephalen  zusammengestellt  und  mit  den  Ergebnissen  ausgedehnter  Untersuchungen 
an  ausgebildeten  Formen  verarbeitet.  Für  die  Lehre  von  der  Zusammensetzung  der 
Occipitalregion  der  Gnathostomen  bezeichnet  Fürbringer's  Werk  einen  Fortschritt, 
dessen  hohe  Bedeutung  auch  von  denen  anerkannt  wird,  die  im  einzelnen  nicht  mit 
ihm  übereinstimmen.  So  gebietet  sich  ein  Eingehen  auf  FtJRBRiNGER's  Darstellung, 
soweit  sie  den  Schädel  betrifft,  und  das  um  so  mehr,  als  gewisse  von  F.  eingeführte 
Bezeichnungsweisen  in  neueren  Arbeiten  vielfach  angenommen  worden  sind  und  auch 
im  speciellen  Teil  dieses  Kapitels  gebraucht  werden  sollen. 

In  Fürbringer's  Auffassung  des  Schädels  kommt  der  von  Froriep  zuerst 
aufgestellte  Gedanke,  daß  in  der  Höhe  des  Vagusaustrittes  zwei  Gebiete  aneinander 
stoßen,  die  verschieden  zu  beurteilen  sind,  zusammen  mit  Stöhr's  Auffassung  von 
der  Ungleichwertigkeit  der  verschiedenen  Wirbeltierkranien  vereint  zur  Geltung. 
Den  vor  dem  Vagusaustritt  gelegenen  Abschnitt  des  Craniums  nennt  Fürbringer 
Palaeocranium,  das  dahinter  folgende  Gebiet  (die  Occipitalregion)  ist  das  Neo- 
cranium.  Das  Palaeocranium  (Autocranium)  ist  das  ursprüngliche  Cranium,  das 
mit  dem  Vagus  abschloß;  es  repräsentiert  jetzt  noch  bei  den  Cyclostomen  das  ganze 
Cranium.  Ihm  haben  sich  bei  den  Gnathostomen  mehrere  spinale  Skelettelemente 
angeschlossen,  die  früher  frei  waren  (Wirbelbogen):  der  aus  ihrer  Verschmelzung 
hervorgegangene  Schädelabschnitt  repräsentiert  das  Neocranium  (Spondylo- 
cranium)  oder  die  Occipitalregion  der  Gnathostomen.  Dabei  ist  aber  anzunehmen, 
daß  der  Prozeß  der  Assimilation  spinaler  Skelettelemente  an  das  paläokraniale  Ge- 
biet nicht  nur  einmal,  sondern  in  mehreren  Etappen  erfolgte.  Bei  der  erstmaligen 
Assimilation  wurde  ein  Zustand  des  Neocraniums  erreicht,  den  Fürbringer  als 
protometamer  bezeichnet:    er  ist  fixiert  bei  Selachieru  und  Amphibien;  die  An- 


598 


E.  Gaupp, 


gliederung  noch  weiterer  Elemente  schafft  dann  den  auximetanaeren  Zustand  des 
Neocraniums,  wie  ihn  die  höheren  Fische  und  die  Amnioten  zeigen.  Von  dem  ur- 
sprünglichen Zustand  aus  ist  also  die  kranio-vertebrale  Grenze  mehrfach  kaudalwärts 


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g.     HHHHQ0QHE10HHSS       ger's,  betreffend  die  Ausdehnung 
S§  des    proto-    und    auximetameren 

Neocraniums.    Die  Art  der  Dar- 
stellung ist  die  von  Sewertzoff 
(1895)    zuerst   verwendete.      Die 
Säule   der    Rechtecke   stellt    die 
Somite  dar,  die  Säule  der  großen 
Kreise    die    Wirbelbogen.       Die 
horizontalen     Striche    sind     die 
ventralen  Nerven  wurzeln,    durch 
punktierte  Linien  sind  diejenigen 
bezeichnet,  die  embryonal  wieder  verschwinden. 
Die  kleinen  Kreise  sind  die  Ganglien  der  dor- 
salen   Nervenwurzeln:    schwarz    sind    die   er- 
halten bleibenden,  weiß  die  wieder  verschwin- 
denden  dargestellt.     Die   dem  Cranium   assi- 
milierten Wirbelbogen  sind  durch  eine  einfache 
Linie  zusammengefaßt ;  die  durchgehende  Hori- 
zontale markiert  die  Ausdehnung  des   proto- 
metameren    Neocraniums    der    Selachier    und 
Amphibien.    Bezeichnung  der  spino-occipitalen 
Somite  (und  Nerven)  nach  Fürbringer:  t,  «, 
'V,  «',  ■'•,  y,  s  =  occipitale  Somite  und  Nerven; 
a,  b,  c  u.  s.  w.  =  occipito-spinale  Somite  und 
Nerven ;  1,  2,  3  u.  s.  w.  =  freie  Spinalnerven 
resp.  die  zugehörigen  Somite. 

a)  Selachier.  Die  im  Schema  zur  Dar- 
stellung gebrachte  Siebenzahl  occipitaler  So- 
mite ist  von  Braus  für  Spinaciden  und  Scyl- 
liiden  nachgewiesen  und  findet  sich  wahrschein- 
lich bei  allen  Selachiern.  Die  5  Skelettseg- 
mente beschreibt  Sewertzoff.  —  Protometa- 
meres  Neocranium. 

b)  A eilten s  er.  Zu  Grunde  gelegt  sind 
die  Befunde  von  Seavertzoff  in  der  Deutung 
von  Fürbrikger.  Bis  zu  dem  zwischen  So- 
mit z  und  a  gelegenen  Skelettsegment  reicht 
die  Occipitalregion  in  ihrer  primären  Aus- 
dehnung, die  folgenden  5 — 6  Skelettsegmente 
schließen  sich  sekundär  an.  Im  primären 
Occipitalgebiet  ist  ein  hinterer  Teil,  der  aus 
8  deutlichen  M'^irbelbogen  besteht,  unterscheid- 
bar von  einem  vorderen ,  in  dem  die  Zu- 
sammensetzung aus  3  Wirbelbogen  nur  in  dem 
Verhalten  zu  den  Myocommata  und  Nerven 
angedeutet  ist. 

c)  Amia.  Zu  Grunde  gelegt  sind  die 
thatsächlichen  Befunde  von  Schreiner,  in 
der  Auffassung  von  FüRBRINGER.  Das  Cra- 
nium reicht  au  der  Basis  (parachordal)  weiter 

kaudalwärts  als  in  den  lateralen  Teilen ;  es  bestehen  2  freie  Occipitalbogen  (zwischen 
den  Somiten  2,  S,  4). 

d)  Amphibien.  Zu  Grunde  gelegt  sind  die  Verhältnisse  bei  den  Urodelen. 
Das  Vorhandensein  von  3  spino-occipitalen  Somiten  ist  für  Necturus  nachgewiesen. 
Der  Nerv  z  wurde  bisher  bei  Cryptobranchus,  Menopoma,  Salamandra  und  Triton 
festgestellt.  Das  Amphibiencranium  hat  die  gleiche  Ausdehnung  wie  das  Selachier- 
cranium  (Occipitalregion  protometamer). 

e)  Reptilien.  Zu  Grunde  gelegt  sind  die  Befunde  bei  Lacerta  von  C.  K. 
Hoffmann,  Van  Bemmelen,  Chiarugi  und   die  bei   Ascalabotes  fascicularis  von 


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Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes,  599 

Sewertzoff.  5  spino-occipitale  Somite  beschreibt  C.  K.  Hoffmann,  die  4  spino- 
occipitalen  Wirbelbogen  Sewertzoff.  Das  Eeptiliencranium  ist  um  3  Skelettseg- 
mente ausgedehnter  als  das  Amphibiencranium ;  Occipitalregion  auximetamer  mit  '6 
sekundär  assimilierten  Wirbelbogen. 

fj  Vögel.     Zu  Grunde  gelegt  sind  die  Befunde  bei  Gallus  von  Froriep. 

g)  Säuger.  Zu  Grunde  gelegt  sind  die  Befunde  von  Frorjep  bei  Wieder- 
käuern. Die  Ausdehnung  des  Säugercraniums  ist  die  des  Reptilien-  und  Vogel- 
craniums.     Die  ventralen  Wurzehi  a,  b,  c  =  Hypoglossuswurzeln. 

verlegt  worden.  Als  wichtiges  Kriterium  bei  der  Analyse  der  verschiedenen  Zu- 
stände, die  sich  bei  den  einzelnen  Wirbeltieren  finden,  verwertet  Fürbringer  die 
Nerven.  Den  im  Gebiete  des  Palaeocraniums  austretenden  paläokranialen  Nerven, 
deren  Reihe  hinten  mit  dem  Vagus  abschließt,  stehen  die  neokranialen  Nerven  gegen- 
über, die  früher  freie  typische  Spinalnerven  waren  und  mit  den  neokranialen  Skelett- 
teilen dem  Cranium  einverleibt  wurden.  Da  sie  somit  nach  erfolgter  Assimilation 
eine  Art  Zwischenstellung  zwischen  den  paläokranialen  und  den  freien  Spinalnerven 
bilden,  bezeichnet  Fürbringer  sie  als  spino-occipitale  Nerven.  Naturgemäß 
müssen,  wie  bei  den  Skelettteilen,  auch  bei  den  spino-occipitalen  Nerven  zwei  Kate- 
gorieen  oder  Generationen  unterschieden  werden:  solche,  die  bei  dem  erstmaligen 
Assimilationsprozeß  zum  Schädel  hinzukamen  und  somit  das  protometamere  Neo- 
cranium  charakterisieren:  occipitale  Nerven,  und  solche,  die  eine  zweite  Genera- 
tion bilden,  d.  h.  zu  den  occipitalen  Nerven  noch  hinzukamen,  als  der  Zustand  des 
auximetameren  Neocraniums  sich  ausbildete:  occipito-spinale  Nerven.  Die 
Verschiedenheit  in  der  Zahl  der  spino-occipitalen  Nerven  erklärt  sich  einerseits  daraus, 
daß  bei  verschiedenen  Formen  die  Occipito-vertebralverbindung  an  verschiedener 
Stelle  hegt,  andererseits  durch  die  Annahme,  daß  an  der  Grenze  des  Palaeo-  und 
Neocraniums  ein  Zugrundegehen  ganzer  Metameren  (nebst  den  dazu  gehörigen  Nerven) 
stattfindet,  ein  Vorgang,  der  durch  die  embryologischen  Befunde  als  thatsächlich 
vorkommend  genugsam  beglaüibigt  ist.  Dadurch  ergiebt  sich  eine  große  Schwierig- 
keit, im  Einzelfalle  die  Natur  der  vorhandenen  spino-occipitalen  Nerven  zu  erkennen. 
Beobachtungen  der  Entwickelungsgeschichte  und  der  ausgebildeten  Zustände  müssen 
hier  zur  Gewinnung  eines  Urteils  verwertet  werden.  Eine  weitere  Schwierigkeit  liegt 
dabei  in  der  Wahl  einer  Bezeichnungsmethode,  die  es  ermöglicht,  die  als  identisch 
erkannten  Nerven  kurz  auch  als  solche  zu  bezeichnen.  Fürbringer  wählt  dazu 
die  Buchstaben  des  Alphabetes,  in  der  Weise,  daß  er  die  bei  den  Selachiern  bereits 
assimilierten  occipitalen  Nerven  mit  den  Endbuchstaben,  die  bei  den  höheren 
Fischen  und  den  Amnioten  neu  hinzukommenden  occipito-spinalen  Nerven  mit  den 
Anfangsbuchstaben  des  lateinischen  Alphabetes  bezeichnet.  Es  wird  also  der 
letzte  occipitale  Nerv  der  Selachier  als  z  bezeichnet,  der  erste  occipito-spinale  Nerv 
als  a.  Durch  diese  Bezeichnungsweise  ist  die  Möglichkeit  gegeben,  zwei  Eventuali- 
täten zum  Ausdruck  zu  bringen :  die  Reduktion  vorderer  und  die  Neuangliederung 
hinterer  Nerven,  also  die  Veränderlichkeit  der  vorderen  und  der  hinteren  Grenze. 
Hierin  liegt  denn  auch  ein  sehr  wesentlicher  Nutzen  der  Bezeichnungsart,  der  ihre 
Anwendung  behufs  rascher  Verständigung  empfiehlt,  wie  sie  denn  auch  z.  B.  von 
DoHRN  (1901),  der  im  übrigen  vielfach  nicht  mit  Fürbringer's  Betrachtungsweise 
übereinstimmt,  gebraucht  wird.     Auch  im  nachfolgenden  ist  sie  angewendet. 

Wie  sich  im  speciellen  die  Kranien  der  verschiedenen  Wirbeltierformen  ver- 
halten, mag  hier  nur  kurz  angedeutet  werden.  Das  Cranium  der  Petromyzonten  und 
Myxinoiden  repräsentiert  ein  Palaeocranium,  das  hinten  mit  der  Labyrinthregion  und 
dem  Vagusaustritt  abschließt,  im  übrigen  aber  bei  beiden  Formen  Verschieden- 
heiten aufweist,  so  daß  es  zweifelhaft  ist,  wie  weit  in  ihm  die  wirkliche  Urform  des 
Palaeocraniums  gesehen  werden  kann.  Die  Selachier  und  die  Amphibien  sind  unter 
den  Gnathostomen  die  Formen  mit  protometamerem  Neocranium,  die  kaudale  Aus- 
dehnung der  Kranien  beider  Gruppen  kann  als  gleich  angenommen  werden.  Gegen- 
über den  Selachiern  sind  die  Amphibien  durch  völhgen  oder  fast  völligen  Verlust 
der  occipitalen  Nerven  ausgezeichnet.  Holocephalen,  Ganoiden,  Dipnoer,  Teleostier, 
Amnioten  besitzen  eine  Occipitalregion  von  auximetamerem  Typus;  die  hintere 
Schädelgrenze  liegt  jedoch  nicht  bei  allen  an  gleicher  Stelle.  Im  einzelnen  ist  dies 
noch  im  speciellen  Teil  zu  erörtern,  doch  mag  schon  hier  erwähnt  sein,  daß  die  Aus- 
dehnung aller  Amniotenkranien  die  gleiche  ist,  daß  die  kranio-vertebrale  Grenze  bei 
ihnen  um  drei  Wirbel  weiter  hinten  liegt  als  die  der  Amphibien,  und  daß  die  neu 
hinzugekommenen  occipito-spinalen  Nerven  den  Hypoglossus  repräsentieren.  Wahr- 
scheinlich stimmen  die  Verhältnisse  bei  den  Teleostiern  mit  denen  bei  den  Amnioten 
überein.  Es  spricht  überhaupt  manches  dafür,  daß  die  Absteckung  der  kranio- 
vertebralen  Grenze  auch  für  die  höheren  Formen  schon  sehr  frühzeitig,  vielleicht 
schon   innerhalb  der  Fische,  stattgefunden  hat,  und  daß  mit  der  Ausbildung  höher 


600  E.  Gaupp, 

differenzierter  Occipito  -  vertebralverbindungen  (Gelenke)  der  Prozeß  des  kaiidalen 
Vorrückens  zum  (Stillstand  kommt,  wie  das  Gegenbaur  schon  1887  geäußert  hat. 
So  würde  also  auch  das  Verhalten  bei  den  Amnioten  nicht  direkt  an  einen  Zustand 
anzuschließen  sein,  wie  ihn  die  recenten  Amphibien  mit  ihren  wohlausgebildeten 
Occipito-vertebralgelenken  darbieten.  Auf  einige  weitere  Konsequenzen  der  FÜR- 
BRlNGER'schen  Anschauung  habe  ich  1898  aufmerksam  gemacht. 

Was  das  Palaeo  c  ran  ium ,  d.  h.  den  vor  dem  Vagusaustritt  gelegenen  Ab- 
schnitt des  Chondrocraniums  anlangt,  so  geht  Fitrbringer's  Anschauung  (wie  die 
von  Froriep,  van  Wijhe  u.  A.)  dahin,  daß  dasselbe  sich  als  Continuum  entwickelte 
beim  Uebergang  des  akranen  Zustandes  in  den  kranioten.  Dieser  Uebergang  erfolgte 
unter  Ausbildung  der  höheren  Sinnesorgane  und  des  Gehirns  an  dem  vordersten 
Teil  des  Körpers,  der  früher  die  gleiche  metamere  Gliederung  aufwies  wie  der  übrige 
Teil,  an  dem  aber  bei  seiner  Umgestaltung  zum  Kopfe  eine  Reduktion  der  in  seinem 
Bereiche  befindlichen  Kopfsomite  erfolgte.  Nur  die  in  den  Dienst  des  Sehorgans 
tretenden  Bestandteile  derselben  bleiben  erhalten  (dies  bezieht  sich  auf  die  Angabe, 
daß  aus  den  3  ersten  Kopfsomiten  der  Selachier  die  Augenmuskeln  hervorgehen). 
Somit  würde  also  zwar  der  Kopf  aus  einem  einst  gegliederten  Körperabschnitt  ent- 
standen sein,  das  Palaeocranium  aber  einen  Zustand  metamerer  Gliederung  nicht 
durchgemacht  haben;  man  könnte  es  also  als  aspondyl  bezeichnen  (Gaupp  1897). 

Hinsichtlich  der  Vi  sceral  bogen  meint  FÜRBRINGER,  daß  einmal  Eumeta- 
merie  zwischen  Kopfmyomeren  und  Kopfbranchiomeren  bestanden,  aus  dieser  sich 
aber  eine  bei  den  verschiedenen  Vertretern  der  Cranioten  ungleich  entwickelte  Dys- 
metamerie  ausgebildet  habe.  Die  ersten  ursprünglich  ebenfalls  branchialen  Visceral- 
bogen  haben  sich  sekundär  in  besonderer  Weise  umgebildet.  Ob  die  knorpeligen 
Visceralbogen  als  Fortsatzbildungen  am  Neurocranium  oder  selbständig  entstanden, 
bleibt  unerörtert  und,  ebenso  wie  die  Frage  nach  der  Herkunft  der  präkranialen 
Skelettteile,  einstweilen  unentschieden. 

In  den  Jahren  seit  dem  Erscheinen  des  FÜRBRiNGER'schen  Werkes  ist  eine 
Anzahl  neuer,  namentlich  die  occipitalen  Somite  und  ihre  Nerven  betreffenden  That- 
sachen  bekannt  geworden,  die  hier  und  da  im  einzelnen  die  FÜRBRiNGER'schen  An- 
schauungen modifizieren.  Auch  ablehnende  Aeußerungen  gegen  die  letzteren  sind 
laut  geworden.  So  hält  Sewertzoff  den  Gegensatz  zwischen  dem  chordalen  und 
prächordalen  Schädelabschnitt  für  durchgreifender  als  den  zwischen  dem  Palaeo- 
und  dem  Neocranium  und  schreibt  dem  ganzen  chordalen  Abschnitte  eine  einst- 
malige metamere  Segmentierung  zu.  Zugleich  vindiziert  er  den  ontogenetischen 
Einzelbefunden  eine  höhere  Bedeutung  uud  sieht  von  der  Möglichkeit,  daß  die  im 
Einzelfall  zur  Anlage  kommenden  Somite  nicht  mehr  die  ursprüngliche  Vollzahl 
darstellen,  ab.  Es  ist  klar,  daß  dadurch  seine  vergleichende  Bestimmung  der  hinteren 
Schädelgrenze  vielfach  anders  ausfällt  als  bei  Fürbringer.  Vor  ganz  kurzer  Zeit 
endlich  hat  Froriep  seine  frühere  Auffassung,  daß  in  der  Querebene  des  Vagus- 
austrittes die  Grenze  zweier  Schädelabschnitte  gelegen  sei,  eines  vorderen  präspinalen 
(ungegliederten)  und  eines  hinteren  spinalen  (gegliederten),  auf  Grund  neuer  Unter- 
suchungen bei  Torpedo  dahin  geändert,  daß  diese  Grenze  weiter  vorn,  am  vorderen 
Ende  des  zur  vollen  Entwickelung  kommenden  Chordaabschnittes,  zu  suchen  sei. 
Denn  bis  hierher  vermochte  F.  in  frühem  Embryonalstadiuin  Urwirbel  nachzuweisen, 
während  davor,  entsprechend  dem  vordersten  weichen  und  hinfälligen  Chordateil,  nur 
noch  ein  ungegliederter  Mesoblastabschnitt  folgt.  Alle  Kopfurwirbel  (13  bei  Torpedo) 
sind  metotisch,  da  die  Anlage  der  Ohrblase  auf  jüngstem  Stadium  über  den  vor- 
dersten Urwirbeln  liegt.  Später  verschiebt  sie  sich  kaudalwärts,  aber  in  demselben 
Maße  erfolgt  eine  Reduktion  der  Urwirbel  von  vorn  her,  eine  Auflösung  in  Mes- 
enchym,  aus  dem  das  Parachordale  hervorgeht.  Der  präspinale  Mesoblast  ist  unge- 
gliedert und  anfangs  von  geringer  Ausdehnung  (die  3  ersten  van  WuHE'schen 
Somite  sind  nicht  mit  Urwirbeln  auf  eine  Stufe  zu  stellen) ;  später  vergrößert  er  sich 
sehr  beträchtlich  und  bddet  auch  die  Matrix  für  sämtliche  Visceralbogen,  indem  er 
unterhalb  der  Urwirbel  kaudalwärts  vorwächst.  So  kommt  also  jetzt  auch  Froriep 
dazu,  die  Basis  des  ganzen  chordalen  Schädelabschnittes  als  einen  Teil  anzusprechen, 
in  dessen  Bereich  einmal  Urwirbel  lagen,  der  also  möglicherweise  selbst  einmal  ge- 
gliedert (spinal)  war  (was  auch  Gegenbaur  1887  aussprach);  ihm  würde  das  Gebiet 
der  Orbito-temporal-  und  Ethmoidalregion,  aber  auch  der  ganze  Visceralapparat  als 
präspinal  gegenüberstehen. 

Bei  der  Divergenz  der  Angaben  und  Anschauungen,  von  denen  ja  hier  nur  ein 
kleiner  Teil  berührt  wurde,  kann  von  einem  abschließenden  Urteil  hinsichtlich  des  Kopf- 
problems noch  keine  Rede  sein.  Hinsichtlich  des  Schädels,  der  eine  viel  spätere  Bildung 
darstellt  als  der  Kopf,  stehen  die  Dinge  wohl  etwas  günstiger,  und  die  FÜrbringer- 
sche  oben  ausführlich  auseinandergesetzte  Betrachtungsweise  scheint  mir  die  zu  sein, 
die  zur  Zeit  den   beobachteten  Thatsachen   am  meisten  gerecht  wird.     Sie  stellt  das 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  601 

neurale  Cranium  in  der  Ausdehnung,  wie  es  die  Cyclostomen  besitzen,  in  einen 
Gegensatz  zu  den  Teilen  des  Rumpfskelettes  und  läßt  es  sich  sekundär  aus  den  vor- 
dersten Teilen  des  letzteren  vergrößern.  Indem  sie,  von  den  Thatsachen  der  Gna- 
thostomenontogenese  ausgehend,  einen  Zustand  des  Craniums  postuliert,  dem  der  bei 
den  Cyclostomen  thatsächlich  entspricht,  zeigt  sie  die  Verhältnisse  bei  den  letzteren 
als  nicht  so  abseits  stehend,  daß  man  mit  ihnen  gar  nicht  zu  rechnen  brauchte. 
Vielmehr  wird  die  Frage  berechtigt,  ob  nicht  das,  was  die  Cyclostomen  zeigen,  viel- 
leicht noch  in  irgend  einer  anderen  Hinsicht  zur  Klärung  der  theoretischen  Vor- 
stellungen in  der  hier  behandelten  Frage  geeignet  ist.  Der  Gedanke,  der  sich  da 
aufdrängt,  ist  schon  von  Goette  (1875)  und  van  Wijhe  (1889)  ausgesprochen 
worden ;  es  ist  die  Erwägung  ob  nicht  überhaupt  der  Schädel  älter  ist  als  das  Rumpf- 
skelett. Bei  Petromyzon  ist  im  Ammocoetesstadium  ein  knorpeliges  Kopfskelett  bereits 
vorhanden,  während  Wirbelbogen  in  der  Rumpfregion  fehlen;  das  Orleiche  ist  der 
Fall  bei  der  erwachsenen  Myxine.  Auch  wenn  man  darin  einen  sekundären  Reduk- 
tionszustand sieht,  so  bleibt  zu  bedenken,  wie  häufig  die  Reduktion  ein  Zurück- 
smkeu  auf  eine  frühere  Stufe  bedeutet,  so  daß  der  reduzierte  Zustand  einen  primitiven 
imitiert.  Zum  mindesten  erscheinen  beide  Teile  als  gleichwertig  einander  gegenüber- 
stehend, und  damit  muß  es  als  möglich  zugegeben  werden,  daß  das  ganze  Unter- 
nehmen, den  Gesamtschädel  aus  der  Wirbelsäule  abzuleiten  und  als  Modifikation 
derselben  zu  erkennen,  von  irrtümlicher  Voraussetzung  ausging,  worauf  van  Wijhe 
schon  1889  aufmerksam  machte. 

b)  Weitere,  das  Palaeocraniuin  betreffende  Fragen.    Bedeutung  seiner 

Komponenten. 

Es  bleibt  nun  noch  die  Frage,  ob  der  vor  der  Occipitalregion  gelegene  Ab- 
schnitt des  Primordialcraniums,  das  Palaeocranium ,  an  dem  eine  metamere  Gliederung 
wahrscheinlich  nie  bestand,  genetisch  als  eine  ganz  einheitliche  Bildung  anzusprechen 
ist,  oder  ob  etwa  hier  irgend  eine  andere  Gliederung,  eine  Zusammensetzung  aus 
einzelnen  Stücken  irgend  welcher  Art,  als  der  ursprüngliche  Zustand  betrachtet 
werden  muß.  Hierüber  ist  noch  lange  nicht  die  Einigung  erzielt,  die  bezüglich  der 
Occipitalregion,  wenigstens  von  den  meisten  Seiten,  anerkannt  wird.  Die  Entwicke- 
lung des  Palaeocraniums  zeigt  Vorgänge,  die  die  Vorstellung,  daß  dieser  Teil  ur- 
sprüngbch  aus  einzelnen  selbständigen  Stücken  bestand,  die  erst  sekundär  mitein- 
ander verschmolzen,  in  Konkurrenz  treten  lassen  mit  der  anderen,  daß  er  von  vorn- 
herein eine  in  sich  zusammenhängende  Knorpelkapsel  bildete.  Es  ist  also  hier  auch 
die  Frage  nach  der  Bedeutung  der  ontogenetisch  selbständig  auftretenden  Kom- 
ponenten des  Knorpelschädels  zu  erörtern. 

Daß  bei  der  Bildung  des  Neurocraniums  einzelne  Partieen  mit  größerer  Selb- 
ständigkeit auftreten,  daß  also  ontogenetisch  eine,  bei  den  verschiedenen  Wirbeltieren 
verschieden  deutlich  ausgeprägte  Diskontinuität  des  Knorpelschädels  zu  konstatieren 
ist,  ist  zweifellos.  Die  theoretische  Spekulation  hat  jene  Teile  auch  als  phylogenetisch 
selbständige  Stücke  (Elementarkomponenten,  Sewertzoff)  angesprochen  und  vor 
allem  zweierlei  Skelettelemente  am  Knorpelschädel  auseinandergehalten:  axiale  Teile 
und  Sinneskapseln.  Diese  Vorstellung  ist  schon  alt;  für  die  Ohrkapsel  hat  schon 
Rathke  (1839)  eine  Sonderstellung  postuliert  (für  das  Os  petrosiim  geschah  das 
Gleiche  sogar  schon  durch  Oken),  und  mehrfach  hat  auch  Huxley  über  jene  Auf- 
fassung gehandelt  (1858,  1864,  1874).  Huxley  weist  auf  die  Sklerotikalknorpel  hin,  die 
selbständige  Sinneskapsebi  repräsentieren,  und  stellt  diesen  die  bei  der  Entstehung 
selbständigen  Ohrkapseln  an  die  Seite.  Bezüglich  der  Nasenkapseln  ist  er  allerdings 
sehr  vorsichtig  und  hält  es  für  besser,  weitere  Beweise  für  ihre  einstige  Selbständig- 
keit abzuwarten.  So  bleiben  ihm  von  den  Komponenten  des  Knorpelschädels  nur 
die  Ohrkapseln  als  ,, paraneurale"  Elemente  übrig.  Bestimmter  hinsichtlich  der  Sinnes- 
kapseln ist  Goette  (1875);  die  Befunde  bei  Bombinator,  wo  die  Nasenkapseln  in 
der  That  eine  deutliche  Selbständigkeit  der  Entstehung  zeigen,  bestimmen  ihn,  Nasen- 
und  Ohrkapseln  mit  den  Sklerotikalknorpeln  anf  eine  Stufe  und  damit  als  specifische 
Elemente  den  axialen  Schädelteilen  gegenüberzustellen.  Eine  kritische  Nachprüfung 
und  Erörterung  erfuhr  die  Nasenkapsel bildung  bei  den  Anuren  durch  Born  (1877). 
Born  kam  dabei  zu  dem  Schluß,  daß  diese  Selbständigkeit  nur  die  Folge  der  langen 
Larvenperiode  bei  den  Anuren  mit  den  vielen  provisorischen  Bildungen,  namentlich 
dem  larvalen  Kieferapparat,  ist;  schon  bei  den  Urodelen  entsteht  das  Nasenskelett 
in  engerem  Anschluß  an  die  Trabekelhörner.  Wie  hierdurch  die  ursprüngliche 
Selbständigkeit  der  Nasenkapseln  sehr  zweifelhaft  wurde,  so  geschah  das  Gleiche 
mit  der  Auffassung  von  der  selbständigen  Bedeutung  der  Ohrkapseln  durch  die  Be- 
funde von  Stöhr.  Stöhr  konstatierte  zwar,  daß  die  Verknorpelung  der  Ohrkapsel 
bei  Urodelen  und  Anuren  selbständig  am  lateralen  Bogengang  beginnt,  und  daß 
•erst  nachträglich  eine  Vereinigung  dieses  periotischen  Knorpels  mit  dem  parachordal 


602  E.  Gaupf, 

entstandenen  erfolgt,  kommt  aber  dazu,  das  Gewebe,  in  dem  jene  periotische  Ver- 
knorpelung  auftritt,  als  Abschnitt  des  mesotischen  (parachordalen)  Gewebes  zu  be- 
trachten. Eigene  Untersuchungen  führten  mich  (1893)  dazu,  schärfer  die  Thatsache 
zu  betonen,  daß  mindestens  bei  den  Amphibien  die  Ohrkapsel  nur  zum  Teil  von  dem 
äußeren  Bogengang  aus  verknorpelt,  ihren  medialen  und  ventralen  Abschluß  aber 
durch  Knorpel  erhält,  der  im  Anschluß  an  das  Parachordale  entsteht,  so  daß  jeden- 
falls von  der  selbständigen  Bildung  einer  völlig  geschlossenen  Ohrkapsel  nicht 
die  Rede  sein  kann.  Dagegen  glaubte  ich  allerdings  die  medialwärts  offene  und  der 
Ergänzung  bedürftige  periotische  Kapsel  in  schärferen  Gegensatz  zu  dem  parachor- 
dalen Knorpel  stellen  zu  müssen,  als  das  von  Stöhr  geschah.  Die  Angaben,  die 
Sewertzoff  (1899)  von  den  Verhältnissen  bei  den  Selachiern  macht,  sprechen  wieder 
zu  Gunsten  der  Vorstellung,  daß  die  Ohrkapsel  nur  eine  specielle  Anpassung  der 
lateralen  Schädelwand  darstellt :  die  Ohrkapsel  entsteht  nach  Sewertzoff  bei  Acan- 
thias  zuerst  als  tellerförmige  laterale  Verbreiterung  des  Parachordale.  Hier  scheint 
also  (was  allerdings  sehr  merkwürdig  wäre !)  nicht  einmal  die  Verkuorpelung  eine 
selbständige  zu  sein.  Unter  diesen  Umständen  kann  auch  jetzt  über  die  Bedeutung 
der  Ohrkapseln  als  selbständiger  Sinneskapseln  etwas  Bestimmtes  noch  nicht  be- 
hauptet werden,  wenn  auch  für  diese  Selbständigkeit  manches  spricht.  Für  die 
Nasenkapseln  ist  die  Auffassung,  daß  sie  lediglich  besondere  Anpassungen  des  vor- 
dersten Schädelabschnittes  darstellen,  dessen  ursprüngliche  Bedeutung  dann  in 
anderen  Momenten  (Wasserbrecher,  Stütze  des  Kieferapparates)  zu  suchen  wäre,  die 
wahrscheinlichere. 

Auch  bei  der  Entstehung  des  axialen  Schädelabschnittes  läßt  sich  das  Auf- 
treten mehrerer  selbständig  scheinender  Stücke  feststellen.  Zunächst  ist  hier  der 
präoccipitale  Teil  des  Parachordale  jeder  Seite  zu  nennen  (wo  der  occipitale  Teil  des- 
selben in  Kontinuität  mit  dem  präoccipitalen  auftritt,  ist  das  als  sekundär  abge- 
kürzter Entwickelungsmodus  aufzufassen).  Stellen  die  präoccipitalen  Abschnitte  der 
Parachordalia  selbständige  morphologische  Elemente  dar?  Hatschek  meint  es  (1892), 
indem  er  aus  dem  Verhalten  bei  Petromyzou  folgert,  daß  sie  dorsale  Stücke  von 
Kiemenbogen  darstellen.  Sewertzoff  (1892)  widerspricht  dem  auf  Grund  entwicke- 
lungsgeschichtlicher  Thatsachen  (siehe  Cyclostomen).  Ganz  unklar  ist  vorläufig,  ob 
den  beiden  Abschnitten  des  Parachordale,  die  bei  Amphibien  und  Teleostiern  als 
mesotischer  Knorpel  und  Balkenplatte  beschrieben  sind,  selbständige  Bedeutung  zu- 
kommt. Im  prächordalen  Schädelabschnitt  sind  es  vor  allem  die  Trabekel,  die  als 
selbständige  Elemente  in  der  Ontogenese  auftreten.  Ueber  ihre  morphologische  Be- 
deutung sind  mehrere  grundverschiedene  Ansichten  geäußert  worden.  Nach  der  einen 
(HuxLEY  1874)  stellen  sie  ein  Visceralbogenpaar  dar  —  man  hat  sie  in  der  Folge 
(Parker)  direkt  als  präorale  Kiemenbogen  bezeichnet.  Auch  in  neuester  Zeit  findet 
diese  Vorstellung  wieder  Anhänger  (Hatschek,  Kupffer  1893 ,  J.  B.  Platt, 
HowES  and  Swinnerton).  Eine  diametral  entgegengesetzte  Anschauung  vertrat 
GoETTE  (1875) :  danach  sind  die  Trabekel  als  basalwärts  niedergelegte  Wirbelbogen 
aufzufassen.  Gegen  beide  Vorstellungen  hat  sich  sehr  entschieden  schon  Kölliker 
(1879)  ausgesprochen,  der  überhaupt  die  selbständige  Bedeutung  der  Trabekel  be- 
streitet unter  Hinweis  darauf,  daß  derartige  Gebilde  bei  Säugern  und  dem  Menschen 
gar  nicht  abgrenzbar  sind.  Ich  selbst  habe  mich  mehrfach  ebenfalls  (zuerst  1893} 
dagegen  ausgesprochen,  den  Trabekeln  eine  besondere  morphologische  Bedeutung 
zuzuerkennen.  Indem  ich  mich  auf  den  Boden  der  Grundanschauung  stelle,  die 
HuxLEY  im  Jahre  1858  aufgestellt  hat  und  die  schließlich  auch  die  Anschauung 
der  meisten  neueren  Forscher  ist,  daß  die  knorpelige  Schädelkapsel  ein  Gebilde  per 
se  repräsentiere,  hervorgegangen  aus  einer  Verkuorpelung  des  Bindegewebes  in  der 
Umgebung  des  Gehirns,  betrachte  ich  die  Trabekel  nur  als  die  zuerst  und  immer 
verknorpelnden  Partieen  des  Primordialcraniums,  deren  Konstanz  in  der  Wirbeltier- 
reihe sich  dadurch  erklärt,  daß  sie  die  ersten  Repräsentanten  einer  stützenden  Basis 
im  vorderen  Schädelabschnitt  sind.  Neuerdings  schreibt  Sewertzoff  (1899  und 
1900)  auch  dem  Seitenwandknorpel  der  Orbito-temporalregion  eine  selbständige 
morphologische  Bedeutung  (als  „Elementarkomponente"  des  Craniums)  zu,  mit  Rück- 
sicht auf  die  Thatsache,  daß  derselbe  selbständig,  d.  h.  nicht  in  unmittelbarer  Kon- 
tinuität mit  der  Trabekel,  verknorpelt.  (Die  Thatsache  au  sich  ist  durch  Goette 
für  alle  Gnathostomen  betont,  durch  Salensky  für  Acipenser,  durch  mich  selbst 
für  Rana,  durch  J.  B.  Platt  für  Necturus,  durch  Sewertzoff  für  Acanthias  fest- 
gestellt worden.)  Der  Umstand,  auf  den  Sewertzoff  aufmerksam  macht:  daß  bei 
Acanthias  jener  selbständige  Seitenwandknorpel  sich  in  Zusammenhang  mit  der 
Augenmuskulatur  entwickelt,  könnte  als  Stütze  dafür  genommen  werden,  daß  in  der 
That  der  Knorpel  einmal  als  selbständiges  Gebilde  auftrat,  doch  trage  ich  einstweilen 
Bedenken,  mich  dieser  Anschauung  anzuschließen.  Bei  Cyclostomen  entsteht,  soweit 
bekannt,  die  orbito-temporale  Schädelseitenwand  in  Kontinuität  mit  der  Trabekel. 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  603 

Bei  den  ungenauen  und  lückenhaften  Kenntnissen,  die  wir  bisher  über  die 
Ontogenese  des  Primordialcraniums  besitzen,  erscheint  es  jedenfalls  angebracht,  mit 
allgemeinen  Schlüssen  aus  Einzelbefunden  vorsichtig  zu  sein.  Wenn  man  beachtet, 
wie  z.  B.  in  der  Occipitalregion,  in  der  das  Knorpelbildungsraaterial  verschiedenen 
Quellen  entstammt  und  wohl  auch  phylogenetisch  früher  metamere  Skelettelemente 
hervorbrachte,  doch  einheitlich  verknorpelt,  ohne  bei  der  Verknorpelung  die  ursprüng- 
liche Gliederung  zu  repetieren,  wenn  man  ferner  sieht,  wie  verschieden  sich  die 
Verknorpelungsprozesse  an  den  Balken  und  dem  präoccipitalen  Teil  der  Basalplatte 
abspielen,  wenn  man  endlich  findet,  daß  ein  Skeiettstück  ganz  selbständig  verknorpeln 
kann,  das  bei  anderen  Formen  als  Fortsatzbildung  an  einem  anderen  Element,  in 
Kontinuität  mit  diesem  letzteren ,  entsteht  (Proc.  ascendens  palatoquadrati  bei 
den  Sauriern  einerseits,  bei  den  Amphibien  andererseits),  so  ist  ein  Mißtrauen 
gegenüber  der  phylogenetischen  Verwertbarkeit  eines  bestimmten  Verknorpelungs- 
modus  nur  zu  begründet.  Daß  das  Chondrocranium  sich  innerhalb  des  Wirbeltier- 
stammes bildete,  kann  wohl  als  sicher  behauptet  werden.  Schon  in  der  niedersten 
uns  bekannten  Form  (bei  den  Cyclostomen")  stellt  sein  neuraler  Abschnitt  eine  in 
sich  zusammenhängende,  das  Gehirn,  Geruchs-  und  Gehörorgan  umgebende,  lücken- 
hafte Kapsel  dar,  und  ebenso  präsentiert  es  sich  bei  den  anderen  Wirbeltieren  in 
embryonaler  Zeit  auf  der  Höhe  seiner  Ausbildung.  Ein  Wirbeltier,  in  dem  es  in 
ausgebildetem  Zustande  aus  einzelnen  Stücken  bestände,  ist  nicht  bekannt.  Die 
Möglichkeit,  daß  einzelne  Skelettelemente  ursprünglich  selbständig  auftraten  und 
erst  sekundär  zu  einem  Continuum  verschmolzen,  und  daß  auch  der  chordale  und 
der  prächordale  Teil  des  Palaeocraniuras  einmal  unabhängig  voneinander  waren, 
muß  zugegeben  werden,  aber  auch  die  Ansicht  läßt  sich  vertreten,  daß  das  Knorpel- 
cranium  von  vornherein  als  ein  Continuum  entstand,  anfangs  vielleicht  als  ein  un- 
vollständiges von  weiten  Oeffnungen  durchbrochenes  Gerüst  (wie  auch  ontogenetisch 
vielfach  das  Anfangsgerüst  sehr  lückenhaft  ist  und  erst  nachträglich  durch  Ein- 
engung der  Lücken  geschlossenere  Wände  erhält),  aber  doch  in  sich  zusammen- 
hängend. Den  Ohrkapseln  ist' vielleicht  noch  am  ehesten  eine  selbständige  Bedeutung 
zuzuschreiben. 

Zum  Schluß  mag  aber  auch  hier  darauf  hingewiesen  sein,  daß  alle  Teile  des 
Knorpelschädels  weitgehende  Umbildungen  erfahren  können,  wodurch  häufig  die  ur- 
sprünglichen Beziehungen  geändert  werden.  Das  ist  beim  Gebrauch  der  von  formalen 
und  funktionellen  Beziehungen  abgeleiteten  Bezeichnungen,  Basalplatte,  Ohrkapsel, 
Nasenkapsel  u.  s.  w.  zu  beachten:  sie  bedeuten  nicht  immer  morphologisch  gleich- 
wertige Teile  (siehe  z.  B.  über  die  Ohrkapsel  p.  583). 

c)  Schicksal  des  Primordialcraniums  in  der  Crnathostomenreihe. 

Positivere  Angaben  lassen  sich  machen  über  den  Charakter  der  Veränderungen, 
die  das  Primordialcranium  in  der  Reihe  der  Gnathostomen,  von  den  Selachiern  an 
aufwärts,  durchmacht.  Eine  sehr  wichtige  Veränderung,  die  Angliederung  neuer 
spinaler  Skelettelemente  an  die  Occipitalregion  des  neuralen  Craniums,  wurde  schon 
oben  in  einem  speciellen  Abschnitt  behandelt.  Aber  auch  die  anderen  Regionen  des 
neuralen  Craniums  sowie  die  Elemente  des  Visceralskelettes  zeigen  in  ihrer  speciellen 
Gestaltung  und  Ausbildung  recht  beträchtliche  Verschiedenheiten.  Soweit  es  mög- 
lich ist,  dieselben  jetzt  schon  zu  überblicken,  kommen  wesentlich  drei  Kategorieen 
von  Erscheinungen  zur  Beobachtung:  Reduktion,  progrediente  Eu  twicke- 
lung,  Umformung  (Gaupp  1901). 

Die  Reduktionen  zeigen  sich  vor  allem  in  der  Lückenhaftigkeit,  die  die 
Primordialkranien  verschiedener  Wirbeltiere  auch  auf  dem  Zustande  höchster  Aus- 
bildung darbieten.  Die  verbreitetste  Defektbildung  des  Neurocraniums  findet  sich 
an  der  Decke  des  Cavum  cranii:  nur  bei  einigen  niederen  Fischen  kommt  ein 
vollständiges  knorpeliges  Dach  der  Schädelhöhle  zur  Ausbildung,  während  dasselbe 
bei  höheren  Formen  meist  nur  auf  einen  schmalen  Deckenabschnitt  der  Labyrinth- 
region (Tectum  synoticum)  beschränkt  bleibt  oder  selbst  ganz  unterdrückt  wird. 
Auch  die  Schädelbasis  zeigt  häufig  Lückenbildungen  t^Fenestra  basicraniahs 
posterior  im  chordalen,  Fen.  basicranialis  anterior  im  prächordalen  Abschnitt;  beide 
können  zusammenfließen).  Die  Schädelseitenwand  kann  besonders  in  der 
Orbito-temporalregion  ausgedehnte  Lücken  darbieten,  ja  fast  völlig  verschwinden 
(Säuger) ;  in  der  Labyrinthregion  kommt  die  mediale  Ohrkapselwand  manchmal  nicht 
zur  Ausbildung  (Ganoiden  und  Teleostier),  die  Wände  der  Nasenkapseln  können  aus- 
gedehnte Defekte  aufweisen.  —  Da  wir  über  den  phylogenetischen  Zusammenhang  der 
Formen,  sowie  über  das  ursprüngliche  Aussehen  des  Knorpelschädels  nur  ungenügend 
informiert  sind ,  so  läßt  sich  im  einzelnen  nicht  immer  sagen ,  ob  jenen  Defekt- 
bildungen der  Charakter  von  phylogenetischen  Reduktionen  zuzuschreiben  ist,  die 
an   einem   früher  vollständigeren  Zustand   einsetzen,   oder  ob   nicht   primitive   Ver- 


604  E.  Gaupp, 

Mltnisse  vorliegen ;  in  vielen  Fällen  handelt  es  sich  aber  ganz  zweifellos  um  Re- 
duktionen, ja,  gelegentlich  läßt  sich  der  Vorgang  der  Keduktion  noch  bis  in  die 
Ontogenese  hinein  verfolgen :  indem  an  manchen  Stellen  die  vorknorpelige  Anlage 
ausgedehnter  ist  als  die  später  an  ihre  Stelle  tretende  Knorpelpartie. 

Eine  andere  Art,  wie  sich  die  Reduktion  äußern  kann,  ist  z.  B.  das  Auftreten 
einer  einzigen  Oeffnung  (für  Nerven  u.  s.  w.)  statt  zweier,  was  oft  auf  Unterdrückung 
der  ursprünglich  trennenden  Brücke  zurückzuführen  ist,  u.  a.  Im  Gebiete  des 
visceralen  Abschnittes  des  Chondrocraniums  sind  Reduktionen  ebenfalls  in  großem 
Umfange  zu  konstatieren;  sie  betreffen  die  Ausbildung  aller  Teile  desselben,  äußern 
sich  hier  aber  nicht  in  Fensterbildungen,  sondern  in  völligem  Fortfall  ganzer  Stücke 
oder  Ablösung  solcher  von  dem  Mutter boden. 

Der  Grund  für  solche  Reduktionen  kann  in  verschiedenen  Momenten  gegeben 
sein,  und  man  muß  sich  auch  hier  hüten,  alles  nach  einem  Schema  beurteilen  zu 
wollen.  So  können  gegen  das  Knorpelskelett  andrängende  Weichteile  dasselbe  in 
seiner  Ausbildung  hemmen  und  phylogenetische  Reduktionen  veranlassen  (so  das 
sich  vergrößernde  Gehirn);  auch  Momente,  die  sich  einer  genaueren  Analyse  bisher 
entziehen,  können  in  Frage  kommen  (so  scheint  bei  den  Anuren,  die  auf  eine  Ver- 
kürzung des  Gesamtkörpers  hinzielende  Tendenz  auch  am  Schädel  wirksam  zu  sein 
und  außer  der  Verkürzung  der  Occipitalregion  auch  den  Zusammenfluß  mancher 
Nervenlöcher  zur  Folge  zu  haben);  bei  weitem  der  häufigste  Grund  für  eine  mangel- 
hafte Ausbildung  des  Primordialcraniums,  speciell  für  Lückenbildungen  ist  aber 
wohl  das  Auftreten  der  Knochen,  die  ihrerseits  einen  viel  besseren  und  festeren 
Schädel  zu  bilden  vermögen  als  das  Chondrocranium.  Daher  finden  sich  häufig 
Fensterbildungen  im  Chondrocranium  unter  Deckknochen,  aber  auch  wo  die  Knochen 
nicht  direkt  dem  Knorpelschädel  aufliegen ,  sondern  in  größerer  Entfernung  von 
diesem  auftreten,  können  sie  eine  Entwertung  des  letzteren  und  damit  seine  lücken- 
hafte Ausbildung  zur  Folge  haben.  Der  Umstand,  daß  bei  den  Selachiern,  wo  noch 
keine  Knochen  bestehen  und  bei  den  Knorpelganoiden,  wo  dieselben  zum  erstenmal 
mit  dem  Knorpelschädel  in  Konkurrenz  treten,  der  letztere  am  vollständigsten  und 
kräftigsten  ist,  redet  dieser  Auffassung  das  Wort.  Vielfach  läßt  sich  dabei  erkennen, 
daß  Nerven  und  sonstige  Oeffnungen  des  Chondrocraniums  die  Stellen  sind,  von 
denen  phylogenetisch  Fenestrationen  mit  Vorliebe  ausgehen  (Sagemehl).  Manche 
Autoren  scheinen  zu  meinen,  daß  die  Vorgänge  der  Reduktion  sich  alle  noch  in  der 
Ontogenese  einer  Einzelform  abspielen  müßten,  daß  also  beispielshalber  eine  fene- 
strierte,  in  einzelne  Spangen  aufgelöste  Wand  nur  dann  als  Reduktionsbildung  ge- 
deutet werden  dürfe,  wenn  sie  in  der  Ontogenese  erst  solide  gebildet  würde  und 
dann  in  ihr  durch  Materialschwuud  die  Lücken  aufträten.  Mit  demselben  Rechte 
könnte  man  verlangen,  daß  in  der  Ontogenese  der  Schlangen  die  Extremitäten  erst 
zur  vollen  Entwickelung  kommen  und  dann  wieder  verkümmern  sollten,  um  die  Ab- 
leitung der  Schlangen  von  Extremitäten  besitzenden  Formen  für  bewiesen  anzunehmen. 
Es  kommt  gewiß  vielfach  vor,  daß  bereits  gebildete  Knorpelteile  in  der  Ontogenese 
wieder  zu  Grunde  gehen,  und  daß  somit  auch  embryonal  Fenestrierungen  einer  vorher 
einheitlichen  Wand  auftreten ;  daraus  folgt  aber  nicht,  daß  das  immer  so  sein  muß. 
Es  liegen  genug  Beweise  dafür  vor,  daß  die  Knorpelbildung  auch  von  vornherein 
unterdrückt,  und  daß  auch  ein  Spangengerüst,  das  von  vornherein  als  solches  auf- 
tritt, als  Rest  einer  früher  einheitlichen  Wand  zu  betrachten,  sein  kann.  Dabei 
können  die  Spangen  selbst  von  einer  bestimmten  Stelle  aus  vorwachsen  und  so  die 
als  Lücken  erhalten  bleibenden  Partieen  geradezu  umwachsen. 

Neben  den  Reduktionserscheinungen  lassen  sich  solche  progredienter  Ent- 
wickelung erkennen.  Sie  betreffen  einzelne  Teile  des  Knorpelschädels  und  sind 
selbst  bei  den  Säugern  noch  zu  konstatieren,  deren  Frimordialcranium  somit  gar 
nicht  in  allen  Teilen  etwa  das  reduzierteste  darstellt.  Beispiele  bieten  das  Ethmoidal- 
skelett,  die  Ala  temporalis,  das  Tectum  synoticum,  manche  Partieen  der  Ohrkapsel 
der  Säuger  u.  a.  Sie  zeigen,  daß  man  nicht  von  einer  Entwickelungskurve  des  ge- 
samten Chondrocraniums  sprechen  kann,  sondern  daß  die  einzelnen  Abschnitte 
ihre  besondere  Entwickelung  unter  der  Einwirkung  besonderer  Faktoren  durch- 
machen. Das  hängt  zusammen  mit  der  Bedeutung,  die  das  Chondrocranium  in  der 
Embryogenese  besitzt.  Hierauf,  wie  auf  die  wichtige  Konsequenz,  daß  reichlichere 
Ausbildung  von  Knorpel  nicht  ohne  weiteres  als  Ausdruck  tieferer  phylogenetischen 
Stellung  anzusehen  ist,  wurde  bereits  S.  5i)3  hingewiesen. 

Endlich  läßt  das  Chondocranium  zahlreiche  Umbildungen  einzelner  Partieen 
bei  den  verschiedenen  Wirbeltierformen  erkennen ,  die  auf  eine  sehr  weitgehende 
formale  Anpassungsfähigkeit  des  chondroblastischon  Älaterials,  aus  dem  jenes  sich 
aufbaut,  schließen  lassen.  Solche  Umformungen  sind  in  allen  Regionen  des  neuralen 
Craniums  zu  konstatieren  und  können  auch  dazu  führen,  daß  die  ursprünglichen 
Beziehungen  der  Skelettabschnitte  verwischt  erscheinen. 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  605 

Bei  Teleostierii  wird  (nach  Sagemehl)  ein  Teil  der  Occipitalregion  zur  Bergung 
des  Labyrinthes  herbeigezogen,  bei  Aranioten,  speciell  bei  den  Säugern,  erfährt  ein 
Teil  der  Basalplatte  eine  entsprechende  Umgestaltung,  zur  Bergung  des  Ductus 
cochlearis.  In  der  Orbito-temporalregion  bietet  die  Ausbildung  des  Septum  inter- 
orbitale bei  Teleostiern  und  Aninioten  (namentlich  den  Vögeln)  ein  besonders 
drastisches  Beis2)iel  für  die  Beeinflussung  des  Knorpelskelettes  durch  die  umliegenden 
Organe  (Augen).  Das  Ethmoidalskelett  zeigt  solche  in  sehr  großer  Mannigfaltigkeit, 
bedingt  durch  die  sehr  vielgestaltigen  Ausbildungen  der  Geruchsorgane.  Endlich 
äußert  aber,  wie  selbstverständlich,  auch  das  Gehirn  einen  sehr  wesentlichen  Einfluß 
auf  die  Gestaltung  des  Primordialschädels,  bedingt  Umformungen  neben  Reduktionen 
und  Neubildungen,  so  daß  selbst  das  Cavum  cranii  durchaus  keine  konstante 
Größe  in  der  Wirbeltierreihe  darstellt  (s.  Säuger). 

Alle  die  kurz  berührten  Vorgänge  sind  Beweise  für  die  formale  Abhängigkeit 
des  Skelettmaterials  von  den  auf  dasselbe  wirkenden  Einflüssen ;  sie  zeigen ,  daß 
zwischen  Material  und  Form  zu  unterscheiden  und  daß  ein  Verständnis  der  ver- 
schiedenen Bildungen  ohne  Berücksichtigung  der  Weichteile  und  sonstigen  auf  das 
Skelett  wirkenden  Momente  nicht  zu  erlangen  ist. 


^ö^ 


d)  Die  Geschichte  der  Gehörkuöchelcheu. 

Zu  den  interessantesten  Fragen  auf  dem  Gebiete  der  Schädelmorphologie  ge- 
hörtr  die  nach  der  Herkunft  und  Geschichte  der  Gehörknöchelchen,  d.  h.  der  Skelett- 
elemente, die  als  Teile  der  mittleren  Ohrsphäre  die  Schallzuleitung  zu  dem  inneren 
Ohr  besorgen.  Wir  haben  es  hier  mit  einem  Apparat  zu  thun,  der,  funktionell  überall 
dem  gleichen  Zwecke  dienend,  doch  morphologisch  in  sehr  verschiedener  Weise  zu- 
sammengesetzt ist.  Amphibien ,  Sauropsiden  und  Säuger  repräsentieren  die  drei 
Gruppen,  bei  denen  er  sich  findet,  und  jede  derselben  läßt  einen  ganz  besonderen 
Typus  seiner  Ausbildung  erkennen. 

In  seiner  einfachsten,  vor  allem  bei  vielen  Urodelen  anzutreffenden.  Form  wird 
er  repräsentiert  durch  eine  eiofache  Knorpelplatte,  die  die  Fenestra  vestibuli  der 
Ohrkapsel  verschUeßt,  das  Operculum.  Auf  einer  höheren,  ebenfalls  bei  Urodelen  zu 
findenden  Ausbildungsstufe  erscheint  die  Platte  verbunden  mit  einem  kurzen  Stiel, 
dessen  freies  Ende  in  verschiedener  Weise  mit  dem  Palatoquadratum  verbunden  ist, 
meist  au  dieses  anstößt.  Der  Umstand,  daß  der  Stiel  in  einigen  Fällen  über,  in  anderen 
unter  dem  N.  facialis  verläuft,  läßt  den  Schluß  zu,  daß  es  sich  nicht  immer  um  die 
morphologisch  gleichwertige  Bildung  handelt.  Die  Apoden  schließen  sich  den  Urodelen 
an.  Die  höchste  Ausbildung  endlich  findet  sich  bei  Anuren:  mit  dem  Operculum 
ist  durch  Bindegewebe  ein  selbständiges  Stäbchen,  Plectrura,  verbunden,  dessen 
distales  Ende  in  ein  besonderes  unter  der  Haut  gelagertes  Trommelfell  eingelassen  ist. 
Die  Ausbildung  einer  geräumigen  Paukenhöhle  steht  in  engster  Verknüpfung  mit 
jener  Einrichtung. 

Der  geschilderte  Apparat  der  Amphibien,  mag  er  aus  einem  einfachen  Operculum, 
einem  Operculum  mit  Stiel  oder  aus  Operculum  und  Plectrum  bestehen,  heiße 
C  0 1  u  m  e  1 1  a  a  u  r  i  s  (s.  p.  583).  Die  Entwickelungsgeschichte  hat  über  seine  Herkunft 
bisher  nur  ergeben,  daß  er  in  engstem  Zusammenhang  mit  der  Ohrkapsel  entsteht,  so 
daß  die  nüchterne,  nicht  durch  andere  Erwägungen  beeinflußte  Beurteilung  der  onto- 
genetischen  Vorgänge  nur  dahin  gehen  kann,  daß  die  Columella  der  Amphibien 
labyrinthären  Ursprungs  ist.  Höchstens  könnte  dem  äußersten  Ende  des  Stieles  bei 
Apoden  und  dem  des  Plectrums  bei  Anuren  eine  gewisse  Sonderstellung  eingeräumt 
werden :  es  scheint  —  ist  aber  nicht  völlig  bewiesen  —  daß  an  seiner  Bildung  Material 
Anteil  hat,  das  vom  Palatoquadratum  stammt.  Worauf  aber  besonders  Wert  gelegt 
werden  muß,  ist,  daß  bisher  noch  bei  keinem  Amphibium  ein  genetischer  Zusammen- 
hang der  Columella  mit  dem  Hyalbogen  nachgewiesen  wurde.  Was  die  Aneinander- 
reihung der  einzelnen  Amphibieneinrichtungen  aneinander  anlangt,  so  ist  es  sehr 
fraglich,  ob  das  einfache  Operculum  den  Ausgangszustand  repräsentiert;  das  Oper- 
culum mit  an  das  Quadratum  stoßendem  Stiel  scheint  das  ursprünglichere  zu  sein, 
und  der  Gedanke  liegt  nahe,  daß  die  Columella  in  dieser  Form  die  Hyomandibula 
der  Fische  repräsentiert,  die  ebenfalls  zwischen  der  Ohrkapsel  und  dem  Palato- 
quadratum liegt.  Man  könnte  sich  vorstellen,  daß  ein  wie  die  Hyomandibula  ange- 
ordnetes Skelettstück  bei  einem  terrestrischen  Wirbeltier  Erschütterungen  des  Bodens, 
dem  das  Tier  mit  dem  Mundhöhlenboden  aufliegt,  vom  Quadratum  aus  aufnahm  und 
weiter  zur  Ohrkapsel  leitete  und  dadurch  den  Anstoß  gab  zur  Enstehung  einer 
Fenestrierung  der  Ohrkapsel  an  der  Anlagerungsstelle  (Fenestra  vestibuli).  Daß  das 
Plectrum  der  Anuren  einen  selbständig  gewordenen  und  mit  seinem  distalen  Ende 
verlagerten  Stilus  darstellt,  ist  wohl  sehr  wahrscheinlich. 

Gegenüber  diesem  Amphibientypus  steht  der  Säur  opsidentypus  des  schall- 
leitenden Apparates.    Im  Zustand  voller  Ausbildung,  wie  ihn  z.  B.  die  meisten  Saurier 


606  E.  Gaupp, 

zeigen,  wird  er  durch  eine  Coluiuella  hergestellt,  die  mit  ihrem  medialen  Ende  die 
Fenestra  vestibuli  verschließt,  mit  dem  lateralen  in  ein  Trommelfell  eingelassen  ist. 
Aber  diese  Columella  zeigt  eine  wichtige  Besonderheit:  eine  Zusammensetzung  aus 
zwei  Teilen,  von  denen  der  mediale,  ossifizierte  den  Namen  Stapes,  der  laterale, 
stets  knorpelig  bleibende  die  Bezeichnung  Ext  racol  um  eil  a  (Gadow)  erhalten  hat. 
Die  Art  der  Verbindung  beider  Teile  schwankt  von  wahrer  Gelenkbildung  bis  zu 
kontinuierlicher  Verschmelzung.  In  der  speciellen  Ausgestaltung  beider  Teile  zeigen 
die  einzelnen  Sauropsidenformen  Verschiedenheiten,  aber  der  geschilderte  Grundplan 
ist  der  gleiche,  wofern  nicht,  was  in  manchen  Gruppen  beobachtet  wird,  Reduktions- 
erscheinungen vorliegen,  Rückbildung  der  schallleitenden  Einrichtungen  in  Zusammen- 
hang mit  bestimmten  Besonderheiten  der  Lebensweise. 

Wie  im  Aufbau,  so  zeigt  der  geschilderte  Apparat  auch  in  der  Genese  bei  allen 
Sauropsiden  eine  wichtige  Uebereinstimmung :  den  embryonalen  Zusammenhang  der 
Columella  mit  dem  Zungenbeinbogen,  und  der  hyale  Ursprung  der  Sauropsiden- 
columella  ist  denn  auch  von  verschiedenster  Seite  ausgesprochen  worden.  So  geschah 
€s  schon  durch  Reichert  (1837)  für  die  Columella  der  Vögel,  durch  Rathke  (1839) 
für  die  Columella  der  Schlangen.  Als  dann  der  labyrinthäre  Ursprung  der  Amphibien- 
columella  so  viel  Wahrscheinlichkeit  gewann,  glaubte  C.  K.  Hoffmann  (1889)  eine 
Vermittelung  herstellen  zu  können,  indem  er  die  ontogenetischen  Bilder  bei  Lacerta, 
die  das  Zungen beinbogenblastem  frühzeitig  durch  die  Columellaanlage  in  das  Ohr- 
kapselblastem  übergehend  zeigten,  dahin  deutete,  daß  der  mediale  Teil  der  Sauropsiden- 
columella  (der  Stapes)  labyrinthären,  der  laterale  Teil  (die  Extracolumella)  aber 
hyalen  Ursprunges  sei.  Ich  selbst  habe  mich  anfangs  (1892 ,  1898)  ebenfalls  für 
diese  Anschauung  ausgesprochen,  dann  aber  auf  Grund  erneuter  Untersuchung  (1899) 
■es  für  wahrscheinUcher  erklärt,  daß  die  ganze  Columella,  wie  es  Reichert  und 
Rathke  wollten,  hyalen  Ursprunges  sei,  und  daß  nur  ihr  Bildungsgewebe  sehr  früh 
innig  mit  dem  ührkapselblastem  verschmilzt,  so  als  dessen  Fortsetzung  erscheinend. 
Zu  der  gleichen  Auffassung  ist  neuerdings  Versluys  (1903)  in  einer  besonderen 
ausführlichen  Untersuchung  gekommen.  Für  den  Vergleich  der  Columella  der  Sau- 
ropsiden mit  der  der  Amphibien  habe  ich  aber  zugleich  auf  ein  anderes  Moment 
aufmerksam  gemacht,  das  Beachtung  verdient:  den  Verlauf  der  Chorda  tympani. 
Bei  den  Amphibien  besitzt  das  Homologon  dieses  Facialiszweiges,  der  N.  mandibularis 
internus,  keine  näheren  Beziehungen  zur  Ohrcolumella;  bei  den  Sauriern  aber,  und 
prinzipiell  ebenso  bei  allen  Sauropsiden,  tritt  die  Chorda,  nachdem  sie  den  Stamm 
des  Facialis  kaudal  von  der  Columella  verlassen  hat,  auf  ihrem  vorwärts  gerichteten 
Verlauf  über  den  lateralen  Abschnitt  der  Columella  (die  sog.  Extracolumella)  hmweg. 
Daraus  zog  ich  den  Schluß,  daß  zu  der  Columella,  die  bereits  bei  den  Amphibien 
besteht,  bei  den  Sauropsiden  (zunächst  bei  den  Sauriern)  ein  neues  dem  Zungen- 
beinbogen entstammendes  Skelettstück  (Extracolumella)  hinzugekommen  sei.  Daß  das 
innere  Stück  der  Sauropsidencolumella  aus  der  Columella  der  Amphibien  hervor- 
gegangen ist,  scheint  mir  eine  aus  der  ganzen  Anordnung  der  Teile  sich  ergebende 
Folgerung  zu  sein.  Dem  Einwand,  daß  bei  den  Amphibien  der  Zusammenhang  der 
Columella  mit  dem  Hyalbogen  noch  nicht  nachgewiesen  wurde,  kann  begegnet  werden 
durch  den  Hinweis  darauf,  daß  auch  bei  Schildkröten  und  Krokodilen  dieser  Zu- 
sammenhang noch  nicht  festgestellt  ist,  daß  ferner  bei  den  Rochen  zwischen  dem  als 
Hyomandibula  gedeuteten  Skelettteil  und  dem  Hyale  ein  Zusammenhang  ebenfalls 
nicht  besteht,  endlich  daß  bei  den  Amphibien  infolge  der  eingeschobenen  Larven- 
periode der  Hyalbogen  zunächst  seine  Lage  weiter  vorn  am  Kopfe  erhält,  als  dem 
definitiven  Zustand  entspricht.  Es  wäre  ja  denkbar,  daß  dadurch  schon  sehr  früh- 
zeitig die  Anlage  der  Columella  von  der  des  übrigen  Hyalbogens  abgetrennt  würde. 
Doch  sind  auch  andere  Möglichkeiten  nicht  ausgeschlossen.  Jedenfalls  hat  die  Vor- 
stellung, daß  das  innere  Stück  der  Sauropsidencolumella  mit  der  Columella  der 
Amphibien  gar  nichts  zu  thun  habe,  sondern  eine  Neuerwerbung  sei,  so  viel  Un- 
wahrscheinlichkeit,  daß  man  wohl  von  ihr  absehen  kann.  Wie  sich  diese  Schwierig- 
keiten lösen  werden,  ist  vorläufig  nicht  abzusehen. 

Einen  dritten,  gänzlich  anderen  Typus  des  schallleitenden  Apparates  zeigen 
endlich  die  Säuger.  Hier  besteht  die  scballleitende  Kette  aus  drei  Knochen,  dem 
Stapes,  Incus  und  Malleus,  von  denen  genetisch  der  Stapes  dem  Hyalbogen,  Incus 
und  Malleus  dem  Mandibularbogen  angehören.  In  dem  Stapes  ist  meiner  Auffassung 
nach  nicht  die  ganze  Sauropsidencolumella,  sondern  nur  deren  innerer  Abschnitt 
zu  sehen,  während  Incus  und  Malleus  nach  der  schon  von  Reichert  ausgesprochenen 
und  seitdem  zwar  mehrfach  bestrittenen,  aber  noch  viel  häufiger  bestätigten  An- 
schauung dem  Quadratum  und  dem  Articulare  der  Sauropsiden  entsprechen.  Der 
Proc.  anterior  (Folii)  des  Malleus,  der  als  Deckknochen  am  MECKEL'schen  Knorpel 
entsteht,  ist  vielleicht  das  Angulare  der  Sauropsiden,  das  mit  dem  Articulare  ver- 
wachsen ist.    Nach  dieser  Vorstellung  sind  also  zwei  Skelettstücke,  die   bis  herauf 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  607 

zu  den  Sauropsiden  dem  Kieferapparate  angehören,  unter  Wechsel  ihrer  Funktion  in 
den  Dienst  des  Gehörorganes  getreten.  Eine  Konsequez  dieser  Anschauung  ist,  daß 
das  Kiefergelenk  der  Säuger  dem  der  niederen  Vertebraten  nicht  homolog  ist,  sondern 
«ine  Neubildung  darstellt,  ein  sekundäres  Kiefergelenk,  das  zwischen  Dentale  und 
Squamosum  entsteht,  im  Gegensatz  zu  dem  primären  Quadrato-articulargelenk. 
Mangelt  es  bisher  auch  noch  au  vergleichendem  Material,  uui  eine  genügende  Ein- 
sicht in  die  bei  diesen  merkwürdigem  Wechsel  der  Anordnung  und  Verwendung 
der  Teile  anzunehmenden  Vorgänge  zu  gewinnen,  so  kann  doch  an  der  Richtigkeit 
der  genannten  Homologieen  als  solcher  kaum  ein  Zweifel  sein. 

Etwas  leichter  als  die  Ablösung  des  primären  Kiefergelenkes  durch  das  seifundäre 
läßt  sich  die  verschiedene  Zusammensetzung  der  schalleitenden  Kette,  die  ja  vom 
funktionellen  Standpunkte  aus  ebenfalls  große  Schwierigkeiten  für  das  Verständnis 
darbietet,  begreiflich  machen.  Es  darf  freilich  nicht  der  ausgebildete,  durch  ein 
Trommelfell  charakterisierte  Zustand  bei  Sauropsiden  zum  Ausgang  genommen  werden: 
eine  „Einwanderung"  des  Quadratum  und  des  Articulare  in  das  Sauropsiden- 
trommelfell  hinein  wäre  in  der  That  unverständlich.  Es  ist  aber  meiner  Ansicht 
nach  auch  gar  nicht  das  terminale  Ende  der  ganzen  Sauropsidencolumella,  an  das  sich 
das  Quadratum  (als  Incus)  bei  den  Säugern  anschließt,  sondern  das  distale  Ende 
des  inneren  Abschnittes,  während  der  äußere  Abschnitt  (die  Extracolumella)  bei 
den  Säugern  in  andere  Verwendung  übergeführt  wird.  Der  Säugerzustand  muß  an 
einen  prim  iti  veren  angeschlossen  werden,  wie  deren  in  der  That  fixiert  sind.  Schon 
von  mehreren  Forschern  ist  die  Ansicht  geäußert  worden,  daß  die  incudo-stapediale 
Verbindung  der  Säuger  auf  eine  ältere  Verbindung  des  Quadratums  mit  der  Ohr- 
columella  zurückzuführen  ist,  wie  sie  z.  B.  bei  Amphibien  vielfach  vorkommt. 
Neuerdings  geschah  dies  besonders  durch  Gegenbatjr  (1898),  der  auch  darauf  hin- 
weist, daß  schon  bei  Apoden  eine  Gelenkverbindung  zwischen  der  Columeüa  und 
dem  Quadratum  besteht.  Die  Aehnlichkeit,  die  in  diesem  Punkte  zwischen  Säugern 
und  Amphibien  waltet,  ist  sogq^  als  eins  der  Momente  aufgeführt  worden,  das  für 
die  Amphibienabstammung  der  Säuger  sprechen  soll  (Kingsley  1900).  Indessen 
fehlen  Verbindungen  zwischen  der  Columella  und  dem  Quadratum  auch  bei  den 
Reptilien  nicht,  und  bei  den  weitgehenden  Uebereinstimmimgen  zwischen  dem  Reptilien- 
und  Säugerschädel,  denen  ebenso  weitgehende  Unterschiede  zwischen  dem  Amphibien- 
und  Säugerschädel  gegenüberstehen,  ist  es  begründeter,  als  Ausgang  für  die  Ver- 
hältnisse bei  den  Säugern  primitive  Reptilien  anzunehmen,  bei  denen  noch  Zustände 
herrschen,  die  den  bei  Amphibien  vorhandenen  ähnlich  waren,  und  bei  denen  noch 
kein  ausgebildetes  Trommelfell  bestand.  Welche  speciellen  Formen  hier  in  Betracht 
kommen,  entzieht  sich  allerdings  bisher  der  Kenntnis. 

Zusammenfassend  habe  ich  mich  in  einem  ausführlichen  Aufsatz  vor  einigen 
Jahren  dahin  ausgesprochen,  daß  die  Trommelfellbildungen,  wie  wir  sie  bei  Anuren, 
Sauropsiden  und  Säugern  finden,  nicht  unmittelbar  anein  ander  anzuschließen  sind, 
sondern  als  Parallelbildungen  betrachtet  werden  müssen,  die  sich  selbständig  zur 
definitiven  Vollendung  ausgebildet  haben,  von  einem  gemeinsamen  indifferenten 
Ausgangszustand  aus,  in  dem  zwar  eine  Paukenhöhle  bestand,  das  zwischen  ihr  und 
der  Haut  gelegene  Substanzgebiet  aber  noch  nicht  zu  einer  schwingungsfähigen 
Membran  verdünnt  war.  Für  diese  Auffassung  spricht  nicht  nur  das,  was  die 
Ontogenese  des  Trommelfelles  lehrt,  sondern  auch  die  Verschiedenheit  der  Einschlüsse, 
die  sich  bei  den  verschiedenen  Wirbeltieren  in  ihnen  fmden.  Zu  einer  ähnlichen 
Vorstellung  ist  auf  Grund  anderer  Momente  neuerdings  (1903)  auch  Drüner  gelangt. 

Bei  dieser  Auffassung  drängt  sich  eine  naheliegende  Frage  auf,  nämlich  die, 
wo  bei  den  Säugern  die  Extracolumella  der  Sauropsiden  zu  suchen  ist.  Auch  diese 
Frage  habe  ich  1899  beantwortet,  und  zwar  dahin,  daß  einer  der  Abschnitte  des 
Proc.  styloideiis  der  Säuger,  der  ja  seine  Entstehung  auch  dem  Zungenbeinbogen 
verdankt,  hierfür  in  Betracht  komme.  Ich  ließ  es  dabei  dahingestellt  sein,  ob  hierfür 
wirklich  der  oberste  Abschnitt  des  Proc.  styloideus  der  Säuger,  der  als  Laterohyale 
oder  Intercalare  eine  gewisse  Selbständigkeit  besitzt,  in  Betracht  komme,  und  nicht 
vielmehr  ein  weiter  distal  folgender  Teil  des  REiCHERT'schen  Knorpels.  Die  Berech- 
tigung dieses  Zweifels  wurde  bestätigt  durch  einen  Befund ,  den  ich  bald  darauf 
machte  (1900):  daß  der  sog.  Proc.  paroticus  der  Saurier,  der  scheinbar  einen  Teil 
der  Ohrkapsel  darstellt,  offenbar  einen  Teil  des  Zungenbeinbogens  repräsentiert  und 
einem  der  Abschnitte  des  Proc.  styloideus  der  Säuger  zu  vergleichen  sei.  Diese  Auf- 
fassung ist  seitdem  von  Versluys  bestätigt  worden ,  der  geradezu  den  Proc.  par- 
oticus dem  Intercalare  (Laterohyale)  der  Säuger  homologisiert  und  ihn  dementsprechend 
benennt.  Mit  diesen  Feststellungen  ist  nun  allerdings  die  Frage  nach  dem  Verbleib 
der  Sauropsiden-Extracolumella  bei  den  Säugern  noch  nicht  erledigt,  die  Thatsachen 
sprechen  aber  dafür,  daß  die  von  mir  begründete  Auffassung  der  Sauropsiden- 
columella und  ihres  Verhältnisses  zur  Amphibieucolumella  einerseits  sowie  zum 
Säugerstapes  andererseits  sich  in  richtigen  Bahnen  bewegt. 


608  E.  Gaupp, 

Die  hier  vorgetragene  Anschauung  wird  in  sehr  vielen  Punkten  bestritten.    Fast 
allgemein  ist  allerdings  die  Vorstellung,   daß  der  sehalUeiteude  Skelettapparat  mono- 
phyletischen  Ursprungs  ist,  daß  die  einzelnen  Formen,  in  denen  er  auftritt,  aneinander 
anzuschließen   sind,   daß  somit  auch  die  Fenestra  vestibuli  durch  die  ganze  Reihe 
von  den  Ami^hibien  bis  zu  den  Säugern  dieselbe  Bildung  darstellt  (Widerspruch  nur 
bei  DeÜner,  s.  u.).    Aber  auch  auf  dem  Boden  dieser  Anschauung  sind  viele  einander 
widersprechende  Vorstellungen  geäußert  worden  und  zum  Teil  noch  verbreitet.     Zu- 
nächst ist  in  der  Stapes-Columella-Frage  noch  manches  ungeklärt.    Der  onto- 
genetische  Zusammenhang  des  Operculum  und  des  Plectrum  der  Amphibien  mit  der 
Ohrkapsel,  der  schon  lange  bekannt  ist  (Huschke  1824,  besonders  aber  Rathke  1832) 
ließen  in  beiden  Elementen  labyrinthäre,   der  Ohrkapselwand   entstammende  Stücke 
sehen;    von  anderer  Seite  wurde   nur  für  das  Operculum  die  labyrinthäre,   für  das 
Plectrum  der  Anuren   aber  eine  hyale  Herkunft  behauiJtet  (Paekee,  1871).     Selbst 
das  Operculum  in  seiner  einfachen  Form,  wie  es  bei  Urodelen  auftritt,  ist,  trotzdem 
ontogenetisch    eine   Entstehung   vom   Zungenbeinbogen    aus    noch    nicht   beobachtet 
wurde,  doch  als  eine  hyale  Bildung  angesprochen  worden  (Wiedeesheim,  Witebsky, 
J.  B.  Peatt).     Der  Gedanke  an   die   Hyomandibula  der   Fische  sowie  an  die  Be- 
funde bei  Sauropsiden  waren  hierbei  wohl  ausschlaggebend.     Auf  der  anderen  Seite 
haben  aber  auch  wieder  die  Befunde  bei  den  Amphibien  offenbar  ihren  Einfluß  bei 
der  Erforschung  der  Sauropsidenzustände  geäußert.     Reicheet  kam  zwar  zu  dem 
Schluß,   daß   die  ganze  Sauropsidencolumella  hyalen  Ursjjrungs  sei,    und  diese  Vor- 
stellung wurde  in  der  Folgezeit  und  wird  auch  jetzt  noch  von  den  meisten  Forschern 
geteilt,   C  K.  Hoffmann  dagegen  (1889)  erklärte  nur  ihren  äußeren  Abschnitt  für 
hyal  (Hyofttapes),  den  inneren  dagegen  für  labyrinthär.    Ganz  das  Gleiche  zeigt  sich 
beim   Stapes   der   Säuger:    auch   dieser   wurde  von    Reicheet   für   ein  Derivat  des 
Zungenbeinbogens   erklärt,   alsdann   als  rein  labyrinthär  und  endlich  als  halb-laby- 
rinthär,  halb-hyal  aufgefaßt  (Geadenigo,  V.  Nooeden).     Zweifellos  spielt  bei  diesen 
Schwankungen   in  der  Beurteilung  der  Funde  der  Gedanke  an  das  Amphibienoper- 
culum,   das  sich  bisher  nur  als  labyrinthäre  Bildung  ergeben  hat,  hinein.     Noch  ein 
anderer,    die    Sauropsidencolumella    und    den    Sä,ugerstapes    betreffender   Punkt   ist 
kontrovers.     Von   den  Meisten   wird   die  ganze  Sauropsidencolumella  mit   der  Am- 
phibiencolumella  verglichen,   während  ich  selbst,  hauptsächlich  auf  Grund  des  Ver- 
haltens der  Chorda  tympani,  die  Anschauung  vertrete,  daß  die  Extracolumella,  d.  h. 
der    äußere   Abschnitt    der  Sauropsiden    erst    bei    diesen    hinzugekommen   ist.     In 
weiterer  Verfolgung   dieses  Punktes  kam  ich  zu  dem  Schluß,   daß  der  Stapes  nicht, 
wie  Reichert   und  nach  ihm  die  meisten  angenommen,   der  gesamten  Sauropsiden- 
columella homolog  sei,  sondern  nur  deren  innerem  Abschnitt,  ein  Gedanke,  der  schon 
von  KiLLlAN  (IS'JO)  geäußert  wurde. 

Nicht  minder  widerspruchsvoll  sind  die  Anschauungen  bezüglich  der  Hammer- 
Amboß-Frage,  mit  der  die  nach  der  Natur  des  Kiefergelenkes  der  Säuger 
aufs  innigste  verknüpft  ist.  Der  Nachweis ,  daß  Hammer  und  Amboß  der  Säuger 
Derivate  des  Kieferbogens  sind,  stammt  von  Reichert,  und  von  diesem  ist  auch 
(18:58)  die  Homologie:  Incus  =  Quadratum,  Malleus  =  Gelenkstück  des  Unterkiefers 
niederer  Vertebraten ,  zuerst  ausgesprochen  worden.  Auf  dem  Boden  dieser  An- 
schauung stehen  fast  alle,  die  die  Dinge  wirklich  an  Säugerembryonen  untersuchten, 
unter  anderen  Beuch,  Huxley  (1858,  1864),  Gegenbaur,  Köelikee,  Paekee 
(von  1885  an),  Salensky,  Rabl,  Geadenigo,  Baumgaeten,  Dreyfüss,  Zondek, 
Beoman,  ich  selbst.  Nur  vorübergehende  Bedeutung  hat  die  von  Huxley  (1869) 
stammende  und  von  Paekee  (1871,  1874,  1877)  modifizierte  Vorstellung  gehabt,  daß 
nur  der  Malleus  dem  Kieferbogeu  entstamme  (homolog  dem  Quadratum),  der  Incus 
dagegen  dem  Zungenbeinbogen  (=  Suprastapediale  der  Sauropsidencolumella).  Paekee 
selbst  hat  1885  diese  Vorstellung  fallen  lassen  und  ist  zur  REiCHEET'schen  zurück- 
gekehrt. 

Die  Widersprüche  gegen  die  letztere  betreffen  teils  die  Hammer-  und  Amboß- 
homologie, teils  die  Lehre  von  dem  sekundären  Kiefergelenke  der  Säuger.  Im 
Vordergrund  steht  dabei  die  Frage  nach  dem  Verbleib  des  Quadratums"  bei  den 
Säugern.  Den  ersten  Anstoß  zur  Wiederbelebung  dieser  Frage,  die  durch  Reicheet 
zu  einem  Abschluß  gekommen  schien,  gab  Petees  (in  mehreren  Arbeiten  von  1867 
bis  1874),  und  zwar  durch  den  Nachweis,  daß  bei  manchen  Reptilien  eine  knorpelige 
Verbindung  des  äußeren  Abschnittes  der  Columella  mit  dem  Unterkiefer  besteht. 
Daraufhin  gründete  Petees  die  Anschauung,  daß  der  äußere  Columellaabschnitt 
der  Sauropsiden  dem  Malleus  der  Säuger  entspreche;  den  Incus  hält  er  bei  den 
Sauropsiden  für  rudimentär  geworden.  An  diese  Vorstellung  knüpfen  die  von 
Albeecht,  Baue,  Dollo,  Gadow  an,  die  in  Bezug  auf  die  Totalhomologie  der 
Gehörknöchelchen  bei  allen  Wirbeltieren  im  wesentlichen  auf  gleichem  Boden  stehen. 
In  der  damit  eng  zusammenhängenden   Frage  nach  der  Natur  des  Säuger-Kiefer- 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  609 

gelenkes  differiereu  sie  allerdings  sehr  wesentlich.  Während  Albrecht  und  mit 
ihm  Batjr  und  DoLLO  auch  die  Kiefergelenke  für  gleichwertige  Bildungen  halten 
und  das  Quadratum  der  Säuger  in  dem  unteren,  die  Gelenkfläche  tragenden  Ab- 
schnitt des  Squamosums  erblicken,  hält  Gadow  au  der  Vorstellung,  daß  das  Säuger- 
Kiefergelenk  eine  neue,  sekundäre  Bildung  sei  (Art.  squamoso-dentalis),  fest  und 
sieht  das  Quadratum  der  Säuger  in  dem  Tynipanicum,  wie  das  seiner  Zeit  Geoffroy, 
Spix  und  CuYiER  thaten.  Noch  anders  denkt  sich  Broom  (1890)  die  Sache:  nicht 
das  Tynipanicum  oder  ein  Teil  des  Squamosum  ist  das  Quadratum ,  sondern  der 
Discus  articidaris  des  Kiefergelenkes  (schon  von  Aeby  1871  geäußert).  Wie  sich 
Broom  die  sonstigen  Umwandlungen  denkt,  wo  die  zweite,  doch  auch  nicht  ganz 
unwichtige  Komponente  des  alten  ICiefergelenkes,  nämlich  der  Gelenkteil  des  Meckel- 
schen  Knorpels,  zu  suchen  ist,  erfahren  wir  nicht.  Angemerkt  sei,  daß  bei  den 
Monotremen  ein  Discus  articularis  fehlt  (Parsons).  Endlich  ist  von  Emery  (19Ü3) 
auch  noch  der  accessorische  Knorpelkern  im  Proc.  condyloideus  des  Unterkiefers  der 
Säuger  als  Quadratum  angesprochen  worden.  Das  Dentale  soll  das  Qudratum  um- 
wachsen, und  dieses  sich  dann  an  die  Außenfläche  des  MECKEL'schen  Knorpels  be- 
geben haben;  die  alte  Quadrato-articularverbindung  wäre  also  als  aufgelöst  zu 
betrachten.  Die  Gehörknöchelchen  der  Säuger  führt  Emery  auf  die  Reihe  von 
Elementen  zurück,  die  bei  Fischen  aus  dem  Hyomandibulare,  Symplecticum  und 
hinterem  Ende  des  MECKEL'schen  Knorpels  gebildet  wird. 

Nur  von  einer  einzigen  Seite  ist  bisher  der  Versuch  gemacht  worden,  im  Gegen- 
satz zu  allen  bisher  genannten  Vorstellungen ,  einen  polyphyletischen  Ursprung  der 
schallleitenden  Skelettapparate  zu  begründen,  und  zwar  durch  Drüner  (1904).  Auch 
Drüner  hält  die  Homologie  des  Kiefergelenkes  der  Säuger  mit  dem  der  niederen 
Vertebraten ,  sj^eciell  der  Urodeleu ,  für  erwiesen.  Der  Unterkiefer  der  Säuger  ist 
nach  ihm  eine  cänogenetische  Vereinigung  der  Anlage  von  Dentale,  Angulare  und 
Articulare ;  am  Aufbau  der  Gelenkfläche  des  Squamosum  und  der  Bildung  des  Discus 
nimmt  das  Quadratum  teil.  Ina  übrigen  gehen  aus  dem  Quadratum  der  Urodeleu 
der  Stapes,  Incus,  ein  Teil  des  Malleus  und  des  MECKEL'schen  Knorpels  der  Säuger 
hervor.  (Grus  longum  incudis  +  Stapes  =  Grus  ventrale  quadrati  Urodel.,  d.  h.  wohl 
gleich  dem  Proc.  basalis  quadrati).  Mit  der  Columella  der  Urodeleu  hat  der  Stapes 
nichts  zu  thun.  Dann  ist  auch  die  Fenestra  vestibuli  der  Säuger  nicht  homolog 
der  vom  Operculum  verschlossenen  Fenestra  der  Urodeleu ,  sondern  eine  an  ganz 
anderer  Stelle  gelegene  Neubildung.  Die  ontogenetische  Verbindung  der  Anlage  des 
Malleus  und  des  MECKEL'schen  Knorpels  bei  den  Säugern  ist  sekundär. 

Auf  eine  Diskussion  dieser  verschiedenen  Anschauungen  einzugehen ,  ist  hier 
nicht  der  Ort.  Nur  auf  eins  sei  hingewiesen.  Alle  die  letztgenannten  Vorstellungen 
haben  nur  ein  Gemeinsames:  die  Negation,  d.  h.  die  Ablehnung  der  REiCHERX'schen 
Theorie;  im  Positiven,  d.  h.  in  dem,  was  sie  an  die  Stelle  der  letzteren  setzen  wollen, 
gehen  sie  weit  auseinander  und  setzen,  zum  Teil  wenigstens,  Umwandlungen  voraus, 
die  gewiß  nicht  geringer  sind  als  die  von  der  REiCHERTschen  Theorie  geforderten. 
Dabei  sind  die  gegen  die  REiCHERx'sche  Theorie  ins  Feld  geführten  Momente  fast 
ausschließlich  funktioneller,  nicht  morphologischer  Natur:  es  ist  hauptsächlich  die 
Schwierigkeit ,  sich  die  Ergänzung  der  schaUleitenden  Kette  durch  neue  Elemente 
sowie  den  Ersatz  des  primären  Kiefergelenkes  durch  ein  sekundäres  zu  denken. 
Unter  diesen  Umständen  haben,  wie  mir  scheint,  die  sehr  zahlreichen  Vertreter  der 
REiCHERX'schen  Theorie  noch  keine  Veranlassung,  die  letztere  als  ernstlich  gefährdet 
zu  betrachten.  (Eine  sehr  ausführliche  Darstellung  der  ganzen  Frage  gab  ich  an 
anderem  Orte,  1899.) 

C.  Die  Schädelknochen. 

1.   Allgemeines   über   ihre  Entstehung.      Einteilung   der 
Schädelknochen.      Verhältnis     der     Schädelknochen     zu 
einander.      Knochen  komplexe.      Knochenkern  e.      Ueb  er- 
zähl ige  Knochen. 

Die  Schädelknochen  treten  in  der  näheren  oder  weiteren  Um- 
gebung des  Primordialcraniums  auf  und  verdanken  der  Thätigkeit 
besonderer  Osteoblasten  ihre  Entstehung.  Sie  können  außer  jeder 
näheren  Verbindung  mit  dem  Primordialcranium  bleiben  oder  aber 
sich  an  die  Stelle  desselben  setzen.  Ihre  Bildung  erfolgt  unter  ver- 
schiedenen Umständen  und  an  verschiedenen  Lokalitäten. 

1)  Bei  Fischen  und  Amphibien  geht  die  Entstehung  mancher  zahu- 

Handbuch  der  Entwickelungslehre.  III.  2.  39 


610  E.  Gaupp, 

tragenden  Knochen  nachweislich  von  den  Zähnen  aus  und  erfolgt  in 
der  Weise,  daß  erst  die  Zähne  entstehen  und  dann  die  basalen  Cement- 
sockel  derselben  zusammenfließen  (0.  Hertwig).  Dieser  Entwicke- 
lungsmodus  ist  nicht  gerade  häufig. 

2)  In  den  allermeisten  Fällen  erfolgt  die  Knochenbildung  selb- 
ständig in  einer  zelligen  oder  zellig-faserigen  Anlage.  Doch  auch  hier 
sind  Verschiedenheiten,  vor  allem  bedingt  durch  die  Lokalität,  zu  be- 
merken. 

a)  Zahlreiche  Knochen  entstehen  in  einer  „Anlage",  die  eben  nur 
als  solche  auftritt  und  sich  gegen  die  Umgebung  ziemlich  scharf  be- 
grenzt. Solche  selbständigen  Knochenanlagen  können  unter  der  Haut 
oder  Mundschleimhaut,  in  mehr  oder  minder  großer  Entfernung  vom 
Knorpelschädel,  auftreten  und  sind  von  diesem,  wenn  sie  ihm  auch 
nahekommen,  doch  durch  eine  Bindegewebsschicht  getrennt. 

b)  Andere  Knochen  erscheinen  als  Ossifikationen  präformierter 
Bindegewebsbildungen,  mögen  diese  Membran-  oder  Bandform  besitzen. 
(Muskelsehnen,  Bänder,  Membranen  in  der  Begrenzung  des  Cavum 
cranii.)  In  den  genannten  Bildungen  können  Ossifikationen  selb- 
ständig auftreten;  häufiger  ist  es  aber,  daß  sich  eine  Verknöcherung, 
die  an  einer  anderen  Stelle  entstand,  in  sie  hinein  fortsetzt.  Im 
ersteren  Falle  entstehen  besondere  Knochenindividuen,  im  zweiten  nur 
Fortsatzbildungen  an  solchen^ 

c.  Endlich  nimmt  eine  große  Anzahl  der  Schädelknochen  ihre 
Entstehung  im  P  erichon  drium  des  Primordialcraniums  in  der  Art, 
daß  schon  die  erste  perichondrale  Knochenlamelle  dem  Knorpel  direkt, 
ohne  Intervention  von  Bindegewebe,  aufliegt.  In  noch  näher  zu  schil- 
dernder Weise  kann  sich  hieran  Zerstörung  des  Knorpels  und  Occu- 
pation  der  entstehenden  Räume  durch  Knochen  anschließen ,  sei  es 
nun,  daß  der  letztere  im  Anschluß  an  die  perichondrale  Knochen- 
lamelle einwächst,  sei  es,  daß  zunächst  nur  Knochenbildungsgewebe 
in  den  Knorpel  einwächst  und  von  innen  heraus  (endochon  dral) 
Knochen  erzeugt.  So  kommt  es  zu  einem  völligen  Ersatz  eines 
Knorpelgebietes  durch  Knochen  (knorpelig  präformierte 
K  n  0  c  h  e  n). 

Die  vergleichende  Entwickelungsgeschichte  lehrt,  daß  homologe 
Schädelknochen  (deren  Homologie  aus  Gleichheit  der  topographischen 
und  sonstigen  Beziehungen  erschlossen  werden  kann)  bei  verschiedenen 
Wirbeltierformen  differente  Entwickelungsmodi  zeigen  können,  und  läßt 
dadurch  die  einzelnen  Momente,  in  denen  diese  Verschiedenheiten  zum 
Ausdruck  kommen,  nicht  in  gleichem  Maße  als  wesentlich  und  be- 
deutsam erscheinen ,  stempelt  vielmehr  manche  von  ihnen  zu  Modi- 
fikationen der  speciellen  Ontogenese,  die  die  morphologische  Be- 
deutung eines  Skelettstückes  nicht  berühren.  Doch  erscheint  es  bei 
Berücksichtigung  aller  Thatsachen  berechtigt,  zwei  Kategorieen  von 
Schädelknochen  zu  unterscheiden,  die  schon  in  der  Einleitung  als  Be- 
leg- oder  Deckknochen  (Ossa  investientia,  Allostosen) 
und  Ersatzknochen  (Ossa  substituen  t  ia,  primordiale 
Knochen,  Au  tos  tosen)  bezeichnet  wurden.  Als  Deckknochen 
sind  die  zu  bezeichnen ,  die  bei  ihrem  ersten  Auftreten  sich  in  der 
Umgebung  des  Primordialcraniums  bilden  und  von  diesem  durch 
Bindegewebe  getrennt  sind,  als  Ersatzknochen  die,  die  bei  ihrem  erst- 
maligen Auftreten  in  der  Phylogenese  im  Perichondrium  des  Primordial- 
craniums   in   direktem   Kontakt  mit   dem   Knorpel   entstehen.     Jeder 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  611 

Knochen  der  beiden  Kategorieen  hat  phylogenetisch  seine  besondere 
Geschichte,  die  aus  der  Ontogenese  einer  Einzelform  nicht  immer 
rekonstruierbar  ist.  Im  Laufe  dieser  Geschichte  kann  er  auch  gewisse 
Charaktere  der  anderen  Kategorie  (als  der,  der  er  angehört)  annehmen. 

Die  Befunde  an  fossilen  und  recenten  Formen  weisen  darauf  hin, 
daß  die  Deckkuochen  die  ersten  knöchernen  Gebilde  am  Wirbeltier- 
schädel waren,  und  dieser  Annahme  entspricht  auch  die  Erscheinung, 
daß  in  der  Ontogenese  die  Deckknochen  im  allgemeinen  früher  auf- 
treten als  die  Ersatzknochen. 

Der  Gegensatz  zwischen  den  beiden  Kategorieen  von  Knochen  ist  dem  Gesagten 
zufolge  ein  primär-topographischer,  durch  die  Lolvalität  des  ersten  Auftretens  der 
Knochen  bedingter.  In  weitaus  der  Mehrzahl  der  Fälle  sind  dabei  die  Deckknochen 
„häutig  präformiert",  die  Ersatz-  oder  primordialen  Knochen  „knorpelig  i^räformiert", 
doch  kommen  in  beiden  Punkten  Ausnahmen  vor,  die  das  rein  histogenetische  Prinzip 
als  minder  bedeutsam  für  die  Unterscheidung  beider  Kategorieen  erscheinen  lassen. 
Die  Begriffe  ,,Deck-  und  Ersatzknochen"  decken  sich  also  nicht  mit  ,, häutig  und 
knorpelig  präformierten  Knochen" ;  höchstens  müßte  man  von  ,,in  der  Phylogenese 
häutig  oder  knorpelig  präformierten  Knochen"  sprechen.  Aber  dieser  Unterschied 
verliert  rein  histogenetisch  dadurch  seine  Bedeutung,  daß  auch  an  der  Bildung  der 
,, knorpelig  präformierten"  Knochen  der  Knorpel  selbst  keinen  Anteil  nimmt,  sondern 
zu  Grunde  geht,  während  die  Knochenbildung  vom  Perichondriura  ausgeht.  Somit 
ist  es  bei  jenen  Unterschieden  wesentlich  das  topographische  Prinzip,  welches  eine 
Gruppenbilduug  unter  den  knöchernen  Skelettstücken  berechtigt  erscheinen  läßt. 
Vielleicht  werden  sich  dereinst  noch  schärfere  Kriterien  auffinden  lassen,  basiert  auf 
den  kausalen  Momenten,  die  die  verschiedenen  Knochenstücke  ins  Leben  riefen. 

Verhältnis  der  Schädelknochen  zu  einander.  Knochen- 
komplexe. Knochenkerne.  Das  Verhältnis  der  verschiedenen 
Schädelknochen  zu  einander  —  mögen  sie  dieser  oder  jener  Kategorie 
angehören  —  kann  sich  verschieden  gestalten.  Bei  niederen  Wirbel- 
tieren kann  die  Verbindung  zwischen  den  einzelnen  Elementen  eine 
verhältnismäßig  lose  bleiben.  In  erster  Linie  wird  das  begreiflicher- 
weise für  die  Deckknochen  gelten,  da  die  Ersatzknochen  durch  das 
Knorpelgerüst,  zu  dem  sie  in  nähere  Beziehung  treten,  zusammen- 
gehalten werden.  Wenn  aber  die  Bedeutung  des  Knochenschädels 
gegenüber  dem  Knorpelschädel  wächst,  findet  sich  nicht  selten  ein 
engerer  Zusammenschluß  der  Elemente  des  ersteren,  und  es  können 
knöcherne  Verwachsungen  von  anfangs  getrennten  Stücken  eintreten 
(Ersatzknochen  untereinander,  Deckknochen  untereinander,  Ersatz- 
knochen mit  Deckknochen).  Solche  Verwachsungen,  durch  die  neue 
K  n  0  c  h  e  n  k  0  m  p  1  e  X  e  (G  r  o  ß  k  n  o  c h  e  n  ,  P.  und  F.  Sarasin  1890) 
gebildet  werden,  erfolgen  bei  den  einzelnen  Wirbeltierklassen  in  ver- 
schiedenem Umfang,  in  verschiedener  Weise  und  zu  verschiedenen 
Zeiten.  Ihre  Besprechung  hat  im  Anschluß  an  eine  Betrachtung  der 
sog.  K  n  0  c  h  e  n  k  e  r  n  e  zu  erfolgen. 

Die  Ossifikation  eines  Knochens  (sowohl  eines  Deck-  wie  eines 
primordialen  Knochens)  erfolgt  gewöhnlich  von  einer  bestimmten  Stelle 
aus,  die  als  0  ssifikationscentrum  oder  Knochen  kern  be- 
zeichnet wird,  und  schreitet  von  hier  aus  fort.  Nicht  alle  Knochen 
verknöchern  jedoch  von  einem  einzigen  Centrum  aus:  viele  besitzen 
deren  zwei  oder  mehr.  Die  Verschmelzung  solcher  mehrfachen  Knochen- 
kerne zu  einem  Knochenterritorium,  das  dann  als  Ganzes  weiterwächst, 
kann  zu  sehr  verschiedenen  Zeiten,  also  auf  den  verschiedensten  Stadien 
der  Entwickelung  des  Einzelkernes,  erfolgen.  Davon  hängt  es  ab, 
welches  Maß  von  Ausdehnung  und  selbständiger  Individualität  die 
einzelnen  bereits  erlangt  hatten.  Die  Vereinigung  kann  schon  im 
allerfrühesten  Stadium   vor   sich  gehen,   bald  nach  dem  Auftreten  der 

39* 


612  E.  Gaupp, 

Kerne.  In  anderen  Fällen  erfolgt  die  normale  Fusion  erst,  nachdem 
beide  Knochenkerne  sich  zu  ausgedehnteren  knöchernen  Stücken  ent- 
wickelt haben.  Prinzipiell  ist  es  dabei  gleichgiltig ,  ob  die  Ver- 
schmelzung noch  während  des  Embryonallebens  oder  erst  nach  dem- 
selben erfolgt.  Je  später  sie  erfolgt,  um  so  länger  werden  die  ein- 
zelnen Komponenten  als  selbständige  Stücke  erscheinen,  und  um  so 
leichter  wird  das  Verschmelzungsprodukt  als  ein  Knochen  komplex 
erkannt  werden  können.  Bei  den  verschiedenen  Wirbeltieren  kommen 
auf  diese  Weise  sehr  verschiedenartige,  aber  immer  typische  Komplexe 
zu  Stande,  ja  bei  manchen  Formen  (Vögel,  Echidna  u.  a.)  verschmilzt 
sogar  ein  großer  Teil  aller  selbständig  angelegten  Knochenstücke  früh- 
zeitig zu  einem  Coutinuum.  Für  das  Individuum  bedeutet  jede  Ver- 
schmelzung eine  Beschränkung  des  Schädelwachsthums,  da  mit  den  freien 
Knochenrändern  auch  die  Wachtumsgrenzen  verschwinden,  an  denen 
sonst  die  Apposition  neuer  Knochensubstanz  erfolgt.  Eine  Verschmel- 
zung mehrerer  Knochen  erfolgt  schließlich  vielfach  als  Alterserscheinung. 
Auch  dieser  Vorgang  ist  prinzipiell  nicht  von  den  ersterwähnten  zu 
trennen ;  unterschieden  ist  er  von  ihnen  nur  durch  das  Atypische  seines 
Auftretens,  sowohl  der  Zeit  als  der  Lokalität  nach. 

Die  erwähnten  Vorgänge  besitzen  in  mehrfacher  Hinsicht  ein  großes  Interesse. 
Durch  den  Umstand,  daß  zahlreiche  ScMdelknochen  nicht  mono-,  sondern  di- 
oder polycentrisch  entstehen,  erklärt  sich  in  vielen  Fällen  das  Auftreten  über- 
zähliger Schädelknochen:  es  braucht  nur,  wie  das  schon  angedeutet  wurde,  die 
normale  Fusion  der  Kerne  oder  der  aus  ihnen  hervorgehenden  Knochenstücke  zu  unter- 
bleiben. Ferner  aber  bieten  diese  Vorgänge  auch  ein  wesentliches  Interesse  für  die 
vergleichende  Osteologie.  Vielfach  läßt  sich  nachweisen,  daß  Knochenstücke, 
die  bei  einer  Form  nach  kürzerer  oder  längerer  Selbständigkeit  normalerweise  mit- 
einander verschmelzen,  und  ein  einheitliches  Knochenstück  erzeugen,  bei  anderen 
Formen  als  typische  knöcherne  Elemente  zeitlebens  bestehen  bleiben.  In  manchen 
anderen  Fällen,  namentlich  für  viele  Knochenkerne,  die  schon  sehr  frühzeitig  mit 
anderen  verschmelzen,  ist  das  Gleiche  bisher  aber  nicht  nachgewiesen,  imd  die  poly- 
centrische  Entstehung  eines  Knochens  erfährt  keine  Begründung  durch  die  ver- 
gleichende Entwickelungsgeschichte. 

Primordialf  usion  und  Primordi  aldivision.  Im  Anschluß  an  das  zu- 
letzt Gesagte  sind  noch  zwei  weitere  Fragen  zu  erörtern. 

Als  Fusion  primordiale  bezeichnet  Duoes  (1834)  einen  von  ihm  rein 
hypothetisch  angenommenen  Vorgang,  den  er  überall  da  als  wirksam  voraussetzt,  wo 
ein  Knochen,  der  seiner  Lage  nach  als  der  Repräsentant  mehrerer  erscheint,  doch 
einheitlich  entsteht.  Im  Gegensatz  dazu  nennt  Duges  die  Verschmelzung  zweier 
anfangs  getrennter  Stücke:  f usion  seeondaire.  Mit  Recht  hat  Hertwig  (1874) 
geltend  gemacht,  zu  wie  großer  Willkür  bei  der  Bestimmung  von  Knochenhomologieen 
die  kritiklose  Anwendung  des  Prinzips  der  fusion  primordiale  notwendigerweise 
führen  muß,  und  bei  DuGf:s  thatsächlich  geführt  hat.  Hertwig  hält  es  theoretisch 
für  möglich,  daß  ein  Knochen,  der  phylogenetisch  aus  der  Verschmelzung  zweier 
entstanden  ist,  auf  dem  Wege  einer  abgekürzten  Entwickelung  von  vornherein  ein- 
heitlich auftritt,  fordert  aber,  eine  solche  fusion  primordiale  nur  dann  anzunehmen, 
wenn  eine  Reihe  anderweitiger  anatomischer  Gründe  uns  in  einem  embryonal  einfach 
angelegten  Knochenstück  den  Repräsentanten  einer  größeren  Anzahl  Knochen  er- 
blicken läßt.  Auch  heute  noch  wird  von  der  Annahme  einer  fusion  primordiale 
wie  zu  DuGKs'  Zeiten  oft  genug  skrupellos  Gebrauch  gemacht;  auf  der  anderen  Seite 
muß  der  Vorgang  als  solcher  wohl  als  möglich  angenommen  werden  (Basalknochen 
von  Ichthyophis,  Basisphenoid  der  Teleostier,  besonders  aber  alle  Deckknochen,  die 
auf  Konkrescenz  von  Zähnen  oder  Schuppen  zurückgeführt  werden).  Von  gleichem 
prinzipiellen  Interesse  ist  die  Frage,  ob  etwa  auch  der  gegenteilige  Vorgang 
angenommen  werden  kann:  daß  nämlich  aus  einem  Knochen,  der  bei  einer  Form 
einheitlich  ist,  bei  einer  anderen  zwei  werden  können.  Auch  in  diesem  Punkte  ist 
die  vergleichend-anatomische  Betrachtung  oft  genug  skrupellos  verfahren  und  hat 
das  Auftreten  zweier  Knochen  an  einer  Stelle,  wo  bei  anderen  Formen  nur  einer 
liegt,  kurzweg  auf  eine  Teilung,  Zerlegung  eines  Stückes,  Absprengung  eines  Fort- 
satzes u.  dergl.  zurückgeführt.  Eine  wirklich  wissenschaftliche  Begründung  des 
supponierten    Vorganges     (_den     man     in     Analogie    zu     der    Primordialfusion    als 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  613 

Primordialdivision  [Primordialzerfalll  bezeichnen  könnte)  ist  erst  in  wenigen 
konkreten  Fällen  versnobt  (wenn  man  von  den  irregulären  Nahtknochen  am  Menschen- 
schädel absieht),  und  ich  habe  mich  daher  seinerzeit  gegen  die  offenbare  Willkür 
jener  Betrachtungsweise  ausgesprochen.  Als  theoretisch  möglich  muß  aber  auch  der 
in  Kede  stehende  Vorgang  (Auftreten  von  zwei  Knochen  an  Stelle  nur  eines)  zu- 
gegeben werden,  und  eis  wird  eine  dankbare  Aufgabe  weiterer  Forschung  sein,  sein 
thatsächliches  Vorkommen  für  typische  Knochen  zu  beweisen.  Die  sog.  inneren 
Lamellen,  die  sich  bei  der  Entstehung  mancher  primordialer  Knochen  bilden, 
sprechen  zu  Gunsten  der  Bejahung  der  gestellten  Frage.  (Siehe  Parasphenoid  der 
Vögel  und  sog.  Pterygoid  der  Säuger.) 

Aus  dem  häufigen  Auftreten  mehrerer  Knochen  kerne  bei  der  Bildung  eines 
später  einheitlichen  Knochens  ergiebt  sich,  daß  der  Knochenkern  nicht  das 
Knochenindividuum  bestimmt.  Wodurch  dieses  dann  aber  bestimmt  wird,  und 
welches  die  Einheiten  sind,  die  in  der  vergleichenden  Osteologie  und  Osteogenese 
verglichen  werden  sollen,  darüber  kann  zur  Zeit  noch  keine  bestimmte  Auskunft  ge- 
geben werden.  Vor  allem  ist  hier  die  Herbeischaffung  eines  viel  größeren  Thatsachen- 
materials  nötig,  als  zur  Zeit  erst  vorliegt.  Namentlich  sollten  die  Verhältnisse  der 
Gefäßverteilung  zu  den  verschiedenen  Knochen  und  Knochenkernen  genauer  bekannt 
sein.  Im  Augenblick  ist  die  Lehre  von  den  Knochenkernen  und  ihrer  Bedeutung 
ein  so  mangelhaft  bekanntes  Gebiet,  daß  jeder  Versuch  einer  Zusammenfassung  nur 
einen  rein  provisorischen  Charakter  haben  könnte. 

U  e  b  e  r  z  ä  h  1  i  g  e  Knochen.  Das  Kapitel  der  überzähligen 
Knochen  ist  bisher  nur  für  den  Schädel  des  Menschen  und  einiger 
Säuger  genauer  durchforscht.  Hier  werden  die  überzähligen  Knochen 
in  zwei  Gruppen  eingeteilt,  die  Ranke  als  prinzipale  und  acces- 
sorische  bezeichnet.  Die  prinzipalen  kommen  zu  stände,  wenn 
ein  typischer  Elem  eiitarb  estandteil  des  Schädels,  der  nor- 
malerweise mit  anderen  sich  zu  einem  Knochenkomplex  vereinigt,  ab- 
normerweise selbständig  bleibt.  Die  accessorischen  überzähligen 
Knochen  gehören  dagegen  nicht  zu  den  typischen  Elementarbestand- 
teilen, sondern  sind  atypische,  zufällige  Bildungen.  Nach  dem  Ort 
ihres  Auftretens  werden  sie  noch  als  Nahtknochen  (WoRM'sche 
Knochen),  Fugenknochen  und  Fontanellknochen  unterschieden. 
Bei  allen  diesen  handelt  es  sich  um  irreguläre  Knocheninseln  auf  der 
Grenze  zwischen  zwei  oder  mehr  Knochen,  deren  Auftreten  an  sich 
durch  die  Vorgänge  der  normalen  Entwickelung  der  Nachbarknochen 
erklärbar,  deren  Selbständigbleiben  aber  als  zufällige,  halbpathologische 
Erscheinung  zu  betrachten  ist.  (Genaueres  siehe  beim  Schädel  des 
Menschen.) 

2.  Die  Deck-  oder  Beleg knochen  (Ossa  investientia). 
a)  Zur  Histogenese  der  Deckknochen. 

Die  Deckknochen  entstehen  in  einer  zelligen  oder  zellig-fibrösen 
Anlage  durch  Osteoblastenthätigkeit,  in  der  Regel  ohne  Beteiligung 
von  Knorpel.  Nur  in  einigen  seltenen  Fällen  kommt  es  dabei  zur 
Ausbildung  von  Knorpelgewebe,  das  mit  dem  des  Primordialcraniums 
keinen  Zusammenhang  besitzt.  Dies  ist  beobachtet  am  Unterkiefer 
der  Säuger,  bei  der  Geweihbildung  der  Cervicornia  (allerdings  hier 
bestritten)  sowie  in  einigen  anderen  Fällen ;  dieselben  lehren  zugleich, 
daß  am  Schädel  auch  außerhalb  des  Primordialcraniums  Knorpel  auf- 
treten kann.  Bei  „Verknöcherung"  jenes  Knorpels  handelt  es  sich, 
nach  Schaffer,  wie  bei  der  Genese  der  Ersatzknochen  um  Zer- 
störung des  Knorpels  und  Ersatz  durch  Knochen,  also  um  einen 
neo plastischen  Prozeß,  nicht  aber  um  einen  metaplastischen 
Vorgang,  wie  frühere  Autoren  schilderten. 

b)  Herkunft  und  Bedeutung-  der  Deckknochen. 

1)  Eine  gut  abgrenzbare  Gruppe  von  Deckknochen  wird  seit 
O.  Hertwig  (1874)  als  Zahn  knochen  aufgefaßt,  d.  h.  als  Knochen, 


614  E.  Gaupp, 

die  ursprünglich  aus  einer  Konkrescenz  von  Zähnen  entstanden  sind. 
Die  hierher  gehörigen  Elemente  sind  bei  niederen  Wirbeltieren  in  oder 
unter  der  Schleimhaut  gelegen  und  können  alle  —  bei  dieser  oder 
jener  Form  —  Zähne  tragen.  Für  einige  von  ihnen  ist  bei  Fischen 
und  Urodelen  thatsächlich  festgestellt,  daß  sie  ontogenetisch  durch 
eine  Konkrescenz  von  Zahnsockeln  entstehen :  hier  geht  also  die 
Zahnbildung  der  Knochenbildung  voraus.  Bei  anderen  zeigt  sich  nur 
der  erste  Anfang  der  Knochenbildung  an  die  Zahnsockel  geknüpft, 
der  durch  Konkrescenz  solcher  enstandene  Knochen  wächst  dann 
ohne  Beteiligung  von  Zähnen  weiter,  und  wo  diese  später  noch  auf- 
treten, verbinden  sie  sich  sekundär  mit  dem  Knochen.  Hierin  prägt  sich 
also  ontogenetisch  schon  eine  Emancipation  der  Knochen  von  den 
Zähnen  aus.  Ein  nächster  Grad  der  Emancipation  ist  darin  gegeben, 
daß  der  ganze  Knochen  selbständig  entsteht ,  und  die  nachträglich 
auftretenden  Zähne  sich  sekundär  mit  ihm  verbinden ;  endlich  kann 
nur  noch  der  Knochen  zur  Entstehung  kommen,  während  die  Bildung 
der  Zähne  unterdrückt  wird.  Die  Existenz  dieser  Knochen  ist  also 
nicht  an  das  Fortbestehen  der  Zähne  geknüpft,  vielmehr  kann  im 
Laufe  der  Phylogenese  aus  einem  zahntragenden  Knochenstück  ein 
zahnloses  werden.  Der  Theorie  nach  müssen  die  fraglichen  Knochen 
ursprünglich  nahe  dem  Mundepithel  in  der  Schleimhaut  gelegen  haben, 
und  hier  finden  sie  sich  in  der  That  bei  manchen  Fischen  (Polypterus) ; 
schon  bei  den  meisten  Teleostiern  liegen  sie  aber  in  größerer  Tiefe, 
ein  Zustand,  der  als  sekundär  zu  betrachten  ist.  —  Die  hauptsäch- 
lichsten Knochen,  für  die  Hertwig  die  erörterte  Herkunft  annimmt, 
sind:  Parasphenoid,  Vomer,  Palatinum,  Pterygoid,  die  zahntragenden 
Abschnitte  des  Praemaxillare,  Maxillare,  Dentale,  das  Operculare,  sowie 
die  zahntragenden  Knochen  auf  dem  Hyobranchialskelett  der  Tele- 
ostier. 

Nach  dieser,  auch  schon  an  einer  anderen  Stelle  dieses  Handbuches  erörterten 
Hypothese  trat  die  Zahnbildung  ein  zu  einer  Zeit,  wo  das  Kopfskelett  noch  allein 
durch  das  Primordialcranium  repräsentiert  wurde.  In  dem  Cementteil,  mit  dem  die 
Selachierzähne  in  der  Schleimhaut  stecken,  ist  das  Baumaterial  gegeben,  aus  welchem 
knöcherne  Belegplatten  für  das  Knorpelcranium  sich  bilden  konnten.  Daß  diese  ur- 
sprünglich zahntragenden  und  durch  Konkrescenz  von  Zähnen  entstandenen  Knochen- 
platten dann  von  der  Zahnbildung  unabhängig  wurden  und  sogar  da  noch  erhalten 
bleiben,  wo  die  Zähne  nicht  mehr  zur  Anlage  kommen,  erklärt  sich  aus  der  Wichtig- 
keit, die  sie  als  knöcherne  Gebilde  im  Schädelaufbau  gewinnen,  aus  den  Verbindungen, 
die  sie  mit  anderen  Elementen  eingehen,  und  durch  die  sie  innerhalb  der  Gesamt- 
konstruktion des  Schädels  als  Skelettstücke  unentbehrlich  werden.  Die  Emanzipation 
der  Knochenbildung  von  der  Zahnbildung  ist  also  der  sekundäre  Zustand.  —  Diese 
von  Hertwig  angenommene  Herkunft  der  Mundhöhlenknochen  ist,  wie  gesagt,  für 
mehrere  derselben  thatsächlich  —  bei  dieser  oder  jener  Form  —  nachgewiesen;  für 
andere  fehlt  dieser  Nachweis  noch.  Die  Dipnoer  zeigen  in  ihren  Zahnplatten  das 
supponierte  Anfangsstadium  der  Knochen  fixiert. 

2)  Die  übrigen  Deckknochen  entstehen  als  Verknöcherungen  im 
Bindegewebe  am  dorsalen  und  lateralen  Umfang  des  Kopfes.  Sie 
z,8igen  ein  sehr  verschiedenes  Verhalten  und  sind  wohl  auch  nicht  alle 
gleichartig  zu  beurteilen. 

Eine  große  Gruppe  dieser  Elemente  wird  nach  dem  Vorgange 
von  (lEGENBAUR  (1870)  Und  Hertwig  (1874,  187G,  1879)  aufgefaßt  als 
ursprüngliche  Integumentalossifikationen,  gleichwertig  den  Schuppen- 
bildungen am  Rumpfe  und  wie  diese  in  letzter  Instanz  zurückführbar 
auf  Konkrescenz  von  Plakoidschuppen,  wie  sie  die  Selachier  besitzen. 
Die  verschiedenen  Zustände,  die  für  sie  als  Entwickelungsetappen 
postuliert  werden  müssen,  finden  sich  unter  den  Fischen  fixiert.     Der 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  615' 

Zahnbesatz,  der  ihnen  der  Theorie  nacli  ursprünglich  zugekommen  sein 
muß,  ist  noch  erhalten  bei  Lepidosteus  und  Hypostoma;  die  Bau- 
übereinstimmung mit  den  Integumentalossifikationen  des  Rumpfes  ist 
deutlich  ausgeprägt  bei  Ganoiden  (Acipenseriden,  Polypterus,  Lepi- 
dosteus), aber  auch  bei  manchen  Teleostiern  (Panzersiluroiden),  und 
bei  all  diesen  Formen  sind  sie  auch  ihrer  oberflächlichen  Lage  nach 
noch  als  Hautossifikationen  zu  bezeichnen.  Ihre  Beziehung  zum 
Schädel  kann  sich  dabei  auf  eine  Deckung  des  Knorpelcraniums  be- 
schränken (Acipenseriden).  Bei  den  meisten  Teleostiern  linden  sie 
sich  in  größerer  Tiefe,  in  innigerer  Verbindung  mit  den  übrigen  Teilen: 
des  Schädels,  als  integrierende  Stücke  desselben  und  infolge  der  Re- 
duktion des  Knorpelcraniums  beteiligt  an  der  Deckung  des  Gehirns. 
In  der  sie  bedeckenden  Haut  können  sogar  aufs  neue  Ossifikationen 
entstehen.  Die  wichtigsten  Knochen,  für  welche  diese  Phylogenese 
anzunehmen  wäre,  sind :  Parietale,  Frontale,  Nasale,  Paraquadratum 
(der  Amphibien,  wahrscheinlich  dem  Quadratojugale  der  Reptilien,  viel- 
leicht auch  dem  Tympanicum  der  Säuger  entsprechend),  Squamosum, 
Postfroutale  (resp.  Postfrontalia),  Praefrontale  (Praefrontalia),  Lacri- 
male,  Septomaxillare,  Jugale,  Quadratomaxillare  (der  Anuren),  Angulare, 
Supraangulare.  Complementare  am  Unterkiefer  der  Sauropsiden,  end- 
lich die  Gesichtsteile  des  Praemaxillare.  Maxillare  und  Dentale.  Nach 
0.  Hertwig  bestehen  diese  drei  letztgenannten  Knochen  aus  zwei 
Komponenten :  einer  Integumentalossifikation  (Gesichtsteil)  und  einer 
aus  Zahnkonkrescenz  hervorgegangenen  (Schleimhautteil).  Bei  den 
Acipenseriden  und  unter  den  Teleostiern  besonders  bei  den  Panzer- 
siluroiden ist  die  Zahl  der  Schädeldeckknochen  noch  eine  größere,  und 
in  Form  und  Anordnung  verhalten  sie  sich  weniger  typisch  als  bei  den 
höheren  Fischen :  es  kann  dies  als  ein  primitiver,  mehr  indifferenter 
Zustand  angesehen  werden.  Es  finden  sich  ferner  bei  den  Fischen  in 
reicherer  Verbreitung  gewisse  Knochenstücke,  die  nicht  auf  die  höheren 
Formen  vererbt  werden  (Orbitalia,  Opercularia).  —  Viele  der  Deck- 
knochen am  Dach  und  lateralen  Umfang  des  Kopfes  werden  bei  Fischen 
von  Schleim  hau  tkanälen  durchsetzt,  eine  Beziehung,  die  zur 
Identifizierung  der  fraglichen  Knochen  von  Bedeutung  wird.  Nach 
Vrolik  ist  hierin  eine  primäre  Funktion  der  Knochen  zu  sehen, 
nach  Walther  handelt   es   sich   um  sekundär  erlangte  Beziehungen. 

Nach  der  GEGENBAUR-HERTWiG'scheu  Vorstellung  sind  die  Deckknochen  am 
Dach  und  seitlichen  Umfang  des  Kopfes  also  ihrer  ursprünglichen  Herkunft  nach 
analog  den  Mundhöhlenknochen :  wie  diese  aus  Konkrescenz  der  Basalplatten  zahl- 
reicher Zahnchen  entstanden.  Da  Haut-  und  Mundhöhlenzähne  als  gleichwertige 
Bildungen  zu  betrachten  sind,  so  ergiebt  sich  der  Satz:  alle  Deckknochen  des 
Schädels  sind  gemeinsamer  Abstammung  und  finden  ihre  Uranlage  in  gleichartigen 
Teilen  eines  Hautpanzers,  der  einst  bei  den  Vorfahren  der  Fische,  Dipnoer,  Am- 
phibien und  aller  Amnioten  bestanden  hat,  und  welcher  nicht  nur  die  Körperober- 
fläche, sondern  auch  die  Mundhöhle  bis  zum  Anfang  des  Oesophagus  bedeckt  hat 
(Hertwig).  Die  größeren  Hautossifikationen,  namentlich  die  typisch  gewordenen 
Belegknochen  sind  dabei  nicht  als  direkt  durch  Verschmelzung  von  umfangreicheren 
Gruppen  von  Hautzähnen,  sondern  als  erst  allmählich  entstanden  zu  denken:  es 
haben  sich  erst  viele  kleinere  Knochenstücke  .gebildet,  aus  denen  dann  durch  erneute 
Konkrescenz  eine  geringere  Zahl  größerer  Stücke  hervorging.  Wie  bei  den  Zahn- 
knochen  der  Mundschleimhaut,  sohat  sich  auch  bei  den  Integumentalossifikationen 
die  Knochenbildung  sekundär  von  den  Zähnen  emanzipiert.  Die  besondere  Ent- 
wickelungsrichtung,  die  die  Hautossifikationen  des  Kopfes  einschlagen,  erklärt  sich 
durch  die  Beziehungen,  die  die  letzteren  zum  Primordialcranium  gewannen,  und  die 
sich  bei  Acipenseriden  noch  in  den  ersten  Anfängen  erhalten  zeigen. 

Außer  den  eben  geschilderten  Elementen,  die  von  den  Fischen  an 
verfolgbar   sind  und,   ursprünglich  oberflächlich  auftretend,   allmählich 


616  E.  Gaupp, 

in  den  Aufbau  des  inneren  Skelettes  übergehen,  giebt  es  noch  ge- 
legentlich Integumentossifikationen,  die  als  sekundär  hinzugekommen 
kaum  eine  bis  zu  den  Plakoidschuppen  der  Selachier  zurückreichende 
Stammesgeschichte  durchgemacht  haben  können.  Ich  denke  hier  an 
die  Schläfenpanzerknochen  und  die  Superciliarknochen  der  Saurier, 
die  wohl  als  Ossifikationen  des  Coriums  ohne  jene  Genealogie  zu  be- 
trachten sind.  Endlich  legen  manche  Erscheinungen  den  Gedanken 
nahe,  daß  einige  Schädeldeckknochen  primär  als  Membran-  oder 
Bandverknöcherungen  entstanden  sind.  Sicheres  läßt  sich  darüber 
jedoch  noch  nicht  sagen. 

Für  weitaus  die  meisten  Deckknochen  kann  dem  Gesagten  zufolge  das  In- 
tegument  als  Ausgangslokalität  angesehen  werden.  Die  Frage  nach  der  Herkunft 
•der  Osteoblasten,  die  dabei  wirksam  sind,  ist  hier  nicht  genauer  zu  erörtern, 
doch  muß  darauf  hingewiesen  werden,  daß  Klaatsch  die  fraglichen  Elemente  vom 
Ektoderm  ableitet.  Nach  gewöhnlicher  Auffassung  sind  sie  niesoderraaler  Natur. 
Ob  sie  von  vornherein  Gebilde  sui  generis  sind,  oder  ob  sich  Bindegewebszellen  zu 
Osteoblasten  umwandeln  können,  muß  einstweilen  noch  fraglich  bleiben.  Gegen- 
BAUR  (1898)  leitet  sämtliche  Knochenbildung  im  Körijer  vom  Integument  ab : 
von  hier  aus  könnten  1)  integumentale  Ossifikationen  als  solche  in  die  Tiefe  rücken; 
2)  osteoblastisches  Material  sich  dem  Mesoderm  beimischen  und  in  der  Tiefe  Knochen 
produzieren  (s.  Ersatzknochen). 

c)  Beziehungen  der  Deckknochen  zum  Pi'iinordialcranium  und  zu  den 

Ersatzknochen. 

Die  meisten  Deckknochen  zeigen  wenigstens  bei  ihrem  ersten  Auf- 
treten in  der  Wirbeltierreihe  lokale  Beziehungen  zum  Primordial- 
cranium,  derart,  daß  sie  sich  Teilen  desselben  auf-  oder  anlagern, 
also  richtige  Belegknochen  desselben  bilden ;  für  einige  wenige  ist  das 
bisher  nicht  nachweisbar  gewesen.  Man  wird  annehmen  dürfen,  daß 
die  einzelnen  Belegstücke  ursprünglich  in  topographischem  Verhältnis 
zu  ganz  bestimmten  Teilen  des  Knorpelschädels  standen,  eine  An- 
nahme, die  zur  unabweisbaren  Forderung  wird  bei  den  Mundhöhlen- 
knochen, da  ja  die  Konkrescenz  einer  Anzahl  von  Zähnen  zu 
zahntragenden  Knochenplatten  nur  einen  Sinn  haben  kann  an  Stellen, 
wo  eine  solche  Platte  sich  an  eine  feste  Unterlage  anlehnen  kann. 
Es  wird  somit  eine  Definition  der  einzelnen  Stücke  aus  diesen  topo- 
graphischen Beziehungen  versucht  werden  müssen.  Die  ursprüng- 
lichen Beziehungen  können  aber  im  Laufe  der  Phylogenese  undeutlich 
oder  selbst  ganz  verwischt  werden,  und  zwar  dadurch,  daß  das  unter- 
liegende Primordialcranium  und  die  aufgelagerten  Deckknochen  selb- 
ständige Entwickelungswege  einschlagen.  Es  kann  da  Verschiedenes 
erfolgen.  Zunächst  kann  die  Auflagerung  eines  Deckknochens  auf 
einen  bestimmten  Teil  des  Knorpelschädels  die  Folge  haben,  daß 
letzterer  zu  Grunde  geht.  Es  begreift  sich  das  aus  der  höheren 
funktionellen  Bedeutung  des  Knochenstückes,  durch  die  der  darunter 
gelagerte  Knorpel  entwertet  wird.  In  diesem  können  so  Lücken, 
Fensterbildungen  entstehen,  auf  deren  Rändern  dann  der  Deckknochen 
aufliegt;  erfolgt  weiterhin  Ossifikation  des  primordialen  Knorpels, 
so  tritt  der  Ersatzknochen  in  Randverbindung  mit  dem  Deck- 
knochen: das  appositioneile  Verhältnis,  das  ursprünglich  in  der 
Flächendeckung  bestand,  kommt  dann  nur  noch  in  der  Rand- 
verbindung  zum  Ausdruck.  Es  kann  aber  auch,  wenn  der  Deck- 
knochen durch  Verbindung  mit  anderen  Deckknochen  genügend  Halt 
und  Festigkeit  erworben  hat,  der  Knorpel,  auf  den  er  sich  früher 
stützte,  ganz  zu  Grunde  gehen.   Endlich  kann  auch  der  Fall  eintreten. 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  617 

daß  ein  Deckknochen  zwar  seine  Lage  am  Gesamtschädel  im  allge- 
meinen beibehält,  dadurch  aber,  daß  unter  ihm  die  knorpeligen  Teile 
Veränderungen  erfahren,  neue  topographische  Beziehungen,  zu  anderen 
Teilen  des  Primordialcraniums,  erhält.  Dies  gilt  in  viel  höherem  Maße 
für  die  Belegknochen  des  visceralen  als  für  die  des  neuralen  Prim- 
ordialcraniums; speciell  in  hohem  Maße  für  die  Zahnknochen.  Auch 
durch  selbständige  Ausdehnung  kann  ein  Deckknochen  seine  ursprüng- 
lichen  topographischen  Beziehungen  ändern,  Verschiebungen  erleiden. 

Specielle  Topographie  der  Deckknochen   am  Knorpelschädel. 

Die  primären  topographischen  Beziehungen  der  Deckknochen  zu  bestimmten 
Teilen  des  Knorpelschädels  sind  noch  nicht  für  alle  Stücke  genügend  erkannt. 
Folgendes  läßt  sich  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  über  die  wichtigsten  Stücke  sagen. 

Von  den  Knochen  des  Schädeldaches  sind  das  Parietale  und  das  Frontale 
Elemente,  die  ihre  ursprüngliche  Lage  an  der  Schädeldecke  in  der  Labyrinth-  und 
Orbito-temporalregion  hatten.  Bei  Acipenser  finden  sie  sich  hier  noch  dem  knorpe- 
ligen Schädeldach  aufliegend.  Das  Parietale  läßt  diese  Beziehung  bei  den  meisten 
Wirbeltieren  noch  erkennen ;  auch  wo  das  Knorpeldach  der  Labyrinthregion  lücken- 
haft ist,  stützt  sich  der  Knochen  hinten  meist  noch  auf  das  Tectum  synoticum,  seit- 
lich auf  die  Ohrkapseln.  Selbst  bei  Säugern  ist  diese  Beziehung  noch  erkennbar, 
trotz  der  erheblichen  Lageveränderung,  die  jene  primordialen  Teile  erleiden.  Aller- 
dings kann  aus  der  ursprünglichen  Flächendeckung  eine  Ränderverbindung  zwischen 
dem  Parietale  und  den  primordialen  Teilen  werden.  Das  Frontale  lagert  sich  ur- 
sprünglich dem  knorpeligen  Schädeldach  in  der  Orbito-temporalregion  auf;  später, 
wenn  letzteres  verschwunden  i»t,,  läßt  sich  doch  meist  noch  eine  nähere  Beziehung  zum 
oberen  Rande  der  orbito-temporalen  Schädelseitenwand  erkennen.  Das  vordere  Ende 
des  Frontale  schiebt  sich  häufig  noch  auf  die  Nasenkapsel  herauf.  Als  besonderer 
Deckknochen  am  lateralen  Bogengang  der  Ohrkapsel  findet  sich  bei  Amnioten  das 
Squamosum;  bei  Knochengan oiden  und  Teleostiern  ist  ein  entsprechender  Knochen 
vorhanden,  verliert  aber  hier  seine  Deckknochennatur.  Die  primären  Beziehungen 
der  bei  den  Amnioten  unter  den  Namen  Postfrontale  (event.  Postfrontale 
mediale  und  P.  laterale)  und  Jugale  bekannten  Knochen  sind  zur  Zeit  noch 
nicht  anzugeben.  Zu  den  Deckknochen  der  Ethmoidalregion  gehören:  Nasale, 
Supraethmoidale  (der  Teleostier),  Praefrontale  (resp.  Praef rontalia)  der 
Amphibien  und  Sauropsiden,  Septom axillare  (im  hinteren  Gebiet  der  Fenestra 
narina  bei  Amphibien  und  Reptilien,  kann  sich  teils  mehr  in  die  Nasenkapsel,  teils 
aus  derselben  heraas  ausdehnen),  Lacrimale  der  Säuger.  Ob  diesem  das  Lacri- 
male  der  Saurier  und  Krokodile  entspricht,  ist  zweifelhaft;  bei  Lacerta  besitzt  das- 
selbe keine  Beziehung  zum  Knorpelschädel.  Die  appositioneilen  Beziehungen  des 
Praemaxillar e,  Maxillare  und  des  Vomers  zum  Ethmoidalskelett  sind  mög- 
licherweise sekundär  erlangt.  Das  Parasphenoid  ist  zweifellos  ein  Schleimhaut- 
knochen an  der  Basis  des  neuralen  Craniums. 

Am  Palatoquadratu  m  findet  sich  zunächst  auf  der  lateralen  Oberfläche 
ein  bei  Amphibien  sehr  ausgedehnter  Knochen,  den  ich  wegen  dieser  typischen  Lage- 
beziehung als  Paraquadratum  bezeichnet  habe.  Bei  den  Reptilien  läßt  das  sog. 
Qu adrato jugale  noch  die  gleiche  Lagebeziehung  erkennen  und  dürfte  daher  dem 
Paraquadratum  zu  horaologisiren  sein.  Ob  letzteres  auch  im  Tympanicum  der 
Säuger  wiederzufinden  ist,  ist  noch  nicht  ganz  sicher.  Wenig  bekannt  sind  noch 
die  Verhältnisse  des  sog.  Quadratomaxillare  der  Amphibien.  —  Vieles  spricht 
dafür,  daß  der  Vom  er,  das  Palatinum  und  das  Pterygoid  (event.  Ekto-  und 
En  topterygoid  bei  den  Teleostiern)  als  zahntragende  Deckknochen  auf  der  Pars 
palatina  des  Palatoquadratums  entstanden,  und  daß  sie  somit  zurückzuführen  sind 
auf  die  Zähne,  die  bei  den  Selachiern  dem  genannten  Knorpelbogen  aufsitzen.  Doch 
liegt  schon  bei  den  Teleostiern  der  Vom  er,  und  bei  den  Amphibien  auch  das  Pala- 
tinum nicht  mehr  an  Teilen  des  Palatoquadratums,  sondern  an  solchen  des  Eth- 
moidalskelettes,  also  au  der  Basalf lache  der  Nasenkapsel.  Nur  das  Pterygoid 
läßt  bei  den  Amphibien,  ja  selbst  noch  bei  manchen  ReptiMen  die  ursprüngliche  Be- 
ziehung zu  der  Pars  jjalatina  des  Palatoquadratums  erkennen.  Die  Lage  des  Vomer, 
Palatinum  und  Pterygoids  in  der  Tiefe  der  Mundhöhle  (während  der  Palatoquadrat- 
knorpel  mit  seinen  Zähnen  bei  den  Selachiern  den  Mundrand  bildet)  erklärt  sich  durch 
die  Ausbildung  des  Prämaxillare  und  Maxillare.  Der  obere  Mundrand  der  höheren 
Fische  und  aller  höheren  Vertebraten  entspricht  danach  nicht  dem  oberen  Mundrand 
der  Selachier.  (Abweichende  Anschauungen  sind  geäußert  und  neu  zu  prüfen.)  Für 
das  Praemaxillare  und  Maxillare,  die  beiden  zahntragenden  Knochen,  die  von 


r 


618  E.  Gaupp, 

den  höheren  Fischen  an  den  oberen  Mundraud  bilden,  könnte  dann  der  vorderste 
Teil  des  Ethmoidalskelettes  als  ursprüngliche  Anlagerungsstätte  in  Frage  kommen. 
Indessen  ist  es  wahrscheinlicher,  daß  Knorpel,  die  in  die  Kategorie  der  Lippen- 
knorpel  fallen,  in  dieser  Hinsicht  in  Anspruch  zu  nehmen  sind,  und  daß  die  Lage- 
rung der  genannten  Knochen  am  Ethmoidalskelett  bereits  den  abgeänderten  Zustand 
repräsentiert.  —  Am  Unterkiefer  bietet  der  primordiale  Unterkiefer  (MECKEL'sche 
Knorpel)  die  Anlagerungsstätte  für  Zahn-  und  Tntegumentknochen.  Wie  am  Ober- 
kiefer, so  können  auch  am  Unterkiefer  zwei  Zahnbogen  unterschieden  werden :  ein 
äußerer,  repräsentiert  durch  das  Dentale,  imd  ein  innerer,  repräsentiert  durch  das 
Operculare  (Spleniale),  event.  in  Verbindung  mit  einem  oder  mehreren  Prae- 
splenialia.  Da  die  Zähne  auf  dem  primordialen  Unterkiefer  der  Selachier  wohl 
als  O p er eular zahne  zu  betrachten  sind,  so  verdient  die  Frage  Erwägung,  ob 
nicht  auch  das  Dentale  ursprünglich  einen  vor  dem  Kieferbogen  gelegenen  prim- 
ordialen Skelettstück  auflagerte,  ähnlich  wie  das  für  Prämaxillare  und  Maxillare 
angenommen  wird.  Auch  die  reinen  Integumeutverknöcherungen  des  Unterkiefers, 
in  deren  Benennung  sehr  große  Willkür  und  Verwirrung  herrscht  (Dermangulare, 
Dermarticulare,  Supraangulare,  Complementare),  sind  Belegstücke  des 
MECKEL'schen  Knorpels.  —  Am  Hyobranchialskelett  endlich  finden  gewisse 
Zahnknochen  der  Teleostier  (Pharyngeum  superius,  Ph.  inferius,  Dermobranchialia, 
Denuentoglossum)  Anlagerung;  bei  höheren  Formen  sind  Deckknochen  an  diesem 
Teil  des  primordialen  Skeletts  nur  noch  ausnahmsweise  vorhanden  (Amphiuma). 

Als  charakteristisch  für  die  Deckknochen  wurde  angegeben^ 
daß  dieselben  bei  ihrem  ersten  Auftreten  vom  Knorpelschädel  durch 
Bindegewebe  getrennt  sind.  In  diesem  losen  Verhältnis  können  sie 
zeitlebens  bestehen  bleiben.  Andererseits  können  sie  aber  auch  schon 
bei  oder  bald  nach  ihrer  Entstehung  innigere  Beziehungen  zum  Knorpel- 
schädel darbieten.  Am  besten  bekannt,  wenn  auch  nicht  allein  vor- 
kommend, sind  diese  Dinge  bei  den  Teleostiern.  Verschiedenes  ist 
auseinanderzuhalten.  Zunächst  kommt  es  vor,  daß  ein  als  Deck- 
knochen aufgetretenes  Skelettstück  sehr  bald  nach  seiner  Entstehung 
mit  einer  perichondralen  Ossifikation  zu  einer  neuen  Einheit  verschmilzt. 
Diese  entwickelt  sich  dann  als  einfacher  Knochen  weiter,  der  seine 
Doppelnatur  dadurch  dokumentiert,  daß  er  Charaktere  von  Deckknochen 
mit  solchen  von  Ersatzknochen  in  sich  vereinigt,  also  auch  in  den 
Knorpel  einwächst  und  diesen  ersetzt.  Der  Deckknochen-Charakter 
kommt  häufig  in  dem  Besatz  mit  Zähnen  oder  der  Umschließung  von 
Schleimkanälen  zum  Ausdruck.  (Beispiele:  Palatinum,  Squamosum  der 
Teleostier.)  van  Wijhe  hat  vorgeschlagen,  die  beiden  Komponenten 
durch  die  Vorsilben  Auto-  und  Dermo-  zu  charakterisieren,  der 
Mischknochen  selbst  wäre  durch  Amphi-  zu  bezeichnen  (Dermo- 
palatinum  und  Autopalatinum  bilden  also  das  Palatinum,  das  bei 
Teleostiern  ein  Amphipalatinum  ist).  Es  ist  zu  bemerken,  daß  die 
später  erscheinende  Auto-Komponente  nicht  immer  ganz  selbständig  auf- 
tritt, sondern  in  manchen  Fällen  schon  von  vornherein  wenigstens  an 
einer  Stelle  mit  dem  Deckknochen  vereinigt  ist.  Die  Auffassung,  daß 
hier  die  Deckknochenossifikation  auf  das  Perichondrium  übergegriffen 
hat,  ist  für  diese  Fälle  nicht  von  der  Hand  zu  weisen,  andererseits 
könnte  es  sich  ja  aber  auch  um  einen  abgekürzten  Entwickelungsgang 
handeln,  hervorgegangen  aus  einem  ursprünglicheren,  wo  beide  An- 
teile völlig  selbständig  auftraten.  Hierfür  scheinen  die  Befunde  bei 
Ganoiden  zu  sprechen,  wo  selbst  im  erwachsenen  Zustande  manche 
der  Dermo-  und  Auto -Komponenten  selbständig  gefunden  werden. 
Etwas  anders  liegen  die  Verhältnisse  beim  Vom  er  der  Teleostier:  hier 
ist  thatsächlich  ein  allmähliches  Vorschreiten  der  als  Deckknochen  auf- 
getretenen Ossifikation  in  die  Tiefe  und  in  das  Perichondrium  an  der 
Basis  der  Ethmoidalregion  zu  konstatieren  —  ja,  der  Knochen  scheint 
sogar  in  den  Knorpel  eindringen  zu  können.    Endlich  bietet  das  D  en- 


Die    Entwickelung  des  Kopfskelettes.  619 

tale  bei  Teleostiern  (und,  wie  es  scheint,  auch  bei  anderen  Wirbel- 
tieren) die  Besonderheit,  daß  es  schon  bei  seiner  ersten  Entstehung 
mit  seinem  vorderen  Ende  im  Perichondrium  dem  Knorpel  eng  an- 
liegt, während  es  weiter  hinten  die  typische  Deckknochennatur  zeigt, 
d.  h.  von  dem  Knorpel  durch  Bindegewebe  getrennt  ist.  —  Alle  diese 
Thatsachen  sind  noch  sehr  mangelhaft  bekannt  und  verlangen  specielle 
vergleichend-entwickelungsgeschichtliche  U^ntersuchungen. 

3.  Die  Ersatzknochen  (Ossa  substituentia). 
(Primordiale  Knochen,  Autostosen.) 
a)  Zur  1118101:611686  der  Ersatzkiioehen. 
Die  typischen  Ersatzknochen  beginnen  ihre  Entwickelung  mit  der 
Entstehung  einer  Knochenlamelle,  die  im  Perichondrium  irgend  eines 
Teiles  des  Primordialcrauiums  auftritt  und  der  Oberfläche  des  Knorpels 
direkt  aufliegt.    Je  nach  der  Form  des  primordialen  Knorpelteiles  ver- 
hält   sich    auch    die   perichondrale   Knochenlamelle   verschieden.     Um 
Knorpelstäbe    bilden    sich    cirkuläre   röhrenförmige    Knochenscheiden, 
auf  der  Oberfläche   der  neurokranialen  Teile   dagegen  platte  Auflage- 
rungen.    Das   weitere   Schicksal   dieser   perichondralen   Lamellen   ge- 
staltet   sich    verschieden,   ihre    Weiterentwickelung  kann    chondrifugal 
und  chondripetal  erfolgen.    Bei  niederen  Wirbeltieren  bestehen  manche 
Skelettstücke  zeitlebens  aus  einem  Knorpelstück,  das  von  einer  Knochen- 
rinde  umgeben   ist  (z,  B.  Hyomandibulare  von  Acipenser),   und  dem- 
entsprechend   giebt  es  Knochen,    die  zeitlebens  am  neuralen  Cranium 
intaktem   Knorpel   aufliegen,   im    übrigen   aber   gegen    die  Umgebung 
hin  sich  mannigfach  weiterentwickeln.    Bei  den  höheren  Formen  bildet 
der  Zustand  der    corticalen  Knochenlamelle  auf  Knorpel  nur  das  An- 
fangsstadium,   dem    sich  Zerfall    des  Knorpels  anschließt.     Dabei  wird 
Verschiedenes  beobachtet.     Die  Resorption  kann  unter  perichondralen 
Knochenlamellen ,    die    auf   der   Außenfläche    des   Primordialcrauiums 
liegen,  doch  von  der  inneren,  cerebralen  Oberfläche  des  Knorpels  aus 
erfolgen.     So  kann  der  Knorpel  völlig  zu  Grunde  gehen  und  nur  die 
Knochenlamelle  stehen  bleiben,   die   sich  ihrerseits  durch  chondrifugal 
erfolgende  Apposition  neuer  Knochensubstanz  verdicken  kann.  (Knochen 
der  Urodelen  u.  a.)    Oder:  die  zuerst  entstandene  Knochenlamelle  er- 
fährt eine  Perforation  durch  lokale  Resorption,  und  durch  die  Lücken 
dringen   periostale  Sprossen    in    den  vorher   verkalkten  Knochen   und 
bringen    diesen    zur   Zerstörung.     Die    so   entstandenen    primordialen 
Markräume  können  dann  von  Knochen  occupiert  werden,  der  im  An- 
schluß an  die  perichondrale  Knochenlamelle  einwächst,  oder  die  Knochen- 
bildung   erfolgt    von    den    eingewachsenen    Sprossen    aus    selbständig 
endochondr  al ,    und   die    endochondralen    Knochenbalken   vereinen 
sich  erst  sekundär  mit  dem  perichondralen  Knochen.    Auf  die  Einzel- 
heiten  dieser  viel   beschriebenen  Vorgänge  einzugehen,   ist  hier  nicht 
der  Ort. 

Der  Anschluß  der  endochondralen  Verknöcherung  an  die  peri- 
chondrale erfolgt  meist  da,  wo  ein  stabförmiges  Knorpelstück  cirkulär 
von  einer  perichondralen  Knochenrinde  umgeben  wird,  oder  wo  ein 
platter  Knorpelteil  von  zwei  auf  seinen  beiden  Oberflächen  abgelagerten 
Knochenlamellen  in  die  Mitte  genommen  wird.  Letzteres  ist  am  neu- 
ralen Cranium  geknüpft  an  das  Auftreten  der  sog.  inneren  La- 
mellen, d.  h.  perichondraler  Knochenlamellen  an  der  inneren  (cere- 


620  E.  CtAupp, 

bralen)  Fläche  der  knorpeligen  Scliädehväude  oder  an  den  Innenflächen 
der  Ohr-  und  Nasenkapsel.  Gewöhnlich  entstehen  sie  selbständig, 
ohne  daß  ontogenetisch  ein  Zusammenhang  mit  einer  äußeren  Lamelle 
nachweisbar  wäre.  Doch  spricht  die  Wahrscheinlichkeit  dafür,  daß  sie 
phylogenetisch  von  solchen  abstammen,  und  in  einigen  Fällen  entstehen 
sie  in  der  That  in  direktem  Anschluß  an  äußere  Lamellen,  indem  von 
einer  solchen  die  Verknöcherung  auf  dem  Wege  einer  Lücke  des 
Primordialcraniums  (Nerven-  oder  Gefäßloch)  sich  an  die  Lmenfläche 
des  letzteren  fortsetzt.  Ließen  sich  alle  inneren  Lamellen  in  dieser 
Weise  von  äußeren  ableiten,  so  wäre  damit  der  oben  besprochene  Vor- 
gang der  Primordialdivision  bewiesen.  Daß  Ersatzknochen  von  Nerven- 
oder Gefäßlöchern  aus  ihre  Entstehung  nehmen,  ist  eine  häutige  Er- 
scheinung. —  Vielfach,  namentlich  bei  niederen  Formen,  schließen  sich 
die  Vorgänge  der  endochondralen  Verknöcherung  erst  geraume  Zeit 
nach  dem  Auftreten  der  perichondralen  Knochenlamelle  an,  und  die 
letztere  kann  unterdessen  sich  selbständig  in  die  Umgebung  ausdehnen, 
Leisten  und  Fortsätze  bilden,  während  der  unterliegende  Knorpel  noch 
durchaus  intakt  ist.  Dagegen  folgt  bei  höheren  Formen  die  endo- 
chondrale  Verknöcherung  der  perichondralen  unmittelbar  nach  und 
läßt  die  Anteilnahme  des  Knorpels  an  der  Bildung  des  Skelettstückes 
größer  erscheinen. 

Im  großen  ganzen  ahmt  der  Ersatzknochen  die  Form  des  prim- 
ordialen Knorpelgebietes  nach,  an  dessen  Stelle  er  tritt.  Doch  kann 
sich  von  ihm  aus  die  Ossifikation  auch  chondrifugal  sehr  stark  in  die 
Umgebung  ausdehnen,  namentlich  Muskelsehnen  und  Bändern  folgen, 
und  so  ein  kompliziertes,  durch  Leisten  und  Fortsätze  gebildetes  Relief 
der  Knochenoberfläche  zu  stände  bringen.  Ganz  besonders  ausgeprägt 
sind  diese  Vorgänge  bei  Teleostiern.  Statt  mimimorpher  Stücke  ent- 
stehen dann  automorphe,  deren  Gestalt  von  der  der  primordialen 
Grundlage  ganz  verschieden  ist. 

Alle  diese  Erscheinungen  zeigen,  daß  die  Knochenbildung  den  Knorpel  nur  als 
erstes  Modell,  als  Unterlage  benutzt,  im  übrigen  aber  unabhängig  von  ihm  vor  sich 
geht.  Auch  die  Vorgänge  bei  der  endochondralen  Verknöcherung  müssen  entsprechend 
gedeutet  werden,  sie  sind  ein  Ausdruck  für  die  chondripetale  Ausbreitung  des 
Knochens,  wobei  es  zu  einem  Kampf  beider  Gewebe  kommt,  in  dem  der  Knorpel 
unterliegt  und  der  Knochen  an  seine  Stelle  tritt.  Vielleicht  handelt  es  sich  sogar 
direkter  um  eine  Art  Ernährung  des  Knochens  durch  den  zerfallenden  Knorpel. 
Jedenfalls  besitzt  der  letztere  nur  eine  rein  provisorische  Bedeutung,  gewissermaßen 
als  Platzhalter  für  den  erst  später  auftretenden  Knochen  (s.  auch  p.  592). 

Die  Erscheinungen  der  chondrifugaleu  Ausdehnung  eines  perichondral  ent- 
standenen Knochens  verlangen  noch  genauere  Untersuchung.  So  ist  festzustellen, 
ob  ein  perichondral  entstandener  Knochen  durch  Ausdehnung  in  die  Um- 
gebung, speciell  gegen  das  Integument  hin,  die  Oberflächenstruktur  typischer  Deck- 
knochen annehmen  kann,  wie  das  z.  B.  am  Pleuroethmoidale  und  Sphenoticum 
der  Teleostier  nicht  ausgeschlossen  erscheint.  Die  Möglichkeit  einer  fusion  pri- 
mordiale würde  dabei  zu  berücksichtigen  sein.  Ferner  verdient  die  wichtige  Frage 
Erwägung,  ob  ein  ursprünglich  perichondraler  Knochen,  der  sich  auf  ein  Band  fort- 
setzte, aus  seiner  ursprünglichen  Lage  herausgedrängt  werden  kann,  so  daß  nun  nur 
jener  sekundäre  Auswuchs,  mit  dem  Charakter  eines  Belegstückes  am  Knorpelschädel, 
übrig  bleibt  —  ein  Vorgang,  den  Sagemehl  für  das  Intercalare  der  Teleostier  an- 
nimmt. Daß  frühzeitige  Verwachsungen  von  perichondralen  und  Deckknochen  vor- 
kommen, wurde  schon  erwähnt. 

Zu  den  primordialen  oder  Ersatzknochen  im  Sinne  der  oben  ge- 
gebenen Definition  sind  nun  aber  auch  einige  Knochen  zu  zählen,  die 
ontogenetisch  nur  membranös  präformiert  sind.  Ich  rechne  hierzu 
diejenigen  Skelettstücke  resp.  Teile  von  solchen,  die  in  Lücken  des 
Knorpelschädels  auftreten,   in  den  bindegewebigen  Partieen,  die  ihrer 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes,  621 

ganzen  Lage  und  Anordnung  nach  als  nicht  verknorpelte  Teile  des 
Primordialcraniums  aufgefaßt  werden  dürfen  (z.  B.  Basisphenoid  und 
Orbitosphenoid  der  Teleostier).  Bei  der  derzeitigen  Mangelhaftigkeit 
unserer  Kenntnisse  vom  Primordialcranium  kann  vorläufig  nur  als 
Vermutung  ausgesprochen  werden,  daß  diese  Knochen  von  ursprüng- 
lich perichondral  gelegenen  abzuleiten  sind,  also  phylogenetisch 
knorpelig  präformiert  waren. 

1))  Topographie  der  Ersatzknocheu. 

Durch  das  Auftreten  der  Ersatzkuochen  wird  das  kontinuierliche 
knorpelige  Neurocranium  in  eine  Anzahl  knöcherner  Territorien 
zerlegt,  es  werden  damit  einzelne  Knochenindividuen  geschaffen, 
die  zunächst  durch  die  unverknöcherten  Reste  von  Knorpel  vereinigt 
bleiben  und,  solange  als  dies  der  Fall  ist,  an  diesen  Trennungszonen 
durch  Apposition  weiterwachsen  können.  Später  können  die  letzteren 
auch  verknöchern  (Konkrescenz  der  einzelnen  Stücke).  Die  Knochen- 
territorien richten  sich  in  ihrer  Ausdehnung  nicht  nach  den  Grenzen 
der  ursprünglichen  Kegiouen  und  Abschnitte  des  Chondrocraniums, 
wenn  auch  im  allgemeinen  eine  Zusammenfassung  bestimmter  Stücke 
zu  4  Segmenten  (Occipital-,  Otical-,  Sphenoidal-,  Ethmoidal-Segment) 
möglich  ist.  Als  Ossifikationen  der  Occipitalregion  werden  ge- 
wöhnlich betrachtet :  Basioccipitale,  Pleuroccipitalia,  Supra- 
occipitale,  doch  ist  hierzu  zu  bemerken,  daß  das  Supraoccipitale 
meist  aus  der  Verknöcherung  des  Tectum  synoticum ,  das  zur 
Labyrinthgegend  gehört,  hervorgeht.  Supraoccipitale  und  Pleuroccipi- 
talia greifen  vielfach  auf  die  Ohrkapselu  über.  Von  den  haupt- 
sächlichsten Ossifikationen  der  Oticalregiou  (den  Ossa  periotica): 
Opisthoticum,  Epioticum,  Prooticum,  Sphenoticum, 
Pteroticum  (wozu  noch  speciell  bei  den  Säugern  eine  Anzahl  un- 
benannter Centren  kommt)  ist  das  Prooticum,  das  an  Stelle  der  vor- 
deren Ohrkapselhälfte  tritt,  das  konstanteste;  an  Stelle  eines  selb- 
ständigen Opisthoticum  und  Epioticum  dehnen  sich  oft  das  Pleur- 
occipitale  und  das  Supraoccipitale  auf  die  hintere  Ohrkapselhälfte  aus ; 
ein  Sphenoticum  besteht  nur  bei  Fischen  als  selbständige  Ossifikation 
der  vorderen  Ohrkapselkuppel  und  des  anschließenden  Teiles  der  orbito- 
temporalen  Schädelseitenwand ;  das  Pteroticum  ist  ebenfalls  eine  nur 
bei  Fischen  vorkommende  Ossifikation,  die  aber  nicht  selbständig 
bleibt,  sondern  als  Autosquamosum  mit  dem  Dermosquamosum  zum 
Squamosum  verschmilzt.  Sie  entsteht  am  lateralen  Bogengang.  In 
der  Orbito-temporalregion  werden  Basisphenoid,  Prä- 
sphenoid,  Alisphenoidea  und  Orbitosphenoidea  in  sehr 
wechselndem  Verhalten  angetroffen.  In  der  Ethmoidalregion 
finden  sich  Pleur oethmoidalia  und  Praee thmoidalia  bei 
Fischen,  ein  einheitliches  Ethmoidale  bei  Säugern. 

Inwieweit  die  bei  den  einzelnen  Wirbeltieren  mit  gleichen  Namen  bezeichneten 
Ersatzknochen  des  Neurocraniums  wirklich  homologe  Bildungen  sind,  ist  noch  gar 
nicht  zu  sagen ;  zu  einer  wirklich  wissenschaftlichen  Erörterung  ist  diese  Erage  für 
viele  Knochenstücke  überhaupt  noch  nie  gekommen. 

Am  Palatoquadratum  verknöchert  sehr  allgemein  die  Pars 
quadrata  als  Os  quadratum;  bei  den  Teleostomen  kommt  das 
Metaptery goid  als  zweite  primordiale  Ossifikation  hinzu.  Das 
vordere  Ende  der  Pars  palatina  ossifiziert  bei  Teleostomen  alsAuto- 
palatinum,  das  meist  mit  einem  Dermopalatinum  verschmilzt.     Aus 


622  E.  Gaupp, 

der  Verknöcherung  des  Gelenkstückes  des  MECKEL'schen  Knorpels 
geht  sehr  allgemein  ein  Articulare  hervor;  bei  Teleostomen  gesellen 
sich  oft  noch  ein  Autangiilare  als  Ossifikation  des  Proc.  retro- 
articularis  und  ein  Autocoronale  als  Ossifikation  des  Proc.  prae- 
articularis  hinzu.  Das  vordere  Ende  des  MECKEL'schen  Knorpels 
verknöchert  häufig  als  Mentomandibulare.  das  vielfach  mit 
dem  Dentale  zusammenfließt.  Im  Hy obranchiaiskelett  können 
kleinere  Abschnitte  einheitlich  verknöchern  (Stylohyale,  die  ein- 
zelnen  Glieder  der  Branchialbogen ,  das  Glossohyale),  oft 
genug  aber  treten  auch  hier  innerhalb  eines  Knorpelsegmentes  mehrere 
Ossifikationen  auf  (je  zwei  im  Keratohyale  und  Hypohyale  der  Teleostier, 
mehrere  als  Symbranchialia  bezeichnete  in  der  Copula).  Die 
hierdurch  geschaffene  Zerlegung  und  Gliederung  ist  natürlich  von  ganz 
anderem  Wesen   und  Werte   als  die  ursprüngliche  Knorpelgliederung. 

Die  Verschiedenlaeit  der  durch  den  Ossifikationsprozeß  bewirkten  Schaffung 
einzelner  Skelettstücke  von  der  Gliederung  des  Knorpelskelettes  wird  leider  durch 
die  vergleichend-osteologische  Nomenklatur  vielfach  ignoriert  und  verwischt,  indem 
sowohl  Teile  des  Knorpelschädels,  die  noch  durch  nichts  abgegrenzt  sind,  mit  dem 
Namen  von  Knochen territorien  belegt  werden,  die  später  ihre  Stelle  einnehmen,  als 
auch  für  manche  Ossifikationen  Namen  verwendet  werden,  die  von  Teilen  des 
Knorpelskelettes  hergenommen  sind  (Epihyale  der  Teleostier). 

c)  Herkunft  und  Bedeutung  der  Ersatzknocheu. 

Ueber  Herkunft  und  Bedeutung  der  Ersatzknochen  bestehen 
wesentlich  zwei  Hypothesen :  nach  der  einen  sind  sie  von  Deckknochen 
abzuleiten,  nach  der  anderen  dagegen  selbständig  an  Ort  und  Stelle 
erstmalig  entstanden. 

Die  erste  Anschauung  geht  davon  aus,  daß  onto-  und  phylo- 
genetisch die  Deckknochen  früher  auftreten  als  die  Ersatzknochen,  daß 
auch  die  Ersatzknochen  dem  Knorpel  ursprünglich  nur  aufliegen  und 
daß  bei  einigen  Deckknochen  (besonders  der  Teleostier)  thatsächlich 
ein  allmähliches  Vordringen  von  der  Oberfläche  gegen  die  Tiefe  und 
in  das  Perichondrium  nachgewiesen  ist.  Dieser  Vorstellung  zufolge 
würde  das  Integument  die  erste  Bildungsstätte  aller  Hartgebilde  sein, 
deren  Aufbau  aus  Knochengewebe  erfolgt:  die  ersten  Knochen  wären 
Deckknochen  gewesen,  und  diese  seien  allmählich  durch  tiefere  Bettung 
zu  perichondralen  geworden.  In  dieser  Form  ist  die  Anschauung 
wohl  nicht  haltbar,  es  würde  schwer  sein,  für  alle  perichondralen 
Ossifikationen  eine  solche  Herkunft  nachzuweisen,  ja,  so  viel  Bestechen- 
des die  ganze  Vorstellung  auch  hat,  so  ist  doch  bisher  für  keinen 
einzigen  typischen  Ersatzknochen  eine  entsprechende  Genese  wirklich 
festgestellt. 

Nach  der  zweiten  Vorstellung  sind  die  Ersatzknochen  autochthon 
entstanden,  als  perichondrale  Knochenauflagerungen.  Als  Momente, 
die  zu  ihrer  Entstehung  geführt  haben,  lassen  sich  mehrere  Faktoren 
anführen.  So  spricht  manches  dafür,  daß  eine  Anzahl  der  Ersatz- 
knochen erstmalig  an  den  Ansatzstellen  von  Muskelsehnen  oder  Bändern 
entstanden.  Hierauf  machte  zuerst  Vrolik  und  später  besonders 
VAN  WijHE,  unter  Hinweis  auf  die  Lage  der  Ossifikationen  im  Man- 
dibularbogen  der  Ganoiden,  nachdrücklich  aufmerksam.  Auch  die  Be- 
teiligung an  einer  Gelenkbildung,  ja  vielleicht  jede  Situation,  durch 
die  an  einem  Knorpel  ein  starker  Druck  oder  Zug  ausgeübt  wird, 
kann  möglicherweise  als  ein  Moment,  welches  Knochenbildung  am 
Knorpel  bedingt,  in  Frage  kommen.  Hierüber  sind  unsere  Kenntnisse 
noch  ganz  mangelhaft. 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  623 

Die  Frage  nach  der  Herkunft  und  Bedeutung  der  einzelnen  Knochenstücke  ist 
wohl  zu  trennen  von  der  Frage  nach  der  Herkunft  der  knocken  bildenden  Elemente. 
Gegenbaur  (1898),  der  die  integumentale  Herkunft  aller  Knochensubstanz  vertritt, 
nimmt  zwei  Wege  an,  auf  denen  Knochenbildung  sich  dem  Perichondrium  mitteilen 
kann :  einmal,  indem  ein  Hautknochen  zu  letzterem  herabrückt  und  das,  was  er  an 
osteoblastischen  Formelementen  mitbringt,  dem  Perichondrium  sich  anschließen  läßt, 
zweitens,  indem  die  osteoblastischen  Formelemente  als  solche  zum  Perichondrium 
gelangen.  Diese  letztere  Annahme  führt  allerdings  alle  Knochenbildner  auf  eine  ein- 
heitliche Quelle  zurück,  läßt  aber  die  Frage,  welchen  Momenten  die  einzelnen 
Knochenstücke  ihre  Entstehung  verdanken  und  wie  dieselben  zu  gruppieren  sind, 
unbeantwortet. 

D.  Historisches  zur  Lehre  von  dem  Primordialcranium 

und  den  beiden  Kategorieen  von  Sehädelknochen. 

Die  Bezeichnung  Primordialcranium  für  den  Knorpelschädel  der  Wirbeltiere 
stammt  von  Jacobson  (1842).  Die  Kenntnis  des  Knorpelschädels  selbst  reicht  jedoch 
weiter  zurück:  nachdem  er  schon  in  älteren  Abbildungen  des  Fischschädels  zur  Dar- 
stellung gekommen  war,  widmete  ihm  als  erster  E.  Arendt  (1822)  bewußte  Be- 
achtung und  hob  hervor,  daß  er  beim  Hecht  w'ie  beim  Lachs  zeitlebens  in  großer 
Ausdehnung  bestehe,  daß  die  knöchernen  Elemente  dem  Knorpel  zum  Teil  nur  auf- 
gelagert, zum  Teil  eingesprengt  seien ;  ja  er  wies  auch  darauf  hin,  daß  in  diesem 
Vorhandensein  eines  Knorpelschädels  eine  Verknüpfung  der  Zustände  bei  den 
Teleostiern  mit  denen  bei  den  Chondropterygiern  gegeben  sei.  Ausführlich  erörterte 
dann  Baer  (1826)  das  Vorhandensein  eines  Knorpelschädels  bei  Fischen  und  das 
verschiedene  Verhalten  der  Knochen  zu  demselben.  Duges  lehrte  (1834)  auch  den 
larvalen  und  definitiven  Knorpetechädel  der  Anuren  genau  kennen  und  fand  hier 
ebenfalls  die  zwei  Kategorieen  knöcherner  Elemente:  solche,  die  als  Ossifikationen  des 
Knorpels  entstehen  („primordiale  Knorpel"),  und  solche,  die  sich  auf  der  Oberfläche 
des  Knorpels  bilden.  Auf  die  Tragweite  dieser  Befunde,  die  auch  den  Anuren- 
schädel  mit  dem  Hai-  und  Knochen fischschädel  näher  verknüpften,  weist  Duges 
ebenfalls  hin.  Bald  nach  Duges  wurde  selbständig  von  anderer  Seite  und  zunächst 
an  anderem  Objekte  eine  genetische  Verschiedenheit  der  knöchernen  Schädelelemente 
festgestellt.  Reichert  (1886,  1837,  1838),  der  ün  Anschluß  an  Rathke's  Arbeiten 
die  Visceralbogen  verfolgte,  lehrte  zunächst  die  Schicksale  kennen,  die  die  knorpeligen 
„Visceralstreifen"  bei  Vögeln  und  Säugern  erleiden;  er  zeigte  ferner,  daß  nur  ein 
Teil  der  Gesichtsknochen  durch  Verknöcherung  dieser  Knorpel  entstehen,  andere 
aber,  ohne  daß  vorher  in  ihrem  Blastema  eine  knorpelige  Substanz  zu  entdecken  ist. 
Von  dem  das  Gehirn  bergenden  Teil  des  Schädels  giebt  Reichert  auch  für  die 
höheren  Wirbeltierformen  an,  daß  er  noch  im  Knorpelzustand  kontinuierlich  sei. 
durch  den  Ossifikationsprozeß  aber  in  3  Schädelwirbel  zerlegt  werde.  Dabei  laufen 
denn  freilich  auch  merkwürdige  Irrtümer  unter,  wie  der,  daß  auch  die  Frontalia  und 
Parietalia  der  höheren  Wirbeltiere  aus  Knorpel  hervorgehen.  Eine  Konsequenz  dieser 
Vorstellung  ist  die,  daß  die  Frontalia  und  Parietalia  bei  den  Knochenfischen,  die 
noch  ein  vollständiges  oder  lückenhaftes  knorpeliges  Schädeldach  besitzen,  gar  nicht 
den  gleich  benannten  Stücken  der  höheren  Formen  entsprechen,  auch  gar  nicht  in- 
tegrierende Bestandteile  des  Schädels  sind,  sondern  der  Haut  angehören  und  für  den 
Kopf  das  Gleiche  sind  wie  die  Schuppen  für  den  Rumpf.  Die  bei  der  Entwickelung 
des  Schädels  der  Natter  gewonnenen  Erfahrungen  veranlaßten  dann  Rathke  (1839), 
auch  die  Kraniogenese  anderer  Wirbeltiere  zu  untersuchen,  und  die  Ergebnisse  ge- 
statteten, allgemein  giltige  Grundgesetze  der  Schädelentwickelung  bei  allen  Wirbel- 
tieren aufzustellen.  Dabei  gelangte  auch  Rathke  zur  Scheidung  von  zweierlei 
Komponenten  des  Schädels :  eines  Abschnittes,  der  auf  die  „Belegungsmasse  der 
Wirbelsaite"  zurückführbar  und  somit  gleichen  Ursprungs  ist  wie  die  Wirbelsäule, 
und  eines  zweiten,  bei  dessen  Elementen  das  nicht  der  Fall  ist.  Im  einzelnen  be- 
sitzen die  letzteren  eine  verschiedene  Bedeutung:  einige  sind  Schaitknochen,  d.  h. 
Ergänzungsstücke  der  aus  der  Belegungsmasse  entstandenen  Abschnitte  (Frontalia, 
Parietalia  u.  a.),  andere  sind  „Belegungsknochen"  in  der  Nähe  solcher  Abschnitte. 
Eine  präcise  Fassung  erfuhren  die  bisher  mehr  oder  minder  klar  erkannten  That- 
sachen  durch  Jacobson  (1842),  der  das  embryonale  „Primordialcranium"  bei  Säugern 
und  dem  Menschen  beschrieb  und  scharf  zwischen  zwei  Kategorieen  von  Knochen  unter- 
schied: solchen,  die  knorpelig  präformiert  sind,  durch  Verknöcherung  des  Primordial- 
craniums  entstehen,  und  solchen,  die  an  der  Außenseite  des  letzteren  in  Membranen 
sich  bilden.  In  zustimmender  Weise  sprachen  sich  zu  den  jACOBSON'schen  Aus- 
führungen JoH.  MÜLLER  (1843),  Stannius  (1846),  Owen  (1846),  Bergmann  (1846) 
aus,  und   namentlich   der  letztere  hat  die  große  Bedeutung  der  Genese  für  die  Be- 


624  E.  Gaupp, 

trachtung  des  Wirbeltierschädels  scharf  formuUert.  Vor  allem  aber  war  es  Kölliker, 
der,  nachdem  er  schon  1846  durch  Spöndli  den  Primordialschädel  der  Säuger  und 
des  Menschen  hatte  untersuchen  lassen,  1849  in  einem  größeren  Aufsatz  alles  bis 
dahin  über  die  Schädelentwickelung  Bekannte  zusammenfaßte  und  durch  eigene  Be- 
obachtungen vermehrte,  manche  Einwände  (namentlich  von  A.  Bidder  auf  Ver- 
anlassung Reichert's  erhoben)  zurückwies  und  damit  der  Lehre  von  dem  Aufbau 
des  Wirbeltierschädels  eine  feste  allgemein  giltige  Form  gab.  Kölliker  stellt  als 
Thatsachen  fest:  das  Vorkommen  eines  knorpeUgeu  Primordialschädels  bei  allen 
Wirbeltieren  und  die  doppelte  Genese  der  Schädelknochen :  die  einen  (primären 
oder  primordialen)  entstehen  als  Verknöcherungen  des  Primordialcraniums  und 
sind  demnach  knorpelig  vorgebildet,  die  anderen  (sekundären,  Deck-  oder  Be- 
legkuochen)  bilden  sich  ohne  Anteil  des  Primordialcraniums  außen  von  dem- 
selben in  weichem  Blastem. 

Mit  Kölliker's  Aufsatz  kam  die  Lehre  vom  Aufbau  des  Wirbeltierschädels 
vorerst  zu  einem  Abschluß,  und  die  verschiedenen  Komponenten  wurden  in  der 
Folge  mehr  für  sich  Gegenstand  der  Untersuchung.  Das  Interesse  für  den  Knorpel- 
schädel ist  besonders  durch  Huxley  (1858)  und  Gegenbaur  (1872)  neu  belebt 
worden;  durch  Huxley,  der  die  Einheitlichkeit  seines  für  alle  Wirbeltiere  giltigen 
Grundplanes  und  die  Kontinuität  seiner  Wände  als  Momente  gegen  die  Wirbeltheorie 
ins  Feld  führte  und  mehrere  jetzt  gebräuchliche  Termini  einführte,  und  Gegen- 
BAUR,  der  durch  seine  Darstellung  des  Selachierschädels  die  sichere  Grundlage  für 
eine  rationelle  Betrachtung  des  ausgebildeten  Primordialcraniums  schuf.  Ihnen  reihen 
sich  an :  Leydig  (Saurier,  1872),  Parker  (alle  Wirbeltierklassen  in  zahlreichen  Ar- 
beiten), Born  (Nasenskelett  von  Amphibien  und  Re])tilien ;  erste  Verwendung  der 
Plattenmodelliermethode!),  Stöhr  (Amphibien,  Salmo),  Gaupp  (Rana,  Lacerta), 
KiNGSLEY,  J.  Platt,  Peter  (verschiedene  Amphibien),  Winslow  (mehrere  Ich- 
thyopsiden),  Neumayer  (Cyclostomen),  Schauinsland,  Howes  and  Swinnerton 
(Hatteria),  Suschkin,  Tonkoff  (Vögel),  Sewertzoff  (Selachier  und  Ascalabotes), 
Decker,  Fischer  (Säuger),  Jacoby,  Levi  (Mensch).  In  mehreren  Arbeiten  habe 
ich  selbst  versucht,  feste  Gesichtspunkte  für  specielle  Vergleichungen  aufzustellen 
und  allgemein  verwendbare  Bezeichnungen  zu  schaffen.  Die  Bestrebungen,  die  auf 
die  Erforschung  des  Urzustandes  des  Knorpelcraniums  gerichtet  sind,  und  die  über 
diese  Frage  geäußerten  Anschauungen  wurden  schon  oben  besprochen  (S.  598  u.  ff.). 

Durch  Kölliker's  Aufsatz  von  1849  war  aber  zugleich  auch  die  Basis  für 
eine  Betrachtung  der  knöchernen  Elemente  des  Schädels  gewonnen.  Wie  Bergmann, 
so  erklärte  auch  Kölliker,  daß  für  die  Entscheidung  über  die  anatomische  Bedeutung 
eines  Knochens  die  Genese  das  oberste  Kriterium  bilde,  und  daß  in  der  vergleichenden 
Osteologie  nur  primäre  Knochen  mit  primären.  Deckknochen  mit  Deckknochen  ver- 
glichen werden  dürfen.  Für  die  Unterscheidung  beider  Kategorieen  kam  dabei  in 
erster  Linie  das  histogenetische  Moment  in  Frage,  daneben  aber  auch  das  morpho- 
logische, auf  den  Beziehungen  zum  Primordialcranium  beruhende.  Auch  war  Kölliker 
schon  bekannt,  daß  bei  der  Entwickelung  einiger  Deckknochen  Knorpel  gebildet 
wird,  der  mit  dem  Primordialcranium  nichts  zu  thun  hat,  und  schon  1850  stellte  er 
das  lokale,  topographische  Prinzip  bei  der  Knochenentwickelung  über  das  rein  histo- 
genetische. Im  allgemeinen  wird  aber  doch  in  der  Folgezeit  das  histogenetische 
Prinzip  ganz  oder  fast  ausschließlich  betont  und  findet  in  den  kurzen  Bezeichnungen 
Knorpelknochen  und  Bindegewebsknochen  seinen  Ausdruck.  Auf  dieser  Grundlage 
hat  namentlich  C.  Bruch  für  die  vergleichende  Skeletogenese  Außerordentliches  ge- 
leistet. Die  Bedeutung  des  histogenetischen  Prinzips  wurde  aber  schwer  erschüttert 
und  geradezu  vernichtet  durch  die  Befunde,  die  sich  aus  einem  genauen  Studium 
der  Osteogenese  ergaben.  Vor  allem  H.  Müller  (1858)  und  Gegenbaur  (1864, 
1867)  zeigten,  daß  auch  die  Verknöcherung  der  knorpelig  präformierten  Knochen  ein 
neoplastischer  Vorgang  ist,  bei  dem  der  Knorpel  zerstört  und  durch  Knochengewebe 
ersetzt  wird,  das  in  letzter  Instanz  der  Thätigkeit  von  Osteoblasten,  die  ursprünglich 
im  Perichondrium  lagen,  seine  Entstehung  verdankt.  Somit  ergab  sich  als  Quelle 
für  alle  Knochenbildung  die  Umgebung  des  Knorpels  und  an  die  Stelle  der 
dualistischen  Auffassung  der  knöchernen  Elemente  konnte  eine  monistische  gesetzt 
werden.  Dies  geschah  durch  Gegenbaur.  Mit  besonderem  Nachdruck  hebt 
Gegenbaur  die  Thatsache  hervor,  daß  ontogenetisch  wie  phylogenetisch  die  sog. 
primären  Knochen  als  Auflagerungen  auf  intaktem  Knorpel  entstehen,  daß  sie  in 
diesem  Zustand  bei  gewissen  Formen  (Teleostier,  Alepocephalus)  zeitlebens  verharren 
können,  während  sich  bei  anderen  das  Einwuchern  in  den  Knorpel  anschließt.  So 
ergiebt  sich  thatsächlich  der  endochondral  entstehende  Knochen  als  der  sekundäre, 
während  der  perichondrale  der  eigentlich  primäre  ist;  beide  Bezeichnungen  drücken 
aber  keine  fundamentalen  Verschiedenheiten  aus^  sondern  nur  bestimmte  Zustände, 
die  sich  besser  als  Entwickelungsphasen  betrachten  lassen.    Einen  weiteren  wichtigen 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  625 

Schritt  that  Gegenbaur  1870  mit  seiner  Deutung  der  Deckknochen  an  der 
Schädeloberfläche  als  ursprünglicher  Hautossifikationen.  Daß  die  an  der  Schädel- 
oberfläche gelegeneu  Knochenstücke  bei  manchen  Fischen,  namentlich  den  Acipen- 
seriden,  ihrer  Lage  nach  den  wirklichen  Hautossifikationen  zuzuzählen  seien,  war 
früher  schon  mehrfach  betont  worden  und  K.  E.  v.  Baer,  Reichert,  Kölliker 
hatten  die  fraglichen  K^^nochen  daher  aus  der  Reihe  der  integrierenden  Schädelknochen 
gestrichen  und  den  Schuppen  zugezählt.  Dagegen  waren  sie  von  Huxley  (1864) 
den  Komponenten  des  Schädels  zugeteilt  und  mit  den  Parietalia,  Frontalia,  Squamosa 
u.  s.  w.  verglichen  worden.  Es  hatte  ferner  Williamson  (1849,  18r)l)  gezeigt,  daß 
bei  den  Fischen  durch  Verschmelzung  mehrerer  placoidschuppenähnlicher  Haut- 
zähnchen  größere  Knochenplatten  entstehen  können,  während  Leydig  (1853)  nach- 
wies, daß  bei  Polypterus  die  Deckknochen  an  der  Oberfläche  des  Kopfes  denselben 
histogenetischen  Bau  bieten  wie  die  Schuppen  des  Rumpfes,  daß  sie  demnach  auch 
als  Verknöcherungen  der  Lederhaut,  als  Schuppen  des  Kopfes  aufzufassen  seien. 
Alle  diese  Thatsachen  vereinend  stellte  Gegenbaur  die  Anschauung  auf,  daß  die 
Deckknochen  an  der  Oberfläche  des  Kopfes  ursprüngliche  Ossifikationen  des  Integu- 
mentes  seien,  die  durch  die  topographischen  Beziehungen  zum  Primordialcranium 
eine  besondere  Bedeutung  erlangt  haben.  —  Auf  den  von  Gegenbaur  geschaffenen 
Grundlagen  bauten  Vrolik  und  O.  Hertwig  in  verschiedenem  Sinne  und  in  ver- 
schiedener Richtung  weiter.  Vrolik  (1873)  hat  das  Verdienst,  das  verschiedene 
Verhalten  der  primordialen  Knochen  zum  Knorpelschädel  bei  den  Teleostiern  aus- 
führlicher kennen  gelehrt  zu  haben:  ihr  erstes  Auftreten  als  perichondrale  Lamellen 
auf  intaktem  Knorpel  und  ihr  allmähliches  Eindringen  in  den  letzteren.  Daneben 
weist  er  auf  einige  funktionelle  Beziehungen  hin,  die  vielleicht  als  kausale  Momente 
für  das  Auftreten  der  Knochen  in  Betracht  kommen :  einige  erscheinen  als  Integument- 
knochen  mit  der  ursprünglichen  Bestimmung,  Schleimkanäle  zu  schützen,  andere  al» 
Ossifikationen  au  Stellen,  wo  Muskelzug  wirksam  ist.  Den  bezüglich  der  Herkunft 
der  Schädeldeckknochen  von  Gegenbaur  aufgestellten  Gedanken  verfolgt  O.  Hertwig 
(1874,  1876,  1879,  1882)  weiter  und  gelangt  dabei  zu  einer  einheitlichen  Auffassung 
aller  Deckknochen  des  Schädels  und  Zurückführung  derselben  auf  Haut-  resp. 
Schleimhautzähne  in  der  oben  (p.  613)  auseinandergesetzten  Weise,  andererseits  aber 
auch,  ebeu  auf  Grund  dieses  Momentes,  zu  einer  bestimmten  Gegenüberstellung  der 
Deckknochen  und  der  primordialen  Knochen.  Die  Elemente  beider  Kategorieen  haben 
nichts  miteinander  zu  thun  und  können  auch  nicht  ineinander  übergehen.  Hertwig's 
zunächst  nur  an  Urodelen  gemachte  Befunde,  daß  zahntragende  Knochen  durch 
direkte  Konkrescenz  von  Zahnsockeln  entstehen,  ist  in  der  Folge  vielfach  auch  für 
Fische  bestätigt  worden  (Rose,  Walther,  Friedmann),  und  demzufolge  hat  sich 
die  HERTWiG'sche  Anschauung  ziemlich  allgemein  Geltung  verschafft.  Dagegen  ist 
die  Frage  nach  dem  Verhältnis  der  Deckknochen  zu  den  primordialen  Knochen  noch 
wiederholt  Gegenstand  von  Kontroversen  gewesen,  die  jedenfalls  das  Gute  gehabt 
haben,  daß  die  Entwickelung  der  Schädelknochen  bei  einigen  Formen  genauer  unter- 
sucht wurden.  Besonders  geschah  dies  mit  denen  der  Fische  mit  knöchernem 
Schädel,  auf  deren  Bedeutung  Gegenbaur  schon  einmal  (1867)  hingewiesen  hatte. 
Zunächst  kam  Gegenbaur  (1878)  selbst  noch  einmal  auf  sein  früheres  Unter- 
suchungsobjekt (Alepocephalus  rostratus)  zurück  imd  bestimmte  hier  genauer  das 
Verhalten  der  einzelnen  Elemente  zum  Primordialcranium.  Auch  diese  Untersuchung 
führt  ihn  dazu,  zu  betonen,  daß  alle  Knochen bildung  am  Primordialcranium  ur- 
sprünglich eine  oberflächliche  ist  und  daß  das  Einwachsen  des  Knochens  in  den 
Knorpel  und  Zerlegung  des  letzteren  in  knöcherne  Territorien  sekundäre  Vorgänge 
sind.  Dem  Vorhandensein  oder  J'ehlen  einer  Bindegewebsschicht  zwischen  dem 
Knorpel  und  dem  aufliegenden  Knochen  schreibt  daher  Gegenbaur  keine  prinzipielle 
Bedeutung  zu;  trotzdem  nimmt  auch  er  eine  Unterscheidung  einzelner  Kategorieen 
von  Knochen  an,  aber  nicht  nach  den  früher  maßgebenden  Kriterien,  sondern  auf 
Grund  der  ursprünglichen  Herkunft,  der  Phylogenese:  man  kann  dermatogene 
Knochen  unterscheiden,  die  aus  dem  Hautskelett  hervorgehen,  und  autogene,  für 
welche  das  nicht  erwiesen  ist.  Fast  gleichzeitig  (1879)  nahm  auch  Kölliker  aufs 
neue  Stellung  zu  der  Frage;  er  hält  dabei  an  der  Unterscheidung  der  Deckknochen 
und  der  primordialen  Knochen  fest,  läßt  aber  dabei  als  Kriterium  das  histogenetische 
Prinzip  zurück-  und  das  morphologische  hervortreten  :  die  primordialen  Knochen  sind 
Verknöcherungen  des  (knorpeligen)  Primordialskelettes,  die  Deckknochen,  außerhalb 
dieses  Skelettes  gebildet,  sind  mit  Wahrscheinlichkeit  Haut-  oder  Schleimhaut- 
ossifikationen.  Die  pnmordialen  Knochen  entstehen  zuerst  perichondral,  dann  peri- 
chondral  und  endochondral.  Die  Ausdrücke  perichondrale  Knochen  und  Deckknochen 
sind  nicht  gleichbedeutend.  —  Die  Schädelknochen  der  Fische  sind  das  speciellc 
Untersuchungsobjekt  von  van  Wijhe  (1880,  1882),  Walther  (1882),  Göldi  (1884), 
ScHMiD-MoNNARD  (1883),  SAGEMEHL  (1884,  1885, 1891),  Friedmann  (1897),  Schleif 

Handbuch  der  Entwickelungslehre.  HI.  2.  40 


626  E.  Gaupp, 

(1903).  VAN  WlJHE,  der  das  Visceralskelett  der  Ganoiden  behandelt,  steht  im  all- 
gemeinen auf  dem  Boden  der  Lehre  von  den  zwei  Kategorieen  knöcherner  Elemente, 
fügt  aber  der  KÖLLiKER-HERTWiG'schen  Auffassung  mehrere  wichtige  Punkte  zu, 
besonders:  1)  nicht  alle  Deckknochen  sind  durch  Verschmelzung  von  Zähnen  oder 
Schuppen  entstanden,  sondern  in  allen  Formen  des  Bindegewebes  können  solche 
Ossifikationen  auftreten;  2)  bei  einem  Knochen,  der  phylogenetisch  knorpelig  präfor- 
miert erscheint,  kann  in  einer  specieUen  Ontogenese  das  Knorpelstadium  unterdrückt 
werden,  es  kann  also  auch  ein  primordialer  Knochen  häutig  präformiert  sein;  3)  ge- 
wisse Knochen  der  Ganoiden  besitzen  Doppelnatur,  indem  sie  Charaktere  von  Deck- 
knochen mit  solchen  von  primordialen  Knochen  vereinen :  hier  kann  Verschmelzung 
zweier  Komponenten  (die  van  Wijhe  durch  die  Vorsilben  Dermo-  und  Auto- 
bezeichnet) oder  Einwuchem  einer  Hautossifikation  in  den  Knorpel  oder  Ausbreitung 
einer  Knorpelossifikation  in  das  umliegende  Gewebe  vorliegen,  aus  dem  Vergleich  ist 
in  einigen  Fällen  zu  schließen,  daß  es  sich  um  Verschmelzung  zweier  Komponenten 
handelt;  4)  überall,  wo  an  einem  Knorpel  ein  starker  Druck  oder  Zug  ausgeübt 
wird,  kann  wahrscheinlich  eine  Verknöcherung  auftreten  und  unter  der  Wirkung 
solcher  kausaler  Momente  sind  viele  primordiale  Knochen  wahrscheinlich  ent- 
standen zu  denken.  In  einigen  Punkten  widersprechend  lauten  die  Resultate 
Walther's.  Derselbe  beobachtete  zwar,  daß  ein  aus  Zahnkonkrescenz  entste- 
hender Knochen  (Palatinum  des  Hechtes)  allmählich  in  das  Perichondrium  einwachsen 
kann,  glaubt  jedoch,  daß  ein  weiteres  Vordringen  (in  den  Knorpel)  bei  einem  solchen 
Knochen  nicht  möglich  sei.  Daß  dieser  Vorgang  aber  doch  vorkommt,  zeigte 
Friedmann  am  Pharyngeum  inferius  von  Cyprinus  und  ebenso  lehrte  Schmid- 
MoNNARD  im  Squamosum  der  Teleostier  einen  Knochen  kennen,  der,  im  Binde- 
gewebe als  Deckknocheu  entstehend,  sich  im  Laufe  seiner  Entwickelung  dem 
Schädelknorpel  anlegt  und  dann  alle  Wachstumserscheinungen  perichondral  ent- 
standener Knochen  darbietet ;  Öchmid-Monnard  bestätigte  so  die  Auffassung,  die 
schon  Gegenbaur  und  Vrolik  von  dem  fraglichen  Knochen  gehabt  hatten.  Daß 
dieser  Vorgang  auch  sonst  bei  den  Teleostiern  vorkomme  (Vomer,  Supraethmoidale), 
machte  Sagemehl  durch  Vergleich  der  ausgebildeten  Zustände  wahrscheinUch ;  Sage- 
mehl's  Arbeiten  sind  im  übrigen  die  wertvollsten  Beiträge  zur  Osteologie  der  Tele- 
ostiercranien,  und  speciell  der  schon  in  Gegenbaur's,  Hertwig's  und  van  Wijhe's 
Anschauungen  zum  Ausdruck  kommende  Gedanke,  daß  ein  jedes  Knochenindividuum 
seine  specielle  Geschichte  hat,  und  daß  diese  Geschichte  unbefangen  und  ohne 
dogmatische  Voreingenommenheit  zu  verfolgen  ist,  ist  gerade  von  Sagemehl  scharf 
und  bestimmt  ausgesprochen  worden.  Aus  Schleip's  Untersuchungen  endlich  er- 
giebt  sich,  daß  Knochen  mit  Mischcharakteren  sowohl  durch  Verwachsung  zweier 
selbständig  angelegter  Komponenten  wie  durch  Uebergreifen  eines  Deckknochens  auf 
das  Perichondrium  mit  anschließender  endochondraler  Verknöcherung  entstehen 
können ;  auch  hat  Schleip  gewisse  Besonderheiten  der  primordialen  Knochen  ge- 
nauer kennen  gelehrt:  das  starke  chondrifugale  Wachstum,  während  sie  noch  intaktem 
Knorpel  aufliegen,  sowie  die  Verknöcherung  von  Membranen,  die  ihrer  Lage  nach 
als  nicht  verknorpelte  Teile  der  Anlage  des  Primordialcraniums  betrachtet  werden 
müssen. 

Die  schon  Kölliker  (1849)  bekannte  Thatsache,  daß  bei  der  Entwickelung  des 
Unterkiefers  der  Säuger,  also  eines  typischen  Deckknochens,  Knorpel  gebildet  wird, 
der  mit  dem  Primordialcranium  nicht  zusammenhängt,  ist  seitdem  ebenfalls  mehrfach 
behandelt  worden,  vor  allem  sehr  ausführlich  von  Stieda  (1875)  und  Schaffer  (1888). 

So  haben  also  die  Untersuchimgen  gelehrt,  daß  ihrer  Histogenese  nach  die 
Knochen  sich  prinzipiell  gleichartig  verhalten,  daß  ferner  auch  die  knorpelige  oder 
häutige  Präformation  nicht  in  dem  Maße  einen  Gegensatz  bedinge,  als  früher  ange- 
nommen wurde,  daß  endlich  manche  Skelettstücke  auf  diese  oder  jene  Art  Misch- 
charaktere erlangen.  Die  Frage,  ob  unter  diesen  Umständen  an  einer  Unterscheidung 
mehrerer  Kategorieen  von  Schädelknochen  festgehalten  werden  müsse,  habe  ich  selbst 
mehrfach  erörtert  (1895,  1901,  1903)  und  bejaht.  Als  Unterscheidungsmerkmal  stellte 
ich  dabei  (1901)  die  ursprüngliche  Genese  oder  die  ursprüngliche  Lokalität  der 
Knochen bildung  hin :  gewisse  Knochen  sind  ursprünglich  in  der  weiteren  Um- 
gebung des  Primordialcraniums  entstanden  und  sind  erst  sekundär  in  den  Bestand 
des  Schädels  eingetreten,  die  Knochen  der  zweiten  Kategorie  entstanden  von  vorn- 
herein im  Perichondrium  des  Knorpelschädels.  Die  Elemente  beider  Kategorieen 
machen  ihre  selbständige  Geschichte  durch  und  können  im  Verlauf  derselben  ge- 
wisse Charaktere  der  anderen  Kategorie  erlangen.  Die  Knochen  der  ersten  Kategorie 
sind  die  Deck-  oder  Belegknochen  (Mantelknochen,  Ossa  investientia) ,  die  der 
zweiten  Kategorie  sind  die  primordialen  der  alten  Nomenklatur,  als  bessere  Be- 
zeichnung empfiehlt  sich  Ersatzknochen  (Ossa  substitientia),  da  sie  bestimmt  sind, 
einen  Teil  des   in   schwächerem  Material  aufgebauten   provisorischen   Skelettgerüstes 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  627 

durch  Stücke  aus  festerem  Material  zu  ersetzen.  Kürzere  Gegensätze  wären:  Auto- 
st osen  {=^  Ersatzknochen)  und  Allostosen  (=  Deckknochen)  (Gaupp  1895). 
Die  KöLLiKEP.'schen  Bezeichnungen,  primäre  und  sekundäre  K. ,  enthalten  einen 
Fehler,  da  gerade  die  Deckknochen  (die  sog.  sekundären  K.)  phylogenetisch  und 
ontogenetisch  die  ursprünglicheren  sind. 

Die  hier  gegebene  Darstellung  schließt  sich  an  meinen  Aufsatz  von  1901  an, 
in  dem  die  ganze  Frage  eine  viel  eingehendere  und  ausführlichere  Behandlung  er- 
fahren hat. 


II.  Speeielle  Eiitwickehiiigsgeschichte  des  Kopfskelettes. 

Amphioxus. 

Beim  Amphioxus  finden  sich  im  Bereiche  des  vorderen  Körper- 
endes außer  der  Chorda  dorsalis,  den  ihr  ansitzenden  häutigen  Bogen- 
bildungen  und  den  ebenfalls  häutigen  Myocommata  noch  dreierlei  dem 
Skelett  zugerechnete  Bildungen:  der  Cir renring  mit  den  Cirren- 
stäbchen.  die  Velartentakel  und  das  Kiemen skelett. 

Der  Girren  ring  mit  den  Girren  Stäbchen  entsteht  (Klaatsch), 
wie  die  Girren  selbst,  bei  der  Metamorphose,  und  zwar  tritt  seine  An- 
lage genau  an  der  Stelle  auf,  wo  vor  diesem  Zeitpunkt  die  sogenannte 
kolbenförmige  Drüse,  ein  noch  rätselhaftes  entodermales  Organ  lag, 
das  kurz  vor  der  Metamorphose  verschwindet.  Danach  hält  Klaatsch 
es  für  möglich ,  daß  die*  kolbenförmige  Drüse  die  Anlage  des  Cirren- 
skelettes  darstelle,  letzteres  also  eine  entodermale  Entstehung  habe. 
WiLLEY  hält  es  für  mesodermal. 

Auch  über  die  histologische  Struktur  und  die  Stellung  des  Girren skelettes  zu 
anderen  Skelettbildungen  gehen  die  Anschauungen  auseinander.  Unterschieden  werden 
der  zellige  Inhalt  und  die  kernlose  Hülle  der  Stäbe.  Die  letztere  besteht  nach 
V.  WlJHE  aus  hyaliner  Knorpelgrundsubstanz  und  wird  von  den  Zellen  in  der  Achse 
des  Stabes  abgeschieden.  Als  Abscheidungsi^rodukt  (Basalmembran)  der  Innenzellen 
wird  sie  auch  von  Joseph  betrachtet.  Der  von  letzterem  beschriebene  Halbcylinder, 
der  dem  einzelnen  Cirrenstab  anliegt,  ist  ein  Umwandlungsprodukt  der  Cutis  (Joseph). 

Ueber  die  Entstehung  der  Velar tentakel  liegen  gar  keine  be- 
stimmten Beobachtungen  vor;  ihrer  Struktur  nach  sind  sie  den  Kiemen- 
stäbchen ähnlich. 

Die  Stäbe  des  Kiemen  skelettes  werden  von  Benham,  Joseph 
und  VAN  WijHE  als  mesodermale  Bildungen  betrachtet  (im  Gegensatz 
zu  Spengel.  der  sie  für  ecto-  und  entodermale  Ausscheidungsprodukte 
ansah).  Joseph  bezeichnet  sie  als  Differenzierungsprodukte  des  Binde- 
gewebes der  Kiemenbogen  und  führt  das  letztere  seiner  Herkunft  nach 
auf  das  Gölomepithel  zurück.  Auch  aus  dem  Verhalten  der  Abschnitte 
der  Kiemenstäbe,  die  im  Bereiche  des  Schlundvorhofes  liegen,  folgert 
VAN  WijHE  die  bindegewebige  Entstehung:  die  Stäbe  liegen  hier 
innerhalb  der  mit  Endothel  belegten  bindegewebigen  Lamelle  des  epi- 
branchialen  Göloms. 

VAN  WiJHE  schildert  die  Kiemenstäbe  als  aus  verklebten  elastischen  Fasern  be- 
stehend und  bestreitet  ihre  Knorpelnatur ;  Joseph  sieht  in  der  Substanz  der  Kiemen- 
stäbe eine  Vorstufe  des  Knorpels  der  Cranioten. 

Cyclostomen. 

Eine  einigermaßen  zusammenhängende  Darstellung  von  der  Ent- 
wickelung eines  Gyclostomenschädels  hat  nur  W.  K.  Parker  (1883) 
gegeben ;  sie  bezieht  sich  auf  Petromyzon.  Beobachtungen ,  die  sich 
nur  auf  einzelne  Punkte  beziehen,  liegen  auch  von  anderer  Seite  vor. 

40* 


628  E.  Gaupp, 

Die  Schädelentwickelimg   von   Myxiiie   und  Bdellostoma  wurde   bisher 
nicht  verfolgt. 

Die  morphologische  Auffassung  aller  Teile  des  Cyclostomenschädels 
ist  noch  nicht  genügend  gesichert,  und  daher  läuft  eine  Einteilung 
nach  dem  Schema  der  Gnathostomenschädel  Gefahr,  unbewiesenes 
zum  Ausdruck  zu  bringen.  Doch  ist  zweifellos,  daß  der  von  Huxley 
1876  durchgeführte  Vergleich  des  Cyclostomenschädels  mit  dem  Kaul- 
quappenschädel sehr  viel  für  sich  hat,  und  so  bin  ich  im  Nachfolgenden 
auch  der  HuxLEY-PARKER'schen  Nomenklatur  gefolgt.  Eine  erneute 
Untersuchung  ist  aber  doch  sehr  notwendig. 

Das  Kopfskelett  des  Ammocoetes  ist  erheblich,  einfacher  als  das  des  umge- 
wandelten Petromyzon;  zahlreiche  Teile  werden  erst  bei  der  Metamorphose  neu  ge- 
bildet ,  andererseits  erfahren  schon  vorhandene  Knorpel  bei  der  Metamorphose  eine 
beträchtliche  Vergrößerung.  Die  Knorpelstücke,  die  ganz  neu  entstehen  (Knorpel  in 
der  Umgebung  des  Mundes,  der  sogen.  Palatoquadratknorpel  und  die  als  Repräsen- 
tanten des  Hyalbogens  gedeuteten  Stücke),  treten  an  Stelle  von  Gewebspartieen,  die 
als  Schlei mknorpel  (Schneider  1879)  bezeichnet  werden  und  bei  Ammocöten  eine 
große  Verbreitung  besitzen.  Doch  wird  nicht  sämtlicher  Schleiraknorpel  von  Ammo- 
coetes in  Hyalinknorpel  luugewandelt;  die  sonstigen  Schicksale  des  Schleimknorpels  sind 
allerdings  noch  nicht  genügend  verfolgt,  und  nur  das  ist  Thatsache,  daß  bei  Petro- 
myzon keine  Spur  von  ihm  mehr  gefunden  wird  (Schaffer).  Die  histologischen 
Vorgänge  bei  der  Bildung  des  Hyalinknoriiels  auf  schleim  knorpeliger  Grundlage  sind 
von  Schaffer  beschrieben  worden. 

Für  den  Abschnitt  des  Schädels,  der  zweifellos  als  neuraler 
zu  bezeichnen  ist,  ist  charakteristisch,  daß  er  nur  drei  Regionen  dar- 
bietet: die  Ethmoidal-,  Orbito-temp  oral-  und  Labyrinth- 
region. Eine  Occipitalregion  fehlt;  der  Glossopharyngeus  und  Vagus 
treten  hinter  der  Oberkapsel  aus,  und  in  einiger  Entfernung  dahinter 
folgt,  der  Chorda  aufsitzend,  der  erste  Wirbelbogen.  Im  Sinne  der 
FÜRBRiNGER'schen  Nomenklatur  (p.  597)  repräsentiert  somit  das  Cy- 
clostomencranium  ein  P  a  1  ä  o  c  r  a  n  i  u  m  (Autocranium). 

Bei  Ammocoetes  legen  sich  nach  Sewertzoff  (1897,  1899)  die 
ersten  Skelettteile  auf  einem  Stadium  an,  wo  eine  Kopfkrümmung  des 
Gehirns  kaum  vorhanden  ist.  Ventral  vom  Gehirn,  resp.  vom  Opticus, 
bilden  sich  zwei  lange  Knorpelstücke,  welche  mit  ihren  rostralen  Enden 
die  Hypophyse  umgreifen  und  mit  ihrem  kaudalen  Ende  an  beiden 
Seiten  des  Vorderteiles  der  Chorda  dorsalis  liegen  (Fig.32G).  Ihre  Lage  ist 
aus  dem  anfangs  erwähnten  Grunde  nahezu  horizontal,  d.  h.  sie  setzen 
die  Pachtung  der  Chorda  dorsalis  fort.  Es  sind  dies  die  Trabe culae 
cranii.  An  beiden  Seiten  der  Chorda  (doch  hinter  der  Spitze  der- 
selben), vor  den  Ohrkapseln,  bilden  sich  ferner  zwei  kleine  Knorpel,  die 
Sewertzoff  vordere  Parachordalia  nennt:  mit  diesen  verwachsen 
die  hinteren  Enden  der  Trabeculae,  und  so  bildet  sich  jederseits  die 
dem  vorderen  Chordaende  anliegende  (hintere)  Trabecu  lar platte 
aus.  Als  drittes  Paar  selbständiger  Gewebe  schildert  Sewertzoff 
hintere  Parachordalia.  Diese  entstehen  auch  lateral  von  der 
Chorda,  aber  medial  von  der  hinteren  Partie  der  Ohrblasen,  als  läng- 
liche Knorpelplatten.  Sie  liegen  epaxial,  d.  h.  dorsal  von  der  Achse 
der  Chorda  und  überragen  dorsal  die  vordersten  kleinen  Myotome ;  sie 
beginnen  nach  Sewertzoff  zwischen  dem  ersten  und  dem  zweiten, 
und  endigen  zwischen  dem  zweiten  und  dritten  metotischen  Kopf- 
myotom.  Schon  im  Prochondralstadium  erfolgt  eine  Verbindung  der 
hinteren  Parachordalia  mit  den  proximalen  Enden  der  ersten  Kiemen- 
bogenknorpel,  die  den  kaudalen  Parachordalenden  anwachsen.  Später 
verwachsen  die  hinteren  Parachordalia  mit  der  Trabecularplatte  (=  vor- 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  629 

deren  Parachordalia,  mit  denen  die  Trabeculae  verwachsen  sind),  und 
bilden  so  den  knorpeligen  Boden  des  chordalen  Schädelabschnittes. 
Hinter  dem  Vagus  bildet  sich  ein  in  den  Schädelaufbau  eingehendes 
Parachordale  nicht  mehr  aus ;  der  Vagus  tritt  auch  beim  erwachsenen 
Tier  zwischen  Ohrkapsel  und  vorderem  Rumpfwirbelbogen  aus,  d.  h. 
das  einheitliche  Parachordale  entspricht  nur  der  Pars  otica  des 
Parachordale  der  Gnathostomen. 

Bezüglich  der  Abstammung  des  für  die  ersten  Schädelteile  verwendeten  Bildungs- 
materials finden  sich  bei  Koltzoff  (1902)  einige  Andeutungen.  Danach  beteiligt 
sich  das  Skierotom  des  ersten  Somites  (dessen  Myotom  die  Oculomotoriusmuskulatur 
liefert)  anscheinend  an  der  Bildung  des  Balkens,  während  das  vordere  Parachordale 
Sewertzoff's  im  Skierotom  des  zweiten  Somites  (Myotom  =  Trochlearismuskulatur) 
sichtbar  wird.  Am  hinteren  Teil  des  Parachordale  scheint  das  Skierotom  des  dritten 
Somites  beteiligt.  Auf  die  weiteren  Angaben  bezüglich  der  sonstigen  Herkunft  der 
Mesenchymzellen  einzugehen,  ist  hier  nicht  der  Ort. 

Das  vordere  Parachordale  ist  von  Sewertzoff  zuerst  gefunden,  be- 
schrieben und  benannt  worden.  Die  Berufung  Sewertzoff's  auf  v.  Kupffer  ist 
nicht  richtig;  Kupffer  erwähnt  (1896)  den  Namen  „vorderes  Parachordale"  über- 
haupt nicht,  und  von  den  beiden  parachordal  entstehenden  Knorpelstreifen,  die  er 
beschreibt,  ist  der  hintere  der  hypochordale  Längsstab  des  Kiemengerüstes  und  hat 
somit  mit  dem  neuralen  Schädel  nichts  zu  thun.  Die  anderen  von  Kupffer  er- 
wähnten Parachordalknorpel,  ,, welche  die  Verbindung  der  Trabeculae  cranii  mit  der 
Chorda  vermitteln",  sind  somit  die  dem  neuralen  Cranium  zufallenden  Parachordalia 
kurzweg;  eine  weitere  Teilung  in  einen  vorderen  und  einen  hinteren  Abschnitt,  wie 
Sewertzoff  sie  beschreibt,  h^t  Kupffer  nicht  erwähnt.  Koltzoff  (1902)  be- 
streitet sogar  die  Selbständigkeit  der  Trabeculae  von  den  Parachordalia  und  läßt 
beide  zusammen  entstehen.  Daß  dies  den  Angaben  Sewertzoff's  entspreche,  wie 
Koltzoff  annimmt,  ist  aber  unrichtig;  gerade  Sewertzoff  beschreibt  Trabeculae, 
vordere  und  hintere  Parachordalia  als  selbständige  Elemente  und  vergleicht  das 
vordere  Parachordale  mit  der  (hinteren)  Balkenplatte,  und  das  hintere  Parachordale 
mit  dem  mesotischen  Knorpel  der  Amphibien, 

Die  Art,  wie  die  Verbindung  des  Kiemenskelettes  mit  dem  Schädelbalken  zu 
Stande  kommt,  schildert  Schaffer  anders  als  oben  dargestellt.  Nach  Schaffer 
wächst  das  dorsale  Ende  des  Branchiale  I  (s.  u.)  in  einen  nach  vorne  gerichteten 
parachordalen  Knorpelstab  aus,  der  mit  dem  kaudalen  Ende  des  Schädelbalkens 
verwächst.  In  Einklang  mit  der  SEWERTZOFF'schen  Darstellung  ist  diese  Angabe 
nur  durch  die  Annahme  zu  bringen,  daß  zwar  eine  selbständige  prochondrale  Anlage 
des  Parachordale  (resp.  des  vorderen  und  hinteren  Parachordale)  besteht,  die  Ver- 
knorpelung  aber  kontinuierlich  vom  Branchiale  I  nach  vorn  hin  fortschreitet.  Jeden- 
falls sind  hier  noch  so  viel  Widersprüche  vorhanden,  daß  die  Dinge  schlechterdings 
neu  untersucht  werden  müssen. 

Die  Verbindung,  die  der  erste  Kiemenbogenknorpel  mit  dem  Parachordale  ein- 
geht, hat  wohl  zu  der  Anschauung  Hatschek's  geführt,  daß  das  Parachordale  und 
der  Balken  des  Ammocoetesschädels  als  dorsale  Elemente  (Stützplatten)  der  ersten 
(zwei?)  Kiemenbogen  aufzufassen  seien. 

Die  vorderen  Parachordalia  liegen  anfangs  erheblich  hinter  der 
Chordaspitze,  so  daß  diese  selbst  in  die  vordere  basikraniale  Fontanelle 
frei  vorspringt  (Fig.  326,  327).  Später  dehnen  sich  die  Knorpelmassen 
weiter  nach  vorne  aus,  doch  ragt  auch  noch  beim  metamorphosierten 
Tier  die  Spitze  der  Chorda  über  den  Vorderrand  der  Basalplatte  frei 
vor  (Fig.  329).  Die  beiderseitigen  Parachordalia  kommen  streckenweise 
auch  dorsal  und  ventral  von  der  Chorda  zur  Vereinigung,  so  daß 
eine  einheitliche  Basal  platte  resultiert,  in  der  die  Chorda  zeitlebens 
erhalten  bleibt. 

DieOhrkapsel  findet  Parker  schon  bei  einem  7,8  mm  langen 
Embryo  von  Petromyzon  Planeri  verknorpelt  und  nur  mit  einer  großen 
Lücke  in  der  medialen  Wand  (primäre  Fenestra  acustica)  versehen,  im 
übrigen  von  dem  Parachordale  durch  einen  Zwischenraum  getrennt. 
Im  Laufe  der  weiteren  Entwickelung  verbreitert  sich  das  Parachordale 
in   der   Mitte   der    Ohrgegend   und   verbindet   sich   eine   Strecke   weit 


630 


E.  Gaupp, 


mit  dem  medial-ventralen  Rande  der  Ohrkapsel,  unterhalb  der  Fenestra 
acustica.     Dies  geschieht  noch  vor  der  Metamorphose  (Fig.  o26 — 328). 


Fig.  326. 


Trabecula 
Palatoquadr. 


Caps,  aitdit. 
Parachordale 


Chorda  dorsaUs 


Caps,  nas.. 


Plan,  trabec  ant. 


Trabecuh 
Palatoquadr. 


Capsula  audit. 
Chorda  dors 


Fig.  326.     Schädelanlage    bei   einem  7,8  mm  langen  Embryo  von  Petromyzon 
Planeri;  von  unten.     lOOmal  vergr.     Nach  W.  K.  Parker. 

Fig.  327.     Schädel  einer  6  Zoll  langen  Larve  von  Petromyzon  fluviatilis;   von 
oben.     lOmal  vergr.    Nach  W.  K.  Parker. 


Durch  die  primäre  Fenestra  acustica,  wie  ich  die  große  Lücke  der 
medialen  Wand  (Fig.  329)  nennen  will,  tritt  der  N.  acusticus  in  die  Ohrkapsel. 
Vor  der  Ohrkapsel  tritt  der  Trigeminus  aus,  hinter  der  Ohrkapsel  der  Glosso- 
pharyngeus  und  Vagus.  Der  Facialis  tritt,  wie  Schneider  (1879)  fand,  und 
Wiedersheim  (1880)  und  Hatschek  (1892)  bestätigen,  mit  dem  Acusticus  in  die 
Ohrkapsel  und  verläßt  diese  wieder  durch  ein  Foramen,  das  vorne  an  ihrem  Boden 
gelegen  ist.  Dies  Verhalten  gleicht  dem,  das  manche  LTrodelen  zeigen.  (Parker 
läßt  den  Facialis  mit  dem  Trigeminus  zusammen  vor  der  Ohrkapsel  auftreten,  also 
wie  bei  den  Anuren ;  doch  findet  sich  auf  einer  seiner  Abbildungen  das  Foramen 
des  Ohrkapselbodens,  das  Schneider  als  Facialisaustrittsöffnung  bezeichnet.  Seine 
Bedeutung  ist  Parker  unbekannt  geblieben.  Neumayer  erwähnt  von  den  Nerven 
luid  ihrem  Verhalten  zum  Schädel  gar  nichts.) 

Erst  bei  der  Metamorphose  tritt  im  Gebiet  der  vorderen  Ohr- 
kapselhälfte eine  obere  Randleiste  am  medial-dorsalen  Rande  der 
Kapsel  auf,  die  medialwärts  in  das  häutige  Schädeldach  vorspringt 
und  auch  (aber  sehr  spät,  Bujor)  eine  Strecke  weit  mit  der  der 
anderen  Seite  verschmilzt,  so  ein  schmales  Knorpeldach  der  Schädel- 
höhle bildend.  Außerdem  geht  die  Leiste  einer  jeden  Seite  in  die 
Seitenwand  der  Orbito-temporalregion  kontinuierlich  über  (Fig.  329). 
Die  gleiche  Randleistenbildung  zeigen  die  Anuren. 

Die  Trabeculae,  die  anfangs  vorn  frei  endigen,  vereinigen  sich 
später    mit    ihren    Vorderenden ,    so    daß    eine    quergelagerte    Platte 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes. 


631 


(vordere  Trabecularplatte  möge  sie  heißen)  und  eine  große  F e - 
nestra  basicranialis  anterior  zu  stände  kommen  (Fig.  326,  327). 
Noch  vor  der  Metamorphose  be- 


ginnt sich  vorn  im  Anschluß  an 
den  oberen  Rand  des  Schädel- 
balkens die  Schädelseitenwand 
der  Orbito  -  temporalregion  zu 
bilden.  Erst  bei  der  Metamor- 
phose kommt  es  (Parker  und 
BujOR  zufolge)  zu  einer  voll- 
ständigen Verknorpelung  der 
Schädelseiten  wand,  in  der  jedoch 
eine  große  Lücke  ausgespart 
bleibt,  die  vom  Opticus  (und  den 
anderen  Augenmuskelnerven '?) 
zum  Durchtritt  benutzt  wird.  Es 
bildet  sich  somit  ein  hinterer 
Seitenwaudpfeiler  (vor  der  Ohr- 
kapsel), der  mit  dem  vorderen 
Seitenwaudpfeiler  durch  eine 
dorsale  Randspange  vereinigt 
wird,  sich  aber  außerdem  über 
dem  Trigeminus  mit  der  Ohr- 
kapsel verbindet.  So  kommt 
zwischen   der  letzteren   und   der 


Fig.  328. 


Cornu  trabec. 


Palato- 
quadr. 


Epikeraio- 
hyale 


Plan,  basale 

Ca2)s.  audit 


Fig.  329. 


Comic  trabec. 


Chorda 
dors. 


Fen.  subocular 


Fen.  acust. 
For.  proot. 
Epikeratohyale 


Palatoquadr.p^^^^  ojoitca 


Fig.  328.  Schädel  eines  noch  nichl  vÖUig  umgewandelten  Petromyzon  marinus 
von  4  Zoll  Länge.  8mal  vergr.  Von  oben,  ohne  die  Nasenkapsel,  Lippen-  und 
Zungenknorpel.    Nach  W.  K.  Parker. 

Fig.  329.  Schädel  eines  kürzlich  umgewandelten  Petromyzon  marinus  von 
5  Zoll  Länge,  median  durchschnitten.  Rechte  Hälfte  von  innen ;  ohne  Nasenkapsel, 
Lippen  und  Zungenknorpel.    8mal  vergr.    Nach  W.  K.  Parker. 

In  den  Figg.  327  (p.  630)  und  328  bestehen  die  getönten  Partieen,  Parker's 
Angaben  zufolge,  aus  „hard  cartilage",  die  ungetönten,  nur  punktierten  aus  „soft 
cartilage". 


orbitotemporalen  Schädelseitenwand  ein  Foramen  zu  stände,  das  durch- 
aus dem  Foramen  prooticum  der  Amphibien  gleicht  (Fig.  329). 
Einer  Angabe  von  Wiedersheim  zufolge  scheint  auch  der  Abducens 
hier  auszutreten.  Es  findet  ferner  eine  beträchtliche  Einengung  der 
Fenestra  basicranialis  anterior   statt,  indem  in   deren  vorderer,   beim 


632  E.  Gaupp, 

Ammocoetes  nur  membranös  geschlossener  Hälfte  zwischen  beiden 
Trabekeln  sich  ein  knorpeliger  Schädelboden  ausbildet.  Nach  Parker 
entsteht  derselbe  selbständig  („hintere  Intertrabecula"  Parker's),  ver- 
bindet sich  aber  bald  mit  den  Trabekeln  und  der  vorderen  Trabecular- 
platte.  Der  hintere  Teil  der  Fenestra  basicranialis  anterior  bleibt  zeit- 
lebens offen ;  er  entpricht  der  Fenestra  hypophyseos  der  Gnatho- 
stomata.  Die  Existenz  dieser  Oelfnung  bei  den  Cyclostomen  ist  bei 
dem  ganz  anderen  Verhalten  der  Hypophyse  ganz  besonders  von 
Interesse. 

Zu  den  Skelettteilen  der  Ethm  oidalregion  gehören  beim  er- 
wachsenen Petromyzon  die  breite  Platte,  die  Parker  als  Cornu 
trabeculae  bezeichnet  (hintere  Deckplatte  des  Mundes  Jon.  Mijller's, 
posterior  dorsal  cartilage  Huxley's),  sowie  die  Nasen  kap  sei.  Die 
unpaare  Nasenkapsel  entsteht  schon  beim  Ammocoetes  um  das 
Geruchsorgan  herum  und  hängt  mit  der  Trabecularplatte  zusammen. 
Genaueres  über  die  Art  dieses  Zusammenhanges  sowie  über  die  Art 
der  Kapselbildung  findet  sich  bei  Parker  nicht.  Beim  umgewandelten 
Petromyzon  zeigt  sie  sich  in  Zusammenhang  mit  der  vorderen  Tra- 
becularplatte sowie  mit  dem  sog.  Cornu  trabeculae  und  ist  nach  vorn 
sowie  nach  hinten  gegen  das  Cavum  cranii  otfen.  Die  breite,  als 
Cornu  trabeculae  bezeichnete  Platte  entsteht  erst  bei  der  Meta- 
morphose, und  zwar  nach  Schaffer  aus  einer  Schleimknorpelplatte, 
die  beim  Ammocoetes  unter  und  vor  der  Nasenkapsel  liegt  und  auf 
deren  Kosten  sich  auch  die  Nasenkapsel  selbst  vervollständigt. 

Die  visceralen  Skelettteile  von  Petromyzon  sind  in  ihrer 
speciellen  Bedeutung  noch  sehr  strittig.  Huxley  deutet  den  knorpe- 
ligen Subocularbogen  als  Palatoqua  drat  um,  Parker  glaubte  auch 
Repräsentanten  des  ventralen  Abschnittes  des  Mandibular- 
bogens  zu  erkennen.  Zum  Hyalbogen  werden  einige  in  der  Um- 
gebung des  vorderen  Teiles  der  Mundhöhle  gelegene  Stücke,  sowie 
das  sog.  Extrahyale  gerechnet;  Branchialbogen  endlich  sind  7  vor- 
handen. Außerdem  giebt  es  noch  eine  Anzahl  Knorpel,  die  als 
Lippe nknorpel  aufgefaßt  werden.  Da  manche  der  Auffassungen 
noch  unsicher  sind,  so  ist  im  Nachfolgenden  eine  andere  Gruppierung 
befolgt. 

Der  von  Huxley  als  Palatoquadratum  gedeutete  Teil,  der 
beim  erwachsenen  Petromyzon  einen  Subocularbogen  bildet,  erscheint 
nach  Parker  bei  der  sehr  jungen  Larve  nur  in  Form  eines  vom  Schädel- 
balken ausgehenden  kurzen  Knorpelfortsatzes,  der  vor  der  Ohrkapsel 
nach  der  Seite  vorspringt.  Parker  betrachtet  speciell  diesen  zuerst 
entstehenden  Abschnitt  als  Pedicle,  d.  h.  als  homolog  dem  Proc. 
basalis  des  Palatoquadratums  der  Anuren.  Dieser  Zustand  bleibt  bis 
zur  Metamorphose  bestehen.  Bei  dieser  entwickeln  sich  dann  noch 
—  in  einer  larval  vorhandenen  Schleimknorpelmasse  —  das  breite 
Knorpelband,  das  unter  dem  Auge  hinzieht,  die  vordere  Verbiiidung 
desselben  mit  der  Schädelbasis  in  der  Gegend  der  vorderen  Trabecular- 
platte und  der  von  Parker  als  praepalatine  cartilage  bezeichnete 
Vorsprung. 

Daß  der  so  gebildete  Subocularbogen  die  allergrößte  Aehnlichkeit  mit  dem  der 
Anurenlarve  besitzt,  ist  zweifellos.  Die  vordere  Verbindung  würde  der  Commissura 
quadrato-cranialis  anterior  entsprechen.  Von  besonderem  Interesse  ist,  daß  der 
Eintere  Teil  des  Palatoquadratums  in  Kontinuität  mit  dem  neuralen  Oranium,  als 
ein  Fortsatz  desselben,  entsteht.  Ist  Huxley's  Auffassung  der  Teile  richtig,  so  kann 
in  der  Existenz  eines  Palatoquadratums  ein  Moment  gesehen  werden,  das  zu  Gunsten 
der  Ableitung  der  Cyclostomen  von  Gnathostomen  spricht. 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  633 

Knorpel  in  der  Umgebung  der  Mundöffnung  und  des 
vorderen  Teiles  der  Mundhöhle.  Die  in  der  Umgebung  der 
Mundöffnung  und  des  vorderen  Teiles  der  Mundhöhle  gelegenen  Knorpel 
fehlen  auf  dem  Ammocoetesstadium  und  treten  erst  bei  der  Metamor- 
phose auf.  Nach  Bujor  und  Schaffer  entstehen  sie  in  Schleim- 
knorpelmassen  des  Ammocoetes.  Die  Skelettteile,  um  die  es  sich 
handelt,  sind  die,  welche  von  Parker,  hauptsächUch  im  Anschluß  an 
HuxLEY,  als  selbständige  Lippenknorpel,  als  Repräsentanten  des 
ventralen  Mandibularbogenabschnittes  und  als  solche  des  Zungen- 
beinbogens  aufgefaßt  werden.  Zu  den  Lippenknorpelbil- 
dungen  werden  von  Parker  gerechnet:  der  Halbringknorpel 
(vordere  Deckplatte  des  Mundes,  medianer  oberer  Lippenknorpel),  die 
Plättchen knorpel  (Antero-lateralknorpel),  die  Rhomboidal- 
knorpel  (Postero-lateralknorpel)  und  der  Ringknorpel  (Unter- 
lippenknorpel, im  Gegensatz  zu  den  fünf  erstgenannten,  die  Oberlippen- 
knorpel repräsentieren) ;  zum  ventralen  Teil  des  Mandibular- 
bogens:  die  lateralen  Mandibularia  (Dornfortsätze  des  Ring- 
knorpels, P.  Fürbringer)  und  das  mediane  Mandibulare  (Co- 
pula,  P.  Fürbringer) ;  zum  Zungenbeinbogen:  das  Epikerato- 
hyale  (styliform  und  cornual,  Huxley),  die  Zungenknorpel  oder 
das  Linguale  (Basihyale,  Parker)  und  das  sog.  Extrahyale,  das 
vom  Epikeratohyale  zum  Branchialskelett  zieht  (s.  Hyobranchialskelett). 
Die  erste  Andeutung  des  Epikeratohyale  findet  Parker  schon  beim 
Ammocoetes  als  kleinen  Auswuchs  am  Hinterrande  der  Knorpelspange, 
•die  die  erste  Anlage  des  sog.  Palatoquadratums  darstellt  (des  Pedicle 
nach  Parker)  (Fig.  328). 

Zweifelhafter  Natur  sind  besonders  die  als  Mandibularia  und  die  als  hyale 
Elemente  gedeuteten  Stücke.  Die  vordere  obere  Deckplatte  hat  schon  Huxley  mit 
■den  Oberlippenknorpeln  der  Anurenlarven,  den  Ringknorpel  mit  den  (verschmolzenen) 
Unterlippenknorpeln  derselben  verglichen. 

Hyobranchialskelett.  Hierher  gehören  die  7  Branchialia 
mit  dem  Pericardiaiknorpel,  sowie  das  sog.  Extrahyale.  Die  Ent- 
wickelung dieser  Teile  von  Petromyzon  Planeri  ist  hauptsächlich  von 
Dohrn  (1884)  untersucht  worden;  ich  folge  im  wesentlichen  seiner 
Darstellung, 

Bei  Ammocoetes  werden  8  Visceralspalten  angelegt,  von  denen 
aber  die  vorderste,  der  Hyomandibularspalte  der  Gnathostomen  ent- 
sprechende, nicht  zum  Durchbruch  kommt.  Aus  den  übrigen  sieben 
gehen  die  Kiemensäcke  hervor,  deren  vorderster  also  als  hyobranchi- 
aler  im  Sinne  der  Gnathostomen  zu  bezeichnen  ist.  Durch  die  Vis- 
ceralspalten werden  die  Visceralbogen  abgetrennt,  deren  vorderster, 
wie  bei  den  Gnathostomen,  den  Mandibularbogen  repräsentiert.  Der 
auf  die  letzte  Spalte  folgende  hinterste  Visceralbogen  wird  kaudal  vom 
Pericardium  begrenzt.  Ein  innerer  Zusammenhang  zwischen  den  sich 
anlegenden  Visceralbogen  und  -sacken  einerseits  und  den  mesodermalen 
Somiten  andererseits  besteht  nicht;  die  Segmentierung  des  Kiemen- 
-apparates  erfolgt  unabhängig  von  jenen  (Koltzoff  1902).  In  den 
eigentlichen  Kiemenbogen,  deren  Reihe  also  mit  dem  3.  Visceral- 
bogen beginnt,  liegen  bei  4  mm  langen  Ammocöten  als  abgerundete 
Schläuche  die  Kopf  höhlen,  umgeben  von  Mesodermzellen  und  außen 
von  Ektoderm,  innen  von  Entoderm  begrenzt.  Nachdem  die  Bogen 
ihre  ursprüngliche  Stellung  etwas  verändert  haben,  so  daß  sie  nun 
mit   ihrer    Querachse    schräg   zur    Körperachse   stehen,    erscheint   in 


634 


E.  Gaupp, 


jedem  eigentlichen  Kiemenbogen  der  ursprüngliche  Gefäßbogen,  und 
zwar  hart  an  der  inneren  Kante  des  Bogens,  während  zugleich  die- 
Zellen  des  ursprünglichen  Muskelschlauches  sich  in  eine  parietale  und 
eine  viscerale  Reihe  ordnen.  Endlich  entsteht  auch  gleichzeitig  durch 
Verdichtung  der  Mesoderinzellen  vor  dem  Muskelschlauch  die  Anlage 
des  Kiemenknorpels,  die  nun  von  hier  aus  dorsal-  und  ventral- 
wärts  weiterwächst.  Dorsal  legt  er  sich  an  die  Chorda,  ventral  um- 
faßt er  die  ganzen  Kiemen  bis  an  den  durch  die  Thyreoidea  in  zwei 
Aeste  gespaltenen  Arterienstiel.  Der  Muskelschlauch  sondert  sich  im 
Verlauf  der  weiteren  Entwickelung  in  eine  innere  (Adductoren-)  und 
eine  äußere  (Constrictoren-)Gruppe;  der  Muskulatur  lagert  sich  eine 
Strecke  weit  der  Knorpelbogen  ein,  der  im  übrigen  schon  frühzeitig 
mehrfache  Biegungen  macht,  so  daß  er  bald  visceralwärts,  bald  pa- 
rietalwärts  von  der  Muskulatur  gefunden  wird.  Die  anfangs  vonein- 
ander getrennten  7  Kiemenbogen  jeder  Seite  (der  vorderste  liegt  hinter 
dem  ersten  Kiemenloch,  umgreift  dasselbe  aber  auch  von  vorn  durch 
eine  besondere,  kopfwärts  gerichtete  Knorpelschlinge;  s.  Fig.  331) 
bleiben   nun   nicht   isoliert,    sondern   treten   mehrfach   miteinander  in 


Fig.  330. 


Mundeingang 

Boden  der  Mund- 
rachenhöhle 

Branchiale  I 
II.  Kiemensack 


Schilddrüsen2)latte 


ventr.  Längsstab 
hypotremaler 
Längsstab 


Branchiale    VII 


Fig.  331. 

hypochord.     epitremaler 
Längsstab  Längsfortsatz     Caps.  aud. 


Bran- 
chiale 
VII 


ventr.  Längsstah  Branchiale  I 

hypotrem.  Knorpelschlinge  des 

Längsstab  Branch.  I  vor  dem 

ersten  Kiemenloch 

Fig.  330.  Vordereude  eines  15  cm  langen  Am- 
mocoetes  mit  freipräpariertem  Kiemenskelett,  vort 
der  ventralen  Fläche  gesehen.  Fast  2mal  vergr. 
Nach  J.  Schaffer. 


Fig.  331.  Dasselbe  Objekt  wie  Fig.  330,  nach 
Entfernung  der  ventralen  und  dorsalen  Körpermuskulatur  der  rechten  Seite  mit 
vollkommen  freigelegtem  Kiemenskelett.     Nach  J.  Schaffer. 


Verbindung:  es  entstehen  die  von  Schaffer  als  hypochordaler,  epi- 
tremaler, hypotremaler  und  ventraler  Längsstab  bezeichneten  Bil- 
dungen (Fig.  330  und  331).  Die  dorsalen  Enden  d(^r  6  hinteren 
Bogen,  die  sich  dicht  an  die  Chorda  anlagern,  von  der  Elastica  aber 
durch  eine  Bindegewebsschicht  getrennt  bleiben,  verwachsen  unterein- 
ander zu  einem  hypochordalen  Längsstab,  der  vorn  mit  einer 
vom  zweiten  Branchiale  ausgehenden,  vorwärts  gerichteten  Spange 
über  dem  zweiten  Kiemensack  frei  endet  (Fig.  331).  Auch  die  beider- 
seitigen hypochordalen  Stäbe  können  unterhalb  der  Chorda  sich  strecken- 
weise miteinander  vereinigen.  Das  dorsale  Ende  des  vordersten 
Kiemenbogens  geht  dagegen  (schon  prochondral)  eine  Verbindung  mit 
dem  kaudalen  Ende  des  hinteren  Parachordale  ein,  das  der  Chorda 
unmittelbar   anliegt   (Sewertzoff;    s.  oben).     Wie  die   dorsalen,   sO' 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  635 

verwachsen  auch  die  ventralen  Enden,  und  zwar  aller  7  Kiemenbogen, 
zu  einem  ventralen  Längs stab;  die  ventralen  Längsstäbe  beider 
Seiten  zeigen  je  6  medianwärts  gerichtete  Ausbiegungen,  von  denen 
•die  hinteren  3  Paare  in  der  Mittellinie  verwachsen,  während  die 
vorderen  drei  Paare  durch  die  Thyreoidea  auseinandergedrängt  bleiben 
(Schaffer,  s.  Fig.  330).  Jeder  der  6  hinteren  Bogen  entwickelt 
ferner  einen  longitudinalen  Fortsatz,  der  oberhalb  des  vor  dem  Bogen 
gelegenen  Kiemenloches  nach  vorn  zieht,  den  davor  gelegenen  Bogen 
aber  nicht  erreicht.  Ein  zusammenhängender  epitremaler  Längs- 
stab existiert  also  nicht,  sondern  nur  6  epitremale  Fortsätze.  Da- 
gegen kommt  durch  hypotremale  Längsspangen,  die  von  den  hinteren 
6  Bogen  ausgehen,  ein  kontinuierlicher  hypotre maier  Längsstab 
zu  Stande  (Fig.  330  u.  331).  Die  sog.  Läugsstäbe  sind  somit  sekun- 
däre Bildungen. 

Wie  die  Knorpelschlinge  des  ersten  Bogens,  die  das  erste  Kiemenloch  vorn 
umgreift,  entsteht,  scheint  noch  nicht  direkt  beobachtet  zu  sein ;  es  liegt  nahe,  sie 
aus  der  Vereinigung  eines  epi-  und  eines  hypotremalen  Fortsatzes  des  ersten  Bogens 
abzuleiten.     So  faßt  wohl  auch  Schneider  sie  auf. 

Bei  der  Metamorphose  erfährt  das  Branchialskelett  einige 
Veränderungen,  deren  wichtigste  folgende  sind.  Es  entsteht  das  von 
Parker  sogenannte  Extrahyale,  d.  h.  ein  achter,  vor  der  ersten 
Kiementasche  gelegener*  Querstab,  der  bestimmt  ist,  das  Branchial- 
skelett mit  dem  Epikeratohyale  zu  verbinden.  Nach  Nestler  und 
ScHAFEER  bildet  sich  dieser,  wohl  zweifellos  zum  Zungenbembogen 
zu  rechnende  und  den  Branchialbogen  homodyname  Knorpelstab  im 
hinteren  Rande  einer  schon  von  Schneider  beschriebenen  großen 
Schleimknorpelplatte,  die  die  Mundrachenhöhle  umgiebt,  und  zwar 
(Nestler)  ebenso  wie  die  übrigen  Visceralbogen,  d.  h.  in  der  Mitte 
beginnend.  Später  erst  verbindet  sich  sem  unteres  Ende  knorpelig 
mit  dem  vorderen  Ende  des  ventralen  Längsstabes,  während  das  obere 
sich  an  das  Epikeratohyale  anschließt.  Von  der  Knorpelschlinge, 
die  die  erste  Kiemenöffnung  umgiebt,  wächst  ferner  ein  Fortsatz  nach 
vorn,  der  sich  mit  dem  Extrahyale  verbindet. 

In  einem  Ausnahmefall  beobachtete  Schaffer  die  Kuorpelspange  bereits  bei 
einem  9  cm  langen  Ammocoetes,  wenigstens  auf  der  einen  Seite.  Der  Bezeichnung 
Extrahyale  liegt  die  Vorstellung  zu  Grunde,  daß  das  ganze  Kiemenskelett  von 
Petromyzon  ein  „äußeres"  sei.  Da  diese  Anschauung  aber  wohl  aufzugeben  ist,  so 
wird  auch  die  obige  Bezeichnung  inkorrekt,  doch  habe  ich  sie  vorläufig  beibehalten, 
■da  erst  eine  erneute  Bearbeitung  des  Gegenstandes  eine  bessere  Nomenklatur  fest- 
stellen kann. 

Weitere  Veränderungen  des  Branchialskelettes,  die  bei  der  Meta- 
morphose auftreten,  sind:  die  Bildung  des  Pericardialknorpels  hinter 
dem  Branchialskelett  und  in  Zusammenhang  mit  dem  letzten  Bogen 
(also  nicht  auf  schleimknorpeliger  Grundlage),  ferner  (was  wenigstens 
aus  Parker's  Abbildungen  zu  folgen  scheint)  eine  vollkommenere 
Verschmelzung  der  beiderseitigen  ventralen  Längsstäbe,  weiterhin  das 
Auftreten  zahlreicher  kleinerer  (schleimknorpelig  präformierter)  Fort- 
sätze an  den  einzelnen  Branchialbogen.  Endlich  scheinen  auch  die 
ringförmigen  Knorpel  um  die  einzelnen  Kiemenöffnungen,  die  Born 
bei  Petromyzon  marinus  beschreibt,  und  Nestler  bei  P.  Planeri  be- 
stätigt, bei  der  Metamorphose  zu  entstehen.  Verfolgt  wurde  ihre 
Bildung  bisher  nicht. 

DoHRN,  dessen  Darstellung  von  der  Entwickelung  der  Kiemenbogen  bei 
Ammocoetes   ich  oben  gefolgt  bin,    kommt  auf  Grund  dieser  Entwickelung  zu  dem 


636  E.  Gaupp, 

Schluß,  daß  die  Kiemenbogen  der  Petrorayzonten  denen  der  Selachier,  also  überhaupt 
denen  der  Gnathostomen  homolog  sind,  und  widerspricht  damit  der  von  Eathke,. 
CuviER,  J.  Müller,  Gegenbaur  und  Balfour  vertretenen  Vorstellung,  daß  die 
Kiemenbogen  der  Petromyzonten  als  ,, äußere"  denen  der  Gnathostomen  (als  „inneren") 
gegenüberzustellen,  dagegen  den  bei  manchen  Selachiern  vorhandenen  äußeren 
Kiemenbogen  zu  homologisieren  seien  (s.  Selachii).  In  dieser  Auffassung  schließt 
sich  Goette  (1901)  an  Dohrn  an;  sie  darf  als  ziemlich  gesichert  angesehen  werden. 
Die  Kontinuität  der  Bogen  bei  den  Cyclostomen  betrachtet  Dohrn  als  den  ur- 
sprünglichen Zustand.  Der  weitere  Schluß  von  Dohrn,  daß  die  seiiundär  entstehen- 
den Längsauswüchse  der  Bogen  bei  Petromyzon  letzte  Andeutungen  von  Radien 
seien,  wird  dagegen  von  Goette  nicht  angenommen  ;  nach  letzterem  können  die 
Cyclostomen  keine  Radien  besitzen,  weil  ihnen  Hautkiemen  und  Septen  fehlen. 

Von  der  durch  Dohrn  gegebenen  Darstellung  weicht  die  Schilderung  von 
V.  KuPFFER  (1895)  in  sehr  wichtigen  Punkten  ab.  Kupffer  bestätigt  allerdings, 
daß  die  vertikalen  aber  stark  sich  krümmenden  Knorpelstäbe  des  Kiemeugitters  von 
Ammocoetes  sich  kontinuierhch  entwickeln  und  stimmt  auch  bezüghch  des  ventralen 
und  des  hypotremalen  Längsstabes  mit  Dohrn  überein,  läßt  den  hypochordalen 
Längsstab  aber  vollständig  im  parachordalen  Gewebe  entstehen  und  die  dorsalen 
Enden  der  Kiemenbogen  mit  ihm  verwachsen,  Außerdem  aber  vindiziert  Dohrn 
nur  dem  hypochordalen  Längsstab  einen  mesodermaleu  Ursi^rung,  läßt  dagegen  die 
Kiemenbogen  selbst  aus  dem  Ektoderm  entstehen,  und  zwar  aus  einer  inneren^ 
von  ihm  als  Branchiodermis  bezeichneten  Schicht  desselben,  die  sich  in  der  ganzen 
Ausdehnung  der  Branchialregion  vom  Auge  an  bis  zum  Oesophagus,  und  zwar  nur 
an  der  ventralen  Seite,  findet.  Diese  Branchiodermis  entwickelt,  nach  Kupffer, 
schon  vor  dem  Durchbruch  der  Kiementaschen  leisten  förmige  Verdickungen  hinter 
jeder  Kiementasche,  die  sich  dann  abschnüren  und  zu  den  Kiemenknorpeln  werden. 
Auch  hinter  der  Hyoraandibularspalte  bildet  sich  die  entsprechende  Leiste.  Somit 
würden  die  Kiemenbogen  der  Petromyzonten  als  ektodermale  Bildungen  mit  den 
mesodermaleu  Bogen  der  Selachier  gar  nicht  vergleichbar  sein.  Hierzu  hat  denn 
auch  Dohrn  (1902)  sich  nochmals  geäußert.  Dohrn  erkennt  die  Branchiodermis 
Kupffer's  als  ektodermale  Bildung  an,  betrachtet  sie  aber  als  hervorgegangen  aus 
einer  Proliferation  der  Ganglienleistenzellen.  im  übrigen  nimmt  er  Kupffer's  Dar- 
stellung von  der  ektodermalen  Natur  der  Kiemenknorpel  an,  sieht  aber  gerade  darin 
eine  Uebereinstimmung  mit  den  Verhältnissen  bei  den  Selachiern,  wo  sich,  nach  ihm, 
die  Kiemenknorpel  ebenfalls  ektodermal  entwickeln  sollen  (s.  auch  Selachier,  sowie 
die  Bemerkungen  im  allgemeinen  Teil,  p.  589).  Auch  die  Schleimknorpel  sind 
nach  Dohrn  ektodermaler  Herkunft.  —  Der  Vorstellung  von  der  ektodermalen  Ent- 
stehung der  Petromyzon-Kiemenknorpel  widerspricht  Goette  (1901). 

Selachier. 

A.  Neuraler  Teil  des  Craniums. 

Die  Entwickelung  des  Neurocraniums  der  Selachier  ist  1878  durch 
W.  K.  Parker,  in  der  neuesten  Zeit  (1899)  durch  Sewertzoff  be- 
arbeitet worden,  so  daß  wenigstens  einige  Hauptvorgänge  jetzt  klar 
liegen.  In  manchen  Punkten,  namentlich  bezüglich  der  vorderen 
Schädelregion,  sind  allerdings  auch  hier  neue  Untersuchungen  nötig. 
Ich  lege  die  SEWERTzoFP'schen  Befunde,  die  an  Acanthias  und 
Pristiurus  gewonnen  sind,  der  nachfolgenden  Darstellung  zu  Grunde; 
nur  die  Bezeichnungen  sind  stellenweise  im  Interesse  einer  einheit- 
lichen Nomenklatur  geändert,  und  außerdem  sind  an  einigen  Punkten 
Ergänzungen  nach  den  Angaben  anderer  Forscher  beigefügt. 

Einige  Angaben  über  die  Segmentierung  des  Gesamtkopfes  der  Selachier  sind 
vorauszuschicken.  Bei  Scyllium  und  Pristiurus  wies  van  Wijhe  (1882)  auch  im 
Kopfgebiet  eine  Gliederung  des  dorsalen  Mesoderms  nach  und  beschrieb  die  neun 
vorhandenen  Segmente  als  Somite  (Ursegmente).  Die  Somitennatur  der  4  Seg- 
mente des  Vorderkopfes  wird  bestritten  (RabI;  1889).  C.  K.  Hoffmann  schloß  sich 
(1894)  der  Darstellung  und  Auffassung  von  van  Wijhe  an,  fand  aber,  daß  bei 
Acanthias  noch  das  10.  Segment  sich  am  Aufbau  des  Kopfes  beteilige,  und  schloß 
daraus,  daß  bei  Acanthias  die  Grenze  zwischen  Kopf  und  Rumpf  um  ein  Ursegment 
weiter  kaudal  liege  als  bei  den  oben  genannten  Haien.  Alle  Segmente  liefern  Binde- 
gewebe; das  der  Labyrinthregion  entstammt  nach  van  Wijhe  dem  4.  bis  6.  Segment, 
während   das   für   den    Aufbau   der  üccipitalregion    von    den    letzten   4   Segmenten 


Die  Eutwickelung  des  Kopfskelettes.  637 

geliefert  wird.  Sewertzoff  schließt  sich  bezüglich  der  Kopfsomitenzahl  bei 
Acanthias  an  C.  K.  Hoffmann  an  (10  Somite,  davon  6  metotische;  das  erste 
Occipitalmyotom  geht  aus  dem  zweiten  metotischen  Somit,  d.  h.  dem  6.  Seg- 
mente der  Gesamtreihe,  hervor),  läßt  aber  die  5  hinteren  Somite  (6 — 10)  sich  am 
Aufbau  der  Occipitalregion  beteiligen.  Im  übrigen  hält  er  an  der  HoFFMANN'schen 
Vorstellung  fest,  daß  der  Acanthiasschädel  ein  Segment  länger  sei  als  der  Pristiurus- 
schädel:  bei  Pristiurus  fand  auch  er  nur  die  9  van  WuHE'schen  Somite,  von 
denen  die  4  hinteren  die  Occipitalregion  liefern.  Demgegenüber  hat  Beaus  (1899) 
bei  Spinaciden  und  Scylliiden  11  Kopfsomite  (davon  7  metotische)  festgestellt,  die 
nach  der  von  Fürbringer  vorgeschlagenen  Nomenklatur  als  t — z  zu  bezeichnen 
sind,  und  ist  zu  dem  Schluß  gekommen,  daß  bei  den  früheren  Autoren  ein  Irrtum 
in  der  Bestimmung  der  kranio-vertebralen  Grenze  vorgekommen  sei.  Auch  die  von 
VAN  Wijhe  untersuchten  Formen  sowie  Acanthias  besitzen  11  Kopfsomite,  von 
denen  7  als  metotische  zu  bezeichnen  sind.  (Das  vierte  Kopfsomit  ist  durch  seine 
Lage  neben  der  Ohrblase  charakterisiert ;  es  wird  allgemein  noch  zu  den  prootischen 
gerechnet.  Nur  Koltzoff  plädiert  auf  Grund  der  Befunde  bei  Petromyzon  dafür, 
es  als  erstes  metotisches  zu  bezeichnen.  Ich  schließe  mich  im  Nachfolgenden  der 
konventionellen  Bezeichnung  an,  nach  der  als  erstes  metotisches  Somit  das  fünfte  der 
Gesamtreihe  bezeichnet  wird,  das,  wie  schon  van  Wijhe  feststellte,  wieder  zu  Grunde 
geht  und  jedenfalls  keine  bleibenden  Muskelfasern  entwickelt.) 

Zu  ganz  besonders  interessanten  Resultaten  ist  neuerdings  (1902)  Froriep  bei 
der  Untersuchung  von  Torpedoembryonen  gelangt.  Froriep  findet,  daß  auf  sehr 
jungen  Stadien  die  Urwirbelreihe  bis  zur  rostro-dorsalen  Ecke  der  ersten  Visceral- 
tasche  sich  erstreckt  und  ebensoweit  auch  specifisch  differenzierte  Chorda  reicht, 
während  von  hier  an  rostralwärts  sich  ein  Mesoblastabschnitt  anschließt,  der  sich 
nicht  gliedert,  und  ein  Chordaabschnitt,  der  weich  und  hinfällig  bleibt.  Die  Anlage 
der  Ohrgrube  entspricht  aijf  diesem  jungen  Stadium  den  vordersten  Urwirbeln,  so 
daß  also  alle  Urwirbel  als  metotisch  zu  bezeichnen  wären.  Im  Verlaufe  der 
weiteren  Eutwickelung  werden  die  vordersten  der  13  Kopfurwirbel  —  in  rostro- 
kaudaler  Richtung  —  in  Mesenchym  aufgelöst,  das  die  Anlagen  der  späteren  Para- 
chordalia  liefert.  Diese  wären  danach  in  ganzer  Ausdehnung  spinaler  Herkunft. 
Der  ungeghederte  präspinale  Mesoblast  wächst  sehr  stark  heran  und  bildet  den 
präspinalen  Kopfbezirk  nebst  den  Visceralbogen.  —  Ein  weiteres  Eingehen  auf  die 
vielen  Angaben  in  betreff  der  Kopfsegmentierung  der  Selachier  gehört  nicht  hierher. 
(Literatur,  außer  den  genannten  Arbeiten,  besonders  noch:  Dohrn  [zahlreiche 
„Studien"],  Ktllian,  Koltzoff  u.  A.) 

Die  ersten  Anlagen  des  Kopfskelettes  erscheinen  nach  Sewertzoff 
bei  Acanthias  und  Pristiurus  zu  einer  Zeit,  wo  die  anderen  Organe 
des  Kopfes  schon  einen  ziemlich  hohen  Grad  der  Ausbildung  erlangt 
haben  (etwa  dem  Stadium  L  von  Balfour  entsprechend).  Mund- 
öffnung und  Kiemenspalten  sind  durchgebrochen ;  Auge,  Ohr,  Nase 
haben  die  ersten  Stadien  ihrer  Entwickelung  durchgemacht,  am  Gehirn 
sind  die  Hauptabschnitte  ausgebildet,  und  die  Kopfbeuge  ist  sehr  stark 
ausgesprochen.  Die  ersten  Skelettteile,  die  auf  diesem  Stadium  sicht- 
bar werden,  erscheinen  als  zwei  lange  Streifen  von  prochondralem 
Gewebe,  zu  beiden  Seiten  des  vorderen  Chordaabschnittes.  Sie  ent- 
stehen zuerst  in  der  Ohrregion,  ventral  von  den  Ohrblasen,  und  von 
hier  aus  schreitet  ihre  Bildung  in  rostraler  und  kaudaler  Richtung  fort. 
Rostral  reichen  sie  bis  in  die  Gegend  des  Facialisaustrittes  und  hören 
hier  mit  quer  verlaufendem  Rande  auf;  die  Chorda  dorsalis  er- 
streckt sich  aber,  und  das  ist  auch  auf  einigen  späteren  Stadien  noch 
der  Fall,  noch  eine  Strecke  weit  frei  über  diesen  Rand  hinaus  nach 
vorn,  um  in  der  Infundibularregion  des  Gehirnes  mit  einem  dünnen, 
ventral  umgebogenen  Ende  aufzuhören  (Fig.  334).  Kaudalwärts  setzt 
sich  die  Bildung  der  parachordalen  Skelettstreifen  ohne  Grenze  auf 
das  Rumpfgebiet  fort.  Die  parachordalen  Skelettstreifen  bilden  die 
erste  Anlage  des  chordalen  Schädelabschnittes  und  des  vorderen  Teiles 
der  Wirbelsäule.  Eine  Abgrenzung  dieser  beiden  Gebiete  ist  anfangs 
nicht  gegeben,  aber  doch  ist  eine  Zerlegung  des  Parachordalstreifens 
jeder   Seite   in   zwei   Abschnitte   möglich:    in    einen   vorderen   unseg- 


638 


E.  Gaupp, 


mentierten  (Pars  otica)  und  einen  hinteren  segmentierten  (Par  s 
occipitalis).  In  der  Ohrblasen gegend  bilden  sich  die  genannten 
Streifen  aus  indifferentem  Mesodermgewebe  und  lassen  weiter  keine 
Besonderheiten  erkennen ;  hinter  der  Ohrblase  dagegen,  oder  genauer, 
hinter  der  Vaguswurzel  zeigen  sie  Andeutungen  einer  Segmentierung, 
die  in  enger  Beziehung  zu  der  Metamerie  der  Myotonie  und  Spinal- 
nerven dieser  Gegend  steht.  Hinter  dem  Vagus  beginnt  die  Myotom- 
reihe  des  Körpers,  und  genau  dem  Myocomma  zwischen  je  zwei 
Myotomen  entsprechend  zeigt  der  prochondrale  Streifen  neben  der 
Chorda   eine  Erhebung,     Von  jeder  dieser  wellenförmigen  metameren 


Cart.  sphenolat. 


Corp.  pin. 

I  h/    xi  \      Prn.^      // 

Arc.br.  5  Arc.br.  1      Mand.  \ 
Arc.hy.  Pal.-Q. 

Parachord. 

Trabec.  Sacc.  nas. 

Fig.  332.  Graphische  Rekonstruktion  (nach  Sagittalschnitten)  des  Kopfskelettes 
und  des  Nervensystems  eines  Embryo  von  Acanthias  vulgaris.  Nach  Skwertzoff. 
Der  Kiefer-  und  der  Zungenbeinbogen  bestehen  aus  jungem  Knorpel,  die  5  Bran- 
chialbogen  befinden  sich  noch  auf  prochondralem  Stadium.  Sl  u.  s.  w.  Skelettseg- 
mente der  Occipitalregion ;  hinter  .S"  '>  bildet  sich  nach  Sewertzoff  die  cranioverte- 
brale  Grenze  aus.  ,Sp.v.  ventrale  Spinalnerven  würzet.  Sp.d.  dorsale  Spinalnerven- 
wurzel.    G.sp  Ganglion  spinale.     Die  übrigen  Abkürzungen  erklären  sich  selbst. 

Erhebungen,  die  Skelettsegmente  repräsentieren,  geht  das  ent- 
sprechende Myocomma  aus,  und  zwischen  je  zwei  Erhebungen  tritt 
eine  ventrale  Spinalnervenwurzel  aus,  um  zu  ihrem  Myotom  zu  ver- 
laufen (Fig.  332).  Somit  beginnt  hinter  dem  Vagus  das  Gebiet  des 
Körpers,  in  dem  eine  Metamerie  des  Muskel-,  Nerven-  und  Skelett- 
systems ausgesprochen  ist,  und  innerhalb  dieses  segmentierten  Gebietes 
bildet  sich  später  die  Grenze  zwischen  Kopf  und  Rumpf  aus.  Dem- 
nach ist  der  Teil  des  axialen  Skelettes,  der  später  die  Occipitalregion 
des  Craniums  bildet,  auf  frühen  Stadien  gleichzeitig  mit  der  Wirbel- 
säule segmentiert;  Sewertzoff  zieht  geradezu  den  Schluß,  daß  bei 
Pristiurus  und  Acanthias  auf  frühen  Entwickelungsstadien  die  Occi- 
pitalregion nach  ihren  Merkmalen  zum  Rumpfe  und  nicht  zum  Kopfe 
gehört. 

Die  Verknorpeln ng  der  Parachordalplatten  beginnt  vorn  und 
schreitet  in  kaudaler  Richtung  vor.  Auch  der  Occipitalteil  verknorpelt 
als  ein  einheitliches  Ganzes,  ohne  daß  dabei  bestimmte  Centrierungen 
(Bogen  u.  s.  w.)  auftreten.  Von  den  beschriebenen  Erhebungen 
fließen  die  vordersten  über  den  trennenden  Nerven  zusammen,  so  daß 
diese  nun  (als  Nn.  occipitales)  durch  Kanäle  der  so  entstandenen 
Occipitalregion  austreten.  Die  vordersten  bilden  sich  wieder  zurück. 
Mit  der   Chorda  zusammen   bilden  die   beiden   Parachordalia,   soweit 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  639 

sie  dem  Schädel  zugeteilt  werden,  eine  dorsalwärts  konkave  Platte, 
die  die  Basis  cranii  in  der  Occipital-  und  Labyrinthregion  darstellt, 
die  Basal  platte.  Vorn  schließt  sie  mit  querem,  anfangs  von  der 
Chorda  dorsalis  überragtem  Rande  (Sattellehne)  ab  (Fig.  334); 
hinten  grenzt  sie  sich,  aber  erst  verhältnismäßig  spät,  gegen  die 
Wirbelsäule  ab.  Die  Grenze  ist  jedoch  schon  vorher  deutlich  dadurch, 
daß  sich  in  dem  Gebiet  der  Parachordalstreifen,  das  der  Rumpf- 
region zugeteilt  wird,  Wirbelbogen  und  Intercalaria  ausbilden,  während 
in  dem  davor  gelegenen  (Kopf-)Gebiet,  wie  erwähnt,  die  Skelett- 
segmente zu  einer  einheitlichen  Masse  zusammenfließen. 

Segmentierung  der  Occipitalregion.  Was  die  Zahl  der  Skclett- 
segmente  (d.  h.  der  wellenförmigen  ErJiebungen  des  Parachordale)  anlangt,  die  in 
den  Aufbau  des  Haifischschädels  eingehen,  so  bestimmte  Sewertzoff  dieselbe,  ent- 
sprechend der  bereits  einleitungsweise  erwähnten  Begrenzung  des  Kopfgebietes,  bei 
Pristiurus  auf  4,  bei  Acanthias  auf  5.  Das  letzte  Skeletlsegment  bei  Pristiurus  soll 
zum  5.  metotischen  Somit  gehören  und  dem  Myocomma  zwischen  ihm  und  dem 
6.  metotischen  Somit  entsprechen ;  bei  Acanthias  läge  das  letzte  Skelettsegment  erst 
zwischen  dem  ti.  und  7.  metotischen  Somit :  der  Acanthiasschädel  wäre  um  ein 
Skelettsegment  länger  als  der  Pristiurusschädel  (s.  o.).  Infolge  der  Feststellung  von 
Braus,  daß  die  kranio-vertebrale  Grenze  wahrscheinlich  bei  den  meisten  Haien 
(jedenfalls  bei  Scylliiden  und  Spinaciden)  an  konstanter  Stelle,  nämlich  zwischen 
dem  7.  und  8.  metotischen  Somit  liegt,  verlangen  jene  Angaben  Sewertzoff's  eine 
Revision.  Das  Wahrscheinlichste  ist  wohl,  daß  in  der  Lagebestimmung  der  Skelett- 
segmente zu  den  Somiten  ein  Irrtum  besteht,  daß  also  in  der  That  bei  Acanthias  5, 
bei  Pristiurus  nur  -4  Skelettsegijiente  in  den  Aufbau  der  Occipitalregion  eingehen, 
bei  beiden  Formen  aber  das  letzte  dieser  Segmente  zwischen  dem  7.  und  8.  metoti- 
schen Somit  liegt.  Die  andere  Möglichkeit,  daß  nämüch  bei  beiden  Formen  die 
kranio-vertebrale  Grenze  weiter  kaudal  liegt,  als  der  Bestimmung  von  Sewertzoff 
entspricht,  daß  also  bei  beiden  Formen  6  Skelettsegmente  am  Aufbau  der  Occipital- 
region teilnehmen,  hat  weniger  Wahrscheinlichkeit  für  sich,  da  ein  Irrtum  in  der 
Bestimmung  der  kranio-vertebralen  Grenze  auf  den  späteren  Stadien,  wo  das  Skelett 
schon  deutlich  angelegt  ist,  wohl  weniger  leicht  anzunehmen  ist.  Sewertzoff  hat 
sich  hierzu  bisher  nicht  geäußert.  (In  dem  Schema  1  der  Fig.  325  sind  die  Befunde 
von  Sewertzoff  und  von  Braus  im  Sinne  der  ersteren  Alternative  miteinander 
kombiniert.)  Im  Zusammenhang  mit  der  Frage  nach  der  Zahl  der  metotischen  Kopf- 
segmente steht  die  nach  der  Zahl  der  Nerven,  die  als  occipitale  Nerven  dem 
Cranium  einverleibt  werden.  Hoffmann  und  Sewertzoff  finden  embryonal  ven- 
trale Wurzeln  vom  3.  metotischen  (^  7.  van  WUHE'schen)  Somite,  also  in  der 
FÜRBRiNGER'schen  Nomenklatur  von  v  an,  lassen  aber  die  des  7.  und  8.  Somites 
wieder  zu  Grunde  gehen  und  nur  die  des  9.  und  10.  erhalten  bleiben,  in  Kanäle 
der  Occipitalregion  eingeschlossen.  Da  nach  Braus  auch  der  Nerv  des  11.  Gesamt- 
somites  (als  z)  noch  in  den  Schädel  einbezogen  wird,  so  müßten  beim  erwachsenen 
Acanthias  drei  occipitale  Nerven  die  Occipitalregion  durchsetzen,  —  was 
Sewertzoff  thatsächlich  in  einem  untersuchten  Falle  fand  (aber  anders  deutete). 
Diese  drei  würden  also  x,  y,  z  der  FÜRBRiNGER'schen  Nomenklatur  entsprechen 
(s.  Fig.  325,  Schema  1).  Daß  hierin  Varianten  vorkommen,  folgt  aus  einer  Angabe 
von  FÜRBRINGER,  der  nur  zwei  occipitale  Nerven  {y,  z)  beim  erwachsenen  Acanthias 
konstatierte.  Bei  Pristiurus  erhalten  sich  die  ventralen  Wurzeln  y  und  z  (Braus). 
Im  Sinne  der  Auffassung  von  M.  Fürbringeb  (p.  597)  stellt  die  Occipitalregion  der 
Selachier  ein  protametameres  Neocranium  dar. 

Erwähnung  verdient  noch  der  Befund  von  Braus,  daß  bei  Spinax  niger  das 
erste  Intercrurale  in  der  Entwickelung  deutlich  ein  Teil  des  Schädels  ist,  der  mit 
der  Schädelbasis  zusammenhängt,  dann  aber  sich  von  diesem  ablöst  und  nun  frei 
zwischen  Schädel  und  erstem  Crurale  hegt.  Dabei  erfahren  auch  die  Wurzeln  des 
Nerven  z  eine  interessante  Verlagerung:  während  die  dorsale  Wurzel,  die  anfangs 
das  erste  Intercrurale  durchsetzt,  später  wieder  verschwindet,  wird  die  ventrale,  die 
anfangs  zwischen  dem  Cranium  und  dem  Intercrurale  I  liegt,  vom  Schädelknorpel 
selbst  umwachsen  und  in  einen  Kanal  desselben  aufgenommen.  Hier  ist  also  ein 
Abghederungsvorgang  am  hinteren  Ende  des  Schädels  ontogenetisch  konstatierbar. 
Dagegen  scheint  für  Squaliden  mit  Sicherheit  noch  kein  Fall  konstatiert  zu  sein, 
daß  wirklich  normalerweise,  nach  Ausbildung  der  primitiven  Kranio-vertebral- 
grenze,  sich  noch  ein  Wirbel  dem  Cranium  anschlösse.  Eine  hierauf  bezügliche 
Angabe  von  Eosenberg  (Carcharias  betreffend)  ist  in  ihrer  Deutung  noch  nicht 
ganz  klar. 


640  E.  Gaupp, 

Sehr  interessante  Vorgänge  spielen  sich  endlich  nach  Braus  während  der 
Ontogenese  bei  Torjjedo  narce  Risso  ab.  Es  wird  nämhch  der  erste  Spinalnerv  (der 
dem  8.  metotischeu  Somite  zugehört)  in  den  Schädel  aufgenommen,  ohne  daß  sich 
dabei  der  1.  Wirbel  dem  Schädel  anschließt.  Der  Grund  hierfür  ist  wohl  in  der 
Ausbildung  der  beiden  lateralen  Occipitalgelenke  zu  sehen,  die  zur  Folge  hat,  daß 
die  medialen,  nahe  der  Chorda  gelegenen  Skelettteile  der  Wirbelsäule  zu  Grunde 
gehen.  Der  erste  Spinalnerv  kommt  so  zunächst  in  eine  Membran  zu  liegen,  die 
zwischen  dem  Schädel  und  dem  1.  Wirbel  sich  findet  (während  er  bei  den 
meisten  Squaliden  durch  den  Anfangsteil  der  Wirbelsäule  verläuft),  und  wird  dann 
von  dem  Schädelknorpel  umwachsen,  so  daß  er  nun  diesen  durch  einen  Kanal  durch- 
setzt. (Der  gleiche  Einschmelzungsprozeß  am  vorderen  Ende  der  Wirbelsäule  hat 
zur  Folge,  daß  der  zweite  Spinalnerv  aus  der  Wirbelsäule  ausgeschaltet  wird  und 
schließlich  zwischen  Cranium  und  Wirbelsäule  heraustritt.)  Der  1.  Wirbel  geht 
wahrscheinlich  ganz  zu  Grunde.  Infolge  der  starken  Reduktion  der  medialen  Teile 
des  vorderen  Wirbelsäulenendes  bleibt  hier  nur  eine  breite  Ugamentäre  Verbindung 
zwischen  Wirbelsäule  und  Cranium  übrig,  in  die  auch  die  Chorda  aufgeht. 

Der  Vorgang  der  Assimilation  von  ursprünglich  freien  Spinalnerven,  der  bei 
Torpedo  ontogenetisch  verfolgbar  ist,  kann  bei  verschiedenen  anderen  Rochenformen 
aus  dem  Verhalten  beim  erwachsenen  Tier  erschlossen  werden  (Füebringer  1897, 
Braus  1898  und  1899). 

Chorda  dorsalis.  Beim  Acanthiasembryo  vom  Stadium  K  nach  Balfour 
macht  das  vordere  Ende  der  Chorda  dorsalis  eine  der  Kopfbeuge  entsprechende 
Krümmung  ventralwärts ;  die  vorderste  Spitze  ist  sogar  etwas  kaudalwärts  umgebogen 
(Rabl-Rückhard).    Zwischen  dem   Scheitel  der  Krümmung  und  der  Gehirnbasis 

Vorderhim  ^——««^—^ 

-Mittelhirn 


.  Mittelhirnpolstei' 
vorderes  Ende-    "^^  '  '  ^  '  "' 

der  Chorda 

I£y2}02)hysts '''^^"-~  '^''  '      ^"HM^^^^  ^-Nachhirn 


Chorda  dors. 


prim.  Rachenhaut 


Fig.  333.     Dorso-ventraler  Längsschnitt  des   Kopfes   eines  Embryo  von  Acan- 
thias  vulgaris  (Stadium  K  nach  Balfour).    Nach  Rabl-Rückhard. 

(in  dem  Winkel  zwischen  der  Basis  des  Vorder-,  Mittel-  und  Hinterhirns)  liegt  ein 
dickes,  aus  embryonalem  Bindegewebe  bestehendes  und  viele  Gefäße  einschließendes 
Mittelhirn polster  (s.  p.  580).  Wie  Kölliker  (1860)  und  Gegenbaur  (1872)  fest- 
stellten, umgiebt  sich  auch  der  Kopfteil  der  Chorda  mit  denselben  Hüllen  wie  die 
Rumiifchorda.  Es  sind  also  bei  Acanthias  die  Elastica  interna,  Faserscheide  und 
Elastica  externa  zu  unterscheiden ;  letztere  trennt  die  Faserscheide  von  dem  Knorpel 
der  Parachordalia.  Wie  Gegenbaur  weiter  schildert,  verschwindet  später  die  El. 
externa,  so  daß  der  Knorpel  der  Faserscheide  direkt  an  den  Knori^el  der  Para- 
chordalia anstößt  und  mit  diesem  am  Aufbau  der  Basalplatte  teilnimmt.  Die  Chorda 
selbst  hat  bei  den  verschiedenen  Haien  ein  verschiedenes  Schicksal.  Bei  Heptanchus, 
Mustelus,  Centrophorus  granulosus,  Acanthias  vulg.  und  Squatina  (nach  Kölliker), 
sowie  bei  Hexanchus,  Cestracion  und  Centrophorus  calceus  (nach  Gegenbaur)  bleibt 
sie  auch  in  der  Basis  des  erwachsenen  Schädels  als  ein  dünner  Strang  vorhanden, 
der  in  einem  dorsalwärts  konkaven  Bogen  bis  in  die  Sattellehne  verläuft,  wo  er  endet. 
(Da  bei  Acanthias  embryonal  das  vordere  Chordaende  aus  der  Sattellehne  herausragt, 
später  aber  nicht,  so  scheint  eine  Rückbildung  wenigstens  des  vordersten  Endes 
stattzufinden.)  Scymnus  und  Mustelus  sind  Repräsentanten  der  Gruppe  von  Haien, 
bei  denen  die  Schädelchorda  embryonal  wieder  zu  Grunde  geht  (Gegenbaur).  — 
Das   embryonale  Bindegewebe  des  Mittelhirnpolsters,   das    bei    jungen   Embryonen 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  641 

sehr  reichlich  entwickelt   ist,  wird  später  sehr  reduziert  und  bildet  schließlich  nur 
einen  die  A.  basilaris  tragenden   unbedeutenden  Bindegewebsfortsatz  der  Pia  mater 

(RABL-KtJCKHARD). 

Die  Ausbildung  der  Cranio-vertebralverbindungen  wurde  im  speciellen 
noch  nicht  verfolgt. 

lieber  die  Bildung  der  Sattellehne  s.  u. 

Die  Anlage  der  Ohr  kapsei  wird  nach  Sewertzoff  schon  früh- 
zeitig deutlich  und  erscheint  als  eine  tellerförmige  Verbreiterung 
des  prochondralen  Parachordale,  ventral  von  der  Mitte  der  Ohrblase. 
Irgendwelche  Selbständigkeit  kommt  ihr  nicht  zu,  sie  bildet  von  vorn- 
herein ein  Continuum  mit  der  Parachordalplatte.  Auch  ihre  Ver- 
knorpelung  erfolgt  nach  Sewertzoff's  Schilderung  im  Zusammen- 
hang mit  der  der  Parachordalplatte;  von  der  anfangs  nur  den  Boden 
-der  Kapsel  bildenden  Verbreiterung  aus  umwächst  der  Knorpel  weiter- 
hin das  häutige  Labyrinth,  und  zwischen  Labyrinth  und  Gehirn  bildet 
sich  eine  knorpelige  Scheidewand.  Sie  wird  zuletzt  von  allen  Wänden 
vollständig.  Auch  dorsal  bleibt  das  Labyrinth  längere  Zeit  unbedeckt. 
Der  Glossopharyngeus  und  der  Vagus  laufen  anfangs  hinter  der 
Anlage  der  Ohrkapsel  nach  außen ;  durch  die  Verbindung  des  Occi- 
pitalteiles  mit  der  Ohrkapsel  werden  sie  in  zwei  Kanäle  eingeschlossen. 
Ob  dabei  etwa  zuerst  ein  einheitliches  Foramen  entsteht,  das  sekundär 
in  zwei  zerlegt  wird,  oder  ob  erst  der  Glossopharyngeus  und  dann 
selbständig  der  Vagus  'umschlossen  wird,  geht  aus  Sewertzoff's 
Darstellung  nicht  hervor. 

Sewertzoff's  Angaben  über  die  Ohrkapsel  können  nur  so  verstanden  werden , 
daß  die  ganze  Kapsel  im  Anschluß  an  die  Parachordalplatte  verknorpelt;  ein  selb- 
ständiger Verknorpelungsherd,  wie  er  bei  niederen  Wirbeltieren  am  lateralen  Bogen- 
gang gewöhnlich  vorkommt,  würde  danach  bei  Selachiern  fehlen.  Die  Thatsache 
wäre,  wenn  richtig,  auffallend. 

Bald  nach  den  Parachordalia  werden  im  Gebiete  des  parachordalen 
Schädelabschnittes  Skelettteile  sichtbar:  die  Trabeculae  cranii 
und  die  Cartilagines  sphenolaterales,  beide  selbständig  auf- 
tretend, im  Gegensatz  zu  dem  als  Continuum  mit  der  Wirbelsäule 
sich  anlegenden  chordalen  Abschnitt.  Die  beiden  Trabeculae 
cranii  entstehen  zu  beiden  Seiten  der  Hypophysis  cerebri,  zu  einer 
Zeit,  wo  diese  noch  mit  dem  Mundhöhlenepithel  in  Zusammenhang 
steht,  zwischen  dem  Epithel  des  Mundhöhlendaches  und  dem  Infundi- 
bulum.  Wie  Fig.  332  zeigt,  blickt  in  diesem  Stadium  infolge  der 
starken  Kopfbeuge  die  ventrale  Fläche  des  Infundibulum  kaudalwärts, 
und  so  kommt  es,  daß  die  Trabekel  bei  ihrer  Entstehung  nicht  die 
axiale  Fortsetzung  der  Parachordalia  bilden,  sondern  etwa  recht- 
winklig gegen  die  letzteren  gestellt  sind.  Dabei  stößt  das  dorsale 
Ende  einer  jeden  Trabecula  an  die  Ventralfläche  des  gleichseitigen 
Parachordale,  in  kurzer  Entfernung  hinter  dem  Vorderrande  desselben, 
an ;  das  vordere,  ventralwärts  gerichtete  Trabekelende  erreicht  vor- 
erst den  Nasensack  nicht  (Fig.  332).  Etwas  später  als  die  Trabekel 
treten  selbständig  die  Seitenwände  der  Orbito-temporalregion  auf,  die 
Sewertzoff  als  Alisphenoidplatten  bezeichnet,  die  ich  aber  lieber 
Sphenolateralknorpel  (Cart.  sphenolaterales)  nennen  möchte,  da 
sie  zum  Alisphenoid  der  Säuger  keine  Beziehung  haben.  Sie  stellen 
anfangs  (Fig.  332)  zwei  Platten  von  trapezoidaler  Form  dar,  die  mit 
ihren  kaudalen  Enden  an  die  Vorderenden  der  Parachordalia  zu  liegen 
kommen  und  die  axiale  Verlängerung  der  letzteren  bilden.  Zwischen 
dem  Sphenolateralknorpel  und  der  Ohrblase  treten  der  N.  facialis  und 

Handbuch  der  Entwickelungslehre.  III.  2.  4:1 


642 


E.  Gaupp, 


der  N.  trigeminus  aus,   zwischen    Sphenolateralknorpel   und  Trabekel 

verläuft  der  Opticus. 

Wie  Sewertzoff  (1897)  bemerkt,  haben  sich  die  Sphenolateralknorpel  an- 
scheinend in  Zusammenhang  mit  der  Aügenmuskulatur,  die  bereits  auf  einem 
früheren  Stadium  auftritt,  entwickelt.  Sie  dienen  zur  Anheftung  der  4  Mm.  rect. 
oculi  und  des  M,  obliquus  superior. 

Bald  treten  nun  die  getrennt  entstandenen  Teile  des  Primordial- 
craniums  untereinander  in  Verbindung.  Es  verbinden  sich  die 
Trabekel  untereinander,  die  Trabekel  mit  den  Parachordalia ,  die 
Sphenolateralknorpel  mit  den  Parachordalia  und  später  auch  mit  den 
Ohrkapseln.  Zugleich  schreitet  die  Knorpelbildung  im  Anschluß  an 
die  bereits  entstandenen  Stücke  vor.  Die  Vereinigung  der  Trabekel 
untereinander  erfolgt  zuerst  vor  der  Hypophyse.  Es  entsteht  dadurch 
eine   breite   Bodenplatte   (Trabecularplatte,   Sewertzoff)   unter   dem 


Sacc.  nas. 


Carl,  sphenolat. 


Chorda  dors. 

Fig.  334.  Graphische  Rekonstruktion  (nach  Frontalschnitten)  des  Kopfskelettes 
eines  etwas  älteren  Embryo  von  Acanthias  vulgaris,  von  oben.  Nach  Sewertzoff. 
**  Gegend  der  späteren  Kranio-vertebral-Grenze. 


Vorderhirn.  In  ihren  dorsalen ,  die  Hypophyse  umgreifenden  Ab- 
schnitten bleiben  die  Trabekel  noch  eine  Zeitlang  voneinander  ge- 
trennt ;  später  schließt  sich  auch  diese  Lücke ;  und  damit  ist  ein  kon- 
tinuierlicher knorpeliger  Boden  der  Schädelhöhle  in  der  Orbito- 
temporalregion  gebildet.  Die  Vereinigung  der  Trabekel  mit  den 
Parachordalia  erfolgt  in  der  Weise,  daß  die  Trabekel  mit  ihren  dor- 
salen Enden  an  die  Ventralfläche  der  Parachordaha  anwachsen.  Der 
embryonalen,  durch  die  starke  Kopfbeuge  bedingten  Lage  der  Trabekel 
entsprechend  (Fig.  332)  stößt  auch  die  Bodenplatte  der  Orbito-temporal- 
region  anfangs  unter  rechtem  Winkel  an  die  Ventralfläche  der  Para- 
chordalplatte  an ;  später  wird  aus  diesem  rechten  Winkel  ein  ven- 
tralwärts   ofi"ener   stumpfer,   und   der  Schädelboden  erleidet  in  einiger 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes. 


643 


Entfernung  weiter  vorn  eine  Knickung  in  der  Art,  daß  sein  vorderer 
Abschnitt  dorsalwärts  gehoben  wird.  Bedingt  ist  diese  Kjiickung, 
deren  Ort  durch  die  AnlageruÄig  des  Proc.  palatobasalis  des  Palato- 
quadratums  näher  bestimmt  ist,  durch  die  Veränderung  in  der  An- 
ordnung der  Gehirnteile:  durch  die  Ausbildung  der  Brückenbeuge  er- 
fahren die  vorderen  Gehirnteile  eine  Verlagerung  in  dorsaler  Richtung, 
und  dementsprechend  ändert  sich  auch  die  Lage  der  Skelettteile,  die 
den  Boden  unter  dem  Gehirn  bilden.    Die  Parachordalplatte  schmiegt 


Rostrum 


Parachord. 


Parachordale 
(Pars  cranialis) 


Sattellehne 


Schädeipc 
d.Orb.'-tp.-rg. 


Nasensack 


Anlage 

der 
Wirbel- 
säule 


Sattellehne 


Rostrum 
Mittel- 
spange 


Nasenseptum 

Fig.  335.  Gehirn  und  Schädel  von  Pristiurus  auf  3  verschiedenen  Entwicke- 
lungsstadien  in  Medianschnitten.  Nach  Sewertzoff.  Die  Länge  des  chordalen 
Schädelabschnittes  ist  in  allen  3  Figuren  als  gleich  angenommen.  Die  Vergrößerung 
ist  also  in  den  einzelneu  Figuren  eine  verschiedene,  a  stellt  das  jüngste,  c  das 
älteste  Stadium  dar. 


sich  der  Form  der  Brückenbeuge  an  und  wird  dorsalwärts  konkav, 
der  prächordale  Schädelboden  wird  unter  Abknickung  an  der  erwähnten 
Stelle  dorsalwärts  gehoben  und  kommt  so  in  die  gleiche  Horizontal- 
ebene mit  dem  Boden  des  chordalen  Schädelbodens  zu  liegen.  Durch 
diese  Vorgänge  erklären  sich  zwei  Formeigentümlichkeiteu  des  er- 
wachsenen Acanthiasschädels :  die  Bildung  der  Sattellehne  und 
der  Basalecke.  Die  Sattellehne  wird  hergestellt  durch  den  vorderen 
Rand  der  Basalplatte,  der  über  die  Anlagerungsstelle  des  prächordalen 
Bodens   hinaus  nach  vorn  vorspringt.    Die  Beibehaltung  der  embryo- 

41* 


644  E.  Gaupp, 

nalen  Winkelstellung  des  hinteren  Abschnittes  des  prächordalen  Bodens 
hat  danij  die  Knickung  innerhalb  desselben  zur  Folge,  und  die  durch 
die  Knickung  entstandene  Kante  bildet  eben  die  Bas  alecke  (s. 
Fig.  336,  die  punktierte  Linie). 

Im  Hinblick  auf  die  Verhältnisse  bei  den  Amnioten  ist  hervorzuheben,  daß 
die  Sattellehne  der  Selachier  bis  zu  ihrem  vorderen  Rand  von  der  Chorda  dorsalis 
durchsetzt  wird. 

Bei  Pristiurus  besteht  anfangs  ebenfalls  eine  rechtwinklige  Stellung  der 
Trabekel  zu  den  Parachordalia,  und  dementsprechend  springt  auch  hier  bei  der 
folgenden  Anwachsung  der  Trabekel  an  die  Parachordalia  der  vordere  Rand  der 
Basalplatte  als  Sattellehne  vor.  Aber  bei  der  Ausbildung  der  Brücken  beuge  des 
Gehirns  wird  der  Boden  des  prächordalen  Schädelabschnittes  mehr  als  Ganzes  ge- 
hoben, so  daß  die  erwähnte  Winkelstellung  sich  fast  ausgleicht  und  eine  Basalecke 
nicht  zur  Ausbildung  kommt.  Der  Schädelboden  von  Pristiurus  flacht  sich  somit 
mehr  ab  als  der  von  Acanthias  (Fi^.  335). 

Bei  einem  8,5  cm  langen  Embryo  von  Callorhynchus  antarcticus,  dessen  Cra- 
nium  von  Schauinsland  (1903)  modelliert  wurde,  springt  die  Sattellehne  ebenfalls 
weit  in  den  Schädel  vor  und  wird  bis  zum  vordersten  Rand  von  der  Chorda  durch- 
zogen. Daraus  kann  wohl  geschlossen  werden ,  daß  auch  hier  die  Anwachsung 
der  Trabekel  an  die  Parachordalia  in  prinzipiell  gleicher  Weise  erfolgt  wie  bei 
Acanthias. 

Der  Boden  des  prächordalen  Schädelabschnittes  bildet  sich  in  der 
Richtung  von  hinten  nach  vorn  ventral  vom  Gehirn  weiter,  wobei 
eine  prochondrale  Verdichtung  der  Verknorpelung  vorhergeht.  In 
der  Gegend  zwischen  beiden  Nasengruben  kommt  nur  eine  schmale 
mediane  Bodenleiste  zur  Ausbildung,  die  von  Sewertzoff  mehrere 
Namen  erhalten  hat:  Rostrum  stiel,  Rostrum  kiel,  Inter- 
nasalplatte.  Ich  möchte  den  letzteren  Namen  bevorzugen.  Sie 
verbreitert  sich  in  der  Gegend  rostral  von  den  Nasengruben  zu  einer 
breiten  Platte,  der  Rostralplatte  (Fig.  334).  Auch  diese  liegt  an- 
fangs unter  dem  vordersten  Teil  des  Gehirnes  und  gelangt  erst  im 
Laufe  der  weiteren  Entwickelung  durch  starkes  Längenwachstum  des 
Schädelbodens  über  das  Gebiet  des  Gehirnes  hinaus  nach  vorn.  Ihr 
weiteres  Verhalten  kommt  später  zur  Sprache. 

Seitlich  von  dem  Boden  der  Orbito-temporalregion  entsteht  nun 
noch,  anfangs,  wie  es  scheint,  selbständig,  dann  aber  mit  dem  Boden 
verschmelzend  und  somit  als  lateraler  Fortsatz  am  vorderen  Teil  des- 
selben erscheinend,  eine  Knorpelspange,  die  sich  nach  vorn-außen 
unter  den  vorderen  Teil  des  Auges  und  zugleich  über  den  Nasensack 
vorschiebt.  Sewertzoff  bezeichnet  sie  mit  dem  wenig  glücklichen 
Namen  Ethmoidknorpel,  den  ich  trotz  seiner  Unzweckmäßigkeit 
einstweilen  beibehalte.  Der  Knorpel  zeigt  entschiedene  Aehnlichkeit 
mit  dem  Antorbitalfortsatz  der  Urodelen  und  dürfte  wenigstens 
teilweise  demselben  entsprechen. 

Der  Sphenolateralknorpel,  der  als  selbständige  Anlage  der 
Schädelseiten  wand  in  der  Orbito-temporalregion  auftrat,  verbindet 
sich,  wie  erwähnt,  zunächst  mit  dem  rostralen  Ende  des  iParachordale 
medial  vom  Austritt  des  Trigeminus  und  des  Facialis,  und  etwas 
später  auch  mit  der  Ohrkapsel  über  den  beiden  genannten  Nerven 
(Fig.  334).  Das  Foramen,  in  das  die  beiden  Nerven  auf  diese  Weise 
eingeschlossen  werden,  wird  später  durch  eine  Brücke  in  zwei  zer- 
legt. Das  vordere,  für  den  Trigeminus  bestimmte,  ist  das  For. 
p  r  0  0 1  i  c  u  m ,  wie  es  für  den  Wirbeltierschädel  typisch  ist.  So  er- 
langt der  Sphenolateralknorpel  hintere  Befestigungen  am  Parachordale 
und  an  der  Ohrkapsel.  Sein  ventraler,  dorsaler  und  vorderer  Rand 
sind  zunächst  frei.    In  der  Folge  bildet  sich  zwischen  dem  Auge  und 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes. 


645 


dem  Gehirn  eine  Verbindung  des  vorderen  Teiles  des  Sphenolateral- 
knorpels  mit  dem  Ethmoidfortsatz  aus,  und  dadurch  kommt  eine 
vordere  Begrenzung  der  Schädelseitenwand  in  der  Orbito-temporal- 
region  zu  stände.   Diese  Seitenwand  ist  aber  zunächst  noch  von  einer 


Caps,  aud 
Cart.  supraorb.     Cart.  praespir.  ] 


IX 


Cart.  antorb 


Rostr.  P.  lat. 


:    \Sp.v.  I 
':  Occ.  4 

Occ.S 
Hyomand. 

Are.  hyal. 
P.  vent. 


^,  ^  Cart.  Ifeckel 

Eostrum   Caps.  Cart,        P.      Pal.-Q. 

p.  med.     nas.   suborb.  palat. '. 

Proc.  palatobas. 

Fig.  336.  Graphische  Rekonstruktion  (nach  Sagittalschnitten)  des  Kopfskelettes 
(ohne  die  Kiemenbogen)  eines  50  mm  langen  Embryo  von  Acanthias  vulgaris.  Nach 
Sewertzoff.  Die  punktierte  Linie  auf  dem  Palatoquadratknorpel  deutet  den  Ver- 
lauf der  Schädelbasis  mit   der  Basalecke  an.     Das  For.  opticum  ist  noch  sehr  weit. 

sehr  großen  Oeffnung  (zwischen  dem  Boden,  dem  Sphenolateral- 
knorpel,  dem  Ethmoidfortsatz  und  dem  Verbindungsknorpel  der  beiden 
letzteren)  durchbrochen,  durch  die  der  N.  opticus  heraustritt,  und  die 
erst  später  auf  ein  kleines  Foramen  opticum  reduziert  wird 
(Fig.  336).  Der  N.  oculomotorius,  der  kaudal  und  dorsal  vom 
N.  opticus  austritt,  wird  in  ein  Foramen  eingeschlossen,  das  durch 
Herabwachsen  des  Sphenolateralknorpels  und  Emporwachsen  des 
Randes  des  Schädelbodens  (also  der  Trabecula)  entsteht.  Der 
Ethmoidfortsatz  springt  über  die  Verbindungsstelle  mit  dem  Spheno- 
lateralknorpel  hinweg  nach  vorn  und  außen  vor,  und  läßt  auch  den 
seitlichen  Vorsprung  entstehen,  in  den  beim  erwachsenen  Acanthias- 
schädel  die  Antorbitalwand  ausläuft.  (Es  ist  das  der  Fortsatz,  der 
bei  Notidaniden  besonders  gut  entwickelt,  bei  Rochen  als  Schädel- 
flossenknorpel abgegliedert  ist,  s.  Gegenbaur.)  Im  Anschluß  an  den 
oberen  Rand  des  Sphenolateralknorpels  bildet  sich  bei  Acanthias  eine 
supraorbitale  Leiste  aus;  vorn  geht  sie  in  eine  antorbitale 
Wand  über,  die  abwärts  auf  den  Ethmoidfortsatz  ausläuft. 

Bei  Pristiurus  fehlt  eine  supraorbitale  Leiste,  dagegen  bildet  sich,  wie  bei 
manchen  anderen  Haien  (Scyllium,  Mustelus  u.  a.)  eine  breite  suborbitale 
Leiste,  d.  h.  ein  dem  unteren  Rande  der  Schädelseiten  wand  ansitzender  Boden 
der  Orbita,  der  von  der  Basis  der  Ohrkapsel  zur  Ethmoidalregion  zieht.  Die  Ver- 
knorpelung  dieser  Leiste  beginnt  bei  Pristiurus,  nach  Sewertzoff,  an  zwei  Stellen: 
vorn  in  der  Ethmoidalregion  und  hinten  in  der  Labyrinthregion  und  schreitet  in 
kaudaler  und  rostraler  Richtung  vor.  Der  vordere  Abschnitt  dieser  Suborbitalleiste 
entspricht  nach  Sewertzoff  dem  Ethmoidfortsatz  von  Acanthias. 

Nicht  alle  Selachier  besitzen  ein  derartig  plattbasisches  Cranium,  wie  etwa 
Acanthias;  bei  anderen  ist  ausgesprochen  der  tropibasische  Typus  erkennbar.  Eine 
specielle   Untersuchung   hierüber   unter   Berücksichtigung   der  Frage,    welcher  von 


646  E.  Gaupp, 

beiden  Typen  der  ursprünglichere  ist,  wäre  sehr  wesentlich.  —  Bei  den  Holo- 
cephalen  bleibt  in  der  Schädelseitenwand  der  Orbito-temporalregion  eine  nur  häutig 
geschlossene  Lücke,  ähnlich  der,  die  sich  beim  Acanthiasembryo  findet  (Fig.  83(3). 

Sehr  spät  bildet  sich  das  Dach  der  Schädelhöhle,  so  daß  diese 
lange  Zeit  dorsalwärts  offen  ist.  Sewertzoff  giebt  an,  daß  das 
Dach  zwischen  den  Ohrkapseln  (T  e  c  t  u  m  s  y  n  o  t  i  c  u  m)  in  Zusammen- 
hang mit  den  letzteren,  die  Decke  im  Gebiet  der  Orbito-temporal- 
region im  Zusammenhang  mit  dem  Sphenolateralknorpeln  entstehe, 
und  daß  ferner  bei  Pristiurus  das  Tectum  synoticum  zuerst  von  allen 
Deckenteilen  entsteht,  was  mit  Rücksicht  auf  die  Schädel  anderer 
Wirbeltiere  von  Interesse  ist.  Ein  dem  Occipitalteil  zugehörender, 
Deckenabschnitt  scheint  nicht  zur  Ausbildung  zu  kommen.  An  der 
vorderen  Grenze  der  Spheuoidalregion  bleibt  eine  Dachfontanelle,  die 
bekannte  Präfrontallücke,  erhalten.  Bei  Callorhynchus  wird  auch 
diese  geschlossen. 

Es   bleiben   nun   endlich  noch  die  Hauptbildungsvorgänge  in  der 
Ethmoidalregion  zu  besprechen. 

Von  der  schon  erwähnten  Rostral platte  wachsen  vorn  seit- 
liche Fortsetzungen  aus,  die  sich  aufwärts  krümmen  und  mit  den 
vorderen  Rändern  der  Sphenolateralknorpel  sowie  mit  den  Verbindungs- 
leisten zwischen  diesen  und  den  Ethmoidknorpeln  verbinden.  Dadurch 
wird  jederseits  von  der  Interuasalplatte  eine  große  kranio-nasale  Oeff- 
nung  begrenzt,  durch  die  der  N.  olfactorius  aus  der  Schädelhöhle 
zum  Geruchsorgan  tritt.  Sie  wird  durch  eine  später  auftretende 
Knorpelspange  noch  in  zwei  Teile  zerlegt:  eine  laterale  größere  Oeif- 
nung,  das  eigentliche  Foramen  olfactorium  und  eine  mediale 
kleinere  Oetfnung,  die  später,  wenn  das  Gehirn  sich  aus  dem  Gebiet 
der  Rostralplatte  zurückgezogen  hat,  als  ein  die  Wurzel  des  Rostrums 
vor  der  Schädelhöhle  durchsetzendes  Foramen  erscheint  (s.  Gegen- 
baur).  Im  Anschluß  an  die  Rostralplatte  verknorpelt,  verhältnis- 
mäßig spät,  die  N  a  s  e  n  k  a  p  s  e  1 ,  anfangs  durch  eine  gebogene  Knorpel- 
platte hergestellt,  die  den  Geruchsack  von  vorn  und  außen  umgreift 
(in  diesem  Zustand  befinden  sich  die  Nasenkapseln  noch  auf  dem 
Stadium,  das  in  Fig.  336  dargestellt  ist  und  im  übrigen  dem  aus- 
gebildeten Schädel  schon  sehr  nahe  steht).  Die  weitere  Ausbildung 
der  Nasenkapsel  hat  Sewertzoff  nicht  verfolgt;  daß  sich  im  An- 
schluß an  die  Interuasalplatte  das  Septum  nasi  bildet,  ist  wohl  an- 
zunehmen. 

Bezüglich  des  Rostrums  von  Pristiurus,  das  bekanntlich  aus  drei  Stäben,  einem 
medianen  und  zwei  lateralen,  besteht,  schließt  sich  Sewertzoff  an  die  Auffassung 
von  Gegenbaue  (1872)  an,  nach  der  diese  zierliche  Gerüstbildung  durch  eine  Ver- 
größerung der  kleinen  bei  Acanthias  vorhandenen  -Durchbrechungen  des  Eostrums 
entstanden  zu  denken  ist.  Den  Grund  dafür  sieht  Sewertzoff  in  der  stärkeren 
Ausbildung  der  Schleimkauäle  bei  Pristiurus.  —  Den  sog.  Nasenflügelknorpel 
finde  ich  bei  einem  8  cm  langen  Embryo  von  Mustelus  vulg.  in  kontinuierlicher 
Verbindung  mit  der  Nasenkapsel;  er  ist  eine  von  der  letzteren  ausgehende  Bildung. 
Mehrere  Knorpelstücke  liegen  in  der  Umgebung  der  Nasenöffnung  der  Holo- 
cephalen ;  Schauinsland  fand  sie  schon  bei  einem  älteren  Embryo  von  Callo- 
rhynchus vom  Nasenskelett  losgelöst.  — 

Die  Ausbildung  des  Kopfskelettes  erfolgt  in  caudo-rostraler  Rich- 
tung; der  chordale  Schädel  geht  somit  in  seiner  Entwickelung  dem 
prächordalen  voraus.  Der  prächordale  Abschnitt  zeigt  aber  während 
der  Ontogenese  das  bei  weitem  bedeutendere  Wachstum  als  der  chor- 
dale Teil.     In   welcher  Weise   sich   das  Wachstum   der  einzelnen  Ab- 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes,  647 

schnitte  gestaltet,  zeigen  die  vergleichenden  Schemata  (Fig.  335),  in 
denen  die  Längenausdehnung  der  einzelnen  Abschnitte  des  Pristiurus- 
schädels  auf  dem  Medianschnitt  von  drei  Stadien  dargestellt  ist,  und 
zwar  derartig  auf  ein  gleiches  Maß  gebracht,  daß  der  chordale  Schädel- 
teil  in  seiner  Ausdehnung  als  unverändert  angesehen  ist.  Es  zeigt 
sich,  daß  der  prächordale  Schädelteil  den  chordalen  im  Laufe  der 
Ontogenese  erheblich  im  Längenwachstum  überholt. 

B.  Visceralskele  tt, 

Lippenknorpel.  Ueber  die  Entwickelung  der  Lippenknorpel 
findet  sich  bei  Sew^ertzoff  (1899)  nur  eine  kurze  Bemerkung:  die 
Lippeuknorpel  von  Acanthias  treten  viel  später  auf  als  die  knorpeligen 
Visceralbogen ,  zu  einer  Zeit ,  wenn  die  letzteren  sich  schon  voll- 
kommen differenziert  haben.  Auch  bei  Callorhynchus  entstehen  die 
Lippenknorpel  spät  (Schauinsland);  auf  die  besondere  Ausbildung, 
die  sie  bei  den  Holocephalen  erfahren,  sei  hier  hingewiesen  (s.  Hub- 
recht, K.  Fürbringer). 

Visceralbogen.  Die  Visceralbogen  legen  sich  nach  Sewer- 
TZOFF  bei  Acanthias  in  rostro-kaudaler  Richtung  an  ;  die  prochondralen 
Anlagen  der  vordersten  erscheinen  zu  einer  Zeit,  wo  die  Verknor- 
pelung  der  Parachordalia?  schon  begonnen  hat:  die  Entwickelung  des 
neuralen  Schädelteiles  geht  also  der  des  visceralen  etwas  voraus. 

Bezüglich  der  Herkunft  des  Mesenchyms,  aus  dem  sich  die  knorpeligen  Visceral- 
bogen differenzieren,  hat  DoHKisr  neuerdings  (1902)  angegeben,  daß  dasselbe  ekto- 
dermaler  Natur  sei  und  hauptsächlich  aus  der  Ganglienleiste  des  Kopfes  stamme. 
Daß  auch  andere  Teile  des  Ektoderms  sich  an  der  Lieferung  jenes  Materials  be- 
teiligen, hält  DoHRN  nicht  für  ausgeschlossen. 

Die  prochondrale  Anlage  des  Man  dibular  bogen s  ist,  der 
Form  des  Mundrandes  sich  anpassend,  C-förmig  gekrümmt,  das  dorsale 
Ende  einer  jeden  Hälfte  liegt  der  Trabecula  nahe.  Die  ventralen 
Enden  beider  Hälften  des  Bogens  stoßen  frühzeitig  zusammen.  Noch 
nachdem  die  Ueberführung  des  Gewebes  in  jungen  Knorpel  erfolgt 
ist,  stellt  der  Mandibularbogen  jeder  Seite  ein  einheitliches  Gebilde  dar, 
dessen  dorsale  Hälfte  (das  spätere  Palat oquadratum)  durch  zwei 
Fortsätze  ausgezeichnet  ist:  einen  dorsalen  (Proc.  palatobasalis), 
der  durch  dichtes  Gewebe  mit  der  Trabecula  seiner  Seite  innig  ver- 
bunden ist,  und  einen  vorderen  (Pars  p  a  1  a  t  i  n  a),  der  der  Trabecula 
parallel  ventralwärts  zieht  und  sich  in  der  Richtung  von  hinten  nach 
vorn  entwickelt  (Fig.  332).  Später  gliedert  sich  der  dorsale  Abschnitt 
des  Mandibularbogens  von  dem  ventralen  (dem  primordialen 
Unterkiefer)  ab,  die  Partes  palatinae  beider  Palatoquadrata  kommen 
vorn  in  der  Mittellinie  zur  Vereinigung,  und  an  der  Stelle  der  Ver- 
bindung des  Proc.  palatobasalis  mit  der  Trabecula  bildet  sich  ein  Ge- 
lenk aus.  Die  wichtigste  Verbindung  des  Palatoquadratum  mit  dem 
neuralen  Cranium    erfolgt  aber  bei  den  meisten  Selachiern  durch  das 

Hyomandibulare  (h  y  o  s  t  y  1  e  r  Typus,  Fig.  336). 

Sewertzoff  ist  der  Ansicht,  daß  das  dorsale  Ende  des  Mandibularbogens,  das 
sich  frühzeitig  mit  der  Trabecula  verbindet,  den  oberen  Enden  der  übrigen  Visceral- 
bogen entspricht,  und  schließt  weiterhin  aus  dem  geschilderten  Verhalten,  daß  das 
Palatobasalgelenk,  das  aus  jeuer  frühen  Verbindung  hervorgeht,  die  primitive  An- 
heftungsstelle  des  Mandibularbogens  an  das  neurale  Cranium  sei,  und  daß  die  Ver- 
bindung mit  der  Ohrkapsel,  die  die  Notidaniden  zeigen,  eine  sekundäre  Erscheinung 
darstelle.  Nach  Gegenbaur  (1872)  ist  gerade  diese  bei  den  Notidaniden  vorhandene 
Verbindung  die  primitive  (auch  von  Dohrn  1885  bestritten).  Eine  merkwürdige 
Thatsache,  die  vielleicht  durch  die  Entwickelungsgeschichte  verständhcher  werden 


648  E.  Gaupp, 

könnte,  ist  die  verschiedene  Lage  der  Anheftungsstelle  des  Proc.  palatobasalis  am 
neuralen  Cranium.  Gegenbaur  nimmt  das  Verhalten,  wo  die  fragliche  Gelenk- 
facette weit  hinten  in  der  Orbito-temporalregion  liegt  (Notidaniden)  als  Ausgangsform 
und  läßt  die  Anlagerungsstelle  von  diesem  Zustande  aus  nach  vorn  in  die  Ethmoidal- 
region  (z.  B.  Mustelus)  wandern.  Für  die  Beurteilung  der  Zustände  bei  Ganoiden, 
Teieostiern  und  Amphibien  ergeben  sich  daraus  Schwierigkeiten,  die  bisher  nicht  zu 
beseitigen  sind. 

Im  Gegensatz  zu  dem  Befund  Sewertzoff's  bei  Acanthias  steht  der  von 
DoHBN  (1885)  bei  Pristiurus,  Scyllium,  Centrina,  wonach  das  Palatoquadratum  und 
der  primordiale  Unterkiefer  von  vornherein  mit  selbständigem  Knorpelkern  entstehen. 
—  Beim  Callorhynchusembryo  von  8,5  cm  Länge  fand  Schauinsland  das  Palato- 
quadratum bereits  fest  mit  dem  neuralen  Schädel  verwachsen;  diese  für  die  Holo- 
cephalen  so  charakteristische  Verwachsung  (autostyler  Typus  des  Schädels!)  erfolgt 
also  sehr  frühzeitig.  Das  Kiefergelenk  ist  sehr  weit  nach  vorn  verschoben.  —  Die 
Genese  der  von  White  bei  Laemargus  und  Hexanchus,  von  K.  Fürbringer  auch 
noch  bei  Chlamydoselachus  und  von  Schaulnsland  bei  Callorhynchus  gefundenen 
Co  pul  a  zwischen  beiden  Unterkiefern  ist  bisher  nicht  beschrieben  worden. 

Spritzlochknorpel.  Der  Spritzlochknorpel  der  Haie  (Fig.  336) 
und  Rochen  entsteht  als  Verdichtung  des  Mesenchyms  in  der  vorderen 
Wand  des  Spritzloches  (Dohrn).  Bei  Spinax,  wo  sich  im  erwachsenen 
Zustand  mehrere  Knorpel  finden,  werden  dieselben  auch  diskret  an- 
gelegt (K.  Fürbringer).  Gegenbaur's  Anschauung,  daß  die  Spritz- 
lochknorpel als  zum  Kieferbogen  (Palatoquadratum)  gehörige  Kiemen- 
strahlen aufzufassen  seien,  wird  von  Dohrn  bestritten  durch  den  Hin- 
weis auf  die  Lage  vor  dem  Blutgefäßapparat  der  Spritzlochkieme ; 
K.  Fürbringer's  Befunde  sprechen  dagegen  wieder  zu  Gunsten  von 
Gegenbaur's  Ansicht. 

Hyal bogen.  Die  prochondrale  Anlage  des  Hyalbogens  wird 
bei  Acanthias  in  Form  einer  einheitlichen  Spange  auf  jeder  Seite 
gleichzeitig  mit  der  des  Mandibularbogens  erkennbar.  Auch  nach  der 
Ueberführung  in  Knorpel  ist  die  Spange  jeder  Seite  noch  einheitlich; 
als  selbständige  prochondrale  Anlage  tritt  jedoch  das  Basihyale  auf. 
Schon  gleich  nach  der  Verknorpelung  heftet  sich  das  obere  Ende  des 
Hyalbogens  an  die  ventrale  Fläche  der  Ohrkapsel  an.  Die  weiteren 
Schicksale  des  Bogens  hat  Sewertzoff  nicht  verfolgt:  aus  der  bis- 
herigen Schilderung  geht  aber  hervor,  daß  der  Zerfall  in  ein  dorsales 
Stück  (Hyomandibulare)  und  ein  ventrales  Stück  (eigentliches  Hyale) 
ein  erst  nach  der  Verknorpelung  erfolgender  Vorgang  ist.  An  der  dor- 
salen wie  an  der  ventralen  Hälfte  des  Hj^albogens  entstehen  Kiemen- 
strahlen, das  Vorhandensein  eines  dorsalen  Strahles  am  Hyomandi- 
bulare, der  sich  als  homodynam  mit  den  sog.  äußeren  Kiemenbogen 
erweist,  zeigt  nach  Dohrn,  daß  das  Hyomandibulare  einem  Epi-  und 
Pharyngohyale  entspricht  (s.  u.). 

Bei  den  Rochen  (Torpedo)  entsteht  nach  Dohrn  (1885)  in  einem 
Stadium,  in  welchem  die  knorpeligen  Gebifde  erst  unbestimmt  ange- 
legt sind,  in  der  Substanzmasse  des  „Hyoidbogens"  eine  doppelte 
Konzentration  der  Mesodermzellen :  eine  in  nächster  Nähe  des  Hinter- 
randes, eine  zweite  vorn,  neben  dem  Hinterrande  des  Spritzloches. 
Dementsprechend  sind  auch  zwei  Anlagen  von  Muskulatur  vorhanden. 
Die  vordere  Anlage  ist  die  des  sog.  Hyomandibulare,  die  also  selb- 
ständig ist,  die  hintere  entspricht  in  ihrem  Verhalten  den  übrigen 
vollständigen  Kiemenbogen  und  wird,  wie  diese,  durch  die  Venen- 
querkommissur  des  Zungenbeinbogens  in  eine  obere  und  eine  untere 
Hälfte  zerlegt.  An  der  oberen  wie  an  der  unteren  Hälfte  bilden  sich 
je  4  Knorpelstrahlen,  und  obere  wie  untere  Hälfte  gliedern  sich  noch 
in  je  2  Stücke,   so   daß  der  ganze  Bogen  die  gleiche  Gliederung  auf- 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  649 

weist  wie  die  echten  Kiemenbogen :  in  4  Stücke,  von  denen  die  beiden 
mittelsten  mit  Knorpelradien  besetzt  sind. 

DoHRN  schließt,  daß  das  Verhalten  bei  den  Rochen  das  primäre  sei,  und  daß 
das  Hyomandibulare  einem  selbständigen  Kiemenbogen  entspreche,  während  bei  den 
Haien  das  Hyomandibulare  als  mit  der  dorsalen  Hälfte  (Epi-  imd  Pharyngohyale) 
des  hinteren  Hyalbogens  (im  Sinne  der  Rochen)  verschmolzen  anzusehen  sei.  Gegen- 
BAUR  betrachtet  umgekehrt  das  Verhalten  bei  den  Rochen  als  einen  abgeänderten 
Endzustand:  ursprünglich  habe  das  Hyomandibulare,  wie  bei  den  Haien,  das  obere 
Stück  des  Hyalbogens  gebildet,  dann  sei  es  infolge  der  Beziehungen  zu  dem  Kiefer- 
bogen selbständiger  geworden ,  und  hinter  ihm  habe  sich  die  ventrale  Hälfte  des 
Hyalbogens  in  die  Höhe  geschoben  und  zugleich  die  für  die  ganzen  Kiemenbogen 
typische  Gliederung  in  4  Stücke  sekundär  angenommen.  Eine  dritte  Deutung  liegt 
von  VAX  WiJHE  (1902)  vor:  der  hinter  dem  Hyomandibulare  aufsteigende  Bogen  der 
Rochen  sei  ein  Hyobranchiale,  d.h.  ein  selbständiger  Bogen,  der  bei  den  Haien 
gänzlich  zu  Grunde  gegangen  sei.  Umgekehrt  wäre  bei  den  Rochen  das  ventrale 
Stück  des  eigentlichen  Hyalbogens  verloren.  Hyal-  und  Hyobranchialbogen  waren 
einmal  2  selbständige  Bogen,  durch  eine  Kiemenspalte  getrennt.  Diese  sei  zu  Grunde 
gegangen. 

Beim  Callorhynchusembryo  findet  Schauinsland  den  Hyalbogen 
jederseits  in  3  Stücke  (Kerato-,  Epi-,  Pharyngohyale)  zerlegt,  was  einen 
primitiven  Zustand  andeutet.  Am  Kerato-  und  Epihyale  sitzen  Radien- 
gruppen, die  die  großen,  als  Kiemendeckel  funktionierenden  Hautfalten 
stützen. 

Die  Arcus  branchiales  sind  in  ihrer  Entwickelung  vor  allem 
von  DoHRN  (bei  verschiedenen  Selachiern:  Pristiurus,  Scyllium,  Tor- 
pedo) verfolgt  worden.  Danach  tritt  an  einem  der  mittleren  Visceral- 
bogen  die  zur  Bildung  des  knorpeligen  Kiemenbogens  führende  Mes- 
enchymverdichtung  zu  einer  Zeit  ein ,  wo  innerhalb  der  Masse  des 
Gesamtbogens  sich  die  vordere  und  hintere  Vene  und  zwei  Querkom- 
missuren  zwischen  denselben  gebildet  haben,  und  der  aus  der  Visceral- 
bogenhöhle  hervorgegangene  Muskelschlauch  in  der  Mitte  seiner  Länge 
in  eine  mediale  und  eine  laterale  Abteilung  sich  zerschnürt  hat.  Die 
Verdichtung  beginnt  hinter  dem  medialen  Teil  des  Muskelschlauches, 
zwischen  den  beiden  Venenkommissuren,  und  schreitet  dorsal-  wie 
ventralwärts  vor.  Später,  wenn  die  Trennung  des  Muskelschlauches 
in  eine  mediale  (Abductor-)  und  eine  laterale  (Constrictor-)Portion 
vor  sich  gegangen  ist,  greift  die  Knorpelbildung  außen  um  die  mediale 
Portion  auf  deren  Vorderseite  herum.  Nach  Dohrn's  Darstellung  ist 
nicht  nur  der  prochondrale,  sondern  auch  der  knorpelige  Bogen  jeder 
Seite  anfangs  einheitlich  und  wird  erst  unter  dem  Einflüsse  der  sich 
ditferenzierenden  Muskulatur  in  die  typischen  4  Stücke  zerlegt.  Zu- 
erst erfolgt  die  Gliederung  in  eine  dorsale  und  ventrale  Hälfte  (an  der 
Stelle,  wo  die  untere  Venenkommissur  liegt),  dann  gliedert  sich  die  obere 
Hälfte  noch  in  das  obere  Mittelstück  (Epibranchiale)  und  das  Basale 
(Pharyngobranchiale),  die  untere  Hälfte  in  das  untere  Mittelstück 
(Keratobranchialej  und  das  Copulare  (Hypobranchiale).  Die  Ent- 
wickelung der  Copulae  (Basibranchialia)  scheint  mit  größerer  Selb- 
ständigkeit und  Unabhängigkeit  von  den  Bogen  in  der  ventralen 
Mittellinie  vor  sich  zu  gehen,  ist  aber  von  Dohrn  nicTit  genau  ver- 
folgt worden. 

Wesentlich  später  als  die  Knorpelbogen  selber  entstehen  die 
Kiemen  strahlen  (Radii).  Sie  treten  als  selbständige  Ver- 
dichtungen der  Mesenchymzellen,  getrennt  von  dem  Kiemenbogen,  auf; 
zuerst  auf  derselben  Höhe,  wo  auch  die  Bildung  des  Knorpelbogens 
begann,  und  dann  von  hier  aus  dorsal-  wie  ventralwärts  fortschreitend. 
Erst  wenn  sie  beträchtlich   an  Größe  zugenommen  haben,   nähern  sie 


650  E.  Gaupp, 

sich  mit  ihrer  Basis  den  Mittelstücken  des  Knorpelbogens  und  setzen 
sich  an  diese  an.  Hiervon  machen  nur  der  am  meisten  ventrale  und 
der  am  meisten  dorsale  eine  Ausnahme.  Sie  erreichen  die  Mittelstücke 
nicht,  sondern  verbinden  sich :  der  obere  mit  dem  Basale  (Pharyngo- 
brauchiale),  der  untere  mit  dem  Copulare  (Hypobranchiale),  und  zwar 
bindegewebig.  In  der  Folge  krümmt  sich  der  obere  ventralwärts,  der 
untere  dorsalwärts,  beide  wachsen  aufeinander  zu  und  werden  so  zu 
den  sog.  äußeren  Kiemen  bogen.  Danach  wären  also  die  äußeren 
Kiemenbogen  terminale  (dorsale  und  ventrale)  Kiemeustrahlen,  die 
zudem  sehr  spät  entstehen  (s.  S.  636). 

Die  Genese  der  von  J.  E.  Stumpfe  entdeckten  und  von  M,  FtJRBRiNGER  (1903) 
als  Extras eptalknorpel  bezeichneten  Knorpel,  die  bei  Eochen  oberflächlich  im 
Bereiche  der  die  Kiemenspalten  deckenden  Lamellen  liegen,  ist  bisher  nicht  unter- 
sucht worden.  Das  Gleiche  gilt  von  gewissen  mehr  accessorischen  Elementen,  die 
an  verschiedenen  Stelleu  (zwischen  Kiefer-  und  Zungenbeinbogen,  zwischen  diesem 
und  1.  Kiemenbogen  und  an  anderen  Stellen)  bei  einzelnen  Formen  gefunden 
werden.  Hierüber  wie  überhaupt  über  das  Visceralskelett  der  Selachier  siehe  außer 
Gegenbaur's  Arbeiten  vor  allem  K.  Fürbringer  (1903). 

Ganoiden. 

Unsere  Kenntnis  von  der  Entwickelung  des  Ganoidenschädels  ist 
noch  sehr  gering.  Die  Schädel  von  Acipenser  (ruthenus  und  sturio) 
sowie  von  Lepidosteus  osseus  sind  durch  W.  K.  Parker  auf  mehreren 
Stadien  beschrieben  worden ;  dazu  kommen  einige  neuere,  die  Ent- 
wickelung der  Occipitalregion  bei  Acipenser,  Amia  und  Lepidosteus 
betreffende  Angaben  von  Sewertzoff,  Allis  und  Schreiner.  Die 
Anatomie  des  ausgebildeten  Schädels  der  Ganoiden  ist  in  den  Haupt- 
punkten gut  bekannt  und  muß,  bei  der  Lückenhaftigkeit  des  embryo- 
logischen Materiales,  hier  mitberücksichtigt  werden. 

I.  Primordialcranium. 
A.  Neurales  Primordialcranium. 

Acipenser.  Von  der  Anlage  des  chordalen  Schädelteiles  (außer 
den  Ohrkapseln)  bei  Acipenser  ruthenus  handelt  Sewertzoff  (1895), 
dessen  Befunde  ich  hier,  unter  Aenderung  der  Bezeichnungen,  wieder- 
gebe. Jederseits  von  dem  vorderen  Ende  der  Chorda  dorsalis  legt 
sich  die  Pars  otica  des  Parachordale  an,  durchaus  unsegmen- 
tiert,  nach  rückwärts  bis  in  den  Bereich  des  vordersten  Myotoms 
reichend  (Myotonie  sind  bis  zum  Vagus  nachweisbar).  Dahinter  legt 
sich  die  Occipitalregion  an,  die  sich  aus  mehreren  (3)  Abschnitten 
aufbaut.  Der  vorderste  Teil  („Occipitalteil"  Sewertzoff)  entsteht 
selbständig,  besitzt  die  Form  eines  Wirbelbogens  und  zeigt  Andeutung 
einer  Segmentierung  darin,  daß  er  sich  im  Bereich  dreier  Myotome 
(des  2.  bis  4.  inkl.)  bildet,  und  daß  die  Myocommata  zwischen  dem 
2.  und  3.,  dem  3.  und  4.  und  dem  4.  und  5.  Myotom  sich  mit  seinem 
Perichondrium  verbinden,  ebenso  wie  später  die  Myocommata  der 
Rumpfmyotome  mit  dem  Perichondrium  der  entsprechenden  Bogen. 
Der  zweite  Teil  wird  gebildet  von  3  selbständig  und  gesondert  ent- 
stehenden oberen  Wirbelbogen,  die  sich  mit  den  Myocommata  zwischen 
dem  5.  und  (3.,  dem  6.  und  7.,  dem  7.  und  8.  Myotom  verbinden. 
Durch  Verschmelzung  der  genannten  Abschnitte  untereinander  und 
mit  der  Pars  otica  des  Parachordale  (wobei  die  zugehörigen  Myotome 
verkümmern)  kommt  der  axiale  Teil  des  chordalen  Schädelabschnittes 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  651 

in  seiner  primären  Ausdehnung  zu  stände.  Ihm  fügt  sich  aber 
sekundär  als  dritter  Teil  der  Occipitalregion  noch  eine  weitere  Anzahl 
diskret  entstandener  Wirbelbogen  an,  die  sich  von  den  primär  an- 
geschlossenen dadurch  unterscheiden,  daß  ihre  Form  nicht  bis  zur 
Unkenntlichkeit  verwischt  ist.  Von  den  Myotomen  sind  die  beiden 
vordersten  ohne  Nerven ;  dem  3.  und  4.  kommt  je  eine  ventrale  Wurzel 
zu,  die  wieder  verschwinden ;  vom  5.  Myotom  an  finden  sich  richtige 
Spinalnerven  mit  dorsaler  und  ventraler  Wurzel.  Die  dorsalen  Wurzeln 
des  5.,  6.,  7.  Myotom s  gehen  wieder  zu  Grunde,  die  ventralen  Wurzeln 
derselben  bleiben  erhalten  (Fig.  325,  p.  598,  Schema  2). 

Nach  Sewertzoff  (1899)  entspricht  mir  der  vordere  Teil  der  Occipitalregion 
(sein  „Occipitalteil")  der  Occipitalregion  der  Selachier,  und  schon  die  3  Bogen,  die 
den  mittleren  Abschnitt  bilden,  wären  neu  hinzugekommen.  Dagegen  vergleicht 
FÜRBRLNGEE,  (1897)  die  Occipitalregion  von  Acipenser,  wie  sie  durch  den  vordersten 
und  den  mittleren  Abschnitt  gebildet  wird,  mit  der  Occipitalregion  der 
Selachier  und  bezeichnet  dementsprechend  die  drei  erhalten  bleibenden  ventralen 
Wurzeln  (des  5.,  6.,  7.  Myotoms)  als  x,  y,  x,  also  als  occipitale  Nerven.  Braus 
(1900)  hält  sie  dagegen  für  y,  x,  a.  Die  Zahl  der  sekundär  angeschlossenen  und 
kontinuierlich  mit  dem  Cranium  verschmelzenden  Wirbel  beträgt  nach  Fürbringer 
5 — 6,  dazu  kommen  aber  noch  2 — o,  die  nur  unvollständig  mit  den  vorhergehenden 
verwachsen.  Die  zu  allen  sekundär  assimilierten  Wirbeln  gehörigen  Nerven  haben 
spinalen  Typus,  d.  h.  dorsale  und  ventrale  Wurzeln ;  sie  sind  als  occipito-spinale  zu 
bezeichnen.  Durch  die  sekundär  assimilierten  Wirbel  erfährt  das  Acipensercranium 
einen  Zuwachs  gegenüber  dem  Selachiercranium,  es  ist  auximetamer.  Bei  den 
Stören  hat  sich  also  das  Cranium  sehr  weit  nach  hinten  auf  Kosten  der  Wirbelsäule 
ausgedehnt,  aber  der  gesamte  neu  entstandene  kraniospinale  Skelettkomplex  hat 
noch  keine  scharfe  Grenze  gegen  die  übrige  Wirbelsäule  erlangt. 

Die  übrige  Schädelentwickelung  bei  Acipenser  hat  Parker  (1882) 

studiert;  eine  klare  Vorstellung  davon  ist  allerdings  aus  seiner  Stadien- 

und  Schnittbeschreibung  nicht  zu  gewinnen. 

Ich  greife  nur  einige  Punkte  heraus.  Die  Ohrkapsel  scheint  im  Anschluß 
an  den  Paracbordalknorpel  zu  entstehen;  ihre  mediale  Wand  kommt  am  spätesten 
zur  Entwickelung  und  scheint  auch  beim  erwachsenen  Tier  nicht  sehr  vollständig 
zu  werden.  Die  Trab  ekel  entstehen  gleichzeitig  mit  den  Parachordalia  (jedenfalls 
nicht  früher);  sie  sind  von  vornherein  sehr  breit  und  nur  durch  einen  schmalen 
Zwischenraum  voneinander  getrennt,  unter  der  Hypophysis  sogar  frühzeitig  unter- 
einander verbunden  zu  einer  Platte,  die  nur  von  einer  kleinen  Oeffnung  durchbohrt 
wird.  Später  tritt  vollkommene  Verschmelzung  der  Trabekel  ein.  Die  Verknorpelung 
der  Seitenwand  in  der  Orbito-temporalregion  scheint  nicht  von  vornherein 
kontinuierlich  zu  erfolgen ;  Parker  erwähnt  ein  besonderes  Knorpelband  als  „Orbito- 
sphenoid"  und  „Alisphenoid"  (nach  Sewertzoff's  Bericht  hat  auch  Salensky 
dieses  Knorpelband  als  etwas  Selbständiges  beschrieben)  und  ein  „Superorbitalband", 
das  sich  über  dem  Gehirn  einwärts  biegt,  zur  Bildung  des  Schädeldaches.  Auf 
der  Grenze  der  Orbita  gegen  das  Geruchsorgan  springt  schon  auf  jungem  Stadium 
ein  Antorbitalfortsatz  nach  außen  vor;  die  Trabekel  enden  anfangs  mit  freien 
vorderen  Enden.  Später  bildet  sich  gerade  in  der  Ethmoidalregion  eine  sehr  dicke 
Knorpelmasse,  die  jederseits  das  Geruchsorgan  eingelagert  enthält  und  nach  vorn  als 
Rostrum  vorspringt.  Eine  dicke  Knorpelmasse  (Septum  nasi)  trennt  beide  Geruchs- 
gruben; jede  der  letzteren  steht  durch  ein  Foramen  olfactorium,  aus  dem  mit  dem 
Größerwerden  des  Schädels  ein  Canalis  olfactorius  wird,  mit  dem  Cavum  cranii  in 
Verbindung,  Die  Schädelbasis  erscheint  im  vorderen  Teil  der  Orbito-temporalregion 
etwas  von  beiden  Seiten  zusammengedrückt,  so  daß  ein  leichter  Grad  von  ,, Kielbasis" 
zu  stände  kommt. 

Lepid Ostens.  Bei  Lepidosteus  ist  das  neurale  Chondrocranium 
unvollständiger  als  bei  Acipenser  und  bietet  manche  Besonderheiten. 
Angaben  über  die  erste  Anlage  der  Parachordalia,  Ohrkapseln  und 
occipitalen  Schädelteile  macht  Schreiner.  Die  Gewebsverdichtungen 
der  Parachordalia  erscheinen  bei  9  mm  langen  Larven ;  bei  etwas  älteren 
hängen  sie,  auf  dem  Vorknorpelstadium,  bereits  mit  dem  periotischen 
Vorknorpelgewebe   zusammen.     Die  Parachordalia   gehen  kaudalwärts 


652 


E.  Gaupp, 


ohne  Grenze  in  die  beiden  (dorsalen  und  ventralen)  Längsleistenpaare 
über,  die  der  Chorda  anliegen  und  aus  denen  später  die  dorsalen  und 
die  ventralen  Wirbelbogen  hervorgehen.  Von  den  Myotomen,  die  bis 
an  die  Ohrblase  zu  verfolgen  sind,  gehen  die  drei  ersten  zu  Grunde, 
das  4.  bleibt  mit  einer  ventralen  Nervenwurzel  (die  zugehörige 
dorsale  ist  nur  transitorisch  vorhanden)  erhalten,  zum  5.  gehören  wie 
zu  den  folgenden  stets  eine  dorsale  und  eine  ventrale  Nervenwurzel. 
Die  weitere  Entwickelung  der  Occipitalregion  läßt  2  Abschnitte  unter- 
scheiden, einen  vorderen,  an  dem  eine  Segmentierung  nur  durch  die 
Beziehungen  zu  den  Muskelsepten  ausgedrückt  ist,  und  einen  hinteren, 

der   deutlicher   die   Gliederungsverhältnisse 

der  Wirbelsäule  zum  Ausdruck  bringt.    Der 

vordere    reicht    bis    zur  Austrittsstelle    des 

zum  5.  Myotom 

verbinden    sich 

dem   3.  und  4. 

und  5.  Myotom. 

5.  Myotom  s   fol 


Lepidosteus 

s 
if0 


Amia 


§• 


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wenigstens 


Fig.  337.  Zwei  Schemata, 
die  Ausdehnung  und  Seg- 
mentierung der  Occipitalregion 
bei  Lepidosteus  und  Amia 
illustrierend.  Unter  Zugrunde- 
legung der  Befunde  von 
Schreiner  und  der  Auf- 
fassung von  M.  FÜRBRENGER. 


gehörigen  Nerven ;  mit  ihm 
das  Myoseptum  zwischen 
und  das  zwischen  dem  4. 
Hinter  dem  Nerven  des 
gt  ein  Skelettabschnitt,  der 
in  der  ersten  Anlage  mit  einem 
dorsalen  Bogen  übereinstimmt  und  dem 
Myoseptum  zwischen  dem  5.  und  6.  Myotom 
entspricht,  und  auf  diesen  folgen  endlich 
noch  2  richtige  dorsale  Bogen  (mit  den 
Myosepten  zwischen  dem  6.  und  7.  und 
zwischen  dem  7.  und  8.  Myotom  zusammen- 
hängend). Hinter  dem  zweiten  dieser  Bogen 
bildet  sich  die  kraniovertebrale  Grenze  aus. 
Man  kann  also  sagen,  daß  jedenfalls  3  deut- 
liche spinale  Skelettsegmente  in  den  Schädel- 
aufbau übergehen,  daß  aber  auch  der  davor 
gelegene  Abschnitt  der  Occipitalregion  die 
Andeutung  einer  ursprünglichen  spinalen 
Gliederung  zeigt.  Der  aus  der  Verschmel- 
der   2  hinteren 


zung 


Bogen  hervorgehende 


Skelettabschnitt  bildet  den  hinteren  Teil  des 
Pleuroccipitale  beim  erwachsenen  Tier,  den  Gegenbaur  (1887)  von 
dem  davor  gelegenen  Teil  des  Pleurocc.  durch  Naht  getrennt  fand. 

In  das  Skelett  der  Occipitalregion  werden  4  Nerven  von  spinalem  Typus  voll- 
ständig, und  ein  5.  unvollständig  eingeschlossen.  Der  vorderste  (Nerv  des  vierten 
metotischeu  Myotoms)  ist  nur  durch  die  ventrale  Wurzel  repräsentiert,  die  anderen 
besitzen  dorsale  und  ventrale  Wurzeln.  Von  dem  5.  wird  nur  die  ventrale  Wurzel 
in  das  Cranium  eingeschlossen,  während  die  dorsale  durch  die  Membran  hindurch- 
tritt, die  das  Cranium  mit  dem  1.  Wirbel  verbindet.  Nach  FÜRBRmGER's  Auf- 
fassung und  Nomenklatur  ist  der  vorderste  Nerv  ein  occipitaler  (z),  die  folgenden 
sind  occi  pito- spinale  {a,  b,  c,  d),  die  Occipitalregion  ist  auximetamer  mit  drei 
sekundär  assimilierten  Wirbein. 

Weitere  Angaben  macht  Parker.  Das  jüngste  von  ihm  darge- 
stellte Stadium  (eben  ausgeschlüpfte  Tiere  von  5 — 5,5  Linien  Länge) 
zeigt  das  Parachordale  jeder  Seite  bereits  kontinuierlich  mit  der  Ohr- 
kapsel verschmolzen,  an  deren  Basis  sich  ein  nur  häutig  geschlossenes 
Forameu  (Foramen  ovale,  Parker)  findet.  Ob  es  auch  wie  das 
der  Telostier  (s.  diese)  bei  der  Verbindung  der  Ohrkapselanlage  mit 
dem  Parachordale  ausgespart  bleibt,  ist  bisher  nicht  bekannt.  In 
einiger  Entfernung  hinter  der  Chordaspitze   gehen   die  Parachordalia, 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  653 

indem  sie  sich  lateralwärts  von  der  Chorda  entfernen,  in  die  Trabekel 
über,  die  anfangs  divergierend  nach  vorn  ziehen,  dann  konvergieren 
und  in  eine  Platte  sich  fortsetzen,  die,  wenn  auch  von  sehr  geringer 
sagittaler  Ausdehnung,  doch  für  die  vordere  Hälfte  der  Orbito-tempo- 
ralregion  wie  für  die  ganze  Ethmoidalregion  die  erste  Skelettanlage 
darstellt,  soweit  sich  wenigstens  aus  Parker's  Darstellung  erkennen 
läßt.  In  die  von  den  Trabekeln  umschlossene  spindelförmige  Fenestra 
basicranialis  reicht  die  Chorda  mit  ihrem  vorderen  Ende  weit  hinein 
(wie  bei  den  Teleostei) ;  jedeTrabecula  wird  von  einem  Foramen  caroticum 
durchsetzt.  Die  Seiten  und  das  Dach  des  Craniums  sind  noch  häutig, 
auch  die  mediale  Ohrkapselwand  ist  membranös.  Im  Verlaufe  der 
weiteren  Entwickelung  bildet  sich  zwischen  den  beiderseitigen  Ohr- 
kapseln ein  knorpeliges  Dach  über  der  Schädelhöhle;  indem  sich  dieses 
über  die  Ohrkapsel  jeder  Seite  hinaus  kaudalwärts  ausdehnt  und  sich 
hinter  dem  Vagus  mit  der  dorsalen  Parachordalleiste  verbindet,  kommt 
das  Foramen  jugulare  zu  stände  (Schreiner).  Das  Foramen  an  der 
Ohrkapselbasis  wird  knorpelig  geschlossen.  Vor  der  Ohrkapsel  ent- 
steht in  beschränkter  Ausdehnung  eine  knorplige  Schädelseitenwand, 
ebenso  vorn,  im  vordersten  Gebiete  der  Orbito-temporalregion,  wo 
die  erwähnte  Platte  sich  zu  einem  niedrigen  Septuni  interorbitale  um- 
gestaltet. Beide  Schädelseitenwandpartieen  werden  durch  eine  am 
oberen  lateralen  Rande  der  Schädelhöhle  hinziehende  Spange,  die 
hinten  in  die  dorsale  Kante  der  Ohrkapsel  übergeht  (Taenia  mar- 
ginalis;  Supraorbitalband  Parker's),  untereinander  verbunden;  der 
größte  Teil  der  Schädelseitenwand  in  der  Orbito-temporalregion  bleibt 
jedoch  häutig.  Am  Boden  der  Region  kommt  es,  spät,  zur  Ausbildung 
einer  queren  Knorpelbrücke  vor  der  Chordaspitze  zwischen  den  hinteren 
Enden  beider  Trabekel ;  dadurch  wird  die  große  Fenestra  basicranialis 
in  eine  kleinere  Fen.  bcr.  posterior  und  eine  größere  Fen.  bcr.  anterior 
(Feu.  hypophyseos)  zerlegt.  Ferner  entwickelt  sich  vom  hinteren  Ende 
der  Trabecula  aus  ein  lateralwärts  vorspringender  Pro c.  bas iptery - 
g  0  i  d  e  u  s  zur  Artikulation  mit  dem  Palatoquadratura.  Das  Dach  der 
Orbito-temporalregion  bleibt  zum  größten  Teil  häutig;  nur  vorn  über 
den  Lobi  olfactorii  verknorpelt  es;  diese  Deckenpartie  verbindet  die 
schon  erwähnten  Seitenwände  untereinander.  Der  vordere  Teil  der 
Schädelhöhle  über  dem  Septum  interorbitale  verjüngt  sich  sehr  be- 
deutend und  öffnet  sich  dann  jederseits  in  die  Orbita  (For.  ol fac- 
to rium  evehens).  Das  Septum  interorbitale  setzt  sich  als  solches 
noch  eine  Strecke  weit  fort  und  geht  dann  in  das  Septum  internasale 
über.  —  Das  Skelett  der  Ethmoidalregion  erfährt  die  bemerkens- 
werteste Ausbildung,  deren  Darstellung  durch  Parker  allerdings  viel 
zu  wünschen  übrig  läßt.  Aus  den  Abbildungen,  die  noch  am  ver- 
ständlichsten sind,  geht  hervor,  daß  ein  mittlerer  und  zwei  seitliche 
Abschnitte  des  Ethmoidalskelettes  zu  unterscheiden  sind :  der  mittlere 
bildet  als  Fortsetzung  des  Septum  interorbitale  ein  Septum  nasi,  das 
nach  vorn  etwas  weiter  reicht  als  die  beiden  lateralen  Teile ;  die  beiden 
seitlichen  stellen  schmale  und  lange  Platten  dar,  die  mit  ihrem  medialen 
Rande  in  den  basalen  Teil  des  Septums  übergehen  und  jederseits 
eine  am  Septum  hinziehende  dorsal  offene  Rinne  für  die  Nn.  olfactorii 
formieren.  Die  Bildung  dieser  drei  Skelettabschnitte  erfolgt  nach  Parker 
von  hinten  nach  vorn  im  Anschluß  an  die  anfangs  vorhandene  basale 
Platte;  charakteristisch  für  die  ganze  Ethmoidalgegend  ist  ihr  sehr 
starkes   Auswachsen   in   die  Länge.     In   den   erwähnten   Rinnen   ver- 


654  E.  Gaupp, 

laufen  die  Nn.  olfactorii  nach  vorn  zu  den  lateral  von  dem  vordersten 

Septumabschnitt    gelegenen  Nasensäcken,    die,    wie   es   scheint,   keine 

Knorpelkapsel  erhalten. 

Nach  Parker's  Schnittbildern  sowie  nach  der  von  Sägemehl  (1884)  gegebenen 
Darstellung  treten  die  Nu.  olfactorii  ans  dem  vordersten  kanalartig  verengten  Teil 
der  Schädelhöhle  heraus,  laufen  eine  Strecke  weit  frei  durch  die  Orbita  neben  dem 
Septum  interorbitale  und  treten  dann  in  die  erwähnten  ßinnen  ein.  Der  Verlauf 
ist  somit  sehr  ähnlich  dem  bei  den  Teleostiern.  Die  Nasenrinnen  scheinen  aus  einer 
durch  starkes  Auswachsen  der  ganzen  Ethmoidalgegend  erklärbaren  Verlängerung 
von  Geruchsgruben,  wie  sie  etwa  Acipenser  und  die  Teleostier  zeigen,  hervorgegangen. 
Auffallend  ist,  daß,  wenigstens  nach  Parker  zu  schließen,  die  Geruchssäcke  selbst 
ohne  knorpelige  Umhüllung  sind.     Neue  Darstellungen  wären  sehr  erwünscht. 

Amia.  Gegenüber  Lepidosteus  bietet  Amia  das  interessante  Ver- 
halten, daß  von  den  3  deutlichen  vertebralen  Skelettsegmenten,  die 
sich  dem  Schädel  anschließen,  nur  das  erste  (vorderste)  vollständig  in 
diesen  aufgeht,  während  von  den  beiden  anderen  zwar  die  Körper 
mit  den  Parachordalia  verschmelzen,  die  Bogen  aber  frei  bleiben  und 
die  schon  lange  bekannten  freien  Occipitalbogen  bilden 
(Schreiner;  Fig.  337,  p.  652.)  Die  speciellen  Vorgänge  weichen  etwas 
von  denen  bei  Lepidosteus  ab.  Den  beiden  hinteren  in  das  Cranium 
eingehenden  Wirbeln  kommen  auch  ventrale  Bogenanlagen  zu  und 
werden  noch  beim  erwachsenen  Tier  in  Form  kleiner  Knorpelchen  an 
der  VentralÜäche  des  Basioccipitale  gefunden.  Die  kaudale  Ausdehnung 
des  Amiacraniums  ist  an  der  Basis  die  gleiche  wie  die  des  Lepidosteus- 
craniums,  in  den  Seitenteilen  aber  eine  geringere :  nur  2  Nerven  (^ 
und  a  nach  der  FÜRBRiNGER'schen  Nomenklatur)  treten  durch  das 
Cranium,  der  dritte  verläuft  zwischen  Cranium  und  erstem  freien  Occipital- 
bogen. Von  den  2  in  das  Cranium  eingeschlossenen  Nerven  wird  der 
vorderste,  zu  dem  3.  metotischen  Myotom  gehörige,  nur  durch  eine 
ventrale  Wurzel  repräsentiert,  der  zweite  besitzt  anfangs  eine  dorsale  und 
eine  ventrale  Wurzel,  doch  geht  die  erstere  embryonal  wieder  zu 
Grunde.  Mit  den  Befunden  bei  Lepidosteus  sind  die  bei  Amia  wohl 
so  in  Einklang  zu  bringen,  daß  das  1.  bisher  nachgewiesene  Myotom 
von  Amia  dem  2.  Myotom  von  Lepidosteus  entspricht  (Fig.  337). 
Die  Occipitalspange,  mit  der  das  Cranium  von  Amia  in  den  Seiten- 
teilen abschließt,  bildet  sich  auf  der  Grenze  zwischen  dem  4.  und  5. 
metotischen  Myotom  und  kann  als  einem  früheren  freien  Wirbelbogen 
entsprechend  angesehen  werden. 

Weitere  Angaben  über  die  Ontogenese  des  Amiacraniums  fehlen ;  über  den 
definitiven  Zustand  desselben  siehe  Bridge,  Sagemehl,  E.  Ph.  Allis.  Letzterer 
macht  auch  einige  Angaben  über  die  Entwickeln ng  der  Occipitalregion. 

Von  den  beiden  durch  das  Cranium  hindurchtretenden  spino-occipitalen  Nerven 
kannten  v.  Wijhe  und  Sagemehl  den  zweiten ;  der  vorderste  ist  von  E.  Ph.  Allis  und 
FÜRBRiNGER  festgestellt,  von  Braus  und  Schreiner  bestätigt  worden.  Braus  (19G0) 
bezeichnet  ihn  anders  als  Fürbringer.  Der  Auffassung  der  Letzteren  bin  ich  in 
Schema  Fig.  337  gefolgt. 

B.  Primordiales  Visceralslcelett. 

Präkraniale  Skelettteile. 

Bei  den  Knorpelganoiden  sind  Knorpelstücke,  die  mit  dem  Palato- 
quadratum  zusammenhängen,  als  Repräsentanten  von  Lippenknorpeln 
aufgefaßt  worden  (s.  Palatoquadratum).  Bei  Polypterus  beschreibt 
JoH.  Müller  (1844)  einen  Mundwinkelknorpel,  der  die  Ober- 
und  Unterlippe  stützt.     Embryologische  Angaben  fehlen. 

Visceralbogen. 

Kieferbogen.     Acipenser  zeigt  nach  Parker  den  hyostylen 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  655 

Typus  schon  bei  sehr  jungen  (8,5 — 9,5  mm  langen)  Embryonen,  bei 
denen  der  Knorpel  noch  sehr  weich  ist;  die  Ausbildung  dieses  Typus 
war  ontogenetisch  nicht  verfolgbar.  Demnach  ist  die  mit  dem  Ge- 
lenkkopf versehene  Pars  quadrata  von  vornherein  sehr  klein  und  er- 
reicht die  Schädelbasis  nicht ;  die  Pars  palatina  zieht  von  hier  aus  am 
Dach  der  Mundhöhle  nach  vorn  und  endet  ventral  von  der  Antorbital- 
gegend.  Hier  kommen  die  beiderseitigen  zur  Vereinigung,  und  in 
dem  Winkel,  den  beide  bilden,  hinter  der  medianen  Naht,  entstehen 
mehrere  selbständige  Knorpelstückchen,  die  nur  durch  Bindegewebe 
untereinander  zusammenhängen.  Parker  bezeichnet  sie  mit  dem  un- 
zweckmäßigen Namen  Metapterygoide ;  ihre  Bedeutung  ist  unbekannt. 
Zuerst  tritt  ein  unpaares  Stück  auf,  dann  folgen  paarige  in  variabler 
Menge  (in  einem  Fall  beschreibt  Parker  im  ganzen  15). 

Bei  jungeu  Stören  faud  van  Wijhe  einen  kleinen  knoriDeligen  Fortsatz  des 
Palatoquadratums,  der,  vom  Hinterrande  des  letzteren  ausgehend,  sich  an  der  Außen- 
fläche des  M.  adductor  mandibulae  nach  vorn  erstreckt.  Viel  kräftiger  entwickelt 
ist  dieser  Knorpel  bei  Spatularia,  auch  noch  bei  erwachsenen  Tieren.  Gegenbaur 
(1898)  giebt  an,  daß  hier  der  Knorpel  auch  an  seinem  vorderen  Ende  mit  dem 
Palatoquadratum  zusammenhänge,  so  daß  der  genannte  Muskel  zwischen  ihm  und 
dem  Palatoquadratum  hindurchtreten  muß.  Gegenbaur  vergleicht  daraufhin  den 
Knorpel  mit  dem  zweiten  oberen  Labialknorpel  der  Selachier. 

Der  primordiale  Unterkiefer  besitzt  von  vornherein  eine 
fast  quere  Verlaufsrichtung,  zwischen  seinem  proximalen  Ende  und 
dem  Gelenkhöcker  des  Palatoquadratums  bildet  sich  das  Gelenk  aus. 
Die  beiderseitigen  erreichen  sich  anfangs  in  der  Mittellinie  nicht,  später 
werden  ihre  vorderen  Enden  bindegewebig  verbunden. 

Bei  Lepidosteus  zeigt  das  Palatoquadratum  nach  Parker 
wichtige  Abweichungen  von  Acipenser.  Bei  jung  ausgeschlüpften 
Tieren  besitzt  der  hintere  Teil  (P.  quadrata)  eine  von  hinten  nach  vorn 
gehende  Richtung;  sein  hinteres  Ende  liegt  frei  an  der  Schädelbasis 
zwischen  der  Ohrkapsel  und  dem  Schädelbalken.  Die  Pars  palatina  ist 
schon  auf  diesem  Stadium  an  ihrem  vorderen  Ende  mit  der  vorderen 
lateralen  Ecke  der  vorderen  Trabekularplatte  kontinuierlich  knorpelig 
verschmolzen.  Später  bildet  sich  zwischen  dem  proximalen  Ende  der 
Pars  quadrata  und  dem  Balken,  resp.  dem  an  diesem  entstehenden 
Proc.  basipterygoideus  eine  Gelenkverbindung  aus  (Art.  basi-pala- 
tina).  Außer  dieser  direkten  Artikulation  des  Palatoquadratums  an  der 
Schädelbasis  wird  aber  eine  zweite  Verbindung  des  Palatoquadratums 
mit  dem  neuralen  Cranium  hergestellt  durch  das  Hyomandibulare. 
Das  Kiefergelenk  steht  infolge  der  Richtung  des  Palatoquadratums  sehr 
weit  vorn  (bei  jungen,  ca.  2  Zoll  langen  Lepidostei  liegt  der  Gelenk- 
kopf des  Quadratums  etwa  in  gleicher  Querebene  mit  dem  For. 
olfactorium).  Am  hinteren  Ende  bildet  sich  noch  ein  kurzer  Proc. 
oticus  aus,  der  aber  so  kurz  bleibt,  daß  er  die  Ohrkapsel  nicht  er- 
reicht. Aus  der  vorderen,  anfangs  kontinuierlichen  Verbindung  des 
Palatoquadratums  mit  der  vorderen  Trabekularplatte  geht  später  eine 
lose  Verbindung  (Art.  ethmo-palatina)  hervor.  Der  wichtige 
Unterschied,  den  Lepidosteus  gegenüber  Acipenser  zeigt,  liegt  also 
darin,  daß  bei  Lepidosteus  das  Palatoquadratum  nicht  nur  durch  das  , 
Hyomandibulare  getragen  wird,  sondern  sich  außerdem  selbst  noch 
gelenkig  mit  dem  Proc.  basipterygoideus  verbindet.  Es  ist  das  also 
ein  amphistyler  Typus  (Huxley)  in  ganz  ausgesprochener 
Form.  —  An  dem  langen  und  schlanken  primordialen  Unter- 
kiefer von  Lepidosteus  ist  in  kurzer  Entfernung  vor  der  GelenkMäche 
ein  hoher  Processus  coronoideus  bemerkenswert. 


656  .  E.  Gaupp, 

Polypteriis.     Hyostyler  Typus.     Art.  ethmo-palatina. 

Aniia.  Amphistyler  TyiJiis.  Das  Palatoqiiadratum  tritt  an  seinem  hinteren 
Abschnitt  mit  dem  neuralen  Cranium  direkt  in  Verbindung:  durch  ein  kurzes  Band 
mit  einem  Fortsatz  der  Schädelbasis  zwischen  Foramen  opticum  und  der  Hauptmasse 
des  Trigeminus  (van  Wijhe),  ferner  durch  ein  Band,  das  einen  Fortsatz  des  Palato- 
quadratums  an  die  hintere  Wand  der  Orbita  heftet  (VAN  Wijhe).  Vorn  bildet  sich 
eine  Art.  ethmo-palatina  aus. 

Die  Junctura  basi-palatina,  wie  sie  bei  Lepidosteus  als  Gelenk  und  bei 
Amia  (nach  van  Wijhe)  als  Syndesmose  besteht,  scheint  aus  der  Junctura  palato- 
basalis  der  Selachier  hervorgegangen.  Dann  wäre  die  Articul.  ethmo-palatina 
(Verbindung  des  vorderen  Endes  des  Palatoquadratums  an  dem  Planum  ethmoidale) 
eine  neue  P^inrichtung,  verständlich  durch  die  Aufgabe  der  medianen  Verbindung 
beider  Palatoquadrata.  Die  ethmoidale  Lage  der  Palatobasalverbindung  bei  manchen 
Selachiern  fordert  jedoch  zu  neuen  Untersuchungen  hierüber  auf. 

Zungenbeinbogeu.   Der  Zungenbeinbogen  von  Acipenser  und 

Lepidosteus  wurde  von  Parker  schon  sehr  frühzeitig  in  seine  einzelnen 

(knorpeligen)    Segmente   zerlegt   gefunden.     Diese  Segmente   sind   bei 

Acipenser  (5) :  Hyomandibula  (artikuliert  an  der  Ohrkapsel  unter  dem 

lateralen  Bogengang),  Symplecticum  (ist  mit  dem  Palatoquadratum  und 

Unterkiefer    durch    ein    Band    verbunden),     Stylohyale.    Keratohyale,^ 

Hypohyale;   bei  Lepidosteus  fällt   das  Symplecticum  als  selbständiges 

knorpeliges    Element    weg    und    wird    nur    durch   einen  Fortsatz    der 

Hyomandibula  repräsentiert. 

Bei  Lepidosteus  und  Amia  wird  die  Hyomandibula  vom  N.  facialis  durchbohrt 
Ein  selbständiges  knorpeliges  Symplecticum  findet  sich  auch  bei  Spatularia,  fehlt 
aber  den  anderen  Ganoiden ;  über  das  embryonale  Verhalten  fehlen  Angaben.  Die 
Verbindung  des  Sym^^lecticums  (resp.  des  entsprechenden  Fortsatzes  der  Hyomandi- 
bula) mit  dem  Unterkiefer  findet  sich  bei  Acipenser,  Spatularia,  Amia  (hier  dui'ch. 
Gelenk  hergestellt);  bei  Acipenser  kommt  es  in  dem  Band,  das  die  fragliche  Ver- 
bindung herstellt,  zur  Bildung  eines  Knorpelkernes  (van  Wijhe).  Zur  Verbindung^ 
mit  dem  Operculum  bildet  sich  bei  den  Ganoiden  am  hinteren  Umfang  der  Hyo- 
mandibula ein  Proc.  opercularis  aus. 

Kiemen  bogen.  Die  5  Kiemenbogen  bei  Acipenser  und  Lepi- 
dosteus sind  anfangs  ungegliederte  Knorpelspangen  auf  jeder  Seite,^ 
erst  nachträglich  erfolgt  die  Zerlegung  in  einzelne  bindegewebig  ge- 
trennte Stücke  (Parker).  Bei  Acipenser  zerfallen  die  beiden  ersten 
Bogen  in  je  5  Stücke:  Hypo-,  Kerato-,  Epi-,  Infrapharyngo-  und  Supra- 
phar3mgobranchiale,  der  3.  Bogen  in:  Hypo-,  Kerato-,  Epi-,  Pharyngo- 
branchiale  (letzteres  einem  Infrapharyngobr.  entsprechend),  der  4.  (Par- 
ker) in  Kerato-,  Epi-,  Pharyngobranchiale,  der  5.  nur  in  Kerato-  und 
Epibranchiale.     Die  Gliederung  bei  den  übrigen  Ganoiden  ist  ähnlich. 

Auf  die  doppelten  Pharyngobranchialia  hat  van  Wijhe  aufmerksam  gemacht;, 
wo  sie  bestehen,  tritt  die  Kiemen vene  zwischen  ihnen  hindurch.  Ist  nur  ein  Pharyngo- 
branchiale vorhanden,  so  ist  dies  immer  das  Tnfrapharyngobranchiale.  Lepidosteus 
besitzt,  wie  Acipenser,  die  doppelten  Pharyngobranchialia  an  den  beiden  ersten 
Bogen.  Bei  Polypterus  kommen  nur  4  Branchialbogen  zur  Ausbildung.  Genaue 
Angaben  über  die  Verhältnisse  der  Branchialbogen  bei  den  erwachsenen  Ganoiden 
macht  VAN  Wijhe. 

Copulae.  Die  Zahl  der  Copulae  bei  den  Ganoiden  schwankt. 
Bei  Acipenser  ist  in  jungen  Stadien,  nach  Parker,  nur  eine  vor- 
handen, an  die  die  Hypohyalia  und  die  o  ersten  Hypobranchialia 
beider  Seiten  sich  anlegen,  auf  späteren  Stadien  kommen  hinter  dieser 
noch  3  weitere  hinzu.  Bei  Lepidosteus  entsteht  zuerst  eine  Copula 
communis  zwischen  den  beiderseitigen  5  Branchialia,  davor  entsteht 
später  ein  selbständiges  Glossohyale,  das  sich  in  die  Zunge  erstreckt. 
Nach  VAN  Wijhe's  Darstellung  des  erwachsenen  Kiemenapparates 
würde  auch  eine  Zerlegung  der  Copula  communis  in  zwei  Stücke 
erfolgen. 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  657 

Amia  besitzt  4  Copulae,  Polypterus  nur  eine.  Ein  Glossohyale  fehlt  beiden 
Formen. 

Kieme  11  Stäbchen.  Endlich  ist  noch  der  dünnen  knorpeligen 
Kiemenstäbchen  zu  gedenken,  die  als  Stützen  der  Kiemenblättchen  in 
diesen  auftreten.  Durch  ihre  Lage  unterscheiden  sie  sich  von  den  in 
den  Septis  gelegenen  Kiemenstrahlen  der  Selachier;  ob  sie  genetische 
Beziehungen  zu  diesen  besitzen,  ist  daher  fraglich. 

IL   Die   Schädelknochen. 

Bei  den  Ganoiden  treten  Verknöcherungen  am  Schädel  in  ver- 
schiedenem Umfange  auf.  In  einigen  derselben  können  mit  ziemlicher 
Sicherheit  schon  die  Homologa  der  Schädelknochen  höherer  Vertebraten 
erkannt  werden ;  andere  sind  für  den  knöchernen  Fischschädel  charak- 
teristisch. Daß  die  von  den  höheren  Formen  hergenommene  Nomen- 
klatur der  Schädelknochen  vielfach  falsch  ist,  indem  sie  Homologieen 
vortäuscht,  die  nicht  bestehen,  ist  zweifellos.  Zusammenhängende 
Darstellungen  über  die  Entwickeluugsgeschichte  der  Schädelknochen 
bei  den  Ganoiden  liegen,  abgesehen  von  den  aphoristischen  Angaben 
Parker's,  nicht  vor;  folgendes  ist  aus  dem  Verhalten  der  Knochen 
in  ausgebildetem  Zustande  erschlossen  worden. 

Ersatzknochen  des  neuralen  Prim  ordialcranium  s. 
Das  neurale  Primordialcranium  bleibt  bei  den  Knorpelganoiden  ganz, 
bei  den  Knochenganoiden  in  großer  Ausdehnung  knorpelig  und  bildet 
bei  den  letzteren  mehr  oder  minder  ausgedehnte  knorpelige  Partieen 
zwischen  und  unter  den  einzelnen  Ersatzknochen,  die  hier  auftreten. 
Die  letzteren  verhalten  sich  an  Zahl  und  Ausdehnung  bei  den  einzelnen 
Formen  verschieden,  vielfach  durchsetzen  sie  nicht  die  ganze  Dicke 
des  Knorpels,  sondern  dringen  nur  eine  Strecke  weit  in  ihn  ein,  so 
daß  die  Zerlegung  des  Knorpelschädels  in  einzelne  Knochenterritorien 
sehr  unvollständig  sein  kann.  Besonders  gilt  dies  von  Amia,  wo  ein 
großer  Teil  des  Knorpelschädels  zeitlebens  erhalten  bleibt.  Ueber  die 
Entwickelung  dieser  Knochen  ist  so  gut  wie  nichts  bekannt,  nur 
Parker  hat  sie  von  Lepidosteus  auf  einem  jungen  Stadium  abgebildet 
und  geschildert.  Ich  beschränke  mich  daher  auf  eine  Aufzählung  der 
in  Betracht  kommenden  Stücke,  unter  Zugrundelegung  der  Verhält- 
nisse von  Amia  (nach  Bridge,  Sagemehl,  E.  Ph.  Allis),  wo  die 
Zahl  der  Knochen  die  größte  ist.  Bei  Polypterus  ist  sie  wesentlich 
kleiner ;  wie  weit  hier  Ausfall  einzelner  Elemente  oder  Verschmelzung 
mehrerer  in  Betracht  kommen,  bleibt  noch  festzustellen.  In  der  Occi- 
pitalregion  treten  auf:  Basioccipitale  und  zwei  Pleuroccipitalia.  Ein 
Supraoccipitale  fehlt  den  Ganoiden.  In  der  Oticalregion  finden  sich: 
Epioticum,  Intercalare  (Opisthoticuin),  Prooticum,  Sphenoticum,  alle 
paarig.  Ein  interessanter  Knochen  ist  das  Intercalare,  das  bei  Amia 
nach  Sagemehl  und  bei  Lepidosteus  nach  Parker  in  den  Knorpel- 
schädel eingesprengt,  nach  Allis  dagegen  bei  Amia  Deckknochen  sein 
soll.  Neuuntersuchung  bleibt  abzuwarten.  Orbito-temporalregion : 
Basisphenoid  (paarig,  klein;  fehlt  bei  Lepidosteus),  Alisphenoid,  Orbito- 
sphenoid,  beide  ebenfalls  paarig.  Ethmoidalregion :  Pleuroethmoidale 
(Präfrontale  Aut),  Präethmoidale  (Septomaxillare,  Bridge,  Sagemehl  ; 
siehe  Teleostier). 

Deckknochen  an  der  Oberfläche  und  der  Seite  des 
Kopfes.  Diese  besitzen  bei  den  Ganoiden  ein  besonderes  Interesse  in- 
folge der  mannigfachen  Uebereinstimmungen,  die  sie  mit  den  Schuppen- 
Handbuch  der  Entwickelungslehre.    III.  2.  42 


658  E.  Gaupp, 

und  Plattenbildungen  des  Rumpfes  besitzen  und  durch  die  sie  als  den 
letzteren  gleichwertige  Integumentossifikationen  charakterisiert  werden 
(0.  Hertwig).  Sie  befinden  sich  hier  also  noch  in  einem  primitiven 
Verhalten.  Zum  Ausdruck  kommen  diese  Uebereinstimmungen  in  der 
sehr  oberflächlichen  Lage,  im  Bau  und  in  der  vielfach  noch  indifferenten 
Anordnung.  Das  Gesagte  gilt  für  die  Knochen  im  Bereich  des  neu- 
ralen Graniums  wie  für  die  der  Kieferränder. 

Deckknochen  im  Bereich  des  neuralen  Craniu ms.  Bei 
Acipenser  liegen  Knochenplatten  sowohl  auf  der  Decke  des  Primordial- 
craniums  wie  hinter  dem  Hyomandibulare  in  der  Haut  des  Kiemen- 
deckels. Von  der  Epidermis  sind  sie  nur  durch  eine  sehr  dünne 
subepidermoidale  Gewebsschicht  getrennt;  eine  ebenfalls  nur  sehr 
dünne  Bindegewebsschicht  trennt  sie  vom  Knorpel  des  Primordial- 
craniums.  Auch  bei  Lepidosteus  und  Polypterus  liegen  sie  in  gleicher 
Schicht  mit  den  rhombischen  Schuppen  des  Panzers  im  Corium  und 
sind  wie  diese  mit  einer  Ganoinschicht  überzogen ;  bei  Lepidosteus 
tragen  sie  sogar  noch  kleine  Zähnchen.  Bei  Amia  ist  ein  Ganoin- 
überzug  nicht  beschrieben ;  die  Lage  der  Knochen  ist  auch  sehr  ober- 
flächlich. Was  ihre  Anordnung  anlangt,  so  lassen  sich  bei  Acipenser 
nur  in  einigen  von  ihnen  Vorläufer  der  Parietalia,  Frontalia  und 
einiger  anderer  typischen  Schädelknochen  höherer  Formen  erkennen ; 
bei  anderen  ist  das  nicht  möglich.  Die  Zahl  der  Knochenplatten  ist 
größer  als  die  der  typischen  Deckknochen  der  höheren  Formen, 
namentlich  in  der  das  Rostrum  bedeckenden  Haut  findet  sich  eine 
große  Anzahl  kleiner  Knochenstücke.  Das  System  der  Schädeldeck- 
knochen befindet  sich  also  bei  Acipenser  gewissermaßen  noch  in  einem 
Zustande  der  Indifferenz.  Die  Zahl  und  Anordnung  der  fraglichen 
Knochen  bei  den  Holostei  entspricht  dagegen  schon  mehr  dem  Ver- 
halten bei  höheren  Formen  ;  speciell  Amia  gestattet  gut  den  Teleostiern 
den  Anschluß.  Polypterus  und  Lepidosteus  zeigen  manche  Besonder- 
heiten, namentlich  an  mehreren  Stellen  kleinere  schuppenähnliche 
Knochenplatten  (in  der  Umgebung  des  Auges,  in  der  Schläfengegend 
und  bei  Lepidosteus  auch  am  Oberkieferrand).  Typisches  Verhalten 
zeigen  bei  Amia:  Parietalia,  Squamosa  (bei  Amia  reine  Deckknochen). 
Frontalia,  Nasalia,  Supraethmoid  (Dermoethmoid,  Bridge;  Ethmoid, 
Sagemehl;  Supraethmoid,  Parker  and  Bettany). 

An  der  Basis  des  neuralen  Graniums  liegen  als  Schleimhaut- 
ossifikationen  das  Parasphenoid  und  die  Vomeres,  alle  drei  bei 
Amia  zahntragend  und  von  einer  dünnen  Bindegewebsschicht  bedeckt. 
Bei  Polypterus  liegen  diese  Knochen  (ebenfalls  bezahnt)  dicht  unter 
dem  Epithel  (Leydig,  Sagemehl);  bei  Lepidosteus  sind  sie  zahnlos. 
Bei  den  Knorpelganoiden  ist  der  Vom  er  unpaar  und  ebenso  wie  das 
Parasphenoid  zahnlos. 

Knochen  des  0  b  e  r  k  i  e  f  e  r  r  a  n  d  e  s.  P  r  a  e  m  a  x  i  1 1  a  r  i  a  fehlen 
den  Knorpelganoiden;  bei  Knocbenganoiden  liegen  sie,  bezahnt,  dem 
vorderen  Ende  des  Primordialcraniums  an.  DasMaxillare  liegt  bei 
Knorpelganoiden  (bei  Acipenser  zahnlos,  bei  Spatularia  in  der  Jugend 
bezahnt,  van  Wijhe)  am  lateralen  Umfang  der  oben  erwähnten 
Knorpelspange,  die  von  Gegenbaur  als  Rei)räsentant  eines  Lippen- 
knorpels gedeutet  wird;  bei  den  Knochenganoiden  liegt  es  (bezahnt) 
dem  neuralen  Cranium  an;  bei  Lepidosteus  wird  es  durch  eine  Reihe 
(8 — 9)  schuppenähnlicher  (piadratischer  Knochenplättchen  repräsentiert, 
die   auf  ihrer  unteren  Fläche  Zähne  tragen.     Die  als  A  d  m  a  x  i  1 1  a  r  i  a 


Die  Entwickelimg  des  Kopfskelettes.  659 

(Gegenbaur  1898;  Supramaxillare,  Jugale)  bezeichneten,  manchmal 
in  der  Mehrzahl  vorhandenen  Knochenstücke  sind  reine  Haut- 
ossifikationen. 

Ossifikationen  der  Visceralbogen.  Das  Verhalten  der 
Ersatz-  und  Deckknochen  im  Bereiche  der  Visceralbogen  bei  aus- 
gewachsenen Ganoiden  ist  von  van  Wijhe  speciell  festgestellt  worden ; 
die  entwickelungsgeschichtliche  Untersuchung  wird  gerade  hier  noch 
manche  Frage  zu  klären  haben. 

Im  Palatoqu  adr  atum  wurde  bei  Knorpelganoiden  nur  ein 
Ersatzknochen  gefunden,  nämlich  das  Autopalatinum  bei  einem 
alten  Stör  und  einer  alten  Spatularia.  Bei  den  Knochenganoiden  giebt 
es  deren  drei :  Autopalatinum,  Quadratum,  Metapterygoid; 
jeder  kann  mit  Verknöcherungen  in  der  Schleimhaut  der  Mundhöhle 
verschmolzen  sein.  Als  Deckknochen,  welche  das  Palatoquadratum 
ganz  oder  fast  ganz  von  der  Begrenzung  der  Mundhöhle  ausschließen, 
treten  Dermopalatinum,  Ekto-  und  Entopterygoid  auf; 
bei  Knorpelganoiden  ist  statt  der  beiden  letztgenannten  Knochen  nur 
ein  einziges  Pterygoid  vorhanden.  Alle  3  Knochen  können  Zähne 
tragen  und  selbständig  sein,  oder  sich  mit  anderen,  auch  Ersatz- 
ossilikationen,  vereinen.  Bei  Amia  findet  van  Wijhe  2  Dermopalatina, 
wohl  als  Folge  unvollkommener  Verschmelzung  von  Zahnbasen. 
(Genaueres  s.  bei  van  Wijhe.)  Im  Meckel  'sehen  Knorpel  können 
4  Ersatzossifikationen  vorkommen :  A  u  t  a  r  t  i  c  u  1  a  r  e ,  A  n  g  u  1  a  r  e , 
Autocoronale,Mentomandibulare;  bei  Knorpelganoiden  fand 
van  Wijhe  keine  einzige  Ossifikation ,  doch  haben  Parker  für 
Acipenser,  und  Bridge  für  Spatularia  (alte  Tiere)  ein  Mentomandi- 
bulare  beschrieben.  Von  Deckknochen  kommt  nur  das  Dentale 
allgemein  vor;  bei  den  Knochenganoiden  findet  sich  außerdem  ein 
Operculare  (Spleniale),  ein  Der marticulare  und,  mit  Aus- 
nahme von  Polypterus ,  auch  ein  Supraangulare  (Dermo- 
coronale).  Das  Vorhandensein  zweier  selbständiger  zahntragenden 
Knochen  vor  dem  Operculare  bei  Polypterus  und  Amia  ist  wohl  wie 
das  doppelte  Dermopalatinum  von  Amia  die  Folge  einer  unvoll- 
kommenen Verschmelzung  von  Zahnbasen. 

Die  Ersatzknochen  des  Kiet'erbogens  liegen  alle  entweder  an  einem  Gelenke 
oder  an  der  Befestigungsstelle  eines  Ligamentes.  An  einem  Gelenke  entstehen 
Quadratum  und  Autarticulare ;  bei  den  Knochenganoiden  auch  das  Autopalatinum, 
bei  Lepidosteus  noch  das  Metapterygoid.  An  der  ßefestigungsstelle  eines  Ligamentes 
entstehen  das  Autopalatinum  der  Knorpelganoiden  (Insertion  des  Lig.  ethmopala- 
tinum),  das  Metapterygoid  (Lig.  metapterygoideum)  und  am  Unterkiefer  das  Angu- 
lare  (Lig.  mandibulo-hyoideum)  sowie  das  Mentomandibulare  (Symphysenligament). 
Das  Autocoronale  giebt  bei  Lepidosteus  der  Sehne  des  M.  temporalis  eine  feste  An- 
heftung; bei  Amia  artikuliert  es  mit  dem  iSympleticum  (VAN  Wijhe). 

Hyobranchialskelett.  JDie  Hyomandibula  ossifiziert  bei 
Polypterus  als  einheitliches  Knochenstück;  bei  Amia  und  Lepidosteus 
treten  in  ihr  zwei  Ossifikationen  auf,  eine  obere  und  eine  untere,  die 
beide  durch  eine  Synchondrose  verbunden  bleiben  und  als  0  s  h  y  o  - 
mandibulare  (die  obere)  und  Os  symplecticum  bezeichnet 
werden.  Auch  das  Keratohyale  wird  bei  Amia  und  Lepidosteus 
durch  den  Ossifikationsprozeß  in  2  durch  Knorpel  verbundene  Knochen 
zerlegt,  von  denen  der  obere  unzweckmäßigerweise  als  Epihyale, 
der  untere  als  Keratohyale  bezeichnet  wird.  Die  obere  ist  wohl 
durch  die  Anheftung  des  Lig.  mandibulo-hyoideum  bedingt.  Bei 
Polypterus    besteht   in    erwachsenem    Zustand    nur    eine    einheitliche 

42* 


660  E.  Gaupp, 

Ossifikation,  über  deren  Bedeutung  die  Ontogenie  noch  aufklären 
muß.  Das  Stylohj'ale  verknöchert  bei  Polypterus ;  bei  den  anderen 
Formen  bleibt  es  knorpelig.  Das  Hypohyale  verknöchert  einfach 
bei  Amia,  Polypterus,  Lepidosteus.  Bei  den  Knorpelganoiden  erhalten 
nur  die  Hyomandibula  und  das  Keratohyale  eine  den  Knorpel  in 
seiner  Mitte  röhrenförmig  umgebende  Scheide,  aus  der  die  beiden 
Enden  des  Knorpels  als  Epiphysen  herausstecken. 

Unzweckmäßig  ist  die  Bezeichaung  Epihyaie  wegen  des  Anklanges  an  die 
„Epibranchialia".  Diese  sind  aber  Teile  der  knorpeligen  Kiemenbogeu,  während  das 
sog.  Epihyaie  nur  eine  selbständige  Ossifikation  ist,  die  weder  funktionell  noch 
morphologisch  mit  einem  Epibranchiale  verglichen  werden  kann.  Auch  die  Ver- 
wendung der  gleichen  Bezeichnung  Syraplecticum  für  den  selbständigen  Knorpel 
der  Knorpelganoiden  und  den  Knochen  der  Knochenganoiden  ist  unzweckmäßig. 

Die  Verknöcherung  der  Segmente  der  Branchialbogen 
sowie  die  der  Copulae  erfolgt  in  verschiedener  Ausdehnung. 
(Hierüber  s.  die  Angaben  von  van  Wijhe  bezüglich  der  ausgebildeten 
Verhältnisse.)  Die  Ossifikationen  bei  den  Knorpelganoiden  bleiben 
oberflächlich,  perichondrale  Knochenscheideu. 

Der  bei  den  Ganoiden  auftretende  Opercularap parat  (Oper- 
cularknochen  und  Radii  branchiostegi)  besteht  aus  sehr  oberflächlich 
gelagerten  Ossifikationen.  Ein  Operculum,  das  mit  einem  Höcker 
des  Hyomandibulare  verbunden  ist,  kommt  überall  vor  und  ist  bei 
Spatularia  der  einzige  Knochen ;  bei  Polypterus  besteht  daneben  noch 
ein  Suboperculum;  Acipenser  besitzt  3  Stücke  (Operculum, 
Suboperculum,  Interoperculum),  Lepidosteus  und  Amia  4 
(Op.,  Subop.,  Interop.  und  Praeoper  culum ).  Das  Praeoperculum 
ist  ein  Schleimkanalknochen.  Branchiostegal strahlen  besitzen 
Spatularia  und  die  Knochenganoiden. 

Teleostei. 

L  Primordialcranium. 

Untersuchungen  über  die  Entwickelung  des  Primordialcraniums 
bei  Teleostiern  liegen  vor  von  Parker,  Stöhr,  Willcox,  Sewer- 
TZOFF,  SwiNNERTON  ;  für  die  vergleichende  Beurteilung  hat  Sagemehl 
Bedeutendes  geleistet.  Für  die  nachfolgende  Darstellung  sind  außer 
den  Angaben  der  Genannten  auch  eigene,  an  Salmo  salar  gewonnene 
Befunde  vielfach  verwertet. 

A.  Neurales  Primordialcranium. 

Die  Skelettteile  des  neuralen  Craniums  erscheinen  früher  als 
die  des  Visceralskelettes,  und  zwar  gilt  dies  nicht  nur  für  das  Sicht- 
barwerden der  vorknorpeligen  Anlagen,  sondern  auch  für  das  Auf- 
treten der  knorpeligen  Differenzierung  (Stöhr;  für  Salmo  salar  und 
S.  truttaj.  Mit  wenigen  Ausnahmen  sind  die  Anlagen  der  Knorpel- 
teile schon  vor  der  Verknorpelung  an  der  Lagerung  der  zelligen 
Elements  wohl  erkenn-  und  abgrenzbar.  Die  frühesten  Anlagen  fand 
Stöhr  bei  Lachsembryonen  von  7  mm  Länge,  als  paarige,  jederseits 
hinter  dem  Vagusaustritt  der  Chorda  dorsalis  anliegende  Gewebs- 
verdichtung:  die  hinteren  Parachor  dal  platten.  Gleichzeitig 
machen  sich  am  lateralen  Umfang  der  Ohrblase  jederseits  Vorläufer 
des  p er io tischen  Knorpels  bemerkbar.  Alsbald  erscheinen  im 
prächordalen  Schädelgebiet  die  T  r  a  b  e  c  u  1  a  e  b  a  s  e  o  s  c  r  a  n  i  i  als 
paarige   cylindrische  Spangen    seitlich   unter  dem  Gehirn,     Sie  stehen 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes. 


661 


außer  jeder  Beziehung  zur  Chorda  dorsalis  und  sind  überhaupt  voll- 
kommen selbständig,  enden  also  vorn  wie  hinten  frei  (Fig.  338).  Eine 
fernere  selbständige  Anlage  erscheint  jederseits  in  einiger  Entfernung 
lateral  von  der  vorderen  Chordaspitze :  die  v  o  r  d  e  r  e  P  a  r  a  c  h  o  r  d  a  1  - 
platte.  Die  Chordaspitze  selbst  bleibt  geraume  Zeit  eine  ganze 
Strecke  weit  vollkommen  frei,  nur  von  indifferentem  Gewebe  um- 
geben. Die  vordere  Parachordalplatte  jeder  Seite  erhält  einen 
selbständigen  Knorpelkern,  dehnt  sich  dann  aber  nach  hinten  hin  aus, 
nähert  sich  dabei  der  Chorda  und  setzt  sich  zur  Seite  derselben  mit 
der  nach  vorn  wachsenden  hinteren  Parachordalplatte  in  Verbindung. 
So  entsteht  im  chordalen  Schädelabschnitt  eine  Basalplatte,  die 
von  der  Chorda  dorsalis  in  zwei  seitliche  Hälften  zerlegt  wird,  und 
deren    beide   Hälften  noch  je  zwei  getrennte  Knorpelherde  aufweisen. 

Fig.  339. 


Trabec. 


Caps, 
aud. 


Chorda  dors. 


Parachord. 
ant. 


Cart.  mesot. 


Pars  occip. 


Chorda  dors. 
Covim.  basicaps. 
ant. 


Caps.  aud. 


Comm. 

basicaps. 

post. 


Pila  occip. 


Fig.  338.  Neurales  Cranium  eines  ca.  11  mm  langen  Embryo  von  Salmo  salar, 
von  oben.  Nach  einem  Plattenmodell  von  Ph.  Stöhr  (Kopie  von  Ziegler).  Vergr. 
ca.  65fach. 

Fig.  339.  Neurales  Cranium  eines  ca.  13  mm  langen  Embryo  von  Salmo  salar, 
von  oben.  Nach  einem  Plattenmodell  von  Ph.  Stöhr  (Kopie  von  Ziegler).  Vergr. 
ca.  65fach. 


Noch  vor  vollendeter  Verbindung  des  vorderen  und  hinteren  Para- 
chordale  trennt  sich  das  hintere  in  zwei  durch  verschiedene  Dicke 
unterscheidbare  Abschnitte,  einen  vorderen  dickeren,  der  medial  von 
der  Ohrkapsel  liegt,  und  einen  hinteren  dünneren,  kaudal  von  der 
Ohrkapsel  gelagerten.  Im  Anschluß  an  diesen  hinteren  dünneren 
Abschnitt  bildet  sich  ein  aufsteigender  wirbelbogenähnlicher  Knorpel- 
teil aus:  der  Seitenteil  der  Occipitalregion  (Occipitalbogen, 
Stöhr,  Occipitalpfeiler).  Ein  spinalartiger  Nerv  wird  in  den- 
selben nicht  eingeschlossen;  der  erste  derartige  Nerv  tritt  hinter 
dem  Occipitalpfeiler  heraus  und  wird  erst  bei  der  Verknöcherung  in 
das  Pleuroccipitale  aufgenommen. 

Die   drei   neben   der    Chorda   gelegenen   und   je   eine    Basalplattenhälfte    kon- 
stituierenden Teile  (vorderes  Parachordale,   vordere  und  hintere  Hälfte 


662  E.  Gaupp, 

des  hinteren  Parachordale)  vergleicht  Stöhr  den  bei  den  Amphibien  als 
Balkenplatte,  mesotischer  Knorpel,  Occipi  talplatte  bezeichneten 
Teilen.  Vorderes  Parachordale  und  mesotischer  Knorpel  repräsentieren  also  die 
Pars  otica  des  Gesamtparachordale.  Von  dem  Occipitalteil  des  Schädels  geben 
Sewertzoff  (1897j  und  Willcox  (1899)  an,  daß  derselbe  in  der  ersten  Anlage  An- 
deutungen einer  Segmentierung  zeige,  die  allerdings  wesentlich  im  Verhalten  der 
Myotome  und  Nerven  ausgeprägt  sei.  Nach  Sewertzoff  entspricht  der  Occipital- 
teil des  Schädels  bei  Carassius  8  Wirbelbogen  (genauere  Darstellung  fehlt  bisher); 
Willcox,  dessen  Untersuchung  leider  zu  früh  abbricht,  fand,  daß  bei  Salmo  salar 
und  Trutta  fario  der  Occipitalteil  inkl.  desOccipitalbogens  sich  im  Bereiche  der 
5  vordersten  metotischen  Myotome  anlege.  Die  Myosepten  zwischen  dem  2.  und  3., 
dem  3.  und  4.,  sowie  dem  4.  und  5.  Myotom  befestigen  sich  an  dem  Parachordale; 
der  Occipitalbogen  Stöhr's,  der  mit  dem  Parachordale  zusammenhängt,  liegt  mit 
seiner  Basis  in  dem  Myoseptum  zwischen  dem  5.  und  6.  Myotom,  steigt  aber  schräg 
nach  vorn  hin  auf,  indem  er  das  5.  Myotom  kreuzt.  Die  2  vordersten  Myotome 
und  der  zum  3.  gehörige  Spinalnerv  gehen  embryonal  wieder  zu  Grunde;  die 
ventrale  Wurzel  des  4.  Myotoms  und  der  Nerv  des  5.  Myotoms  sollen  sich  vereinen 
und  den  Wirbelkanal  gemeinschaftlich  vor  dem  zwischen  dem  5.  und  6.  Myotom 
gelegenen  Bogen  (den  Willcox  als  Occipitalbogen  Stöhr's  auffaßt)  verlassen.  Diese 
Angaben  sind  zum  mindesten  auffallend  und  verlangen  eine  Nachprüfung,  da,  wie 
bemerkt,  bei  Salmo  der  sog.  Hypoglossus  des  erwachsenen  Tieres  erst  bei  der  Ver- 
knöcherung in  das  Pleuroccipitale  eingeschlossen  wird.  Auch  Harrison's  dies- 
bezügliche Angaben  sind  nicht  verwertbar,  da  er  die  Thatsache,  daß  beim  er- 
wachsenen Lachs  ein  Nerv  durch  das  Pleuroccipitale  austritt,  nicht  berück- 
sichtigt. —  Bei  Gasterosteus  konnte  Swinnerton  am  Parachordale  einen 
occipitalen  und  einen  otischen  Abschnitt  unterscheiden,  eine  Segmentierung  der 
Pars  occipitalis  aber  nicht  nachweisen.  Auch  bei  Gasterosteus  wird  wie  bei  Salmo 
ein  spino-occipitaler  Nerv  erst  bei  der  Verknöcherung  des  Pleuroccipitale  in  das 
Cranium  eingeschlossen.  —  Ein  Stadium  der  Selbständigkeit  der  ührkapsel  war  bei 
Gasterosteus  nicht  zu  konstatieren ;  letztere  steht  schon  auf  frühestem  Stadium  in 
Zusammenhang  mit  dem  vorderen  Teil  des  Parachordale. 

Die  Mangelhaftigkeit  der  embryologischen  Angaben  macht  es  bisher  unmög- 
lich, die  Frage  nach  der  Ausdehnung  des  Teleostiercraniums  im  Vergleich  etwa  mit 
der  des  Ganoidencraniums  mit  Sicherheit  zu  beantworten.  Auf  Grund  des  Ver- 
gleiches der  ausgebildeten  Zustände  nimmt  Sagemehl  an,  daß  der  bei  Amia  freie 
erste  Occipitalbogen  bei  fast  allen  Teleostiern  mit  dem  Cranium  verschmolzen  sei : 
er  werde  im  erwachsenen  Teleostierschädel  repräsentiert  durch  die  Knochenspange 
zwischen  dem  Foraraen  hypoglossi  und  dem  For.  occipitale.  Der  Hyijoglossus  der 
Teleostier  entspräche  dann  dem  Nerven,  der  bei  Amia  zwischen  dem  Cranium  und 
dem  ersten  freien  Occipitalbogen  austritt.  Gegen  diese  Vorstellung  hat  Gegenbaur 
(1887)  Bedenken  erhoben,  indem  er  auf  das  verschiedene  Verhalten  des  Hypoglossus- 
austrittes  bei  den  Teleostiern  hinweist  und  daraus  folgert,  daß  auch  ein  Nerv  allein 
dem  Cranium  einverleibt  werden  könne,  ohne  daß  ein  Wirbel  zu  folgen  braucht. 
Die  Befunde  bei  Salmo  und  Gasterosteus  lassen  diese  vorsichtige  Kritik  Gegex- 
baur's  als  vollauf  begründet  erscheinen  und  zeigen  zugleich,  wie  notwendig  eine 
erneute  genaue  (und  vollständige!)  Untersuchung  ist.  —  Wahrscheinlich  ent- 
spricht die  Ausdehnung  des  Craniums  der  Teleostier  neben  der  Chorda  der  von 
Lepidosteus  und  Amia.  —  Ueber  das  Schicksal,  das  der  2.  freie  Occipitalbogen  von 
Amia  bei  den  Teleostiern  erleiden  kann,  ist  bei  der  Entwickelung  der  Wiroelsäule 
zu  handeln.  Bei  Salmo,  wie  bei  vielen  anderen  Teleostiern,  bleibt  er  frei.  Auch  die 
Thatsache,  daß  bei  manchen  Teleostiern  der  1,  Wirbel  total  mit  dem  Schädel  ver- 
schmilzt (Ostracion,  Thynnus,  Xiphias ;  s.  Gegenbaur  1887),  gehört  in  das  Kapitel 
von  der  Wirbelsäule. 

Die  Trab  ekel  scheinen  schon  bei  oder  doch  bald  nach  ihrer  Entstehung  in 
der  axialen  Verlängerung  der  Parachordalia  zu  liegen  und  wachsen  in  dieser  Lage 
mit  den  letzteren  zusammen.  Zur  Bildung  einer  definitiven  Sattellehne  kommt  es 
nicht ;  das  MitteJhirnpolster  wird  in  seinem  oberen  Abschnitt  schon  sehr  frühzeitig 
zu  einer  dünnen  Bindegewebsschicht  (Rabl-Rückhard  1886). 

Die  Chorda  dorsalis  zeigt  nach  Swinnerton  bei  Gasterosteus  zu  keiner 
Zeit  Zeichen  der  Reduktion,  doch  bleibt  sie  im  Wachstum  gegenüber  den  übrigen 
Schädelteilen  zurück.  Swinnerton  fand  sie  noch  beim  erwachsenen  Gasterosteus 
im  Basioccipitale,  wo  sie  im  hinteren  Abschnitte  eine  sehr  starke  Verbreiterung 
zeigte. 

Das  periotische  Gewebe,  das  zur  Ohrkapsel  verknorpelt,  stammt  nach 
V.  NooRDEX  (1883)  von  dem  parachordalen  Gewebe  ab  (bei  Salmoniden  und  einigen 
anderen  Teleostiern  beobachtet). 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  663 

In  der  Folge  treten  nun  noch  weitere  Verbindungen  zwischen  den 
verschiedenen  isoliert  entstandenen  Skelettpartieen  ein.  Die  Balken, 
deren  vordere  Enden  schon  vorher  durch  einen  dicken  Bindegewebs- 
strang  miteinander  verbunden  wurden,  werden  nun  knorpelig  vereinigt, 
so  daß  eine  breite  Ethmoi  dal  platte  entsteht,  die  sich  mit  ihren 
Seitenteilen  unter  die  Geruchsgruben  herunterschiebt.  (Lundborg 
giebt  an,  bei  Salmo  salar  die  Abstammung  des  Knorpels  der  Eth- 
moidalplatte  vom  Ektoderm,  und  zwar  vom  Epithel  des  Mundhöhlen- 
daches beobachtet  zu  haben.)  Hinter  ihr  legen  sich  die  Balken  ganz 
nahe  aneinander  und  verschmelzen  zu  einer  in  der  Mittellinie  ge- 
legenen basalen  Trabecula  communis;  erst  die  hinteren  Enden 
der  Balken  weichen  auseinander  und  begrenzen  so  eine  Oeffnung 
(Fenestra  hypophyseos  oder  Fen.  basicranialis  anterior), 
die  sich  kaudalwärts  in  die  Fen.  basicranialis  posterior  fort- 
setzt (Fig.  339).  Letztere  liegt  zwischen  den  beiden  vorderen  Para- 
chordalia  ;  in  sie  ragt  von  hinten  her  die  Chorda  dorsalis  hinein.  Die 
hinteren  Balkenenden  verschmelzen  mit  den  vorderen  Parachordalia ; 
die  ursprüngliche  Grenze  liegt  anfangs  etwa  in  der  Höhe  der  vorderen 
Chordaspitze  und  entspricht  dem  (in  der  Folge  sich  mehr  verengern- 
den) Uebergang  der  vorderen  und  hinteren  basikranialen  Fontanelle. 
Schließlich  tritt  auch  eine  vordere  und  eine  hintere  Vereinigung 
zwischen  dem  Parachordale  und  dem  inzwischen  vergrößerten  peri- 
otischen  Knorpel  ein.  Die  zuerst  auftretende  vordere  dieser  basi- 
c  a  p  s  u  1  ä r  e  n  Kommissuren,  wie  ich  sie  nennen  möchte,  bildet 
sich  hinter  dem  Facialisaustritt  (postfacial)  zwischen  dem  periotischen 
Knorpel  und  dem  vorderen  Parachordale,  die  hintere  zwischen  jenem 
und  dem  mesotischen  Knorpel,  Auf  diese  Weise  kommt  zwischen 
dem  lateralen  Rande  der  Basalplatte,  den  beiden  basicapsulären 
Kommissuren  und  dem  periotischen  Knorpel  (der  zunächst  noch  sehr 
wenig  kapselartig  gestaltet  ist,  sondern  einen  bandförmigen  Knorpel- 
streifen am  lateralen  Umfang  der  Ohrkapsel  darstellt)  eine  große 
basicapsuläre  Lücke  zu  stände,  die  ventral  von  der  Ohrblase  gelagert 
ist  und  zunächst  nur  durch  faseriges  Bindegewebe  verschlossen  wird 
(Fig.  339).  Parker,  der  sie  zuerst  (1872)  beschrieb,  bezeichnet  sie 
als  primordiale  Fenestra  ovalis,  und  auch  Stöhr  weist  auf 
die  bedeutungsvolle  Thatsache  hin,  daß  sie  in  ihrem  ganzen  Verhalten 
mit  der  Fenestra  vestibuli  der  höheren  Vertebraten  (wenigstens  mit 
der  ersten  Anlage  derselben ;  s.  Amphibien)  übereinstimmt.  Die 
hintere  basicapsuläre  Verbindung  bildet  sich  bei  Salmo  salar  (nach 
eigenen  Untersuchungen)  zwischen  dem  Glossopharyngeus  und  dem 
Vagus,   so  daß   der  Glossopharyngeus   zunächst   durch  den  hintersten 

Teil  der  basicapsulären  Fenestra  austritt. 

Bei  Gasterosteus  ist  nach  Swinnerton  die  vordere  basicapsuläre  Verbindung 
schon  sehr  frühzeitig  vorhanden,  die  hintere  bildet  sich  viel  später,  und  zwar  auf- 
fallenderweise vor  dem  Glossopharyngeus,  so  daß  dieser  zusammen  mit  dem  Vagus 
in  ein  gemeinsames  Foramen  jugulare  eingeschlossen  wird,  das  erst  bei  der  Ver- 
knöcherung des  Pleuroccipitale  durch  eine  Brücke  in  zwei  Teile  zerlegt  wird. 

Die  Vorgänge,  die  zu  einer  weiteren  Vervollkommnung  des  Chondro- 
craniums,  von  dem  in  Fig.  339  dargestellten  Stadium  aus,  führen, 
mögen  nach  den  einzelnen  Regionen  geschildert  werden.  Der  auf- 
steigende Teil  der  Occipitalregion  verschmilzt  mit  dem  hinteren 
Umfang  der  inzwischen  vollständiger  gewordenen  Ohrkapsel  hinter 
dem  Vagus  (Bildung  des  Foramen  jugulare),  und  zwischen  den 
Seitenteilen   der  Region  entsteht    eine   ausgedehnte   knorpelige  Decke 


664 


E.  Gaupp, 


über  der  Schädelhöhle.  Dies  erfolgt,  wie  Swinnerton  für  Gasterosteus 

feststellte,  mehr  von  den  Ohrkapseln  als  von  den  Occipitalbogeu  aus. 

Das  Schicksal  der  Chorda  dorsalis  sowie  die  Ausbildung  der  craniovertebralen 
Verbindungen  verlangen  noch  specielle  Untersuchung. 

In  der  Labyrinth region  schreitet  die  Verknorpelung  der  Ohr- 
kapsel weiter  vor,  wobei  die  basicapsuläre  Fenestra  geschlossen  und 
der  Glossopharyngeus  in  ein  besonderes  Foramen  eingeschlossen  wird. 
Eine  Verknorpelung  der  medialen  Wand  erfolgt  nicht,  so  daß  zwischen 


Palatoquadratum 


Palatoquadr. 
(P.  palatina) 

Cart.  Meckel 


Palatoquadr 

(P.  quadr.) 

Fen.  Hypoph 


Hyomand.  — 
Fen.  bas.-C7~an.post. 
For.  JV.  hyomand.  —* 


Fossa  nas. 
Plan,  antorb. 


Ted.  er  an. 


Taen.  marg. 
Trah.  commnn. 
Trabec. 


Incis.  proot. 

^1— ^  For.  JV.  pal.  VII 

For.  ZV!  hyomand.  VII 
Parachord.  ant. 

Chorda  dors. 
Can.  sc.  ant. 

Can.  sc.  lat. 

Tect.  synot. 

Can.  sc.  post. 

Fig.  340.  Neurales  Primordialcrauium  nebst  Kieferbogen  und  Hyomandibula 
eines  25  mm  langen  Embryo  von  Salmo  salar.  Von  der  Dorsalseite.  Nach  einem 
bei  25facher  Vergrößerung  hergestellten  Plattenmodell.  Verhältnis  von  Abbildung 
zu  Modell  =-1:3. 


der  Labyrinth-  und  der  Schädelhöhle  zeitlebens  eine  große  Lücke  be- 
stehen bleibt,  und  der  Ohrkapselraum  nur  eine  Seitennische  des 
Cavum  cranii  bildet.  Doch  entstehen  knorpelige  Leisten  (Septa 
semicircularia)  medial  von  den  Mittelstücken  der  häutigen  Bogen- 
gänge (Fig.  341).  Solche  Septa,  um  die  sich  also  die  häutigen  Bogen- 
gänge herumschlagen,  finde  ich  bei  Salmo  salar  3  (S.  semic.  anterius, 
posterius,  laterale) ;  bei  Gasterosteus  beschreibt  Swinnerton  nur  2 
(S.  post.  und  lat.).  Die  vordere  Ohrkapselkuppel  springt  nach  vorn 
und  seitlich  als  Processus  postorbitalis  des  Knorpelcraniums  vor. 

Auch  bei  den  anderen  Wirbeltieren  erfolgt  die  Verknorpelung  der  medialen 
Ohrkapsel  wand  zuletzt;  bei  Petromyzon  bleibt  sogar  eine  große  nur  häutig  ge- 
schlossene Lücke  bestehen.  Das  Verhalten  bei  Teleostiern  (und  Ganoiden)  ist  wohl 
(phylogenetisch)  als  Reduktionserscheinung  aufzufassen  und  abzuleiten  von  einem 
Zustand,  wo  eine  vollständigere  Verknorpelung  der  Wand  bestand.  Es  scheint  mir 
zusammenzuhängen  mit  einem  Mißverhältnis  zwischen  der  Volumszunahme  des 
Gehirns  und  dem  Breiten  Wachstum  des  gesamten  Schädels.  Auf  jüngeren  Stadien 
von  Salmo  besitzt  der  Utriculus  des  häutigen  Labyrinthes  eine  verhältnismäßig 
größere  Breite  als  später,  wo  seine  mediale  Wand  durch  das  in  die  Breite  wachsende 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes. 


665 


Gehirn  lateralwärts  gebuchtet  wird.  Das  heißt  also  wohl,  daß  das  Breitenwachstum 
des  Schädels  nicht  Schritt  hält  mit  dem  Breitenwachstum  des  Gehirnes.  In  dem 
von  dem  Gehirn  ausgeübten  Druck  dürfte  dann  der  Grund  dafür  liegen,  daß  die 
Verknorpelung  der  medialen  Ohrkapselwand  unterdrückt  wird.  Durch  vergleichend- 
anatomische Untersuchungen  hat  Sagemehl  es  wahrscheinlich  gemacht,  daß  die 
Fenestrieruug  der  medialen  Ohrkapselwand  phylogenetisch  von  dem  Acusticusforamen 
ausging. 

An  der  Basis  des  chordalen  Schädelabschnittes  ist  die  wichtigste 
Veränderung  dadurch  bedingt,  daß  die  Parachordalia  sehr  beträchthch 

Proc.  postorbit.  For.  hyomand. 

Taen.  marg.  \  .Sept.  sc.  mit. 
Hyomand.        ;  Sept.  sc.  lat. 

Palatoquadr.    i      i     ■  ;  i  |  Sept.  sc.  jiost. 

Ted.  crem.    \      [      l     l  \:  Tect.  synot. 


Fossa  nasalis 


For.  olfact. 
For.-orb.- 
nas. 


Plan,  antorb 

Trabec.  comm. 

Palatoquadr.  (P.  palatina) 

Cart.  SIeckel    ^«^««-"Q-   Trabec. 
(P.  qii.adr.) : 
Fen.  hyj)ophys. 


Caps .  aud. 


Hyomandibula 
For.  N.  hyomand. 


Fig.  341.    Dasselbe  Modell  wie  Fig.  340,  von  der  linken  Seite, 


Über  die  vordere  Spitze  der  Chorda  hinaus  nach  vorn  wachsen,  diese 
letztere  aber  im  Wachstum  zurückbleibt,  sich  also  scheinbar  zurück- 
zieht und  nur  noch  mit  ihrer  vordersten  Spitze  in  den  hintersten  Teil 
der  basikranialen  Fontanelle  vorspringt.  Zwischen  der  vorderen 
Kuppel  der  Ohrkapsel  und  dem  Parachordale  bildet  sich  dann  auch 
vor  dem  Facialis  eine  breite  knorpelige  Verbindung  aus  (präfaciale 
basisapsuläre  Commissur),  die  den  Austritt  des  Facialis  von  dem  des 
Trigeminus  trennt  und  mit  selbständigen  Oeffnungen  den  R.  hyomando- 
bularis  des  Facialis  (lateral),  den  R.  palatinus  desselben  Nerven  (mehr 
medial,  am  Seitenrande  des  ursprünglichen  vorderen  Parachordale) 
und  eine  aus  dem  Schädelraum  von  vorn  herkommende  und  vor  dem 
N.  hyomandibularis  austretende  Vene  (V.  jugularis  Autt.)  umschließt, 
während  ihr  Vorderrand  die  Incisura  prootica  bildet,  vor  welcher 
der  Trigeminus  austritt  (Fig.  340).  Ueber  die  vorderen  Parachordalia 
hinweg  wachsen  von  beiden  Seiten  her  die  Mm.  recti  laterales  der 
Augen  kaudalwärts  vor,  um  durch  die  hintere  basikraniale  Fontanelle 
an  die  Ventralfläche  der  Schädelbasis  zu  gelangen.  Die  vorderen 
Parachordalia,  über  denen  sie  liegen,  werden  dadurch  ventralwärts 
niedergedrückt,  so  daß  sie  in  ein  tieferes  Niveau  zu  liegen  kommen, 
als  die  mesotischen  Teile  der  Basalplatte.  Sie  bilden  so  den  Boden 
des  mittleren  Abschnittes  des  (hinteren)  A  u  g  e  n  m  u  s  k  e  1  k  a  n  a  1  s ,  der 
zwischen  der  Schädelbasis  und  dem  Cavum  cerebrale  cranii  in  der 
Labyrinthregion   und   dem   hintersten   Teil   der  Orbito-temporalregion 


666 


E.  Gaupp, 


zur  Ausbildung  kommt.  Die  laterale  Begrenzung  dieses  Abschnittes 
des  genannten  Raumes,  in  dem  die  Mm,  recti  laterales  liegen,  bildet 
jederseits  der  basicapsuläre  Verbindungsknorpel,  während  die  Decke 
des  Raumes  (Fig.  342)  durch  den  häutigen  Boden  des  Cavum  cerebrale 
cranii  zu  stände  kommt,  der  in  Form  einer  Membran  zwischen  den 
in  höherem  Niveau  bleibenden  Seitenteilen  der  Schädelbasis  ausge- 
spannt ist  und  hinten  (dorsal  von  der  Chorda)  in  den  mesotischen 
Teil  der  Basalplatte,  vorn  in  den  supraseptal  gelegenen  häutigen 
Boden  des  Cavum  cerebrale  cranii  der  Orbito-temporalregion  über- 
geht. Diese  Anfangs  membranöse  Decke  über  dem  mittleren  Ab- 
schnitt des  Augenmuskelkanals  verknorpelt  zum  Teil :  es  bildet  sich 
dabei  erst  eine  Querbrücke  über   und  vor   der  vorderen  Chordaspitze 


Frontale 


Caps,  audit. 
Squamos.  -ß 


Syomand. 


Praeoperc, 


iV.   hyomand.  \    'Parachord.  ant. 
Parasphenoid.. 


Pseudohranchie 


M.  rect.  lat.  oc. 


\m3/ 

Stylohyale  .    ^ 
Interop .  -Ul  V  \  \ 

Keratohyale  -^^ 

Fig.  342.  Querschnitt  durch  den  vprderen  Teil  der  Labyrinthregion  eines  24  mm 
langen  Embryo  von  SaUno  salar.  Vergr.  24mal.  Der  Schnitt  geht  durch  den  mitt- 
leren Abschnitt  des  Augen muskelkanales  und  zeigt  das  Verhalten  desselben  zu  dem 
Skelett  sowie  zum  Cavum  cerebrale  cranii. 


(Fig.  340),  diese  dehnt  sich  dann  kaudal-  und  rostralwärts  weiter  aus 
und  läuft  in  eine  vordere,  zwischen  beiden  Nu.  abducentes  median 
gelegene  Knorpelzunge  aus.  Die  Nn.  abducentes  durchbohren  also 
den  lateral-vorderen  häutigen  Teil  der  Decke  des  Augenmuskelkanals, 
um  in  diesen  einzudringen  (hinter  den  Nn.  palatini).  In  anderer  Weise 
kommt  der  hinterste  Abschnitt  des  Augenmuskelkanals  zu  stände. 
Die  Mm.  recti  laterales,  die  durch  die  Fenestra  basicranialis  post. 
hindurch  an  die  Ventralfläche  der  primordialen  Schädelbasis  wachsen, 
lagern  sich  zwischen  diese  und  das  Parasphenoid.  Ihre  Dickenzunahme 
drängt  das  Parasphenoid  von  der  primordialen  Schädelbasis  weiter  ab, 
während  der  mittlere  Teil  der  Basalplatte  über  den  Muskeln  empor- 
gedrängt wird,  und  die  Basalplatte  neben  den  Muskeln  sich  nach 
abwärts  verdickt,  so  daß  der  Augenmuskelkanal  eine  laterale  Be- 
grenzung erhält. 


Die  Eutwickelung  des  Kopfskelettes. 


667 


Während  also  der  mittlere  Abschnitt  des  Augenmuskelkanals  (der  vorderste 
gehört  der  Orbito-temporalregion  an)  sich  zwischen  den  vorderen  Parachordalia  und 
dem  Gehirn,  also  dorsal  von  der  primordialen  Schädelbasis  bildet  und  einen  Ab- 
schnitt des  primordialen  Cavum  cranii  darstellt,  entsteht  der  hintere  Abschnitt  ventral 
von  der  primordialen  Schädelbasis  und  stellt  einen  Raum  zwischen  dieser  und  dem 
Parasphenoid  dar,  das  die  Basis  des  definitiven  Craniums  bildet.  Die  hintere  basi- 
kraniale  Fontanelle  vermittelt  die  Verbindung  zwischen  beiden  Abschnitten.  Der 
Augenmuskelkanal  gewinnt  mit  fortschreitender  Entwickelung  der  Mm.  recti  laterales 
an  Höhe  und  Breite;  die  Austrittsöffnung  des  N.  palatinus  kommt  dadurch  in  ihn 
zu  liegen,  und  der  N.  palatinus  muß  erst  durch  die  häutige  Decke  des  Kanals  in 
diesen  eindringen,  um  dann  erst  durch  das  basal  gelegene  Foramen  an  die  Ventral- 
flache  der  Schädelbasis  (auf  die  Dorsalfläche  des  Parasphenoids)  zu  gelangen.  —  Die 
hinteren  Partieen  der  vorderen  Parachordalia,  die  anfangs  durch  einen  Zwischen- 
raum von  der  Chorda  getrennt  waren,  nähern  sich  ihr  im  Laufe  der  Entwickelung; 
ein  schmaler  Zwischenraum  bleibt  aber  bestehen  und  wird  später  knöchern  ausge- 
füllt (s.  Basioccipitale). 

Gegexbaur  (1872)  leitet  den  hinteren  Augenmuskelkanal  der  Teleostier  (ein 
'  „vorderer"  findet  sich  im  Skelett  der  Ethmoidalregion)  von  dem  Canalis  transversus 
her,  der  bei  Selachiern  die  Schädelbasis  quer  durchsetzt.  Sagemehl  (1884)  schließt 
sich  ihm  an,  und  weist  darauf  hin,  daß  auch  Amia  einen  in  der  Basis  cranii  ge- 
legenen Raum  besitzt,  der  aber  zum  größten  Ted  von  lymphoidem  Gewebe  erfüllt 
wird.  Man  kann  nach  S.  annehmen,  daß  dieser  Raum  als  Lymphraum  präformiert 
war  und  sekundär  von  den  Ursprüngen  der  Mm.  recti  laterales  occupiert  wurde. 
Diese  Anschauung  ist  für  den  vorderen  und  den  mittleren  Abschnitt  des  Kanals 
ganz  plausibel,  der  hintere  Abschnitt  ist  aber  auf  Grund  der  obigen  Darstellung 
anders  aufzufassen:  als  ein  Raum,  der  sich  unter  der  ursprünglichen  Basis  cranii 
zwischen  dieser  und  dem  Parasphenoid,  gebildet  hat,  bei  der  weiteren  Ausdehnung 
der  Mm.  recti  laterales. 

Au  der  Decke  der  Schädelliöhle  bildet  sich  zwischen  den  hinteren 
Hälften  beider  Ohrkapseln  ein  ausgedehntes  knorpeliges  Dach  (Tee tum 
synoticum),  das  sich  kaudalwärts  in  das  Dach  der  Occipitalregion 
fortsetzt  (Fig.  340). 

In  der  Orbito-temporalregion,  deren  Grundlage  die 
Trabekel  und  die  aus  der  Verschmelzung  ihrer  vorderen  Abschnitte 
hervorgegangene  mediane 
Trabecula  communis  bilden, 
kommt  es  nur  zu  einer  ge- 
rin gfügigen  Verknorpelun g 
der  Wände  des  Schädel- 
rohres ;  in  der  Hauptsache 
bleiben  dieselben  häutig 
und  werden  später  aus 
diesem  Zustand  direkt  in 
Knochen  übergeführt.  Die 
Konfiguration  des  häutigen 
Schädels  erleidet  eine  be- 
merkenswerte Umwandlung 


Taen. 

inarg. 


% 


Fig.  343.  Querschnitt  durch 
den  vorderen  Teil  der  Orbito-tem- 
poralregion eines  12  mm  langen 
Embryo  von  Salmo  fario  (Serie 
von  Herrn  Dr.  Schlfip).  Vergr. 
48mal.  Septum  interorbitale  über 
der  Trabecula  communis  noch 
ganz  niedrig. 


~V«.^»<<' 


I 


PalatoquaiJr 
(P.  palat.) 

Trabec.  covim 


Meckel 


durch  Ausbildung  des  Septum  interorbitale,  d.  h.  der  medianen 
Scheidewand  zwischen  beiden  Orbito-temporalhöhlen,  die  über  der 
(durch  die  paarigen  und  die  unpaaren  Trabekel  gebildeten)  Schädelbasis 


668 


E.  Gaupp, 


und  unter  dem  eigentlichen  Cavum  cerebrale  cranii  entsteht.  Durch 
ihre  Ausbildung  wird  der  Boden  der  Schädelhöhle  in  supraseptale 
Lage  emporgehoben,  also  von  der  Basis  des  Gesamtschädels  entfernt. 
Das  Septum,  das  anfangs  überall  niedrig  ist  (Fig.  343),  nimmt  mit 
fortschreitender  Entwickelung  namentlich  in  seinem  vorderen  (pro- 
chiasmatischen)  Teil  sehr  bedeutend   an  Höhe  zu  (Fig.  344),  während 


— Frontale 


^'^^^f^\M- 


Seiit.  interorbit. 


(B- 


y 


Para- 
sphenoid 

Palatoquadrattim, 

Fig.  344.  Querschnitt  durch  den  vordersten  Teil  der  Orbito-temporalregion 
eines  25  mm  langen  Embryo  von  Salrao  salar.  Vergr.  56mal.  Septum  interorbitale 
über  der  Trabecula  communis  hoch;  in  seinem  oberen  Rande  auf  der  Grenze  gegen 
den  supraseptalen  häutigen  Boden  des  Schädelrohres  eine  Verknorpelung,  die  nach 
vorn  hin  in  den  Knorpel  der  Ethmoidalregion  übergeht.  (Der  Schnitt  entstammt 
der  Serie,  nach  der  das  Modell  Fig.  340  u.  341  hergestellt  sind  und  geht  durch  den 
vordersten  Teil  der  Orbito-temporalregion,  über  der  bereits  ein  knorpeliges  Tectum 
cranii  besteht.) 


sein  hypo-  und  metachiasmatischer  Abschnitt  niedriger  bleiben  (Fig.  345). 
Seine  basale  Anheftung  findet  es  im  hypo-  und  prochiasmatischen  Ab- 
schnitt an  der  Trabecula  communis,  die  zu  einem  niedrigen  aufwärts 
gerichteten  medianen  Knorpelkamm  auswächst,  hinter  dem  Chiasma 
opticum  dagegen,  d.  h.  im  Bereich  der  Fenestra  hypophyseos,  an  einer 
Membran,  die  hier  die  beiden  Trabekel  verbindet  und  die  erwähnte 
Lücke  verschließt. 

An  seinem  oberen  Rande  geht  das  Septum  in  den  häutigen  Boden 
der  Schädelhöhle  über,  der  sich  kaudal  an  den  knorpeligen  Boden  der 
Labyrinthregion  anschließt  und  vor  dem  Chiasma  opticum,  entsprechend 
dem  Verhalten  des  Septums,  sehr  erheblich  ansteigt. 

Der  niedrige  hypo-  und  metachiasmatische  Abschnitt  des  Septums  liegen  nicht 
zwischen  den  Augen  selbst,  sondern  zwischen  den  Augenmuskeln,  die  neben  ihm 
sich  nach^rückwärts  erstrecken.    Der  supraseptale  häutige  Schädelhöhlenboden  dieser 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes. 


669 


Gegend  deckt  die  Augenmuskeln  (Mm.  recti  mediales  und  inferiores)  von  oben 
(Fig.  345)  und  geht  lateralwärts  in  die  Seitenwände  des  Cavum  cranii  über,  die 
wenigstens  im  hinteren  Teil  der  Orbito-temporalregion  zur  Verknorpelung  kommen 
(Verbindungsmassen  zwischen  der  Ohrkapsel  und  dem  vorderen  Parachordale  und 
der  Trabekel).  In  diesem  Gebiet  der  Orbito-temporalregion  kommt  es  so  zur 
Bildung  des  vordersten  Abschnittes  des  Augenmuskelkanals:  der}Boden  des- 
selben wird  von   beiden  Trabekeln    und   der  Membran   zwischen    beiden^  (sowie  dem 


Frontale 


Caps.  aud. 

oculoii 
Ggl.  Trigemin 


Palatoquaclr. 


Hyomand. 
Praeoperc. 


Interoperc U 

Keratohyale 


N.  ocidomot.  — ?-# 


N.  palatin. 


Knorpel  der 

Fseudo-         Hiipophys. 
branchie     Parasphen. 


31.  rect.  lat.  oc 
Trabec. 
M.  rect.  med.  oc. 


Fig.  345.  Querschnitt  durch  den  hinteren  Teil  der  Orbito-temporalregion  eines 
24  mm  langen  Embryo  von  Salmo  salar.  Vergr.  24mal.  Der  Schnitt  geht  durch 
die  Fenestra  hypophyseos  (zwischen  beiden  Trabekeln)  und  zeigt,  wie  die  Hypophyse 
durch  die  beiden  Mm.  recti  mediales  ocul.  und  den  zwischen  diesen  befindlichen 
metachiasmatischen  Abschnitt  des  Septum  interorbitale  dorsalwärts  aus  dem  Gebiete 
der  Fenestra  hinaus  verlagert  wird. 

Parasphenoid),  die  Decke  von  dem  häutigen  Boden  der  Schädelhöhle  gebildet, 
während  die  seitliche  Begrenzung  jederseits  durch  den  unteren  Abschnitt  des  Seiten- 
wandknorpels  zwischen  Ohrkapsel  und  Trabekel  zu  stände  kommt.  Kaudalwärts 
geht  er  in  den  mittleren  Abschnitt  des  Augenmuskelkanals  (Fig.  342)  über,  ventral- 
wärts  öffnet  er  sich  nach  der  Seite  hin  gegen  die  Orbita,  entsprechend  dem  freien 
vorderen  Rand  des  Seiten  wand  knorpels. 

Durch  die  Augenmuskeln  wird  somit  auch  im  hinteren  Abschnitt  der  Orbito- 
temporalregion  das  Gehirn  von  der  eigentlichen  Basis  cranii  abgedrängt,  und  auch 
die  Hypophysis  cerebri  kommt  dadurch  aus  dem  Gebiet  der  Fenestra  hypophyseos 
heraus  (Fig.  345). 

Die  Partieen,  die  innerhalb  der  häutigen  Schädelwände  der  Orbito- 
temporalregion  zur  Verknorpelung  kommen,  sind  bei  Salmo  folgende: 
1)  der  hinterste  Teil  der  Seitenwand,  unter  und  vor  der  vorderen 
Ohrkapselkuppel:  er  bildet  eine  den  Postorbitalfortsatz  vergrößernde, 
mit  der  Ohrkapsel  zusammenhängende,  über  dem  Trigeminus  gelagerte 
Knorpelwand,  sowie  eine  ventral  vom  Trigeminus  gelegene,  nicht  sehr 
ausgedehnte  Wandpartie  die  sich  hinten  an  die  präfaciale  basicapsuläre 
Commissur  anschließt  und  vorn  eine  Verbindung  mit  der  Trabekel 
erlangt,  2)  eine  obere  Randleiste  (Taenia  marginalis,  Supraorbitalband) : 
dieselbe   zieht  im  Anschluß  an  den   dorsalen  Abschnitt   der  oben  ge- 


670  E.  Gaupp, 

schilderten  Wandpartie  am  dorsal-lateralen  Rande  der  häutigen 
Schädelwand  nach  vorn,  um  in  den  gleich  zu  erwähnenden  Deckenab- 
schnitt überzugehen  (Fig.  341) ;  3)  die  Decke  über  der  vorderen  Hälfte 
des  orbito-temporalen  Schädelhöhlenabschnittes :  in  sie  geht  die  Taenia 
marginalis  über;  endlich  4)  ein  Teil  des  Septum  interorbitale  und  der 
anschließenden  Schädelwand  jederseits  (Boden  und  Seitenwände)  ganz 
vorn  hinter  der  Ethmoidalregion  (in  Fig.  344  im  Beginn).  Die  übrigen 
Gebiete  der  Schädelhöhlenwände,  also  auch  das  Gebiet  der  Seiten- 
wand, durch  das  die  Aeste  des  Trigeminus,  der  Oculomotorius  und 
der  Trochlearis  hindurchtreten,  bleiben  bis  zu  ihrer  Verknöcherung 
häutig.  Vorn  endet  das  Cavum  cranii  blind  an  dem  dorsalen  Teil 
der  ethmoseptaleu  (präcerebralen)  Knorpelmasse;  an  der  Basis  dieses 
vordersten  Schädelhöhlenabschnittes  liegt  jederseits  neben  der  Mittel- 
linie ein  F  0  r  a  m  e  n  o  1  f  a  c  t  o  r  i  u  m  e  v  e  h  e  n  s ,  durch  das  der  N.  olfac- 
torius  heraustritt,  um  eine  Strecke  weit  frei  durch  die  Orbita  zwischen 
dem  M.  obliquus  superior  und  dem  M.  obliquus  inferior  zu  verlaufen 
und  dann  erst  durch  das  F  o  r  a  m  e  n  o  1  f  a  c  t  o  r  i  u  m  a  d  v  e  h  e  n  s  des 
Planum  antorbitale  zur  Geruchsgrube  zu  dringen.  Auf  jungen  Stadien, 
wo  der  Geruchssack  lateral  vom  ventralen  Umfang  des  Gehirns  liegt, 
hat  der  N.  olfactorius  nur  einen  ganz  kurzen  Verlauf;  erst  mit  der 
Entfernung  des  Geruchssackes  vom  Gehirn  wächst  er  lang  aus,  ohne 
aber  in  seinem  hinteren  Abschnitt  eine  Skelettumhüllung  zu  bekommen 
(s.  Ethmoidalregion). 

Septum  interorbitale.  Zur  Ausbildung  eines  Septum  interorbitale  (tropi- 
basischer  Schädeltypus)  kommt  es  bei  den  meisten  Teleostiern ;  nur  in  einzelnen 
Fällen  unterbleibt  sie  (Siluroiden,  Homaloptera  unter  den  Cyprinoiden  ;  nach  Sage- 
mehl). Ueber  Details  der  Septumbildung  s.  Sagemehl.  Die  Höhe  des  Septums 
ist  sehr  verschieden,  so  daß  die  Orbitae  bald  nur  in  ihrem  unteren  Teil,  bald  in  fast 
ganzer  Höhe  durch  dasselbe  getrennt  werden.  Entsprechend  verhält  sich  die  Aus- 
dehnung der  supraseptal  gelegenen  Schädelhöhle:  bei  niedrigem  Septum  ist  sie 
weiter  als  bei  höherem.  Bei  Fehlen  des  Septums  reicht  die  Schädelhöhle  von  der 
Schädelbasis  (Parasj^henoid)  bis  zur  Schädeldecke,  und  die  Foramina  optica  sind  ge- 
trennt; bei  Vorhandensein  des  Septums  fließen  die  letzteren  zusammen.  Die  Aus- 
bildung des  Septums  hängt  zusammen  mit  der  Größe  der  Augen,  offenbar  aber 
auch  mit  der  Lagerung  derselben:  die  Augen  bleiben  nahe  dem  Gehirn,  d.  h.  der 
Mittelebene,  liegen  und  entfernen  sich  nicht  sehr  weit  lateral wärts.  So  drängen  sie 
bei  ihrer  Vergrößerung  die  Schädelhöhle  mit  dem  Gehirn  aufwärts  und  bedingen 
die  Ausbildung  des  Septums  unter  der  letzteren.  Vielleicht  fällt  die  Bildung  des 
Septum  interorbitale  unter  den  gleichen  Gesichtspunkt  wie  der  Mangel  der  medialen 
ührkai^selwand :  beide  Erscheinungen  lassen  sich  in  Zusammenhang  bringen  mit  der 
schmalen,  von  beiden  Seiten  komj^rimierten  Form  des  Teleostierschädels,  die  einem 
Zusammengedrängtsein  aller  Teile  gegen  die  Mittelebene  ihre  Entstehung  verdankt. 
Die  Bildung  des  vorderen  und  hinteren  Augenmuskelkanals  kann  in  Zu- 
sammenhang mit  dieser  Umwandlung  als  eine  Einrichtung  aufgefaßt  werden,  die 
eine  Verlängerung  der  Muskeln  ermöglicht. 

Decke  der  Orbito -tem  poralr  egion.  Die  Decke  über  der  vorderen 
Hälfte  des  orbito-temporalen  Schädelhöhlenabschnittes  besitzt  bei  ihrer  Entstehung 
eine  Beziehung  zu  dem  Corpus  pineale.  Sie  bildet  sich  als  Deckenquerleiste  (E  p  i  - 
physarleiste)  dicht  hinter  dem  Corpus  pineale  und  tritt  dann  in  Verbindung 
mit  der  von  hinten  herkommenden  Randspange  sowie  durch  eine  ähnliche  Spange 
jederseits  mit  dem  Knorpel  der  Ethmoidalregion.  So  werden  2  Fontanellen  des 
Schädeldaches,  eine  größere  hintere  und  eine  kleinere  vordere,  gebildet.  Die  vordere, 
die  wohl  der  Präfrontallücke  der  Selachier  entspricht,  schließt  sich  allmählich  (in 
Fig.  340  ist  als  Andeutung  von  ihr  noch  eine  kleine  Oeffnung  vorhanden);  die 
hintere  wird  nicht  vollständig  knorpelig  geschlossen,  wohl  aber  später  in  2  {auch 
beim  erwachsenen  Tier  bestehen  bleibende)  seitliche  Hälften  zerlegt,  indem  sich  eine 
mittlere  Deckenspange  (Taenia  tecti  raedialis)  ausbildet  (Fig.  346).  Dieselbe 
verknorpelt  hauptsächlich  von  vorn  her,  im  Anschluß  an  die  Mitte  der  ursprünglichen 
Epiphysarleiste,  doch  zeigt  die  im  Bereich  der  vorderen  Hälfte  der  Labyrinthregion 
sich  bildende  Partie  eine   größere  Selbständigkeit  und   verknorpelt  für  sich.     Der 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  671 

hinterste  Teil  der  Fontanelle  bleibt  ungeteilt,  da  die  mittlere  Deekenspange  nicht 
ganz  bis  an  das  Tectiim  synoticum  reicht;  seine  Verschlußmembran  verknöchert 
später  (s.  Supraoccipitale  p.  677). 

Bei  Gasterosteus  entsteht  nach  Swinnerton  ebenfalls  hinter  dem  Corpus 
pineale  die  Epiphysarspange;  diese  setzt  sich  jedoch  durch  obere  Eandspangen  nur 
mit  dem  Ethmoidalskelett,  nicht  aber  mit  der  Ohrkapsel  in  Verbindung.  Die  hintere 
Dachfontanelle  erhält  somit  keine  seitlichen  Begrenzungen.  Dagegen  ist  bei  manchen 
anderen  Teleostiern  (z.  B.  Esox),  die  Decke  des  Knorpelschädels  vollständiger  als 
bei  Salmo.  —  Bei  Gasterosteus  gehen,  nach  Swinnekton,  Teile  der  Taeniae 
marginales  sowie  die  Trabekel  neben  der  Fenestra  hypophyseos  embryonal  zu  Grunde, 
so  daß  der  vordere  und  der  hintere  Teil  des  Primordialcraniums  voneinander  ge- 
trennt werden. 

Das  Skelett  der  Etil moi dal region  bildet  sich  im  Anschluß  an 
die  Ethmoidalplatte  (p.  663).  Auf  dieser  erhebt  sich  das  Sep- 
tum  nasi,  in  seinem  mittleren  Teil  schmal,  vorn  und  hinten  ver- 
dickt. In  dem  hinteren  verdickten  präcerebralen  Teil  endet  dorsal  das 
Cavum  cranii  blind.  Der  vordere  verdickte  Teil  nebst  dem  medianen 
Gebiet  der  Ethmoidalplatte  wächst  zu  einem  kurzen  Rostrum  aus. 
Lateral  vom  Internasalseptum  auf  den  Seitenteilen  der  Ethmoidalplatte 
lagern  die  Geruchssäcke ;  die  G  e  r  u  c  h  s  g  r  u  b  e  n ,  die  medial  vom 
Septum,  basal  von  der  Ethmoidalplatte,  vorn  von  der  rostralen  Ver- 
breiterung des  Septums  begrenzt  werden,  erfahren  eine  Begrenzung 
gegen  die  Orbita  durch  Ausbildung  je  eines  hohen  Planum  ant- 
orbitale,  das  sich  auf  der  Ethmoidalplatte  erhebt,  medial  mit  dem 
Septumknorpel  zusammenhängt  und  dorsal  in  das  Tectum  des  orbi- 
to-temporalen  Schädelhöhlenabschnittes  übergeht.  Auf  der  Grenze 
zwischen  dem  Planum  antorbitale  und  dem  Septalknorpel  liegt  jeder- 
seits  das  Foramen  olfactorium  advehens,  lateral-dorsal  davon 
das  Foramen  orbitonasale  für  den  R.  ophthalmicus  des  Trige- 
minus.  Zwischen  beiden  Foramina  olfactoria  wird  der  präcerebrale 
Teil  der  septalen  Knorpelmasse  eine  Strecke  weit  ausgehöhlt  durch 
den  vorderen  Augen muskelkan  al,  eine  vorn  blind  im  Knorpel 
«ndende  Grube,  in  die  von  beiden  Orbitae  aus  die  Ursprünge  Mm, 
obliqui  oculi  (sup.  und  inf.)  einwachsen.  Die  Grube,  in  ihrem  hinteren 
Teil  durch  ein  knorpeliges  Septum  in  zwei  seitliche  Hälften  geteilt,  in 
ihrem  vorderen  einheitlich,  dringt  mit  fortschreitender  Entwickelung^ 
als  enger  Kanal  tief  nach  vorn  hin  in  das  Internasalseptum  ein. 

In  der  Umgebung  der  Nasenlöcher  und  in  der  Hautbrücke,  die 
beide  trennt,  bildet  sich  bei  vielen  Teleostiern  (Cyprinoideu,  Chara- 
ciniden)  ein  8-förmiger  Nasenflügelknorpel,  der  mit  dem  Knorpel 
des  Primordialcraniums  nirgends  zusammenhängt.  Er  ist  dem  der 
Selachier  homolog  (Sagemehl).  Ob  er  selbständig  entsteht,  ist  un- 
bekannt. 

Verhalten  des  N.  olfactorius.  Das  eigentümliche,  vielen  Teleostiern  zu- 
kommende Verhalten,  daß  die  Wand  der  iSchädelhöhle  in  der  vorderen  medialen 
Ecke  der  Orbita  von  einem  For.  olfactorium  evehens  durchsetzt  ist,  und  der  heraus- 
tretende N.  olfactorius  eine  Strecke  weit  frei  durch  die  Orbita  verläuft,  um  durch 
ein  besonderes  For.  olfactorium  advehens  des  Planum  antorbitale  zur  Geruchsgrube 
zu  dringen,  muß  wohl  abgeleitet  werden  von  dem  gewöhnlichen  Verhalten,  wo  die 
Wände  der  Schädelhöhle  direkt  in  das  Skelett  der  Ethmoidalregion  übergehen,  und 
das  Cavum  cranii  durch  ein  For.  olfactorium  oder  einen  längeren  Canalis  olfactorius 
mit  der  Geruchsgrube  kommuniziert.  Entsprechende  Formen  giebt  es  auch  unter 
den  Teleostiern  (Siluroiden,  Cyprinoiden,  Mormyriden,  Gadiden,  nach  Sagemehl). 
Sagemehl  hat  darauf  aufmerksam  gemacht,  daß  bei  diesen  letzteren  Formen  sich 
auch  der  Lobus  und  Nervus  olfactonus  anders  verhalten :  der  Bulbus  olf.  liegt  dem 
Geruchssack  an  und  wird  durch  einen  Jangen,  in  dem  CanaHs  olfactorius  verlaufen- 
den Tractus  mit  dem  Hemisphärenhirn  verbunden  (Selachiertypusj.  Bei  höher 
stehenden   Formen    tritt   nun   an   der  vorderen   Ecke   der  Orbita   eine   durch   eine 


672  E.  Gaupp, 

Membran  geschlossene  Lücke  der  Schädelhöhlenwand  auf,  und  von  hier  aus  läßt  sich 
eine  Reihe  von  Zuständen  feststellen,  in  denen  diese  Fenestrierung  fortschreitet. 
Gleichzeitig  damit  zieht  sich  der  Bulbus  olfactorius  vom  Geruchssack  gegen  das 
Gehirn  zurück,  und  zwischen  ihm  und  dem  Geruchssack  spinnt  sich  ein  lauger 
Nervus  olfactorius  aus.  Dieser  kommt  bei  fortschreitender  Fenestrierung  der  Schädel- 
höhlenwand frei  in  die  Orbita  zu  liegen.  Dies  die  Vorstellung  von  Sagemehl.  Es 
will  mir  jedoch  scheinen,  als  ob  es  sich  hauptsächlich  um  eine  P'enestrierung  und 
Usurierung  der  Wand  eines  Canalis  olfactorius,  wie  er  z.  B.  bei  Amia  besteht, 
nicht  aber  um  eine  solche  der  eigentlichen  Schädelhöhlenwand  handelt.  Für  das 
Verständnis  des  Vorganges  kommen  offenbar  mehrere  Momente  in  Betracht :  die 
Ausbildung  des  Septum  interorbitale,  die  Vergrößerung  der  ürbita  nach  vorn  hin  in 
den  antorbitalen  Knorpel  und  besonders  auch  das  Einwachsen  der  Mm.  obliqui  oculi 
in  den  medianen  Knorpel  der  Ethmoidalregion.  Gerade  das  letztere  Moment  scheint 
mir  als  definitiv  befreiender  Faktor  für  den  Olfactorius  von  besonderer  Wichtigkeit. 
Der  Canalis  olfactorius  selbst  ist  als  in  den  Raum  der  Orbita  aufgegangen  zu 
betrachten,  die  beiden  Foramina  olfactoria  als  seine  ursprüngliche  rostrale  und 
kaudale  Mündung.  Die  vermittelnden  Zustände  sind  ontogenetisch  bisher  noch  gar 
nicht  untersucht. 

B.  Primordiales  Visceralskelett. 

Prä  kraniale  Skelettteile. 

In  der  Umgebung  des  vorderen  Schädelendes  der  Teleostier 
kommen  knorpelige  Skelettstücke  vor,  die  als  präkraniale  aufgefaßt 
und  in  irgend  einer  Weise  mit  den  so  bezeichneten  Teilen  der 
Selachier  verglichen  werden.     Ihre  Natur  ist  noch  sehr  unsicher. 

1.  Ein  unpaarer,  von  Sagemehl  als  Rostrale  bezeichneter 
Knorpel  (Schnauzenteil,  Stannius  ;  Premaxillary  piece,  Pollard),  der 
diskret  ist  oder  mit  dem  vorderen  Ende  des  Schädels  zusammenhängt, 
findet  sich  bei  Siluroiden,  Scomberesociden,  Cyprinodonten  u.  a.  und 
dient  hier  zur  Anlagerung  des  Praemaxillare. 

Sagemehl  vergleicht  ihn  einem  Knorpel,  der  bei  Heptanchus  in  der  Syndes- 
mose zwischen  beiden  Palatoquadrata  liegt;  Pollard  findet  sein  Homologon  bei 
Myxine  und  scheint  ihn  auch  für  eine  dem  vorderen  oberen  Lippenknorpel  der 
Selachier  gleichwertige  Bildung  zu  halten. 

2.  Bei  Salmo  bildet  sich  seitlich  unter  dem  Rostrum  je  ein  kleines 
Knorpelchen  (S  ubr  os  trale),  dem  das  Praemaxillare  aufliegt.  Der 
Knorpel  entsteht  erst  nach  dem  Knochen  (s.  Praemaxillare).  Dieser 
diskrete  Knorpel  verträgt  wohl  eher  den  Vergleich  mit  dem  vorderen 
Oberlippenknorpel  der  Selachier.  Parker  beschreibt  statt  eines  zwei 
Knorpelchen  (upper  labials). 

3.  Als  Submaxillaria  bezeichnet  Sagemehl  1—3  kleine 
Knorpelchen,  die  unter  dem  Maxillare  zur  Ausbildung  kommen  können 
(Catostomiden,  Gymnotus,  Perca).  Vielleicht  repräsentieren  sie  in  ihrer 
Gesamtheit  den  hinteren  Oberlii)penknorpel  der  Selachier. 

4.  Vielen  Teleostiern  kommt  endlich  ein  M  u  n  d  w  i  n  k  e  1  k  n  o  r  p  e  1 
zu,  der  in  der  Mundwinkelfalte  liegt  (Joh.  Müller,  Stannius).  Er 
scheint  dem  unteren  Lippenknorpel  der  Sehxchier  zu  entsprechen. 

Pollard  beschreibt  im  ganzen  7  Paare  präkraniale  Skelettteile  der  Teleostier, 
die  bei  Siluroiden,  bei  der  einen  oder  anderen  Form,  zu  langen  Tentakeln  aus- 
gewachsen vorkommen  können.  Darunter  zählt  er  auch  die  Nasenflügelknor^iel 
sowie  einige  „vorknorpelige"  Partieen.  Die  Tentakel  vergleicht  er  mit  denen  von 
Myxine.     Die  Richtigkeit  dieser  Vorstellungen  ist  sehr  zweifelhaft. 

Die  Visceralbogen. 

Kurz  nach  Beginn  der  knorpeligen  Differenzierung  des  neuralen 
Craniums  erscheinen  der  Reihe  nach  von  vorn  nach  hinten  die  An- 
lagen der  Visceralbogen  als  paarige  Gebilde,  die,  in  den  „häutigen" 
Visceralbogen  gelegen,  mit  dem  neuralen  Schädel  in  keiner  Verbindung 
stehen,    sondern    dorsal    wie    ventral    frei    enden.     In    der    ventralen 


Die  Entwickelimg  des  Kopfskelettes.  673 

Mittellinie  entwickelt  sich  selbständig  ein  median  gelagerter  Knorpel- 
stab, Copula  communis,  an  dessen  Seiten  sich  Zungenbein-  und 
Kiemenbogen  bald  anfügen.  Bei  ca.  9  mm  langen  Embryonen  von 
Salmo  trutta  finden  sich  6  von  den  7  Visceralbogen  sowie  die  Copula 
communis  deutlich  angelegt  und  in  der  knorpeligen  Differenzierung 
begriffen ;  bei  jungen,  seit  einigen  Tagen  ausgeschlüpften  Lachsen  ist 
das  knorpelige  Visceralskelett  in  seinen  wesentlichen  Teilen  ausgebildet 
(Stöhr). 

Kiefer  bogen.  Schon  bei  den  9  mm  langen  Embryonen  von 
Salmo  trutta  sind  das  Palatoquadratum  und  der  primordiale  Unter- 
kiefer voneinander  abgesetzt,  und  zwar  zeigt  sich  das  Palatoquadratum 
nicht  so  weit  entwickelt  wie  der  Unterkieferknorpel  (Stöhr).  Vom 
Palatoquadratum  ist  zuerst  nur  der  Quadratteil  vorhanden;  die  defini- 
tive Form  desselben,  namentlich  auch  die  verdickte  Pars  articularis, 
bilden  sich  erst  allmählich  aus.  Die  Pars  palatina  tritt  erst  später 
(bei  12 — 13  mm  langen  Lachsembryonen)  auf  und  zwar  als  ein  Aus- 
wuchs des  Quadratabschnittes.  Die  Bildung  eines  vorknorpeligen 
Streifens  geht  der  Knorpelbildung  voraus;  nach  Lundborg  stammt 
das  ihn  bildende  Zellmaterial  vom  ektodermalen  Epithel  des  Mund- 
höhlendaches. Zuweilen  schreitet  die  knorpelige  Dift'erenzierung  nicht 
kontinuierlich  von  hinten  nach  vorn  vor,  sondern  in  der  vorderen 
Hälfte  der  vorknorpeligen  Leiste  entsteht  ein  selbständiger  Knorpel- 
herd, der  erst  später  mit  dem  von  der  Pars  quadrata  aus  entstandenen 
Abschnitt  zusammenfließt.  Das  vordere  Ende  des  Palatinknorpels  legt 
sich  anfangs  an  die  Seite  der  Ethmoidalplatte  an ;  bei  älteren  Embry- 
onen von  Lachs  und  Hecht  (Abb.  bei  Walther)  haben  sich  zwei 
Verbindungen  ausgebildet,  eine  hintere  an  der  Basis  der  Antorbital- 
gegend  (Junctura  ethmo-palatina)  und  eine  vordere  zur  Seite  des 
vordersten  Teiles  des  Ethmoidalskelettes  (sie  mag  J.  rostro-palatina 
heißen). 

Nach  Paeker  entsteht  der  vor  der  J.  ethmo-palatina  gelegene  (Prepalatin-) 
Abschnitt  des  Palatinknorpels  sekundär  als  ein  Auswuchs  aus  dem  hinteren  Teil; 
dann  würde  also  die  J.  rostro-palatina  ebenfalls  sekundär  sich  erst  ausbilden;  die 
Abbildungen  von  Walther  (von  Esox)  legen  aber  den  Gedanken  nahe,  ob  nicht 
beide  Verbindungen  aus  der  ursprünglichen  Anlagerung  des  Palatinknorpels  an  der 
Seite  der  Ethmoidalplatte  (die  in  ziemlich  langer  Linie  erfolgt)  hervorgehen.  Neu- 
untersuchung ist  notwendig. 

Der  primordiale  Unterkiefer  ist  an  seinem  ventralen  Ende 
von  dem  der  anderen  Seite  anfangs  weit  getrennt,  rückt  diesem  aber 
später  immer  näher,  so  daß  bei  jung  ausgeschlüpften  Lachsen  eine 
nur  schmale  Fuge  die  beiderseitigen  Knorpel  vereinigt. 

Zungenbein  bogen.  Auch  die  beiderseitigen  Hälften  des 
Zungenbeinbogens  sind  anfangs  weit  voneinander  getrennt;  der  Bogen 
entsteht  also  paarig.  Zwischen  den  ventralen  Enden  beider  Hyalia 
liegt  schon  frühzeitig  das  vordere  Ende  der  Copula  communis.  Schon 
bei  9  mm  langen  Embryonen  von  Salmo  trutta  fand  Stöhr  einen 
jeden  Bogen  als  einen  prochondralen  Streifen,  an  dem  drei  isolierte 
Knorpelherde  zu  konstatieren  waren,  als  Anlagen  des  Hyomandi- 
bulare,  Symplecticum  und  Keratohyale.  Das  Hyomandi- 
bulare  wird  vom  Truncus  hyoideo-mandibularis  des  Facialis  durchbohrt; 
sein  dorsales  Ende  liegt  seitlich  unter  der  Ohrblase,  das  ventrale 
gabelt  sich  in  zwei  vorknorpelige  Fortsätze,  die  aber  Knorpelkerne 
enthalten :  der  vordere  ist  das  Symplecticum,  der  hintere  das  Kerato- 
hyale.    Das    Symplecticum    liegt   dicht   hinter   dem    Quadratum,    wird 

Handbuch  der  Entwickelungslehre.  III.  2.  43 


674  E.  Gaupp, 

aber  von  diesem  durch  eine  schmale  Lücke  getrennt;  das  Keratohyale 
endet  ventral  frei.  Später  tritt  am  ventralen  Ende  des  Keratohyale  als 
isolierter  Knorpelherd  noch  das  Hypohyale  auf,  und  von  dem 
dorsalen  Ende  des  Keratohyale  gliedert  sich  das  Sty  lohyale  ab.  In 
Gegensatz  hierzu  steht  die  nachträgliche  knorpelige  Vereinigung  des 
Symplecticums  mit  dem  Hyomandibulare.  Bei  jung  ausgeschlüpften 
Lachsen  bildet  das  Hyomandibulare  eine  mächtige  sagittal  gestellte 
Platte,  deren  dorsaler  Rand  den  vordem  zwei  Dritteln  der  Ohrkapsel 
angeheftet  ist,  und  die  nach  unten  in  einen  schmäleren  Knorpelfortsatz 
(in  den  das  Symplecticum  aufgegangen  ist)  ausläuft  (Stöhr). 

Von  Interesse  ist,  daß  das  Symplecticum  zuerst  mit  einem  selbständigen 
Knorpelkerne  auftritt  (wie  bei  Knorpelganoiden),  dann  aber  mit  dem  Hyomandibulare 
verschmilzt.  Durch,  den  Ossifikationsprozeß  wird  dann  aufs  Neue  eine  Zerlegung  des 
Hyomandibularknorpels  bewirkt. 

Von  den  Kiemen  bogen  sind  bei  9  mm  langen  Embryonen  von 
Salmo  trutta  4  angelegt  als  paarige  Stäbe,  deren  Länge  vom  L 
bis  zum  4.  abnimmt.  In  der  ventralen  Mittellinie  hängen  die 
beiderseits  entsprechenden  nicht  zusammen,  dorsalwärts  verlieren  sie 
sich  in  indifferentes  Gewebe.  Erst  später  entwickelt  sich  auch  das 
5.  Kiemenbogenpaar.  Die  knorpeligen  Bogen  sind  alle  ursprünglich 
ungegliedert;  die  Gliederung  erfolgt  also  erst  nachträglich,  und  zwar 
findet  Stöhr  zuerst  die  Hypobranchialia  von  den  ventralen  Enden  der 
drei  ersten  Bogen  abgegliedert. 

Bei  Salmo  zerfallen  die  drei  ersten  Bogen  jederseits  in  ein  Hypobranchiale, 
Keratobranchiale,  Epibranchiale,  Pharyngobranchiale;  am  4.  Bogen 
fand  sich  nur  einmal  (Salmo  salar,  25  mm)  ein  Hypobranchiale  abgegliedert,  meist 
unterbleibt  die  Abgliederuug,  und  beim  erwachsenen  Tier  fehlt  ein  solches  Stück 
stets ;  das  5.  Branchiale  bleibt  ungegliedert  und  kurz.  Das  gleiche  Gliederungs- 
schema hat  nach  Stanniüs  für  die  meisten  Teleostier  Gültigkeit. 

Copulae.  In  dem  kernreichen  Gewebe  zwischen  den  ventralen 
Enden  der  Kiemenbogen  differenziert  sich  ein  Knorpelstab,  dessen 
vorderes  Ende  zwischen  den  ventralen  Enden  der  Zungenbeinbogen 
liegt,  und  der  sich  von  hier  aus  nach  hinten  weiter  bildet.  An  diese 
längere  Zeit  ungegliedert  bleibende  Copula  communis  stoßen  von 
den  Seiten  her  die  Hyal-  und  Branchialbogen  an.  Die  Zerlegung  in 
mehrere  Stücke  erfolgt  sekundär.  Zurerst  gliedert  sich  das  vorderste 
stark  verbreiterte  Ende  als  Glossohyale  ab  und  wächst  zu  einer 
platten  langen  Knorpelzunge  heran.  Die  Abgliederung  erfolgt  ent- 
sprechend der  Anlagerungsstelle  der  Hypohyalia.  Der  dahinter  ge- 
legene Abschnitt  der  Copula  zerfällt  beim  Lachs  noch  in  zwei  Teile, 
von  denen  der  vordere  im  Bereich  des  1.,  2.  und  3.,  der  hintere  in 
dem  des  'S.,  4.  und  5.  Branchiale  liegt.  Das  3.  Branchiale  artikuliert 
auf  der  Grenze  der  beiden  Abschnitte.  Im  ganzen  wird  also  die 
Copula  communis  in  drei  knorpelige  Copulae  zerlegt. 

K  i  e  m  e  n  s  t  ä  b  c  h  e  n.  Von  diesen  gilt  das  bei  den  Ganoiden 
Gesagte  (Fig.  340).  Auch  in  der  Pseudobranchie  treten  zahlreiche 
knorpelige  Stäbchen  auf  (Fig.  345). 

IL  Die  Schädelknochen. 

Ueber  die  Entwickelung  der  Schädelknochen  bei  den  Teleostiern 
verdanken   wir  Huxley,   Parker,   Gegenbaur,  Vrolik,  Walther, 

SCHMID-MONNARD,       SAGEMEHL,      FrIEDMANN  ,        SwiNNERTON       UUd 

ScHLEip  Angaben,  die  verschiedene  Teleostierformen  betreffen.  Die 
auf  meine  Veranlassung  unternommenen  Untersuchungen  von  Schleip 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  675 

beziehen  sich  auf  Salmo  salar  und  S.  fario;  ich  lege  sie  der  nach- 
folgenden Darstellung  hauptsächlich  zu  Grunde, 

Die  Schädelknochen  der  Teleostier,  über  deren  Nomenklatur  und 
Homologisierung  das  für  die  Ganoiden  Gesagte  gilt,  zeigen  in  ihrer 
Genese  manche  Besonderheiten,  die  bei  anderen  Wirbeltieren  wenigstens 
nicht  in  diesem  Maße  ausgebildet  sind.  Sie  kamen  schon  teilweise 
im  allgemeinen  Teil  zur  Sprache. 

Nach  dem  Schema  typischer  Deckkuochen  entwickeln  und 
verhalten  sich  bei  Salmo:  Parietale,  Frontale,  Nasale,  Supraethmoidale, 
Praemaxillare,  Maxillare,  Jugale,  Ekto-undEntopterygoid,  Parasphenoid, 
die  Orbitalia,  Supratemporalia,  das  Supraoperculare  und  die  Knochen 
des  Opercularapparates.  Knochen ,  die  als  Deckknochen  entstehen, 
bald  nach  ihrem  Auftreten  aber  mit  einer  Ersatzknochenkomponente 
zu  einer  neuen  Einheit  verschmelzen  (Amphios tosen,  Misch- 
knochen), sind  bei  Salmo:  Squamosum,  Palatinum ,  Articulare, 
Supracopulare.  Ein  Fortschreiten  der  Deckknochenossifikation  in  die 
Tiefe  und  auf  das  Perichondrium  zeigen  der  Vomer  bei  Salmo  und 
das  Pharyngeum  inferius  bei  Cyprinus ;  von  vornherein  zeigt  den 
doppelten  Charakter  das  Dentale. 

Die  als  Deckknochen  auftretenden  Ossifikationen,  mögen  sie 
diesen  Charakter  zeitlebens  behalten  oder  auf  die  eine  oder  die 
andere  Art  auch  Ersatzknochencharaktere  erlangen,  entstehen  entweder 
ohne  Beziehung  zu  irgendwelchen  besonderen  Gebilden,  oder  zeigen 
Beziehungen  zu  Schleimkanälen  oder  Zähnen.  In  dem  Vorhandensein 
oder  Fehlen  derartiger  Beziehungen  verhalten  sich  die  einzelnen 
Knochen  bei  den  verschiedenen  Teleostierformen  durchaus  nicht  gleich- 
artig. 

Ganz  ohne  derartige  Beziehungen  sind  bei  Salmo :  Parietale,  Orbitale  I,  Supra- 
orbitaie,  Supraethmoidale,  Jugale,  Intercalare,  Parasphenoid,  Ektopterygoid,  Ento- 
pterygoid,  Supracopulare,  Operculum,  Inter-  und  Suboperculum,  die  ßadii  bran- 
chiostegi. 

Die  Anlage  der  Knochen,  die  zu  Schleim kanälen  Beziehungen 
besitzen,  beginnt  bereits  zu  einer  Zeit,  wo  noch  keine  eigentlichen 
Schleimkanäle,  sondern  erst  die  einzelnen  Sinnesknospen  in  der  Epi- 
dermis bestehen.  Unter  den  Sinnesorganen  erfolgt  eine  Ansammlung 
von  Zellen,  die  das  Bildungsmaterial  für  den  späteren  Knochen  ab- 
geben, und  in  deren  Mitte  auch  bald  eine  Knochenlamelle  auftritt. 
In  der  Folge  senkt  sich  die  Haut,  in  deren  Gebiet  die  Sinnesorgane 
liegen,  dem  späteren  Verlaufe  des  Schleimkanals  entsprechend,  ein 
und  bildet  eine  Schleimfurche,  die  sich  weiterhin  zu  einem  Schleim- 
kanal abschnürt.  Die  Knochenlamelle  nimmt  dabei  die  Form  einer 
Hohlriune  and  dann  die  einer  Röhre  an,  die  nur  von  Stelle  zu  Stelle 
durchbrochen  ist,  um  die  kleinen  Querkanälchen  des  Schleimkanals 
zur  Haut  treten  zu  lassen.  Die  als  Schlei mröhrenknochen  seit 
Alters  bekannten  Gebilde  bleiben  auf  diesem  Zustande  stehen ;  bei 
den  typischen  Deckknochen  findet  in  der  Folge  noch  eine  Verbreite- 
rung des  Knochens  statt,  und  zwar  wächst  die  ■  „Basalplatte"  der 
Röhre,  d.  h.  der  Teil,  der  den  Grund  des  Kanals  bildet,  unter  der 
Röhre  weg  stark  in  die  Fläche,  so  daß  ein  breiterer  Knochen  ent- 
steht, dem  die  enge  Röhre  aufsitzt. 

Knochen  mit  Schleimkanälen  sind  bei  Salmo:  Frontale,  Nasale,  die  Orbitalia 
(außer  dem  ersten),  Supraoperculare,  Supratemporalia,  Praeoperculum,  die  Deck- 
knochenanteile des  Squamosum,  Dentale,  Articulare.  Nasale,  Supraoperculare, 
Supratemporalia  werden  gewöhnlich  als  Schleimröhrenknochen  bezeichnet. 

43* 


676  E.  Gaupp, 

Nach  Klaatsch  sind  die  Osteoblasten,  die  sich  unter  den  Sinnesknospeu  an- 
sammeln, und  das  Bildungslager  für  den  Knochen  abgeben,  ektodermaler  Herkunft. 
Allgemeine  Anerkennung  hat  das  bisher  nicht  gefunden, 

Bei  den  Panzerwelsen  liegen  die  Schädeldeckknochen  im  Corium  und  sind 
zahlreicher  als  bei  den  meisten  anderen  Teleostiern;  eine  Bestimmung  der  Homo- 
logie der  einzelnen  Elemente  stößt  daher  auf  Schwierigkeiten.  Ganz  besonders  gilt 
das  von  Hypostoma,  wo  der  primitive  Charakter  auch  noch  durch  den  Zahubesatz 
(wie  ihn  die  Platten  des  Rumpfes  besitzen)  ausgedrückt  ist  (O.  Hertwig).  Bei 
Callichthys  ist  die  Zahl  der  Knochenplatten  geringer  als  bei  Hypostoma,  die  ein- 
zelnen sind  regelmäßiger  gestaltet  und  zahnlos.  Auch  bei  anderen  Teleostierformen 
findet  sich  die  sehr  oberflächliche  Lage  der  Schädeldeckknochen  (Sclerodermi, 
Ery thrin inen),  bei  anderen  liegen  sie  tiefer  und  werden  dann  von  dickerer  Haut  be- 
deckt. Bei  den  Knochen,  die  einen  Schleimkanal  einschließen,  bedingt  nach  Sage- 
mehl die  verschieden  tiefe  Lagerung  einen  Wechsel  im  Verhalten  des  Kanals. 
Liegen  die  Knochen  oberflächlich,  so  laufen  die  Schleimkanäle  in  ihnen ;  rücken  die 
Knochen  in  größere  Tiefe,  so  prominieren  die  Röhren,  in  denen  die  Schleimkanäle 
liegen,  über  die  Fläche  des  Knochens ;  bei  gewissen  Formen  der  Teleostier  kommt 
es  sogar  zu  einer  völligen  Ablösung  der  Knochenröhren  von  den  Knochen  des 
Schädeldaches  (Gymnotus,  einige  Muränoiden,  Cyprinoiden  u.  a.).  Es  finden  sich 
dann  Schleimröhrenknochen  über  den  eigentlichen  Schädelknochen. 

Für  manche  der  zahn  tragen  den  Knochen  der  Teleostier  ist 
noch  die  Entstehung  aus  Konkrescenz  von  Zähnen  nachgewiesen 
(Pharyngeum  superius  und  Pharyngeum  inferius  von  Sahno,  Esox, 
Cvprinus);  bei  den  meisten  derartigen  Knochen  erfolgt  aber  wenigstens 
bei  Sahno  die  Entwicklung  unabhängig  von  den  Zähnen,  und  letztere 
verbinden  sich  erst  sekundär  mit  den  Knochen. 

Zahntragend  sind  bei  Salmo:  Praemaxillare,  Maxillare,  Vomer,  Palatinum, 
Dentale,  Pharyngeum  inferius,  Phar.  superius,  Dermentoglossum.  Gerade  In  dieser 
Hinsicht  zeigen  die  verschiedenen  Teleostierformen  viele  Differenzen. 

Die  Ersatzknochen  occupieren  das  Chondrocranium  bei  den 
Teleostiern  in  sehr  verschiedenem  Umfange;  meist  bleibt  ein  sehr 
beträchtlicher  Teil  von  ihm  im  knorpeligen  Zustande  erhalten.  Die 
Zahl  der  einzelnen  Ersatzknochen  ist  dabei  ziemlich  groß,  aber  ihre 
Ausdehnung  ist  beschränkt.  Und  zwar  können,  wie  bei  den  Ganoiden, 
nicht  nur  zwischen  den  einzelnen  Stücken  größere  Knorpelzonen  be- 
stehen bleiben,  sondern  bei  manchen  Formen  dringen  die  Knochen 
auch  nur  wenig  in  die  Tiefe  des  Knorpels  ein,  so  daß  die  Zerlegung 
des  Kuorpelschädels  in  knöcherne  Territorien  sehr  unvollständig  sein 
kann  (Alepocephalus,  Gegenbaur).  Die  Ethmoidalgegend  bleibt 
häufig  in  größter  Ausdehnung  knorpelig. 

Die  perichondralen  Kuochenlamellen  auf  der  Oberfläche  des 
Chondrocraniums.  mit  denen  die  Ersatzknochen  ihre  Entstehung  be- 
ginnen, entwickeln  sich  häutig  sehr  selbständig  gegen  die  Umgebung 
hin  weiter  und  bilden  Leisten  und  Fortsätze  aus,  während  der  unter- 
liegende Knorpel  noch  durchaus  intakt  ist.  Die  enchondrale  Ver- 
kuöcherung  schließt  sich  also  erst  spät  an  die  perichondrale  an.  Doch 
kommt  es  auch  vor,  daß  der  Knorpel  einfach  resorbiert  wird,  und  nur 
die  perichondral  entstandene  Knocheulamelle  stehen  bleibt.  Mehrere 
Knochen  am  neuralen  Cranium  entstehen  von  2  perichondralen 
Knochenlamellen  aus,  einer  äußeren  und  einer  inneren,  die  Anfangs 
auch  selbständig  sein  können.  Endlich  verknöchern  auch  die  un- 
verknorpelt  gebliebenen  Teile  der  Anlage  des  Primordialcraniums  und 
lassen  so  teils  selbständige  Knochen ,  teils  Abschnitte  von  solchen 
hervorgehen. 

Knochen  im  Gebiete  des  neuralen  C r a n i u m s. 

Reine  Ersatzknochen  des  neuralen  Craniums  sind:  Basi- 
occipitale,  Pleuroccipitalia,   Supraoccipitale,    Epiotica, 


Die  Entwickelung  des  Koijfskelettes,  677 

Prootica,  Sphenotica,  Basis  plienoid,  Alisphenoidea, 
0  r  b  i  1 0  s  p  h  e  n  0  i  d  e  a ,  P 1  e  u  r  o  e  t  h  m  o  i  d  a  1  i  a ,  P  r  a  e  e  t  h  m  o  i  - 
dalia;  dazu  kommen  als  Mischknochen  die  Squamosa  und  als 
Bandverknöcherungen  die  Intercalaria. 

ßasi  occipitale.  Entsteht  bei  Salmo  (S.  salar,  24  mm)  paarig,  und  zwar 
jederseits  aus  2  perichondralen  Knochenlamellen,  die  der  dorsalen  und  der  ventralen 
Fläche  der  Basalplatte  seitlich  von  der  Chorda  dorsalis  aufliegen  und  nur  vorn,  im 
Bereich  der  Fenestra  basicranialis  posterior,  am  medialen  Rande  des  parachordalen 
Knorpels  zusammenhängen.  In  diesem  Gebiete  bildet  sich  zwischen  der  Chorda  und 
eben  dieser  [Jebergangspartie  der  dorsalen  und  ventralen  Knochenlamelle  eine 
knöcherne  Aust'üUmasse.  Diese,  sowie  dahinter  die  beiderseitigen  Knochenlamellen 
selbst  umwachsen  dann  die  Chordascheide,  so  daß  eine  Vereinigung  der  beider- 
seitigen Anlagen  zu  stände  kommt.  Markraumbildung,  endochondrale  Verknöche- 
rung des  Basalplattenknor23els  schließen  sich  an.  Durch  Verknöcherung  des  sub- 
cerebralen der  Schädelbasis  aufliegenden  faserigen  Bindegewebes  entsteht  über  der 
ursprünglichen  perichondralen  Lamelle  und  mit  ihr  zusammenhängend  eine  dicke 
spongiöse  Knochenmasse;  auch  an  der  (gegen  den  hinteren  Teil  des  Augenmuskel- 
kanals blickenden)  Ventralfläche  erhält  das  Basioccipitaie  eine  leistenförraige  Ver- 
dickung durch  Ossifikation  des  Bindegewebes  zwischen  ihm  und  dem  Parasphenoid, 
die  zum  Teil  auch  auf  Kosten  des  hier  entspringenden  M.  rectus  lateralis  oculi  zu 
setzen  ist  (s.  p.  622).  Die  dorsale  Lamelle  des  Knochens  bleibt  von  der  Begrenzung 
des  For.  occipitale  magnum  ausgeschlossen  durch  die  cerebrale  Lamelle  des  Pleur- 
occipitale,  die  sich  bis  an  die  Chorda  vorschiebt. 

Pleuroccipitale.  Bildet  sich  ebenfalls  aus  zwei  perichondralen  Knochen- 
lamellen, die  am  Knorpel  in  der  Umgebung  des  Vagusloches  auftreten  und  zunächst 
nicht  zusammenhängen.  Später  dehnt  sich  die  perichondrale  Verknöcherung  aus,  so 
daß  das  Glossopharyngeusloch,  die  laterale  Wand  des  Recessus  sacculi  und  die 
untere  und  die  mediale  Wand  des  Canalis  semicircularis  posterior  in  den  Bereich 
des  Knochens  zu  liegen  kommen ;  an  den  Rändern  der  Nervenlöcher  findet  Ver- 
einigung der  inneren  und  der  äußeren  perichondralen  Lamelle  statt.  Die  Ver- 
knöcherung ergreift  ferner  den  ganzen  Seitenteil  der  Occipitalregion,  und  setzt  sich 
sogar  kaudalwärts  über  den  Rand  desselben  fort,  so  den  1.  spinalen  Nerv  um- 
schließend, der  dann  als  N.  hypoglossus  das  Pleuroccipitale  durchsetzt.  Im  An- 
schluß an  die  perichondrale  Verknöcherung  ossificieren  endlich  auch  die  membra- 
nösen  Partieen  am  Eingang  zum  Recessus  sacculi  und  zum  Canalis  semicircularis 
posterior.    Markraumbilduug,  endochondrale  Verknöcherung  treten  ebenfalls  später  auf. 

Supraoccipitale.  Entsteht  von  vornherein  unpaar  mit  einer  dorsalen  und 
einer  ventralen  perichondralen  Knochenlamelle  auf  dem  Tectum  synoticum.  Diese 
greifen  nach  vorn  auf  die  Seitenränder  der  großen  Dachfontanelle  über,  und  zwib'chen 
ihnen  wird  die  Lücke  durch  Ossifikation  der  Membran  ausgefüllt,  die  den  hinteren 
Teil  dieser  Fontanelle  verschließt.  Später,  wenn  die  Taenia  tecti  medialis  sich  nach 
hinten  hin  bis  in  dieses  Gebiet  ausgedehnt  hat,  erhält  auch  sie  noch  eine  Strecke 
weit  eine  dorsale  und  eine  ventrale  perichondrale  Knochen lam eile.  Durch  Ossi- 
fikation der  medianen  Endsehne  zwischen  den  dorsalen  Abschnitten  des  Seiten- 
rumpfmuskels  entsteht  die  Spina  occipitalis  mediana  als  Fortsatz  des  Supraoccipi- 
tale. Das  Supraoccipitale  fehlt  den  Ganoiden ;  sein  Auftreten  bei  den  Teleostiern 
führt  Sagemehl  auf  den  Uebertritt  eines  Dornfortsatzes  auf  den  Schädel  zurück. 
Das  Ej^ioticum  (Hüxley;  Occipitale  externum,  Cuvier)  erscheint  zu  gleicher 
Zeit  wie  das  Pleuroccipitale  bei  12  mm  langen,  eben  ausgeschlüpften  Forellen,  zu- 
nächst als  äußere  perichondrale  Knochenlamelle  oben  am  lateralen  Umfang  des  Ca- 
nalis semicirc.  post.  Später  wird  der  Knorpel  von  innen  her  durch  Resorptionsvor- 
gänge verdünnt,  und  zugleich  erscheint  — an  dem  noch  in  tak  ten  Knorpel —  eine 
innere  Lamelle,  die  nirgends  mit  der  äußeren  zusammenhängt.  Im  Anschluß  an  die 
äußere  Lamelle  verknöchert  ein  Teil  des  Ligamentes,  durch  das  der  obere  Zinken  des 
oberen  Supracleithrale  sich  an  den  Knochen  anheftet.  Letzterer  erhält  so  einen  Fort- 
satz. In  dieser  Gegend  ist  später  unter  der  äußeren  perichondralen  Lamelle  der 
Knorpel  ganz  geschwunden,  so  daß,  da  hier  auch  keine  innere  Lamelle  vorhanden 
ist,  die  Wand  des  Bogenganges  nur  von  der  äußeren  gebildet  wird. 

Das  Intercalare  (Vrolik;  Opisthoticum,  Huxley)  ist  eine  bei  Lachsen 
von  33  mm  Länge  auftretende  Ossifikation  eines  Teiles  des  Bandes ,  das  den 
unteren  Zinken  des  oberen  Supracleithrale  an  die  Unterfläche  des  Pleuroccipitale 
heftet.  Der  Knochen  ist  vom  Pleuroccipitale  durch  Bindegewebe  getrennt  und  geht 
hinten  in  den  unverknöchert  bleibenden  Teil  des  Bandes  über.  Das  Intercalare  von 
Salmo  ist  somit  eine  reine  Bandossifikation,  und  dies  scheint  bei  der  Mehrzahl  der 
Teleostier  der  Fall  zu  sein,   wofern   es   nicht  überhaupt  fehlt.     Doch  glaubt  Sage- 


678  E.  Gaupp, 

MEHL,  daß  bei  Characiniden  der  Knochen  wenigstens  zum  Teil  durch  Ossifikation 
eines  Teiles  des  Primordialschädels  entstehe.  Sagemehl  knüpft  daran,  unter  Be- 
rufung auf  die  Zustände  bei  Amia,  die  Hypothese,  daß  das  Intercalare  der  Teleostier 
ursprünglich  ein  primordialer  Knochen  war,  der  durch  partielle  Ossifikation  des 
oben  genannten  Bandes  einen  hinteren  Fortsatz  erhielt.  Durch  das  Autosquamosum, 
das  sich  im  Knorpel  der  Labyrinthregion  nach  hinten  hin  ausbreitete,  sei  dann  das 
Intercalare  beschränkt  und  schließlich  aus  dem  Primordialschädel  überhaupt  heraus- 
gedrängt worden.  Nur  der  hintere  Fortsatz  habe  sich  wegen  seiner  Beziehung  zu 
dem  Bande  länger  erhalten.     Schließlich  kann  aber  auch  er  schwinden. 

Prooticum  (Huxley;  Alle  temporale,  Cuvier).  Beginnt  bei  24  mm  langen 
Lachsen  mit  zwei  perichondralen  Knochenlamellen  auf  dem  Knorpel  in  der  Um- 
gebung des  Facialisloches,  Beide  Lamellen,  eine  innere  (dorsale,  cerebrale),  und 
eine  äußere  (ventrale),  hängen  anfangs  nicht  zusammen  und  vereinen  sich  erst  später 
am  Foramen  n.  facialis  und  an  der  Incisura  prootica.  Knorpelresorption,  die  mit 
Zerstörung  der  Knochenlamellen  (vor  allem  der  inneren)  beginnt,  schließt  sich  an, 
und  später  auch  endochondrale  Verknöcherung,  Die  ursprünglich  perichoudrale 
Ossifikation  breitet  sich  aus:  einerseits  nach  außen  auf  die  Sehnen  der  Levatores 
arc.  brauch,  und  des  Adductor  arc.  pal.,  andererseits  nach  innen,  auch  auf  un- 
verknorpelte  Partieen  des  häutigen  Primordialcraniums.  So  erhalten  der  vordere 
und  mittlere  Abschnitt  des  Augenmuskelkanales  knöcherne  Decke  und  Seitenwand ; 
die  Foramina  des  Abducens,  Facialis,  Palatinus,  Oculomotorius  und  des  zweiten 
und  dritten  Trigerainusastes  werden  knöchern  umrandet ;  die  Vena  jugularis  wird 
in  einen  Knochenkanal  eingeschlossen. 

Sphenoticum  (Parker  und  Bettany;  Frontal  posterieur,  Cuvier).  Ent- 
steht bei  30  mm  langen  Lachsen  als  äußere  perichoudrale  Knochenlamelle  auf  dem 
Proc.  postorbitalis  des  Primordialcraniums  (Fig.  34G)  und  dehnt  sich  von  hier  aus 
längs  des  Ansatzes  des  M.  levator  arc.  palat.  nach  hinten  aus  bis  an  den  lateralen 
Umfang  des  vorderen  Bogenganges,  sowie  dorsal-  und  venlralwärts.  Später  ent- 
steht selbständig  an  der  Innenwand  des  Can.  semicircul.  eine  innere  Lamelle.  Das 
Sphenoticum  geht  somit  vorn  nur  aus  einer  äußeren  Lamelle,  hinten,  wo  der 
Knorpel  nur  eine  verhältnismäßig  dünne  Wand  des  Bogenganges  darstellt,  aus  einer 
doppelten  perichondralen  Lamelle  hervor.  —  Der  Umstand,  daß  das  Sphenoticum 
bei  vielen  Teieostiern  auf  seiner  Oberfläche  die  Skulptur  typischer  Hautknochen 
zeigt  und  auch  einen  Schleimkanal  enthält,  fordert  zu  specieller  Untersuchung  auf. 
Sagemehl  hält  den  Knochen  für  einen  Integumentknocheu,  der  sekundär  in  die 
Tiefe  gerückt  sei. 

Squamosum  (Pteroticum  Parker).  Ist  seiner  Natur  nach  ein  Amphi- 
squamosum,  d.h.  es  entsteht  aus  zwei  Komponenten :  einem  D  e  r  m  o  s  q  u  a  m  o  s  u  m , 
das  im  Integument  um  einen  Schleimkanal  herum  sich  bildet,  und  einem  Auto- 
squamosum,  das  als  perichoudrale  Ossifikation  am  Knorpel  der  Ohrkapsel  sich 
bildet. 

Das  Dermosquamosum  entsteht  wie  andere  Schleim  kanalkn  ochen ;  die  be- 
treffenden Sinnesknospen  sind  bei  jung  ausgeschlüpften  Forellen  bereits  vorhanden 
und  kommen  dann  in  eine  Furche  zu  liegen,  die  durch  Einsenkung  der  Epidermis 
entsteht.  Bei  Forellen  von  17  mm  Länge  beginnt  in  einer  subepithelialen  (durch 
deutliche  Basalmembran  vom  Epithel  getrennten)  Zellansammlung  die  Bildung  ein- 
zelner dünner  Knochenplättchen.  Die  Furche  schnürt  sich  zum  Kanal  ab,  und  dieser 
wird  vom  Dermosquamosum  umwachsen.  Bei  Lachsen  von  24  mm  tritt  dasAuto- 
squamosum  als  perichondrale  Knochenlamelle  am  Canalis  semicircularis  laterahs 
der  knorpeligen  Ohrkapsel  auf,  vom  Dermosquamosum  durch  eine  Bindegewebs- 
schicht  getrennt.  ■  Bald  erscheint  auch  an  der  Innenwand  des  lateralen  Bogenganges 
eine  innere  perichondrale  Lamelle.  Dermo-  und  Autosquamosum  verwachsen  dann ; 
der  gemeinsame  Knochen  dehnt  sich  weiter  aus,  Knorpelresorption  und  endochon- 
drale Verknöcherung  schließen  sich  an.  Außen  erhält  der  Knochen  ein  Eelief  durch 
Ossifikation  benachbarter  Gewebspartieen :  durch  Ossifikation  der  Sehne  des 
M.  levator  operculi  entsteht  eine  Crista,  und  hinten  bildet  sich  am  Autosquamosum- 
abschnitt  ein  Processus,  an  dessen  Entstehung  ein  Band  sowie  Muskelsehnen  be- 
teiligt sind ;  endlich  ossifiziert  das  Gewebe,  das  die  Gelenkfläche  für  das  Hyo- 
mandibulare  auskleidet  und  das  embryonalem  Knorpel  gleicht.  (Schmid-Monnard 
beschreibt  es  beim  Hecht  als  Knorpelgewebe,  das  direkt  verknöchert.) 

Nicht  an  allen  Stellen  ist  die  getrennte  Anlage  des  Dermo-  und  des  Auto- 
squamosum gleich  deutlich  erkennbar;  an  einigen  Stellen,  wo  das  Auftreten  einer 
selbständigen  perichondralen  Lamelle  bisher  noch  nicht  zu  beobachten  war,  liegt 
gleichwohl  in  späteren  Stadien  das  Squamosum  dem  Knorpel  ganz  eng  an.  Die 
Selbständigkeit  der  perichondralen  Lamelle  an  den  anderen  Stellen  läßt  trotzdem 
den  Knochen    in   seiner  Gesamtheit  als  Compositum  auffassen ;    an  jenen  erwähnten 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes. 


679 


Stellen  scheint  die  pericliondrale  Lamelle  sofort  bei  ihrer  Entstehung  mit  dem  Dermo- 
squamosum  zu  verschmelzen  oder,  was  vielleicht  richtiger  ist,  von  vornherein  im 
Anschluß  an  das  letztere  zu  entstehen. 

Basisphenoid  (nicht  allen  Teleostiern  zukommend).  Erscheint  bei  26  mm 
langen  Lachsen  als  Verknöcherung  in  dem  metachiasrnatischen  häutigen  Abschnitt 
des  Septum  interorbitale  vor  der  Hypophysis  cerebri  und  in  der  supraseptal  ge- 
legenen Membran ,  die  den  Boden  des  Oavum  cerebrale  cranii  und  zugleich  die 
Decke  über  dem  vordersten  Abschnitt  des  hinteren  Augenmuskelkanals  bildet 
(Fig.  346).     Durch   die   Lokalität   der    Entstehung   erklärt    sich    die   T-Form    des 

Taen.  tect.  med. 


Frontale 


Proc.  postorb 
N.  oculomot. 

Rect.  super ior 

Rect.  inferior     "  -^ 
Rect.  lateralis 
Rect.  med. 

Orbitale 

Ento- 

ptery- 

goid 


N.  trochlearis 
Prooticinn 
Sj^henotic. 
N.  trig.  I 
Basisphen. 

Trabec. 


N.palatin. 

Parasph. 
Metapter. 
Keratobr.I 


Quadratum 

Proc.  symplect. 
Hyomand. 


Dermarticulare 
Angulare 


Keralohyale 


Fig.  346.  Querschnitt  durch  den  hinteren  Teil  der  Orbito-temporalregion  eines 
40  mm  langen  Embryo  von  Salmo  fario  (Serie  von  Herrn  Dr.  Schleif).  Vergr. 
16mal.     Die  knorpeligen  Kiemenstäbchen  sind  nicht  bezeichnet. 


Knochens,  dessen  vertikale  Platte  ein  Septum  des  Augenmuskelkanals  bildet.  Das 
Basisphenoid  ist  somit  bei  Salmo  ontogenetisch  häutig  präformiert  und  von  vorn- 
herein unpaar.  Die  häutige  Präformation  darf  aber  wohl  nicht  dazu  führen,  es  aus 
der  Reihe  der  Ersatzknocnen  zu  streichen ;  möglicherweise  läßt  sich  bei  anderen 
Teleostiern  noch  Knorpelbildung  bei  der  Genese  des  Basisphenoids  nachweisen.  Bei 
Amia  ist  das  Basisphenoid  paarig  und  in  den  Knorpel  eingesprengt;  der  unpaare 
Charakter  bei  den  Knochenfischen  kann  auf  die  Ausbildung  des  Septum  interorbitale 
zurückgeführt  werden  (Sagemehl). 

Alisphenoid.  Entsteht  sehr  spät  (Salmo  fario  von  40  mm)  in  Form  von 
zwei  perichondralen  Knochenlamellen,  einer  inneren  und  einer  äußeren,  auf  der 
knorpeligen  Schädelseitenwand  vor  der  Ohrkapsel.  Im  Anschluß  an  den  perichon- 
dral  entstandenen  Abschnitt  ossifiziert  auch  ein  Teil  der  häutig  gebliebenen  Seiten- 
wand der  Orbito-temporalregion.  Das  Alisphenoid  schließt  in  selbständige  Foramina 
den  N.  trochlearis  und  den  ersten  Ast  des  Trigeminus  ein  und  begrenzt  von  oben 
her  das  Foramen  opticum.     Hat  nichts  mit  dem  Alisphenoid   der  Säuger  zu  thun. 


680  E.  Gaupp, 

Orbito  sphenoid.  Entsteht  paarig  bei  35  mm  langen  Lachsembryonen 
durch  Ossifikation  der  membranösen  Schädelseitenwand  hinter  dem  Olfactorius- 
austritt,  oberhalb  des  Septum  interorbitale.  Dorsal  setzt  sich  die  Verknöcherung 
auf  das  äußere  und  das  innere  Perichondrium  des  ventralwärts  gebogenen  Randes 
des  knorpeligen  Schädeldaches,  ventral  auf  das  Perichondrium  des  Septum  inter- 
orbitale fort.  Hier  kommen  auch  die  beiderseitigen  Anlagen  zur  Vereinigung.  Der 
Knochen  umwächst  das  For.  olfactorium  evehens  jeder  Seite.  Das  unpaare  Orbito- 
sphenoid  der  meisten  Teleostier  ist  von  den  paarigen  Orbitosphenoiden  von  Amia 
abzuleiten.  Die  Ausbildung  des  Interorbitalseptums  kann  nicht  der  einzige  Grund 
für  die  Verschmelzung  beider  Knochen  zu  einem  sein,  da  auch  die  Siluroiden  trotz 
Mangels  eines  Interorbitalseptums  den  Knochen  unpaar  besitzen  (Sagemehl).  Viel- 
fach wird  das  Orbitosphenoid  als  Ethmoid  aufgefaßt  wegen  der  Beziehung  zum 
Olfactoriusaustritt  (Cüvier,  Stannius,  Bruch  u.  A.). 

Pleuroethmoidale  (Ethmoidale  laterale;  Bojanus,  Arendt;  Frontal 
anterieur,  Cuvier).  Ist  ein  typischer  perichoudraler  Knochen,  der  bei  35  mm 
langen  Lachsembryonen  als  penchondrale  Auflagerung  auf  dem  Antorbitalfortsatz 
auftritt.  Resorption  und  endochondrale  Verknöcherung  des  Knorpels  folgen  später, 
und  zugleich  ossifiziert  der  Anfang  eines  Ligamentes,  das  vom  Processus  antorbi- 
talis  zum  Palatoquadratknorpel  zieht. 

Praeethmoidale  (Swinnerton;  Septomaxillare,  Sägemehl).  Kommt  beim 
Lachs  nicht  vor ,  wohl  aber  bei  Esox .  bei  Cyprinoiden  u.  a.  Es  stellt  eine 
primordiale  Verknöcherung  vorn  seitlich  an  der  Spitze  des  Ethmoidalknorpels  dar,  über 
der  vorderen  lateralen  Ecke  des  Voraer.  Der  Vergleich  dieses  Knochenterritoriums  mit 
dem  Septomaxillare  der  Amphibien,  den  Bridge  aufgestellt  hat,  ist  ganz  unmög- 
lich, und  die  Uebertragung  des  gleichen  Namens  auf  den  Knochen  ein  Mißgriff.  Der 
von  Swinnerton  gebrauchte  Name  Praeethmoid  erscheint  ganz  zweckmäßig.  Der 
Knochen  ist  schon  bei  Amia  vorhanden,  besitzt  aber  hier  die  Beziehung  zum  Pala- 
tinum  noch  nicht,  die  wohl  als  sekundär  erworben  zu  betrachten  ist  (Sagemehl). 

D  e c k  k  n  0  c  h  e n  am  neuralen  C r  a n i  u  m  sind :  Parietale, 
Frontale,  Nasale,  Supraorbitale,  Supi'atemporalia, 
Supraoperculare,  alle  beiderseits  vorhanden,  dazu  das  unpaare 
Supraetlimoidale;  Para  sphenoid  und  Vom  er  unpaar  an  der 
Schädelbasis. 

Das  Parietale  entsteht  auf  dem  dorsolateralen  Umfang  der  Ohrkapsel;  das 
Frontale  (Fig.  344—346)  auf  dem  vordersten  Teil  der  Ohrkapsel,  der  Taenia 
marginalis  und  dem  Tectum  cranii  in  der  vorderen  Hälfte  der  Orbito-temporal- 
region,  das  Na'sale  auf  dem  Knorpel  der  Ethmoidalregion.  Im  übrigen  kann  be- 
züglich der  genannten  Knochen  wie  über  die  6  Orbitalia,  das  Supraorbitale, 
die  Supratemporalia  und  das  Supraoperculare  (Bruch)  das  schon  Ge- 
sagte genügen.  Das  Supraethmoidale,  das  bei  Salmo  wie  bei  vielen  anderen 
Teleostiern  einen  richtigen  Deckknochen  darstellt,  gewinnt  bei  manchen  Formen 
(Cyprinoiden,  Characiniden  u.  a.)  Beziehungen  zum  Primordialcranium,  indem  es  sich 
tief  in  den  Knorpel  des  Internasalseptums  hinein  fortsetzt.  In  welcher  Weise  diese 
Beziehungen  erlangt  werden,  ob  durch  kontinuierliches  Fortschreiten  der  Ossifikation 
von  dem  Deckknochen  aus  oder  durch  Auftreten  einer  selbständigen  perichondralen 
Ossifikation,  bleibt  noch  festzustellen. 

Parasphenoid  und  Vorne r  sind  die  Schleimhautknochen  an  der  Schädel- 
basis. Das  Parasphenoid  ist  der  bei  Salmo  ontogenetisch  am  frühesten  auf- 
tretende Knochen;  er  nimmt  wesentlichen  Anteil  an  der  Begrenzung  des  hinteren 
Augenmuskelkanals.  Der  Vom  er  entsteht  bei  Salmo  in  der  Mundschleimhaut 
unter  dem  Ethmoidalknorpel  unabhängig  von  den  Zähnen,  mit  denen  er  erst  nach- 
träglich verschmilzt.  Er  ist  anfangs  vorn  paarig,  hinten  unpaar  angelegt.  Bei  Esox 
fand  Walther  die  erste  Anlage  des  Vomer  paarig  und  auf  jeder  Seite  durch  Kon- 
krescenz  von  2  Zahncementplatten  zu  stände  kommen.  Nach  Verschmelzung  der 
beiderseitigen  Anlagen  zu  einem  uupaaren  Stück  wächst  dieses  dann  selbständig 
weiter,  und  die  übrigen  noch  auftretenden  Zähne  verbinden  sich  sekundär  mit  ihm. 
Auch  Friedmann  scheint  den  Vomer  zu  meinen,  wenn  er  sagt,  daß  beim  Hecht 
der  Oberkiefer  durch  Konkrescenz  von  Zahnsockeln  entsteht.  (Das  Maxillare  von 
Esox  besitzt  keine  Zähne  I)  Bei  Salmo  verfolgte  Schleif  das  Vorschreiten  der  Ver- 
knöcherung gegen  den  Knorpel  der  Ethmoidalregion  hin,  unter  dem  der  Vomer 
entsteht.  Schließlich  liegt  der  Vomer  dem  Knorpel  an  einer  Stelle  unmittelbar  an. 
Die  weitere  Entwickelung  ist  noch  nicht  beobachtet,  dagegen  ist  bekannt  und  be- 
sonders von  Sagemehl  hervorgehoben,  daß  bei  vielen  Teleostiern  (Characiniden, 
Cyprinoiden  u.  a.)  im  erwachsenen  Zustand  der  Vomer  sich  tief  in  den  Knorpel  des 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  681 

Internasalseptums  hinein  erstreckt.  Es  scheint  somit,  daß  die  Ossifikation,  nach- 
dem sie  das  Perichondrium  erreicht,  auch  weiter  in  den  Knorpel  hineindringt. 
Durch  das  Supraethmoid  und  den  Vomer  kann  ein  großer  Teil  des  Knorpels  der 
Ethmoidalregion  knöchern  ersetzt  werden. 

Knochen  im  Gebiete  das  Visceralskelettes. 
Zu  den  Knochen,  die  sich  auf  Teile  des  Visceralskelettes  auf- 
lagern, werden  bei  den  Teleostiern  auch  das  Praemaxillare  und 
das  Maxillare  gerechnet,  da  die  ihnen  untergelagerten  Knorpel- 
stücke als  Repräsentanten  von  Lipp  enknorpeln  aufgefaßt  werden. 
Im  Bereiche  des  Palatoquadratums  entstehen:  Quadratum, 
Metaptery  goid,  Auto  palatin  um  (Ersatzknochen),  Ecto- 
pterygoid,  Entopterygoid,  Dermopalatinum  (Deckknochen) ; 
im  Unterkiefer  bilden  sich  Autarticulare,  Angulare,  Coro- 
nale  (Ersatzknochen);  Dermarticular e  und  Dentale  (ersteres 
Deckknocheu,  letzteres  mit  Doppelnatur).  Auch  im  Gebiete  des 
Hyobranchialskelettes  kommen  Ersatz-  und  Deckknochen  zur 
Ausbildung,  dazu  Elemente  mit  Mischcharakteren.  Stylohyale, 
H  y  0  m  a  n  d  i  b  u  1  a  r  e ,  S  y  m  p  1  e  c  t  i  c  u  m ,  E  p  i  h  y  a  1  e  ,  K  e  r  a  t  o  - 
h  y  a  1  e ,  H  y  p  o  h  y  a  I  i  a ,  die  S  y  m  b  r  a  n  c  h  i  a  1  i  a  (Cupulaossifikationen), 
Pharyngo-,  Epi,  Kerato-  und  Hypobranchialia  sind  reine 
Ersatzknochen;  Dermopharyin  geum  superius,  D  er  men  to- 
glos sum,  Supracopulare  sind  reine  Deckknochen;  als  Com- 
positum erscheint  das  Pharyngeum  inferius.  Die  Knochen  des 
Opercular  app  arates  sind  Deckknochen. 

Knochen  des  Oberkieferrandes.  Das  Praemaxillare  wird  bei 
Ifi  mm  langen  Forellen  sichtbar  innerhalb  eines  Zellhaufeus  jederseits  vom  Rostrum. 
Nachträglich  verbindet  es  sich  mit  den  selbständig  entstandenen  Zähnen.  Durch 
Umwandlung  des  Gewebes  zwischen  dem  Rostrum knorpel  und  dem  Praemaxillare 
bildet  sich  ein  selbständiges  Knorpelstück,  dem  dann  das  Praemaxillare  wie 
ein  Deckknochen  aufliegt.  Der  Knorpel  ist  bei  40  mm  langen  Forellen  gut  aus- 
gebildet. Es  liegt  nahe,  denselben  als  Repräsentanten  eines  vorderen  oberen 
L  ippe  n  kn  orpels  ,  wie  ihn  die  iSelachier  besitzen,  zu  deuten,  und  darin  eine  Be- 
stätigung der  GEGENBAUR'schen  Anschauung  zu  sehen,  daß  das  Praemaxillare  als 
Zahnknochen  auf  dem  vorderen  oberen  Lippenknorpel  entstand.  Die  späte  onto- 
genetische  Entstehung  des  Knorpels  (nach  dem  Knochen)  wäre  dieser  Auffassung 
nicht  hinderlich  und  würde  nur  den  Lijipenknorpel  als  eine  im  Verschwinden  be- 
griffene Bildung  charakterisieren.  Bei  anderen  Teleostiern  lagern  sich  die  Prae- 
maxillaria  gegen  das  von  Sagemehl  als  Rostrale  bezeichnete  Skelettstück,  dessen 
Bedeutung  unbekannt  ist.  Bei  Cyprinoiden  scheint  dasselbe  zu  verknöchern  (Sage- 
Mehl).  Das  Maxillare  wird  schon  bei  eben  ausgeschlüpften  Forellen  angelegt 
gefunden.  Es  entsteht  als  Deckknochen,  der  sich  erst  nachträglich  mit  den  Zähnen 
vereinigt.  Das  Vorderende  des  Knochens  liegt  dem  Palatoquadratum  eine  kurze 
Strecke  weit  an,  durch  eine  Schicht  indifferenten  Bindegewebes  getrennt.  In  diesem 
tritt  ein  Spalt  (Gelenkhöhle)  auf,  und  das  dem  Maxillare  anliegende  Gewebe  nimmt 
knorpelähnlichen  Charakter  an.  Wie  schon  bemerkt,  fand  Sagemehl  bei  ver- 
schiedenen Teleostiern  an  der  gleichen  Stelle  1 — 3  Submax  illarkn  orpel,  deren 
hypothetische  Bedeutung  bereits  berührt  wurde.  Sie  verknöchern  bei  Cobitididen 
(Sagemehl).  Dem  Maxillare  angeschlossen  ist  das  Ad  maxillare  (Supramaxillare, 
Jugale),  das  als  Deckknochen  ohne  Beziehung  zu  anderen  Teilen  entsteht.  Bei 
Clupeiden  u.  a.  sind  2  Admaxillaria  vorhanden. 

Im  Palatoquadratum  entstehen  das  Quadratum  und  das  Meta- 
pterygoid  als  richtige  Ersatzknochen  des  hinteren  Teiles  des  Palatoquadratums, 
d.  h.  zunächst  als  perichondrale  Knochenlamellen,  von  denen  aus  später  die  Ossi- 
fikation auch  in  den  Knorpel  eindringt  (Fig.  34ö).  Auch  in  die  Umgebung  setzt 
sich  die  Ossifikation  fort.  Eine  am  vorderen  Ende  des  Palatoquadratums  auftretende 
perichondrale  Knochenanlage,  das  Autopalatinum,  bleibt  nicht  selbständig, 
sondern  verschmilzt  mit  einem  Dermopalatinum  frühzeitig  zu  dem  Pala- 
tinum.  Als  Deckknochen  am  Palatoquadratum  entstehen  Ectopterygoid , 
Entopterygoid,    Dermopalatinum.     Die   beiden    Pterygoide  bilden    sich   bei 


682  E.  Gaupp, 

Salmo  ohne  Beziehung  zu  Zähnen  als  Verknöcherungen  in  der  zwischen  dem  Palato- 
quadratum  und  dem  Mundhöhlenepithel  gelegenen  Bindegewebsschicht  (Fig.  346). 
Das  Dermopalatinum  entsteht  ebenfalls  als  richtiger  Deckknochen  an  der 
Unterseite  des  Palatoquadratums  unabhängig  von  Zähnen,  mit  denen  es  aber  sehr 
bald  eine  Verbindung  eingeht.  (Beim  Hecht  erscheint  es  deutlicher  als  eine  aus 
Konkrescenz  von  Zahncementplatten  hervorgegangenen  Bildung  [WaltherJ.)  Später 
tritt  auch  im  Perichondrium  des  Palatoquadratums  über  dem  Dermopalatinum  eine 
Knochenlamelle  (Autopalatinu  m)  auf,  die  aber  schon  bei  ihrer  Entstehung  stellen- 
weise mit  dem  Dermopalatinum  verbunden  erscheint.  Aus  der  Weiterentwickelung 
beider  Komponenten  geht  das  Palatinum  hervor,  das  einerseits  Zähne  trägt, 
andererseits  in  den  Knorpel  des  Palatoquadratums  einwächst. 

Im  Bereich  des  Unterkiefers  bei  Öalmo  kommen  zur  Ausbildung:  Arti- 
culare,  Angulare,  Coronale,  Dentale.  Das  Articulare  kann  als  Ver- 
wachsungsprodukt eines  Der m articulare  und  eines  Autarticulare  aufgefaßt 
werden.  Das  Dermarticulare  entsteht  zuerst  als  richtiger  Deckknochen,  der  auch 
einen  Schleimkanal  einschließt  (Fig.  346) ;  nach  ihm  tritt  das  Autarticulare  auf  als 
perichondrale  Knochenscheide  um  den  MECKEL'schen  Knorpel,  die  in  der  Haupt- 
sache selbständig  ist  und  nur  an  einer  Stelle  von  vornherein  mit  dem  Dermarticulare 
zusammenhängt.  Später  vereinen  sich  beide  Komponenten  in  größerer  Ausdehnung 
zu  einem  Knochen,  der  Deckknochen-  wie  Ersatzknochen-Charaktere  in  sich  ver- 
einigt. Durch  die  Verhältnisse  bei  Knochenganoiden  (Amia,  Lepidosteus),  wo  ein 
Autarticulare  und  ein  Dermarticulare  als  selbständige  Elemente  beschrieben  werden, 
erfährt  die  Auffassung  des  Articulare  der  Teleostier  als  eines  zusammengesetzten  Ge- 
bildes eine  weitere  Begründung.  Das  Angulare  entsteht  als  perichondrale  Ossi- 
fikation am  Proc.  retroarticularis  des  primordialen  Unterkiefers,  da,  wo  das  Lig. 
mandibulo-hyoideum  ansetzt,  ist  also  ein  Ersatzknochen.  Das  Gleiche  gilt  von  dem 
Coronale,  das  im  Perichondrium  des  Proc.  praearticularis  entsteht,  sich  von  hier 
aus  aber  auch  in  die  Sehne  des  M.  adductor  mandibulae  fortsetzt,  so  einen  deut- 
lich hervortretenden  Proc.  coronoideus  bildend.  Das  Dentale  endlich  bietet 
wieder  die  Doppelnatur,  doch  in  besonderer  Weise.  Es  liegt  schon  bei  seinem 
ersten  Auftreten  mit  seinem  vorderen  Ende  perichondral,  unmittelbar  auf  dem 
MECKEL'schen  Knorpel,  während  es  weiter  hinten  von  dem  letzteren  durch  Binde- 
gewebe getrennt  wird,  also  Deckknochennatur  zeigt.  Die  Deckknochennatur  doku- 
mentiert es  weiterhin  dadurch,  daß  es  sich  mit  (selbständig  entstandenen)  Zähnen 
verbindet  und  einen  Schleimkanal  umwächst.  Andererseits  schreitet  am  Meckel- 
schen  Knorpel  im  Anschluß  an  das  vorderste  Stück  des  Dentale  die  Bildung  einer 
perichondralen  Knochenlamelle,  die  den  Knorpel  einscheidet,  vor,  und  diese  verbindet 
sich  dann  mit  dem  über  ihr  gelegenen  Deckknochenabschnitt  des  Dentale  in  größerer 
Ausdehnung.  Es  entsteht  so  wieder  ein  Knochen  mit  doppeltem  Charakter,  der 
phylogenetisch  als  aus  einer  Verwachsung  des  Dentale  mit  dem  bei  Knochenganoiden 
(Polypterus ,  Amia)  selbständigen  Mentomandibulare  hervorgegangen  betrachtet 
werden  kann.  Beim  Hecht  entsteht  das  Dentale  durch  Konkrescenz  von  Zahn- 
cementplättchen  (Walther,  Friedmann). 

Im  Hyalbogen  entstehen  mehrere  perichondrale  Verknöcherungen.  Das 
Stylohyale  verknöchert  für  sich  als  Os  stylohyale;  in  den  anderen  Stücken 
treten  je  zwei  Ossifikationen  auf.  Der  Hyomandibularknorpel  wird  so  in  zwei  durch 
Synchondrose  verbundene  Stücke  zerlegt,  das  obere  Os  hyo mandibulare  (vom 
Facialis  durchbohrt)  und  das  untere  Os  symplecticum;  das  als  Knorpel  ein- 
heitliche Keratohyale  läßt  ein  oberes  Epihyale  und  ein  unteres  Keratohyale 
hervorgehen;  aus  dem  Hypohyale  geben  eine  ventrale  und  eine  dorsomediale  Ossi- 
fikation hervor,  beide  als  Ossa  hypohyalia  bezeichnet. 

Sehr  interessant  gestaltet  sich  somit  die  Ontogenese  des  Symplecticum:  das 
betreffende  Territorium  verknorpelt  selbständig,  verschmilzt  dann  mit  dem  Hyo- 
mandibularknorpel und  erhält  dann  als  Knochen  wieder  eine  größere  Selbständigkeit 
gegenüber  dem  Os  hyomandibulare,  mit  dem  es  jedoch  knorpelig  verbunden  bleibt. 
Beide  Gliederungsvorgänge  sind  ihrem  Wesen  nach  verschieden :  die  zuerst  auf- 
tretende repetiert  den  Zustand,  der  bei  Kuorpelganoiden  bleibend  ist  und  hier  eine 
Vermehrung  der  Beweglichkeit  zur  Folge  hat ;  die  selbständige  Ossifikation  dagegen 
bezweckt  größere  Festigkeit  des  fraglichen  Skelettabschnittes,  dessen  freie  Beweg- 
lichkeit schon  durch  die  Verschmelzung  mit  dem  Hyomandibularknorpel  unterdrückt 
wurde.  Folgerichtig  sollte  die  Symplecticumossifikation  einen  anderen  Namen  er- 
halten als  der  Symplecticumknorpel  der  Kuorpelganoiden.  —  Beachtung  verdient 
auch,  daß  die  als  Epi-  und  Keratohyale  bezeichneten  Ossifikationen  an  einer  und 
derselben  knorpeligen  Grundlage  auftreten.  Diese  Gliederung  hat  somit  einen  ganz 
anderen  Wert  und  Sinn  als  die  der  sog.  Epi-  und  Keratobranchialia  an  den  Kiemen- 
bogen. 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  683 

Im  Gebiete  des  eigentlichen  Branchialskelettes  treten  ebenfalls  peri- 
chondrale  und  Deckknocheuossifikationen  auf.  Die  vier  Stücke  der  3  ersten  Kiemen- 
bogen  verknöchern  perichondral  zu  selbständigen  Knochen ;  vom  vierten  gilt  das 
Gleiche  nur  bezüglich  des  Kerato-  und  Epibranchiale,  während  das  Pharyngo- 
branchiale  knorpelig  bleibt  (ein  selbständiges  Hypobranchiale  ist  schon  embryonal 
der  Regel  nach  nicht  vorhanden).  Auch  an  dem  Branchiale  "V  tritt  eine  selb- 
ständige perichondrale  Knochenscheide  auf,  bleibt  aber,  wie  gleich  zu  schildern, 
nicht  selbständig.  Von  den  Copulae  erhält  die  erste  (das  Glossohyale)  nur 
an  ihrem  kaudalen  Ende  eine  perichondrale  Knochenscheide  (Sym  branchiale  I); 
in  der  Hauptsache  bleibt  sie  knorpehg.  Die  zweite  Copula  zerfällt  in  drei  durch 
Synchondroseu  verbundene  Knochenterritorien  (Symbranchial  ia  II,  III,  IV),  von 
denen  das  vorderste  an  die  Ossifikation  des  Glossohyale  anstößt;  die  dritte  Co- 
pula (Urohyal  e)  bleibt  knorpelig.  Deckknochen  entstehen  im  Bereich  des 
ßranchialskelettes  bei  iSalmo  an  vier  Stellen:  am  Epi-  und  Pharyngobranchiale  des 
4.  Bogens,  am  5.  Bogen,  über  der  ersten  und  über  der  zweiten  Copula. 

Am  Epi-  und  Pharyngobranchiale  des  4.  Bogens  tritt  ein  Dermophary n- 
geum  SU  per  ins  als  Verschmelzungsprodukt  einzelner  zahntragender  Knochen- 
plättchen  auf;  es  bleibt  von  den  Stücken  des  Branchiale  getrennt.  Ebenso  entsteht 
ein  Dermopharyngeum  inferius  über  dem  Branchiale  V,  scheint  aber  später 
mit  dem  Autopharyngeum  (der  perichondralen  Knochenscheide  am  Branchiale  V)  zu 
verschmelzen  (Pharyngeum  inferius).  Beuch  findet  beide  Komponenten  auch  beim 
erwachsenen  Lachs  noch  selbständig.  Bei  Cyprinus  carpio  entsteht,  nach  FRlEDMAlsrN, 
der  Knochen  auch  durch  Konkrescenz  von  Zähnen;  von  hier  aus  dringt  aber  dann 
die  Ossifikation  allmählich  in  die  Tiefe,  greift  auf  das  Perichondrium  über  und  führt 
zur  vollkommenen  Resorption  des  Knorpels.  —  lieber  dem  Glossohyale  bildet 
sich  ein  Deckknochen,  der  mit  selbständig  entstandenen  Zähnen  verschmilzt.  Das 
so  entstandene  Dermentoglossum  (Su prälinguale]  ist  auch  beim  erwachsenen 
Lachs  noch  selbständig.  Ueber  der  2.  Copula  entsteht  auch  ein  Deckknochen  (Supra- 
copulare),  aber  ohne  Beziehung  zu  Zähnen.  Er  verschmilzt  mit  der  zweiten  intra- 
copularen  Ossifikation  (d.  h.  dem  Sym  branchiale  III),  bleibt  dagegen  von  den  beiden 
anschließenden  Synchondroseu  getrennt.  So  findet  er  sich  noch  bei  40  mm  langen 
Forellen ;  sein  Verhalten  beim  erwachsenen  Tier  ist  noch  unbekannt.  —  Beim  Hecht 
entsteht,  nach  Walther,  das  Pharyngeum  superius  als  Deekknochen  nicht  an  dem 
4.  Branchiale,  sondern  an  der  Schädelbasis  (durch  Zahnkonkrescenz),  zugleich  aber 
bilden  sich  auch  noch  an  den  4  ersten  Branchialbogen  durch  Konkrescenz  von  Zahn- 
sockeln zahntragende  Deckknochen,  die  selbst  bei  ganz  alten  Tieren  mit  den  peri- 
chondralen Knochen  scheiden  der  Branchialia  nicht  verwachsen  waren.  Man  könnte 
sie  D  ermobr  anchialia  nennen.  Die  Knochen  des  Oper  cularapparates 
und  die  Branchiostegal strahlen  sind  Integumentalossifikationen.  Das  Prae- 
operculum  besitzt  Beziehungen  zu  einem  Schleimkanal;  an  seinem  oberen  Ende  bildet 
sich  das  kleine  Supraoperc  ular  e  (Bruch;  Supratemporale,  Agassiz)  um  die 
obere  Fortsetzung  des  aus  dem  Praeoperculum  heraustretenden  Schleimkanales. 

Dipnoi. 

Angaben  über  die  Entwickelung  des  Dipnoerscliädels  liegen  nur 
sehr  spärlich  vor.  Die  wenigen  vorhandenen,  die  von  Sewertzoff 
und  K.  FÜRBRiNGER  stammen,  betreffen  embryonale  Zustände  des 
Primordialcraniums  von  Ceratodus.  Durch  die  in  Aussicht  gestellte 
ausführliche  Arbeit  von  K.  Fürbringer  über  die  Entwickelung  des 
Ceratodusschädels  wird  hoffentlich  bald  diese  fühlbare  Lücke  aus- 
gefüllt werden  ^). 

Das  Chondrocranium  der  Dipnoer  besitzt  dadurch  ein  be- 
sonderes Interesse,  daß  es  bis  auf  eine  kleine  Partie  in  der  Occi- 
pitalgegend  und  einige  Teile  des  Hyalbogens  zeitlebens  knorpelig  er- 
halten bleibt.  Bei  Ceratodus  ist  es  am  vollständigsten,  bei  Protopterus 
und  Lepidosiren  mehr  reduziert.  Es  zeigt  große  Aehnlichkeit  mit 
dem  der  Urodelen. 

LTeber  die  Zustände  des  erwachsenen  Schädels  handeln  Huxley,  Wieders- 
HEIM  und  besonders  Bridge,  letzterer  in  einer  sehr  genauen,  alle  3  Formen  berück- 
sichtigenden Monographie. 

Anm.  b.  d.  Korrektur.  Die  Arbeit  ist  mittlerweile  erschienen,  konnte  aber 
nicht  mehr  benutzt  werden.     Siehe  Litteraturverzeichnis. 


684  E.  Gaupp, 

Im  Stadium  4(3  nach  Semon  (A.  L.  III  ^  1893)  findet  Sewertzoff 
das  Primordialcranium  eben  angelegt  und  jederseits  aus  dem  Parachor- 
dale,  der  orbitotemporalen  Schädelseitenwand  und  dem  Palatoquadratum 
bestehend.  Die  Parachordalia  sind  flache,  schmale  Platten,  die  vor  der 
Chordaspitze  untereinander  zusammenhängen  und  sich  kaudalwärts  zu- 
spitzen. Mit  der  Chorda  zusammen  bilden  sie  die  Basalplatte.  Sie  re- 
präsentieren nur  die  Pars  otica  des  Parachordale ;  ein  occipitaler  Teil 
kommt  jederseits  erst  später  hinzu.  Vorn  hängt  jedes  Parachordale 
kontinuierlich  mit  der  orbitotemporalen  Schädelseitenwand  zusammen, 
einer  Knorpelplatte,  deren  ventraler  Rand  verdickt  ist  (Trabecula; 
ob  diese  anfangs  gegenüber  der  dorsalen  Partie  der  Knorpelplatte 
selbständig  ist,  oder  nicht,  wäre  noch  zu  ermitteln).  Getrennte  An- 
lagen von  Trabeculae  und  Parachordalia  sind  bisher  nicht  beobachtet. 
Das  Palatoquadratum  ist  jetzt  bereits  mit  dem  Trabecularabschnitt 
der  orbitotemporalen  Schädelseitenwand  verbunden,  doch  ist  das  Ver- 
bindungsgewebe noch  nicht  verknorpelt.  Auf  einem  späteren  Stadium 
(Stad.  47  nach  Semon)  hat  sich  die  0  ccipitalregion  angelegt.  In 
den  Aufbau  derselben  gehen  3  anfangs  deutlich  isoliert  angelegte 
Wirbelbogen  ein,  von  denen  der  vorderste  ziemlich  weit  hinter  der 
Ohrkapsel  auf  der  Grenze  des  .5.  und  (5.  metotischen  Myotoms  liegt. 
Durch  den  Zwischenraum  zwischen  dem  1.  Occipitalbogen  und  der 
Ohrkapsel  tritt  der  Vagus  aus.  In  diesem  Gebiet,  also  zwischen  der 
Ohrkapsel  und  dem  1.  Occipitalbogen  ist  die  Anlage  der  Occipital- 
region  von  vornherein  kontinuierlich,  aus  dem  Vorhandensein  von  3 
spino-occipitalen  Nerven  (K.  Fürbringer)  darf  jedoch  auf  eine  frühere 
Metamerie  geschlossen  werden. 

Sewertzoff  findet  vor  dem  1.  Occipitalbogen  nur  2  spino-occipitale  Nerven 
und  glaubt,  daß  sie  den  beiden  ersten  der  5  beim  erwachsenen  Ceratodus  beobach- 
teten entsprechen.  Wäre  dies  richtig,  so  müßten  hinter  dem  1.  Occipitalbogen  noch 
3  spino-occipitale  Nerven  folgen,  deren  Einschluß  in  das  Cranium  die  Assimilation 
von  ebenfalls  drei  weiteren  Occipitalbogen  (also  im  ganzen  von  vier  OccijMtal- 
bogen)  erforderte,  wenn  nicht  etwa  der  hinterste  Nerv  noch  von  dem  vor  ihm 
liegenden  Bogen  aus  umwachsen  wird.  Sewertzoff  spricht  sich  hierüber  nicht  aus, 
und  seine  Schilderung  bleibt  damit  unverständlich.  Nach  K.  Fürbringer  (1904) 
liegen  vor  dem  1.  Occipitalbogen  noch  8  Nerven,  die  (nach  M.  FtJRBRiNGER's  Nomen- 
klatur) X,  y,  z  entsprechen  würden;  zwischen  den  o  Bogen  liegen  dann  noch  die 
Nerven  a  und  b,  die  durch  Konkrescenz  der  Bogen  untereinander  und  mit  dem 
Autocranium  in  den  Schädel  eingeschlossen  werden.  Bei  den  Dipneumones  ist  nach 
K.  FtJRBRiNGER  der  mittlere  der  3  Occipitalbogen  als  gänzlich  verkümmert  zu  be- 
trachten. Im  Sinne  der  M.  FÜRBRiNGER'schen  Nomenklatur  repräsentiert  also  die 
Occipitalregion  der  Dipnoer  ein  auximetameres  Neocranium  mit  2  sekundär  assi- 
milierten Wirbeln  und  2  occipito-spinalen  Nerven  (a,  b).  Der  vorderste  Occipital- 
bogen von  Ceratodus  entspräche  dem  hintersten  Occipitalsegment  der  Selachier,  die 
3  vordersten  spino-occipitalen  Nerven  von  Ceratodus  sind  den  occipitalen  (x,  y,  z) 
der  Selachier  vergleichbar.  Der  vorderste  kann  fehlen,  so  daß  dann  im  ganzen  nur  4 
spino-occipitale  Nerven  vorhanden  sind  (M.  Iurbringer).  Am  vordersten  Occipital- 
bogen sitzt  bei  den  Dipneumones  ein  Skelettteil,  der  als  Rippe  (Koj^frippe)  zu  deuten 
ist,  ebenso  wie  die  dem  3.  Occipitalbogen  von  Ceratodus  ansitzende,  stark  ausgebildete 
Rippe  (K.  Fürbringer).  Letztere  hegt  nach  Sewertzoff  bei  Ceratodus  im  Myo- 
comma  zwischen  dem  7.  und  8.  Myotom.  Die  vorderen  Kopfmyotorae  liegen  merk- 
würdigerweise dorsal  vom  parachordalen  Schädelboden,  da  dieser  nicht  die  Fort- 
setzung der  Wirbelbogen  (lateraler  epichordaler  Skelettanlagen),  sondern  der  Basal- 
stümpfe  (lateraler  hyj^ochordaler  Skelettanlagen)  bildet.  Die  Basen  der  Wirbelbogen 
werden  jederseits  durch  einen  epichordalen  Knorpelstreifen  untereinander  verbunden, 
der  sich  auch  in  den  Schädel  fortsetzt,  so  daß  auf  jungem  Stadium  sich  außer  dem 
hypochordalen  Schädelboden  noch  ein  epichordaler  bildet  (Sewertzoff).  Wie  sich 
diese  beiden  Böden  weiter  entwickeln,  ist  unbekannt.  Auch  die  sonstige  Weiterent- 
wickelung der  Occipitalregion  ist  noch  nicht  verfolgt  worden.  Bei  den  erwachsenen 
Dipnoern  besteht  in   der  Occipitalgegend  ein  Knorpeldach,    in   das   die  Seitenwände 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  685 

dieser  Gegend,  soweit  sie  dem  1.  Occipitalbogen  entsprechen,  übergehen  (den  An- 
gaben von  Bridge  zufolge).  Zu  dem  2.  und  3.  Occipitalbogen  gehört  beim  er- 
wachsenen Schädel  ein  Proc.  spinosus,  der  somit  auch  erst  eine  spätere  Bildung  dar- 
stellt.    Die  Chorda  bleibt  erhalten. 

Die  Ohrkapsel  ist  nach  Sewertzoff  auf  Stadium  46  (Semon) 
noch  nicht  angelegt,  auf  Stadium  47  vollständig  verknorpelt  und  mit 
dem  parachordalen  Schädelboden  sowie  mit  der  orbito-temporalen 
Schädelseiten  wand  verschmolzen ;  ein  Tectum  synoticum  besteht  noch 
nicht,  bildet  sich  aber  später.  Die  Hinterwand  der  Kapsel  wird  von 
dem  N.  glossopharyngeus  durchsetzt.  In  der  Orbito-temporal- 
gegend  ist  die  Seiten  wand  auf  dem  zweiten  von  Sewertzoff  unter- 
suchten Stadium  ausgedehnter  geworden  und  wird  von  Oefifnungen 
für  den  Opticus  und  die  Augenmuskelnerven  durchsetzt.  Zwischen 
ihrem  Hinterrand  und  der  Ohrkapsel  bleibt  eine  große  Oeffnung, 
durch  die  nach  Sewertzoff  der  zweite  und  dritte  Trigeminusast,  so- 
wie der  erste  und  zweite  Facialisast  austreten. 

Daß  diese  Lücke  der  Hauptsache  nach  ein  Foramen  prooticum  darstellt, 
wie  es  bei  allen  anderen  Wirbeltierschädeln  besteht,  ist  klar.  Wie  bei  den  Anuren 
wäre  mit  ihr  das  Facialisloch  verschmolzen  zu  denken.  Die  Oeffnungen  für  den 
Tr.  hyomandibularis  des  Facialis  und  den  R.  ophthalmicus  profundus  trigemini 
schildert  Sewertzoff  als  selbständig;  nach  seiner  Darstellung  wird  die  Abtrennung 
von  der  großen  Hauptöffnung  aber  lediglich  durch  die  Fortsätze  des  Palatoquadra- 
tums  bewirkt,  und  so  würde  die  exakte  Schilderung  dahin  lauten  müssen,  daß  am 
neuralen  Cranium  selbst  nur  eine  große  Oeffnung  für  den  ganzen  Trigeminus 
und  Facialis  besteht,  diese  aber  durch  das  ihr  vorgelagerte  Palatoquadratum  in 
mehrere  Teile  zerlegt  wird.  Den  Abducens  erwähnt  Sewertzoff  nicht  besonders ; 
da  er  sonst  gewöhnlich  basal  austritt,  so  wäre  sein  Verlauf  durch  die  orbito-tempo- 
rale  Schädelseiten  wand,  wie  er  nach  Sewertzoff's  allgemein  gehaltener  Angabe  über 
die  Augenmuskelnerven  anzunehmen  ist,  auffallend. 

In  dem  zweiten  von  Sewertzoff  untersuchten  Stadium  von 
Ceratodus  wird  die  orbito-temporale  Schädelseitenwand  in  der  vorderen 
Hälfte  der  Region  sehr  niedrig,  auf  die  Trabecula  reduziert,  die  medial 
vom  Nasensack  weiter  nach  vorn  zieht  und  hier  mit  der  der  anderen 
Seite  zu  einem  niedrigen  Septum  nasi  zusammenfließt.  Von  diesem 
gehen  dann  vorn,  rostral  von  den  vorderen  Nasen  Öffnungen,  jederseits 
ein  dorsaler  und  ein  ventraler  Fortsatz  aus.  Letzterer  umgreift  den 
Nasensack  von  vorn  her,  der  dorsale  steigt  vor  dem  Nasensack  auf 
und  wendet  sich  dann  etwas  über  ihm  nach  hinten.  Aus  ihm  bildet 
sich  wahrscheinlich  das  Dach  der  Nasenkapsel.  Auf  der  Grenze  der 
Orbito-temporal-  und  Ethmoidalregion  springt  von  der  Trabecula  aus 
ein  Fortsatz  lateralwärts  vor,  kaudal  von  der  hinteren  Nasenöffnung. 
Sewertzoff  bezeichnet  ihn  mit  dem  unzweckmäßigen,  weil  nichts- 
sagenden Namen  Proc.  ethmoideus;  Bridge  bringt  mit  der  Benennung 
Proc.  a  n  1 0  r  b  i  t  a  1  i  s  wohl  auch  die  richtige  Homologie  zum  Aus  - 
druck.  Der  Boden  der  Orbito-temporalregion  wird  auf  diesem  Stadium 
von  einer  großen  Fenestra  basier anialis  anterior  einge- 
nommen. 

Die  Art,  wie  sich  das  geschilderte  noch  sehr  einfache  Gerüst  der  Orbito-tem- 
poral- und  Ethmoidalregion  zu  dem  ausgebildeten  Zustand  vervollkommnet,  harrt 
noch  der  Untersuchung.  Bei  Ceratodus  kommen  kontinuierliche  Seitenwände,  Decke 
und  Boden  zur  Ausbildung,  bei  Lepidosiren  und  Protopterus  bleiben  die  Seitenwände 
niedriger,  eine  Decke  bildet  sich  überhaupt  nicht,  am  Boden  bleibt  eine  Fen.  basi- 
cran.  ant.  bestehen.  Antorbitalfortsätze  finden  sich  bei  allen  3  Formen  (Wieders- 
HEIM,  RÖSE,  Bridge);  bei  Ceratodus  verlieren  sie  ihren  knorpeligen  Zusammenhang 
mit  den  Trabekeln.  Das  Nasenskelett  besteht  bei  allen  8  Dipnoern  aus  dem 
Septum  nasi,  mit  dessen  oberem  Rande  die  Nasenkapseln  zusammenhängen.  Letz- 
tere werden  in  der  Hauptsache  von  gebogenen,  mehrfach  durchbrochenen  Knorpel- 
lamellen gebildet,  die  den  dorsalen  und  lateralen  Umfang  der  Nasensäcke  umziehen. 


686  E.  Gaupp, 

Pränasale,  gegen  die  Oberlippe  vorspringende  Fortsatzbildungen  sind,  wohl  mit 
Unrecht,  für  Lippenknorpel  erklärt  worden.  Basal  findet  sich  lediglich  ein  schmales 
Knorpelband  (Suonasalknorpel,  Bridge),  das  als  Fortsetzung  der  Seitenwand,  quer- 
gelagert, medialwärts  zum  Septum  zieht,  mit  diesem  aber  nur  bindegewebig  verbunden 
ist.  Es  zerlegt  die  große  basale  Lücke  in  eine  vordere  und  hintere  Hälfte,  für  die 
vordere  und  hintere  Nasenöffnung.  Dies  Verhalten  erinnert  also  schon  ganz  an  das 
bei  den  terrestrischen  Wirbeltieren  (Fenestra  narina.  Fenestra  basalis,  Lamina 
transversalis  anterior).  Wie  überhaupt,  so  ist  auch  in  der  Ethmoidalregion  das 
Chondrocranium  von  Ceratodus  massiver  als  das  der  beiden  anderen  Dipnoer;  die 
Canales  olfactorii,  die  sich  im  hinteren  Teil  der  Region  finden,  und  durch  die  das 
Oavum  cranii  mit  den  Nasenkapsel  räumen  kommuniziert  (Nn.  olfactorii!),  sind  daher 
bei  Ceratodus  von  besonders  dicken  Knorpelraassen  umgeben. 

Vom  Visceralskelett  wären  zunächst  Lippenknorpel  zu 
erwähnen.  Unter  diesem  Namen  sind  vielerlei  Dinge  beschrieben 
worden :  am  Neurocranium  Teile  des  Nasenskelettes  (Proc.  antorbitalis, 
die  quere  basale  Knorpelspange,  die  Pränasalknorpel),  am  Unterkiefer 
Fortsatzbildungen  am  vorderen  Ende  des  MECKEL'schen  Knorpels. 
Alle  diese  verdienen  jene  Bezeichnung  nicht.  Bridge  beschreibt 
bei  Lepidosiren  jederseits  einen  Oberlippenknorpel  als  selbständiges 
Knorpelstück  vor  dem  Antorbitalfortsatz  und  homologisiert  ihn  einem 
schon  von  Peters  bei  Protopterus  gefundenen  Gebilde.  K.  Für- 
bringer  zählt  auch  diesen  zu  den  neurokranialen  Skelettteilen,  so 
daß  den  Dipnoern  obere  Lippenknorpel  im  Sinne  der  Selachier  über- 
haupt fehlen  würden.  Außen  vom  Unterkiefer  von  Lepidosiren  be- 
schreibt Bridge  einen  kleinen  selbständigen  Knorpel;  ob  dieser  etwa 
einem  Unterlippenknorpel  zu  vergleichen  ist,   muß   sich   noch   zeigen. 

Das  Palatoquadratum  der  Dipnoer  zeigt  die  Amphibienähn- 
lichkeit in  mehreren  Punkten :  in  der  Stellung  (schräg  nach  vorn  ge- 
richtet, wie  bei  den  Urodelenlarven),  in  der  Natur  seiner  Fortsätze 
(Proc.  basalis,  Pr.  oticus,  Pr.  ascendens)  und  in  der  festen  Ver- 
wachsung mit  dem  neuralen  Cranium  (autostjder  Typus).  Seine  selb- 
ständige Entstehung  hat  Sev^^ertzoff  festgestellt,  der  auch  den  Ver- 
gleich der  Fortsätze  durchführte.  Der  Basalfortsatz  entspricht  der 
primären  Anlagerung  des  Palatoquadratums  an  die  Trabekel.  Bridge 
beschreibt  bei  Ceratodus  sogar  einen  Proc.  pterygoideus.  Der  prim- 
ordiale Unterkiefer  ist  kräftig  entwickelt  und  bleibt  zeitlebens 
knorpelig  erhalten.  Der  Forsatzbildungen  an  seinem  vorderen  Ende 
wurde  schon  gedacht. 

Hyal bogen.  Das  Vorhandensein  eines  kleinen  Hyomandi- 
bulare  bei  Ceratodus,  das  Huxley  zuerst  erkannte,  wird  von  Se- 
WERTZOFF  und  K.  FÜRBRiNGER  bestätigt.  Der  übrige  Hyalbogen 
zerfällt  in  ein  großes  Keratohyale  und  ein  kleines  Hypohyale. 
Die  Hypohyalia  werden  durch  eine  kleine  Copula  (Basihyale, 
RiDEWOOD)  untereinander  verbunden.  Knorpelstücke,  die  bei  allen  3 
Dipnoern  der  Innenfläche  des  Operculum  und  des  Interoperculum  an- 
sitzen, wurden  als  Radien  des  Zungenbeinbogen s  gedeutet  (Huxley, 
1876;  Bridge). 

Branchialbogen.  Die  Zahl  der  Kiemenbogen  bei  den  Di- 
pnoern beträgt  5.  Auf  dem  jüngsten,  von  Sewertzoff  untersuchten 
Stadium  von  Ceratodus  waren  erst  4  Kiemenbogen  angelegt,  der  5. 
bildet  sich  also  zuletzt  aus.  Die  4  vorderen  bestehen  je  aus  2  Stücken, 
einem  langen  ventralen  Keratobranchiale  und  einem  kleinen  dorsalen 
Epibranchiale.  Copulae  waren  auf  den  von  Sewertzoff  unter- 
suchten Stadien  zwischen  den  ventralen  Enden  der  Kiemenbogen 
nicht  vorhanden;  beim  erwachsenen  Ceratodus   findet   sich  außer   der 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  687 

schon  erwähnten  hyaleu  Copula  noch  eine  zweite  zwischen  dieser  und 
den  ventralen  Enden  der  Keratobranchialia  I. 

Bei  Protopterus  besteht  vor  der  1.  Kiemenspalte,  zwischen  dieser  und  dem 
Hyale,  eine  Knorpelspange,  die  mittelst  eines  fibrösen  Stranges  an  der  Schädelbasis 
befestigt  ist  und  eine  halbe  Kieme  trägt.  Nach  M.  Fürbrixgee,  (1897)  ist  sie  nicht 
konstant;  manchmal  besteht  sie  nur  als  Rudiment.  Früher  wurde  sie  für  den  1. 
Kieraenbogen  gehalten  ( —  dann  würde  Protopterus  6  Kiemeubogen  besitzen  — );  nach 
TAN  WiJHE  (1902)  steht  sie  ein  Hyobranchiale  dar,  d.  h.  einen  Skelettbogen, 
der  als  selbständiger  Bogen  hinter  dem  Hyalbogen  anzunehmen  ist  (s.  p.  592).  Ob 
das  von  Huxley  bei  Ceratodus  gefundene  Knorpelstückchen  wirklich  das  Rudiment 
eines  6.  Bogens  ist,  bleibt  zu  ermitteln.  —  Beim  erwachsenen  Ueratodus  beschreibt 
VAN  WiJHE  (1882)  an  den  ersten  3  Branchialbogen  auch  Pharyngobranchialia. 

Knochen. 

Die  Zahl  der  Knochen  ist  am  Schädel  der  Dipnoer  viel  geringer 
als  an  dem  der  Knochenganoiden  und  Teleostier.  Das  neurale  Prim- 
ordialcranium  bleibt  zum  größten  Teil  knorpelig;  nur  in  der  Occipital- 
region  tritt  als  Ersatzknocheu  das  Ple  ur  occipitale  jederseits  auf, 
nach  K.  P'ürbringer  aus  der  Verknöcherung  des  vordersten  Occipital- 
bogens  hervorgehend.  (Auch  der  3.  Occipitalbogen  verknöchert  nach 
K.  FÜRBRiNGER  bei  Ceratodus,  der  zweite  bleibt  knorpelig.)  Das 
Palatoquadratum  bleibt  völlig  knorpelig.  Das  unpaare  F  r  o  n  t  o  - 
parietale  von  Protopterus  und  Lepidosiren,  das  ebenfalls  unpaare 
Supraethmoidale,  die  beiden  eigentümlichen,  von  Bridge  den 
Pr  aefron  talia  der  Urodelen  verglichenen  Knochen  (Supraorbitalia 
Autt.,  dermal  ectethmoids  Bridge),  endlich  das  Scleroparietale 
von  Ceratodus  sind  Deckknochen  an  der  Dorsalseite  des  neuralen 
Craniums.  Die  Orbitalknochen  von  Ceratodus  schließen  sich  ihnen 
an.  Das  Squamosum  scheint  in  der  Hauptsache  topographische 
Beziehungen  zum  Palatoquadratum  zu  haben  und  entspricht  somit 
vielleicht  dem  Paraquadratum  der  Amphibien.  An  der  Ventraltiäche 
des  Primordialcraniums  kommen  ein  zahnloses  Parasphenoid  sowie 
jederseits  ein  Vom  er  und  ein  Palatoptery  goid  zur  Ausbildung. 
Die  beiden  letztgenannten  Zahnplatten  sind  darum  von  besonderem 
Interesse,  weil  sie  sehr  schön  die  Entstehung  von  Zahnknochen  durch 
Verwachsung  von  Zähnen,  im  Sinne  der  von  0.  Hertwig  aufge- 
stellten Theorie,  zeigen.  Das  Gaumenskelett  der  Dipnoer  verharrt 
auf  einer  Entwickelungsstufe,  die  von  den  Urodelen  in  ihrer  Ontogenie 
rasch  durchlaufen  wird  (0.  Hertwig).  Die  kleine  Vomer-Zahn- 
platte  liegt  an  der  Ventralfläche  des  Ethmoidalskelettes  und  stützt 
sich  gegen  das  Septum  nasi,  das  ausgedehnte  Palatopterygoid 
liegt  mit  seinem  hinteren  Ende  dem  Palatoiiuadratum  an,  mit  seinem 
medialen  Rande  der  Trabecula,  mit  seinem  vorderen  Ende  der  Nasen- 
kapsel. (Bei  Ceratodus  deutet  Bridge  die  der  Trabekel  ansitzende 
Knorpelleiste,  der  das  Palatopterygoid  anliegt,  als  Proc.  pterygoideus 
Palatoquadrati.)  Der  vordere  zahntragende  Teil  des  Knochens  ist  dem 
Palatinum,  der  hintere  unbezahnte  dem  Pterygoid  zu  vergleichen; 
letzterer  ist  schon  echter  Skelettknochen  geworden  (0.  Hertwig). 
Nur  der  aus  Vomer  und  Pterygopalatinum  gebildete  innere  (Gaumen-) 
Zahnbogen  ist  bei  den  Dipnoern  vorhanden,  der  äußere  (Kiefer-)Bogen 
fehlt. 

Im  Unterkiefer  bleibt  der  primordiale  Unterkiefer  zeit- 
lebens  knorpelig   erhalten,    eine   Ossifikation    entsteht   in    ihm    nicht. 


688  E.  Gaupp, 

Deckknochen  sind :  Operciilare  und  Angulare;  bei  Ceratodus  be- 
schreibt HuxLEY  auch  noch  ein  Dentale.  Das  Operculare  ist  eine 
am  inneren  Umfang  des  Knorpels  gelegene  Zahnplatte.  Wie  am  Ober- 
kiefer, so  besteht  auch  am  Unterkiefer  nur  der  innere  (operculare) 
Zahnbogen,  der  äußere  fehlt.  Im  Bereich  des  Hy obranchial- 
skelettes  treten  bei  Ceratodus  perichondrale  Knochenscheiden  auf 
am  Keratohyale  und  an  der  ersten  Copula  (Basihyale).  Unter  den 
Knochenscheiden  bleibt  der  Knorpel  erhalten  (erstes  Stadium  der  Er- 
satzknochen). Ein  Opercuhim  und  ein  In  t er  op er cul um  (Deck- 
knochen) kommen  bei  allen  3  Dipnoern  zur  Ausbildung ;  interessant 
ist,  daß  ihrer  Innenfläche  noch  Knorpelstücke  ansitzen.  Es  kann 
daraus  geschlossen  werden,  daß  die  genannten  Knochen  als  Deck- 
knochen außen  von  primordialen  Radien  des  Zungenbeinbogens  ent- 
standen. 

Urodelen. 

Die  Kenntnis  der  Schädelentwickelung  bei  den  Urodelen  ist  stellen- 
weise noch  lückenhaft.  Namentlich  gilt  dies  für  die  knöchernen 
Skelettteile;  doch  auch  die  Teile  des  Knorpelschädels  sind  noch  nicht 
alle  genügend  in  ihrer  Bedeutung  erkannt.  Die  sichersten  Angaben 
liegen  über  den  Schädel  der  Salamandriden  vor,  von  dem  ich 
daher  ausgehe. 

Bei  den  Salamandriden  wird  die  Schädelentwickelung  durch  das  Larvenleben 
und  die  darauf  folgende  Metamorphose  sehr  wesentlich  beeinflußt:  namentlich  das 
Hyobranchialskelett  wird  zuerst  in  einer  provisorischen  Form  ausgebildet,  die  dann 
bei  der  Metamorphose  durch  Zerstörungs-  und  Umbildungsprozesse  in  die  definitive 
umgewandelt  werden  muß.  Geringer  sind  die  Veränderungen;,  die  das  Palato- 
quadratum  erleidet. 

I.  P  r  i  m  0  r  d  i  a  1  c  r  a  n  i  u  m. 

Die  ersten  Skelettteile,  die  bei  Triton  cristatus,  Tr.  taeniatus  und 
Siredon  pisciformis  am  Kopfe  angelegt  werden,  sind  die  Visceral- 
bogen;  erst  nach  diesen  erscheinen  Skelettanlagen  im  Gebiete  des 
neuralen  Craniums  (Stöhr  1879).  Diese  Thatsache  ist  darum 
von  Interesse,  weil  sonst  meist  die  Konsolidierung  im  Bereiche  des 
neuralen  Craniums  der  im  Visceralskelett  vorangeht.  Ich  beginne  in 
der  Schilderung  trotzdem  mit  dem  neuralen  Cranium. 

A.  Neuraler  Teil  des  Primordialcraniuins. 

Die  verschiedenen  Abschnitte  des  neuralen  Craniums  bei  den  oben  genannten 
Salamandriden  differenzieren  sich  aus  dem  ursprünglichen  embryonalen  ßildungs- 
gewebe  nicht  zu  gleicher  Zeit  und  nicht  in  gleicher  Weise;  sie  werden  successive 
als  gegen  die  Umgebung  begrenzte  Teile  sichtbar,  die  einen  schon  vor  der  Verknor- 
pelung  durch  die  eigentümliche  Anordnung  und  den  besonderen  Charakter  ihrer 
zelligen  Elemente,  die  anderen  erst  durch  den  Verknorpelungsprozeß.  Von  den  am 
frühesten  auftretenden  Teilen  sind  schon  vor  der  Verknorpelung  jederseits  abgrenz- 
bar: 1)  der  Balken,  2)  die  Balkenplatte  (Stöhr),  3)  der  OccipitalteiL 
Erst  durch  die  Verknorpelung  grenzen  sich  die  Skelettteile  der  Labyrinth- 
region  deutlich  gegen  die  Umgebung  ab.  Die  genannten  Teile  sind  ursprünglich 
paarig  vorhanden;  die  Balken  im  prächordalen,  die  übrigen  Abschnitte  im  chordaleu 
Schädelgebiet. 

Die  Differenzierung  der  neurokranialen  Skelettteile  nimmt  der 
Schilderung  von  Stöhr  zufolge  im  prächordalen  Kopfgebiet  ihren 
Anfang.  (Auch  hier  besteht  also  ein  Gegensatz  gegenüber  anderen 
Formen,  z.  B.  den  Selachiern.)  Zuerst  erscheinen  die  Schädel- 
balken, schon  vor  der  knorpeligen  Differenzierung  erkennbar  an  der 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes. 


689 


dichtgedrängten  Lage  der  Zellen,  die  bei  Triton  cristatus  durch  rund- 
liche Kerne,  sehr  geringes  Protoplasma  und  fast  vollkommenen  Mangel 
an  Dotterplättchen  ausgezeichnet  sind.  Die  Form  der  Balkenanlage 
jeder  Seite  ist  nur  vorn  die  einer  basal  gelagerten  rundlichen  Spange, 
weiter  hinten  dagegen  die  einer  hohen,  aufrecht  stehenden,  vom  N. 
opticus  durchsetzten  Lamelle,  die  somit  von  vornherein  die  ganze 
orbito-temporale  Schädelseitenwand  repräsentiert.  Der  über  dem  N. 
opticus  befindliche  Teil  der  Lamelle  wird  gewöhnlich  als  Crista  trabe- 
culae  bezeichnet.  Die  Balkenanlage  differenziert  sich  von  vorn  nach 
hinten  und  verknorpelt  rasch  (Triton  crist.  von  9,5  mm  Länge).  Kurz 
nach    ihr    erscheint   jederseits    die   Balken  platte,    als   paarige   zu 

Form  eines  recht- 

der  Chorda),   die   in 

3n  Punkten  von  dem 

Balken  selbst  unterscheidet  und  mit  diesem    auch  zunächst   nicht  zu- 

Auch    die   Balkenplatte   verknorpelt    rasch   und   ver- 


Seiten der  Chordaspitze   gelegene  Anlage,  von  der 
winkligen  Dreiecks    (rechter  Winkel  vorn  neben 
ihrer  histologischen  Differenzierung  sich  in  eini 


sammenhängt 


Trabec. 


Crista  fr  ab. 


Tahtoquadr. 


BaLkenplatte 
(Stöhr) 

Chorda  dors. 


Fig.  347.  Primordiales  Neurocranium  und  Palatoquadratum  eines  7,5  mm 
langen  biredon  pisciformis.  Von  oben  gesehen.  Vergr.  ca.  60mal.  (Nach  einem 
Plattenmodell  von  Ph.  Stöhr,  unter  Zugrundelegung  der  von  Fr.  Ziegler  her- 
gestellten Kopie  des  Originalmodelles.) 


schmilzt   mit   dem    Balken    (Fig.  347).     Bald    erfolgt   auch   eine   Ver- 
einigung der  beiderseitigen  Balkenplatten  vor  der  Chordaspitze,  sowie 

über  oder  unter  der  Chorda. 

Bei  Triton   taeniatus   findet  die  Vereinigung  ventral,    bei  Biredon   dorsal,    bei 
Triton  cristatus  ventral   und   dorsal  statt,  —  doch    kommen  auch  hierin  Varianten 

Handbuch  der  Entwickelungslehre.  III.  2.  44 


690  E.  Gaupp, 

vor.  —  Necturus  zeigt  von  dem  Geschilderten  einige  Abweichungen;  die  wichtigste 
ist  die  selbständige  Verknorpelung  der  Crista  trabeculae  (J.  Platt).  Die  Angabe 
von  J.  Platt,  daß  bei  Necturus  die  vorderen  Balkenhälften  ektodermaler  Herkunft 
seien,  wird  von  G.  Buchs  zurückgewiesen. 

Nicht  lange  nach  den  Balkenplatten  entsteht  am  hintersten  Ab- 
schnitt der  Schädelchorda  eine  neue  Knorpelanlage:  der  Occipital- 
teil  des  Schädels.  Er  ist  paarig  und  gleicht  anfangs  durchaus  einem 
oberen  Wirbelbogen,  daher  Occipi talbogen  (Stöhr;  s.  Fig.  348, 
Arcus  occipitalis).  Der  Bogen  entstellt  in  dem  die  elastische 
Chordascheide  umgebenden  Gewebe,  oben  und  seitlich  von  der  Chorda, 
hängt  bei  Siredon  mit  dem  Myocomnia  zwischen  dem  2.  und  3.  met- 
otischen  Myotom  zusammen  (Sewertzoff  1895)  und  verbreitert  sich 
dann  an  seiner  Basis,  so  daß  diese,  die  der  Chorda  anliegt,  alsOcci- 
pitalplatte  dem  dünneren  aufsteigenden  Bogenabschnitt  (Occi- 
pital  pfeiler)  gegenübergestellt  werden  kann.  Zu  einer  Vereinigung 
der  beiderseitigen  Öccipitalplatten  kommt  es  vorerst  nicht.  Endlich 
entsteht  zu  derselben  Zeit  selbständig  die  Ohrkapsel,  zuerst  als 
isolierter  Knorpelherd  am  lateralen  Umfang  des  lateralen  Bogen- 
gauges auftretend  (Fig.  348). 

So  besteht  nun  der  Schädel  jederseits  aus  drei  getrennten  Teilen: 
dem  Balken  mit  der  Balkenplatte  (die  beiderseitigen  Balkenplatten 
pflegen  allerdings  frühzeitig  vor  der  Chordaspitze  untereinander  zu 
verschmelzen),  dem  Occipitalbogen  und  der  Ohrkapselanlage.  Die 
etwa  parallel  zueinander  gelagerten  Balken  treiben  au  ihren  vorderen 
Enden  laterale  flache  Verbreiterungen,  die  sich  unter  die  Nasensäcke 
herunterschieben  und  so  die  erste  Andeutung  eines  Bodens  der  Nasen- 
kapseln bilden.  Sie  werden  meistens  schon  als  Trab  ekelhörn  er  be- 
zeichnet,  obwohl   sie   nur  Teile   der   Trabekelabschnitte   sind,    die   im 


Arcoccip 

_  ...     -„«™„™_        Chorda  dors 

Cornulrabei 

Caps  aadit 
hoc  otic 
^PalatoqUadr 
Parsartical 

Fig.  348.  Primordiales  Neurocranium  und  Palatoquadratum  eines  9  mm  langen 
Siredon  pisciformis.  Von  links  und  etwas  von  'oben  (-gesehen.  Vergr.  ca.  35mal. 
Wie  Fig.  347,  nach  Stöhb. 

Anschluß  an  Rathke  mit  jenem  Namen  belegt  werden  dürfen  (s.  später). 
Mit  der  orbito-temporaleu  Schädelseitenwand ,  vor  der  Ohrkapsel, 
setzt  sich  das  Palatoquadratum  durch  den  Proc.  ascendeus  in  Ver- 
bindung. Diesen  Zustand  des  Schädels  zeigt  Fig.  348.  Das  Verhalten 
der  Nerven  kommt  später  zur  Sprache. 

Bei  sehr  jungen  Embryonen  von  Siredon  pisciformis  konstatierte  Sewertzoff(1895) 
die  Ausdehnung  der  Reihe  der  Somite  bis  zur  Gehörblase.  Die  beiden  vordersten  gehören 
dem  Kopfgebiet  an,  auf  der  Grenze  zwischen  den  Myotomen  des  2.  und  3.  entsteht  der 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  691 

Occipitalbogen,  mit  dessen  Perichondrium  sich  das  Myocomma  zwischen  den  beiden 
genannten  Myotomen  verbindet.  Das  1.  Myotom  verschwindet  völlig,  vom  2.  bleiben 
Keste  während  des  ganzen  Lebens  bestehen ;  zu  diesen  beiden  Myotomen  wurden 
Nerven  nicht  nachgewiesen.  Bei  Necturus  findet  J.  B.  Platt  nicht  2,  sondern  3 
Kopfmyotome;  der  Occipitalbogen  steht  mit  dem  Myocomma  zwischen  dem  3.  und 
4.  metotischen  Myotom  in  Verbindung.  Da  die  kaudale  Grenze  des  Urodelen- 
echädels  doch  wohl  überall  die  gleiche  ist,  so  ist  das  dahin  zu  deuten,  daß  bei 
Siredon  das  vorderste  Myotom  von  Necturus  nicht  mehr  zur  Differenzierung  gelangt. 
Auf  Grund  der  Lagerung  zwischen  2  Myotomen  halten  Sewertzoff  und  J.  ß.  Platt 
den  Occipitalbogen  der  Urodelen  thatsächlich  nur  für  homodynam  einem  einzigen 
Wirbelbogen.  Und  zwar  vergleicht  ihn  Sewertzoff  dem  1.  Skelettsegment  der 
Occipitalregion  bei  Acanthias.  Dann  wäre  die  Occipitalregion  der  Selachier  um 
mehrere  vertebrale  Skelettelemente  länger  als  die  der  Urodelen ;  die  ersten  freien 
Wirbel  der  letzteren  wären  innerhalb  der  Occipitalregion  der  Selachier  zu  suchen. 
Gegen  diesen  an  sich  schon  unwahrscheinlichen  Schluß,  der  dem  Schädel  der  Am- 
phibien eine  viel  primitivere  Stellung  zuweist  als  dem  der  Selachier,  wendet  sich 
FÜRBRINGER  unter  Vertretung  des  Standpunktes,  daß  die  Occipitalregion  der  Urodelen 
(und  Amphibien  überhaupt)  einem  Multiplum  von  spinalen  Skelettsegmenten  ent- 
spreche, die  nur  infolge  weit  vorgeschrittener  Verkümmerung  nicht  mehr  alle  onto- 
genetisch  zur  Anlage  kommen.  Zu  Gunsten  dieser  Auffassung  spricht  das  Vor- 
handensein eines  die  Occipitalregion  durchsetzenden  Nerven,  der  zuerst  von  FÜR- 
BRINGER  bei  Cryptobranchus,  neuerdings  (1901,  1904)  von  Drüner  auch  bei  Larven 
von  Triton  und  Salamandra  sowie  bei  Menopoma  gefunden  wurde.  Er  ist  als 
occip  italer  Nerv  (s)  im  Sinne  Fürbringer's  zu  bezeichnen  und  beweist,  daß  die 
Occipitalregion  der  Amphibien,  wie  immer  wirbelähnlich  sie  sei,  doch  nicht  einem 
einfachen  Wirbel  entspricht,  sondern  ein  Compositum  darstellt.  Eine  Vereinigung 
dieser  Anschauung  mit  der  Thatsache  der  Entstehung  des  Occipitalbogens  zwischen 
2  Myotomen  ist  durch  die  Annahme  möglich,  daß  zwar  der  schlanke  aufsteigende 
Occipitalpf  eiler  nur  einem  Wirbelbogen  entspricht,  daß  aber  der  basale  Abschnitt 
der  Occipitalregion  (die  Occipitalplatte  Stöhr's),  der  sich  längs  der  Chorda  nach  vorn 
hinzieht,  noch  Material  von  anderen  reduzierten  Wirbelbogen  enthält  (Gaupp,  1898). 
Analoge  Verhältnisse  zeigen  sich  bei  den  Säugern.  Jedenfalls  ist  es  bei  Berücksich- 
tigung aller  Verhältnisse  am  wahrscheinlichsten,  daß  die  Ausdehnung  des  Amphibien- 
craniums  die  gleiche  ist  wie  die  des  Selachiercraniums,  daß  also  auch  die  Occipital- 
region des  Amphibiencraniums  ein  protometameres  Neocranium  im  Sinne 
Fürbringer's  repräsentiert,  das  starke  Reduktionen  erlitten  hat.  Der  einzige  bisher 
aufgefundene  occipitale  Nerv  würde  mit  z  zu  bezeichnen  sein. 

Die  weitere  Vervollständigung  des  Schädels  ist  für  die  einzelnen 
Abschnitte  gesondert  zu  betrachten. 

Basal  platte,  Occipitalregion.  Die  Balkenplatte  und  die 
Occipitalplatte,  die  anfangs  weit  voneinander  getrennt  sind  (Fig.  o4<S), 
wachsen  sich  in  der  Folge  einander  entgegen  und  vereinigen  sich  zur 
Seite  der  Chorda.  So  bilden  sie  den  Achsen  teil  der  Basalplatte 
(Stöhr),  der  vorn  (Balkenplatte)  und  hinten  (Occipitalplatte)  breit, 
im  Gebiet  des  Ohrbläschens  dagegen  sehr  schmal,  im  ganzen  also 
sanduhrförmig  gestaltet  ist.  Seinem  lateralen  Rande  schließt  sich  das 
mesotische  Gewebe  (Stöhr)  an,  das  lateralwärts  in  das  peri- 
0 tische  Gewebe,  d,  h,  die  Umhüllung  der  Ohrkapsel,  übergeht.  Der 
aus  seiner  Verknorpelung  alsbald  hervorgehende  Knorpel  (m eso- 
tisch er  Knorpel,  Stöhr)  verbreitert  die  Basalplatte,  indem  er  sich 
an  den  schmalen  Achsenteil  derselben  anfügt;  zugleich  bildet  er,  sich 
seitwärts  erstreckend,  den  Boden  der  Ohrkapsel  und  verbindet  sich 
mit  den  selbständig  entstandenen  Teilen  der  letzteren.  So  entsteht 
schließlich  eine  durch  den  ganzen  chordalen  Schädelabschnitt  sich  er- 
streckende breite  Basalplatte,  die  von  der  Chorda  dorsalis  durch- 
setzt wird,  und  die  jederseits  in  l^ger  Linie  in  die  Ohrkapsel 
übergeht. 

Dem  Gesagten  zufolge  setzt  sich  die  ßasalplatte  auf  jeder  Seite  genetisch  aus 
3  Abschnitten  zusammen:  der  Balkenplatte  (vorn),  der  Occipitalplatte  (hinten)  und 
dem    mesotischen  Knorpel  (in   der  Mitte).    Letzterer  reicht  aber  nicht  bis   an  die 

44* 


692  E.  Gaupp, 

Chorda  selbst,  sondern  wird  von  dieser  getrennt  durch  den  schon  vorher  verknorpeki- 
den  parachordalen  Streifen,  der  die  Balkenplatte  mit  der  Occipitalplatte  verbindet. 
Bei  Necturus  ist  eine  solche  Dreiteilung  der  Basalplatte  nicht  erkennbar; 
hier  erfolgt  die  Verknorpelung  der  zuerst  vorknorpelig  angelegten  Platte  nur  von  den 
Balkenwurzeln  (vorn)  und  der  Occipitalgegend  (hinten)  aus.  Die  Platte  besitzt  im 
Vorknorpelstadium  eine  größere  Ausdehnung  als  später:  die  medial- vorderen,  neben 
der  Chordaspitze  gelegenen  Teile  der  Vorknorpelplatte  verschwinden  später  wieder, 
so  daß  die  Chorda  frei  bis  zur  Hypophysis  verläuft  (J.  Platt). 

Atlanto-occipitalverbin düngen.  Von  den  drei  Atlanto-occipital Verbin- 
dungen bilden  sich  die  beiden  lateralen  Gelenke  unter  Beteiügung  des  Occipito- 
vertebralgewebes  (Intervertebro-occipitalgewebe,  Stöhr),  d.  h.  des  Gewebes,  das  anfangs 
zwischen  dem  Bogen  des  1.  Rumpfwirbels  und  dem  hinteren  Rande  der  Basalplatte 
jederseits  gelegen  ist.  Der  vordere  Teil  dieses  Gewebes  schließt  sich  der  Basalplatte 
an  und  bildet,  jederseits  verknorpelnd,  einen  Condylus  occipitalis,  der  hintere 
Teil  fügt  sich  an  die  Basis  des  1.  Wirbelbogens  und  bildet  die  Pfanne.  Die  beiden 
lateralen  Gelenke  entsprechen  nach  Peter  (1894)  Bogengelenken  der  Wirbelsäule.  — 
Komi^lizierter  sind  die  Vorgänge  bei  der  Bildung  der  medianen  Verbindung,  die  beim 
erwachsenen  Tier  durch  einen  Fortsatz  des  1.  Wirbels,  das  Tuberculum  inter- 
glenoidale  (Processus  odontoideus  aut.)  hergestellt  wird.  Es  erfolgt 
nämlich  eine  Loslösung  der  beiden  Basalplattenhälften  von  den  Seiten  des  hintersten 
Teiles  der  Schädelchorda,  und  statt  dessen  tritt  eine  neue  Vereinigung  der  beiden 
Plattenhälften  ventral  von  der  Chorda  ein.  Sie  mag  als  hypochordale 
Kommissur  bezeichnet  werden.  Bei  der  nun  innerhalb  des  1.  Wirbels  erfolgenden 
Verknorpelung  der  Chorda  setzt  sich  der  Verknorpelungsprozeß  in  das  hintere  aus 
der  Basalplatte  herausgeschälte  Stück  der  Schädelchorda  fort,  das  so  die  erste 
Grundlage  des  Tuberculum  interglenoidale  bildet.  Später  verschwindet  aber  dieser 
Teil  der  Chorda  wieder  spurlos:  das  definitive  Tuberculum  bildet  sich  nur  um  sie 
herum  aus  dem  die  Chordascheide  umgebenden  Gewebe.  Anfangs  knorpelig,  ver- 
knöchert es  später,  und  vom  Knorpel  bleibt  nur  ein  Rest  als  Gelenküberzug  vor- 
handen. Der  Fortsatz  bewegt  sich  in  einer  Rinne  der  Basaijilatte,  auf  der  hypo- 
chordalen  Kommissur  zwischen  beiden  Occipi talplatten,  die  auch  beim  erwachsenen 
Tier  als  mediane  Synchondrose  zwischen  beiden  Pleuroccipitalia  erhalten  bleibt. 
Bänder  an  der  Spitze  und  an  den  Seiten  befestigen  den  Fortsatz  an  der  Basis  des 
Schädels. 

Schicksal  der  Chorda  dorsalis  und  der  Basali)latte.  Das  weitere 
Schicksal  der  Chorda  dorsalis  innerhalb  des  Schädels  gestaltet  sich  bei  Triton  taeni- 
atus  (nach  eigenen  Untersuchungen)  folgendermaßen.  ■  Ein  vorderes,  nicht  sehr  großes 
Stück  der  Chorda  wird,  wie  erwähnt,  dorsal  von  Knorpel  bedeckt,  indem  die  beiden 
Basalplattenhälften  sich  über  ihm  vereinigen  (bei  anderen  Urodelen  erfolgt  diese  Ver- 
einigung ventral  von  der  Chorda,  s.  o.);  der  hinterste  Abschnitt  wird  aus  der 
Basalplatte  in  schon  geschilderter  Weise  herausgeschält  und  zur  Grundlage  des 
Tuberculum  interglenoidale;  der  mittlere,  längste  Abschnitt  bleibt  dorsal  wie  ventral 
unbedeckt  von  Knorpel.  Im  Laufe  der  weiteren  Entwickelung  geht  schließlich  die 
ganze  Schädelchorda  spurlos  zu  Grunde.  Doch  macht  sie  vorher  noch  einige  er- 
wähnenswerte Veränderungen  durch.  Ihr  vorderster  Abschnitt  verknorpelt  selb- 
ständig. Man  findet  also  ein  Stadium  (Triton  taeuiatus  von  2  cm  Länge),  auf  dem 
das  vorderste  Chordastück  einen  Knorpelstab  darstellt,  der  zwischen  den  beiden 
knorpeligen  Basalplattenhälften,  bei  Triton  taeniatus  ventralwärts  verschoben,  gelagert 
ist.  Ganz  vorn  nimmt  der  Knorpel  in  der  That  den  ganzen  Chordaquerschnitt  ein, 
weiter  hinten  beschränkt  er  sich  auf  die  ventrale  Hälfte  des  Querschnittes.  Der 
mittlere  Teil  der  Schädelchorda  verknorj^elt  nie.  Uebrigeus  kommen  auch  betreffs 
des  vorderen  Endes  Abweichungen  von  dem  eben  Geschilderten  vor. 

Auch  die  knor^ielige  Basalplatte  geht  bei  Triton  taeniatus  in  größter  Aus- 
dehnung zu  Grunde.  Dies  geschieht  in  der  Weise,  daß  zunächst  die  jederseits  an 
die  Chorda  anstoßenden  mittleren  Partieen  beider  Basalplattenhälften  zerstört  werden. 
So  entsteht  zunächst  eine  große  Fenestra  basi-cranialis  posterior  im  chor- 
dalen  Schädelgebiet,  die  von  der  Chorda  dorsalis  durchsetzt  wird.  Vorn  wird  sie 
durch  eine  hinter  der  Hypophyse  stehen  bleibende  quere  Knorpelspange  (Crista  retro- 
sellaris),  in  der  das  vorderste  verknorpelte  Chordaende  steckt,  von  der  zwischen  den 
Balken  gelagerten  vorderen  basi-kranialen  Fontanelle  getrennt,  hinten  erhält  sie  einen 
Abschluß  durch  die  hypochordale  Kommissur  der  Occipi talregion,  lateralwärts  dehnt 
sie  sich  bis  nahe  an  die  Ohrkapsel  aus.' Durch  Schwund  der  Crista  mit  der  eingeschlos- 
senen Chorda  (bei  Triton  cristatus  bleibt  nach  Stöhr  ein  Rest  der  Crista  auch  beim 
Erwachsenen  knorpelig)  fließen  die  vordere  und  die  hintere  basi-kraniale  P^ontanelle 
zu  einer  großen  rechteckigen  Lücke,  Fenestra  basi-cranialis  communis  zu- 
sammen, die  hinten  durch  die  hypochordale  Kommissur,   vorn   erst  durch  die  Inter- 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  693 

nasalplatte  (s.  Orbito-teniporalregion)  begrenzt  wird,  und  in  deren  hinterem  Teil  die 
Chorda  zu  Grunde  geht.  ISie  wird  durch  das  Parasphenoid  geschlossen  und  bleibt 
beim  erwachsenen  Tier  bestehen;  ebenso  bleibt  bei  diesem  ein  Rest  der  hypochor- 
dalen  Kommissur  knorpelig  zwischen  beiden  Pleuroccipitalia  am  ventralen  Umfang 
des  For.  occipitale  magnum  erhalten. 

Ohrkapsel.  Die  erste  zur  Bildung  der  Ohrkapsel  führende 
Verknorpelung  beginnt  am  lateralen  Umfang  des  lateralen  Bogenganges  ; 
wo  zunächst  ein  kleines  ovales  Knorpelplättcheu  entsteht  (Fig.  348). 
Bei  Triton  taeniatus  finde  ich  außerdem  noch  ein  besonderes  Knorpel- 
zentrum am  dorsalen  Umfang  des  vorderen  Bogenganges.  Von  diesen 
beiden  Zentren  aus  erfolgt  die  knorpelige  Umschließung  des  Labyrinthes 
an  seinem  lateralen,  dorsalen,  vorderen  und  hinteren  Umfang.  Die 
mediale  Wand  bleibt  längere  Zeit  unverknorpelt ;  nur  von  vorn  und 
hinten  her  setzt  sich  die  Knorpelbildung  etwas  auf  sie  fort,  während 
in  der  Hauptsache  eine  größere  mediale  Lücke  bestehen  bleibt.  Die 
Bildung  des  Bodens  der  Kapsel  erfolgt  von  dem  mesotischen  Knorpel 
aus,  der  sich  lateralwärts  ausbreitet  und  mit  dem  vom  lateralen  Um- 
fang her  kommenden  periotischen  Knorpel  verschmilzt.  Zwischen 
beiden  Knorpelarten  besteht  anfangs  auch  am  Boden  eine  große,  nur 
häutig  geschlossene  Lücke,  die  primäre  Fenestra  vestibuli, 
die  mit  fortschreitender  Knorpelbildung  immer  mehr  eingeengt  wird 
zu  der  definitiven  Fenestra  vestibuli,  in  der  sich  später  das 
Operculum  bildet.  Der  Uebergang  des  Bodens  in  die  hintere  Kuppel 
erfolgt  vor  dem  Glossopharyngeus  und  Vagus,  der  in  die  vordere 
Kuppel  vor  dem  P'acialis.  Letzterer  wird  also  bei  Triton  in  die  Ohr- 
kapsel eingeschlossen;  er  betritt  sie  anfangs  durch  die  große  Lücke 
der  medialen  Wand  und  verläßt  sie  wieder  durch  zwei  Foramina,  die 
an  ihrem  Boden  vor  der  Fenestra  vestibuli  ausgespart  bleiben. 

Bei  Necturus  liegen  die  Dinge  etwas  anders  :  hier  verbindet  sich  die  vordere 
Kujjpel  der  Ohrkapsel  nach  ihrer  Verknorpelung  dicht  hinter  dem  Abgang  des  N. 
hyomandibularis  vom  iacialisganglion  mit  der  Basalplatte,  und  der  Facialis  bleibt 
so  außerhalb  der  Kapsel.  Später  entsteht  noch  eine  neue  Verbindung  der  Kapsel 
und  der  Basalplatte  vor  dem  Facialis,  zwischen  ihm  und  dem  Trigeminus  (präfaciale 
basicapsuläre  Kommissur) ,  so  daß  dann  der  Facialis  unterhalb  der  vorderen  Ohr- 
kapselkuppel durch  einen  kurzen  Kanal  aus  der  Schädelhöhle  heraustritt.  Die 
hintere  basicapsuläre  Kommissur  findet  sich,  wie  bei  Triton,  vor  dem  Glossopharyngeus 
und  Vagus  (j.  B.  Fi.att). 

Die  große  Lücke  der  medialen  Wand,  die  anfangs  bestehen  bleibt, 
wird  hauptsächlich  durch  Herab  wachsen  des  periotischen  Knorpels 
vom  dorsalen  Kapselrande  aus,  zum  Teil  aber  auch  durch  Empor- 
wachsen des  mesotischen  Knorpels  in  mehrere  Oetfnungen  zerlegt:  für 
den  Ductus  endolymphaticus  (For.  en  doly  mphaticum), 
den  N.  facialis  (For.  faciale),  den  N.  acusticus  (For.  acu- 
sticum;  bei  manchen  Formen  sind  mehrere  vorhanden)  und  den 
Ductus  perilymphaticus  (For.  perilymphaticu  m).  Die  Bil- 
dung des  Operculums  in  der  definitiven  Fen.  vestibuli  kommt  später 
zur  Sprache ;  von  den  beiden  Austrittsöffnungen  des  Facialis  am  Boden 
der  Ohrkapsel  dient  die  mediale  dem  N.  palatinus,  die  laterale  dem  Stamm 
des  Hyomandibularis.  Vor  diesen  Oelfnungen  verschmilzt  der  Proc. 
basalis  Palatoquadrati  mit  dem  Ohrkapselboden.  Im  Innern  der  Ohr- 
kapsel bilden  sich  knorpelige  Leisten  (S  e  p  t  a  s  e  m  i  c  i  r  c  u  1  a  r  i  a),  durch 
welche  die  für  die  Bogengänge  bestimmten  Räume  von  dem  gemein- 
samen Hauptraum  der  Ohrkapsel  wenigstens  auf  einer  Strecke  ihres 
Verlaufes  abgetrennt  werden. 

Bei  2  cm  langen  Larven  von  Triton  taeniatus  finde  ich  nur  ein  Sej^tum  semic. 
anterius  und  ein  Septum  laterale,  dagegen  kein  Septum  posterius.    Ebenso  fehlt  bei 


694 


E.  Gaupp, 


einem  82  mm  langen  Siredon  pisciformis  das  Septum  post.,  während  die  beiden  anderen 
vorhanden  sind.  Dem  letzteren  Befund  entspricht  die  iSchilderung  des  ausgebildeten 
Zustandes  durch  Hasse  (1873).  Bei  einem  viel  jüngeren  Siredon  war  ein  hinteres 
Septum,  wenn  auch  schwach  entwickelt,  vorhanden.  Der  Innenraum  der  Ohrkapsel 
wird  also  in  ein  Cavum  vestibuläre  commune  und  mindestens  zwei  Cava  semicircu- 
laria  zerlegt.     Weitere  Untersuchungen  sind  abzuwarten. 

Cav.  internasale 
dahinter :  Fen.  praecerebralis 


Fen.  olfactoria 


Proc.  antorbit -M~ 


For.  proot.  ^^^ 


Chorda  dors. 


Gart.  Meckel. 
N.  opticus 


Proc.  asc. 
Proc.   otic. 


P.-Q. 


Caps,  audit. 


Tect.  synotic.     Cond.  occip. 

Fig.  349.  Primordiales  Neurocranium  und  Kieferbogen  einer  2  cm  langen 
Larve  von  Triton  taeniatus.  Nach  einem  eigenen  Original-Plattenmodell  (bisher 
nicht  veröffentlicht).  Das  Modell  ist  bei  öOfacher  Vergrößerung  hergestellt,  die  Ab- 
bildung auf  die  Hälfte  verkleinert,  giebt  somit  die  wirklichen  Verhältnisse  in  25- 
facher  Vergrößerung  wieder.  (Die  Lücke  in  der  Basalplatte  neben  der  Chorda  dor- 
salis  zeigt  den  beginnenden  Verfall  der  Basalplatte  an.) 


Durch  die  Verbindung  der  vorderen  Ohrkapselkuppel  mit  der 
oberen  Hälfte  des  Hinterrandes  der  orbito-temporalen  Schädelseiten- 
wand wird  das  Ganglion  trigeniini  in  ein  Foramen  (For amen  pro- 
oticum)  eingeschlossen,  durch  das  (außer  dem  Trigeminus)  auch  der 
N.  abducens  hindurchtritt.  In  ähnlicher  Weise  verschmilzt  hinten 
das  obere  Ende  des  Occipitalpfeilers  mit  der  hinteren  Ohrkapselkuppel, 
wodurch  ein  allseitig  knorpelig  umrandetes  Foramen  für  die  Vagus- 
gruppe (Foramen  metoticum  oder  For  amen  jugulare)  for- 
miert wird.  Schließlich  erfolgt  noch  eine  Verknorpelung  des  Gewebes, 
das  zwischen  den  hinteren  Dritteln  beider  Ohrkapseln  an  der  Decke 
der  Schädelhöhle  gelagert  ist.  So  entsteht  hier  ein  beide  Ohrkapseln 
verbindendes,  in  longitudinaler  Richtung  schmales,  knorpeliges  Schädel- 
dach, Tee  tum  synoticum. 

Bei  Necturus  verknorpelt  dasselbe  von  zwei  selbständigen  Centren  aus;  J.  Platt 
rechnet  es  hier  zu  den  Occipital  bogen  und  nennt  es  nach  meinem  Vorschlag  Tee  tum 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes. 


695 


interoccipi  tale.     Ich  halte  die  Zugehörigkeil   zu   dem  Occipitalbogen    nicht  für 
erwiesen. 

Verhalten  des  Facialis.  Von  Interesse  und  Bedeutung  ist  das  Ver- 
halten des  N.  facialis  der  Urodelen  zur  Ohrkapsel,  auf  das  ich  (1893)  aufmerksam 
machte.  Bei  manchen  Urodelen  (Siredon,  Necturus,  Amphiuma)  tritt  der  Facialis 
durch  einen  besonderen  kurzen  Kanal  des  Knorpelschädels  aus  dem  Cavum  cranii 
heraus.  Dieser  Kanal  erhält  sein  Dach  von  dem  ventralen  Umfang  des  vorderen 
Teiles  der  Ohrkapsel,  seinen  Boden  von  einer  lateralen  Verbreiterung  der  Basalplatte, 


Cac.  internas. 


,  Solum  nas.\ 

'  Plan,  internas. 

-  Proc.  antorb. 

For.  'prooticum 
Proc.  ascend.  P.-Q. 


P.-Q. 


Palatoquadr.  — 

I  Proc.  basal 

I    Proc.  otic.-'" 


N. 
VII 


{For. 
{For. 


N.  hyomd. ' 
iV!,  palat.  y 


Caps,  audit. 


For.  jugul. 


Cond.  occip.     Fen.  vestib. 

Fig.  350.     Dasselbe  Modell  wie  Fig.  349 ;  in  Ventralansicht,  ohne  den  Meckel- 
schen  Knorpel. 


seinen  Vorderrand  durch  eine  Verbindung  der  Basalplatte  mit  der  Vorderen  Ohr- 
kapselkuppel (der  präfacialen  Commissur).  Bei  anderen  Formen  (Triton,  Salamandra) 
kommt  das  Dach  dieses  Facialiskanales  nicht  zur  Verknorpelung,  und  so  zieht  der 
Nerv  durch  den  Eaum  der  knorpeligen  Ohrkapsel  hindurch.  Ich  habe  seiner  Zeit 
den  Zustand,  wie  ihn  Siredon,  Necturus,  Amphiuma  zeigen  (geschlossener  Facialis- 
kanal)  als  den  ursprünglicheren  aufgefaßt,  von  dem  der  bei  Triton  und  Salamandra 
als  durch  Schwund  der  Knorj^eldecke  des  Kanals  entstanden  abzuleiten  ist.  Die 
allgemeine  Stellung  der  in  Betracht  kommenden  Formen  zueinander  spricht  dafür, 
außerdem  der  Umstand,  daß  bei  Triton  später  der  Facialiskanal  noch  eine  knöcherne 
Decke  gegen  den  Ohrkapselraum  hin  erhält:  es  erscheint  somit  nur  die  provisorische 
Verknorpelung  dieser  Decke  unterdrückt.  Andererseits  ist  daran  zu  erinnern,  daß 
auch  bei  Petromyzon  der  Facialis  durch  die  Ohrkapsel  verläuft,  und  daß  dies  doch 
vielleicht  ein  primitiveres,  aus  der  Zusammengehörigkeit  des  Fascialis  und  Acusticus 
ableitbares,  Verhalten  darstellt.  Doch  glaube  ich  nicht,  daß  auch  der  Zustand  der 
Triton-  und  Salamanderlarve  in  gleichem  Sinne  als  primitiv  zu  betrachten  ist.  Wie 
dem  auch  sei,  jedenfalls  ist  die  larvale  Ohrkapsel  von  Triton  nicht  ganz  gleichwertig 
der  Ohrkapsel  etwa  von  Necturus:  mit  der  ersteren  ist  ein  Facialiskanal  vereinigt, 
der  von  der  letzteren  abgetrennt  ist. 

Columella  auris.     Bei  den  Urodelen    findet   sich   zum    ersten 
Male  in  der  Wirbeltierreihe  eine  F  e  n  e  s  t  r  a  v  e  s  t  i  b  u  1  i  in  der  lateral- 


696  E.  Gaupp, 

veutralen  Ohrkapselwand  und  eine  Columella  auris  (s.  p.  583). 
Letztere  wird  repräsentiert  durch  eine  knorpelige  oder  knöcherne  Platte 
(Operculum),  die  die  Fenestra  vestibuH  verschließt,  und  der  sich 
noch  ein  kleiner  Stiel  (Stilusj,  kontinuierlich  mit  der  Platte  ver- 
bunden, anfügen  kann. 

Wie  Stöhr  zuerst  betont  hat  und  seitdem  allgemein  anerkannt  ist, 
bleibt  bei  der  Verknorpelung  der  Ohrkapsel  von  vornherein  am  lateral- 
ventralen Umfang  derselben  eine  anfangs  weite,  später  sich  mehr  ver- 
engende Lücke,  die  nur  von  einem  zellig-faserigen  Gewebe,  dem 
Opercular ge webe,  verschlossen  wird.  Die  Lücke  ist  die  oben 
erwähnte  P^enestra  vestibuli;  ihre  ventral-mediale  Begrenzung 
kommt  durch  den  lateralen  Rand  des  mesotischen  Knorpels  zu  stände. 
Erst  wesentlich  später  bildet  sich  außen  auf  dem  Verschlußgewebe 
das  knorpelige  Operculum.  Es  steht  nach  Stöhr  bei  Triton  (T.  crist. 
und  taen.)  anfangs  in  knorpeliger  Verbindung  mit  dem  vorderen  Rand 
der  Fenestra,  wächst  gewissermaßen  als  Fortsatz  desselben  nach 
hinten  und  schnürt  sich  dann  ab.  Bei  Siredon  ist  nach  Stöhr  das 
gleiche  der  Fall,  während  Witebsky  hier  den  knorpeligen  Zusammen- 
hang mit  dem  Fensterrande  leugnet;  bei  Necturus  ist  die  Verknorpe- 
lung des  Operculum  selbständig  (J.  Platt).  Bei  Triton  entwickelt 
sich  nur  das  Operculum ;  bei  anderen  Urodelen  bildet  sich  im  Anschluß 
an  letzteres  noch  ein  Stilus  operculi  aus,  der  in  verschiedener 
Weise  mit  dem  Suspensorialapparat  des  Unterkiefers  verbunden  ist. 
Bei  Siredon  (Witebsky),  Desmognathus  fusca  und  Spelerpes  biline- 
atus  (Kingsbury)  entsteht  derselbe  so,  daß  embryonal  im  Anschluß 
an  das  0]jerculum  ein  Zellstrang  auftritt,  der  sich  nach  vorn  bis  an 
das  Paraquadratum  (Spelerpes)  oder  bis  zum  Palatoquadratum  (Siredon) 
oder  bis  zu  beiden  (Desmognathus)  ausdehnt  und  eine  Strecke  weit 
vom  Operculum  aus  verknorpelt.  Sein  vorderer  Teil  wird  zu  einem 
Bande,  Lig.  su  spenso  rio-coluniellare.  Bei  Desmognathus  er- 
scheint die  Verknorpelung  des  Stieles  mehr  selbständig.  —  Bei  Siredon 
wird  in  späteren  Stadien  auch  eine  Verbindung  des  Stieles  mit  dem 
oberen  Ende  des  Hyalbogens  durch  dichtes  Gewebe  erkennbar. 

Ein    ursprünglicher   genetischer  Zusammenhang  des  Opercu- 

lums   oder   seines  Stieles   mit   dem    Hyalbogen    ist   bisher   bei   keiner 

Urodele  und  von  keinem  Untersucher  beobachtet  worden. 

Die  zwischen  der  Columella  und  dem  Suspensorialapparat  des  Unterkiefers  sich 
ausbildende  Verbindung  kann  sehr  verschiedene  Formen  zeigen.  Mehrfach  schließt 
sich  an  das  Operculum  oder  den  Stiel  desselben  ein  Ligament  an,  das  mit  seinem 
vorderen  Ende  an  dem  Os  paraquadratum  oder  an  dem  Quadratum  selbst  oder  an 
beiden  befestigt  ist.  Bei  Necturus  geht  dieses  Lig.  suspensorio-columellare  anfangs 
direkt  aus  dem  Operculum  hervor,  verknöchert  aber  dann  im  Anschluß  au  das  letztere 
eine  Strecke  weit;  nur  der  Rest  bleibt  als  Band  erhalten  und  geht  in  das  Os  para- 
quadratum über.  Bei  Amphiuma  legt  sich  der  knorpelige  Stiel  des  Operculums 
selbst  mit  seinem  vorderen  Ende  an  einen  Fortsatz  (Proc.  columellaris)  an,  der  vom 
Hinterraude  des  Palatoquadratums  nach  hinten  vorspringt.  Weitere  Formen  siehe 
bei  WiEDERSHEiM  (1877).  Die  Vergleichbarkeit  der  verscliiedenen  suspensorio-colu- 
mellaren  Brücken  stößt  auf  Schwierigkeit  besonders  wegen  des  Verhaltens  zu  dem 
hinteren  Hauptast  des  N.  facialis.  Die  oft  citierte  Angabe  von  Wiedershp:im,  daß 
der  Nerv  bei  allen  Urodelen  ohne  Ausnahme  über  diese  Brücke  hinweglaufe,  ist 
irrig;  vielmehr  scheint  der  Verlauf  der  Nerven  ventral  von  der  fraglichen  Brücke 
das  häufigere  zu  sein.  Letzteres  findet  sich  bei  Amphiuma  (Hay  1890,  auf  Grund 
eines  von  Prof.  Norris  hergestellten  Modelies  kann  ich  diese  Angabe  bestätigen), 
Siredon  (Hasse  1873,  Parker  1877)  und  zahlreichen  auderen  Urodelen  (Proteus, 
Desmognathus  fusca,  Spelerpes  bilineatus  (nach  soeben  veröffentlichten  Untersuch- 
ungen von  Kingsbury);  der  Verlauf  des  R.  jugularis  facialis  über  die  erwähnte 
Verbindung  findet  sich  bei  Necturus  (Hüxley)  und  Proteus  (DRtJNER,  Kixgsbury). 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  697 

Es  sind  somit   wohl  2  verschiedene  suspensorio-coiumellare  Brücken  auseinander  zu 
halten,  eine  über  und  eine  unter  dem  Faciahs  (Gaupp  1899). 

Zur  Litteratur  und  Auffassung  des  Operculum.  Das  Operculum 
der  Urodelen  ist  von  den  meisten  Autoi'en,  die  sich  mit  ihm  beschäftigt  haben,  für 
einen  losgelösten  Teil  der  Ohrkapsel  gehalten  worden.  So  faßte  es  Huschke  (1824) 
beim  Salamander  auf,  Reichert  (1838)  bei  Triton.  Eingehender  hat  Semmer  (1872) 
seine  Genese  untersuchen  wollen,  doch  ist  derselbe  in  einen  ähnlichen  Irrtum  ver- 
fallen wie  vor  ihm  (1831)  Windischman  :  er  hat  eine  nicht  verknöchernde  Knorpel- 
partie des  Ohrkapselbodens  zwischen  Prooticum  und  Pleuroccipitale  für  das  Oper- 
culum genommen.  Somit  sind  Wiedersheim  und  Parker  (1877)  die  ersten, 
die  wirklich  die  Bildung  des  Operculum  bei  den  Urodelen  verfolgt  haben.  Wieders- 
heim legt  besonders  Wert  darauf,  daß  es  ihm  in  keinem  Entwickelungsstadium  von 
Triton  alpestris  und  Amblystoma  gelungen  ist,  Beziehungen  zwischen  dem  oberen 
Ende  des  Hyalbogens  und  der  Labyrinthwand  nachzuweisen,  und  schildert  dann  die 
Entstehung  des  Operculums  so,  daß  letzteres  durch  eine  cirkuläre  Verdünnung  der 
bereits  allseitig  geschlossenen  knorpeligen  Ohrkapselwandung  sekundär  wieder  heraus- 
geschnürt werde  —  ,,ein  deutlicher  Beweis,  daß  das  Operculum  der  Urodelen  onto- 
genelisch  nicht  vom  Kiemenapparat,  sondern  von  der  Gehörkapsel  selbst  herzuleiten 
ist".  Trotzdem  hält  Wiedersheim  die  Columeüa  phylogenetisch  für  ein  Differen- 
zierungsprodukt des  Hyalbogens.  Nach  Parker  bildet  sich  erst  die  Fenestra  vesti- 
buli  als  eine  Spalte  in  der  bereits  geschlossenen  knorpeligen  Labyrinthwand,  und 
dann  erst  wächst  aus  dem  inneren  Rande  dieser  Spalte  wie  ein  Deckel  das  Operculum 
hervor,  bleibt  zunächst  in  knorpeliger  Verbindung  mit  dem  medialen  l'^ensterrand 
und  schnürt  sich  dann  erst  ab.  Zu  einer  gründlichen  Bearbeitung  kam  die  Frage 
erst  durch  Stöhr  (1879),  dessen  Darstellung  ich  oben  im  wesentlichen  gefolgt  bin. 
Auch  Stöhr  betont,  daß  das  Operculum  als  ein  Teil  der  knorpeligen  Ohrkapsel 
entsteht,  aber  genetisch  in  keiner  Beziehung  steht  zu  dem  Hyalbogen.  Sachlich  zu 
dem  gleichen  Resultat  kommt  auch  Witebsky  (bei  Siredon);  doch  lautet  Witebsky's 
Schlußfolgerung  gerade  entgegengesetzt,  nämlich  dahin,  daß  das  Operculum  samt 
seinem  Stiel  sich  vom  Visceralskelett  und  zwar  vom  oberen  Abschnitt  des  Zungen- 
beinbogens  herleite.  Die  hyale  Natur  der  Ohrcolumella  der  Urodelen  wird  auch  von 
J.  B.  Platt  wenigstens  als  wahrscheinlich  hingestellt  (s.  auch  p.  605  u.  ff). 

Orbito-temporalregion.  Im  Bereiche  der  Orbito-temporal- 
region  kommt  das  Chondrocrauium  der  Urodelen  nur  zu  geringer 
Entwickelung:  der  Zustand,  den  Fig.  349  zeigt,  erfährt  keine  nennens- 
werte Weiterbildung.  Ein  knorpeliger  Boden  bildet  sich  in  der  Or- 
bito-temporalregion selbst  nicht  aus;  hier  bleibt  die  große  Fenestra 
basicranialis  anterior  bestehen,  die  hinten  durch  die  Basal- 
platte, vorn  durch  die  der  Ethmoidalregion  angehörige  Internasalplatte 
begrenzt  wird  (Fig  349).  Sie  fließt  sjjäter  mit  der  Fen.  bcr.  posterior 
zusammen  (s.  o.).  Da  auch  ein  Dach  nicht  zur  Ausbildung  kommt, 
so  repräsentieren  nur  die  beiden  Seitenwände  des  Cavum  cranii  das 
Primordialskelett  in  der  Orbito-temporalregion.  Vor  der  Ohrkapsel 
verschmilzt  der  Proc.  ascendens  PalatO(iuadrati  mit  dem  oberen  Teil 
der  Seitenwand. 

Beide  Seitenwände  ziehen,  wie  vorher,  etwa  parallel  von  hinten  nach  vorn,  das 
Cavum  cerebrale  cranii  besitzt  also  in  der  ganzen  Orbito-temporalregion  bis  nach 
vorn  die  gleiche  Weite:  das  Cranium  ist  platybasisch.  —  Die  Seiten  wand  wird 
von  2  Foramina  durchsetzt,  dem  vorderen  For.  opticum  (für  den  Opticus  und 
ein  Gefäß),  und  dem  hinteren  For.  oculomotorium  (für  den  Oculomotorius  und 
ebenfalls  ein  Gefäß).  Der  N.  trochlearis  zieht  über  die  dorsale  Kante  der  Wand 
nach  außen;  der  gesamte  Trigem in  us  nebst  dem  Abducens  passiert  durch  das 
For.  prooticum. 

Ethmoidalregion.  Mannigfache  Verschiedenheiten  bietet  die 
Ausbildung  des  Ethmoidalskelettes  bei  den  Urodelen,  und  gerade  hier 
ist  unsere  Kenntnis  der  Onto-  und  Phylogenese  noch  recht  mangelhaft. 
Die  sichersten  Angaben  bezüglich  der  Ontogenese  lassen  sich  auch 
hier  für  Triton  machen ;  ich  halte  mich  dabei  au  Born  und  an  eigene 
Untersuchungen. 

Die  Geruchssäcke  liegen  bei  den  Salamandriden  anfangs  neben  dem  vorderen 
Ende  des  Gehirnes,  also   sehr   stark  seitlich.    Noch  bei  17  mm  langen  Larven  von 


698  E.  Gaupp, 

Trit.  taen.  geht  ein  Querschnitt,  der  den  Vorderrand  der  Choane  schneidet,  etwa  durch 
das  vordere  Ende  des  Lobus  olfactorius.  Später  findet  eine  Verschiebung  in  der 
Weise  statt,  daß  der  Hinterrand  der  Choane  ungefähr  mit  dem  Vorderrand  der  Lobi 
olfactorii  zusammenfällt.  Die  laterale  Lage  der  Nasen  sacke  bleibt  aber  erhalten;  zu 
jeder  Zeit  werden  (bei  Triton  und  den  meisten  Salamandriden)  die  Innenwände  der- 
selben durch  einen  In ternasalraum  getrennt.  In  diesen  erstreckt  sich  dem  Ge- 
sagten zufolge  das  Gehirn  anfangs  hinein,  später  zieht  es  sich  daraus  zurück. 

Die  beiden  Trabekel ,  die  anfangs  in  ganzer  Ausdehnung  weit 
voneinander  getrennt  sind,  setzen  sich  im  Verlaufe  der  weiteren  Ent- 
wickelung  vorn  durch  eine  In  t  er  nasalplatte  in  Verbindung,  die 
selbständig  verknorpelt.  Erst  hierdurch  werden  die  vordersten  Ab- 
schnitte der  Trabekel  als  Trabekelhör  n  er  (Cornua  trabecularum) 
abgegrenzt.  Ein  jedes  Trabekelhorn  liegt  am  medial-ventralen  Umfang 
des  Nasensackes  seiner  Seite  (auf  der  Grenze  gegen  den  Internasal- 
raum)  und  trägt  vorn  die  schon  vorher  aufgetretene  und  auch  meist 
schon  als  Trabekelhorn  bezeichnete  basale  Platte,  die  lateralwärts  unter 
den  Nasensack  sich  vorschiebt.  Am  lateralen  Umfang  jeder  Trabekel 
entsteht  auf  der  Grenze  zwischen  Orbito-temporal-  und  Ethmoidalregion 
(bei  Triton  taen.  von  ca.  16  mm  Länge)  der  Proc.  antorbitalis,  der 
die  Choane  von  hinten  her  begrenzt  (Fig.  349,  350,  354).  Im  Anschluß 
an  dieses  erste  primitive  Gerüst  erfolgt  dann  die  weitere  Umschließ- 
ung eines  jeden  Nasensackes,  indem  das  perirhinische  Spindelzellen- 
gewebe sich  in  Knorpel  umwandelt.  Im  Anschluß  an  das  Trabekelhorn 
entsteht  bei  Triton  eine  vollständige  Innenwand  für  einen  jeden  Nasen- 
sack ;  es  bilden  sich  ferner  ein  vorderer  kuppeiförmiger  Abschluß 
(Cartilago  cupularis),  verschiedene  Spangen  am  Boden  und  an  der 
Seite  und  ausgedehntere  Knorpelpartieen  an  der  Decke  und  am  hinteren 
Umfang.  Der  Internasalraum  wird  hinten  auf  eine  kurze  Strecke 
knorpelig  überbrückt,  doch  kommt  es  bei  Triton  nicht  zu  einem  Ab- 
schluß gegen  das  Cavum  cranii.  Das  vorderste  Ende  des  Trabekel- 
hornes,  das  sich  schon  frühzeitig  gegen  das  Os  praem axillare  stützt, 
springt  später  als  besonderer  Fortsatz  vor :  Cartilago  praenasalis 
inferior  lateralis. 

Die  Fig.  349  und  350  lassen  einiges  aus  dem  Gange  der  Verknorpelung  ge- 
nauer erkennen.  Jedes  Trabekelhorn  h^t  sich  zu  einer  noch  wenig  ausgedehnten 
Innenwand  der  Nasenhöhle  erhoben;  der  obere  Eand  dieser  Innenwand  ist  durch 
eine  Knorpelbrücke  mit  dem  oberen  llande  der  orbitalen  Schädelseitenwand  ver- 
bunden. So  wird  die  große  Fenestra  olfactoria  begrenzt,  deren  Ebene  vertikal 
steht  und  nach  vorn  außen  blickt.  Entsprechend  dem  hinteren  Umfange  des  For- 
amens beginnt  die  Deckenbildung  über  dem  hintersten  Teile  des  Nasensackes,  wäh- 
rend entsprechend  dem  vorderen  Umfang  des  Foramens  sich  die  dorsale  Knorpel- 
brücke zwischen  den  Innenwänden  beider  Nasenkapseln  gebildet  hat,  unter  der  die 
Fenestra  praecerebralis  aus  dem  Cavum  cranii  in  das  Cavum  int  ernasale 
führt.  — 

Ueber  die  Konfiguration  der  Nasenkapsel  von  Triton  taeniatus  nach  der  Me- 
tamorphose orientieren  die  Fig.  Söl — 353.  Die  Fenestra  olfactoria  ist  nach 
wie  vor  sehr  groß,  ihre  Ebene  steht  vertikal  und  fast  sagittal ;  davor  findet  sich 
eine  ausgedehnte  Innenwand,  die  vorn  in  die  vordere  Kuppel  übergeht.  Diese  wird 
an  der  Basis  durch  ein  großes  Foramen  apicale  durchbrochen,  durch  das  der 
N.  medialis  nasi  (N.  V)  heraustritt.  Unter  ihm  springt  die  Cart.  praenasalis 
inferior  lateralis  vor.  Hinten  besteht  eine  kontinuierliche  Hinterwand  (Pla- 
num antorbitale),  die  hauptsächlich  durch  Herabwachsen  der  Decke  entstanden 
ist  (vergl.  Fig.  349  u.  354);  das  Foramen  orbito-nasale  mediale,  durch  das 
der  N.  medialis  nasi,  der  Hauptast  des  N.  ethmoidalis,  aus  der  Orbita  in  die 
Nasenkapsel  tritt,  bezeichnet  die  obere  Grenze  des  ursprünglichen  Processus  ant- 
orbitalis. Durch  eine  laterale  kleinere  Oeffnung  (For.  orbito-nasale  late- 
rale) tritt  der  N.  lateralis  nasi  in  die  Nasenkapsel  ein.  Außer  den  kleineren  Nerven- 
öffnungen sind  in  jeder  Nasenkapsel  4  größere  Fenster  vorhanden:  die  Fenestra 
dorsalis  an  der  Decke,    die  Fenestra    basalis  (choanalis)    am  Boden,  und 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes. 


699 


zwei  in  der  Seitenwand,  eine  vordere  Fenestra  narina  (F.  r  ostrolateralis , 
Bruner  1901)  und  eine  hintere  Fenestra  infraconchalis  (Gaupp  1901).  Die 
Fenestra  dorsalis  wird  von  der  Fen.  narina  durch  eine  schmale  Knorpelspange  (Cart. 


Carl,  praenas.  inf.  lat. 


Fen.  dors.  nasi 
Cart.  obliq. 


Cav.   internas 


Tect.  internas 


For.  orb.-nas.  lat. 


Fen.  praecer. 
Plan,  internas. 


Cart.  cctochoan. 
Planum  antorbitale 
Fen.  olfact.      :  For.  orbito-nasale  med. 
Schnittfläche   der  orbitalen   Schüdelseiternvand, 


Fig.  351.  Rechte  Nasenkapsel,  nebst  einem  Teil  der  linken,  von  Triton  taeni- 
atus  (völlig  uragewandelses  Tier  von  :)4  mm  Länge).  Nach  einem  bei  SOfacher  Ver- 
größerung hergestellten  eigenen  Plattenmodell  (bisher  nicht  veröffentlicht).  Ansicht 
von  oben;  -'A  der  Größe  des  Modelles. 


Fig.  352.  Dasselbe 
Modell  wie  Fig.  351,  Ven- 
tralansicht. 


obliqua)  getrennt,  die  hin- 
ten in  das  breitere  Pla- 
num conchale  (mit  der 
Impressio  conchalis) 
übergeht.  Letzteres  geht 
einerseits  nach  hinten  hin 
in  die  Decke  des  hinteren 
■  Nasenkapselabschnittes 
über  und  hängt  anderer- 
seits mit  einem  basalen 
Knorpelband  zusammen, 
das  von  der  vorderen 
Kuppel  aus  beginnt,  dann 
nach  hinten  zieht  (dabei 
die  Fenestra  narina  und 
die  Fen.  infraconchalis 
ventral  begrenzend)  und 
hinten  einerseits  in  die 
laterale  Ecke  des  Planum 
antorbitale  übergeht,  an- 
dererseits einen  frei  vor- 
springenden Fortsatz  nach 
hinten  sendet.     Durch  die 


Cart.  praenas. 
For,  apicale     inf.  lat. 


Fen. 
choanalis 


Cart. 
ectochoanal. 


For.  olfact. 


Plan,  internas. 
Fen.  2'>raecerebr. 


For.   orbito-nasale  med. 
*  ^  Cavum  internasale 


Verbindung  dieses  Knorpelbandes  mit  dem  Planum  antorbitale  kommt  der  hintere 
Abschluß  der  Fenestra  infraconchalis  zu  stände.  Die  Fenestra  narina,  die  in  dem 
vorderen,  weniger  ausgedehnten  Teil  der  Nasenkapsel  liegt,  wird  von  der  Apertura 
nasalis  externa  sowie  von  dem  Ductus  nasolacrimalis  und  der  Gl.  nasalis  ext.  zum 
Durchtritt  benutzt,   während    durch  die  Fenestra  infraconchalis,  die  im    hinteren, 


700 


E.  Gaupp, 


breiteren  Abschnitt  der  Nasenkapsel  liegt,  sich  der_^ untere  Blindsack  der  Nasenhöhle 
und  die  seitliche  Nasenrinne  etwas  herausdrängen.' ;'Auf  dem  Planum  conchale 
das  sich  etwas  gegen  den  Raum  der  Nasenhöhle  einbuchtet  (Muscheleinbiegung, 
Impressio  conchalis)  liegen  die  Glandula  nas.  ext.  und  der  Thränennasengang. 


nasi 


Cart.  obliqiia 


For.  orh.-nas. 


Cav.  internas. 


For.  apicale 
■Cart.  'p7'aenas.  lat. 
Cart.   cupular. 


Fen.   narina 


Cart.  injranarma 


Fen.  uifraconch.  .     p^„„_  conchale 

Cart.  ectochoan.     (Impr.  conch.) 
Fig.  353.    Dasselbe  Modell  wie  Fig.  851,  Lateralansicht. 


Im  Bereich  der  sehr  ausgedehnten  Fenestra  basalis  öffnet  sich  hinten  die 
Choane;  vorn  wird  das  Fenster  durch  den  Vomer  geschlossen.  Die  vordere  Hälfte 
des  basalen  Knorpelbandes,  ventral  von  der  Fen.  narina,  mag  Cart.  infranarina 
heißen ;  die  hintere  Hälfte,  von  der  Grenze  zwischen  beiden  Nasenkapselabschnitten 
an  bis  zur  Spitze  des  freien  Fortsatzes,  nenneich  Cart.  ectochoanalis  (Gaupp 
1900);  der  hinterste  freie  Teil  ist  der  Gaumenfortsatz  Seydel's  (1895). 

Einige  Besonderheiten  des  Ethrao  idalskelettes  der  ürodelen. 
Wie  schon  bemerkt,  bietet  die  Ethmoidalregion  der  Ürodelen  sehr  beträchtliche  Ver- 
schiedenheiten ,  von  denen  wenigstens  einige  erwähnt  werden  müssen.  Entwicke- 
lungsgeschichtlich  ist  über  sie  erst  wenig  bekannt. 

Septum  und  Internasalraum.  Bei  manchen  Ürodelen  besteht  zwischen 
den  hinteren  Teilen  der  Nasenhöhlen  ein  medianes  knorpeliges  Septum.  Nach 
WiEDERSHEiM  ist  das  der  Fall  bei  Siren,  Meuopoma,  Cryptobranchus,  Amphiuma 
und  auch  bei  einigen  Salamandriden  (Salamandra,  Salamandrella,  Plethodon,  Spe- 
lerpes).  Die  sagittale  und  transversale  Ausdehnung  des  Septums  ist  verschieden; 
sehr  dick  ist  es  z.  B.  bei  Siredon,  während  es  bei  Amphiuma,  Salamandrella  u.  a. 
eine  dünne  mediane  Platte  darstellt.  Durch  das  Septum  wird  die  Ausdehnung  des 
Internasalraumes  natürlich  beschränkt:  erst  vom  Vorderrande  des  Septums  an  be- 
kommen die  vorderen  Hälften  der  Nasenkapseln  eigene  Innenwände,  zwischen  denen 
ein  Internasalraum  bleibt  (s.  die  Abbildungen  von  Menopoma  und  Spelerpes  bei 
WiEDERSHEiM).  Daß  bei  Vorhandensein  eines  Septums  am  Knorpelschädel  auch 
nach  Entfernung  der  Deckknochen  eine  direkte  Kommunikation  zwischen  dem  Cavum 
cranii  und  dem  Cavum  internasale  nicht  besteht,  bedarf  kaum  der  Erwähnung 
(Fig.  354  zeigt  das  sehr  breite  Septum  bei  einem  jungen  Axolotl;  nach  Wieders- 
HEIM  wird  die  beim  jungen  Siredon  noch  bestehende  Internasalhöhle  im  T>aufe  des 
weiteren  Wachstums  noch  mehr  ausgefüllt).  Entwickelungsgeschichtlich  ist  wenig 
über  die  Bildung  des  Septum  bekannt.  Bei  Salamandra  maculosa  finde  ich  die 
Innenwand  der  Nasenkapsel  schon  gebildet  zu  einer  Zeit,  wo  sich  noch  das  Gehirn 
nach  vorn  bis  zwischen  beide  Naseusäcke  ausdehnt.  Daß  unter  diesen  Umständen 
die  beiden  Nasenkapseln  anfangs  durch  ein  weites  Cavum  internasale  getrennt  werden, 
ist  naturgemäß.  Später,  wenn  das  Gehirn  sich  zurückgezogen  hat,  erfolgt  eine  Strecke 
weit  eine  Vereinigung  der  Innenwände  beider  Knorpelkai)seln  durch  mediane  Knorpel- 
massen, so  daß  ein  dickes  Septum  zu  stände  kommt.  Bei  Triton  unterbleibt  der 
letztere  Vorgang.  Die  Glandula  intermaxillaris  bildet  sich  viel  später;  sie  ist  also 
im  ontogenetischen  Geschehen  an  der  Entstehung  des  Internasalraumes  durchaus 
unbeteiligt:  dieser  ist  viel  früher  als  die  Drüse  vorhanden. 

Was  die  phylogenetischen  Beziehungen  des  Septums  und  des  Internasalraumes 
anlangt,  so  ist  zunächst  daran  zu  erinnern,  daß  schon  bei  Selachiern  und  Dipnoern 
ein  Nasenseptum  (sogar  als  dünne  Platte)  vorhanden  ist,  und  daß  auch  bei  Ganoiden 


Die  Entwickelung  des  Kopf  Skelettes.  701 

und  Teleostiern  die  Geruchsorgane  in  die  dicke  Knorpelmasse  der  Ethmoidalregion 
eingelagert  sind,  somif.  auch  durch  dicke  septale  Knorpelnoassen  voneinander  getrennt 
werden.  Demnach  ist  es  wohl  das  Vorhandensein  des  Internasalraumes  bei  den  Uro- 
delen,  das  der  Erklärung  bedarf.  Wiedersheim  und  Peter  machen  dafür  die 
Glandula  intermaxillaris  verantwortlich,  die  bei  den  höheren  Salamandriden  den 
Internasalraum  einnimmt.  Danach  wären  also  die  Innenwände  beider  Nasenkapseln 
(z.  B.  bei  Triton)  gewissermaßen  durch  Spaltung  einer  früher  vorhanden  gewesenen 
septaien  Knorpelmasse  unter  dem  Einfluß  der  einwachsenden  Drüse  entstanden  zu 
denken.  Wie  weit  aber  die  Drüse  wirklich  das  primäre  ursächliche  Moment  für  die 
Entstehung  des  Internasalraumes  war,  kann  zweifelhaft  sein,  da  ja  auch  bei  Meno- 
poma,  wo  sie  fehlt,  die  vorderen  Hälften  beider  Xasenkapseln  ähnlich  wie  bei  Sala- 
mandra  durch  einen  Internasalraum  getrennt  werden  (s.  die  Abbildungen  bei  Wie- 
dersheim 1877,  Fig.  24,  25  u.  72).  Ferner  fehlt  ein  unpaares  Septum  bei  Meno- 
branchus  und  Proteus,  bei  denen  ebenfalls  eine  Intermaxillardrüse  nicht  vorhanden 
ist.  Andererseits  besitzen  die  Anuren  eine  kräftige  Intermaxillardrüse,  die  aber  vor 
der  Nasenkapsel  und  ihrem  soliden  Septum  gelagert  ist.  Es  müssen  also  zum  min- 
desten noch  andere  Momente  mit  in  Frage  kommen.  Ontogenetisch  erweist  sich  als 
erste  Ursache  für  das  Vorhandensein  eines  Internasakaumes  die  starke  Ausdehnung 
des  Gehirnes  nach  vorn.  Wenn  nun  z.  ß.  bei  Triton  auch  nachdem  sich  das  Gehirn 
mehr  zurückgezogen  hat,  doch  die  beiden  Nasensäcke  nicht  nahe  an  die  Mittellinie 
rücken,  so  hat  das  doch  wohl  zunächst  darin  seinen  Grund,  daß  sie  keine  sehr  be- 
trächtliche Ausweitung  erfahren  (wie  etwa  bei  den  Anuren,  wo  frühembryonal  die 
Lage  der  Nasensäcke  auch  viel  mehr  lateral  ist).  Damit  ist  aber  die  Vorbedingung 
für  das  Bestehenbleiben  des  schon  embryonal  vorhandenen  Internasalraumes  gegeben. 
Um  abzuwägen,  weiche  Bedeutung  die  Drüse  dafür  hat,  daß  dieser  Raum  nicht  mit 
Knorpel  ausgefüllt  wird,  daß  es  also  nicht  zur  Bildung  eines  dicken,  knorpeligen 
JSeptums  kommt,  wären  vor  allem  noch  die  Deckknochen  zu  berücksichtigen,  die 
sich  ebenfalls  in  den  Internasalraum  hinein  entwickeln.  Wäre  allein  die  Drüse  das 
ursächliche  Moment,  so  müßte  wohl  gefolgert  werden,  daß  z.  B.  Menopoma  von 
Formen  stammt,  die  eine  Intermaxillardrüse  besaßen,  diese  aber  wieder  verloren  hat, 
und  daß  nun  nur  die  nachträglich  in  den  Internasalraum  emgewachsenen  Deck- 
knochen den  Fortbestand  derselben  bedingen.  Das  würde  sich  mit  der  Ansicht  be- 
rühren, daß  überhaupt  die  Ichthyoden  sekundär  abgeänderte  Urodelen  sind,  bleibt 
aber  zur  Zeit  doch  noch  Hypothese.  Da  starke  Entwickelung  der  Deckknochen 
überhaupt  viele  Urodelen  charakterisiert,  so  ist  doch  denkbar,  daß  diese  am  Zu- 
standekommen des  Internasalraumes  auch  einigen  Einfluß  haben.  Daß  ontogenetisch 
die  Drüse  spät  in  den  Räum  einwächst,  ist  dabei  ein  Moment,  das  ich  noch  gar- 
nichl  einmal  hoch  bewerten  will. 

Pränasalfortsätze.  Bei  Siren  finden  sich  (nach  Wiedersheim  und  Par- 
ker) drei  pränasale  Fortsätze,  ein  mittlerer  und  zwei  seitliche.  Da  das  Gleiche  bei 
vielen  Anuren  der  Fall  ist,  so  wird  die  Auffassung  von  Peter  zweifelhaft,  wonach 
die  beiden  seitlichen  (wie  sie  z,  B.  bei  Triton,  vorhanden  sind)  durch  Spaltung  eines 
früheren  einheitlichen  medianen  entstanden  zu  denken  seien.  Vielmehr  erscheinen 
alle  3  als  gleichwertige  Gebilde.  Der  mediane  Fortsatz  allein  findet  sich  bei  Ich- 
thyophis.  Ich  habe  seinerzeit  (1893)  auf  die  Aehnhchkeit  der  Pränasalknorpel  mit 
dem  Rostrura  der  Selachier  hingewiesen. 

Impressio  conchalis.  Daß  die  oben  als  Impressio  conchalis  bezeichnete 
Einbiegung  der  lateralen  Wand  die  erste  Andeutung  einer  Muschel  sei,  hat  zuerst 
Born  (1879)  ausgesprochen;  Seydel  (1895;  hat  sich  ihm  angeschlossen.  In  der 
Impressio  liegen  der  Thräuenkanal,  sowie  die  Schläuche  der  Glandula  nasalis  externa. 
Die  Einbiegung,  die  gegen  die  Nasenhöhle  eine  Vorwölbung  bedingt,  ist  nicht  bei 
allen  Urodelen  gleich  deutlich.  Bei  Plethodon  findet  sich  an  dieser  Stelle  innen  an 
der  Kapselwand  ein  kompakter  Knorpelvorsprung,  der  eine  Schleimhauterhebung  be- 
dingt (Wiedersheim). 

Konfiguration  der  Gesamtkapsel.  Die  Form  und  Ausbildung  der  ge- 
samten knorpeligen  Nasenkapsel  variiert  bei  den  verschiedenen  Urodelen  mannigfach ; 
häufig  scheint  sie,  wie  Wiedersheim's  Abbildungen  zeigen,  vollständiger  und  weniger 
lückenhaft  zu  sein  als  die  von  Triton  (z.  B.  bei  Salamandra,  Menopoma,  Ranodon). 
Exakte  Vergleiche  fehlen.  Die  8  im  allgemeinen  Teile  unterschiedenen  Skelettzonen 
(vordere,  mittlere,  hintere)  können  auch  bei  Triton  bestimmt  werden;  die  mittlere 
ist  repräsentiert  durch  die  Gart,  obliqua,  das  Planum  conchale  und  die  Knorpel- 
brücke, die  von  hier  aus  zu  der  C'art.  infranarina  führt.  Von  dieser  Stelle  aus  zieht 
bei  Amphiuma  (nach  einem  von  Herrn  Prof.  NoRRis  angefertigten  Modell)  eine 
Lamina  transversalis  am  Boden  bis  zum  Septum,  so  daß  auch  hier  eine  Gegend  be- 
steht, wo  die  Kapsel  ringförmig  geschlossen  ist  (Zona  anularis,  s.  p.  .587).  Zwischen 
dieser  Lam.  transversalis  ant.  und  der  Gart,  infranarina  bleibt  bei  Amphiuma   eine 


702 


E.  Gaupp, 


besondere  vordere  Bodeiiiücke,   die    in  ihrer  Bedeutung  unbekannt  ist.     Ueberhaupt 
erfordert  diese  ganze  Gegend  erneute  spezielle  Untersuchung. 

Ganz  abweichend  ist  das  Verhalten  der  Nasen  kapseln  von  Necturus  und  Pro- 
teus. Dieselben  bestehen  hier  aus  einem  zierlichen  Gitterwerk  von  Knorpelspangen, 
das  mit  dem  übrigen  Schädel  nur  bindegewebig,  aber  nicht  knorpelig  zusammen- 
hängt (Leydig  1852;  Wiedersheim  1877).  Auch  der  Antorbitalfortsatz  ist  mit 
dem  öchädelbalken  nur  durch  fibröse  Gewebe  verbunden  (Huxley  1874,  Wieders- 
heim).  Zwischen  den  beiden  Nasenkapseln  setzt  sich  eine  niedrige  unpaare  Inter- 
nasalplatte  nach  vorn  fort  und  endet  in  2  Hörnern.  Es  darf  dies  Verhalten  wohl 
als  ein  sekundäres  betrachtet  werden. 

B.  Visceraler  Teil  des  Priniordialcraniuins. 

Die  Visceralbogen  sind  die  ersten  Skelettteile,  die  am  Triton- 
schädel auftreten.  Der  Kieferbogen  macht  den  Anfang,  ihm  folgt  der 
Ziingenbeinbogen,  und  dann  rasch,  in  der  Reihenfolge  von  vorn  nach 
hinten  sichtbar  werdend,  die  4  Kiemenbogen.  Bei  einem  9  mm  langen 
Embryo  von  Triton  cristatus  sind  die  Anlagen  sämtlicher  Visceral- 
bogen, mit  Ausnahme  des  letzten,  deutlich.  Alle  entstehen  paarig 
und  hängen  mit  dem  noch  häutigen  neuralen  Cranium  nicht  zusammen 
(Stöhr). 

Die  Anlagen  der  Visceralbogen  sind  wie  die  der  Balken  charakterisiert  durch 
die  dichtgedrängten  Zellen  mit  rundlichen,  stellenweise  facettierten  Kernen,  sehr  ge- 
ringen Protoplasmamengen  und  fast  vollkommenem  Mangel  an  Dotterplättcheu. 


Tect  synot 


■api  aiid 


Ca*,  internoi 


Palatoquadrat. 

Solum  nasi  '         ~  - 


Parsartiad. 


Fig.  354.  Neurales  Primordialcranium  und  Palatoquadratum  eines  23  mm 
langen  Öiredou  pisciformis.  Von  der  linken  Seite.  Nach  einem  bei  40facher  Ver- 
größerung hergestellten  Plattenmodell.     Abbildung  zu  Modell  =  4:9. 


a)  Der  Kiefer  bogen.  Der  Kieferbogen  ist  von  den  anderen 
Bogen  getrennt;  er  läßt  schon  früh  eine  Teilung  in  einen  dorsalen 
Abschnitt,  das  Palatoquadratum,  und  einen  ventralen  Abschnitt, 
den  primordialen  Unterkiefer  (MECKEL'schen  Knorpel)  er- 
kennen. Beide  verknorpeln  selbständig,  das  Palatoquadratum  zuerst 
(Trit.  crist.,  9V2  mm).  Auch  nach  der  Verknorpelung  bleibt  letzteres 
zunächst  noch  durch  das  Ganglion  Trigemini  vom  neuralen  Cranium 
getrennt  (Fig.  347),  erst  sekundär  setzt  es  sich  mit  diesem  in  Ver- 
bindung,   und    zwar    durch   3   Fortsätze,   die  kontinuierlich   mit   dem 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  703 

Neurocranium  verschmelzen  (Fig.  354).  Die  Urodelen  sind  also  auto- 
styl und  zugleich  monimostyl;  das  Palatoquadratum  wird  isoliert  au- 
gelegt, dann  aber  völlig  fixiert.  Von  den  Fortsätzen  ist  der  Processus 
ascendens  anfangs  der  kräftigste,  später  nimmt  er  immer  mehr  ab ; 
er  verbindet  sich  mit  der  Schädelseiten  wand  vor  der  Ohrkapsel;  er 
ist  dadurch  charakterisiert,  daß  der  erste  Trigeminusast  zwischen  ihm 
und  der  Schädelseitenwand  nach  vorn  verläuft,  während  der  zweite 
und  dritte  Trigeminusast  hinter  ihm  hinweg  nach  außen  ziehen.  Der 
Proc.  oticus  steigt  schräg  nach  hinten  oben  auf  und  legt  sich  -an 
die  knorpelige  Ohrkapsel  an,  mit  der  er  bald  völlig  verschmilzt.  Der 
Proc.  basalis  legt  sich  an  die  untere  Fläche  der  Ohrkapsel  an,  da 
wo  diese  mit  der  ßasalplatte  in  Verbindung  steht,  und  verschmilzt 
später  ebenfalls  mit  ihr  (Fig.  350).  Ganz  zuletzt  entsteht  der  sog. 
Proc.  pterygoideus,  der  die  Pars  palatina  des  Fisch-Palato- 
quadratums  repräsentiert  (Fig.  354).  Stöhr  fand  ihn  zuerst  deutlich 
bei  einem  etwa  40  mm  langen  Triton  cristatus,  der  eben  in  der  Um- 
wandlung begriffen  war.  Der  Fortsatz  legt  sich  dem  schon  viel  früher 
entstandenen  Os  pterygoideum  auf  und  endet  vorn  zugespitzt. 

Seine  Entstehung  zeigt  auch  bei  derselben  Species  manche  Varianten.  So 
fand  ihn  Stöhe,  bei  einer  60  mm  langen  Larve  von  Triton  cristatus  nicht,  und 
statt  dessen  an  einer  vom  Körper  des  Palatoquadratums  weit  entfernten  Stelle  an  der 
lateralen  Fläche  des  Os  pterygoideum  eine  Gruppe  von  Zellen,  die  mit  Knorpelzellen 
einige  Aehnlichkeit  hatten:  der  Proc.  pterygoideus  schien  also  hier  selbständig  an- 
gelegt zu  werden.  Selbständige  Knorpelpartieen,  die  vor  der  Spitze  des  Proc.  ptery- 
goideus auf  dem  Os  pterygoideum  gelagert  sind,  finden  sich  bei  Urodelen  hin  und 
wieder:  man  kann  sie  als  Hinweis  darauf  auffassen,  daß  der  Fortsatz  sich  früher 
weiter  nach  vom  hin  ausdehnte.  Unter  den  jetzt  lebenden  Urodelen  besitzt,  nach 
WiEDERSHElM,  Ranodon  noch  eine  Ausdehnung  des  Proc.  pterygoideus  bis  zur 
Nasenkapsel,  und  eine  Verbindung  seines  vorderen  Endes  mit  einem  Fortsatz  der- 
selben, also  ein  Verhalten,  wie  es  die  Anuren  zeigen. 

Das  sehr  späte  Auftreten  des  Fortsatzes  in  der  Ontogenese,  auf  das  Stöhr 
zuerst  aufmerksam  gemacht  hat,  scheint  der  Auffassung,  daß  der  Proc.  pterygoideus 
der  Pars  palatina  des  Fischpalatoquadratums  homolog  ist,  nicht  gerade  günstig  zu 
sein  und  dem  Fortsatz  vielmehr  die  Bedeutung  einer  bei  den  Amphibien  neu  auf- 
tretenden Bildung  zu  verleihen,  wofür  er  denn  auch  thatsächlich  vielfach  gehalten 
worden  ist.  Indessen  ist  hier  einmal  hinzuweisen  auf  die  mancherlei  zeitlichen  Ver- 
schiebungen, die  bei  der  Entwicklung  der  knorpehgen  Schädelteile  erkennbar  sind, 
andererseits  darauf,  daß  gerade  Teile,  die  phylogenetisch  in  Reduktion  begriffen,  also 
entwertet  sind,  in  der  Ontogenese  häufig  verspätet  angelegt  werden.  Auch  die  Los- 
lösung des  Fortsatzes  vom  Körper  des  Palatoquadratums  bei  Menopoma,  seine  gänz- 
liche Unterdrückung  bei  Necturus  und  Proteus,  dazu  das  gelegentliche  Auftreten 
eines  gesonderten  vorderen  Knorpelstückes,  das  sich  erst  sekundär  mit  dem  hinteren 
Teil  des  Fortsatzes  vereinigt,  sind  alles  Erscheinungen,  die  als  Zeichen  der  Reduktion 
aufgefaßt  werden  können,  die  eintrat,  nachdem  der  Fortsatz  seiner  ursprünglichen 
Hauptbestimmung,  eine  vordere  Befestigung  für  das  Palatoquadratum  zu  bilden, 
«ntrückt  war.  Das  Hervortreten  der  Knochen  ist  am  Urodelenschädel  der  leicht 
erkennbare  Grund  dafür  (Gaupp  1893).  Der  Proc.  basalis  scheint  dem  Proc. 
palatobasalia  der  Selachier  zu  entsprechen ;  seine  Anlagerungsstelle  an  der  Schädel- 
basis wäre  dann  als  noch  weiter  kaudalwärts  gerückt  aufzufassen.  Daß  die  basalen 
Verbindungen  des  Palatoquadratums  mit  dem  Neurocranium  eine  besondere  neue 
Untersuchung  erfordern,  wurde  schon  bemerkt. 

Die  Monimostylie  der  Urodelen  entsteht,  wie  die  der  Dipnoi,  durch  knor- 
pelige Verschmelzung  des  Palatoquadratums  mit  dem  neuralen  Cranium.  Dadurch 
unterscheidet  sie  sich  von  der  der  Krokodile  und  Schildkröten,  bei  der  es  sich  um 
eine  Unterdrückung  der  Beweglichkeit  des  Quadratums  durch  die  sich  ausdehnenden 
und  fest  miteinander  verschmelzenden  Deckknochen  handelt. 

Bei  der  Metamorphose  der  Caducibranchiaten  erleidet  das  Palato- 
quadratum eine  Stellungsänderung,  indem  es  aus  der  schräg  nach 
vorn  und  abwärts  gerichteten  Stellung  in  eine  mehr  quere  übergeht. 
Es  bildet  sich  dabei  (bei  Triton  cristatus,  Stöhr)  eine  Spalte  zwischen 


704 


E.  Gaupp, 


dem  Proc.  oticus  und  der  Ohrkapsel,  die  wahrscheinlich  in  Beziehung^ 
zu  jenem  Vorgange  der  Stellungsänderung  steht  (Lösung  des  Zu- 
sammenhanges von  Quadratum  und  Ohrkapsel).  Außerdem  erfolgt 
aber,  wie  ich  in  eigenen  Präparaten  sehe,  eine  Erweichung  des  Knorpels 
innerhalb  des  Palatoquadratums;  der  Proc.  basalis  bleibt  mit  der 
Schädelbasis  vereinigt.  Die  genaueren  Vorgänge  bei  der  Stellungs- 
änderung, sowie  das  Verhalten  des  Palatoquadratums  nach  derselben 
erfordern  spezielle  Untersuchung. 

'  Die  beiderseitigen  Meckel' sehen  Knorpel  werden  anfangs 
vorn  in  der  Mittellinie  durch  eine  Lage  nicht  verknorpelten  Gewebes 
voneinander  getrennt;  später  verknorpelt  auch  dieses.  Bei  der  Meta- 
morphose geht  der  mittlere  Teil  des  MECKEL'schen  Knorpels  (wenig- 
stens bei  Triton  taeniatus)  zu  Grunde :  das  proximale  Ende  verknöchert, 
und  der  vorn  in  der  Mittellinie  gelegene  Knorpel  bleibt  als  mediane 
Synchondrose  zwischen  beiden  Dentalia  erhalten.  Wenigstens  tinde 
ich  ihn  hier  noch  bei  erwachsenen  Exemplaren  von  Tr.  taen.  Bei 
manchen  Urodelen  scheint  eine  Verknöcherung  des  vorderen  Endes 
des  MECKEL'schen  Knochens  vorzukommen  (s.  Knochen). 

Bei  den  Perennibranchiaten  bewahrt  die  Pars  qiiadrata  des  Palatoquadratums 
zeitlebens  ihre  von  hinten  oben  nach  vorn  unten  gehende  Richtung.  Bei  Araphiuraa 
gleicht  die  Stellung  der  bei  den  Salamandriden,  während  Cryptobranchus  und  Meno- 
poma  das  Quadratum  mit  seiner  Gelenkfläche  nach  außen  und  etwas  nach  hinten 
gerichtet  zeigen.  ,  Ob  diese  Anordnung  von  vornherein  besteht,  oder  embryonal  sich 
erst  ausbildet,  ist  unbekannt. 

b)DasHyobranchialskelett.   Salamandriden.   Die  Ent- 
wicklung des  Hyobranchialskelettes  bei  Triton  cristatus  von  der  ersten 
bis    zur    Vollendung    des    larvalen    Zustandes    verläuft    nach 


Anlage 


H 

Br. 

I 

Br. 

11 

Br. 

III 

Br. 

IV 

Br.  II 
Br.  III 


IV 

Fig.  355.  Hyobranchialskelette  von  Triton  cristatus,  halbschematisch.  Nach 
Stöhr.  a  Embryo,  9  mm  lang;  b  eben  ausgeschlüpfte  Larve,  9  5  mm  lang;  c  Larve, 
10  mm  lang.     /T  Hyalbogen.     Br  I — /F  Brachiale  I — IV.     Cop.  St.  Copulastiel. 


Stöhr 
crist.  von 


folgendermaßen. 


Die    erste    vorknorpelige    Anlage    bei    Trit. 


9  mm   ist  eine   einheitliche  und 


Zungenbein- 


und 


läßt  den  Hyalbogen  und  o 

Die  medialen  Enden    des 

der  2  ersten  Branchialbogen  werden  schon  auf  diesem 


Branchialbogen    unterscheiden  (Fig.  355  a) 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes. 


705 


jungen  Stadium  durch  eine  uupaare  mediane  Anlage  untereinander 
verbunden,  die  3.  Kiemenbogen  erscheinen  erst  als  kurze  mediale 
Auswüchse  an  den  distalen  Enden  der  2.  Bogen ;  von  den  4.  ist  noch 
nichts  wahrzunehmen.  Doch  erscheinen  die  letzteren  bald  (Trit.  crist., 
9,5  mm,  Fig.  355b)  als  mediale  Sprossen  der  dritten.  Zugleich  verbinden 
sich  die  dorsalen  Enden  sämtlicher  Kiemenbogen  untereinander.  Sehr 
bald  darauf  erfolgt  auch  die  knorpelige  Differenzierung,  und 
zwar  zunächst  getrennt  in  den  Seitenteilen.  Bei  einer  10  mm  langen 
Larve  von  Triton  cristatus  (Fig.  355  c)  findet  Stöhr  den  Zungenbein- 
und  sämtliche  Branchialbogen  in  einem  Zustand,  der  von  nun  an  — 
Segmentierung  abgerechnet  —  mit  nur  geringen  Abänderungen  durch 
das  ganze  Larvenleben  persistiert.  Die  ventralen  Enden  des  Zungen- 
beinbogens  haben  sich  von  der  unpaaren  medianen  Anlage  abgegliedert, 
mit  der  aber  der  1.  und  2.  Branchialbogen  noch  zusammenhängen. 
Doch  haben  sich  die  Verhältnisse  hier  so  umgestaltet,  daß  aus  der 
ursprünglich  einheitlichen  unpaaren  Anlage  zwei  Teile  hervorgegangen 


Fig.  356. 
Dorsalansicht. 
Original. 


Hypohyale 

-Keratohyale 

Copula  (P.  dors.) 
~  Hyobranchiale  I 

\%^"^^J[_~""^|^^^  Copulastiel 

■Hyobranchiale  II 

Keratobranchiule  I 
-   Keratobranchiale  II 

KeratohroMchiale  III 
Keratobranchiale  IV 


Hyobranchialskelett   einer  2  cm  langen  Larve  von  Triton  taeniatus. 
Bei  öOfacher  Vergr.  modelliert,  Zeichnung  auf  die  Hälfte  verkleinert. 


sind,   ein   dorsaler   und 
zusammenhängen   und 
die   2. 


miteinander 
der  dorsale 


ein  ventraler,  die  nur  ganz  vorn 
.^v^xx  .^.xv^  von  denen  der  ventrale  in  die  1., 
in  üie  z.  Kiemenbogen  übergeht.  Der  ventrale  Teil  hat  die  Form 
einer  breiten  dreieckigen  Platte,  die  hinten  in  einen  langen  medianen 
Fortsatz,  den  Copulastiel  (Urobranchiale,  Stöhr)  ausläuft,  der 
dorsale  die  eines  drehrunden  Stieles  (Fig.  355  c).  Noch  jetzt  bilden 
die    4    Branchialbogen    beider    Seiten    mit    den    unpaaren    Teilen    ein 

Die  Art,  wie  hier  die  Gliederung  erfolgt,  hat 

Bei  Triton  taeniatus,  also  einer  Form,  die  Tr. 

sich  nach  Ablauf  des  Segmentierungsprozesses 

356  und  357  demonstrieren.   Der  Zun  gen - 


knorpeliges  Continuum, 
Stöhr  nicht  verfolgt, 
crist.  nahe  steht,  findet 
der  Zustand, 


den  die  Fi  gg. 


Handbuch  der  Kntwickelungslehre.     III.  2. 


45 


706  E.  Gaupp, 

b einbogen  ist  in  zwei  knorpelige  Stücke  zerlegt,  ein  kleines  Hypo- 
hyale  und  ein  großes  Keratohyale.  Das  Hypohyale  legt  sich  dem 
lateralen    Umfang    des    vordersten    rundlichen    Endes    der    unpaaren 

-ja|~p.- —  Hypohyale 
^^Wä     ^,    ^sr-~Keratohyale 

f^fm  -.JT  '^L^fer^ Copula  (P.  ventr.) 

/  J^     M.    /  I  ^B"wiÄ"'^fe^v — Hypobranchiale  II 

B  W^i. "^.^^ —  Hypobranchiale  I 

_3L>-,-V -Ss-.l^L —  Copulastiel 

^W  /        -.--   fi.'W  Keratohranchiale  1 

'^^l^^w  ^^-v^^ Keratohranchiale  II 

Fig.  357.  Vorderster  Teil  des  Hyobranchialskelettes  einer  2  cm  langen  Larve 
von  Triton  taeniatus.  Ventralansicht.  Dasselbe  Objekt  wie  Fig.  356.  Orig.  (Die 
Lücke  im  ventralen  Teil  der  Copula  ist  eine  zufällige  Besonderheit  des  vorliegenden 
Objektes.) 

Copula  an.  Diese  selbst  ist  nur  vorn  einheitlich;  nach  hinten  hin 
teilt  sie  sich  in  die  zwei  übereinander  gelegenen  Abschnitte.  Der 
ventrale  bildet  eine  breite,  über  die  Fläche  gekrümmte,  dreieckige 
Platte,  deren  beide  lateral-hintere  Ecken  kontinuierlich  in  die  beiden 
Hypobranchialia  der  1 .  Branchialbogen  übergehen,  während  von 
der  Mitte  der  hinteren  quer  verlaufenden  Dreiecksbasis  der  Copula- 
stiel als  langer  medianer  Fortsatz  nach  hinten  geht.  Das  dorsale 
Teilstück,  in  das  sich  die  Copula  nach  hinten  fortsetzt,  ist  kurz  dreh- 
rund; hinten  sind  an  ihm  die  Hypobranchialia  der  2.  Bogen  be- 
festigt. 

Das  ersteBranchiale  istinHypo-  und  Keratohranchiale 
gegliedert;  das  Hypobranchiale  I  hängt  kontinuierlich  mit  dem  ven- 
tralen Teil  der  Copula  zusammen.  Ebenso  zerfällt  das  zweite 
Branchiale  in  ein  Hypo-  und  ein  Keratohranchiale;  das 
Hypobranchiale  II  ist  aber  von  dem  hinteren  Ende  des  dorsalen  stiel- 
förmigen  Copulaabschnittes  abgeghedert.  Das  ventrale  Ende  des 
Keratohranchiale  II  ist  mit  den  ventralen  Enden  der  Keratobranchialia  I 
und  III  verbunden.  Der  dritte  und  der  vierte  Branchialbogen 
erreichen  die  Mittellinie  nicht  mehr;  ein  jeder  besteht  nur  aus  einem 
Keratohranchiale.  Das  ventrale  Ende  des  3.  verbindet  sich  durch 
nicht  verknorpeltes  Gewebe  mit  den  ventralen  Enden  des  2.  und  4.; 
das  des  4.  kommt  nur  zur  Verbindung  mit  dem  des  3.  Die  dor- 
salen Enden  aller  4  Branchialbogen  sind  durch  Knorpelkommissuren 
(Commissurae  terminales)  untereinander  verbunden. 

Die  wichtigsten  Veränderungen  bei  der  Umwandlung  des  larvalen 
Hyobranchialskelettes  in  das  Zungenbein  des  erwachsenen  Triton  sind 
folgende  (Fig.  358).  Das  Hypohyale  geht  ganz  zu  Grunde,  statt 
dessen  bildet  sich  etwas  weiter  hinten,  aber  noch  in  der  Nachbarschaft 
des  vorderen  Copulaendes,  der  Bügelknorpel  neu.  Er  besteht  aus 
3  Teilen,  die  nach  Kallius  auch  genetisch  selbständig  sind:  2  seit- 
lichen, die  als  kleine  Stäbchen  von  der  Copula  nach  der  Seite  abstehen, 


Die 


Entwickelung 


des  Kopfskelettes. 


707 


und   einem   mittleren  Bügel,   der   dorsal  von  der  Copula  jene  beiden 


untereinander  verbindet.    Das  Keratohyale  verliert  den  Zusammen- 
mit   dem    übrigen  Zungenbeinapparat   und  wandelt  sich  in  eine 


hang 


Bügelknorpel 

—  Copula  (Corjms) 

--Keratohyale 
{Cornu  hyale) 

—  Hypohrancldule  I 

---Hypohranchiale  II 

(CoriiH  braiLcIi.  II) 


Kendohranchiale  I 
(mit  dem  Hypobr.  I 
das  Cornu  brauch .  ] 
bildend) 


Fig.  358.  Hyobranchialskelett  von  Triton  taeniatus  nach  der  Metamorphose; 
Dorsalansicht.  (Länge  des  Tieres  84  mm.)  Nach  einem  bei  öOfacher  Vergr.  her- 
gestellten Modell.  Figur  auf  die  Hälfte  verkleinert,  also  die  natürlichen  Verhältnisse 
bei  25facher  Vergr.  wiedergebend.  —  Knorpel  blau,  Knochen  grau. 

breitere  Platte  um,  die  nur  hinten  in  ein  rundliches  Endstück  über- 
geht. So  bildet  es  das  Cornu  hyale,  das  aber,  wie  gesagt,  von  dem 
übrigen  Apparat  losgelöst  ist.  Hypohranchiale  I  und  Kerato- 
branchiale  I  bleiben  als  Cornu  branchiale  I  erhalten,  das 
erstere  gliedert  sich  von  der  Copula  ab,  bewahrt  aber  die  Verbindung 
mit  ihr.  Vom  2.  Branchiale  bleibt  nur  das  Hypohranchiale  II 
als  Cornu  branchiale  II  erhalten,  proximal  mit  dem  kaudalen 
Ende  der  Copula,  distal  mit  dem  Keratobranchiale  I  verbunden,  dessen 
ventrales  Ende  zu  diesem  Zweck  besonders  verdickt  ist.  Die  Kerato- 
branchialia  II,  III  und  IV  gehen  zu  Grunde.  Von  der  Copula 
geht  der  ventrale  platte  Teil  nebst  dem  Copulastiel  zu  Grunde,  der 
dorsale  Teil  bleibt  (als  Corpus  oss.  hyoid.)  erhalten  und  wächst 
stark  in  die  Länge.  Seinem  lateralen  Umfang  legt  sich  das  Hypo- 
hranchiale I,  seinem  hinteren  Ende  das  Hypohranchiale  II  an. 

Am  larvalen  Hyobranchialskelett  von  Salamandra  maculosa,  das  im  ganzen  dem 
von  Triton  gleicht,  soll  das  Hypohranchiale  I  von  der  Copula  abgegliedert  sein,  das  hin- 
tere Ende  des  Copulastieles  ist  gegabelt.  Hin  und  wieder  kommt  ein  rudimentäres  Hypo- 
hranchiale III  vor  (Kallius,  Drliner).  Bei  der  Metamorphose  bleiben  die  Hypo- 
hyalia  erhalten  (als  sog.  vordeire  Radien),  verlieren  aber  den  Zusammenhang  mit 
dem  Keratohyale;  ein  hinteres  Radien  paar,  den  Seitenteilen  des  Bügelknorpels 
von  Triton  entsprechend,  bildet  sich  neu ;  Hypo-  und  Keratobranchiale  I  verwachsen 
untereinander    (Drüner),    das    Hypohranchiale   II    bleibt   erhalten,    die    ?>    hinteren 


Keratobrauchialia 


gehen 


zu  Grunde.     Der  Copulastiel 


geht 


m   der  Hauptsache  zu 

45* 


708 


E.  Gaupp. 


Grunde,  doch  bleibt  das  hintere  gegabelte  Ende  erhalten  und  bildet,  verknöchernd, 
das  Os  thyreoideuni  oder  Os  triquetrum.  Aehnlich  verhält  sich  Amblystoina. 
Drüner  hebt  hervor  (was  ich  bestätigen  kann),  daß  bei  der  Larve  (Siredon  pisci- 
formis) die  Copula  mit  den  Hypobrauchialia  I  und  II  eine  zusammenhängende 
Knorpelmasse  bildet;  bei  Amblystoma  ist  die  Abgliederung  erfolgt.  Die  Hypohyalia 
bleiben  bei  der  Metamorphose  erhalten  (vordere  Radien),  bewahren  aber  hier  den 
Zusammenhang  mit  den  Keratohyalia;  als  Neubildung  erscheint  ein  Bü  gelknorpel, 
der  aber  dauernd  aus  3  getrennten  Stücken  besteht:  2  lateralen,  die  den  hinteren 
Eadien  von  Salamandra  entsprechen,  und  einem  dorsal  über  die  Copula  hinweg- 
ziehenden unpaaren  bogenförmigen  Stück  (cf.  Triton).  Das  hintere  Ende  des  Copula- 
stieles  bleibt,  wie  bei  Salamandra,  erhalten.  Hypobranchiale  I,  Keratobranchiale  I 
und  Hypobranchiale  II  bleiben  in  der  Anordnung  wie  bei  Triton  erhalten;  die 
Keratobranchialia  II,  III,  IV  gehen  zu  Grunde  (Drüner's  Angaben  beziehen  sich 
auf  Amblystoma  mavortium). 

Ichthyodea.  Die  Form,  die  das  Hj'obranchialskelett  der  Sala- 
mandrideiilarven  zeigt,  entspricht  in  den  Hauptzügen  der,  die  die 
Ichthyoden  zeitlebens  aufweisen.  Die  wichtigsten  Resonderiieiten,  die 
bei  letzteren  zur  Beobachtung  kommen,  bestehen  in  Reduktion  der 
Kiemeubogenzahl.  Diese  findet  sich  bei  Perennibranchiaten.  wie  bei 
Derotremen.  Unter  den  Perennibranchiaten  besitzen  Necturus  und 
Proteus  nur  3,  unter  den  Derotremen  Cryptobranchus  sogar  nur  2 
Branchialbogen.     Siren  unter  den  Perennibianchiaten,  Ampliiuma  und 

Menopoma  unter  den 
—  Hypohyaie  Derotremcu    bewah- 

ren die  Vierzahl  der 
Branchialia.  Das  Hy- 
ale  zerfällt  gewöhn- 
lich in  ein  Hypo- 
und  ein  Keratohyale. 
Fast  stets  ist  das 
Branchiale  I  in 
Hypo-  und  ein 
ratobranchiale 
gliedert.  Ein  Plypo 
branchiale  11  kann 
rudimentär  sein  oder 
ganz  fehlen.  Statt 
einerCo])ula  können 
deren  zwei  hinter- 
einander gelagerte 
vorhanden  sein;  sie  werden,  nach  dem  Vorgange  von  Huxley  (1874), 
als  1.  und  2.  Basibranchiale  bezeichnet  (Fig.  oö9).  Das  hintere  ent- 
spricht offenbar  dem  Copulastiel  der  Salaniandridenlarven,  ob  es  aber 
wirklich  ein  selbständiges  Basibranchiale  darstellt,  das  bei  den  Sala- 
niandridenlarven in  Konkrescenz  mit  dem  vorderen  Basibranchiale 
auftritt,  ist  bisher  nicht  bewiesen. 

Ueber  die  frühen  Zustände  des  Hyobranchialskelettes  von  Necturus  haben 
J.  B.  Platt  (181)7)  und  G.  Buchs  (1902)  Angaben  gemacht.  Den  Befund  von  J. 
B.  Platt,  daß  das  Material  des  Hyobranchialskelettes  von  Necturus  (außer  der 
Anlage  des  sog.  Basibranchiale  II)  ektodermaler  Herkunft  sei,  konnte  Buchs  nicht 
bestätigen.  Auf  vorknorpeligem  Zustand  ist  die  Anlage  des  gesamten  Hyobranchial- 
skelettes nach  Miss  Platt  eine  einheitliche  und  besitzt  eine  Form,  die  Fig.  860 
ülustriert  (von  einem  Embryo  von  15  mm).  Der  Hyalbogen  besteht  hier  aus  einem 
einheitlichen  hufeisenförmig  gekrümmten  Bogen,  der  in  der  ventralen  Mittellinie  mit 
einer  longitudinal  nach  hinten  ziehenden  Gewebsmasse  verbunden  ist.  Vom  hinteren 
Ende  derselben  geht  jederseits  die  Anlage  des  1.  Branchialbogens  aus;  in  dem 
Winkel,  der   durch    die  Divergenz    der  beiderseitigen    Bogen    gebildet    wird,  springt 


Adilus 
lar. 


Basibranchiale  I 
Keratohyale 

Hypobranchiale  I 

Basibranchiale  II 

Hypobranchiale  II 

Keratobranchiale 
Keratobranchiale 
Keratobranchiale 


I 

II 

III 


ralis, 


Fig. 
von 


359 
der 


Hyobranchialskelett  von    Necturus   late 
Ventralseite.    Nach  Huxley. 


ein 
Ke- 

ge- 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes. 


709 


noch  ein  kleiner  Gewebsknopf  nach  hinten  vor.  Die  Anlagen  des  2.  und  3.  Bran- 
chialbogens  erreichen  die  Mittellinie  nicht;  sie  sind  jederseits  mit  ihren  ventralen 
Enden  vereinigt  durch  einen  kurzen,  gemeinsamen  Stiel,  der  sich  dem  hinteren  Um- 


Trabec. 

Cart.  Meck.    

Palatoquadr.  - 

Are.  hyal. ^ 

Are,  braneh.  7__ 

Are.  braneh  .II... 
Are.  br.  III  -- 


Are.  oceip. 


_  Trabee. 
—  Cart.  ßleckel 

Hypohyale 
K      Basibranchiale  I 
Keratohyale 

--For.  N.  fac. 

'-  Hypobranch.  I 

--  Fen.  vestibuli 
--  Keratobraneh.  I 

--  Hypobraneh.  II 

■  Keratobraneh.  II 

•  Keratobraneh.  III 


Basibraneh.  II 


Fig.  860. 


Fig.  361. 


Fig.  360.     Prochondrale  Anlagen  der  Visceralbogen  von  Necturus  (15  mm  lang). 
Ventralansicht.    Nach  J.  ß.  Platt. 

Fig.  361.     Knorpelschädel  von  Necturus  (19  mm  lang).    Ventralansicht.    Nach 
J.  B.  Platt. 


fange  des  1.  Branchialbogens  in  einiger  Entfernung  von  der  Mittellinie  anlegt.  — 
Bei  der  Verknorpelung  entstehen  sofort  die  Stücke  des  definitiven  Hyobranchial- 
skelettes  durch  selbständige  Chondrifikation  (Fig.  361).  Aus  der  medianen  An- 
lage zwischen  dem  Hyal-  und  dem  1.  ßranchialbogen  geht  das  erste  Basibran- 
chiale, aus  der  hinteren  Fortsetzung  der  Anlage  das  zweite  Basibranchiale 
hervor  (über  die  Nomenklatur  s.  oben).  Der  Hyalbogen  jeder  Seite  verknorpelt 
von  zwei  Zentren  aus,  die  das  Hypo-  und  das  Keratohyale  bilden.  Ebenso  entsteht 
jederseits  aus  dem  1.  Branchialbogen  ein  Hypobranchiale  I  und  ein  Kerato- 
branchiale  I.  Der  kurze,  einheitliche  Anfangsstiel  des  2.  und  3.  Branchiale  ver- 
knorpelt selbständig  als  Hypobranchiale  II;  dazu  kommen  dann  noch  das 
Keratobranchiale  II  und  das  Keratobranchiale  III.  —  Auf  die  spezielle 
zum  Teil  sehr  merkwürdige  Gestaltung  des  Hyobranchialskelettes  bei  den  verschie- 
denen Ichthyoden  einzugehen,  ist  hier  nicht  Eaum  ;  s.  die  Arbeiten  von  J.  G.  Fischer, 
Parker,  Wiedersheim,  Drüner. 

Ein  Vergleich  der  verschiedenen  Urodelenzustände  lehrt  besonders 
die  Tatsache,  daß  die  Gliederungen  im  Bereiche  des  Hyobranchial- 
skelettes zu  sehr  verschiedenen  Zeiten  auftreten  können,  manchmal 
nur  auf  bestimmten  Stadien  vorübergehend  bestehen,  ja  stellenweise 
von  vornherein  unterbleiben.  Alles  dies  läßt  sie  als  etwas  Sekundäres 
erkennen  und  warnt  vor  der  Ueberschätzung  der  einzelnen  Gliederungs- 
stücke als  selbständiger  morphologischer  Elemente.  —  Ob  die  als 
Hypo-  und  Keratobranchialia  bezeichneten  Abschnitte  den  ebenso  ge- 
nannten Stücken  der  Fische  ganz  gleichwertig  sind,  ist  noch  zu  unter- 
suchen ;  HuxLEY  und  nach  ihm  Parker  und  Wiedersheim  bezeich- 


710  E.  Gaupp, 

neten  die  Hj-pobranchialia  der  hier  gebrauchten  Nomenklatur  als 
Keratobranchialia,  die  Keratobranchialia  als  Epibranchialia.  Auch  über 
die  Auffassung  der  Copulateile  gehen  die  Ansichten  vielfach  auseinander. 
Ganz  unklar  ist  die  Bedeutung  des  Bügelknorpels  resp.  der  hinteren 
Radien,  die  bei  der  Metamorphose  der  Salamandriden  neu  auftreten. 
Auch  bei  manchen  Ichthyoden  finden  sich  im  vorderen  Bereich  des 
Hjobranchialskelettes  Besonderheiten  noch  ungeklärter  Natur  (Amphi- 
uma,  Menopoma). 

II.  Die  Schädelknochen. 

Die  Knochenbildung  beginnt  bei  den  Salamandriden  sehr 
frühzeitig,  noch  innerhalb  des  Eies,  zu  einer  Zeit,  wo  das  Primordial- 
cranium  noch  wenig  vom  umgebenden  Gewebe  gesondert,  die  Vereini- 
gung der  Trabekel  zur  Internasalplatte  noch  nicht  erfolgt,  und  das 
Geruchsorgan  erst  als  ein  kleines  Grübchen  wahrnehmbar  ist  (0.  Hert- 
wiG).  Speziell  die  Anlagen  des  Dentale,  Angulare  und  Pterygopala- 
tinum  konnten  schon  bei  noch  nicht  ausgeschlüpften  Embryonen  von 
Siredon,  Salamandra,  Triton  nachgewiesen  werden.  Die  Deckknochen 
des  Schädeldaches  entstehen  allerdings  erst  viel  später. 

Die  Zahl  der  embryonal  angelegten  Knochen  entspricht  nicht  der  Zahl 
der  Knochen  des  erwachsenen  Schädels.  Vielfach  kommt  es  im  Laufe 
der  Entwickelung  zur  Verwachsung  von  Knochen,  die  getrennt 
angelegt  waren ;  namentlich  bei  den  Tritonen  kommen  frühzeitige  Ver- 
bindungen zwischen  verschiedenen  Knochenstücken  zu  stände  (Ver- 
wachsung beider  Praemaxillaria  untereinander,  sowie  Verwachsung  des 
Vomer  mit  dem  Palatinum  zu  einem  Vomeropalatinum).  Auf  der 
anderen  Seite  kommt  es  auch  vor,  daß  Knochenstücke  im  Zusammen- 
hang entstehen  und  erst  sekundär  sich  voneinander  trennen  (Pala- 
tinum und  Pterygoid). 

Auch  totale  Rückbildung  eines  embryonal  angelegten 
Knochens   wird   beobachtet   (Operculare  von  Salamandra  und  Triton). 

Ersatz knochen  des  Urodelenschädels  sind:  im  Bereiche  des 
neuralen  Craniums  1)  Pleuroccipitale,  2)  Prooticum,  3)  Or- 
bit o  s  p  h  e  n  o  i  d ,  4)  C  0 1  u  m  e  1 1  a  r  e ,  alle  4  paarig ;  im  Bereiche  des 
Kieferbogens  1)  Quadrat  um,  2)  Articulare,  3)  Mentomandi- 
bulare;  im  Bereiche  des  Hyobranchialskelettes  zahlreiche,  nicht  ganz 
konstante  Verknöcherungen  der  einzelnen  Teile  dieses  Apparates. 
Die  Bildung  aller  dieser  Ersatzknochen  erfolgt  perichon  dral;  sie 
entstehen  als  anfangs  dünne  perichondrale  Knochenlamellen  auf  dem 
Knorpel,  der  darauf  verschwindet  oder  auch  stellenweise  (bei  manchen 
Formen  in  ausgedehnterem  Maße)  bestehen  bleiben  kann.  Ein  Ein- 
wachsen von  Knochenbildungsgewebe  in  den  Knorpel  und  enchondrale 
Knochenbildung  kommt  nur  in  Ausnahmefällen  vor.  Gewöhnlich 
schwindet  der  Knorpel  einfach  unter  der  perichondralen  Knochenlamelle 
und  die  Skelettteile  können  (wofern  sie  nicht  drehrund  sind  und 
cirkulär  von  der  Knochenscheide  umgeben  werden)  sehr  erheblich  ihr 
Aussehen  verändern :  an  Stelle  der  früheren  plumpen  Knorpelteile 
treten  dünne  Knochenlamellen. 

Als  D  e  c  k  k  n  o  c h  e  n  werden  angelegt :  im  Bereiche  des  Ober- 
schädels 1)  Parietale,  2)  Frontale,  3)  Praefrontale  (ev.  2  Praefrontalia), 
4)  Nasale,  5)  Septomaxillare,  6)  Paraquadratum,  7)  Quadratomaxillare, 
8)  Praemaxillare,  9)  Maxillare,  10)  Vomer,  11)  Palatinum,  12)  Pterygoid 
—  alle  paarig;  dazu  13)  das  unpaare  Parasphenoid ;   im  Bereiche  des 


Die  Entwickeluno;  des  Kopfskelettes.  711 

Unterkiefers  1)  Dentale,  2)  Operculare,  3)  Angulare ;  im  Bereiche  des 

Hyobranchialskelettes   bei   Amphiuma   ein   Knochen   am    Keratohyale: 

Parahyale. 

Bei  den  Fischen,  bei  denen  der  Kiefera2>parat  im  allgemeinen  eine  größere 
Selbständigkeit  gegenüber  dem  neuralen  Cranium  besitzt,  und  auch  das  Praemaxillare, 
Maxillare,  Palalinum  und  Pterygoid  noch  auf  Knorpelteilen  sich  anlegen,  die  dem 
Visceralskelett  zugezählt  werden,  war  eine  Einteilung  der  Schädeldeckknochen  in 
solche  des  neuralen  Craniums  und  solche  des  Visceralskelettes  möglich.  Von  den 
Amphibien  an  verwischt  sich  dieses  Unterscheidungsmerkmal  dadurch,  daß  jene 
Knorpelteile  immer  mehr  schwinden  und  die  genannten  Knochen  demzufolge  ganz 
ohne  knorpelige  Unterlage  in  der  Mundschleimhaut  entstehen  oder  sich  an  Teile  des 
neuralen  Craniums  anlegen.  Die  oben  gegebene  rein  topographische  Einteilung  in 
Knochen  des  Oberschädels,  des  Unterkiefers  und  des  Hyobranchialskelettes  erscheint 
damit  praktischer. 

Von  diesen  Knochen  besitzen  ein  besonderes  Interesse  die,  die 
zur  Umwandung  der  Mundhöhle  beitragen  und,  wenigstens  zum  Teil, 
mit  Zähnen  besetzt  sind  (M  u  n  d  h  ö  h  I  e  n  k  n  o  c  h  e  n).  Einige  von  ihnen 
(Vomer,  Palatinum,  Operculare,  Teile  des  Maxillare,  Praemaxillare  und 
Dentale)  entstehen  noch  ontogenetisch  aus  einer  Konkrescenz  von 
Zähnen,  und  diese  Knochen  sind  es  ja  auch  gewesen,  auf  deren  Genese 
O.  Hertwig  die  im  allgemeinen  Teil  auseinandergesetzte  Hypothese 
gegründet  hat. 

0.  Hertv^^ig  teilt  die  hierher  gehörigen  knöchernen  Elemente  in 
3  Gruppen:  Zu  der  ersten  Gruppe  gehören  Vomer,  Palatinum,  Oper- 
culare; dieselben  sind  richtige  Zahnknochen  und  entstehen  durch 
Konkrescenz  von  Zähnen.  Die  zweite  Gruppe  umfaßt  das  Prae- 
maxillare, Maxillare  und  Dentale,  Knochen,  bei  deren  Entstehung  sich 
ein  aus  Zahnkonkrescenz  entstandener  Abschnitt  mit  einem  anderen, 
der  eine  selbständige  Integumentossitikation  darstellt,  verbindet.  Die 
Knochen  der  dritten  Gruppe  endlich  (Pterygoid,  Parasphenoid,  An- 
gulare) zeigen  ontogenetisch  keine  Beziehungen  zu  Zähnen,  sondern 
entstehen  rein  durch  Ossifikation  im  Bindegewebe. 

Knochen  des  Oberschädels. 

a)  E  r  s  a  t  z  k  n  0  c  h  e  n. 

Typische  Ersatzkuochen  im  Bereiche  des  Oberschädels  sind : 
Pleuroccipitale,  Prooticum,  Orbitosphenoid,  Columellare,  Quadratum. 
Die  speziellen  V^orgänge  bei  der  Bildung  dieser  Knochen  wurden  bis- 
her nicht  verfolgt,  und  auch  die  Frage,  wieviel  von  dem  ursprüng- 
lichen Knorpelcranium  in  den  ausgebildeten  Zustand  übernommen 
wird,  bedarf  vielfach  noch  einer  genaueren  Prüfung.  Die  ausgedehn- 
testen Angaben  über  den  letzteren  Punkt  finden  sich  bei  Wieders- 
HEiM  (1877).  Charakteristisch  für  die  Urodelen  wie  für  die  Amphibien 
überhaupt  ist  die  geringe  Anzahl  von  Ersatzknochen  des  neuralen 
Craniums,  die  vor  allem  eine  Folge  des  gänzlichen  Fehlens  aller  un- 
paaren  Ossifikationen  ist.  Alle  Ersatzknochen  der  Amphibien  sind 
paarig. 

Pleuroccipitale  und  Prooticum.  Bei  den  Ichthyoiden  und  (nach  WlE- 
DERSHEIM)  bei  einigen  lechriodonten  Salamandriden  bleiben  die  beiden  genannten 
Knochenterritorien  getrennt:  das  Pleuroccipitale  nimmt  die  Occipitalregion  und  die 
hintere  Hälfte  der  Ohrkapsel,  das  Prooticum  die  vordere  Hälfte  der  Ohrkapsel  ein.  Bei 
den  meisten  Salamandriden  erfolgt  schon  frühzeitig  eine  Vereinigung  beider.  Bei  Triton 
taeniatus  finde  ich  nur  die  ersten  Anfänge  der  perichondralen  Knochenbildung  ge- 
trennt: die  des  Pleuroccipitale  nimmt  ihren  Ausgang  am  For.  jugulare,  die  des 
Prooticum  in  der  Gegend  der  Facialisöffnungen.  Sehr  bald  ist  aber  die  knorpeüge 
Ohrkapsel  von  einer  einheitlichen  perichondralen  Knochenlamelle  bedeckt   und  auch 


712  E.  Gaupp, 

an  der  inneren  Oberfläche  tritt  perichondrale  Knochenbildung  auf.  Auf  die  lateralen 
Teile  der  Basalplatte  setzt  sich  diese  in  Form  einer  ventralen  und  einer  dorsalen 
Lamelle  fort,  ebenso  auf  das  Tectum  synoticuni.  Der  Üccipitalteil  des  Chondro- 
craniums  wird  allseitig  umscheidet.  Der  ursprüngliche  Knorpel  geht  an  den  meisten 
Stellen  einfach  durch  Auflösung  zu  Grunde;  am  Tectum  synoticum  kommt  es  (bei 
Triton  cristatus,  nach  Stöhr)  zu  enchondraler  Ossifilcation.  Im  Gebiet  der  vorderen 
Ohrkapselhälfte  erhält  auch  bei  Triton  der  Faciaiiskanal  einen  knöchernen  Abschluß 
gegen  den  Ohrkapselraum,  trotzdem  hier  im  Knorpelstadium  ein  solcher  Abschluß 
nicht  besteht.  Bei  den  meisten  8alamandriden  wird  also  die  ührkapsel  zusammen 
mit  dem  Occipitalteil  ein  einheitliches  Knochenstück.  Knorpelig  erhalten  bleiben  hier 
von  der  Occipital-  und  Labyrinthregion  gewöhnlich  nur  der  Gelenkknorpel  des 
Condylus  occipitahs,  ein  medianer  Streifen  der  hypochordalen  Kommissur  (zur  Ar- 
tikulation mit  dem  Tuberculum  interglenoidale  des  1.  Wirbels),  die  mediane  Partie 
der  l'ectum  synoticum,  der  Rand  der  Fenestra  vestibuli  und  die  Stellen,  wo  sich 
der  Proc.  oticus  und  der  Proc.  basalis  des  Quadratums  anlegen  (Stöhr). 

Bei  Necturus  mac.  beschreibt  H.  H.  Wilder  statt  eines  einheitlichen  Pleurocci- 
pitale2  Knochen,  ein  Pleuroccipitale  und  ein  Opisthoticura  ,  das  erstere  nimmt 
die  Occipitalregion,  das  letztere  die  hintere  Hälfte  der  Ohrkapsel  ein.  Huxley  (1874) 
erwähnt  das  Opisthoticum  Wilder's  als  Epiotic,  bemerkt  aber,  daß  es  eng  ver- 
bunden sei  mit  dem  Pleuroccipitale  (also  nicht  selbständig). 

Orbitosphenoid  (Sphenethmoid,  Parker).  Der  Knochen,  der  gewöhnlich  als 
Orbitosphenoid  bezeichnet  wird,  entsteht  bei  Triton  taen.  perichondral  auf  der  Grund- 
lage der  knorpeligen  Schädelseiten  wand  der  Orlntalregion.  Er  erreicht  verschiedene 
Ausdehnung  (s.  die  Abbildungen  bei  Wiedersheim  und  Parker).  Ob  er  dem 
gleichnamigen  Knochen  der  Säuger  entspricht,  ist  ganz  fraglich. 

Os  columellare.  Das  Operculum  l)leibt  häufig  zeitlebens  knorpelig,  kann 
aber  auch  (ev.  mit  seinem  Stiel)  verknöchern.  Aller  auch  in  diesem  Falle  scheint 
die  innere  Fläche  knorpelig  zu  bleiben. 

Quadratum.  Bei  Triton  cristatus  verknöchert  nach  Stöhr  der  größte  Teil 
des  Quadratknorpels,  und  zwar  perichondral ;  der  Knorpel  zerfällt  zum  größten  Teil, 
enchondrale  Verknöcherung  erfolgt  nicht.  Auch  der  Proc.  ascendens  verknöchert 
perichondral,  während  die  hinteren  Fortsätze  (Proc.  oticus  und  Proc.  basalis)  sich 
bei  Triton  crist.  zu  einem  Zellknorpel  umwandeln.  Bei  Triton  taen.  bleiben  sie 
hyalinknorpelig.  Ein  Teil  des  Quadratknorpels  wird  in  wirkliches  Bindegewebe  um- 
gewandelt. Der  Proc.  pterygoideus  verknöchert  nicht,  sondern  bleibt  knorpelig 
(immer?).  Erneute  Untersuchungen  über  das  Schicksal  des  Quadratums  bei  den 
Urodelen,  speziell  den  höheren  Formen,  sind  sehr  notwendig  (s.  auch  Paraquadratum). 

b)  Deckknoclien  im  Bereiche  des  Oberschädels. 

Die  Deckknochen  erlangen  bei  den  Urodelen  eine  ganz  besonders 
hohe  Entwickeinng,  und  darauf  kann  wohl  auch  die  Lückenhaftigkeit 
des  Primordialcraniums  zurückgeführt  werden.  Bei  einigen  Formen 
(Necturus,  Proteus,  Amphiuma  nach  Wiedersheim)  bilden  die  Deck- 
knochen fast  allein  das  ganze  Schädelrohr. 

a)  D  e c k k n  0 c h  e  n  am  Dach  und  an  den  S  e i t e n  w ä n  d  e n 
des  Ober  Schädels  sind  jederseits:  Parietale,  Frontale,  Nasale, 
Praefrontale  (statt  eines  können  auch  2  Praefrontalia  vorhanden  sein), 
Septomaxillare,  Paraquadratum,  Quadratomaxillare.  Alle  diese  Knochen 
entstehen,  soweit  bekannt,  in  größerer  Tiefe,  entweder  auf  Teilen  des 
Chondrocraniums  oder  unmittelbar  außen  vom  Schädelcavum.  Zu- 
sammenhängende Angaben  über  ihre  Entwickelung  liegen  nicht  vor. 
Bezüglich  der  Topographie  und  allgemeinen  morphologischen  Verhält- 
nisse mögen  einige  der  wichtigsten  Momente  kurz  erwähnt  sein. 

Parietale.  Entsteht  lateral.  Hinten  legt  es  sich  auf  der  Dorsalfläche  der 
Ohrkapsel  an  (Fig.  3G3);  vor  dieser  ruht  es  gewöhnlich  mit  seiner  lateralen,  ventral- 
wärts  umgebogenen  Randpartie  (Proc.  orbitalis,  Wiedersheim)  ,  auf  dem  oberen 
Rande  der  orbitotemporalen  Schädelseitenwand  (Fig.  362).  Der  Proc.  orbitalis  kann 
sehr  beträchtliche  Dimensionen  erreichen  und  sich  medial  von  der  knorpeligen 
Schädelseiten  wand  bis  zum  Parasphenoid  erstrecken  (Necturus,  vergl.  Wiedersheim). 

Frontale.  Legt  sich  ebenfalls  lateral  am  oberen  Rande  der  orbito-temporalen 
Schädelseiten  wand  vor  dem  Parietale  an  und  schiebt  sich  teils  nach  hinten  auf  die 
Oberfläche  des  Parietale  (Fig.  362),  teils  nach  vorn  auf  die  Nasenkapsel.    Auch  der 


Die  Entwickelung  des  Kopf  Skelettes. 


713 


Orbitalfortsatz  des  Frontale  kann  einen  sehr  großen  Anteil  am  Aufbau  der  fechädel- 
seitenwand  der  Orbitalgegend  gewinnen.  Außerdem  aber  erlangt  das  Frontale 
manchmal  einen  sehr  beträchtlichen  Anteil  an  der  vorderen  Begrenzung  des 
Cavum  cranii,  durch  Entwickelung  einer  absteigenden  Platte,  die  den  Olfactorius  bei 
seinem  Austritt  aus  der  Schädelhöhle  mehr  oder  minder  vollständig  umschließt 
(Amphiuma,  Necturus,  s.  Wiedersheim). 


Frontale 


Parietale 

Ocidomot, 


Ophthalm.  (V,  1) 

ticns 

Parasphen. 
Cart.  pterygoid. 
Pterygoid 


Cart.  Meckel 

Dentale 
Angidare 


Hypobr.  I  Keratohyale 
Copulastiel  Hypobranch.  II 
Fig.  362.     Querschnitt  durch  die  Orbito-temporalregion    eines  jungen,   8,2  cm 
langen  feiredon  pisciformis  (dicht  vor  dem  Oculomotoriusforamen). 

Nasale.  Ist  ein  Deckknochen  auf  dem  knorpeligen  Nasendache,  paarig,  meist 
in  einiger  Entfernung  von  der  Mittellinie  gelegen,  und  nach  vorn  bis  nahe  an  die 
Fenestra  narina  reichend.  Fehlt  bei  Necturus  und  Proteus,  bei  denen  infolgedessen 
die  Nasenkapseln  frei  unter  der  Haut  liegen. 

Praefrontalia.  Den  meisten  Urodelen  kommt  jederseits  nur  ein  Praefron- 
tale  zu.  Dasselbe  Ijildet  einen  Belegknochen  auf  dem  hinteren  Teil  des  Nasen- 
kapseldaches  (zwischen  Frontale,  Nasale  und  Maxillare)  und  dehnt  sich  meist  auch 
mehr  oder  weniger  weit  am  Planum  antorbitale  venlralwärts  aus.  Bei  Necturus, 
Proteus,  Siren  und  einigen  Salamandriden  (Spelerpes  fuscus)  fehlt  es,  bei  den  Dero- 
tremen  ist  es  vorhanden,  bleibt  aber  auf  das  Dach  der  Nasenkapsel  beschränkt 
(Wiedersheim).  Bei  den  Salamandriden  wird  der  Knochen  gewöhnlich  von  dem 
Ductus  nasolacrimalis  auf  seinem  Wege  zur  Haut  durchsetzt.  Bei  EUipsoglossa 
(naevia  und  nebulosa),  Ranodon,  Salamandrella,  Dicamptodon  finden  sich  nach 
Wiedersheim  2  oder  3  Praefrontalia.  EUipsoglossa  und  Ranodon  besitzen  2,  ein 
Praefrontale  an  terius  und  ein  Prae  front  ale  posterius,  von  denen  das 
vordere  bei  jungen  Tieren  von  EUipsoglossa  noch  in  2  zerfällt.  Das  vordere  wird 
vom  Thränennasengang  durchsetzt  (Wiedersheim  1886). 

Ueber  das  Verhältnis  des  einfachen  Praefrontale  zu  dem  doppelten  ist  nichts 
Sicheres  zu  sagen.  P.  und  F.  Sarasin  (1890)  fassen  das  Vorhandensein  zweier 
Knochen  als  ursprüngliches  Verhalten  auf  und  nehmen  für  die  übrigen  Salaman- 
driden eine  Verwachsung  beider  Stücke  zu  einem  an.  Das  vordere  betrachten 
sie  als  das  Homologon  des  Lacrimale  der  Stegocephalen  und  Amnioten.  Wie 
weit  diese  Anschauung  richtig  ist,  läßt  sich  zur  Zeit  noch  nicht  entscheiden. 

Septomaxillare.  Bei  manchen  Urodelen  (Salamandra  mac,  Amblystoma, 
Spelerpes,  Desmognathus,  Plethodon ;  nach  Parker  1877  und  1882,  sowie  Bruner 
1901)  kommt  im  Gebiete  der  Nasenkapsel  ein  Deckknochen  vor,  den  Parker  als 
Septomaxillare  bezeichnet.  Nach  Bruner,  der  ihn  neuerdings  (als  Intranasale)  be- 
schrieben hat,  liegt  er  im  hinteren  Teil  der  Fenestra  narina  und  wird  von  dem  Ductus 
nasolacrimahs  durchsetzt.  Da  Bruner  den  Knochen  auch  in  Fällen  fand,  wo  außer- 
dem noch  ein  vom  Ductus  nasolacrimalis  durchsetztes  Praefrontale  vorhanden  war 
(Plethodon,  Desmognathus,  Amblystoma),  so  folgt,  daß  die  beiden  genannten  Knochen 
nichts  miteinander  zu  thun  haben.  Dagegen  könnte  die  Frage  zur  Erörterung 
kommen,  ob  etwa  das  Septomaxillare  einem  vorderen  Praefrontale  entspricht,  wie 


714 


E.  Gaupp, 


■es  in  anderer  Lagerung  bei  Ellipsoglossa  und  Eauodon  bestellt.  Darüber  läßt  sich 
zur  Zeit  noch  nichts  Bestiaimtes  sagen;  wahrscheinlich  ist  es  allerdings  nicht. 
Paraquadra tum.  Mit  dem  Namen  Paraquadratura  bezeichne  ich  den  großen 
Deckknocheu,  der  bei  den  Urodelen  auf  der  Außenfläche  des  Quadratums  liegt  und 
sich  mehr  oder  weniger  weit  auf  die  Ohrkapsel  heraufschiebt  (Fig.  363).     Seine  Ho- 


Panetale 


ladrat. 
semic.  lat. 

Operculum 


Parasi^hen. 
Kera  tobr.  I 


'cratohr.  II 
tobr.  III 
Keratobr.  IV 
Fig.  363.     Querschnitt  durch  die  Labyrinthregion  eines  jungen,   8,2  cm  langen 
Siredon  pisciformis. 

mologie  (Squamosum  oder  Tympanicum?)  ist  noch  nicht  sicher  ermittelt,  und  so 
wähle  ich  den  von  der  Topographie  hergenommenen,  im  übrigen  rein  provisorischen 
Namen.     Genauer  verfolgt  ist  seine  Genese  bisher  nicht. 

Quadratom axillare.  Medial  von  dem  Paraquadratum,  zwischen  ihm  uud 
dem  Quadratknorpel,  liegt  bei  Larven  von  Triton  taeniatus,  bei  Siredon  pisciformis, 
Amphiuma  (Modell  von  Prof.  Norris),  Necturus  (Modell  von  Prof.  Kingsbury) 
noch  ein  kleinerer  Deckknochen,  der  somit  eine  Strecke  weit  das  Paraquadratum 
vom  Quadratknorpel  trennt.  Er  wird  von  Osaw^a  (1902)  bei  Crypobranchus  als 
Tympanicum  beschrieben.  Seine  Aehnlichkeit  mit  dem  Quadratomaxillare  der  Anuren 
veranlaßt  mich,  ihm  den  gleichen  Namen  zu  geben;  eine  spezielle  Begründung  der 
Homologie  bleibt  freilich  noch  Desiderat.  Von  dem  genannten  Knochen  der  Anuren 
unterscheidet  er  sich  vor  allem  dadurch,  daß  er  nicht  nach  vorn  bis  zum  Maxillare 
reicht.  Es  ist  mir  aber  nicht  unwahrscheinlich,  daß  zwischen  ihm  und  dem  vorderen 
Fortsatz  des  Os  quadratum,  den  Riese  bei  Tylototriton  verrucosus  beschreibt,  eine 
Beziehung  besteht.  Dies  sowie  eine  etwaige  Beziehung  zu  dem  Proc.  jugalis  des 
Quadratums  der  Apoden  bleibt  festzustellen. 

ß)  D  e c k k n  0 c h e  11  am  M  u  n d h ö h  1  e n  cl a c h e.  Die  Topographie 
dieser  Knochen  verlangt  eine  andere  Gruppierung  als  die  oben  (p.  711) 
gegebene.  Es  findet  sich  zunächst  ein  ausgedehnter  unpaarer  Knochen 
an  der  Schädelbasis,  das  Parasphenoid;  ferner  noch  jederseits  2 
Knochenbogen,  deren  Elemente  wenigstens  zum  Teil  Zähne  tragen : 
der  äußere  (Oberkiefer-)Bogen,  der  den  Mundrand  begrenzt  und  aus 
dem  Praemaxillare  und  dem  Maxillare  besteht,  sowie  der  innere 
(Gaumen-)Bogen,  der  in  seiner  primitivsten  Anordnung  dem  äußeren 
Bogen  parallel  verläuft  und  sich  aus  dem  V  o  m  e  r ,  P  a  1  a  t  i  n  u  m  und 
Pterygoid  zusammensetzt.  Diese  Stücke  erleiden  vielfache  Lage- 
veränderungen, die  systematisch  verwertet  werden  (lechriodonte,  meko- 
donte  Salamandriden). 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  715 

ParaspheDoid,  Gehört  mit  zu  den  am  spätesten  auftretenden  Knochen  (bei 
Siredon,  Salamandra,  Triton).  O.  Hertwig  beobachtete  es  zu  der  Zeit,  wo  das 
Maxillare  sich  bildet,  als  eine  dünne,  gitterförmig  durchbrochene  Lamelle  von  ovaler 
Gestalt,  die  fast  den  ganzen  Zwischenraum  an  der  Schädelbasis  zwischen  Vomer, 
Palatinum  und  Pterygoid  bedeckte.  Es  entsteht  bei  den  genannten  Formen  als  selb- 
ständige Schleimhautossifikation,  ohne  jede  Beziehung  zu  Zähnen.  Der  Knochen 
schließt  die  basikraniale  vordere  Fontanelle  von  unten,  liegt  mit  seinen  Seitenrändern 
unter  den  Seitenwänden  der  Orbito-temporalregion,  mit  seinem  hinteren  Teil  unter 
der  knorpeligen  Basalplatte,  mit  dem  vorderen  unter  der  Interuasalplatte.  Der  hin- 
tere Teil  tritt  anfangs  in  Beziehung  zur  Chorda  dorsalis,  indem  er  den  ventralen 
und  lateralen  Umfang  derselben  umwächst.  — 

Ein  Zahnbesatz  des  Parasphenoids  findet  sich  bei  einer  ganzen  Reihe  von 
lechriodonten  Salamandriden,  z.  B.  Plethodon,  Spelerpes,  Desmognathus  u.  a.  WlE- 
DERSHEIM  (1875,  1877)  stellte  fest,  daß  bei  Spelerpes  die  Sphenoidalzähne  einer  be- 
sonderen, durch  Konkrescenz  der  Zahnsockel  entstandenen  Platte  aufsitzen,  die  mit 
dem  eigentlichen  Parasphenoid  nur  lose  verbunden  ist.  Es  kommt  somit  auch  bei 
Spelerpes  das  eigentliche  Parasphenoid  ontogenetisch  ohne  Beteiligung  von  Zähnen 
zur  Ausbildung,  und  die  subsphenoidale,  das  ganze  Leben  persistierende  Zahnplatte 
ist  eine  sekundäre  Bildung.  Bei  jungen  Tieren  von  Spelerpes  ist  die  Platte  einheit- 
lich, bei  älteren  wird  sie  durch  Resorptionsprozesse  von  vorne  her  in  der  Mittellinie 
in  2  Hälften  zerlegt  (Wiedersheim  1875). 

Praem axillare.  0.  Hertwig  unterscheidet  am  Praemaxillare  (Siredon,  Sa- 
lamandra, Triton)  3  genetisch  verschiedene  Teile.  Die  Proc.  praenasalis  ist  der 
zuerst  gebildete  Teil,  eine  Integumentossifikation,  die  im  Corium  an  der  Gesichtsfläche 
des  Schädels  entsteht  und  sich  unten  vor  das  vordere  Ende  des  Trabekelhornes  legt. 
Die  Pars  palatina  entsteht  durch  Verschmelzung  der  Basalplättchen  von  embryo- 
nalen, in  mehreren  Reihen  stehenden  Zähnen,  und  ist  somit  eine  Schleimhautossi- 
fikation. Anfangs  stehen  die  Zähne  einreihig,  später  fügen  sich  neue  ein  (vom  inneren 
Rande  aus,  wo  die  Zahnleiste  liegt)  und  die  Stellung  wird  zweireihig,  schließlich 
wird  sie  wieder  einreihig.  Der  Proc.  dentalis,  der  die  Zähne  trägt,  ist  zurück- 
zuführen auf  eine  Ansammlung  und  Verschmelzung  nicht  resorbierter  Zahnteile, 
Beim  Zahnwechsel  wird  der  Zahn  unvollkommen  resorbiert,  lamellenartige  Teile  des 
Sockels  bleiben  zurück  und  bilden  allmählich  den  Proc.  dentalis.  Dabei  geht  die 
mehrreihige  Zahnstellung  in  die  einreihige  über.  —  Das  Praemaxillare  tritt  erheblich 
früher  auf  als  das  Maxillare,  wenn  das  Nasenskelett  sich  noch  auf  dem  Zustande 
des  ersten  Gerüstes  befindet;  bei  frisch  ausgeschlüpften  Axolotl-  und  Tritonlarven 
ist  seine  erste  Anlage  in  Form  von  2  kleinen  Zähnchen  bemerkbar,  die  noch  lose  in 
der  Schleimhaut  am  Eingang  der  Mundhöhle  stecken.  Bei  den  Tritonen  verschmel- 
zen beide  getrennt  entstandenen  Praemaxillaria  zu  einem  einheitlichen  Knochen. 

Maxillare.  Das  Maxillare  hat  eine  ganz  ähnliche  Entstehung  wie  das  Prae- 
maxillare (O.  Hertwig).  Zunächst  entsteht  die  Pars  facialis  als  Integument- 
ossifikation an  der  Gesichtsfläche  des  Schädels  (am  ventral-lateralen  Umfang  der 
Nasenkapsel);  dazu  kommen  die  Pars  palatina  als  Verschmelzungsprodukt  der 
Basalplatten  von  embryonalen,  anfangs  in  einer,  dann  in  mehreren  Reihen 
stehenden  Zähnen,  und  schließlich  der  Proc.  dentalis  als  Bildung  der  beim  Zahn- 
wechsel nicht  resorbierten  Teile  der  Zahnsockel.  Bei  seiner  Entstehung  geht  die 
mehrreihige  Zahnstellung  in  die  einreihige  über.  Das  Maxillare  tritt  viel  später  auf 
als  das  Praemaxillare ;  bei  frisch  ausgeschlüpften  Larven  (Siredon  und  Triton)  ist 
noch  nichts  von  ihm  vorhanden.  Erst  wenn  das  Praemaxillare  schon  eine  beträcht- 
liche Größe  erreicht  hat  (Siredon  von  2  cm  Länge)  beginnt  das  Maxillare  zu  ent- 
stehen.   Bei  Necturus,  Proteus,  Siren  fehlt  das  Maxillare  (Wiedersheim).  — 

"Vomer.  Ist,  wie  das  Palatinum  und  das  Operculare,  ein  richtiger  Zahn- 
knochen,  d.  h.  er  entsteht  durch  Verschmelzung  der  Basalplättchen  einer  Anzahl 
von  Zähnen  (O.  Hertwig).  Bei  Embryonen  kurz  vor  dem  Auskriechen  (Siredon, 
Triton,  Salamandra)  fand  Hertwig  an  Stelle  des  späteren  Vomer  unter  dem 
Schädelbalken  erst  einen  jungen  Zahn ;  bei  frisch  ausgeschlüpften  Larven  liegt  vorn 
unter  dem  vorderen  Abschnitt  der  Trabekel  ein  sehr  kleines  Knochen  blättchen 
mit  einem  Zahn ;  es  wächst,  indem  sich  ihm  innen  (von  der  Zahnleiste  aus)  suc- 
cessive  neue  Zähne  anfügen.  Zu  bestimmter  Zeit  stellt  somit  der  Vomer  eine 
Knochenplatte  dar,  die  über  und  über  mit  Zähnen  besetzt  ist.  Dieser  Zustand  (der 
bei  Siren  lacertina  zeitlebens  erhalten  bleibt)  ändert  sich  bei  den  Salamandriden  im 
Laufe  der  weiteren  Entwickelung:  die  vielreihige  Zahnstellung  wird  in  eine  zwei- 
reihige (ältere  Siredonexemplare),  oder  einreihige  (ausgebildete  Salamandriden)  redu- 
ziert. Dies  geschieht  in  der  Weise,  daß  Zähne,  die  bereits  gebildet  waren,  durch 
Osteoclasten  wieder  zerstört  werden,  während  die  Knochenplatte,  der  sie  aufsaßen, 
erhalten    bleibt.     Diese   Knochenplatte   kann   in  der   Folge   aber   auch   selbständig 


716  E.  Gaupp, 

wachsen  und  sich  in  eigener  Richtung  fortentwickeln ,  indem  sie  angrenzendes 
Schleimhautgewebe  in  den  Verknöcherungsprozeß  hineinbezieht.  Bei  den  Tritonen 
verschmilzt  der  Vomer  mit  dem  Palatinum  zu  einem  Vomeropalatinum.  Dasselbe 
ist  wahrscheinlich  auch  bei  vielen  anderen  Urodelen  der  Fall  (s.  Palatinum). 

Palatinum  und  Pterygoideum.  Bei  Embryonen  von  Siredon,  Salaman- 
dra,  Triton  kurz  vor  dem  Ausschlüpfen  fand  Hertwig  an  der  Stelle  des  späteren 
Palatinum  (unter  dem  vorderen  Abschnitt  der  Trabecula  dicht  hinter  dem  Vomer) 
zwei  mit  ihren  Basen  verschmolzene  Zähuchen.  Jung  ausgeschlüpfte  Larven  besitzen 
bereits  ein  Knochenplättcheu,  das  vorn  2  Zähnchen  trägt,  während  es  hinten  zahn- 
los ist.  Die  vordere  zahntragende  Hälfte  stellt  die  Anlage  des  Palatinums  dar, 
die  hintere  zahnlose  die  des  Pterygoids.  Palatinum  und  Pterygoid 
hängen  somit  ursprünglich  zusammen,  und  dieser  Zusammenhang 
erhält  sich  auch  noch  bei  älteren  Larven. 

Der  vordere  Abschnitt,  der  das  Palatinum  repräsentiert,  entsteht  nach  dem 
Gesagten  als  richtiger  Zahnknochen  (wie  der  Vomer)  aus  einer  Verwachsung  von 
Zähnen  und  wächst  durch  Anfügung  neuer  Zähne  am  inneren  Rande.  Wie  die 
anderen  Zahnknochen  (Vomer,  Operculare)  ist  somit  auch  das  Palatinum  eine  Zeit 
lang  ein  Knochen,  der  von  vielen  Reihen  von  Zähnen  besetzt  ist.  Durch  Resorption 
wird  dieser  Zustand  bei  älteren  Exemplaren  von  Siredon  in  den  zweireihigen,  bei 
Salamandra  (sehr  spät)  und  Triton  in  den  einreihigen  übergeführt.  Zugleich  damit 
entsteht  der  Proc.  dentalis,  wie  beim  Praemaxillare  (s.  dieses).  Der  vielreihige 
Zustand,  der  somit  als  der  primitivere  aufzufassen  ist,  erhält  sich  dauernd  bei  Siren 
lacertina. 

Der  hintere  Abschnitt,  das  Pterygoid,  entsteht  und  wächst  ohne  Beteiligung 
von  Zähnen  durch  Ossifikation  des  Schleimhautgewebes.  Es  trägt  bei  den  Amphi- 
bien überhaupt  niemals  Zähne.)  Seine  Loslösung  vom  Palatinum  (durch  resorptive 
Tätigkeit  von  Osteoclasten)  erfolgt  bei  Siredon  (ältere  Tiere),  Salamandra  (ca.  6,2 — 
6,5  cm  lange  Larven),  Triton  (ca.  4  cm  lange  Larve  von  T.  cristatus). 

Bei  Siredon  behält  das  Pterygoid  auch  nach  der  Loslösuug  vom  Palatinum 
seine  ursprüngliche  Lage,  d.  h.  es  bleibt  dem  Palatinum  angeschlossen  und  bildet  mit 
diesem  und  dem  Vomer  einen  knöchernen  Bogen,  der  innen  vom  Kieferrand  und 
diesem  parallel  verläuft.  Das  Pterygoid  lagert  sich  an  die  Ventralfläche  des  Proc. 
pterygoideus  des  Palatoquadratums  (der  aber  erst  später  entsteht  als  der  Knochen!). 

Bei  Salamandra  und  Triton  erfolgen  nach  der  Trennung  der  Knochen 
Lageveränderungen.  Das  Palatinum  rückt  nach  seiner  Loslösung  weiter  nach  der 
Mittellinie  zu  und  dehnt  sich  hier  nach  hinten  weiter  aus.  Bei  Triton  verschmilzt 
es  mit  dem  Vomer  zum  Vomeropalatinum.  Das  Pterygoid  erleidet  eine 
Lageveränderung,  die  mit  der  Stellungsänderung  des  Palatoquadratums  in  Zusammen- 
hang steht.  In  dem  Maße,  als  das  Unterkiefergelenk  nach  rückwärts  wandert,  ändert 
auch  das  Pterygoid  seine  Stellung,  indem  es  mit  seiner  vorderen  Spitze  seitwärts  rückt. 

Der  Ontogenese  zufolge  ist  (nach  O.  Hertwig)  das  Vorhandensein  eines  ein- 
heitlichen Pterygopal  atin  ums  als  der  primitive  Zustand  —  für  die  Amphibien 
überhaupt  —  aufzufassen;  dieser  Zustand  hält  sich  zeitlebens  bei  manchen  Pha- 
nerobranchiaten  (Necturus,  Proteus).  Bei  Siren  fehlt  das  Pterygoid;  ebenso 
(WiEDERSHElM)  bei  allen  mit  Sphenoidalzähnen  begabten  lechriodonten  Salaman- 
driden.  Bei  den  Derotremen  ist  nach  Hertwig  das  Palatinum  rückgebildet  und 
fehlt ;  andere  Autoren  (z.  B.  Wiedersheim)  lassen  es  auch  hier  mit  dem  Vomer  ver- 
schmolzen sein.     Ontogenetische  Befunde  fehlen. 

Unsicher  ist  auch  die  Deutung  der  Zustände  bei  den  lechriodonten  Salaman- 
driden.  Während  O.  Hertwig  für  Plethodon  em  Fehlen  des  Palatinums  annimmt, 
läßt  Wiedersheim  diesen  Knochen  mit  dem  Vomer  (wie  bei  Derotremen)  verschmolzen 
sein.  Auch  hierüber  fehlen  genaue  Angaben,  wie  denn  auch  die  Umwandlung  des 
primitiven  Pterygopalatinbogens  von  Siredon  in  den  von  Amblystoma  noch  nicht 
bekannt  ist. 

Was  die  Anordnung  der  drei  Knochen  des  Gaumenbogens,  Vomer, 
Palatinum  und  Pterygoid,  anlangt,  so  hält  O.  Hertwig  den  Zustand,  den  Siredon 
sowie  Salamandra-  und  Tritonlarven  zeigen,  und  wobei  die  3  Knochen  einen  inneren, 
dem  Oberkieferrande  parallelen  Bogen  bilden,  für  den  primitiven,  von  dem  sowohl 
der  mecodonte  wie  der  lechriodonte  Zustande  der  erwachsenen  Salamandriden  abge- 
leitet werden  muß.  Gegenüber  den  Zuständen  bei  Fischen  ist  hervorhebenswert, 
daß  nur  noch  das  Pterygoid  in  ein  appositionelles  Verhältnis  zu  einem  Teile  des 
Palatoquadratums  (dem  Proc.  pterygoideus)  tritt,  während  Vomer  und  Palatinum  in 
verschiedener  Weise  topograjjhische  Beziehungen  zum  Nasenskelett  gewinnen. 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  717 

Knochen  des  Unterkiefers. 

Im  Bereiche  des  Unterkiefers  können  jederseits  zur  Ausbildung 
kommen :  2  Ersatzknochen  und  3  Deckknochen.  Die  2  Ersatzknochen 
sind  das  Articulare  und  das  Mento mandibulare,  Verknöche- 
rungen des  proximalen  und  distalen  Endes  des  MECKEL'scheu  Knorpels ; 
die  3  Deckknochen  sind :  Dentale,  Operculare,  Angulare.  Das 
Operculare  fehlt  häufig;  das  Angulare  kann  mit  dem  Articulare  ver- 
schmelzen. 

Die  speciellen  Vorgänge  bei  der  Bildung  des  Articulare  und  des  Mentomandi- 
bulare  wurden  bisher  nicht  verfolgt.  Letzteres,  das  Mentomandibulare,  beschreibt 
Parker  von  Proteus,  auch  Hertwig  erwähnt  seines  Vorkommens;  bei  Triton 
taeniatus  habe  ich  es  nicht  feststellen  können. 

Von  den  Deckknochen  des  Unterkiefers  besitzen  das  Dentale  und  das 
Operculare  Beziehungen  zu  Zähnen  und  bilden  2  Zahnbogen,  die  dem  äußeren 
und  dem  inneren  Zahnbogen  am  Mundhöhlendache  entsprechen.  Ihnen  gesellt  sich 
das  Angulare  hinzu,  das  zu  Zahnbildungen  keine  Beziehung  besitzt. 

Dentale.  Gleicht  in  seiner  Entwickelung  nach  0.  Hertwig  wesentlich  dem 
Prämaxillare  und  Maxillare.  Es  entsteht  aus  mehreren  genetisch  verschiedenen 
Teilen.  Der  zuerst  gebildete  Teil  ist  eine  Integunientossifikation  und  liegt  im  Corium 
an  der  Gesichtsfläche  des  Schädels.  Dazu  kommt  später  ein  zweiter  Teil,  der  aus 
der  Verschmelzung  der  Basal  plättchen  von  Zähnen  entsteht  und  somit  eine  Ossifi- 
kation der  Schleimhaut  darstellt.  Anfangs  ist  die  Zahnreihe  einfach,  später  wird  sie 
durch  Einfügung  neuer  Zähnchen  (von  der  innen  gelegenen  Zahnleiste  aus)  doppelt, 
um  schließlich  wieder  in  den  einreihigen  Zustand  (durch  Resorption)  überzugehen. 
Die  im  Corium  entstehende  Lamelle  ist  bei  Embryonen  schon  kurze  Zeit  vor  dem 
Verlassen  der  Eihüllen  als  zarter  Knochenstreifen  an  der  Außenseite  des  Meckel- 
schen  Knorjaels  nachzuweisen.  Die  Zähne  entwickeln  sich  bei  frisch  ausgeschlüpften 
Larven. 

Operculare.  Entsteht  durch  Verschmelzung  von  Zähnchen.  Bei  jung  aus- 
geschlüpften Axolotl-  und  Tritonlarven  wird  es  repräsentiert  durch  3  Zähnchen,  die 
mit  ihren  Basen  einem  Knochen  blättchen  aufsitzen  und  durch  dasselbe  zusammen- 
hängen. Es  liegt  an  der  Innenseite  des  MECKEL'schen  Knorpels.  Sein  Wachstum 
erfolgt  in  der  Weise,  daß  sich  ihm  successive  ein  Zahn  nach  dem  anderen  anfügt, 
und  zwar  an  der  inneren  Seite  von  der  Zahnleiste  aus.  So  entsteht  ein  Knochen 
mit  zahlreichen,  vielreihig  stehenden  Zähnen,  wie  er  bei  Siren  lacert.  dauernd  bleibt. 
Schon  frühzeitig  machen  sich  Resorptionsvorgänge  vom  äußeren  Rande  her  bemerk- 
bar. Knochen-  und  Zahngewebe  werden  aufgelöst  und  die  Zahl  der  Zähne  dadurch 
reduziert.  Bei  Siredon  wird  auf  diesem  Wege  die  vielreihige  Zahnstellung  in  eine 
zweireihige  reduziert,  bei  Salamandra  und  Triton  kommt  es  sogar  bis  zu  einer  völ- 
ligen Auflösung  der  Zähne  und  des  ganzen  Operculare.  Die  Zahnleiste  bildet  sich 
zurück  (O.  Hertwig). 

Angulare.  Entsteht  ohne  Beteiligung  von  Zähnen  als  ein  anfangs  (bei  frisch 
ausgeschlüpften  Axolotln  und  Tritonlarven)  gitterförmig  durchbrochener  Knochen- 
streifen an  der  unteren  und  inneren  Seite  des  proximalen  Endes  des  MECKEL'schen 
Knorpels.     0.  Hertwig  zählt  es  zu  den  Integumentossifikationen. 

Knochen  des  Hyobranchialskelettes. 

Die  Knochen  des  Hyobranchialskelettes  sind  in  der  Hauptsache 
Ersatzknochen,  deren  Bildung  mit  dem  Auftreten  cirkulärer  peri- 
chondraler  Knochenscheiden  an  den  Teilen  des  Knorpelskelettes  an- 
fängt. Bei  Amphiuma  entsteht  ein  richtiger  Deckknochen  am  medialen 
Umfange  des  Keratohyale  (Hay). 

LTeber  die  sehr  wechselnde  Ausdehnung  der  Ossifikation  bei  den  einzelnen  Uro- 
delen  s.  die  Schilderungen  und  Abbildungen  bei  J.  G.  Fischer,  Wiedersheim, 
Parker,  Drüner.  Die  Verknöcherungen  bei  Triton  taeniatus  sind  in  Fig.  358  an- 
gegeben; es  bleiben  hier  knorpelig:  das  vordere  und  hintere  Ende  der  Copula,  der 
Bügelknorpel,  der  vordere  breitere  Abschnitt  sowie  die  hintere  Spitze  des  Cornu 
hyale,  die  proximalen  und  die  distalen  Enden  des  Hyi^obranchiale  I  und  des  Kerato- 
branchiale  I,  endlich  das  ganze  Hypobranchiale  IL  Die  übrigen  Teile  verknöchern. 
Bei  vielen  Salamandriden  (aber  nicht  bei  Triton)  geht  aus  dem  abgeschnürten 
gegabelten  Ende  des  Copulastieles  das  üs  thyreoideum  oder  Os  triquetrum  hervor. 
Der  Deckknochen  am  Keratohyale  von  Amphiuma,  von  dessen  Existenz  ich  mich  an 


718  E.  Gaupp, 

einer  Serie  von  Herrn  Prof.  Norris  überzeugt  habe,  mag  den  Namen  Parahyale 
erhalten;  von  Interesse  wäre  die  Frage,  ob  zwischen  ihm  und  der  i^erichondralen 
Knochenhülse,  die  bei  anderen  Urodelen  die  partielle  Verknöcherung  der  Keratohyale 
einleitet,  eine  Beziehung  besteht. 

Anuren. 

Die  Vorgänge  der  Schädelentwickelung  bei  den  Anuren  sind 
schon  vielfach  untersucht  worden  ;  zu  Grunde  gelegt  wurden  meist  die 
Verhältnisse  bei  Rana  fusca.  Besonders  gut  ist  die  Entwickelung  des 
Knorpelschädels  bekannt,  während  über  die  Entwickelung  der  Knochen 
noch  manche  Punkte  der  Feststellung  harren. 

Die  wichtigsten  Arbeiten  über  das  Anurencranium,  seine  Entstehung  und  Um- 
wandlung, stammen  von  Duges  (1834),  Martin  St.  Ange  (1831),  Reichert  (1838), 
W.  K.  Parker  (1871,  1876,  1877,  1881),  Goette  (1875),  Stöhr  (1881),  Gaupp 
(1893  u.  1893*),  Spemann  (1898).  Von  den  Arbeiten  vor  Duges  ist  hauptsächlich 
von  Wert  die  Monographie  Eathke's  über  den  Zungenbeinapparat,  in  der  der 
Zungenbein-  und  Kiemenapparat,  aber  auch  andere  Teile,  wie  die  Ohrcolumella,  in 
ihrer  Genese  verfolgt  werden.  Für  die  Bildung  der  Nasenkapsel  ist  grundlegend  die 
Arbeit  von  Born  (1877).  In  der  nachfolgenden  Darstellung  schließe  ich  mich  haupt- 
sächlich an  Spemann,  Stöhr  und  meine  eigene  Darstellung  an. 

Wie  bei  den  Urodelen,  so  ist  auch  bei  den  Anuren  der  zuerst 
zur  Ausbildung  kommende  Zustand  des  Kopfskelettes  ein  den  Be- 
dürfnissen des  Larvenlebens  angepaßter.  Die  speciellen  hierdurch 
bedingten  Einrichtungen  sind  sogar  bei  den  Anuren  noch  weiter- 
gehend, als  bei  den  Urodelen,  so  daß  auch  der  Vorgang  der  Meta- 
morphose mit  viel  ausgedehnteren  Zerstörungs-  und  Umbildungs- 
prozessen verknüpft  ist,  als  bei  jenen. 

Während  der  ganzen  Larvenperiode  bildet  in  erster  Linie  das 
knorpelige  Primordialcranium  die  festen  Skelettteile  des  Kopfes. 
Es  kommt  in  größerem  Umfange  zur  Ausbildung  als  bei  den  Urodelen. 
Die  Entwickelung  der  Knochen  erfolgt,  im  Gegensatz  zu  den  Uro- 
delen, verhältnismäßig  spät;  die  Knochen  erlangen  auch  nicht  in  dem 
Maße  wie  bei  vielen  Urodelen  das  Uebergewicht  über  den  Knorpel- 
schädel :  auch  im  ausgebildeten  Zustande  des  Schädels  bleibt  das 
Knorpelcranium  in  größerem  Umfange  erhalten  und  besitzt  eine  sehr 
wesentliche  Bedeutung. 

L  Primordialcranium. 

Die  einzelnen  Bezirke  des  Primordialcraniums  werden  successive 
sichtbar.  Die  meisten  von  ihnen  sind  dabei  schon  vor  der  knorpeligen 
Differenzierung  erkennbar  und  abgrenzbar  durch  eine  bestimmte 
dichtere  Gruppierung  der  Zellen ;  bei  einigen  jedoch  (mesotisches  Ge- 
webe) erfolgt  die  Verknorpelung  unvermittelt,  ohne  daß  eine  solche 
Verdichtung  vorherging. 

Stöhr  unterscheidet:  1)  allererste  Anlage,  charakterisiert  a)  durch  dicht 
stehende  Zellen,  die  einen  runden  Kern  und  wenig  Protoplasma  haben,  b)  durch  die 
relative  Armut  an  Dotterplättchen.  —  2)  Weiter  entwickelte  Anlagen  („An- 
lagen" kurzweg),  charakterisiert  a)  durch  eine  dichtere  Gruppierung  der  Kerne  in 
kontinuierlichem  Protoplasma,  b)  durch  Färbung  des  ganzen  Gewebszuges  (nach  An- 
wendung;von  Knorpelfärbungsmitteln,  wie  Bismarckbraun),  c)  durch  die  relative  Armut 
an  Dotterplättchen.  —  3)  Knorpel.  —  Das  Gewebe,  das  Stöhr  als  „weiter  ent- 
wickelte Anlage"  bezeichnet,  entspricht  dem  Vorknorpel  anderer  Autoren. 

Die  ersten  Skelettanlagen  im  Bereiche  des  Kopfes  treten  bei 
Rana  fusca,  wie  überall,  relativ  spät  auf:  bei  Larven  von  ca.  5  mm 
Länge  (Spemann),  d.  h,  auf  einem  Stadium,  das  im  übrigen  dadurch 
charakterisiert  ist,  daß  die  äußeren  Kiemen  hervorzusprossen  beginnen 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  719 

und  5  Schlundfalten  (als   kompakte   Falten)  vorhanden   sind.     In   der 

Umgebung    dieser   Falten    und    des   Mundes    zeigen    sich    die    ersten 

Skelettanlagen,      Zuerst    sichtbar    werden    die    Anlagen    des    1.    und 

2.   Visceralbogens,    sowie    die    des    sog.   Supr  aro  strale.      In    der 

Schilderung  stelle  ich  trotzdem  auch  hier  das  neurale  Cranium  voran. 

Wie  schon  erwähnt,  ist  der  erste  Zustand  des  Kopfskelettes  den  Bedürfnissen 
des  Larvenlebens  angepaßt.  Dies  gilt  in  erster  Linie,  außer  von  dem  schon  genannten 
Suprarostral  e,  von  den  Visceralbogen,  die  denn  auch  bei  der  Metamorphose 
viel  ausgedehnteren  Zerstörungs-  und  Umbildungsprozessen  unterworfen  werden. 
Doch  bleibt  auch  das  neurale  Cranium  davon  nicht  unbeeinflußt.  Namentlich 
die  Ausbildung  der  Skelettteile  der  Ethraoidalregion  findet  erst  zur  Zeit  der  Meta- 
morphose ihre  Vollendung,  imd  Neubildungsprozesse  setzen  gerade  in  dieser  Region 
zur  Zeit  der  Metamorphose  mit  besonderer  Intensität  wieder  ein.  Zerstörung,  Um- 
bildung und  Neubildung  sind  die  Vorgänge,  die  bei  der  Metamorphose  sich  im  Be- 
reiche des  Knorpelcraniums  abspielen,  und  die  Ausdehnung,  die  die  beiden  erst- 
genannten erreichen,  lassen  die  früher  besprochene  Bedeutung  des  Knorpelschädels 
als  einer  provisorischen  Bildung  ganz  besonders  deutlich  hervortreten. 

A.  Neurales  Crauium. 

Erstes  Gerüst.  Im  Gebiete  des  neuralen  Craniums  geht,  wie 
bei  den  Urodelen,  die  Entwickelung  des  prächordalen  Abschnittes 
der  des  chordalen  Abschnittes  voraus.  Zuerst  (Rana  fusca  von  7  mm 
Länge)  erscheinen  die  Anlagen  der  Trabecu lae  baseos  cranii, 
als  2  Streifen  dichtgedrängter  Zellen  mit  rundlichen  Kernen,  wenig 
Protoplasma  und  sehr  geringer  Menge  von  Dotterplättchen,  die  seit- 
lich unter  dem  Gehirn  in  der  Orbito-temporalregion  gelagert  sind. 
Ihr  Zellmaterial  soll  nach  Lundborg  von  einer  Proliferation  des  ekto- 
dermalen  Epithels  am  Dache  der  Mundhöhle  stammen.  Das  Vorderende 
eines  jeden  Streifens  biegt  als  T  rab  ekel  hör  n  um  das  Riechsäckchen 
nach  unten  und  außen  um  und  tritt  mit  der  Anlage  des  Suprarostrale 
in  Verbindung,  die  aber  in  der  Differenzierung  bereits  etwas  weiter 
vorgeschritten  ist  (s.  Visceralskelett). 

Von  vorn  nach  hinten  deutlich  werdend  erreichen  die  Trabekel- 
anlagen anfangs  die  Chordaspitze  nicht,  so  daß,  wenn  sie  selbst  schon 
erkennbar  sind,  die  Chorda  noch  von  indifferentem  Gewebe  umgeben 
wird.  In  der  Folge  schreitet  aber  die  Gewebsverdichtung  der  Trabekel 
nach  hinten  vor  und  erreicht  den  seitlichen  Umfang  der  Chorda,  etwas 
hinter  der  Spitze  derselben.  Diese  parachordale,  mit  dem  Balken  zu- 
sammenhängende Masse  bildet  die  erste  Anlage  der  Balken  platte 
(Stöhr),  d.  h.  des  vordersten  Abschnittes  der  chordalen  Schädelbasis. 
Die  Richtung  der  Trabekel  setzt  die  Richtung  der  Chorda  dorsalis 
ziemlich  genau  fort,  es  besteht  also  auch  embryonal  keine  nennens- 
werte Winkelstellung  zwischen  den  Trabekeln  und  der  Chorda  — 
entsprechend  dem  Mangel  einer  Kopfbeuge  (Sewertzoff  1897.)  — 
Bald  erlangt  nun  auch  das  anfangs  ganz  fortsatzlose  Palatoquadratum 
Verbindungen  mit  dem  noch  sehr  primitiven  prächordalen  Schädel- 
skelett. Es  erfolgt  zuerst  vorn,  hinter  dem  Riechsack,  eine  Verbin- 
dung zwischen  Palatoquadratum  und  Trabekel  durch  die  Commis- 
sura  quadrato-cranialis  anterior  (Gaupp),  und  später  sendet 
das  Palatoquadratum  dicht  vor  der  Ohrgegend  den  Processus 
ascendens  palatoqu  adrati  gegen  den  Balken  hin.  Der  Ver- 
knorpeln ngsprozeß  führt  zu  einer  festen  Vereinigung  der  ver- 
schiedenen Teile.  Vorn  kommt  es  zu  einer  medialen  Verbindung 
beider  ursprünglich  selbständigen  Trabeculae  durch  die  Intern asal- 
platte  (Stöhr;  vordere  Trabekularplatte,  Gaupp)  hinter  den  Riech- 


720 


E.  Gaupp, 


Säcken ,  ferner  zu  einer  festen  Verschmelzung  der  Commissura 
quadrato-cranialis  anterior  mit  dem  Schädelbalken,  hinten  zu  einer 
solchen  des  Processus  ascendens  palato-quadrati  mit  einem  sehr  früh- 
zeitig sich  bildenden  Schädelseiten  wandabschnitt  in  der  Gegend  vor  der 
Ohrblase  (Fig.  364).     Dieser  Schädelseitenwandteil  verknorpelt  in  un- 


Plan.  infernas 


fsi0 — Cornu  froh. 

Comm  qu.-cran. 
ant. 


Proc.  ascend. 


Chorda  dors. 


Fig.  364.  Primordiales  Neurocranium  und  Palatoquadratum  einer  etwa  7,5  mm 
langen  Larve  von  ßana  temporaria.  Von  oben  gesehen.  Vergr.  ca.  65mal.  (Nach 
einem  Plattenmodell  von  Ph.  Stöhr,  unter  Zugrundelegung  der  von  Fr.  ZiegLer 
hergestellten  Kopie  des  Originalmodelles.) 

mittelbarem  Anschluß  an  die  Trabecula.  Ein  zweiter  frühzeitig  auf- 
tretender Schädelseitenwandabschnitt  entsteht,  ebenfalls  in  direktem 
Anschluß  an  den  Schädelbalken,  vorn,  in  der  Gegend,  wo  die  Be- 
festigung der  Commissura  quadrato-cranialis  anterior  sich  findet. 
Zwischen  den  beiden  Trabekeln  bleibt  an  der  Schädelbasis  eine  weite 
Lücke,  die  vorn  durch  die  Internasalplatte,  hinten  durch  die  beiderseitigen 
Balkenplatten  begrenzt  wird:  die  vordere  basicraniale  Fonta- 
nelle (Fenestra  basicranialis  anterior).  In  ihrem  hintersten 
Abschnitt  liegt  die  Hypophysis  cerebri. 

Die  Differenzierung  der  Skelettteile  im  chordalen  Schädel- 
abschnitt folgt  der  im  prächordalen  nach.  In  Betracht  kommen  die 
Basalplatte  mit  dem  aufsteigenden  Teil  der  Occipital- 
r e g i 0 n ,  sowie  die  0 h r k a p s e  1.  Eine  jede  Hälfte  der  Basalp latte 
baut   sich  wie   bei  den  Urodelen  aus  3  hintereinander  gelegenen  Ab- 


Die  Ent Wickelung  des  Kopfskelettes.  721 

schnitten  auf:  der  Balkenplatte,  dem  mesotisclien  Knorpel  und  der 
Occipitalplatte.  Die  Balken  platte  bildet  sich,  wie  schon  erwähnt, 
im  Anschluß  an  das  hintere  Ende  des  Balkens,  zeigt  also  etwas  ge- 
ringere Selbständigkeit  gegenüber  dem  Balken  als  bei  den  Tritonen. 
Der  meso tische  Knorpel  entsteht  durch  Verknorpelung  des 
m esotischen  Gewebes,  einer  Gewebsmasse,  die  hinter  der  Balken- 
platte neben  der  Chorda  dorsalis  gelagert  ist  und  lateralwärts  in  das 
die  Ohrblase  umgebende  periotische  Gewebe  übergeht.  Die  Occipital- 
platte endlich,  d.  h.  der  basale  Abschnitt  der  Occipitalregion,  wird 
sehr  spät  deutlich,  zu  einer  Zeit,  wo  die  davor  befindlichen  parachor- 
dalen  Gewebsmassen  schon  verknorpelt  sind.  Sie  geht  bei  der  Ver- 
knorpelung dem  aufsteigenden  Abschnitt  der  Region  beträchtlich  voran ; 
letzterer,  der  0  ccipitalp feiler,  folgt  erst  nach  einiger  Zeit  nach. 
(In  Fig.  3(i5  ist  zwar  die  Basis,  aber  noch  nicht  der  aufsteigende  Teil 
der  Occipitalregion  verknorpelt.)  —  Balkenplatte  und  mesotischer 
Knorpel  bilden  die  Pars  otica  des  Parachor  dale ,  die  Occipital- 
platte die  Pars  occipitalis.  Im  Gegensatz  zu  den  Urodelen  liegt 
bei  den  Anuren  auch  der  mesotische  Knorpel  der  Chorda  direkt  an. 
Beide  Parachordalia  vereinigen  sich  später  an  verschiedenen  Stellen, 
teils  über,  teils  unter  der  Chorda,  und  so  entsteht  die  einheitliche 
Basalplatte. 

Das  mesotische  Gewebe  besteht  aus  spindelförmigen  oder  rundlichen  Zellen 
mit  ovalen  oder  runden  Kernen  und  verknorpelt  direkt,  ohne  vorknorpelige  Stadien 
(wie  Balken  und  Visceralskelett)  zu  durchlaufen.  Es  kommt  in  diesem  Gewebe  also 
nicht  zu  einer  dichteren  Grupjiierung  der  Elemente,  sondern  die  intercelluläre  Sub- 
stanz wird  plötzlich  in  hyaline  Knori^elmasse  umgewandelt  (Stöhr). 

Das  Occipitalskelett  läßt  bei  seiner  Entstehung  einen  metameren  Aufbau 
nicht  erkennen.  Doch  sind  von  Sewertzoff  (1895)  bei  Pelobates  fuscus  3  Soraite 
im  hinteren  Kopfgebiet  nachgewiesen,  die  alle  3,  ebenso  wie  das  1.  Rumpfsomit, 
wieder  zu  Grunde  gehen.  (Das  vorderste  rechnet  S.  schon  zur  jDrootischen  Region, 
doch  ist  das  nicht  genauer  bestimmbar.)  Nerven  kommen  für  die  Koj^fsomite  nicht 
zur  Entwickelung;  der  Nerv  des  1.  Rumpfsomites  degeneriert  mit  diesem  selbst. 
Der  Occipitalpfeiler  entsteht  auf  der  Grenze  zwischen  dem  3.  Kopf-  und  dem 
1.  Rumpf myotom.  Daß  die  Ausdehnung  des  Anurencraniums  in  kaudaler  Richtung 
die  gleiche  ist  wie  die  des  Urodelencraniums,  ist  fraglos;  es  gelten  somit  auch  für 
das  Anurencranium  die  bei  den  Urodelen  gemachten  Bemerkungen.  Occipitalnerven 
sind  bei  Anuren  bisher  nirgends  gefunden  worden. 

Als  selbständige  Anlage  der  Ohrkapsel  erscheint  zuerst  in  dem 
das  Labyrinth  umgebenden  per io tischen  Gewebe  am  lateralen 
Umfange  des  lateralen  Bogenganges  ein  Knorpelherd,  der  sich  nach 
vorn  und  hinten  ausdehnt.  So  bildet  er  eine  nach  innen  offene  Schale 
um  den  äußeren  Bogengang,  die  vorn  und  hinten  kuppeiförmig  ab- 
schließt und  sich  in  der  Nähe  beider  Kuppeln  mit  der  Basalplatte 
verbindet  (vordere  und  hintere  basicap  sulär  e  Kommissur, 
Gaupp).  Zwischen  beiden  Kommissuren,  der  Schale  am  äußeren 
Bogengang  und  dem  lateralen  Rande  der  Basalplatte  bleibt  eine  große 
Lücke  bestehen ,  die  F  e  u  e  s  t  r  a  b  a  s  i  c  a  p  s  u  1  a  r  i  s  (p  r  i  m  ä  r  e 
Fenestra  vestibuli).  Die  Basalplatte  schiebt  sich  lateralwärts  bis 
unter  das  häutige  Labyrinth  vor  und  bildet  dementsprechend  später 
einen  Teil  des  Bodens  der  Ohrkapsel  (Fig.  365). 

Den  Zustand  eines  Primordialcraniums,  das  die  bisher  geschil- 
derten Teile  ausgebildet  besitzt,  zeigt  Fig.  365. 

Weiterbildung  der  einzelnen  Regionen.  Die  haupt- 
sächlichsten weiteren  Veränderungen,  die  das  Chondrocranium  erleidet, 
sind  für  die  einzelnen  Abschnitte  recht  verschieden :  Vergrößerung  des 

Handbuch  der  Entwickelungslehre.  HI.  2.  46 


722 


E.  Gaupp, 


schon   bestehenden,   formale  Umbildung,   Neubildung   und  Zerstörung 
sind  nebeneinander  wirksam. 

Basal  platte,    Occipitalregion.      Die    Basal  platte,    die 
schon  bei  15  mm  langen  Larven  (R.  fusca)  ihre  definitive  Ausdehnung 


Jnfrarostr.- 


Suprarostr 


Drnu  frab. 


Cart.  Meck. 


Comm.(ju.-c. 
ani. 


Comm.  basi-capS'. 
ant. 

Ten  boii  -  Caps. 

Comm.  basi-caps. 
post 


Proc.  wu5C.(orb.J 


^alafo-(^uadr. 

Trabec 
Proc.  asc. 

Caps.cud. 


Pars  occip.      /-,_,. 

^      Chorda  dors. 


Fig.  365.  Primordialcranium  (ohne  Hyobranchialskelett)  einer  14  mm  langen 
Larve  von  ßana  fusca,  nach  Verschwinden  der  äußeren  Kiemen.  Dorsalansicht.  Jsach 
einem  bei  öOfacher  Vergr.  hergestellten  Plattenmodell  (kojsiert  von  F.  ZiEGLER-Frei- 
burg).     Vergr.  von  Abbildung  zu  Modell  ^  2:3;  demnach  Vergr.  etwa  35fach. 

an  der  Chorda  erlangt  hat,  verharrt  eine  Zeit  lang  auf  diesem  Zustand, 
und  dann  erst  verknorpeln  im  Anschluß  an  ihre  hinteren  Partieen  die 
Züge  verdichteten  Gewebes,  die  hinter  der  Glossopharyngeus-Vagus- 
Gruppe  jederseits  aufsteigen.  Indem  dieser  Occipitalpfeiler.  der  sich 
verjüngend  etwa  den  halben  Umfang  des  Centralnervensystems  um- 
greift, mit  der  hinteren  Ohrkapselkuppel  verschmilzt,  kommt  ein  ge- 
schlossenes Foramen  jugulare  zustande  (für  Glossopharyngeus, 
Vagus  und  einen  perilymphatischen  Gang). 

Atlanto-occipi  talverbind  ungen.  Die  vollkommene  Abgliederung 
des  Schädels  gegen  den  1.  Wirbel  vollzieht  sich  langsam,  und  der  definitive  Zustand 
ist  erst  nach  der  Metamorphose  hergestellt.  Aehnlich  wie  bei  den  Urodelen  bilden 
sich  zwei  laterale  Gelenkverbindungen  und  eine  mediane  Bandverbindung  aus.  Bei 
der  Herstellung  aller  3  Verbindungen  ist  das  Occipito-vertebralgewebe  be- 
teiligt, das  anfangs  eine  kontinuierliche  Verbindung  zwischen  dem  Atlas  und  der 
Basalplatte  herstellt  und  median  von  der  Chorda  dorsalis  auf  ihrem  Wege  vom  Atlas 
in  die  Basalplatte  durchsetzt  wird.  Die  seitlichen  Partieen  dieses  Gewebes  helfen 
die  Condyli  occipitales  und  die  Gele  nkpf  annen  des  Atlas  herstellen,  die 
mittlere  Partie  bildet,  verknorpelnd,  einen  kurzen  medianen  Höcker  des  1.  Wirbels 
(Tu bereu lum  interglenoidale),  in  dem  die  Chorda  (ohne  vorher  verknorpelt  zu 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  723 

sein)  zu  Grunde  geht.  Der  hinterste  Teil  der  Schädelchorda  wird  ventralwärts  aus 
der  ßasalplatte  verdrängt,  indem  die  beiden  Hälften  derselben  sich  über  ihm  ver- 
einigen, und  bildet  die  Grundlage  des  Ligamentum  apicis  (atlantis),  das  von 
dem  Tuberculum  interglenoidale  zur  Veutralfläche  der  Basalplatte  zieht.  Bei  Rana 
kommt  es  also  zur  Bildung  einer  medianen  epichordalen  Kommissur  der  Basal- 
platte, im  Gegensatz  zu  der  hypochordaleu  der  Tritonen. 

Schicksal  der  Chorda  dorsalis  und  der  Basalplatte.  Das  Schicksal 
der  Schädel  chor da  ist  nicht  an  allen  Abschnitten  das  gleiche.  Der  vorderste 
Teil  bildet  sich  ganz  zurück  und  geht  zu  Grunde;  ein  dahinter  gelegener  mittlerer 
Abschnitt  verknorpelt  und  geht  in  den  Aufbau  der  Basalplatte  ein.  Der  hinterste 
Teil  wird  in  bereits  geschilderter  Weise  aus  der  Basalplatte  ausgeschaltet  und  bildet 
die  Grundlage  des  Lig.  apicis,  das  vom  1.  Wirbel  zur  Schädelbasis  zieht.  In  dem 
mittleren  Teil  tritt  der  Knorpel  autochthon  auf  und  zwar  erst  nach  der  Meta- 
morphose; bei  erwachsenen  Tieren  ist  der  Teil  der  Chorda,  der  in  den  Aufbau  der 
Basalplatte  übergegangen  ist,  nicht  mehr  als  selbständige  Knorpelpartie  erkennbar. 
Die  lateralen  Teile  der  Basalplatte  werden  durch  Knochen,  das  Pleuroccipitale  unel 
Prooticum  jederseits  ersetzt;  bestehen  bleibt  nur  eine  kreuzförmige  Synchondrose : 
der  Längsschenkel  des  Kreuzes  liegt  median,  die  beiden  Hälften  des  Querschenkels 
trennen  auf  beiden  Seiten  das  Pleuroccipitale  vom  Prooticum,  können  bei  sehr  alten 
Tieren  auch  verknöchern  (bei  Rana  fusca  häufiger  als  bei  R.  esculenta).  Der  Ge- 
lenküberzug auf  den  Condyli  occipitales  bleibt  natürlich  auch  knorpelig. 

Ohrkapsel.  Die  Veränderungen  in  der  Labyrinthregion 
bis  zum  Eintritt  der  Verknöcherung  bestehen  in  der  vollkommneren 
Verknorpelung  der  Ohrkapsel,  wobei  die  anfangs  bestehenden  weiten 
Oeffnungen  eine  beträchtliche  Einengung  erfahren.  Auch  Decken- 
bildungen über  dem  der  Labyrinthregion  zufallenden  Teil  des  Cavuni 
cranii  kommen  zustande.  Von  2  Seiten  geht  die  knorpelige  Um- 
schließung des  häutigen  Labyrinths  und  des  perilymphatischen  Raum- 
systems aus:  1)  von  der  Seite  der  Chorda  (mesoti  scher  Knorpel , 
Stöhr),  2)  vom  äußeren  Umfang  des  lateralen  Bogenganges  (peri- 
otischer  Knorpel). 

Im  Anschluß  an  den  mesotischen  Knorpel  erfolgt  die  knorpelige  Umschließung 
der  medial-ventralen  Teile  des  mittleren  Labyrinthabschnittes,  während  im  Anschluß 
an  den  periotischen  Knorpel,  der  anfangs  eine  Knorpelschale  des  äußeren  Bogen- 
ganges darstellt  (Fig.  365)  die  knorpelige  Umwandung  der  lateralen  sowie  der  hinten 
und  vorne  gelegenen  Teile  des  häutigen  Labyrinthes  vor  sich  geht.  Doch  schreitet 
der  Verknorpelungsprozeß  nicht  gleichmäßig  an  allen  Stellen  vor,  sondern  ge- 
wisse Bezirke  gehen  voraus  und  bilden  dann  ihrerseits  wieder  gewissermaßen  „Centren" 
von  denen  der  Verknorpelungsprozeß  sich  weiterhin  ausbreitet.  So  verknorpelt  früh- 
zeitig eine  obere  Randleiste,  die  die  vordere  und  die  hintere  Kuppel  miteinander 
verbindet  und  am  medial-dorsalen  Umfange  des  Labyrinthes  liegt.  Von  ihr  aus  er- 
folgt dann  die  Verknorpelung  der  Decke,  sowie  eines  Teiles  der  medialen  Wand  der 
Ohrkapsel.  In  dem  Auftreten  der  verschiedenen  auf  der  Grenze  zwischen  einzelnen 
Abschnitten  gelegenen  Knorpelpartieen  glaubte  ich  (1893)  gewissermaßen  die  Tendenz 
befolgt  zu  sehen,  zunächst  die  Grundlinien  für  die  gesamte  Kapsel  anzulegen,  so 
daß  nach  Schaffung  dieses  vorläufigen  Gerüstes  die  Verknorpelung  allmählicher  er- 
folgen kann. 

Die  verschiedenen  Gebilde,  die  durch  die  Ohrkapselwände  hindurch 
treten,  werden  zuerst  in  weitem  Umkreise  vom  Knorpel  umzogen,  dann 
werden  diese  Oeffnungen  immer  mehr  eingeengt  und  eventuell  in  mehrere 
zerlegt.  Von  der  sehr  weiten  Oeffnung,  mit  der  anfangs  das  Schädel- 
cavum  in  das  Labyrinthcavum  übergeht,  wird  zunächst  ein  größerer, 
hinten  und  basal  gelagerter  Abschnitt  als  ein  großes  Foramen 
p  e  r  i  1  y  m  p  h  a  t  i  c  u  m  com  m  u  n  e  abgetrennt,  das  aus  der  Labyrinth- 
in die  Schädelhöhle  führt.  Später  erfolgt  eine  weitere  Zerlegung  dieses 
Foramens  in  zwei:  ein  vorderes  Foramen  perilymphaticum 
super  ins,  das  aus  der  Labyrinthhöhle  direkt  in  die  Schädelhöhle 
führt,  und  ein  hinteres,  das  als  Foramen  perilymphaticum 
inferius  mehr  nach  der  Gegend  des  Foramen  jugulare  hin  blickt, 
später  sogar  direkt  in  dieses  Foramen  einmündet.     Nach  Abtrennung 

46* 


724 


E.  Gaupp, 


des  F'oramen  perily  mphaticuin  commune  bleibt  noch  eine 
sehr  große  Lücke  in  der  medialen  Ohrkapsehvand,  durch  die  beide 
Acusticusäste   und    der  Ductus   endolymphaticus    treten,    und  die  erst 


Suprarostr. 


Cor  au  trab; 


ifrarosir. 

Cart.Meck. 


For.  olfacl. 


Pröc  musc. 


Forcran  pal 


Palatoguadi 
Proc.  asc. 

p.q 

Prpc.otic. 

T.q. 

Taen.  marg. 

Taeii  tecl.  med. 
Caps  audit 


For.carot 


Ted  5}  not 
For.occip.  mag. 


Fig.  366.  Primordialcranium  (ohne  das  Hyobranchialskelett)  einer  29  mm  langen 
Larve  von  Rana  fusca;  Dorsalansicht.  Nach  einem  bei  50f acher  Vergr.  hergestellten 
Plattenmodell  (kopiert  von  F.  ZiEGLER-Freiburg).  Verhältnis  von  Abbildung  zu 
Modell  =  1:3;  also  Vergr.  etwa  17fach.  Von  den  Nerven  wäre  zu  erwähnen :  der 
Trigeminus,  Abducens  und  Facialis  treten  durch  die  große  Fenestra  prootica  aus; 
der  Oculomotorius  besitzt  bereits  ein  eigenes  Foramen  in  der  Schädelseiten  wand, 
dessen  Lage  auf  der  linken  Seite  der  Figur  durch  einen  Schatten  (vor  dem  Proc. 
ascendens  Palatoquadrati)  angedeutet  ist.  Opticus  und  Trochlearis  ziehen  noch  ober- 
halb des  oberen  Trabekelrandes  hinweg  nach  außen. 

später  in  einzelne  Foramina  (For,  endoly  mphaticum ,  For. 
acusticum  an  t  er  ins,  For,  acusticum  posterius)  zerlegt 
wird.  Es  erfolgt  also  auch  bei  den  Anuren  die  Bildung  der  medialen 
Ohrkapselwand  zuletzt  (s.  p,  583  u.  664),  Im  Innern  der  Ohrkapsel 
bilden  sich  3  Septa  semicircularia  und  trennen  die  3  Bogen- 
gangsräume unvollkommen  von  dem  großen  Hauptraum  ab.  Als  späte 
Bildung  entsteht  außen  am  lateralen  Bogengang  die  Crista  paro- 
tica,  in  der  Hauptsache  als  Verdickung  der  Ohrkapselwand,  Doch 
erfährt  sie  später  durch  die  Anlagerung  des  Palatoquadratums  eine 
Verbreiterung, 

Die   verschiedenen  Knorpelbildungen 
höhle   in    der  Labyrinthregion  (Tee tum 


an    der  Decke  der  Schädel- 
synoticum,   hintere  Teile 


der  Taen  iae  marginales,  Taenia  tecti  medialis;  s,  Fig.  366) 
entstehen  durch  lokale  Verknorpelung  der  vorher  nur  häutigen  Schädel- 


decke, Die  hinteren  Teile  der  Taeniae  marginales 
hören  der  Orbito-temporalregion  an)  sind  anfangs 
Ohrkapselrändern  getrennt,  später  verschmelzen  sie 


ge- 


(die  vorderen 
von    den    oberen 
mit  denselben. 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes. 


725 


C  0 1 U  m  e  1 1  a  a  ll  r  i  S.  Von  den  beiden  Stücken,  die  den  bchallleitenden  Appa- 
rat oder  die  Coluraella  auris  der  Anuren  zusammensetzen,  nenne  ich  den  runden  DecKel 
Operculum,  das  selbständige  Stäbchen  aber  Plectrum.  Bisher  wurde  das 
Stäbchen    häufig   allein    als   Columella  bezeichnet  und   dem   Operculum   gegenüber- 


Suprarosfr 

Jnfrawstr. 


hart.  M  ecket 
Cornu  habec. 


Trabec. 


/ 


Fen.  vestibüli 


Palatoquadr 
vrcran.-pai 


Proc  ascend. 

F-q. 

Proc.  otic.  P-q. 


Hr  penlymph.  mf 

"Forperilymph.acc. 
Chorda  dors.  Forjugulare 

Fig.  367.     Dasselbe  Objekt  wie  Fig.  366;  Ventralansicht. 

gestellt,  ein  Verfahren,  das  offenbar  eine  Inkongruenz  der  Bezeichnungen  der  schall- 
leitenden Teile  bei  den  Anuren  und  den  anderen  Wirbeltieren  schuf.  Einige  Haupt- 
besonderheiten des  schallleitenden  Apparates  bei  den  Anuren  habe  ich  an  anderem 
Orte  (1899)  zusammengestellt.  Hier  sei  vor  allem  daran  erinnert,  daß  das  Oper- 
culum der  konstanteste  Teil  des  Apparates  ist,  während  das  Plectrum  fehlen  kann 
(z.  ß.  bei  Bombinator,  sowie  bei  Phryniscus  laevis  und  Phryniscus  varius,  nach 
W.  K.  Parker  1881).  Wo  das  Plectrum  vorhanden  ist,  ist  gewöhnlich  sein  proxi- 
males Ende  gelenkig  mit  dem  Operculum  verbunden ,  das  distale  Ende  in  ein 
Trommelfell  eingelassen.  Das  Trommelfell  wieder  spannt  sich  in  einem  besonderen 
knorpeligen  Anulus  tympanicus  aus,  der  genetisch  zum  Palatoquadratum  gehört 
und  daher  bei  diesem  zu  schildern  ist.  So  bei  Rana.  Bei  diesen  Formen  ist  denn 
auch  gleichzeitig  eine  Paukenhöhle  vorhanden.  Bei  den  oben  genannten  3  Formen 
(Bombinator,  Phryniscus  laevis  und  Phr.  varius)  fehlen  dagegen  mit  dem  Plectrum 
auch  Paukenhöhle,  Trommelfell  und  Anulus  tympanicus.  Weitere  Besonderheiten  s. 
an  dem  angegebenen  Orte. 

Die  Entwickelung  des  Operculums  und  des  Plectrums  ist  schon  vielfach  unter- 
sucht worden  (Hüschke  1824,  H.  Eathke  1832,  Reichert  1838,  Parker  1871, 
1876,  HuxLEY  1875,  Cope  1889,  Villy  1890,  Killia^-  1890,  Gaupp  1893).  Die 
Resultate  der  neueren  Untersucher  stimmen  in  den  wesentlichsten  Punkten  überein. 
Bei  der  nachfolgenden  Schilderung  schließe  ich  mich  meinen  eigenen  Darstellungen 
(1893,  1899)  an. 

Die  primäre  Fenestra  vestibüli  (Fen.  basicapsularis, 
s.  p.  721)  verkleinert  sich  im  Laufe  der  Entwickelung  zunächst  auf 
eine  sekundäre  Fenestra  vestibüli.  In  dem  Verschlußgewebe 
dieser  sekundären  Fenestra  treten  auf:  1)  das  Operculum,  2)  die  Pars 
interna  plectri.  —  Das  Operculum   geht   dem  Plectrum   in   der   Ent- 


726  E.  Gaupp, 

Wickelung  voraus :  es  bildet  sich  noch  mitten  während  des  Larven- 
lebens, während  das  Plectrum  erst  zur  Zeit  der  Metamorphose  auftritt 
und  selbst  nach  Beendigung  derselben  noch  keineswegs  fertig  aus- 
gebildet ist.  Das  Operculum  entsteht  durch  eine  selbständige  Ver- 
knorpelung  des  Gewebes,  das  den  größeren  hinteren  Abschnitt  der 
sekundären  Fenestra  vestibuli  schließt  (R.  fusca  von  ca.  30  mm).  In 
dem  vorderen  sichelförmigen  Abschnitt  der  sekundären  Fenestra 
vestibuli,  der  vom  Operculum  frei  gelassen  ist,  entsteht  als  zweite 
selbständige  Verknorpelung  die  Pars  interna  plectri,  die  aber  bald  in 
knorpeligen  Zusammenhang  mit  dem  unteren  Rande  der  Fenestra 
tritt.  Die  Verknorpelung  beginnt  erst  gegen  das  Ende  der  Meta- 
morphose und  folgt  dann  einem  Zuge  dichteren  Gewebes,  der  sich  bis 
zum  Palatoquadratum  erstreckt.  Durch  die  Stellungsänderung  des 
Palatoquadratums,  die  mit  einer  Zerstörung  seiner  hinteren  Abschnitte 
beginnt,  gelangt  das  distale  Ende  dieses  Gewebszuges  in  engere  Be- 
ziehungen zur  Tuba  auditiva  und  wird  von  dieser  zur  Haut  alDgelenkt, 
wo  es  dann,  aussen  vom  blinden  Tubaende,  umzogen  vom  Anulus 
tympanicus,  liegt.  Die  Verknorpelung  des  ganzen  Stranges  schreitet 
in  centrifugaler  Richtung,  d.  h.  von  der  Labyrinthkapsel  aus  gegen 
die  Peripherie  vor,  und  nur  die  Verknorpelung  des  äußersten  Teiles 
(Pars  externa  plectri)  erfolgt  mehr  selbständig  (Cope,  Gaupp).  Zwischen 
der  Pars  externa  plectri  und  dem  Teil  der  Crista  parotica,  der  gene- 
tisch zum  Palatoquadratum  gehört  (p.  736),  tritt  eine  sekundäre  Ver- 
bindung durch  den  Processus  ascendens  plectri  auf.  —  Nach  der 
Metamorphose  findet  eine  Verengerung  der  sekundären  Fenestra  vesti- 
buli auf  die  definitive  Fen.  vest.  statt,  die  nur  ungefähr  der 
hinteren  Hälfte  der  sekundären  entspricht.  Der  vordere  Abschnitt  der 
sekundären  Fenestra  wird  in  eine  Grube  verwandelt,  in  der  der  (peri- 
lymphatische) Ductus  fenestrae  vestibuli  liegt,  und  die  von  der  Pars 
interna  plectri  ebenso  bedeckt  wird,  wie  die  Fenestra  vestibuli  selbst 
vom  wahren  Operculum. 

Für  die  Auffassung  des  Gewebsstranges,  in  den  hinein  sich  das  knorpelige 
Plectrum  entwickelt,  ist  von  Bedeutung,  daß  der  N.  facialis  über  ihn  hin  wegtritt. 
HuxLEY  (1875)  homologisiert  ihn  daraufhin  Idem  Lig.  suspensorio-coluraellare  der 
Urodelen,  was  durch  die  auf  p.  696  mitgeteilten  Thatsachen  eine  Einschränkung  da- 
hin erleidet,  daß  nur  ein  Bandzug,  wie  ihn  z.  B.  Necturus  zeigt,  für  jene  Homologie 
in  Frage  kommt.  Bezüglich  der  Verlaufsänderungen,  die  der  R.  hyomandibularis 
des  N.  facialis  und  der  sich  mit  ihm  vereinigende  R.  communicans  des  N.  glosso- 
pharyngeus  erleiden,  verweise  ich  auf  meine  Arbeit  (1893).  —  Die  selbständige  Ver- 
knorpelung der  Pars  externa  plectri  wurde  von  Cope  (1888)  zuerst  beschrieben:  ich 
habe  sie  mehrfach  bestätigt  gefunden.  Die  Bedeutung  dieses  Fundes  ist  noch  nicht 
klar;  bemerkenswert  ist,  daß  auch  bei  anderen  Amphibien  etwas  ähnliches  vorzu- 
liegen scheint  (Ichthyophis  nach  Peter). 

Mit  dem  Hyale  hat  weder  das  Operculum  noch  das  Plectrum  ontogenetisch 
etwas  zu  thun :  dasselbe  befindet  sich  beim  Auftreten  beider  noch  im  vorderen  Teil 
der  Orbi  to-temporalregion  in  Verbindung  mit  dem  Palatoquadratum. 

Orbito-temporalregion.  Die  Fortbildungen,  die  das  Skelett 
der  Orbito-temporalregion  von  dem  in  Fig.  365  dargestellten  Zustande 
aus  erleidet,  sind  sehr  beträchtlicli.  Aus  dem  früh-larvalen  Verhalten, 
das  durch  das  Vorhandensein  der  beiden  dicken  basalen  Schädel- 
balken zur  Seite  einer  großen  basikranialen  Fontanelle  charakterisiert 
ist,  geht  schließlich  das  definitive  hervor,  ausgezeichnet  durch  einen 
kontinuierlichen  Boden,  hohe  kontinuierliche,  nur  von  Nervenlöchern 
durchbohrte  Seitenwände  und  selbst  einige  Deckenspangen  über  der 
Schädelhöhle. 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  727 

Der  Boden  verknorpelt  im  Anschluß  an  die  Ränder  der  basikranialen  Fonta- 
nelle, und  zwar  hauptsächlich  von  den  Seiten  (Trabekel),  aber  auch  von  vorn  (Inter- 
nasalplatte)  und  von  hinten  (ßasalplatte).  Die  Trabekel  behalten  ihre  zueinander 
parallele  Lage  bei;  es  entsteht  ein  plattbasischer  Schädel,  dessen  Boden  durch 
Verknorpelung  des  intertrabekulären  Gewebes  zu  stände  kommt.  Der  hinterste  Teil 
der  ursprüilglichen  Fontanelle,  der  die  Hypophysis  cerebri  eingelagert  enthielt,  ist 
erst  nach  der  Metamorphose  vollständig  geschlossen.  Bei  der  Verknorpelung  des 
Bodens  bleiben  2  Foramina  ausgespart:  ein  hinteres,  das  (primäre)  For amen  caro- 
ticum,  durch  das  die  A.  carotis  interna  in  den  Schädelraum  eintritt  und  ein  vorderes 
(For.  cranio-palatinum),  durch  das  ein  Ast  dieser  Arterie  aus  dem  Cavum 
cranii  heraus  an  das  Dach  der  Mundhöhle  tritt  (Fig.  366  und  367;  das  For.  caro- 
ticum  der  linken  Seite  ist  auf  dem  abgebildeten  Modell  noch  nicht  völlig  geschlossen, 
sondern  bildet  erst  eine  Incisur).  Beide  Foramina  erleiden  weiterhin  beträchtliche 
Veränderungen.  Das  Foraraen  caroticum  verschmilzt  mit  dem  über  dem  Schädel- 
balken gelagerten  Foramen  N.  oculo-motorii  (durch  das  auch  die  A.  ophthalmica 
austritt),  indem  der  trennende  Trabekelabschnitt  zu  Grunde  geht.  Dadurch  wird 
der  Abschnitt  der  Carotis  bis  zur  Abgabe  der  Ophthalmica  wieder  aus  der  Schädel- 
höhle ausgeschlossen,  so  daß  im  ausgebildeten  Zustande  die  A.  carotis  cerebralis 
durch  das  Oculomotoriusloch  in  das  Schädelcavum  tritt,  nachdem  sie  (außerhalb  der 
Schädelhöhle)  die  A.  ophthalmica  abgegeben  hat.  Manchmal  trennt  sich  später  von 
dem  Oculomotoriusforamen  noch  der  Teil,  den  die  A.  carotis  cerebralis  passiert,  ab: 
das  so  entstandene  Carotisloch  hat  aber  nichts  mit  dem  primären,  larval  vorhan- 
denen zu  tun.  Nur  dieses  letztere,  das  an  der  Schädelbasis  zur  Seite  der  Hypo- 
physis cerebri  liegt,  entspricht  dem  Foramen  caroticum,  das  bei  Saui'opsiden  und 
Säugern  die  Basis  des  Primordialcraniums  durchsetzt.  Das  Foramen  cranio- 
palatinum  verschwindet  nach  der  Metamorphose,  ebenso  wie  die  A.  cranio-palatina, 
die  früher  durch  das  Foramen  hindurchtrat. 

Die  ersten  Abschnitte  der  Seiten  wand  entstehen  auf  der  vorderen  und  hinteren 
Verbindungsstelle  des  Schädelbalkens  mit  dem  Palatoquadratum.  Die  zwischen 
diesen  beiden  Stellen  befindliche  Partie  der  Schädelwand  verknorpelt  zum  Teil  im 
Anschluß  an  den  Schädelbalken  nach  aufwärts,  zum  Teil  von  einer  oberen  Rand- 
leiste (vordere  Hälfte  der  Taenia  marginalis)  aus,  die  sich  zwischen  den  oberen 
Teilen  jener  zuerst  entstandenen  VVandstücke  bildet.  Hier  wiederholen  sich  also 
Verhältnisse,  wie  sie  sich  auch  bei  Selachiern,  Ganoiden  und  Urodelen  (Necturus) 
finden.  Der  N.  opticus,  N.  oculomotorius  und  N.  trochlearis  werden  in 
besoudere  Foramina  der  Schädelseitenwand  eingeschlossen.  (Ueber  die  späteren  Be- 
ziehungen des  primären  For.  caroticum  zum  For.  oculomotorium  s.  oben.)  Noch 
bevor  die  kontin uierhche  Schädelseitenwand  sich  gebildet  hat,  erfolgt  eine  Vereinigung 
des  hinteren  (der  Labyrinthregion  angehörigen)  Abschnittes  der  Taenia  marginalis 
mit  der  oberen  Partie  des  hinteren  Schädelseitenwandpfeilers,  wodurch  eine  große 
Fenestra  prootica  zu  stände  kommt.  Der  N.  trigeminus,  N.  facialis  und 
N.  abducens  treten  durch  dieselbe  aus  (Fig.  866).  Später  verwächst  der  laterale 
Rand  der  Taenia  marginalis  mit  dem  oberen  Ohrkapselrand  und  ebenso  der  Hinter- 
rand der  orbito-temporalen  Schädelseitenwand  mit  der  Ohrkapsel.  Dadurch  wird  die 
anfangs  weite  Fenestra  prootica  auf  ein  enges  Foramen  prooticum  ver- 
kleinert. Daß  mit  dem  Trigeminus  auch  der  Abducens  durch  dieses  For.  prooticum 
hindurchtritt,  entspricht  dem  Verhalten  bei  allen  Amphibien;  der  Anschluß  des 
Facialis  an  den  Trigeminus  ist  dagegen  eine  Besonderheit  der  Anuren  (nicht  aller). 
Er  läßt  sich  erklären  durch  die  Annahme,  daß  die  Knorpelbrücke,  die  bei  manchen 
Urodelen  (Amphiuma,  Siredon)  die  beiden  Nerven  trennt,  bei  den  Anuren  nicht  zur 
Ausbildung  gelangt. 

Die  Bildung  des  Bodens  und  der  Seitenwand  vollzieht  sich,  dem  Gesagten  zu- 
folge, in  ähnlicher  Weise  wie  die  Bildung  der  Ohrkapsel:  es  entsteht  zuerst  ein 
Gerüst,  das  in  großen  Zügen  die  definitive  Form  vorzeichnet  und  sich  aus  einzelnen 
Spangen  zusammensetzt,  welche  die  Nerven-  und  sonstigen  Oeffnungen  weit  um- 
kreisen. Erst  später  findet  eine  Einengung  dieser  Oeffnungen  von  den  Rändern 
her  statt. 

Die  Trabekel  (abgesehen  von  dem  zu  Grunde  gehenden  Stück  zwischen  For. 
caroticum  und  For.  N.  oculoraotorii)  erleiden  während  der  Ausbildung  des  Bodens  und 
der  Seitenwand  der  Orbitalregion  beträchtliche  formale  Umwandlungen.  Sie  verüeren 
in  dem  Maße  an  Mächtigkeit,  als  die  Verknorpelung  des  Gesamtcraniums  Fortschritte 
macht,  und  zwar  dadurch,  daß  sie  einer  partiellen  Resorption  unterliegen  und  auf 
diese  Weise  in  ihrer  Dicke  den  übrigen  Teilen  des  Bodens  und  der  Seitenwand  gleich 
gemacht  werden.  Darin  prägt  sich  deutlich  aus,  daß  die  Trabekel  in  der  kräftigen 
Ausbildung,  die  sie  bei  Anuren  anfangs  haben,  speziell  für  das  Larvenleben  bestimmt 
sind,   besonders   wohl,   um   das   feste  Widerlager   für   den   Kieferapparat  zu   bilden. 


728 


E.  Gaupp, 


Daß  hierin  ihre  Hauptbedeutung  liegt,  erhellt  daraus,  daß  sie  schließlich  als  be- 
sondere Elemente  verschwunden  sind,  wenn  der  Öuspensorialajjparat  seine  Befesti- 
gung von  ihnen  ganz  auf  die  Ohr-  und  Nasenkapsel  verlegt  hat.  In  dieser  Wandlung, 
die  sie  durchmachen ,  bieten  sie  ein  interessantes  Beispiel  für  die  auch  an  dem 
Trabekelhorn  und  dem  Infrarostrale  zum  Ausdruck  kommende  Erscheinung,  daß  für 
die  Larvenperiode  der  Anuren  gewisse  Teile  massiger  angelegt  werden,  als  für  das 
Bedürfnis  des  definitiven  Zustandes  nötig  ist,  und  daß  erst  in  der  Metamorphose 
die  Reduktion  auf  das  notwendige  Maß  erfolgt,  dadurch,  daß  die  definitive  Form  wie 
aus  dem  Block  erst  herausgearbeitet  wird  (Gaupp  1893,  1901). 

Eine  kontmuierliche  knorpelige  Decke  über  dem  Cavuni  cranii  kommt  in  der 
Orbito-temporalregion  nicht  zur  Ausbildung,  es  bildet  sich  nur  im  hinteren  Teil  der 
Eegion  eme  quere  Deckenspange  (Taenia  tecti  trans versalis),  die  sich  nach 
hinten  mit  der  Taenia  tecti  medialis  der  Labyrinthregion  in  Verbindung  setzt  und 
nach  vorn  hin  noch  einen  kurzen  medianen  Fortsatz  entwickelt.  Die  genannte 
Spange  entsteht  gewöhnlich  durch  gleichmäßiges  Vorschreilen  der  Verknorpelung 
von  den  oberen  Eändern  der  Seitenwände  aus  nach  innen ;  hin  und  wieder  aber 
verknorpelt  auch  die  mittlere  Partie  ganz  selbständig.  Es  handelt  sich  also 
auch  hier  (wie  auch  bei  der  Bildung  des  Bodens  und  der  Seitenwand)  um  eine  lokale 
Verknorpelung  eines  schon  vorher  vorhanden  gewesenen  Gewebes,  nicht  aber  um  ein 
wörtlich  zu  nehmendes  ,, Vorwachsen"  des  Knorpels  der  Seitenwände.  Die  Taenia 
tecti  transversalis  entspricht  der  Epiphysarspange  der  Teleostier. 

E  thmoidalregioD.  Die  Ausbildung  des  Skelettes  der  Eth- 
moidalregion,  das  bei  dem  erwachsenen  Frosch  eine  so  hohe  Ent- 
wickelung  und  Komplikation  aufweist,  vollzieht  sich  ziemlich  spät. 
Während  des  größten  Teiles  der  Larvenperiode  bestehen  in  der  Eth- 
moidalregion   nur    die   beiden    aus   der   In ter nasalplatte   heraus- 


For.olf. 
Fon  orh  nas.  I      Carl  oblieg. 


Cart.  alar. 


Flan.antorb 


Jeyl  na 5. 


~Cart.  pra  enoi. 
j      (Cart.  Wieder5heim.J 

"Cornu  trab. 


roc.  max.  anf. 


Froc.  pteryg. 


Palatoauadr. 


Fig.  368.  Anlage  des  Nasenskelettes  der  rechten  Seite  über  dem  intakten  Tra- 
bekelhorn, von  einer  37  mm  langen  Rana  fusca  gegen  Ende  der  Metamorphose 
(ganze  Länge  37  mm,  Schwanz  22  mm,  hintere  Extremitäten  kräftig).  Nach  einem 
bei  50facher  Vergr.  hergestellten  Plattenmodelle.  Verhältnis  von  Abbildung  zu  Modell 
=  1:2;  demnach  Vergr.  25fach. 


tretenden  Trabekelhörner ,  die  an  ihren  vorderen  Enden  die 
Suprarostralia  tragen  (Fig.  365,  366,  367).  Von  diesen  Teilen  gehen 
während  der  Metamorphose  die  Suprarostralia  sowie  die  vorderen 
Hälften  der  Trabekelhörner  völlig  zu  Grunde;  die  Internasalplatte 
sowie  die  hinteren  Hälften  der  Trabekelhörner  bleiben  —  wenigstens 
teilweise  —  erhalten,  nachdem  sie  vorher  in  den  Aufbau  des  Nasen- 


Die 


Entwickelung 


des  Kopfskelettes. 


729 


Skelettes  einbezogen  wurden.  Die  Bildung  des  Nasenskelettes  beginnt 
zu  einer  Zeit,  wo  die  Trabekelhörner  noch  völlig  intakt,  und  die 
Suprarostralia  noch  in  Funktion  sind,  über  den  hinteren  Teilen  der 
Trabekelhörner  (Fig.  368). 

Auch  bei  Rana  liegea  ia  jungen  Stadien  die  Nasensäcke  weit  lateral,  in  be- 
trächtlicher Entfernung  von  der  Mittelebene.  (Anfangs  liegen  sie  sogar  neben  dem 
Gehirn,  erst  später  finden  sie  sich  apicalwärts  von  demselben.)  Die  Choane  liegt 
seitlich  von  der  Interuasalplatte  vor  der  Commissura  quadr.-cran.  ant.,  die  übrigen 
Teile  liegen  im  wesentlichen  lateral  von  der  hinteren  Hälfte  des  Trabekelhornes, 
ragen  aber  über  dessen  obere  Kante  dorsalwärts  empor  (Fig.  369 — 371).  Erst  später 
dehnen  sie  sich  etwas  mehr  auf  die  Oberfläche  der  Trabekelhörner  aus.  Es  besteht 
also  anfangs  wie  bei  Urodelen  ein  Internasalraum  zwischen  den  Innenwänden  beider 
Nasensäcke. 


Zuerst  erfolgt  der  vordere  Abschluß  des  Cavum  cranii 


gegen^den 


Internasalraum  durch  eine  Präcerebralplatte,  die  zwischen  den 
beiderseitigen  Nn.  olfactoriis  entsteht  und  sich  über  diesen  Nerven 
mit  dem  vordersten  Abschnitt  der  orbitalen  Schädelseitenwand  in  Ver- 
setzt. 


bindung 


mediane     laterale 
N.  med.  nas.     Skelett-Anlage 


Lig.  quadr.- 
ethmoid. 


Fig.  369.  Querschnitt  durch  den  hinteren  Teil  der  Ethmoidalregion  einer  vor 
der  Umwandlung  stehenden  Larve  von  Rana  fusca.  Anlage  des  Nasenskelettes  über 
den  intakten  Trabekelhörnern.  "Vergr.  30mal.  (Der  Schnitt  geht  gerade  noch  durch 
den  vordersten  Rand  der  Interuasalplatte  hindurch.) 


Wie  Fig.  366  zeigt,  entsteht  dabei  zuerst  medial  von  jedem  N.  olfactorius  ein 
Pfeiler,  der  sich  einerseits  über  dem  Nerven  mit  der  orbitalen  Schädelseitenwand 
verbindet  (wodurch  das  For.  olfactorium  zu  stände  kommt)  und  andererseits 
auch  mit  seinem  Partner  eine  dorsale  Verbindung  eingeht.  So  kommt  wie  bei  Uro- 
delen (Fig.  349,  a.  jd.  694)  eine  Fenestra  praecerebralis  zu  stände,  die  aber 
alsbald,  im  Gegensatz  z.  B.  zu  Triton,  durch  Verknorpelung  des  sie  ausfüllenden 
Schleimgewebes  verschlossen  wird.     So  wird  die  Präcerebralplatte  vollständig. 

Alsdann  kommt  es  zur  Bildung  des  Planum  ant  orbitale, 
d.  h.  der  hohen  Knorpelwand,  die  die  Hinterwand  der  Nasenkapsel 
bildet  und  die  Nasenhöhle  von  der  Orbita  trennt.  An  ihrer  Bildung 
ist  die  Commissura  quadrato-cranialis  anterior  nicht  be- 
teiligt, vielmehr  entsteht  der  Knorpel  neu,  in  dem  Winkel  zwischen 
der  genannten  Kommissur  und  der  Schädelseitenwand.  Der  Knorpel, 
der  dem  Antorbitalfortsatz  der  Urodelen  entspricht,  bildet  hier 
bei  den  Anuren  das  hohe  Planum  antorbitale  fast  allein  (während 


730 


E.  Gaupp, 


dieses  bei  den  Urodelen  zum  größeren  Teil  durch  den  von  der  Decke 
aus  heral) wachsenden  Knorpel  gebildet  wird)  und  entwickelt  außen  2  Fort- 
sätze, den  Processus  m a x i  1 1  a r i s  anterior  und  den  Processus 
m axillaris  posterior,  von  dem  sich  der  letztere  gegen  das  Ende 
der  Metamorphose  mit  dem  Processus  pterygoideus  des  Quadratknorpels 
■     '''  "    '         setzt  (Fig.  372,  a.  p.  736). 


in 


Verbindung 


JV.  med.  nas. 
Gland.  nas.  med.  I  JV.  olfactor. 


Cornu  trabec. 
~  Lig.  qiiadr.-  ethm. 


Anlage  des  Septiim    Lig.  intertrah.  ivf. 
Fig.  370.    Querschnitt  wie  Fig.  369;  etwas  weiter  vorn.    Vergr.  30mal. 


Gland.  nas.  med. 


Cav.  sup. 


(  in     med. 

Cai     I  nf. 
Co)  Uli  tiabec. 


Lig.  intertrab.  inf. 
Fig.  371.     Querschnitt  wie  Fig.  369  u.  370;  noch  weiter  vorn.    Vergr.  30mal. 


Zwischen  dem  oberen  Rande  des  Planum  antorbitale  und  der  Decke  der  Nasen- 
kapsel, die  sich  mit  seinem  oberen  Rande  verbindet  (Fig. 372),  bleibt  ein  For.  orbito- 
nasale,  durch  das  der  erste  Trigeminusast  aus  der  Augen-  in  die  Nasenhöhle  tritt. 
Auch  dadurch  erweist  sich  das  Planum  antorbitale  als  eine  dem  Proc.  antorbitahs 
der  Urodelen  entsprechende  Bildung ;  sein  spätes  Auftreten  bei  den  Anuren  hängt 
wohl  mit  der  späten  Ausbildung  des  Geruchsorganes  und  mit  dem  Vorhandensein 
der  Commissura  quadrato-cranialis  anterior  zusammen. 

Das  gesamte,  vor  der  Ethmoidalplatte  und  der  Antorbitalplatte 
gelegene  Nasengerüst  entsteht  aus  einer  unpaaren  medianen  und  zwei 
seitlichen  paarigen  Anlagen.  Das  unpaare  auf  dem  Querschnitt  T-för- 
mige  Septum   (Fig.  369—371)   bildet   sich   im   Anschluß   an   die   Prä- 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  731 

cerebralplatte  von  hinten  nach  vorn  durch  Verknorpelung  des  medianen, 
zwischen  beiden  Nasensäcken  gelegenen  Schleimgewebes ;  die  beiden 
seitlichen  Anlagen  verdichten  sich  aus  dem  p  er  irhinischen  Ge- 
webe, das  die  Nasensäcke  umgiebt.  Zunächst  bildet  sich,  vom  oberen 
Rande  des  vordersten  Teiles  der  orbitalen  Schädelseitenwand  (lateral 
vom  For.  olfactorium)  an  nach  vorn  hin  eine  Decke,  deren  Innenrand 
anfangs  frei  ist  und  erst  sekundär  mit  der  oberen  Querleiste  des  Sep- 
tums  verschmilzt  (Fig.  369).  Dazu  kommt  im  vorderen  Abschnitt 
der  Nasenhöhle  noch  eine  besondere  mediale  Wand  für  den  oberen 
Nasenraum  (der  den  sog.  oberen  Blindsack  umschließt).  Indem  auch 
diese  Wand  mit  dem  Septum  verschmilzt,  erfährt  das  Septum  an 
dieser  Stelle  eine  ganz  besondere  Verdickung  (s.  Fig.  371 ;  doch  ist 
hier  die  Verknorpelung  noch  nicht  erfolgt).  Vom  Boden  bildet  sich 
der  hintere  Abschnitt  unter  N'erwendung  des  Trabekelhornes,  der 
ganze  vordere  Abschnitt  dagegen  durch  Knorpelneubildung  über  dem 
Trabekelhorn.  Dieses  geht,  wie  gesagt,  in  seiner  vorderen  Hälfte  ganz 
zu  Grunde.  Der  vordere  komplizierte  Abschluß  der  Nasenhöhle  ent- 
steht durch  lokale  Verknorpelung  des  perirhinisclien  Gewebes;  die 
Gart,  alaris  bildet  sich  durchaus  im  Zusammenhang  mit  dem  vor- 
deren Kuppelknorpel  und  hängt  auch  noch  lange  Zeit  nach  der  Meta- 
morphose knorpelig  mit  ihm  zusammen.  Erst  bei  älteren  Tieren 
gliedert  sie  sich  durch  bindegewebige  Umwandlung  einer  schmalen 
Knorpelzone  von  ihm  ab.  Als  kleiner  Vorsprung  entsteht  an  ihr  der 
obere  Pränasalkuorpel. 

Der  Knorpelbildung  geht  überall  eine  lokale  Verdichtung  der  an  den  ver- 
schiedenen Stellen  gelegenen  üewebsmassen  voraus.  So  erfolgt  eine  Verdichtung 
des  medianen  Sehleimgewebes  (Anlage  des  Septums)  und  eine  solche  des  Gewebes, 
das  vom  Dorsalumfauge  des  einen  Nasensackes  zu  dem  des  anderen  herüberzieht. 
Letzteres  hängt  in  der  Medianebene  mit  der  Septumanlage  zusammen,  so  daß  die 
verdichtete  Gewebsmasse  auf  dem  Querschnitt  die  Form  eines  T  erhält  (Figg.  369 
bis  371).  Die  Verknorpelung  schreitet  in  den  3  Schenkeln  des  T  gesondert  von 
hinten  nach  vorn  vor  (wobei  das  Septum  den  beiden  Decken  etwas  voraus  geht), 
allerdings  tritt  sehr  bald  auch  die  knorpelige  Verschmelzung  ein.  Im  hinteren  Ab- 
schnitt der  Nasenhöhle  bleibt  die  Verdichtung  des  perirhi9ischen  Gewebes  auf  die 
Decke  beschränkt ;  im  vorderen  Abschnitt  dagegen  setzt  sie  sich  von  der  Decke  auf 
den  medialen  Umfang  des  Hauptraumes  der  Nase  (des  oberen  Blindsackes  Born's), 
sowie  zwischen  diesen  und  den  unteren  Blindsack  fort  (Fig.  371).  Letztere  Partie 
bildet  später  die  Crista  intermedia.  Der  untere  Raum  erhält  keine  eigene 
Innenwandung,  sondern  dehnt  sich  bis  an  das  mediane  Septum  aus.  Die  übrigen 
Knorpel partieen  (am  vorderen  und  lateralen  Umfang  des  vorderen  Teiles  des  Nasen- 
sackes) entstehen  an  Ort  und  Stelle  in  dem  perirhinischen  Gewebe.  —  Am  merk- 
würdigsten vollzieht  sich  die  Bildung  des  Bodens  der  Nasenkapsel.  In  der  ersten 
Zeit  bilden  die  Trabekelhörner  denselben  ganz  allein.  Später  gesellen  sich  aber  neue 
Teile  hinzu.  Zunächst  sind  hier  die  mediale  und  die  laterale  Randleiste  zu 
nennen.  Das  Septum,  das  anfangs  mit  freiem  ventralen  Rande  aufhört,  wächst  bald 
soweit  nach  abwärts,  daß  es  auf  das  Ligam  en tum  intertrabeculare  inferius 
(Born),  d.  h.  eine  zwischen  beiden  Trabekelhörnern  ausgespannte  Membran  (Fig.  3711 
stößt.  In  diese  hinein  setzt  sich  dann  die  Verknorpelung  vom  unteren  Septumrande 
aus  nach  beiden  Seiten  fort,  und  so  entsteht  zwischen  dem  unteren  Rande  des 
Septums  und  dem  medialen  Umfange  des  Trabekelhorns  jeder  Seite  ein  Knorpel- 
streifen, der  erheblich  niedriger  ist  als  das  Trabekelhorn  selbst  (mediale  oder  para- 
septale  Randleiste).  Dieses  Verhalten  hat  jedoch  nur  für  den  hintersten  Teil  der 
Nasenhöhle  Giltigkeit;  etwas  weiter  vorn  folgt  der  Streifen  nicht  mehr  dem  medialen 
Umfange  des  Trabekelhorns,  sondern  schiebt  sich  auf  die  Oberfläche  des  letzteren 
herauf.  Ein  ganz  entsprechendes  Verhalten  zeigt  die  laterale  Randleiste,  d.h. 
ein  neu  entstehender  Knorpelstreifen  am  lateralen  Rande  des  Trabekelhornes. 
Während  sie  hinten  dem  Trabekelhorn  seitlich  ansitzt,  wendet  sie  sich  weiter  vorn 
mehr  auf  die  Oberfläche  des  letzteren  und  begleitet  dasselbe  in  dieser  Lage  sogar 
als  rundlicher  Streifen  bis  nahe  an  das  vordere  Ende.  Das  weitere  Schicksal  der 
einzelnen  Teile  ist  nun  folgendes.    Im  hintersten  Gebiete  der  Nasenhöhle  wird  das 


732  E.  Gaupp, 

Trabekelhorn,  durch  Zerfall  seiner  Substanz  am  oberen  und  unteren  Umfang,  auf 
die  Dicke  der  beiden  ihm  ansitzenden  Randleisten  reduziert  und  bildet  mit  diesen 
zusammen  den  Boden  der  Nasenkapsel.  Weiter  vorn  wachsen  sich  die  beiden  Rand- 
leisten auf  der  Dorsalfläche  des  Trabekelhornes  entgegen,  vereinen  sich  und  bilden 
so  eine  Strecke  weit  einen  supratrabekulär  entstandenen  Boden.  Das  ventralwärts 
verdrängte  Trabekelhorn  geht  zu  Grunde,  und  damit  wird  zugleich  der  vorderste 
Teil  der  ,,lateraleu  Randleiste",  der  seiner  Überfläche  auflag,  als  Cartilago 
praenasalis  inferior  lateralis  (WiEDERSHEiM'scher  Knorpel)  frei  (Fig.  368). 
Mit  der  Ausweitung  der  Nasenhöhle  nach  vorn  hin  (bei  und  nach  der  Metamorphose) 
wird  nun  aber  die  Ebene  der  Nasenkapselvorderwand  (die  anfangs  mit  freiem  ven- 
tralen Rande  aufhört)  nach  vorn  hin  verschoben.  Der  vorderste  Abschnitt  der 
Nasenkapsel  muß  demnach  einen  Boden  erhalten,  der  von  vornherein  ganz  ohne  Be- 
ziehung zum  Trabekelhorn  ist.  Dies  ist  denn  auch  der  Fall :  eine  Gewebsverdichtung, 
die  den  freien  unteren  Rand  des  vordersten  Septumabschnittes  (Fig.  368)  mit  der 
lateralen  Randleiste  und  der  Vorderwand  des  unteren  Nasenhöhleuraumes  verbindet, 
geht  der  Knorpelbildung  voraus.  Letztere  erfolgt  von  außen  nach  innen.  Neben 
dem  Septum  bleibt  dabei  eine  größere  Lücke,  das  Foramen  apicale  (Fenestra 
nasobasalis)  ausgespart ,  durch  das  der  N.  medialis  nasi  den  Nasenkapselraum 
verläßt. 

Wie  Born  (1877)  gezeigt  hat,  sind  bei  Pelobates  die  Trabekelhörner  viel  mäch- 
tiger ausgebildet  als  bei  Rana,  was  wohl  damit  zusammenhängt,  daß  die  Larve  von 
Pelobates  im  Verhältnis  zum  ausgebildeten  Tier  ungleich  größer  ist,  als  die  von  Rana. 
Je  größer  aber  die  Larve  im  Verhältnis  zum  ausgebildeten  Tier  wird,  um  so  auf- 
fälliger wird  das  Mißverhältnis  zwischen  der  Größe  der  specifischen  Larvenwerkzeuge 
und  den  inzwischen  sich  ausbildenden  Organen  der  definitiven  Form.  Infolgedessen 
liegen  die  Nasensäcke  bei  Pelobates  rein  seitlich  von  den  hinteren  Hälften  der  Tra- 
bekelhörner, und  die  letzteren  besitzen  eine  so  beträchtliche  Höhe,  daß  sie  eine 
vollkommene  dicke  Innenwand  für  jeden  Nasensack  bilden.  Zwischen  beiden  Tra- 
bekelhörnern  findet  sich  der  Internasalraum.  Infolge  dieser  stärkeren  Entwickelung 
der  Trabekelhörner  erscheint  der  Gegensatz  zwischen  ihnen  und  den  später  entstehenden 
Abschnitten  des  knorpeligen  Ethmoidalskelettes  noch  schärfer  als  bei  Rana,  letztere 
dokumentieren  eine  noch  größere  Selbständigkeit  und  Unabhängigkeit.  Auch  sind 
bei  Pelobates  infolgedessen  ausgedehntere  Resorptionsvorgänge  an  den  Trabekel- 
hörnern  nothwendig.  Das  Septum  ist  bei  Pelobates  eine  sehr  späte  und  sehr  kom- 
plizierte Bildung.  Doch  sind  prinzipiell  die  Vorgänge  die  gleichen,  wie  bei  Rana, 
und  die  Unterschiede  lassen  sich  durch  die  anfängliche  Lageverschiedenheit  der 
Nasensäcke  erklären.    Genaueres  s.  bei  Born. 

Bei  der  im  Einzelnen  recht  komplizierten  Bildung  des  Ethmoidalskelettes  ist 
vor  allem  die  Unabhängigkeit  von  den  Trabekelhöraern  zu  betonen,  die 
schon  von  Born  seinerzeit  festgestellt  wurde.  Die  Trabekelhörner  in  der  Form,  wie 
sie  bei  Anurenlarven  vorhanden  sind,  dokumentieren  sich  dadurch  als  besondere 
provisorische  Skelettteile,  die  vor  allem  bestimmt  sind,  für  die  Suprarostralia  und 
die  oberen  Hornkiefer  ein  festes  Widerlager  zu  bieten.  Als  ganz  besondere  Anpas- 
sung an  diese  Aufgabe  sind  ihre  vorderen  Abschnitte  anzusehen,  die  später  total 
zerstört  werden.  Ihre  Ausbildung  bedingt  das  eigen thümliche  Verhalten,  das  der 
Proc.  praenasalis  inf.  lat.  anfangs  zeigt  (Fig.  368);  bei  Urodelen  ist  derselbe  von 
vornherein  frei,  weil  die  ,, Trabekelhorn  er"  sich  nicht  in  der  Weise  ausbilden,  d.  h. 
nicht  so  weit  nach  vorn  reichen,  wie  bei  Anuren.  Die  hinteren  Partieen  der  Tra- 
bekelhörner der  Anuren  können  auf  die  Teile  bezogen  werden,  die  auch  bei  den 
L'rodelen  mit  dem  gleichen  Namen  bezeichnet  werden;  nur  daß  auch  sie  eine  ganz 
besondere  Massenentwickclung  erfahren.  Haben  sie  dann  ihre  larvale  Rolle  aus- 
gespielt lind  sind  ihnen  die  übrigen  Partieen  des  P2thmoidalskelettes  in  der  Verknor- 
pelung  nachgefolgt,  so  werden  sie  zur  Bildung  des  Nasenkapselbodens  verwendet, 
aber  unter  beträchtlicher  Reduktion  ihrer  Masse:  es  wird,  wie  das  auch  an  den 
Trabekeln  der  Orbitalregion  zu  beobachten  ist,  ein  Teil  ihrer  Substanz  eingeschmolzen, 
resorbiert,  so  daß  sie  auf  dieselben  Stärke  kommen,  wie  die  selbständig  entstandenen 
Boden  partieen. 

Was  die  Konf  igura  tion  des  Nasen skelettes  bei  den  Anuren  anlangt,  so 
läßt  sich  der  Grundplan,  der  bei  den  Salamandriden  herrscht,  auch  hier  erkennen, 
wenn  auch  in  reicherer  Ausführung.  Auch  bei  den  Anuren  lassen  sich  eine  vordere, 
mittlere  und  hintere  Skelettzone  unterscheiden.  Die  vordere  zeigt  die  meisten  sjDeciellen 
Komplikationen,  in  Anpassung  an  die  Konfiguration  des  vorderen  Teiles  des  Nasen- 
sackes. Außer  den  Scheidewandbildungen  zwischen  den  verschiedenen  Blindsäcken 
ist  besonders  zu  erwähnen  die  (unvollkommene)  Zerlegung  der  großen  Fenestra 
narina  in  einen  vorderen  oberen  Abschnitt  für  die  Apertura  nasalis  externa  und  einen 
hinteren  unteren  Abschnitt  für  den  Thränennasengang  und  die  Glandula  nasalis  externa, 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  733 

—  bewirkt  durcli  die  Cartilago  alaris,  die  von  vorn  her  vorspringt.  Abgesehen 
hiervon  erscheint  als  eines  der  wichtigsten  Merlviuale,  daß  bei  den  Anuren  die  hintere 
Hälfte  der  Nasenkapsel  die  vordere  noch  erheblicher  an  lateraler  Ausdehnung  über- 
trifft, als  das  bei  den  Urodeleu  der  Fall  ist.  Darauf  kann  die  völlige  Trennung  der 
mittleren  Skelettzone  von  der  hinteren  an  der  Seite  und  an  der  Basis  der  Anuren.- 
nasenkapsel  zurückgeführt  werden.  Das  Planum  conchale  wird  so  zu  einem 
Plan  u  m  terminale  der  Cart.  obliqua,  und  hinter  ihm  erstreckt  sich  eine  große 
Durchbrechung  der  Wand  (Fen.  dorsolateralis)  von  der  Decke  über  die  Seite  bis  zur 
Basis.  Sehr  interessant  ist  in  dieser  Hinsicht,  daß  nach  Born  (1877 ;  ich  kann  es  für 
Bombinator  bestätigen)  bei  Bombinator  und  Pelobates  in  jüngeren  Stadien  das  Pla- 
num terminale  noch  mit  der  Decke  über  dem  hinteren  Kapselabschnitt  zusammen- 
hängt und  so  wie  bei  den  Urodelen  eine  Fenestra  dorsalis  von  der  Fenestra  lateralis 
(infraconchalis)  getrennt  wird.    Es   ist  dies  als  primitiveres  Verhalten  aufzufassen. 

Außer  den  beiden  Cartilagines  praenasales  inferiores  laterales 
kommt  bei  vielen  Anuren  (manchen  ausländischen  Kana-Species,  wie  R.  tigrina,  R. 
gracüis  u.  a.,  ferner  bei  Pseudis  paradoxa,  Hyla  arborea,  Gomphobates,  Calypto- 
cephalus  und  vielen  anderen,  nach  Parker  1881)  noch  eine  unpaare  mediane 
Cartilago  praenasalis  inferior  media  vor,  wie  sie  auch  Siren  und  Ichthy- 
ophis  besitzen  (s.  Urodelen). 

B)  Primordiales  Visceralskelett. 

Bei  (leu  Anurenlarven  kommen  Kiefer-,  Zungenbein-  und  4 
Kiemenbogen  zur  Ausbildung;  daneben  entstehen  2  Paare  von  Lippen- 
knorpeln, ein  oberes  (Suprorostralia)  und  ein  unteres  (Infrarostralia). 
Von  diesen  zeigen  die  Suprarostralia  Beziehungen  zu  den  Trabekeln, 
die  Infrarostralia  solche  zu  den  MECKEL'schen  Knorpeln.  Die  Supra- 
rostralia werden  als  in  die  Kategorie  präoraler  Skelettteile  gehörig 
aufgefaßt  und  sollen  daher  hier  für  sich  geschildert  werden ;  die  Infra- 
rostralia, deren  Bedeutung  als  abgegliederte  Stücke  der  MECKEL'schen 
Knorpel  lediglich  aus  dem  späteren  Schicksal  zu  begründen  ist,  werden 
beim  Kieferbogen  mitbehandelt  werden. 

1.  Suprarostrale  (Cartilago   labialis   superior,   Oberlippen- 
knorpel). 

Noch  ehe  von  den  Trabekeln  etwas  sichtbar  wird,  auf  dem  oben 
(p.  718)  skizzierten  Stadium  (5  mm),  ist  die  Anlage  des  Suprarostrale 
schon  als  ein  Haufen  dicht  gedrängter  Zellen  seitlich  und  vor  der  Mund- 
höhle erkennbar  (Stöhr,  Spemann).  Zuerst  wird  sein  lateraler  Teil 
angelegt;  während  von  ihm  aus  die  Gewebsverdichtung  längs  des  oberen 
Hornkiefers  fortschreitet,  werden  die  Trabekel  sichtbar.  Das  vor- 
knorpelige Gewebe  der  Trabecula  stößt  dann  mit  dem  des  Supra- 
rostrale zusammen,  so  daß  eine  Grenze  zwischen  ihnen  nicht  mehr 
vorhanden  ist  (Stadium  von  7  mm).  An  den  Stellen,  wo  die  erste 
Gewebsverdichtung  auftrat,  beginnt  auch  die  Verknorpelung:  jedes 
Suprarostrale  erhält  also  auch  einen  eigenen  Knorpelkern.  Zwischen 
dem  Trabekelhorn  und  dem  Suprarostrale  bildet  sich  ein  Gelenk  aus : 
die  beiderseitigen  Suprarostralia,  die  anfangs  voneinander  getrennt  sind 
(Fig.  365,  a.  p.  722),  verschmelzen  später  untereinander  zu  einer  breiten, 
mit  unterem  scharfen  Rande  versehenen  Platte  (Fig.  366,  a.  p.  724),  die 
auf  diesem  Zustand  während  des  Larvenlebens  verharrt.  Kurz  vor  dem 
Durchbruch  der  vorderen  Extremitäten  beginnt  die  Zerstörung  der 
Suprarostralia,  und  zwar  in  den  mittleren  Partieen.  Die  lateralen, 
nach  hinten  gerichteten  Arme,  die  zu  Muskelansätzen  dienten,  bleiben 
länger  erhalten.  Die  Zerstörung  ist  eine  vollkommene;  in  den  Auf- 
bau des  definitiven  Schädels  wird  von  den  Oberlippenknorpeln  nichts 
übernommen.  Sie  sind  ganz  transitorische,  für  das  Larvenleben  be- 
stimmte Gebilde  (Gaupp). 


734  E.  Gaupp, 

Auch  der  obere  Hornkiefev  beginnt,  wie  seine  8kelettgrundlage,  das  Supra- 
rostrale,  seine  Bildung  lateral  und  ist  somit  wie  dieses  anfangs  in  der  Mitte  unter- 
brochen. 

Die  erste  Entwickelung  des  Suprarostrale  und  sein  Verhältnis  zu  der  Anlage 
des  Balkens  ist  von  Stöhr  und  Spemann  ziemlich  gleichlautend  geschildert  worden. 
Aus  dem  vorknorpeligen  Zusammenhang  zwischen  beiden  Teilen  schließt  Stöhr,  daß 
die  Suprarostralia  durch  Abschnürung  von  den  Balkenanlagen  entstehen  und  sich 
hierdurch  als  vorderste  Abschnitte  der  seitlichen  Schädelbalken  dokumentieren,  die 
sich  von  den  Balken  zur  Uebernahme  einer  neuen  Funktion  abgegliedert  haben. 
Demgegenüber  betont  Spkmann  die  auch  Stöhr  nicht  entgangene  Thatsache,  da!) 
schon  die  ersten  Gewebs Verdichtungen,  die  die  Entstehung  des  Suprarostrale  und 
des  Balkens  einleiten,  selbständiger  Natur  sind,  und  daß  sich  der  Zusammenhang 
zwischen  beiden  erst  sekundär  ausbildet.  Somit  würde  also  aus  den  Erscheinungen 
der  Ontogenese  kein  direkter  Beweis  für  die  Richtigkeit  der  STÖHR'schen  An- 
schauung zu  entnehmen  sein.  Mit  Recht  betont  jedoch  Spemann,  daß  durch  den 
ontogenetischen  Befund  die  STÖHR'sche  Auffassung  auch  noch  nicht  als  falsch  hin- 
gestellt werde.  Ebensowenig  wie  die  Ausbildung  des  vorknorpeligen  Zusammen- 
hanges für  die  Zusammengehörigkeit  beider  Teile  spricht,  kann  die  getrennte  Ent- 
stehung als  Beweis  für  das  Fehlen  eines  genetischen  Zusammenhanges  angeführt 
werden.  Der  schon  von  Ht^xley  angestellte  Vergleich  der  Suprarostralia  der 
Anurenlarven  mit  dem  sog.  Halbringknorpel  von  Petromyzon  scheint  manches  für 
sich  zu  haben,  doch  ist  die  Frage,  ob  das  Saugmaul  der  Anurenlarven  direkt  von 
dem  der  Petromyzonten  ableitbar  (Balfotjr)  oder  als  sekundär  erworben  aufzufassen 
ist  (HowES),  noch  nicht  spruchreif.  Aus  der  Thatsache,  daß  bei  Dactylethralarven 
das  Suprarostrale  einen  langen  Tentakel  trägt,  schließt  Pollard,  daß  dasselbe  dem 
Präpalat inknorpel  mancher  Teleostier  entspricht.  Der  Tentakel  wäre  einem 
Maxillocoronoidtentakel  zu  vei'gleichen.  Das  Suprarostrale  würde  damit  zugleich 
dem  zweiten  Überlippenknorpel  der  Selachier  entsprechen.  Gegen  diese  Vorstellung 
bleibt  einzuwenden,  daß  bei  den  Teleostiern  der  Präpalatinknorpel  die  Unterlage  für 
das  Maxillare  abgiebt,  wovon  bei  den  bisher  darauf  untersuchten  Anuren  nichts  zu 
konstatieren  ist.     So  bleibt  die  Bedeutung  des  Suprarostrale  einstweilen  zweifelhaft. 

Die  Form  des  Suprarostrale  ergiebt  sich  aus  den  Figg.  3ö6,  3ö7;  über  sein 
Verhalten  zu  den  Muskeln  s.  F.  E.  Schulze  (1892);  im  übrigen  verweise  ich  auch 
bezüglich  der  früheren  Litteratur  auf  meine  eigene  Arbeit  (Gaupp  1893). 

2.  Visceralbogen. 

Die  Anlagen  des  Kiefer-  nnd  des  Zungenbein bogens  werden 
als  erste  Skelettanlagen  im  Bereiche  des  Kopfes  deutlich  (Stadium  mit 
5  kompakten  Schlundfalten). 

Kiefer  bogen.  Die  Anlage  des  Kiefer  bogens  erscheint  vor 
der  1.  Schlundfalte  als  ein  dichterer  Gewebsstrang,  an  dem  schon 
auf  diesem  jüngsten  Stadium  die  spätere  Gliederung  (in  ein  Palato- 
quadratum,  den  Meckel' sehen  Knorpel  und  das  Infra- 
r  0  s  t  r  a  1  e  oder  den  U  n  t  e  r  1  i  p  p  e  n  k  n  o  r  p  e  1)  durch  Knickun gen 
angedeutet  ist  (Spemann).  Die  beiderseitigen  Anlagen  stoßen  in  der 
ventralen  Mittellinie  zusammen  und  umfassen  so  die  Schlundhöhle. 
Die  Anlage  des  Palatoquadratums  stellt  auf  diesem  Stadium  eine  nach 
vorn  und  außen  geöffnete,  flache  Rinne  von  verdichtetem  Gewebe  dar, 
in  der  die  Anlagen  der  Kaumuskeln  liegen.  Sie  steht  senkrecht  zur 
Chorda  dorsalis.  Sehr  bald  entwickeln  sich  an  dieser  Anlage  2  Fort- 
sätze, am  lateralen  Rande  der  Proc.  muscularis  oder  Proc. 
orbitalis  (Fig.  365),  am  medialen  Rande  die  Commissura 
q  u  a  d  r  a  1 0  -  c  r  a  n  i  a  1  i  s  anterior.  Letztere  wächst  medialwärts  gegen 
die  Anlage  des  Schädelbalkens  hin  und  verschmilzt  mit  dieser  hinter 
dem  Riechsäckchen.  Zugleich  wächst  die  Anlage  des  Quadratums 
nach  hinten  und  oben  hin,  und  von  dem  hinteren  Ende  aus  wächst 
unter  rechtem  Winkel  die  Anlage  des  Processus  ascendens 
gegen  den  hinteren  orbito-temporalen  Schädelseitenwandpfeiler  hin. 
Durch  die  knorpelige  Differenzierung  erfolgt  einerseits  eine  innige 
Vereinigung  vorher  getrennter  Teile,  andererseits  eine  schärfere  Tren- 


Die  Entwickehmg  des  Kopfskelettes.  735 

niing  bisher  zusammenhängender  Teile.  Infraro  strale,  Meckel- 
scher  Knorpel  und  Quadratum  gliedern  sich  durch  selbständige 
Verknorpelung  schärfer  gegeneinander  ab,  während  andererseits  die 
Commissura  quadrato-cranialis  anterior  und  der  Pro- 
cessus ascendens  innig  mit  dem  neuralen  Schädelgerüst  ver- 
schmelzen. Dies  ist  in  Fig.  364,  p.  720  (Primordialcranium  einer 
7,5  mm  langen  Larve  von  R.  fusca,  nach  Stöhr)  erreicht. 

Bevor  diese  Verschmelzung  erfolgte,  hatte  das  Palatoquadratum  seine  Stellung 
zur  Chorda  ziemlich  beträchtlich  verändert.  Es  steht  nun  nicht  mehr,  wie  anfangs, 
senkrecht  zur  Chorda,  sondern  bildet  mit  ihr  nur  noch  einen  stumpfen  Winkel, 
d.  h.  es  hat  als  Ganzes,  um  die  Spitze  der  Chorda  als  Drehpunkt,  eine  Drehung 
nach  oben  ausgeführt  (Spemann). 

Zu  den  beiden  genannten  sehr  früh  auftretenden  Verbindungen  des 
Palatoquadratums  mit  dem  neuralen  Cranium  kommt  bei  Larven  von 
ca.  21  mm  Länge  eine  dritte:  durch  den  Processus  oticus  des 
Quadratums,  der  gegen  die  Ohrkapsel  hin  wächst  und  mit  dieser  vorn 
an  ihrem  lateralen  Umfang  (an  dem  durch  den  lateralen  Bogengang  ge- 
bildeten Vorsprung)  verschmilzt  (Fig.  366,  p.  724).  Alsdann  folgt  die  Bil- 
dung des  Proc.  pterygoideus  und  seine  Verbindung  mit  dem  Proc. 
m axillaris  posterior  der  Nasenkapsel.  Als  Vorläufer  dieses  Fort- 
satzes tritt  schon  frühzeitig  eine  Bandverbindung  zwischen  dem 
Vorderrande  der  Commissura  quadrato-cranialis  und  dem  Trabekelhorn 
auf,  die  ich  als  Ligamentum  q  u  a  d  r  a  t  o  -  e  t  h  m  o  i  d  a  1  e  bezeichnet 
habe  (Fig.  369).  In  'dieses  Band  hinein  schiebt  sich  von  der  Quadratum- 
kommissur  Knorpel  vor  (Proc.  q  uadrato-ethmoidalis:  er  ist  in 
Fig.  368  angedeutet  und  bereits  als  Proc.  pterygoideus  bezeichnet). 
Wenn  dann  das  Planum  antorbitale  sich  gebildet  und  den  nach  hinten 
vorspringenden  Proc.  maxillaris  posterior  entwickelt  hat,  legt 
sich  der  letztere  an  die  Spitze  des  Proc.  quadrato-ethmoidalis  an  und 
verbindet  sich  mit  ihm  (Fig.  372,  p.  736),  während  der  vordere  Teil  des 
Lig.  quadrato-ethmoidale  zu  Grunde  geht,  und  so  die  Verbindung  des 
Proc.  quadrato-ethmoidalis  mit  dem  Balkenhorn  gelöst  wird.  Bei  der 
Stellungsänderung  des  Quadratums  während  der  Metamorphose  geht 
dann  die  Commissura  quadrato-cranialis  anterior  zum  größten  Teil  zu 
Grunde,  doch  wird  aus  ihrem  lateralen  Abschnitt  ein  die  rückwärtige 
Verlängerung  des  Proc.  quadrato-ethmoidalis  bildendes  Stück  geschont, 
also  ebenfalls  wieder  aus  der  massigeren  Anlage  herausgearbeitet. 
Der  Proc.  quadrato-ethmoidalis  erhält  dadurch  einen  Zuwachs  in  kau- 
daler  Richtung  und  entspringt  nun  als  Proc.  pterygoideus  un- 
mittelbar an  dem  Innenrande  des  Palatoquadratums  selber.  Der 
bleibende  Proc.  pterygoideus  besteht  demnach  aus  dem  erst  spät  ent- 
standenen Proc.  quadrato-ethmoidalis  und  einem  Reste  der  Commis- 
sura quadrato-cranialis  anterior. 

Die  eben  schon  berührte  Stellungsänderung  des  Palatoquadratums 
spielt  sich  während  der  Metamorphose  ab  und  führt  zur  Um- 
wandlung des  larvalen  Kieferapparates  in  den  defini- 
tiven. Dabei  gehen  die  larvalen  Befestigungen  des  Palatoquadratums 
(Proc.  ascendens,  Comm.  quadrato-cranialis  ant.,  Proc.  oticus)  sowie 
der  Proc.  muscularis  total  zu  Grunde,  der  Proc.  pterygoideus  wächst 
stark  aus,  und  das  Palatoquadratum  selbst  wird  in  sich  zusammen- 
geschoben in  der  Richtung  von  vorn  nach  hinten.  Die  hinteren  Par- 
tieen  des  Palatoquadratums  erliegen  dabei  einer  Erweichung,  mecha- 
nischen Faltung  und  Zerstörung  (Fig.  372).  Dies  ist  wohl  die  Folge 
des  enormen  Auswachsens   des  Meckel 'sehen  Knorpels,   der  zu 


736 


E.  Gaupp, 


langen 


dünnen,    im    wesentlichen    in    der   Länssrichtung   ver 


einem 

laufenden  Stab  wird    (während  er  früher  ein  ganz  kurzes. 

liegendes  Knorpelstück  war,  Fig.  366).     Dadurch  wird  das 


transversal 
Quadratuni 


Fol  orh.-nas. 


Caps,  audi  t.  _ 
Froc.ascend 


Troc  ofic 


Cart.alar. 

Cartohliqu. 
Flan  anhrb; 

qu  -cr.ant 
.  max  ant 


Talatoquad' 


Fror  pferyg. 


roc.  max.post 


Fig.  372.  Primordialcranium  von  Eana  fusca  in  der  Metamoqihose.  Laleral- 
ansicht.  Der  hintere  Teil  der  Ohrkapsel  ist  fortgelassen.  Am  Palatocjuadratimi  ist 
der  Proc.  ascendens  zerstört,  die  Coramissura  quadrato-cranialis  anterior  noch  er- 
halten, der  Proc.  pterygoideus  aber  auch  schon  gebildet  und  in  Verbindung  mit  dem 
Proc.  maxillaris  posterior  der  Nasenkapsel.  Nach  einem  bei  50facher  Vergr.  her- 
gestellten''Plattenraodell  (kopiert  von  F.  Ziegler- Freiburg).  Verhältnis  von  Abbil- 
dung zu  Modell  =  1:2;  demnach  Vergr.  25fach. 

gegen  die  Ohrkapsel  als  festen  Punkt  zusammengeschoben.  Die  sich 
bildenden  Stauungsfalten  werden  später  zerstört  und  resorbiert.  Wenn 
auf  diese  Weise  endlich  das  Quadratomandibulargelenk  bis  in  die 
Lab5a'inthregion  nach  hinten  gerückt  ist,  erhält  das  Palatoquadiatum 
neue  Befestigungen,  indem  es  einerseits  mit  der  an  der  Ohrkapsel  ent- 
standenen Crista  parotica  verschmilzt,  wobei  es  diese  etwas  verbreitert, 
andererseits  einen  neuen  Fortsatz,  den  Proc.  basalis  entwickelt,  der 
sich  an  den  Ohrkapselboden  anlegt  und  hier  eine  Gelenkverbindung  ein- 
geht. Der  Fortsatz  zeigteine  gewisse  Selbständigkeit  bei  seiner  Ent- 
stehung und  verknorpelt  auch  selbständig.  Das  Infraros trale  ver- 
liert während  der  Metamorphose  seine  gekrümmte  Form ;  es  streckt 
sich,  aus  der  früher  hohen  Platte  wird  ein  drehrunder  Knorpelstab 
herausmodelliert,  der  fast  horizontal  und  transversal  verläuft  und  mit 
dem  MECKEL'schen  Knorpel  fest  verbunden  wird.  Es  bleibt  zeitlebens 
bestehen  und  verknöchert  später  als  Pars  mentalis  des  Dentale 
(Mentomandibulare).  Aus  einem  kleinen  unpaaren  medianen  Knorpel- 
stück, das  zu  gewissen  Zeiten  bei  Ranalarven  zwischen  beiden  Infra- 
rostralia  besteht,  geht  die  Symphyse  zwischen  beiden  Unterkieferhälften 

hervor. 

Der  kleine  mediane  Knorpel  wurde  auch  bei  anderen  Formen  (Xenopus,  RlDE- 
wood)  gefunden  und  als  besonderes  medianes  Element  des  Mandibularbogens  (Basi- 
mandibulare)  erklärt.     Auch  bei  Urodelen  ist  er  vorhanden  (p.  704). 

Von  vorübergehender  Existenz  und  ganz  unbekannter  Bedeutung  erscheint  bei 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  737 

30  nmi  langen  Larven  von  Rana  fusca  ein  kurzer,  platter  Fortsatz,  der  sich  vom 
Hinterrande  der  Comm.  quadrato-cranialis  ant.  aus  neben  der  Trabekel  kaudalwärts 
in  die  Membrana  subocularis  vorschiebt.  Er  besteht  nur  sehr  vorübergehend  und 
geht  bei  der  Metamorphose  spurlos  zu  Grunde.  Ich  nannte  ihn  provisorisch  Proc. 
pseudopterygoideus;  bei  Parker,  der  ihn  von  mehreren  Anurenlarven  (z.  B. 
Pseudis  paradoxa)  abbildet,  fürt  er  den  Namen  Postpalatinum.  Selbst  die  Frage, 
ob  er  wirklich  dem  Palatoquadratum  zuzuzählen  und  nicht  vielleicht  als  Andeutung 
eines  Orbitalbodens,  wie  er  bei  Selachiern  vorkommt,  aufzufassen  ist,  harrt  noch  der 
Beantwortung. 

Anulus  tympanicus.  Zu  den  Teilen,  die  genetisch  zum 
Palatoquadratum  geliören,  zählt  auch  der  Anulus  tympanicus,  jener 
Knorpelring,  in  dem  beim  erwachsenen  Frosch  die  Membrana  tympani 
eingespannt  ist.  Die  Anlage  desselben  ist  aufs  engste  geknüpft  au 
das  periphere  blinde  Ende  der  Tuba  auditiva  (Villy,  Gaupp).  Schon 
bei  Larven  von  12  mm  Länge  (äußere  Kiemen  links  frei,  rechts  über- 
wachsen) findet  sich  eine  vom  Quadratum  ausgehende  Zellwucherung 
an  der  unteren  vorderen  Ecke  des  Proc.  muscularis,  der  zu  dieser 
Zeit  unterhalb  des  Auges  sich  befindet  (also  in  der  Situation  wie  in 
Fig.  o66).  Die  Zellmasse  löst  sich  bald  vom  Quadratum  los  und  ver- 
mehrt sich  sehr  beträchtlich,  so  daß  sie  das  ganze  hier  gelagerte  blinde 
Tubenende  umzieht.  Eine  bestimmte  geformte  Anlage  macht  sich 
jedoch  in  ihr  erst  bemerkbar,  wenn  das  Palatoquadratum  im  Zurück- 
weichen begriffen  ist.  Die  V'^erkuorpelung  beginnt  dann  ventral  und 
kranial  von  dem  blinden  Tubenende,  so  daß  hier  zunächst  ein  sichel- 
förmiges Gebilde  mit  dorsal-kaudal  gekehrter  Oeffnung  entsteht.  Die 
Ergänzung  zum  geschlossenen  Ringe  erfolgt  durch  Wachstum  an  beiden 
Enden  der  Sichel,  rascher  aber  vom  unteren  Ende  aus  nach  hinten- 
aufvvärts,  als  vom  vorderen.  Der  Anulus,  der,  wie  gesagt,  weit  vorn 
unter  dem  Auge  entsteht,  behält  während  der  Stellungsänderung  des 
Quadratums  immer  die  gleiche  Lage  zu  letzterem  bei  und  wird  von 
ihm  nur  etwas  abgedrängt  durch  das  zwischen  beiden  Gebilden  ent- 
stehende Os  paraquadratum.  Im  übrigen  rückt  er  aber  mit  dem 
Palatoquadratum  aus  der  Orbito-temporal-  in  die  Labyrinthregion  und 
erlangt  hier  schließlich  seine  Befestigung  an  der  Crista  parotica. 
Dies  ist  aber  erst  längere  Zeit  nach  der  Metamorphose  vollendet  (R. 
fusca  von  ca.  40  mm  Länge).  Von  dem  Anulus  umschlossen  wandert 
auch  das  blinde  Tubenende  rückwärts,  in  dessen  Nachbarschaft  später 
das  Lig.  suspensorio-columellare  als  Vorläufer  der  Columella  auris 
auftritt   (s.  Columella  auris  p.  725). 

Zur  vergleichen  den  Morphologie  des  Kief  erbogens  und  seiner 
Abkömmlinge.  Die  Beurteilung  des  Kieferbogens  der  Anuren  und  seiner  Teile 
bietet  verschiedene  Schwierigkeiten  dar.  Was  zunächst  das  Palatoquadratum 
selbst  mit  seinen  Fortsätzen  anlangt,  so  sind  der  Proc.  ascendens  und  der  Proc. 
basal is  ohne  Schwierigkeit  mit  den  gleichnamigen  Gebilden  bei  den  Urodelen  zu 
vergleichen.  Wie  bei  diesen,  so  verläuft  auch  bei  den  Anuren  der  1.  Trigeminusast 
medial  vom  Proc.  ascendens  nach  vorn,  während  die  beiden  anderen  Aeste  hinter 
dem  Fortsatz  hinweg  verlaufen  (Stöhr  1881).  Gegenüber  den  Urodelen  zeigen  die 
Anuren  ein  weiter  fortgeschrittenes  Verhalten  darin,  daß  sie  den  Fortsatz  nur  larval 
besitzen,  bei  der  Metamorphose  aber  verlieren.  Andererseits  erscheint  die  gelenkige 
Verbindung  des  Proc.  basalis  an  der  Ohrkapsel  bei  den  x\nuren  als  ein  primi- 
tiver Zustand  gegenüber  der  kontinuierlichen  Verwachsung  bei  den  Urodelen.  Die 
Anuren  sind  noch  nicht  so  vollständig  monimostyl  wie  die  Urodelen.  Bezüglich  des 
Proc.  oticus  liegt  eine  Schwierigkeit  darin,  daß  das  Quadratum  der  Anuren  sich 
zeitlich  zwei  Mal  mit  dem  lateralen  Umfang  der  Ohrkapsel  verbindet:  zuerst  wäh- 
rend der  Larvenperiode  (larvaler  Proc.  oticus)  und  dann,  nachdem  diese  Verbindung 
bei  der  Metamorphose  zerstört  wurde,  noch  einmal.  Es  kann  zweifelhaft  sein,  welche 
dieser  beiden  Verbindungen  mit  der  zu  vergleichen  ist,  die  sich  bei  den  Urodelen 
findet;  das  Wahrscheinlichere  dürfte  aber  wohl  sein,  daß  für  diesen  Vergleich  die 

Handbuch  der  Entwickelungslehre.  III.  2.  4:7 


738  E.  Gaupp, 

definitive  Quadrat-Ohrkapselverbindung  der  Anuren  in  Betracht  kommt,  während 
der  larvale  Proc.  oticus  nur  als  eine  spezielle  provisorische,  in  die  Ontogenese  ein- 
geschobene Ijarveneinrichtung  aufzufassen  sein  dürfte.  Eine  besondere  Anpassung 
an  den  larvalen  Kieferapparat  ist  auch  der  Proc.  muscuiaris.  Für  die  larvale 
Commissura  quadrato-cranialis  anterior  findet  sich  bei  den  Urodelen 
kein  Analogen;  em  Proc.  pterygoideus  ist  dagegen  auch  bei  diesen  vorhanden, 
wenn  auch  gewöhnlich  nicht  in  der  Ausdehnung  wie  bei  den  Anuren  (s.  p.  703). 
Noch  nicht  sj^ruchreif  ist  die  Frage,  wie  die  beiden  letztgenannten  Verbindungen 
auf  Verhältnisse  des  Palatoquadratums  bei  den  Fischen  zu  beziehen  sind.  Die  Com- 
missura quadr.-cran.  ant.  wird  seit  Huxley  (1876)  mit  der  vorderen  Verbindung  des 
Subocularbogens  der  Petromyzonten  verglichen  und  bietet  in  der  That  mit  dieser 
große  Aehnlichkeit.  Für  den  Vergleich  mit  den  gnathostomen  Fischen  ist  zunächst 
so  viel  klar,  daß  nur  Teile  der  Pars  palatina  des  Fischpalatoquadratnms  als  Ver- 
gleichsobjekte in  Frage  kommen  können.  Und  da  auch  in  den  Aufbau  des  bleiben- 
den Proc.  pterygoideus  das  proximale  Stück  der  Comm.  quadr.-cran.  ant.  eingeht, 
letzteres  also  beiden  Bildungen  gemeinsam  ist,  so  handelt  es  sich  wesentlich  um  eine 
Beurteilung  der  distalen  Abschnitte  und  deren  Verbindungen  mit  dem  neuralen 
Cranium.  Hier  bestehen  zwei  Möglichkeiten.  Entweder  repräsentiert  die  larvale 
Verbindung  der  Comm.  quadr.-cran.  ant.  mit  der  Trabekel  die  Junctura  ethmo-pala- 
tina  der  Fische,  d.  h.  die  Verbindung  am  Antorbitalfortsatz  (auch  bei  den  Anuren 
entsteht  der  Antorbitalfortsatz  in  dem  Winkel  über  der  fraglichen  Verbindung!):  in 
diesem  Falle  würde  für  die  definitive  Verbindung  des  Anurenquadratums  (die 
des  Proc.  pterygoideus  mit  dem  Proc.  maxillaris  posterior  der  Nasenkapsei)  als 
einigermaßen  vergleichbare  Einrichtung  nur  die  zweite  vordere  Verbindung  des 
Palatoquadratums  (Junct.  rostro-palatina)  in  Betracht  kommen,  die  sich  bei  manchen 
Teleostiern  in  einiger  Entfernung  vor  der  ersteren  findet.  Ihr  könnte  die  larvale, 
durch  das  Lig.  quadrato-ethmoidale  hergestellte  Verbindung  des  Palatoquadratums 
der  Anuren  mit  dem  Trabekelhorn  entsprechen,  und  die  Besonderheit,  daß  der 
Knorpel,  der  sich  in  dieses  Band  hinein  entwickelt,  nicht  bis  an  das  Trabekelhorn 
vordringt,  sondern  sich  vorher  mit  dem  Proc.  maxill.  post.  der  Nasenkapsel  ver- 
bindet, würde  als  spezielle  Amphibieneigentümlichkeit  zu  betrachten  sein,  bo  habe 
ich  früher  die  Dinge  betrachtet.  Zur  Erwägung  steht  aber  noch  eine  andere  Deu- 
tung (Gaupp  1901):  die  Commissura  quadr.-cran.  ist  überhaupt  nicht  auf  eine  bei 
gnathostomen  Fischen  bestehende  Einrichtung  zurückzuführen,  sondern,  ähnlich  wie 
der  larvale  Proc.  oticus,  eine  besondere  provisorische  larvale  Bildung  (möglicherweise 
auf  Petromyzonzustände  beziehbar),  die  Verbindung  des  Proc.  pterygoideus  mit  dem 
Proc.  maxillaris  posterior  dagegen  ist  aus  der  alten  Verbindung  des  Palatoquadra- 
tums mit  dem  Antorbitalfortsatz  bei  den  Fischen  hervorgegangen.  Die  Unklarheit, 
die  noch  bezüglich  des  sog.  Palatoquadratums  der  Petromyzonten  besteht,  erschwert 
die  Entscheidung.  —  Jedenfalls  ist  aber  auch  der  Proc.  pterygoideus  auf  die  Pars 
palatina  des  Fischpalatoquadratnms  zurückzuführen;  sein  spätes  Auftreten  in  der  On- 
togenese findet  —  abgesehen  davon,  daß  auch  bei  Selachiern  die  Pars  palatina  später 
auftritt  als  die  Pars  quadrata  —  bei  den  Anuren  eine  Erklärung  in  dem  Vorhanden- 
sein der  larvalen  Commissura  quadr.-cran.,  deren  Ausbildung  wieder  in  Zusammen- 
hang steht  mit  dem  späten  Auftreten  des  Antorbitalfortsatzes,  d.  h.  mit  der  durch  das 
Larvenleben  verzögerten  Ausbildung  des  Nasenskelettes.  Darin,  daß  bei  den  Anuren 
der  Proc.  pteryg.  so  weit  nach  vorn  reicht,  prägt  sich  ein  primitiveres  Verhalten  aus, 
als  es  die  meisten  Urodelen  zeigen  (s.  auch  die  dort  gemachten  Bemerkungen). 

Hyobranchialskelett.  Die  erste  Entwickeliing  des  Hyo- 
branchialskelettes  bei  Rana  fusca  verläuft  (hauptsächlich  uach  Stöhr) 
folgendermaßen : 

Das  Hyale  ist  schon  sehr  frühzeitig  (Stadium  mit  5  kompakten 
Schlundfalten,  Spemann)  jederseits  als  eine  Gewebsverdichtung  er- 
kennbar, die  in  ähnlicher  Form  wie  später  die  Schlundhöhle  umzieht, 
von  der  der  anderen  Seite  deutlich  abgesetzt.  Bei  Larven  kurz  vor 
dem  Ausschlüpfen  wird  die  ebenfalls  paarige  Anlage  des  ersten  Bran- 
chialbogens  sichtbar,  bei  9 — 10  mm  langen  Larven  die  des  Bran- 
chiale  II;  bald  darauf  erscheinen  auch  die  des  Brauch  iale  III 
und  die  des  Brauch  iale  IV:  alle  4  anfangs  selbständig  und  weder 
in  der  Mittellinie  noch  untereinander  zusammenhängend.  In  der  Folge 
wachsen  die  Anlagen  heran,  die  beiderseitigen  Hyalia  vereinigen  sich 
in    der   ventralen   Mittellinie,    ebenso   die    beiderseitigen   ersten  Bran- 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes. 


739 


chialia,  und  in  der  Mittellinie  selbst  bildet  sich  eine  mediane  Anlage 
(Copula)  aus,  die  den  Hyal-  und  ersten  Branchialbogen  vereinigt 
(Fig.  373  a — c).     Die  Anlagen   der   3  übrigen  Kiemenbogen    erreichen 


Hy. 

Br.  II  -f2> 
Br.  III 


Br.  III 


Br.  IV 


Fig.  373a — c.  Larvale  Hyobranchialskelette  von  Raua  fusca.  Kombinations- 
bilder, 20mal  vergr.  Nach  Stöhr.  a  von  einer  etwa  9  mm  langen  Larve;  Vor- 
knorpelstadium, b  von  einer  etwas  älteren  Larve;  Vorknorpelstadium,  c  von  einer 
12  mm  langen  Larve;  die  meisten  Teile  sind  nun  knorpelig,  außer  dem  ventralen 
Verbindungsteil  der  4.  Branchialia.     Commissurae  terminales  ausgebildet. 


die  ventrale  Mittellinie  nicht,  sondern  legen  sich  nur  mit  ihren  medial- 
ventralen Enden  an  ihre  Vordermänner  an  und  verschmelzen  mit 
diesen.  Die  knorpelige  Differenzierung  vollzieht  sich  in  derselben 
Reihenfolge,  in  der  die  vorknorpeligen  Anlagen  auftraten;  die  Ver- 
knorpelung  beginnt  selbständig  in  den  Seitenteilen  der  einzelnen  Bogen 
und  schreitet  medialwärts  vor. 

Die  wichtigsten  formalen  Veränderungen  erfahren  das  Hyale  und 
das  Branchiale  I.  Die  Anlage  des  Hyale  ist  anfangs  von  der  des 
Palatoquadratums  durch  die  1.  Schlundfalte  getrennt,  bald  aber  erlangt 
das  obere  Ende  ihres  seitlichen  Teiles  den  Anschluß  an  die  Ventral- 
fläche des  Palatoquadratums  in  kurzer  Entfernung  hinter  dem  Kiefer- 
gelenk (die  Anlagerungsstelle  ist  in  Fig.  367,  a.  p.  725,  erkennbar,  aber 
nicht  bezeichnet).  Dies  ist  dadurch  möglich,  daß  der  hier  befindliche 
untere  Teil  der  L  Schlundfalte  verstreicht,  indem  er  sich  in  dem  gleichen 
Maße  zurückzieht,  als  sich  von  dem  dorsalen  Teil  der  Falte  aus  die 
Tuba  auditiva  entwickelt  (Spemann).  Der  Anschluß  des  Hyale  an  das 
Quadratum  ist  ein  sehr  inniger;  beide  Anlagen  hängen  eine  Zeit  lang 
durch  ein  Gewebe  zusammen,  das  vom  vorknorpeligen  nicht  zu  unter- 
scheiden ist.  Erst  bei  der  Verknorpelung  bildet  sich  ein  Gelenk 
zwischen  beiden  Skelettstücken  aus.  Auch  im  ventral-medialen  Gebiet 
vollziehen  sich  nach  der  Vereinigung  der  beiderseitigen  Anlagen  Ver- 
änderungen. Die  mittelste  Partie  sondert  sich  (als  Pars  reuniens, 
Gaupp)  von  den  beiden  Seitenteilen  ab ;  sie  hängt  nach  der  Ver- 
knorpelung zwar  kontinuierlich  mit  den  letzteren  zusammen,  unter- 
scheidet sich  aber  von  ihnen  dadurch,  daß  die  Knorpelkapseln  kleiner 
und  die  Kapselwände  selbst  dicker  sind  (ihre  Grenzen  sind  in  Fig.  373  c 
angegeben).  Die  P.  reuniens  geht  nach  hinten  hin  kontinuierlich  in 
die  Copula  (Cop.  II)  über,  die  sich  nach  der  Verknorpelung  durch 

47* 


740 


E.  Gaupp, 


den  Charakter  des  Knorpels  ziemlich  scharf  von  der  P.  reuniens  unter- 
scheidet, sich  in  der  Mittellinie  nach  hinten  erstreckt,  mit  den  me- 
dialen Enden    der  beiderseitigen    ersten    Branchialia   zusammenhängt. 


Co.  I 


P.  reun. 
Co.  II 


Plan,  hypobranch. 
Hyale 


Proc.  branch. 


Kbr.  II 


Comm.  term. 

Fig.  374.  Hyobranchialskelett  einer  29  mm  langen  Larve  von  Rana  fusca. 
Ventralansicht.  Nach  einem  bei  SOfacher  Vergr.  hergestellten  Plattenmodell  (kopiert 
von  F.  ZiEGLER-Freiburg).     Verhältnis  von  Abbildung  zu  Modell  =  1:3. 

und  später  über  diese  Verbindungsstelle  hinaus  kaudalwärts  in  Form 
eines  stumpfen  ventralen  Fortsatzes  vorspringt  (Fig.  374).  Am  ersten 
Branchialbogen  ist  das  bemerkenswerteste  die  Verbreiterung  seines 
medial-ventralen  Abschnittes,  der  mit  dem  der  anderen  Seite  in  der 
Mittellinie  zur  Vereinigung  kommt,  zu  einer  breiten  Platte,  der  Hypo- 
branchialplatte  (Ridewood),  die  nach  der  Verknorpelung  mit  den 
medialen  Enden  der  3  übrigen  Bogen  zusammenhängt.  Daß  diese 
Platte  thatsächlich,  wenigstens  zum  größten  Teil,  von  dem  ventralen 
Abschnitt  des  1.  Branchiale  gebildet  ist  (während  die  übrigen  Bran- 
chialia sich  nur  mit  ihren  Vordermännern  verbinden),  gielat  Stöhr 
au.  Der  spangenförmige  Abschnitt  des  Branchiale  I,  sowie  die  3 
hinteren  Branchialia  können  dann  als  Ker  atob  rauch ialia  (ent- 
sprechend den  gleichnamigen  Stücken  der  Urodelen)  bezeichnet  werden. 
Von  den  weiteren  Veränderungen  des  Hyobranchialskelettes  sind 
noch  zu  nennen:  1)  die  Ausbildung  der  Commissurae  termi- 
nales (Gaupp),  d.  h.  knorpeliger  Verbindungen  zwischen  den  dor- 
salen Enden  der  4  Branchialbogen;  2)  die  Entstehung  von  4  Spi- 
cula  (Gaupp),  knorpeliger  langer  Stacheln,  die  den  Wurzeln  der 
4  Branchialbogen  dorsal  aufsitzen ;  3)  die  Ausbildung  kurzer  stumpfer 
Knorpelhöcker  an  den  4  Branchialia  und  ihren  dorsalen  Kommissuren: 

4)  die  Ausbildung  des  Proc.  branchialis  (F.  E.  Schulze),  d.  h. 
einer  henkeiförmigen  Verbindung  zwischen  dem  Branchiale  II  und 
dem  Branchiale  III,  an  der  Ventralseite,  nahe  der  Hypobranchialplatte ; 

5)  das  Auftreten  einer  kleinen  medianen  Knorpelbiklung  (Copüla  I) 
vor  der  Pars  reuniens  der  Hyalia,  in  dem  Ligament,  das  die  vorderen, 
über  die  Pars  reuniens  vorragenden  Fortsätze  beider  Hyalia  verbindet. 
(Alle  diese  Teile  sind  in  Fig.  374  sichtbar.) 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes. 


741 


Das  larvale  Hyobranchialskelett  auf  der  Höhe  seiner  Entwickelung  stellt,  ab- 
gesehen von  dem  kleinen  isolierten  medianen  Knorpel  vor  der  Pars  reuniens  der 
Hyalia,  ein  knorpeliges  Continuum  dar,  dessen  specielle  Gestaltung  aus  Fig.  374  er- 
sichtlich ist.  Näher  auf  dieselbe  und  die  Bedeutung  aller  Einzelheiten  im  Zusammen- 
hang mit  den  Einrichtungen  des  larvalen  Kiemenapparates  einzugehen,  würde  hier 
zu  weit  führen ;  ich  verweise  in  dieser  Hinsicht  auf  die  Arbeiten  von  F.  E.  Schulze 
(1892)  und  mir  selbst  (1893).  Beachtenswert  ist  am  Hyale  die  breite,  durch  P'ort- 
sätze  komplizierte  Form;  vom  Branchiale  i  sei  noch  erwähnt,  daß  es  streckenweise 
in  zwei  Spangen,  eine  dorsale  und  eine  ventrale,  gespalten  ist. 

Die  vergleichend- morphologische  Auffassung  aller  einzelnen  Teile  des  Hyo- 
branchial&kelettes  ist  noch  nicht  ganz  sichergestellt.  Die  bei  Rana  nur  unbedeutende 
Co  pul  a  I  ist  bei  Alytes  viel  größer  und  kräftiger  (Gaupp  1893)  und  während  der 
Entwickelung  in  ihrem  hinteren  Teil  deutlich  paarig  (Kallius  1901).  Daß  sie  als  ein 
Basi hyale  (Copula  des  Hyalbogens)  aufzufassen  ist,  habe  ich  (1893)  vermutungs- 
weise ausgesprochen.  Die  Verhältnisse  bei  der  Ichthyophislarve  sprechen  zu  Gunsten 
dieser  Vorstellung  (s.  Apoden).  Die  Hauptcopula  wäre  dann  ein  Basibranchiale  I; 
ob  der  P.  reuniens  des  Hyalbogens  eine  besondere  morphologische  Bedeutung  zu- 
kommt, oder  ob  die  Eigenart  ihrer  Struktur  lediglich  funktionell  begründet  ist,  bleibt 
festzustellen.  Die  Hypobranchialplatte  ist  in  der  Hauptsache  wohl  dem  Hypo- 
branchiale  I  der  Urodelen  zu  vergleichen ;  doch  scheint  mir  die  Frage  der  Prüfung 
wert,  ob  nicht  auch  iVIaterial  eines  zweiten  Hypobranchiale  zu  ihrer  Bildung  beiträgt. 
Eine  Aehnlichkeit  des  Proc.  postero-medialis,  der  später  aus  ihrer  kaudal-raedialen 
Eandpartie  hervorgeht,  mit  dem  Hypobranchiale  II  der  Urodelen  ist  unverkennbar. 
Daß  die  4  spangenförmigen  Abschnitte  des  Branchialskelettes  den  Keratobranchialia 
der  Urodelen  entsprechen,  ist  unbezweifelbar.  Dem  Hyobranchialskelett  der  letzteren 
gegenüber  ist  besonders  die  kontinuierliche  Verknorpeiung  des  ganzen  Apparates  bei 
den  Anuren  hervorzuheben. 

Die  Vorgänge  bei  der  Metamorphose  des  geschilderten  larvalen 
Apparates  sind  von  mir  selbst  (1893)  genau  verfolgt  worden.  Sie  be- 
stehen, wie  am  übrigen  Chondrocranium,  in  Zerstörung,  Umbildung, 
Neubildung.  Der  größte  Teil  des  larvalen  Apparates  geht  verloren: 
zu  Grunde  gehen  die  Copula  anterior,  die  Pars  reuniens  und  die  Haupt- 
copula in  ihrer  vorderen  Hälfte,  ebenso  die  4  Branchialia. 

Das  Hyale  bleibt  seiner  Bestimmung,  den  ganzen  Apparat  mit 
dem  Schädel  zu  verbinden,  getreu,  verändert  aber  seine  Form  sehr 
erheblich    in    dem  Maße,   als    das  Palatoquadratum  nach  hinten  rückt. 


Manul) 


Proc.  ant.  com.  hy. 


II 


Fig.  375.  Hyobranchial- 
skelett einer  Larve  von 
Ranafusca  gegen  das  Ende 
der  Metamorphose.  Ven- 
tralansicht. Nach  einem 
bei  oOfacher  Vergr.  her- 
gestellten Plattenmodell 
(kopiert  von  Fr.  Zieglee,- 
Freiburg).  Linkerseits  sind 
auch  Partieen  mit  darge- 
stellt, die  bereits  zerstört 
sind  und  nur  durch  das 
noch  erhaltene  Perichon- 
drium     begrenzt    werden ; 

dieselben    sind    eng  punk-  „  ,         , 

tiert.     Durch  weite  Punk-  ' 

tierung  sind  die  Knorpelpartieen  kenntlich  gemacht,   die  bei  der  Metamorphose  neu- 
gebildet werden.     Verhältnis  von  Abbildung  zu  Modell  ^=1:3. 


Plan,  hypobr. 
Com.  hyale 


Während  es  in  der  Larvenzeit  durchaus  in  transversaler  Richtung  ent- 
wickelt war,  wächst  es,  mit  seiner  Pars  lateralis  an  das  Palatoquadratum 
gebunden,  beim  Zurückweichen  des  letzteren  sehr  erheblich  nach  hinten 
hin  aus,  und  hierdurch,  sowie  durch  ausgedehnte  Zerstörungsprozesse 
wird  es   in   einen   schlanken  Knorpelstab   umgewandelt,   der   zugleich 


742 


E,  Gaupp, 


seine  engen  Beziehungen  zum  Palatoquadratum  aufgiebt  und  während 


das 
um 
anzulegen 


Form  ändert,  medial  von  ihm  in  die  Höhe  rückt, 
der  Fenestra  vestibuli  an  die  Basis  der  Ohrkapsel 
ist  eine  eigentümliche  Umänderung  der  Lagebe- 
auditiva  bemerkenswert:  während  früher  die  Tuba 
hinter  der  Quadrato-Hyalverbindung  verlief,  schiebt  sich  nunmehr  das 
Hyale  hinter  der  Tuba  in  die  Höhe.  Zugleich  ändert  sich  die  Art 
seiner  Verbindung  mit  den  übrigen  Teilen  des  Hyobranchialapparates 
in  dem  Maße,  als  die  Copula  ihre  funktionelle  Bedeutung  als  Centrum 


Ziehung 


letztere    seine 

sich  unterhalb 

Dabei 

Tuba 


zur 


Proc.  ant.  com.  hy. 


Älanubriuvi 


-Fror.  alar. 


\  i Com.  hyale 


Corpus 


Proc.  post.  lat. 


P'oc.  post.  med. 


Fig.  376.  Zungenbeinknorpel  eines  jungen  umgewandelten  Frosches  (R.  fusca). 
von  2  cm  Länge.  Ventralansicht.  Nach  einem  bei  25facher  Vergr.  hergestellten 
Plattenmodell  (kopiert  von  Fr.  Ziegler).  Verhältnis  der  Abbildung  zum  Modell 
=  ca.  2:3;  also  etwa  16mal  nat.  Gr.  Die  längsgestreifte  Partie  des  Proc.  postero- 
medialis  ist  knöchern,  alles  übrige  knorpelig. 

des  ganzen  Systems,  die  sie  im  Larvenleben  besitzt,  aufgiebt  und 
der  partiellen  Zerstörung  anheimfällt.  Neugebildeter  Knorpel,  der 
neben  der  Copula  auftritt,  vermittelt  jene  Verbindung  des  Hyale  oder, 
wie  es  nun  zu  nennen  ist,  des  Cornu  hyale,  in  Form  eines  Manu- 
brium  (Fig.  375,  376).  Als  Neubildung  tritt  am  Cornu  hyale  ein 
Proc.  anterior  auf.  Aus  den  beiden  Hypobranchialplatten,  dem  hinteren 
Abschnitt  der  Copula  und  aus  Knorpel,  der  neben  dem  letzteren  neu 
auftritt,  bildet  sich  schließlich  eine  kontinuierliche  Platte,  (his  Corpus 
cartilaginis  hyoideae,  an  der  als  sekundäre  Bildungen  die 
Processus  alares  und  postero-laterales  sich  bilden  (Fig.  376).  Die 
Processus  postero-mediales  (Proc.  thyreoidei)  gehen  nicht  etwa  aus 
einem  Keratobranchiale  hervor,  sondern  sind  die  erhalten  bleibenden 
kaudal-inedialen  Randteile  der  Hypobranchialplatten  (Hypobranchialia  II? 
s.  0.  p.  741). 

Die  hier  angewendete  Nomenklatur  ist  in  der  Hauptsache  die  von  mir  (1893)  vor- 
geschlagene und  gebrauchte.  BeiPelodytes  punctatus,  dessen Hyobranchialskelett 


Die  Entwickeluug  des  Kopfskelettes.  743 

von  RiDEWOOD  in  seiner  Ausbildung  verfolgt  ist,  entwickeln  sich  die  bei  der  Metamor- 
phose neu  entstehenden  Proc.  anteriores  der  Hyalia  nicht  direkt  nach  vorn,  sondern 
medialwärts ;  die  beiderseitigen  kommen  zur  Berührung  und  begrenzen  so  mit  dem 
Vorderrand  des  Zungenbeinkörpers  und  den  beiden  Manubria  eine  Üeffnung,  durch  die 
der  M.  hyoglossus  hindurchzieht  (hyoglossal  sinus).  Der  hintere  Teil  des  Cornu  hyalc 
löst  sich  von  dem  vorderen  los;  das  freie  Ende  des  letzteren  verschmilzt  mit  dem  Proc. 
alaris,  so  daß  im  seitlichen  Teil  des  Zungenbeinkörpers  eine  Oeffnung  (For.  laterale) 
zu  Stande  kommt.  (Das  Gleiche  ist  der  Fall  bei  Pelobates.)  Der  Proc.  postero-lateralis 
geht  aus  dem  persistierenden  proximalen  Abschnitt  des  Keratobranchiale  I  hervor. 
Die  übrigen  Veränderungen  sind  prinzipiell  die  gleichen  wie  bei  Rana;  die  Proc. 
postero-mediales  s.  thyreoidei  gehen  auch  hier  aus  der  erhalten  bleibenden  Rand- 
partie der  Hypobranchialplatte  hervor.  Besonderheiten  von  Alytes  obstetricans 
sind  (nach  Ridewood)  :  Am  larvalen  Hyobranchialskelett  besteht  eine  vordere  Copula 
(Gaupp,  1893) ;  die  Copula  II  trennt  die  beiderseitigen  Hypobranchialplatten,  die 
somit  nicht  zur  Vereinigung  kommen;  von  den  4  Keratobranchiaha  hängt  nur  das 
4.  kontinuierlich  knorpelig  mit  der  Hypobranchialplatte  zusammen,  das  3.  und 
1.  sind  bindegewebig  mit  ihr  verbunden,  das  2.  ist  von  ihr  sogar  durch  einen 
Zwischenraum  getrennt  und  wird  nur  durch  seine  Verbindungen  mit  dem 
1.  und  3.  in  seiner  Lage  gehalten ;  die  proximalen  Enden  des  1.  und  2.  Kerato- 
branchiale hängen  knorpelig  zusammen.  Die  Veränderungen  bei  der  Meta- 
morphose ,sind  im  wesentüchen  dieselben  wie  bei  Rana,  der  Proc.  i^ostero-lateralis 
ist  also  auch  eine  Neubildung  (im  Gegensatz  zu  Pelodytes);  die  Copula  I  geht  zu 
Grunde.  —  Sehr  abweichend  erscheint  die  Form  des  Zungenbeines  der  Aglossa 
(Xenopus  und  Pipa),  doch  ist  auch  hier  die  Form  des  larvalen  Hyobranchial- 
skelettes,  von  unwesentlichen  Besonderheiten  abgesehen,  die  glfeiche  wie  bei  den  Pha- 
neroglossa.  Die  wichtigen  Abweichungen  erscheinen  erst  während  und  nach  der  Me- 
tamoqjhose.  Bei  Pipa  gehen  die  Hyalia  völlig  zu  Grunde ;  die  kurzen  Stiele  aber, 
durch  die  sie  mit  der  Copula  verbunden  waren,  wachsen  vorher  in  der  Länge  (den 
Manubria  bei  Rana  entsprechend)  und  vereinen  sich  mit  ihren  vorderen  Enden  unter- 
einander. So  kommt  das  geschlossene  Foramen  M.  hyoglossi  zustande,  das  für  beide 
genannte  Formen  charakteristisch  ist.  Bei  Xenopus  bleiben  die  Hyalia  erhalten. 
Die  breiten  Platten  (Alae)  des  Zungenbeins  der  Aglossa  entstehen  von  den  Hypo- 
branchialplatten aus.  Die  Processus  thyreoidei  haben  bei  Pipa  die  gleiche  Ent- 
stehung wie  bei  den  Phaneroglossa ;  bei  Xenopus  läßt  Ridewood  sie  mehr  als  Aus- 
wüchse der  Hypobranchialplatten  auftreten.  Sekundär  erfolgen  bei  beiden  Formen 
Verwachsungen  zwischen  dem  Zungenbein  und  dem  Kehlkopfskelett. 

II.  Die  knöchernen  Elemente  des  Schädels. 

Im  Gegensatz  zu  den  Urodelen  erfolgt  bei  den  Anuren  die 
Knochenbildung  am  Schädel  sehr  spät.  Während  bei  den  Urodelen 
die  Deckknochen  der  Mundhöhle  noch  in  den  Eihüllen,  wenige  Wochen 
nach  der  Befruchtung  des  Eies,  die  Entwickelung  beginnen,  zu  einer 
Zeit,  wo  das  Primordialcranium  noch  wenig  vom  umgebenden  Gewebe 
gesondert,  und  das  Geruchsorgan  erst  als  ein  kleines  Grübchen  wahr- 
nehmbar ist,  fehlen  Knochen  bei  Anurenlarven,  die  das  Ei  verlassen 
haben,  noch  völlig  und  treten  erst  in  einer  späteren  Periode  des 
Larvenlebens  auf,  wenn  das  Primordialcranium  schon  einen  hohen 
Grad  der  Ausbildung  erlangt  hat,  und  das  Geruchsorgan  mit  seinen 
Nebenhöhlen  bereits  vollständig  angelegt  ist  (0.  Hertwig).  Auch  die 
Reihenfolge,  in  der  die  Knochen  auftreten,  weicht  von  der  bei 
den  Urodelen  ab :  so  ist  z.  B.  das  Parasphenoid  bei  den  Urodelen  ein 
sehr  spät  entstehender  Knochen,  während  es  sich  bei  den  Anuren  von 
allen  Deckknochen  am  frühesten  bildet. 

Wie  bei  den  Urodelen ,  so  sind  aber  auch  bei  den  Anuren  die 
Deckknochen  die  zuerst  entstehenden  knöchernen  Elemente;  die 
Ersatzknochen  folgen  erst  viel  später  nach. 

Knochen  des  Oberseliädels. 

a)  Er satzknochen. 

Im  Bereiche  des  neuralen  Craniums  entstehen  als  Er  satz- 
knochen    des     Knorpelschädels:      das     Pleuroccipitale, 


744  E.  Gaupp, 

Prooticum,  Colli  mellare  und  das  sog.  Ethmoidale  (Os  eu 
ceinture).  Im  Palatoquadratiim  kommt  es  nur  an  der  Pars  articularis 
zu  einer  Verknöcherung  und  auch  diese  ist  nicht  ganz  selbständig, 
sondern  setzt  sich  von  dem  als  Deckknochen  entstehenden  Quadra- 
tom  axillare  fort  (s.  Deckknochen). 

Pleuroccipi tale.  Ersetzt  den  Occipitalteil  des  Craniums  und  die  hintere 
Partie  der  Ohrkapsel;  dazu  je  eine  seithche  Hälfte  des  Tectum  synoticum  und  der 
hinteren  Partie  der  Basalplatte.  Die  Knochenhildung  ist  perichondral  und  nimmt  am 
For.  jugulare  ihren  Ausgang.  Die  mediane  Partie  des  Tectum  synoticum  und  der 
Basalplatte,  sowie  der  Ueberzug  der  Condyli  occipitales  bleiben  knorpelig. 

Prooticum.  Ersetzt  die  vordere  Partie  der  Ohrkapsel  nebst  einer  seitlichen 
Hälfte  der  vorderen  Partie  der  Basalplatte  und  den  hintern  Theil  der  orbito- 
temijoralen  Schädelseitenwand.  Die  Verknöcherung,  perichondral,  beginnt  am  Foramen 
prooticum. 

Eine  mittlere  quere  Zone  der  Ohrkapsel  (mit  der  Fenestra  vestibuli),  die  mediane 
Partie  der  Basalplatte  und  des  Tectum  syrioticum,  dazu  die  übrigen  Deckenspangen 
(Taen.  tecti),  bleiben  knorpelig;  im  Alter  können  knöcherne  Verschmelzungen  erfolgen. 

Columellare.  Entsteht  als  perichoudrale  Verknöcherung  des  mittleren 
Abschnittes  des  Plectrum,  Operculum,  Pseudoperculum  und  Pars  externa  plectri 
bleiben  knorpelig.  Durch  die  Verknöcherung  wird  eine  Zerlegung  des  im  Knorpel- 
zustand einheitlichen  Plectrums  in  drei  Abschnitte,  Pars  interna,  P.  media  und  P. 
externa  bewirkt.     Die  P.  media  ist  der  knöcherne  Abschnitt. 

Ethmoidale.  Entsteht  (R.  fusca)  paarig,  und  jederseits  von  2  Lamellen  aus, 
einer  äußeren  und  einer  inneren.  Die  äußere  beginnt  sich  hinter  dem  For.  orbito- 
nasale  an  der  orbitalen  Schädelseiteuwand  abzulagern,  die  innere  nimmt  ihren  Anfang 
in  der  Gegend  des  For.  olfactorium.  Sehr  bald  erfolgt  eine  Vereinigung  der  beider- 
seitigen entsprechenden  Lamellen,  und  zwar  zuerst  basal,  später  auch  dorsal  (Dach 
der  Nasenkapsel).  Bei  fortschreitender  Verdickung  der  inneren  und  der  äußeren 
Lamellen  wird  der  Knorpel  zerstört,  es  entstehen  Markräume  im  Knorpel,  in  die  der 
Knochen  einwächst.  Der  Knochen  dehnt  sich  so  hauptsächlich  auf  den  vordersten 
Teil  der  Orbito-temporalregion,  aber  auch  eine  Strecke  weit  auf  das  Planum  ant- 
orbitale,  das  Septum,  Tectum  und  Solum  nasi  aus. 

Die  Homologie  des  Knochens  ist  strittig;  gegen  den  naheliegenden  Vergleich 
mit  dem  Orbitosphenoid  der  ürodelen  macht  Wiederrheim  die  Lokalität  des  Aus- 
ganges der  Ossifikation  geltend  (1875,  S.  101  ff.).  Er  hält  es  dagegen  für  ein  dem 
Ethmoidale  der  Apoden  entsprechendes  Element.  GEGENBAnR  (1898)  betrachtet  es 
als  dem  Orbitosphenoid  der  Ürodelen  homolog.  Sehr  naheliegend  ist  der  Vergleich 
der  beiden  Hälften  des  Ethmoidale  der  Anuren  mit  den  beiden  Pleuroethmoidalia 
der  Ganoiden  und  Teleostier,  den  Ossifikationen  der  Processus  antorbitales  des 
Knorpelschädels.  Schon  Bruch  hat  (1862)  auf  diese  Homologie,  die  auch  mir  sehr 
wahrscheinlich  ist,  hingewiesen.  Dagegen  ist  die  Homologie  mit  dem  Ethmoidale 
der  Säuger  sehr  fragwürdig. 

Der  größte  Teil  des  Ethmoidalskelettes  bleibt  zeitlebens  knorpelig  erhalten. 

b)  D  e  c  k  k  n  0  c  h  e  n. 

Die  Deckknochen  am  Oberschädel  der  Anuren  sind:  Parie- 
tale, P'rontale,  Nasale,  Septomaxillare,  Paraqu  adratum  , 
Quadratom axillare,  die  alle  paarig  sind;  dazu  kommen  die 
Knochen,  die  an  der  ümwandung  der  Mundhöhle  teilnehmen:  das 
unpaare  P  a  r  a  s  p  h  e  n  o  i  d  und  die  paarigen  P  r  a  e  m  a  x  i  1 1  a  r  e,  M  a x  i  1  - 
1  a  r  e ,  V  o  m  e  r ,  P  a  1  a  t i  n  u  m ,  P  t  e  r  y  g  o  i  d.  Die  meisten  dieser  Stücke 
behalten  zeitlebens  ihre  Selbständigkeit  und  können  (wenigstens  bei 
Rana)  noch  am  erwachsenen  Schädel  leicht  vom  primordialen  Gerüst 
losgelöst  werden;  nur  das  Quadratom  axillare  wächst  frühzeitig 
in  den  Knorpel  des  Quadratums  ein.  Parietale  und  P'rontale  ver- 
schmelzen frühzeitig  untereinander. 

Die  Entstehung  der  K  n  o  c h  e  n  der  M  u  n  d  höhle  vollzieht  sich 
bei  den  Anuren,  wie  die  Untersuchungen  von  0.  Hertwig  ergeben, 
in  vieler  Hinsicht  anders  als  bei  den  Ürodelen.  Die  Unterschiede 
betreffen   nicht   nur   die  zeitlichen  Verhältnisse,    die  schon  er- 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes. 


745 


wähnt  wurden,  sondern  auch  die  A  r  t  u  n  d  Weise  d  e  r  E  n  t  s  t  e  h  u  n  g. 
Das  genetische  Verhältnis  der  Mundliühlenknochen  zu  den  Zähnen,  das 
bei   den  Urodelen   noch   zum   Ausdruck   kommt,   ist   bei   den   Anuren 


Cart.  nlii) 

Carl,  obliqiia 
Plan,  t er III. 
Proc.  ninx.  aiit 


Praema.c 


Septomaxül. 
Nasale 

Bl  axillare 


For.  opf. 

Proc.  'pleryf/. 

Pal.- Qu.  ' 
For.  oculomnt 
For.  proot. — 


All.  tymp. 


Pterycj. 

Frontoparietale 


Plectrum 

Quadr.  max. 
Pararjuadr. 


Pal.-Quadr 
P.  artic. 

Caps,  audit. 

Os  occip.  tat. 
Fig.  377.  Oherschädel  eines  jungen  umgewandelten  Frosches  (Eana  fusca)  von 
2  cra  Länge.  Linl^erseits  sind  die  Deckknochen  fortgelassen.  Dorsalansicht.  Nach 
einem  bei  25facher  Vergr.  hergestellten  Plattenmodell  (von  F.  Ziegler  kopiert).  Ver- 
hältnis der  Abbildung  zum  Modell  =  4:9;  die  Abbildung  entspricht  also  einer  ca. 
ntachen  Vergr.  der  natürlichen  Größe.  BlaurKnorpeb  Grau:  Ersatzknochen.  Gelb: 
Deckknochen. 


niclit  mehr  erkennbar.  Während  bei  den  Urodelen  die  Zähne  früher 
als  die  meisten  Knochen  (also  in  sehr  früher  embryonaler  Zeit)  angelegt 
werden,  tritt  bei  den  Anuren  die  Zahnbildung  erst  sehr  spät  auf,  zu 
einer  Zeit,  wo  das  Skelett  der  Mundhöhle  bereits  in  allen  seinen  Teilen 
fertig  ist.  Dieses  späte  Erscheinen  der  Zähne  bei  den  Anuren  hängt 
zusammen  mit  dem  Vorhandensein  des  provisorischen  Kauapparates 
(Hornkiefer  und  Hornzähne),  den  die  Anurenlarven  besitzen.  Aus 
Differenzen  ergiebt  sich  dann  ohne  weiteres,  daß  bei 
einziger  Knochen  mehr  ontogenetisch  aus  einer  Ver- 
Zähnen entsteht.  Zähne  und  Knochen  haben  sich 
hier  völlig  voneinander  emanzipiert  und  entwickeln  sich  selbständig: 
die  Knochen  durch  Osteoblasten-Thätigkeit  in  einem  sehr  zellenreichen 
Gewebe. 

Frontoparietale.  Die  gesonderten  Anlagen  eines  Parietale  und  eines  Frontale 
hat  DuGES  beschrieben:  das  Parietale  entsteht  am  Dach  der  Labyrinth-,  das  Frontale 
an  dem  der  Orbito-temporalregion,  Die  Verknöchern iig  begiimt  lateral  und  schreitet 
gegen  die  Mittellinie  vor.  Die  Verschmelzung  beider  Knochen  zu  einem  Frontopari- 
etale erfolgt  sehr  früh.  Der  Knochen  ruht  hinten  auf  der  Ohrkapscl,  dem  Tectuin 
synoticum,  den  Taen.  tect.  med.  und  Taen.  tect.  transv.  und  schließt  die  große  Dach- 


diesen  zeitlichen 
den  Anuren  kein 
Schmelzuno; 


von 


746  E.  Gaupp, 

fontanelle  der  Labyrinthregion ;  im  Gebiet  der  Orbito-temporalregion  ruht  er  mit 
seiner  lateralen  Partie  dem  oberen  Rande  der  Schädelseitenwand  auf,  das  vorderste 
Ende  schiebt  sich  auf  das  Dach  der  Nasen  kapsei  herauf. 

Nasale.     Entsteht  als  Deckknochen  auf  dem  Dach  der  Nasenkapsel. 

Septomaxillare.  Tritt,  Born  zufolge,  nach  vollendeter  Abschnürung  des 
Thränennasenganges  auf.  Es  zeigen  sich  zuerst  feine  Knochensplitter  um  die  einer 
knorpeligen  Stütze  entbehrende  äußere  Seite  des  mittleren  Blindsackes.  Von  da  aus 
verbreiten  sich  die  Knochensplitter  und  nehmen  allmählich  die  Form  des  definitiven 
Knochens  an.  Das  Septomaxillare  ist  also  ein  Deckknochen,  der  wie  bei  den  Urodelen 
im  Gebiete  der  hinteren  Hälfte  der  Fenestra  narina  liegt,  die  Decke  des  mittleren 
Nasenraumes  bilden  hilft  vmd  den  Kommunikationsgang  zwischen  dem  oberen  und 
dem  mittleren  Nasenraum  umschließt.  Zugleich  deckt  er  die  Nasenmündung  des 
Thränennasenganges  von  oben  oder  umgiebt  den  Ductus  mehr  oder  minder  vollständig 
(Pelobates,  Bombinator;  nach  Born). 

Der  kleine  Knochen  wurde  von  Duges  entdeckt  und  le  cornet  genannt.  Parker 
nennt  ihn  Septomaxillare,  Born  bezeichnet  ihn  infolge  seiner  Beziehung  zum  Ductus 
nasolacrimalis  als  Lacrimale  und  homologisiert  ihn  dem  einheitlichen  Praefroutale 
der  Urodelen.  Die  Unrichtigkeit  dieser  Anschauung  geht  daraus  hervor,  daß  bei 
manchen  Urodelen  ein  Septomaxillare  in  ganz  ähnlicher  Lage  wie  bei  den  Anuren 
vorhanden  ist,  neben  einem  typischen  einheitlichen  Praefroutale  (s.  Urodelen).  Auch 
für  die  Annahme  von  Peter  (1898),  daß  das  Septomaxillare  einem  vorderen 
Praefroutale  entspreche,  sind  bisher  keine  näheren  (xrüude  angeführt  worden.  Was 
schließlich  noch  die  Anschauung  Born's  betrifft,  daß  das  Septomaxillare  der  Anuren 
dem  Lacrimale  der  Amnioten  entspreche,  eine  Anschauung,  die  schon  von  P.  und 
F.  Sara  SIN  zurückgewiesen  wurde,  aber  von  Peter  wieder  vertreten  wird,  so  ist 
dagegen  zu  sagen,  daß  die  Saurier  neben  einem  Praefontale  und  einem  vom  Ductus 
nasolacrimalis  durchbohrten  Lacrimale  auch  noch  ein  Septomaxillare  in  ganz  ähn- 
licher Lage  wie  die  Anuren  besitzen.  Da  mir  die  Homologie  des  Septomaxillare  der 
Anuren  mit  dem  von  Parker  mit  dem  gleichen  Namen  bezeichneten  Knochen  der 
Urodelen  und  Saurier  jetzt  festzustehen  scheint,  so  ist  es  begründet,  den  von  mir 
1896  gebrauchten  Namen  ,,lutranasale"  zu  Gunsten  der  älteren  PARKER'schen  Be- 
zeichnung wieder   fallen  zu  lassen.     Ein  Homologon    besitzen   die  Apoden  (s.  diese). 

Paraquadratum.  Entsteht  zu  einer  Zeit,  wo  das  Palatoquadratum  noch 
die  Larvenstellung  einnimmt  (bei  Larven  von  R.  fusca  kurz  vor  der  Befreiung  der 
Vorderbeine,  also  mit  schon  beträchtlich  reduziertem  Schwänze),  d.  h.  während  das 
Quadrato-mandibulargelenk  noch  weit  vorn  unter  der  Orbitalregion  steht,  und  zwar 
als  knöcherne  Auflagerung  an  der  Außenfläche  des  Proc.  muscularis  s.  orbitalis, 
dicht  am  Vorderrande  dieser  breiten  aufsteigenden  Platte  (Gaupp  1894).  Es  ist  also 
ein  Deckknochen  an  der  lateralen  Seite  des  Palatoquadratums.  Während  der  Meta- 
morphose wird  der  Knochen  mit  dem  Palatoquadratum  kaudalwärts  verlagert  und 
breitet  sich  dann  auch  auf  die  Ohrkapsel  aus.  Auch  der  Proc.  zygomaticus  entsteht 
erst  nach  der  Metamorphose. 

Quadrato-maxillare.  Schon  bei  15  mm  langen  Larven  von  R.  fusca  er- 
streckt sich  ein  Bandzug  von  der  Pars  articularis  palatoquadrati  nach  vorn-innen 
zur  vorderen  äußeren  Ecke  des  Trabekelhornes,  somit  die  Kaumuskulatur  von  außen 
umgürtend.  Hinten  schließen  sich  die  ihm  eingelagerten  Kerne  direkt  an  das 
Quadratum  an.  Nach  Verschwinden  des  vorderen  Abschnittes  des  Trabekelhornes, 
Bildung  der  Nasenkapsel  und  Auftreten  der  knöchernen  Maxilia  verbindet  jenes 
Ligament  den  Gelenkteil  des  Palatoquadratums  mit  dem  hinteren  Ende  der  Maxiila. 
Seine  Verknöcherung  beginnt  schon  während  der  Metamorphose,  und  zwar  vom 
kaudalen  Ende  aus.  Bei  der  Metamorphose  bleibt  der  Knochen  dem  Palatoquadratum 
eng  angeschlossen  und  erlangt  später  zu  demselben  eine  noch  innigere  Beziehung, 
indem  sich  die  Verknöcherung  von  dem  Quadrato-maxillare  aus  auf  das  Perichon- 
drium  jenes,  und  endlich  auch  in  den  Knorpel  selbst  fortsetzt  (Gaupp  1894).  Hier 
ergreift  er  ziemlich  den  ganzen  lateralen  Höcker  der  Pars  articularis  palatoquadrati. 
Daher  ist  beim  erwachsenen  Tier  das  Quadrato-maxillare  ohne  Zerstörung  des  Palato- 
quadratums nicht  zu  entfernen. 

Paraspheuoid.  Entsteht  schon  bei  Larven  mit  sehr  kurzen  hinteren  Extremi- 
täten (dem  Stadium  der  Fig.  366  entprechend),  während  in  der  Orbito-temporalregion 
noch  eine  weite  Fenestra  basicranialis  anterior  besteht.  Die  dünne  Knochenlamelle 
bildet  sich  zuerst  unter  dem  vorderen  Teil  der  Basalplatte  und  dehnt  sich  von  hier 
weiter  aus.  Die  erwähnte  Fontanelle,  in  der  die  Hypophyse  liegt,  erhält  so  erst 
einen  knöchernen  Boden  durch  das  Paraspheuoid,  bevor  die  Bildung  des  Knorpel- 
bodens erfolgt.     Der  Knochen  bleibt  zahnlos. 

Praem axillare.  Entsteht  während  der  Metamorphose,  zu  einer  Zeit,  wo  die 
Trabekelhörner   und   Lippenknorpel    noch    intakt   sind,   und    die    unteren   Präuasal- 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  747 

knorpel  den  Trabekelhörnern  aufliegen  (Fig.  368).  Es  biklet  sich  zuerst  der  Proc. 
praenasalis  als  eine  Knochenlamelle,  die  dem  oberen  und  dem  unteren  Pränasalknorpel 
vorn  und  lateral  anliegt;  von  ihr  aus  entwickelt  sich  dann  die  mediale  Lamelle, 
medial  von  den  genannten  Fortsätzen,  nach  hinten  hin,  während  die  Trabekelhörner 
resorbiert  werden.  Die  Pars  palatina  wächst  ventral  von  der  Intermaxillardrüse  nach 
hinten  vor.     Die  Verwachsung  mit  den  Zähnen  erfolgt  spät. 

M axillare.  Entsteht  ebenfalls  während  der  Metamorphose,  wenn  die  Trabekel- 
hörner und  Lippenknorpel  noch  intakt  sind,  und  das  Nasenskelett  über  den  Trabekel- 
hörnern schon  verknorpelt  ist.  Zuerst  verknöchert  der  Teil,  der  dem  Proc.  maxillaris 
anterior  anliegt,  und  von  hier  aus  entwickelt  sich  der  Knochen  nach  vorn  und  hinten 
weiter,  legt  sich  vorn  an  den  lateralen  Umfang  des  vorderen  Nasenkapselabschnittes, 
hinten  an  das  Planum  trianguläre  (Seitenwand  des  hinteren  Kapselabschnittes)  und 
den  Proc.  maxillaris  posterior  an.  Weiterhin  verläßt  er  diesen  und  damit  die  knorpelige 
Unterlage  und  wächst  dem  Quadrato-maxillare  entgegen.  Die  Verwachsung  mit  den 
Zähnen  erfolgt  auch  beim  Maxillare  spät. 

Vom  er  und  Palati  num  entstehen  an  der  Unterfläche  der  Nasenkapsel  ziem- 
lich spät,  erst  nach  der  Metamorphose.  Ersterer  verbindet  sich  mit  Zähnen,  letzteres 
bleibt  zahnlos. 

Pterygoid.  Entsteht,  noch  bevor  die  Stellungsänderung  des  Palatoquadratums 
beendet  ist,  am  dorsalen  Umfang  des  Proc.  pterygoideus  palatoquadrati,  den  es 
weiterhin  auch  von  der  Medialseite  umwächst.     Bleibt  zahnlos. 

Knochen  des  Unterkiefers. 

Das  Haiiptstück  des  primordialen  Unterkiefers  (auch  die  Pars 
articularis)  bleibt  auch  im  erwachsenen  Tier  (Rana)  knorpelig  erhalten. 
Nur  das  vorderste  Stück,  das  bei  der  Larve  als  Infrarostrale  fungierte, 
erhält  eine  perichondrale  Knochenscheide,  doch  bleibt  auch  in  dieser 
ein  Rest  des  Knorpels  zeitlebens  erhalten,  so  daß  das  so  gebildete 
Mento  mandib  ulare  auf  einer  primitiven  Entwickelungsstufe  eines 
Ersatzknochens  stehen  bleibt.  Auch  ist  es  nicht  selbständig,  sondern 
entsteht,  indem  sich  die  Verknöcherung  vom  Dentale  aus  auf  das 
Perichondrium  des  Infrarostrale  foi'tsetzt,  so  daß  der  Knochen  später 
nur  den  vordersten  Teil  des  Dentale  bildet.  Von  Deckknochen  sind 
ein  Dentale  und  ein  Angulare  vorhanden;  ein  Operculare,  das 
schon  bei  den  Urodelen  inkonstant  ist,  kommt  bei  den  Anuren  nicht 
zur  Entwickelung.  Da  dem  Unterkiefer  der  Anuren  die  Zähne  mangeln, 
so  entsteht  auch  das  Dentale  ohne  Beteiligung  von  solchen. 

Knochen  des  Hyobrauehialskelettes. 

Der  größte  Teil  des  Hyoids  bleibt  knorpelig,  Ersatzknocheu  treten 
nur  an  die  Stelle  der  beiden  Proc.  postero-mediales.  Doch  bleiben 
auch  von  diesen  die  Spitzen  knorpelig.  An  der  Ventralfläche  des 
Zungenbeinkörpers  entsteht  bei  manchen  Anuren  (Alytes,  Pelodytes) 
ein  unpaarer  V-  oder  H-förmig  gestalteter  Deckknochen,  der  zum  Teil 
in  den  M.  hyoglossus  eingelagert  ist  (Ridewood).  Seine  Entwickelung 
wurde  noch  nicht  verfolgt. 

Apoden. 

Ueber  die  Entwickelung  des  Apodenschädels  liegt  nur  eine  aus- 
führlichere Darstellung  vor:  die  von  Peter  (1898),  die  die  Entwicke- 
lung des  Schädels  von  Ichthyophis  glutinosus  auf  Grund  des  von  den 
Vettern  Sarasin  gesammelten  Materiales  behandelt.  Das  Hyobranchial- 
skelett  ist  in  ihr  nicht  mitberücksichtigt;  Angaben  von  P.  und  F. 
Sarasin  ergänzen  diese  Lücke  teilweise. 

Wie  bei  den  Urodelen,  so  beginnt  auch  bei  Ichthyophis  die 
Knochenbildung  sehr  frühzeitig,  noch  während  die  Ausbildung 
des  Primordialcraniums  im  Gange  ist.    Trotzdem  ist  im  Nachfolgenden, 


748  E.  Gaupp, 

wie  auch  bei  Peter,  die  Schilderung  der  Knochenentwickelung  als 
besonderes  Kapitel  an  die  Darstellung  des  Primordialcraniums  an- 
geschlossen. 

Peter  kommt  zu  dem  Schlüsse,  daß  der  Apodenschädel  von  dem  Urodelen- 
schädel  ableitbar  ist,  und  daß  die  grabende  Lebensweise  der  Cäcilien  die  Ursache 
abgab,  die  den  ursprünglichen  Urodelenschädel  in  so  bedeutender  Weise  veränderte. 
Im  einzelnen  ergeben  sich  interessante  Analogieen  mit  dem  Schädel  der  Amphis- 
baeniden,  der  in  ähnlicher  Weise  einen  durch  das  Graben  umgeänderten  Saurier- 
schädel repräsentiert. 

I.  Das  Primordialcranium  von  Ichthyophis  glutinosus. 
Schon  bei  dem  jüngsten  von  Peter  untersuchten  Enibrj^o  (Embryo 
mit  großem,  noch  nicht  gewundenen  Dotter  und  kurzen  Kiemen,  etwa 
gleich  Fig.  38,  Taf.  IV  des  SARASiN'schen  Werkes)  war  äas  ganze 
Primordialcranium  mehr  oder  weniger  deutlich  vorknorpelig  ausgebildet, 
so  daß  die  ersten  Anlagen  desselben  nicht  festgestellt  werden 
konnten.  Da  sich  jedoch  eine  in  wichtigeren  Punkten  sehr  beträcht- 
liche Aehnlichkeit  des  Primordialcraniums  von  Ichthyophis  mit  dem 
der  Urodelen  konstatieren  ließ,  so  glaubt  Peter  auch  bezüglich  der 
Entwickelung  völlige  Uebereinstimmung  voraussetzen  zu  dürfen. 

A.  Neuraler  Teil  des  Prlniordialcraniums. 

Schon  das  vorknorpelige  Primordialcranium  zeigt  im  großen 
und  ganzen  die  gleichen  Verhältnisse  wie  das  spätere  knorpelige;  es 
wandelt  sich  später  einfach  in  echten  Knorpel  um,  ohne  diesem  eine 
weitere  Ausbreitung  zu  gestatten.  Größere  Veränderungen  im  Laufe 
der  Entwickelung  zeigt  nur  die  Ethmoidalregion ;  in  den  übrigen 
Regionen  sind  die  Unterschiede  zwischen  dem  vorknorpeligen  und 
dem  knorpeligen  Zustand  nur  geringfügig,  aber  immerhin  durch  ihren 
Charakter  von  Interesse:  bei  dem  jüngsten  von  Peter  untersuchten 
Stadium  wurde  noch  ein  verhältnismäßig  größerer  Raum  vom  vor- 
knorpeligen Primordialcranium  eingenommen,  als  das  später  beim 
fertigen  Knorpel  der  Fall  ist,  „ein  Beweis  für  bedeutendere  Ent- 
wickelung des  Knorpelschädels  bei  den  Vorfahren  der  Cäcilien  und 
für  die  selbst  bis  ins  Embryonalstadium  reichende  Wirkung  der 
Reduktion".  Letzteres  gilt  besonders  von  der  Basis  des  chordalen 
Schädelabschnittes. 

Das  Primordialcranium  in  seiner  höchsten  Ausbil- 
dung ist  seiner  allgemeinen  Form  nach  ohne  Schwierigkeit  auf  das 
der  Urodelen  zurückzuführen.  Anklänge  an  die  Anuren  fehlen  völlig. 
Ein  ganz  besonders  charakteristisches  Merkmal  des  Ichthyophiscraniums 
liegt  aber  in  der  geringen  Entwickelung  des  Knorpels  überhaupt.  An 
Stelle  kompakter  Massen  findet  sich  (Fig.  378)  vielfach  nur  ein  zartes 
Sparrenwerk,  das  große  Oefinungen  in  weitem  Bogen  umkreist,  und 
wo  zusammenhängende  Platten  vorhanden  sind,  erweisen  sich  auch 
diese  als  außerordentlich  zart  und  dünn.  Unter  Bezugnahme  auf  die 
am  Ranacranium  gemachten  Erfahrungen,  nach  denen  bei  der  Bildung 
des  Primordialcraniums  sich  zuerst  ein  Gerüst  anlegt,  das  in  großen 
Zügen  die  definitive  Foi'm  vorzeichnet  und  sich  aus  einzelnen,  die 
Nerven-  und  sonstigen  Oeffnungen  weit  umkreisenden  Spangen  zu- 
sammensetzt (Gaupp  1893,  s.  o.  p.  723,  727),  definiert  Peter  die  Form 
des  Primordialcraniums  von  Ichthyophis  als  ein  E  m  b  r  y  o  n  a  1  s  t  a  d  i  u  ni 
eines  Knorpelschädels,  das  nicht  überschritten  wird,  weil  der 
Knorpelschädel  seine  Bedeutung  verloren  hat.     Phylogenetisch  handelt 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes. 


749 


es  sich  natürlich  um  einen  Recluktionszustand,  der  in  der  Onto- 
genese dadurch  hergestellt  wird,  daß  ein  embryonales  Verhalten  bei- 
behalten wird,  und  die  letzten  Stadien,  die  zur  Vervollkommnung 
führen  sollten,  eliminiert  werden. 

Im  speciellen  sind  die  Formverhältnisse  aus  der  Fig.  378  leicht 
erkennbar;  bei  der  nachfolgenden  Schilderung  gebrauche  ich  zum  Teil 
eigene,  von  den  PETER'schen  abweichende  Bezeichnungen. 


Cart.  cupul. 


Cart.  praenas.   Inf.  med. 

For.  apicale 
Septum  nasi 

Feil.  bas.  jwst. 

For.  orh.-nas. 
Proc.  antorb. 

For.  opticiim 


For.  'proot. 
Proc.  pteryg.  P.-Q. 


K  fac. 


f  N.  hyomand. 
\        iV^.  palat. 

For.  acust. 

Proc.  retroart. 
(Cart.  Meckel.) 


Caps,  audit 


Fen.  narina. 

Cart.  infranarina. 
Fen.  bas.  ant. 

Plan,  internus. 


Trabecula 
-Taen.  marg. 

-Cart.  3feckel. 
For.  JY.    VII 

'For.  acust. 


For.  perilymph. 
For.  jugid. 


Plan,  hyjjochord. 

Fig.  378.      Neurales    Primordialcranium   und  Kieferbogen   eines   Embryo   von 
Ichthyophis  glutinosus,  von  der  Dorsalseite.    Vergr.  20 : 1.    Nach  Peter. 


Die  0  ccipital  r  egiion  ,  von  sehr  geringer  Ausdehnung,  zeigt 
die  2  Coudyli  occipitales  zur  Verbindung  mit  dem  Atlas,  untereinander 
verbunden  durch  eine  schmale,  basal  gelagerte  Spange,  die  Hy po- 
ch ordalplatte  (Occipitalplatte  Peter),  und  aufwärts  in  je  eine 
schmale  Spange  verlängert,  die  als  laterale  Begrenzung  des  Foramen 
occipitale  magnum  und  zugleich  hinter  dem  Vagus  aufsteigt  und  sich 
über  dem  letzteren  mit  der  Ohrkapsel  verbindet.  Die  Hypochordal- 
platte  repräsentiert  am  ausgebildeten  Knorpelschädel  einzig  und  allein 
die  Basis  des  Cavum  cranii,  während  sich  durch  die  Labyrinth-  und 
Orbito-temporalregion  eine  große  Bodenfontanelle  (Fenestra  basi- 
cranialis  communis)  ausdehnt. 

Schon  auf  dem  frühesten  Stadium  fand  Peter  den  (jungknorpeligen)  Hinter- 
hauptsteil im  Zusammenhange  mit  der  Labyrinthkapsel.  Die  Chorda  dorsalis 
war  noch  gut  entwickelt,  die  Occipitalplatte  ließ  deutlich  2  parachordale  Hälften 
erkennen,  die  durch  eine  noch  dünne  hypochordale  Kommissur  verbunden  waren. 
Somit    vollzieht    sich   die  Ausbildung   der   einheitlichen  Occipitalplatte   wie  bei  den 


750  E.  Gaupp, 

Urodelen  (paarige  Anlage,  Dachträgliche  hypochordale  Vereinigung  beider  Hälften). 
Die  Ausdehnung  der  Occipital platte  (in  sagittaler  Richtung)  ist  auf  den  jüngeren 
Stadien  beträchtlicher  als  später:  es  findet  also  noch  während  des  Embryonallebens 
eine  Reduktion  der  Platte  statt. 

Die  Chorda  dorsalis  erstreckt  sich  auf  dem  frühesten  Stadium  nach  vorn 
bis  an  die  bereits  vom  Mundepithel  abgeschnürte  Hypophyse.  Nur  ihr  hinterster 
Abschnitt  liegt,  nach  seinem  Austritt  aus  dem  Atlas,  der  üccipitalplatte  auf,  weiter 
vorn  liegt  sie  frei  im  subcerebralen  Bindegewebe.  Der  gesamte  Schädelteil  der  Chorda 
dorsalis  geht  noch  während  des  Eilebens  zu  Grunde. 

Für  die  Auffassung  der  Occipitalregion  von  großer  Wichtigkeit  ist  der  Nachweis 
eines  N.  occipitalis  (im  Sinne  Fürbringer's),  der  Peter  gelang.  Der  Nerv,  der 
sich  durchaus  wie  ein  spinaler  verhält,  tritt  zusammen  mit  dem  Vagus  durch  das 
Foramen  jugulare  aus,  wird  aber  von  jenem  schon  embryonal  durch  eine  Binde- 
gewebsbrücke  getrennt.  Bei  der  Verknöcherung  wird  er  in  einen  eigenen  Knochen- 
kanal eingebettet.  Sein  Vorhandensein  spricht  zu  Gunsten  der  Anschauung  Für- 
bringer's, daß  der  Hinterhauptsteil  des  Amphibienschädels  einem  Multiplum  von 
primären  Occipitalwirbeln  entspricht  (s.  p.  691). 

Lab  yrinth regio n.  Die  Ohrkapsel  bietet  in  ihren  Hauptzügen 
die  gleichen  Verhältnisse  wie  die  der  Urodelen,  nur  ist  sie  bedeutend 
zarter  und  zeigt  ^ußer  der  sehr  großen  Fenestra  vestibuli  und 
den  3  typischen  aber  stark  erweiterten  Oeffnungen  der  Innenwand 
(F  0  r  a  m  e  n  p  e  r  i  1  y  m  p  h  a  t  i  c  u  m  ,  F  o  r.  e  n  d  o  1  y  ni  p  h  a  t  i  c  u  m,  F  o  r. 
acusticum)  noch  einige  weitere  Oeffnungen  an  verschiedenen  Stellen, 
die  keine  Wichtigkeit  beanspruchen  und  auch  im  Vorknorpelstadium 
noch  nicht  vorhanden  sind.  Auch  hier  ist  also  ontogenetisch  eine 
Reduktion  des  Primordialcraniums  festzustellen.  Ein  Tectum  synoticum 
fehlt  und  ist  nur  durch  schmale  Leisten  an  beiden  Ohrkapseln  ange- 
deutet. Hinten  ist  die  Ohrkapsel  mit  dem  Occipitalteil  verbunden 
und  zwar  sowohl  basal,  als  auch  über  dem  Vagus  mit  dem  oberen 
Ende  des  Occipitalbogens.  So  wird  das  Foramen  jugulare  ge- 
bildet. Unterhalb  der  vorderen  Kuppel  der  Ohrkapsel  besteht,  wie 
bei  manchen  Urodelen  (Amphiuma,  Siredon),  eine  selbständige  Aus- 
trittsöffnung des  N.  facialis,  die  hier  bei  Ichthyophis  allerdings  (wie 
die  Foramina  alle)  sehr  groß  ist,  so  daß  ihre  vordere  und  ihre  basale 
Begrenzung  nur  durch  dünne  Knorpelspangen  gebildet  wird.  Die 
basale  Begrenzungsspange  (Repräsentant  der  Basal  platte,  die  im 
übrigen  fast  ganz  fehlt)  hängt  hinten  mit  dem  Boden  der  Ohrkapsel 
zusammen  und  geht  vorn  in  die  Trabecula  baseos  cranii  über.  Der 
R.  palatinus  besitzt  eine  eigene  Austrittsöffnung,  die  diese  basale 
Spange  durchbohrt. 

Von  der  dorsalen  Ohrkapselkante  aus  zieht  die  dorsale  Randspange 
der  Orbito-temporalregion  nach  vorn. 

Im  Innern  der  Ohrkapsel  bestehen  nur  3  sehr  schmale  Brücken, 
die  die  Räume  der  3  Bogengänge  unvollständig  von  dem  Hauptraum 
der  Kapsel  trennen. 

Die  Columella  auris  ist  im  Knorpelstadium  ein  einheitliches 
Gebilde,  an  dem  ein  Operculum  und  ein  Stilus  zu  unterscheiden 
sind.  Das  Operculum  besitzt  allerdings  die  Form  eines  dünnen  Stabes 
und  vermag  somit  die  sehr  weite  Fenestra  vestibuli,  in  deren  Bereich 
es  liegt,  durchaus  nicht  zu  verschließen :  kernreiches  Gewebe  füllt  den 
Raum  zwischen  ihm  und  den  Fensterrändern  aus.  Der  Stilus  be- 
sitzt eine  Oeffnung,  die  von  der  A.  stapedia  durchsetzt  wird  und  legt 
sich  mit  seinem  vorderen  Ende  an  den  hinteren  Umfang  des  Palato- 
quadratums  an.  Die  Anlage  des  Operculums  ist  auf  jüngeren  Stadien 
durchaus  einheitlich  mit  der  der  Ohrkapsel:  die  Ohrcolumella  schnürt 
sich   von    der  Ohrkapsel   ab   und  wächst  von  dieser  aus.     Das  distale 


Die  Entwickeluug  des  Kopfskelettes.  751 

Coluniellaende  und  das  Palatoquadratum  werden  anfangs  durch  eine 
Gewebsscliiclit  getrennt,  später  bildet  sich  zwischen  ihnen  ein  Gelenk 
aus.  Das  distale  Ende  des  Stilus  ist  möglicherweise  gesonderten  Ur- 
sprungs (vom  Quadratum  ?).  — 

Das  Skelett  der  0  r  b  i  t  o  - 1  e  m  p  o  r  a  1  r  e  g  i  o  n  ist  ganz  besonders 
reduciert.  Hier  fehlt  jede  Spur  von  Decken-  oder  Bodenbildung;  nur 
eine  aus  dünnen  Spangen  bestehende  Seitenwand  ist  vorhanden.  Zwei 
dieser  Spangen  ziehen  jederseits  fast  parallel  nach  vorn :  die  eine, 
ventrale,  ist  die  Trabecula  baseos  cranii  und  direkte  Fort- 
setzung der  basalen  Spange  unter  dem  Facialisloch ;  die  andere, 
dorsale,  schließt  sich  an  die  vordere  Kuppel  der  Ohrkapsel  an  und 
entspricht  dem  orbito-temporalen  Abschnitt  der  dorsalen  Rand- 
spange  (Taenia  marginalis).  Zwei  vertikale  Stäbe  verbinden 
die  beiden  Längsspangen  und  begrenzen  so  2  große  Oeffnungen:  eine 
hintere  für  den  N.  trigeminus  und  eine  vordere  für  den  N.  op- 
ticus (P'or.  prooticum  und  For.  opticum). 

Die  Skelettteile  der  E  t  h  m  o  i  d  a  1  r  e  g  i  o  n  entstehen  am  spätesten 

und   machen    während    des  Embryonal-  und  Larvenlebens  die  meisten 

Umwandlungen  durch. 

Dies  hän^t  vor  allen  Dingen  ab  von  der  Lageveränderung,  die  das  Geruchs- 
organ in  Beziehung  auf  das  Gehirn  durchmacht.  Im  frühesten  Stadium  liegen  die 
Nasensäcke  vollständig  seitlich  und  ventral  vom  Gehirn ;  erst  allmählich  lagern  sie 
sich  vor  das  Gehirn.  Das  hat  eine  entsprechende  Lageänderung  der  Skelettteile 
zur  Folge,  die  sogar  die  Orbito-temporalregion  in  Mitleidenschaft  zieht :  das  For. 
opticum  liegt  in  frühen  Stadien  nicht  rein  vor,  sondern  teilweise  unter  dem  For. 
prooticum. 

Die  Differenzierung  des  Skeletts  erfolgt  in  der  Richtung  von 
hinten  nach  vorn,  so  daß  die  hinteren  Partieen  bereits  Vorknorpel- 
charakter angenommen  haben,  wenn  die  vorderen  noch  erst  aus  einem 
zellreichen  Gewebe  bestehen.  Zur  Ausbildung  kommen  mediane,  basale, 
laterale,  sowie  hintere  und  vordere  Knorpelpartieen,  während  an  der 
Decke  die  Knorpelbildung  ausbleibt.  Die  medianen  und  die  dorsalen 
seitlichen  Partieen  verknorpeln  im  Anschluß  an  die  Trabekel  und  die 
dorsalen  Randspangen,  während  die  seitlich-unteren  Knorpelzüge  ohne 
Anschluß  an  diese  Gebilde  für  sich  aus  dem  perirhinischen  Gewebe 
entstehen.  Die  Trabekel  beider  Seiten  konvergieren  vorn  und  ver- 
einen sich  zu  der  I  n  t  e  r  n  a  s  a  1  p  1  a  1 1  e ,  die  sich  weiter  vorn  zu 
einem  medianen,  schon  in  der  Anlage  einheitlichen  Septum  erhebt. 
Von  der  Septalanlage  nach  außen  differenzieren  sich  vorn  Carti- 
lagines  cupulares  (Kuppelknorpel),  um  den  vorderen  Abschluß 
beider  Kapseln  zu  bilden.  Zwischen  ihnen  verlängert  sich  aber  das 
Septum  zu  einem  unpaaren  Fortsatz:  Cartilago  praenasalis 
inferior  media.  Die  Taenia  marginalis  der  Orbito-temporalregion 
setzt  sich  in  die  Hinter-  und  Seitenwand  der  Nasenkapsel  fort,  in  die 
auch  der  an  typischer  Stelle  vom  Schädelbalken  aus  sich  bildende 
Processus  antorbitalis  übergeht.  In  der  Konfiguration  des 
Seitenwandknorpels  der  Nasenkapsel  zeigen  sich  Urodelen-  wie  Anuren- 
merkmale.  Vorn  besteht  eine  große  Fenestra  narina,  vorn  durch 
die  Gart,  cupularis,  dorsal  durch  eine  Gart,  obliqua,  ventral 
durch  eine  Gart,  infranarina  begrenzt  (in  Fig.  378  hat  die  CarL 
obliqua  die  vordere  Kuppel  noch  nicht  erreicht,  daher  ist  die  Fen. 
narina  dorsal  noch  nicht  ganz  geschlossen).  Beide  Knorpelspangen 
gehen  hinter  der  Fen.  narina  in  den  ausgedehntesten  Teil  der  Nasen- 
seitenwand  über,  der  mit  seiner  vorderen  Partie  offenbar  dem  Planum 


752  E.  Gaupp, 

conchale  der  anderen  Amphibien  entspricht.  Die  ventrale  Hälfte  der- 
selben schließt  mit  freiem  kaudalen  und  ventralen  Rande  ab  (eine 
Andeutung  einer  Gart,  ectochoanalis  scheint  in  späteren  Stadien  sich 
auszubilden,  aber  ohne  den  Proc.  antorbitalis  zu  erreichen) ;  die  dor- 
sale Hälfte  setzt  sich  dagegen  in  die  seitliche  Wand  des  hinteren 
Nasenkapselabschnittes  fort,  in  deren  unteren  Rand  der  Proc.  ant- 
orbitalis, und  in  deren  oberen  Rand  die  Taenia  marginalis  übergehen. 
Von  der  Gegend  des  Planum  conchale  aus  entwickelt  sich  schließlich 
noch  ein  queres,  basal  gelagertes  Knorpelband,  das  den  unteren  Rand 
des  Planum  conchale  mit  der  Basis  des  Septums  verbindet. 

Durch  die  geschilderten  Knorpelpartieen  werden  mehrere  große  Oeffnungen  be- 
grenzt. Zunächst  eine  sehr  ausgedehnte  Fenestra  dorsalis,  die  bei  dem  vöüigen 
Mangel  eines  Nasendaches  sich  über  beide  Hälften  der  Kaj^sel  ausdehnt  und  hinten 
auch  mit  den  Foramina  olfactoria  zusammenfließt.  Die  Fenestra  narina  wurde 
schon  genannt.  An  der  Basis  wird  durch  die  basale  quere  Knorpelspange  eine 
Fenestra  basalis  anterior,  die  keine  besondere  Bedeutung  besitzt,  von  der 
Fen.  basalis  posterior  s.  choanalis  abgetrennt,  die  für  die  Choane  bestimmt 
ist.  Dieses  Fenster  fließt  hinter  dem  Planum  conchale  zusammen  mit  einer  seitlichen 
Lücke,  die  der  Fen.  infraconchalis  der  ürodelen  entsprechen  würde.  Diese  bleibt 
aber  von  der  großen  Fenestra  dorsalis  getrennt.  Von  kleineren  Nervenlöchern  sind 
zu  nennen  das  For.  orbitonasale  über  dem  Proc.  antorbitalis  (Eintritt  des  N. 
ethmoidalis  in  die  Nasenkapsel),  dann  vorn  neben  dem  Septum  im  Kuppelknorpel 
das  For.  apicale  (Austritt  des  N.  medialis  nasi),  und  schließlich  in  der  Seitenvvand 
über  dem  Planum  conchale  eine  Austrittsöffnung  für  den  N.  lateralis  nasi,  die 
ich  Foramen  epiphaniale  nenne.  (In  der  Figur  nicht  sichtbar;  über  die  Be- 
zeichnung s,  p.  587.) 

Im  ganzen  ist  somit  auch  am  Ethmoidalskelett  der  Amphibien-  und  besonders 
der  Urodelentypus  erkennbar,  trotz  der  mancherlei  Besonderheiten,  die  auf  Kosten 
der  bedeutenden  Ausbildung  des  Geruchsorgan  es  selbst  und  der  bedeckenden  Knochen 
kommen.  Letzterem  Moment  ist  vor  allem  die  Lückenhaftigkeit  zuzuschreiben,  die 
die  Kapsel  selbst  im  Zustande  höchster  Ausbildung  zeigt.  Sehr  auffallend  ist  der 
völlige  Mangel  einer  knorpeligen  Decke,  womit  auch  der  mangelnde  Abschluß  des 
For.  olfactorium  in  Verbindung  steht.  Die  quere  Bodenspange  hat  dagegen  Ich- 
thyophis  vor  den  meisten  ürodelen  voraus  (vorhanden  bei  Amphiuma  p.  701).  In  dem 
Besitz  eines  unpaaren  iSeptums  schließlich  repräsentiert  Ichthyophis  einen  primitiveren 
Zustand  als  die  meisten  ISalamandriden    und  schließt  sich   gewissen  Ichthyoden  an. 

Im  Laufe  der  weiteren  Entwickelung  wird  die  Nase  bedeutend 
flacher  und  länger;  auch  das  Septum  flacht  sich  ab.  Die  Kuppel- 
knorpel vergrößern  sich  noch  und  bilden  ein  Dach  für  den  vordersten 
Teil  der  Nase  sowie  eine  Kuppel  für  den  vorderen  P)lindsack;  auch 
für  den  hinteren  Blindsack  wird  eine  knorpelige  Umhüllung  geschaffen 
und  der  Choanenschleimbeutel  schärfer  von  dem  Nasensack  mit  dem 
jACOBSON'schen  Organ  getrennt.  Daneben  beginnen  sehr  früh  Pro- 
zesse der  Knorpelzerstörung :  der  Knorpel  wird  teils  durch  Knochen 
ersetzt,  teils  in  Bindegewebe  umgewandelt,  so  daß  außer  dem  vorderen 
Teil  des  Septums  mit  dem  Pränasalknorpel  nur  die  vordere  Kuppel 
und  in  Verbindung  mit  dieser  ein  oberes  und  ein  unteres  Stück  der 
Seitenwand  erhalten  bleiben.  Aber  auch  diese  Teile  zeigen  nicht  mehr 
den  ausgesprochenen  Charakter  des  hyalinen  Knorpels:  die  Kapseln 
sind  verloren  gegangen,  und  die  zahlreichen  Zellen  liegen  in  einer 
strukturlosen,  festen  Zwischensubstanz,  die  sich  nur  durch  stärkere 
Tinktionsfähigkeit  von  dem  die  Knochen  trennenden  Bindegewebe 
unterscheidet. 

Schicksal  des  neuralen  P  r  i  m  o  r  d  i  a  1  c  r  a  n  i  u  m  s.  Zum  bei 
weitem  größten  Teile  geht  das  Knorpelcranium  völlig  zu  Grunde;  nur 
geringe  Reste  —  am  reichlichsten  in  der  Ethmoidalregion  —  erhalten 
sich  beim  ausgebildeten  Tier.  Das  Zugrundegehen  des  Knorpels  ist 
an    den    meisten    Stellen    eine    Folge    des    Auftretens    perichondraler 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes. 


753 


Knochen,  an  einigen  anderen  ist  es  unabhängig  vom  Knochen  und  be- 
steht in  einer  Umwandlung  des  Knorpels  in  Bindegewebe. 

B.  Visceraler  Teil  des  Primordialcraiiiums. 

Kieferbogen.  Das  Palatoquadratum  von  Ichthyophis  ist 
im  Knorpelstadium  von  dem  der  übrigen  Amphibien  vor  allen  Dingen 
dadurch  ausgezeichnet,  daß  es  keine  Verbindung  mit  dem  neuralen 
Cranium  eingeht,  sondern  frei  neben  dem  vordersten  Teil  der  Labyrinth- 
kapsel liegt.  An  dem  Körper  des  Quadratums  findet  sich  der  Ge- 
lenkhöcker zur  Verbindung  mit  dem  MECKEL'schen  Knorpel,  und  ferner 
gehen  zwei  Fortsätze  von  ihm  aus:  der  Proc.  ascendens  und  der 
Proc.  pterygoideus  (die  Pars  palatina).  Mit  dem  letzteren  durch 
eine  dichte  Zellanhäufung  verbunden  und  in  seiner  direkten  vorderen 
Verlängerung  findet  sich  noch  ein  Knorpelstab,  der  wieder  in  zwei 
Teile  gespalten  sein  kann :  offenbar  ist  er  gleichen  Ursprungs  wie  der 
Proc.  pterygoideus.  Ein  Proc.  oticus  ist  nur  schwach  angedeutet, 
ein  Proc.  basalis  fehlt  gänzlich. 

Am   MECKEL'schen   Knorpel   ist  der   sehr 

articularis  besonders  auffallend  und  erwähnenswert  (Fig.  378). 

Der  Proc.  pterygoideus  des  Palatoquadratums  tritt,  wie  bei  den  Urodelen,  so 
auch  bei  Ichthyophis,  sehr  spät  auf.  Seine  ZerfäHung  in  einzelne  Stücke,  von  denen 
das  vorderste  sehr  weit  nach  vorn  reicht,  kann  in  dem  gleichen  Sinne  aufgefaßt 
werden,  wie  das  analoge  Verhalten  bei  den  Urodelen :  als  Andeutung  dafür,  daß  der 
Fortsatz  früher  weiter  nach  vorn  reichte  (s.  p.  703).  Winslow  (1898)  postuliert 
daraufhin  eine  sehr  primitive  Form  der  Amphibien  als  Stammform  von  Ichthyophis, 
im  Anschluß  an  die  oben  fp.  703)  erörterte  Anschauung,  daß  der  weit  nach  vorn 
reichende  Proc.  pterygoideus  (wie  ihn  Kanodon  und  die  Anuren  zeigen)  ein  primi- 
tives Merkmal  darstellt.  Darin  unterscheidet  sich  Winslow's  allgemeine  Schluß- 
folgerung etwas  von  der  Peter's,  der  mehr  einen  direkten  Urodelenursprung  der 
Cäcilien  annimmt.  Die  Frage,  ob  die  Selbständigkeit  des  Palatoquadratums  vom 
neuralen  Schädel,  phylogenetisch  betrachtet,  ein  primitives  Merkmal  darstellt,  oder 
ob  es  sich  hierbei  um  eine  sekundäre  Wiederloslösung  handelt,  läßt  sich  zur  Zeit 
noch  nicht  entscheiden. 


lange  Proc.  retro- 


Hyale 


Branch. 


Brauch.  HI 
Branch.  IV 


Branch.  I 

'Branch.  II 

Branch.  III 
Branch.  IV 


Fig.  379.  Hyobranchialskelett  von  Ichthyophis  glutinosus.  Nach  P.  imd  F. 
Sarasin.  a  larvaler  Zustand;  etwa  8mal  vergr.  b  ausgebildeter  Zustand;  etwa 
4mal  vergr. 

Hyobranchialskelett.  Die  erste  Entstehung  des  Hyobran- 
chialskelettes  ist  unbekannt.  Der  verknorpelte  Apparat  der  Larve  von 
Ichthyophis  glut.  zeigt  manche  Abweichungen  von  dem  der  Salaman- 
dridenlarven  (Fig.  379a).     Es   sind,   nach  der  Darstellung  von  P.  und 


Handbuch  der  Entwickelungslehre.     Uli  2. 


48 


754  E.  Gaupp, 

F.  Sarasin,  zwei  Copulae  vorhanden:  an  die  Copnla  I  legen  sich 
seitlich  die  beiderseitigen  Hyalia  an,  an  die  dahinter  folgende  Copula  II 
seitlich  die  beiderseitigen  Branchiala  I  und  au  ihre  kaudale  Spitze  die 
Brauchialia  IL  Die  Copula  I  ist  wohl  als  Basihyale  aufzufassen  (s. 
Auuren).  Das  Hyale  wie  die  4  Branchialia  sind  ungegliedert.  Im 
Gegensatz  zu  den  Urodelen  erreichen  die  Branchialia  III  die  Mittel- 
linie und  sind  hier  sogar  untereinander  (in  einiger  Entfernung  hinter 
der  2.  Copula)  verschmolzen ;  die  medialen  Enden  der  Branchialia  IV 
erreichen  die  Mittellinie  nicht,  sondern  legen  sich  au  den  hinteren 
Rand  ihrer  Vordermänner  an. 

Im  jungen  Embryonalstadium  findet  Peter  noch  ein  Verbindungsstück  zwischen 
dem  2.  und  3.  Branchialbogen,  das  schon  embryonal  verloren  geht.  Wo  es  liegt, 
wird  nicht  gesagt. 

Die  Metamorphose  ist  noch  nicht  genau  verfolgt  worden;  die 

bei  ihr   sich  vollziehenden  Umänderungen    sind  nur  aus  dem  Zustand 

des  Hyobranchialskelettes  des  erwachsenen  Tieres  zu  erschließen.    Auch 

dieses  ist  ganz  knorpelig  (Fig.  379  b).     Eine  Copula  I    ist  nicht  mehr 

vorhanden ;  die  beiderseitigen  Hyalia  sind  in  der  ventralen  Mittellinie 

untereinander  verschmolzen  und  hängen  außerdem  durch  ein  unpaares, 

offenbar   aus    der  Copula  II    hervorgegangenes  Knorpelstück   mit  den 

Branchialia  II  zusammen.     Die  Branchialia  II    haben  die  Verbindung 

mit    der  Copula    verloren,    ihre    ventralen  Enden    sind    untereinander 

verschmolzen  ;  letzteres  gilt  auch  noch  von  den  Branchialia  III.     Als 

Rudiment  des  Branchiale  IV  betrachten  P.  und  F.  Sarasin  eine  kleine 

mediale  Zacke  am  distalen  Ende  des  Branchiale  III. 

Daß  durch  das  Vorhandensein  zweier  Copulae  bei  der  Ichthyophislarve  die 
Verhältnisse  der  Anurenlarven  eine  Erklärung  finden,  wurde  oben  bemerkt  (p.  741). 

IL  Die  Schädelknochen  von  Ichthyophis  glutinosus. 
Die  Entwickelung  der  Schädelknochen  von  Ichthyophis,  wie  sie 
durch  Peter  beschrieben  worden  ist,  bietet  manche  an  die  Verhält- 
nisse bei  Teleostiern  erinnernde  Erscheinungen.  Dahin  gehört  es, 
daß  manche  Knochen,  die  perichondral  entstehen  und  sich  auch  w^eiter- 
hin  wie  richtige  Ersatzknochen  verhalten,  doch  zugleich  ein  starkes  chon- 
drifugales  Wachstum  zeigen,  indem  sich  die  Ossifikation  auf  Gewebs- 
partieen  fortsetzt,  die  nicht  vorher  verknorpeln.  In  einigen  Fällen 
sind  diese  Gewebspartieen  offenbar  als  Teile  der  Anlage  des  Primor- 
dialcraniums  aufzufassen,  die  nicht  zur  Verknorpelung  kamen,  wie  das 
vielfach  bei  Teleostiern  beobachtet  wird;  in  anderen  Fällen  handelt 
es  sich  um  Bindegewebe  in  der  Nachbarschaft  des  Knorpels,  dem  jene 
Bedeutung  sicherlich  nicht  zukommt.  Daneben  kommen  wie  bei  den 
Teleostiern  frühzeitige  Konkrescenzen  von  Deck-  und  Ersatzknochen 
vor,  ja  selbst  einheitliche  Entstehung  eines  Skelettstückes,  das  doch 
offenbar  als  Compositum  aus  einer  Ersatz-  und  einer  Deckkuochen- 
komponente  aufzufassen  ist  (Articulare- Angulare).  Die  Knochen- 
bildung beginnt  sehr  früh. 

Knochen  im  Gebiete  des  Oberseh Jidels. 

a)  Er  satzkn  ochen.  Als  ein  Großknochen  (P.  und  F.  Sarasin), 
der  aus  der  Ossifikation  der  Occipital-,  der  Labyrinth-  und  eines  Teils  der 
Orbito-temporalregion  beider  Seiten  hervorgeht,  und  an  dessen  Auf- 
bau sich  auch  noch  das  Parasphenoid  beteiligt,  erscheint  der  Basal- 
kn ochen;   an  Stelle   des  vorderen  Teiles   der   Orbito-temporalregion 


Die  Entwickeluug  des  Kopfskelettes.  755 

und  des  größten  Gebietes  der  Ethmoidalregion  tritt  das  Ethmoi  dale; 
weitere  Ersatzknochen  im  Bereiche  des  Oberschädels  sind  dasColu- 
mellare  und  das  Quadrat  um. 

Basalk nochen  (Saeasin).  Dehnt  sich  bei  Ichthyophis  über  ein  Gebiet  aus, 
das  bei  den  Urodelen  von  einer  größeren  Anzahl  verschiedener  Knochen  (Pleurocci- 
pitaüa,  Prootica,  Paras23henoid)  eingenommen  wird.  Indessen  sind  diese  Stücke,  nach 
Peter,  auch  in  der  embryonalen  Anlage  nicht  alle  isoliert  nachweisbar,  vielmehr 
besteht  der  Knochen  bei  Embryonen  nur  aus  drei  Stücken:  dem  unpaaren  Para- 
sphenoid  und  den  beiden  paarigen  Knochen,  die  aus  der  Verknöcheruug  des  gesamten 
Primordialcraniums  der  Occipital-,  Labyrinth-  und  halben  Orbito-temporalregion 
hervorgehen.  Von  diesem  ganzen  Gebiet,  das  seine  vordere  Grenze  in  der  Mitte  des 
Opticusfensters  hat,  bleibt  jederseits  nur  die  Gelenkfiäche  des  Condylus  occipitaiis 
knorpelig.  Der  mittelste  Teil  der  Occipitalplatte  (die  hypochordale  Kommissur)  ver- 
knöchert ebenfalls  nicht,  sondern  degeneriert  zu  Bindegewebe. 

Bei  der  Verknöcherung  des  genannten  Abschnittes  des  Primordialcraniums  tritt 
die  umhüllende  perichondrale  Knochenschale  fast  gleichzeitig  um  den  ganzen  Knorpel 
auf.  Es  lassen  sich  bestimmte  Centreu  der  Knochenbildung  (die  dem  Pleuroccipitale 
und  dem  Prooticum  entsprechen)  nicht  nachweisen.  Der  in  nächster  Nachbarschaft 
des  Knorpels,  im  Perichondrium,  auftretende  Knochen  beschränkt  sich  aber  nicht 
darauf ,  den  Knorpel  zu  ersetzen ,  sondern  er  äußert  auch  ein  sehr  bedeutendes 
chondrifugales  Wachstum,  d.  h.  er  dehnt  sich  in  das  umgebende  Bindegewebe  aus. 
So  kommt  es  auch  zu  einem  knöchernen  Dach  in  der  Occipitalregion,  trotzdem  ein 
knorpeliges  Dach  hier  niemals  besteht.  Bei  der  Verknöcherung  ossifiziert  auch  die 
oben  erwähnte  Bindegewebsbrücke,  die  den  N.  occipitaiis  vom  N.  vagus  trennt.  Das 
Parasphenoid  entsteht  als  Deckknochen. 

Die  erste  Anlage  des  Basalknochens  fällt  bereits  in  ein  frühes  Embryonal- 
stadium; die  Verschmelzung  des  Parasphenoids  mit  den  beiden  primordialen  Kom- 
ponenten erfolgt  aber  erst  spät.  Noch  die  älteste  von  Peter  untersuchte  Larve  (von 
16  cm  Länge,  Kiemenloch  geschlossen,  Flossensaum  geschwunden)  zeigte  die  einzelnen 
Stücke  nur  durch  Naht  verbunden.  Die  einheitliche  Verknöcherung  der  Occipital- 
und  Labyrinthgegend  des  Chondrocraniums  kann  als  eine  fusion  primordiale  im 
Sinne  von  Duges  gedeutet  werden. 

Ethmoi  dale.  Der  sehr  kompliziert  gestaltete  Knochen,  der  als  Ethmoidale 
bezeichnet  wird,  ist  auch  seiner  Genese  nach  sehr  eigenartig;  zum  Teil  entsteht  er 
auf  der  knorpeligen  Grundlage  des  Skelettes  der  Ethmoidalregion  und  der  vorderen 
Hälfte  der  Orbito-temporalregion ,  zum  Teil  ohne  knorpelige  Vorbildung.  Ent- 
sprechend der  späten  Ausbildung  des  knorpeligen  Ethmoidalskelettes  entsteht  auch 
das  Os  ethmoidale  als  letzter  von  allen  Knochen;  erst  am  Ende  der  Embryonalzeit 
treten  die  ersten  Ossifikationen  auf.  Das  Septum  des  Knochens  ist  in  seinem 
vorderen  Teil  knorpelig  präformiert,  von  hier  aus  setzt  sich  aber  die  Ossifikation 
nach  hinten  zwischen  die  Lobi  olfactorii  ohne  knorpelige  Grundlage  fort.  Die 
Lamina  praecerebralis  (Lamina  cribrosa,  Autt. ;  Scheidewand  zwischen  dem 
Cavum  cranii  und  dem  Cavum  nasale)  entsteht  ohne  knorpelige  Vorbildung  auf 
bindegewebiger  Grundlage.  Die  lateralen  und  die  basalen  Abschnitte  (vordere 
Schalen,  Proc.  conchoides  und  hintere  Schale,  nach  der  SARASix'schen  Nomenklatur) 
sind  zum  größten  Teil  knorpelig  präformiert  (hinterer  Teil  des  ethmoidalen,  vorderer 
Teil  des  orbitalen  Skelettes) ;  zwischen  den  verknöchernden  vorderen  Abschnitten  der 
Trabecula  und  der  dorsalen  ßandspange  jeder  Seite  entsteht  Knochen  ohne  knorpe- 
lige Präformation  als  Seitenbegrenzung  der  hinteren  Schalen.  Die  Verknöchernng 
beginnt  im  Septum. 

Die  Aehnlichkeit  des  Ethmoids  der  Apoden  mit  dem  der  Anuren  ist  naheliegend; 
gegenüber  dem  letzteren  zeichnet  sich  das  der  Apoden  durch  die  geringere  Ausdeh- 
nung der  knorpeligen  Präforination  aus.  Auch  die  Homologie  mit  den  beiderseitigen 
Orbito-spheuoidea  der  Urodelen  ist  wahrscheinlich  (s.  p.  744). 

Columellare  (Stapes).  Bildet  sich  nach  Peter  völlig  aus  der  primordialen 
Grundlage.  Die  Verknöcherung  beginnt  schon  beim  Embryo  und  zwar  zuerst  am 
Operculum ;  erst  im  späteren  Embryonalleben  überzieht  sich  auch  der  Stilus  mit 
Knochen.  Frei  bleiben  davon  das  distale  Ende  des  Stieles  (das  mit  dem  Qnadratum 
eine  Gelenkverbindung  eingeht)  und  das  rostrale  des  Deckels.  Die  Pars  opercularis 
wächst  noch  nach  oben  und  unten  etwas  in  die  Breite,  so  daß  sie  zu  einer  ovalen, 
die  Fenestra  vestibuli  verschließenden  Platte  wird.  Das  schon  im  Knorpelstadium 
vorhandene  Loch  des  Stieles  (für  die  A.  stapedia)  ist  auch  nach  der  Verknöchernng 
deutlich. 

Quadrat  um.  Das  knorpelige  Palatoquadratum  verknöchert  vollständig,  mit 
Ausnahme  der   beiden  Gelenkflächen  für  den  Stiel   der  Columella  und   den  Ünter- 

48* 


756  E.  Gaupp, 

kiefer.  Schon  früh  (Eml)ryo  mit  gedrehtem  Dotter  und  langen  Kiemen)  bildet  sich 
eine  Knochenschale  um  den  ganzen  Quadratknorpel  mit  Ausnahme  des  oberen  Teiles 
des  Proc.  ascendens;  dieser  bleibt  an  seinem  Ende  knorpelig  bis  ins  Larvenleben 
hinein.  Von  den  jjerichondralen  Knochenscheiden  des  Proc.  ascendens  und  des  Proc. 
pterygoideus  wächst  schließlich  (spät)  eine  knöcherne  Platte  (Proc.  jugalis,  P.  und 
F.  Sarasin)  aus,  die  den  Zwischenraum  zwischen  den  beiden  genannten  Fortsätzen 
ausfüllt.  Sie  war  niemals  knorpelig  präformiert.  Peter  vergleicht  diesen  Fortsatz 
wegen  seiner  nur  bindegewebigen  Präformation  mit  dem  vorderen,  ebenfalls  nur  häutig 
jsräformierten  Teil  des  Quadratomaxillare  der  Anuren. 

b)  Als  Deck kn och en  des  Oberschädels  (außer  dem  schou  beim 
Basale  erwähnten  Parasphenoid)  kommen  jederseits  noch  zur  Entstehung : 
Parietale,  Frontale,  Nasale;  P  a  r  a  q  u  a  d  r  a  t  u  m  ,  P  o  s  t  f  r  o  n- 
tale,  Praefrontale,  Septomax  illare;  Praem axillare, 
M  a  X  i  1 1  a  r  e ;  V  0  m  e  r ,  P  a  1  a  t  i  n  u  m ,  P  t  e  r  y  g  o  i  d. 

lieber  das  Parietale,  Frontale,  Nasale,  Post-  und  Praefront  ale 
liegen  Angaben  nicht  vor. 

Paraquadratum  (Squamosum,  Wiedersheim;  Jugale,  P.  und  F.  Sarasin). 
Entsteht  nach  Peter  wie  das  Paraquadratum  der  Urodelen  als  Deckknochen  am 
lateralen  Umfang  des  Palatoquadratums  und  des  vorderen  Endes  der  ührkapsel. 
Die  Verbindung  mit  dem  Maxillare  erfolgt  erst  sekundär  im  späten  Larvenleben. 

Das  Septomax  illare  (Nasale  laterale,  Wiedersheim;  Turbinale,  P.  und  F. 
Sarasin)  ist  ein  Deckknochen  in  der  lateralen  Begrenzung  des  vorderen  Teiles  des 
Nasensackes.  Die  Homologisierung  dieses  Knochens  mit  der  unteren  Muschel  der 
Säuger,  und  seine  dementsprechende  Bezeichnung  als  T  u  r b  i  n  a  1  e  (P.  und  F.  Sarasin) 
ist  schon  darum  unmöglich,  weil  die  untere  Muschel  ihrer  Anlage  nach  zum  prim- 
ordialen Nasenskelett  gehört.  Dagegen  hat  die  Homologisierung  des  Knochens  mit 
dem  Septomaxillare  der  Anuren,  wie  sie  ebenfalls  von  P.  und  F.  Sarasin  vertreten 
wird,  viel  Wahrscheinlichkeit  für  sich  und  ich  habe  demgemäß  den  gleichen  Namen 
gewählt.  (Nach  der  Darstellung  von  P.  und  F.  Sarasin  scheint  der  Knochen  auch 
im  Gebiet  der  Fenestra  narina  zu  liegen.)  Ob  aber  damit  auch  eine  Homologisierung 
des  Apoden-Septomaxillare  mit  dem  vorderen  Praefrontale  mancher  Urodelen  gerecht- 
fertigt ist,  wie  Peter  annimmt,  läßt  sich  darum  im  Augenblick  noch  nicht  sagen, 
weil  über  das  Verhalten  des  Praefrontale  anterius  zu  dem  SeiJtomaxillare  der  Uro- 
delen noch  nichts  Sicheres  feststeht.  P.  und  F.  Sarasin  weisen  eine  Beziehung  des 
Apoden-Septomaxillare  zu  dem  einfachen  oder  doppelten  Praefrontale  der  ITrodelen 
zurück.  Die  Bezeichnung  des  Knochens  durch  Peter  :  „Turbinale  oder  Lacrimale" 
kann,  da  diese  beiden  Namen  ganz  heterogene  Dinge  bezeichnen,  auch  nicht  einmal 
als  Notbehelf  gelten  gelassen  werden. 

U eher  das  embryonale  Verhalten  der  Mun  dhöhl  en  knochen  ,  namentlich 
über  die  Beziehungen  der  Zähne  zu  den  Ossifikationen  mangeln  Angaben.  Vom 
Maxillare  ist  zu  berichten,  daß  es  beim  erwachsenen  Tier  mit  dem  Palatinum 
zum  Maxillopalati  n  u  m  verschmilzt  (Sarasin).  Sehr  beachtenswert  ist  die  Lage 
des  Vom  er,  Palatinum  und  Pterygoid  (von  denen  die  beiden  ersten  einreihig 
Zähne  tragen)  am  Mundhöhlendach:  die  genannten  3  Knochen  zeigen  die  bogen- 
förmige Anordnung,  die  O.  Hertwig  als  die  für  die  Amphibien  primäre  hingestellt 
hat  (Sarasin). 

Knochen  des  Unterkiefers.  Die  Knochen  des  Unterkiefers 
von  Ichthj'ophis  entstehen  am  frühesten.  Wie  bei  manchen  Urodelen, 
so  bildet  sich  auch  bei  Ichthyophis  je  eine  perichondrale  Ossifikation 
am  proximalen  und  am  distalen  Ende  des  MECKEL'schen  Knorpels, 
und  außerdem  3  Deckknocheii.  Die  perichondrale  Ossifikation  am 
proximalen  Ende  (Articulare)  ist  ganz  besonders  ausgedehnt,  doch 
fand  Peter  sie  niemals  ganz  selbständig,  sondern  auch  schon  beim 
Embryo  mit  dem  als  Deckknochen  entstehenden  Angulare  ver- 
schmolzen. Auch  das  distale  Ende  des  MECKEL'schen  Knorpels  umgiebt 
sich  mit  einer  perichondralen  Knochenlamelle  (dem  Mento mandi- 
bulare der  Urodelen    entsprechend),   die   später   mit   dem  Dentale 

und  dem  Operculare  (Deckknochen)  verwächst. 

Ein  primitiver  Charakter  von  Ichthyophis  ist,  daß  außer  der  äußeren,  dem 
Dentale  zukommenden  Zahnreihe  noch  eine  zweite,  innere,  besteht;  nach  P.  und  F. 
Sarasin  gehört  sie  dem  Operculare  an. 

Im  Gebiet  desHyobranchialskelettes  treten  keine  Knochen  auf. 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  757 

Saurier. 

Die  Litteratur  über  die  Entwickelung  des  Saurierschädels  ist  nicht 
groß.  Die  ersten  bildlichen  Darstellungen  des  Primordialcraniums  von 
Anguis  fragilis  und  Lacerta  viridis  gab  Leydig  (1872) ;  Parker 
schilderte  die  gesamte  Schädelentwickelung  von  Lacerta  agilis  und  L. 
vivipara  (1879),  Sewertzoff  (1900)  die  frühesten  Stadien  des  Kopf- 
skelettes von  Ascalabotes  fascicularis.  Ich  selbst  habe  über  das  Pri- 
mordialcranium  von  .Lacerta  agilis  mehrfach  gehandelt  (1891  u.  1891*, 
1898  u.  1898*,  1900)  und  eine  ausführliche  Analyse  desselben  im 
Vergleich  mit  dem  der  Amphibien  und  Säuger  gegeben.  Von  einigen 
Autoren  wurde  die  Entwickelung  bestimmter  Schädelgebiete  verfolgt: 
Born  (1879)  schilderte  die  Bildung  des  Nasenskelettes,  C.  K.  Hoef- 
MANN  (1889)  und  Versluys  (1903)  die  der  Columella  auris.  Angaben 
über  die  Entwickelung  der  Knochen  fehlen. 

Im  Nachfolgenden  halte  ich  mich  vielfach  an  eigene  Untersuch- 
ungen ;  von  den  im  Text  erwähnten  Schädelmodellen  stammt  das  eine 
von  einem  31  mm,  das  andere  von  einem  47  mm  langen  Embryo  von 
Lacerta  agilis.  Zum  Vergleich  wurde  auch  das  Cranium  eines  Anguis- 
embryo  modelliert. 

I.  P  r  i  m  0  r  d  i  a  1  c  r  a  n  i  u  m. 
A.  Neuraler  Teil  des  Primordialcraniums. 

Die  frühesten  Anlagen  eines  Sauriercraniums  sind  von  Sewert- 
zoff (1900)  für  Ascalabotes  fascicularis  beschrieben  worden.  Auf 
einem  Stadium,  wo  die  Extremitätenanlagen  in  Gestalt  abgerundeter 
Höcker  noch  ohne  Skelettanlagen  im  Innern  erscheinen,  ist  die  Ent- 
wickelung des  Gehirnes  schon  ziemlich  weit  vorgeschritten,  das  Mittel- 
hirn groß,  die  Mittelhirnbeuge  stark  ausgesprochen,  die  halbzirkel- 
förmigen  Kanäle  legen  sich  an,  die  Chorda  reicht  mit  ihrem  ventral 
umgebogenen  Vorderende  bis  zur  Hypophyseneinstülpung.  Auf  diesem 
Stadium  sind  die  ersten  Skelettanlagen  durch  sehr  dichtes,  zum  Teil 
verknorpelndes  Gewebe  dargestellt,  und  zwar  können  jederseits  erkannt 
werden:  Parachordale,  Trabecula,  Sphenolateralplatte; 
von  diesen  Teilen  gehören  das  Parachordale  dem  chordalen,  die  beiden 
anderen  Teile  dem  prächordalen  Abschnitt  des  Schädels  an. 

Im  chordalen  Schädelabschnitt  sind  die  Parachordalia  schon 
auf  prochondralem  Stadium  deutlich  von  den  Halswirbelanlagen  abge- 
grenzt. Nur  ihr  hinterer,  kaudal  von  den  Ohrblasen  gelegener  Ab- 
schnitt (die  Pars  occipitalis)  ist  wohl  entwickelt  und  verknorpelt 
vollständig;  dagegen  wird  die  Mesenchymschicht ,  die  zwischen  den 
Ohrblasen  die  Anlage  der  Parachordalia  bildet,  in  ihren  mittleren 
Partieen  nicht  in  Knorpel  umgewandelt.  Diese  Mesenchymschicht 
wird  rostralwärts  immer  dünner  und  geht  vorn  in  die  Anlage  eines 
vor  der  Chorda  quer  gelagerten  Skelettbalkens  (Crista  sellaris, 
Dorsum  sellae)  über,  der  jederseits  mit  der  Anlage  der  Sphenolateral- 
platte zusammenhängt. 

Die  Pars  occipitalis  des  Parachordale  ist  neben  der  Chorda  ein- 
heitlich; an  sie  schließen  sich  aber  lateralwärts  jederseits  4  aufstei- 
gende Bogen  an ,  zwischen  denen  die  3  ventralen  Hypoglossus- 
wurzeln  hindurchtreten  (Sewertzoff  1897).  Der  erste  hinter  dem 
Vagus  folgende  Bogen  scheint  nach  Sewertzoff  nur  einem  einzigen 


758 


E.  Gaupp, 


Segmente  zu  entsprechen.  Lateral  von  der  Pars  occipitalis  des  Para- 
chordale  liegen  die  Occipitalmyotome,  deren  Myocommata  mit  den  ge- 
schilderten Bogenbildungen  verbunden  sind. 

In  diesem  Verhalten  prägt  sich  also  eine  Segmentierung  des  Occipitalteils  des 
Schädels  aus,  und  zwar  würde  es  sich  nach  Sewertzoff  um  4  Segmente  handeln. 
Gegenüber  den  Amphibien,  wo  nur  ein  Segment  deutlich  nachweisbar  ist,  würden 
also  3  Segmente  als  neu  hinzugekommen  zu  betrachten  sein.  Die  3  Hypoglossus- 
wurzeln  der  Reptilien  entsj^rechen  den  3  ersten,  freien  Spinalnerven  der  Amphibien;  im 
Sinne  der  FtJRBRiNGER'schen  Nomenklatur  sind  sie  als  occipito-spiuale  Nerven  (a,  b,c) 
zu  bezeichnen.  Die  Occiiiitalregion  der  Reptilien  repräsentiert,  der  gleichen  Nomen- 
klatur zufolge,  ein  auximetameres  Neocranium.  Spino-occipitale  Myotome 
finden  sich  bei  Lacerta  nach  C.  K,  Hoffmann  (1889)  5,  nach  Chiarügi  und  Van 
Bemmelen  4 ;  nach  FtJRBRiNGER  wären  sie  als  y,  z,  a,  b,  c  zu  deuten.  Aus  den 
zu  a,  b,  c  gehörigen  ventralen  Wurzeln  geht  der  N.  hypoglossus  hervor;  die  zu- 
gehörigen dorsalen  Wurzeln  gehen  embryonal  zu  Grunde.  Transitorische  ventrale 
Wurzeln  y  und  z  sind  auch  beschrieben  worden  (s.  Schema  p.  598). 

Die  weitere  Ausbil- 
Dors  seil.  dung    der    0  c  c  i  p  i  t  a  1  - 

region  der  Saurier  ist 
mit  zureichenden  Metho- 
den bisher  nicht  verfolgt 
worden.  Bei  dem  31  mm 
langen  Embryo  von  La- 
certa agilis  hat  sie  be- 
reits eine  Form  erreicht, 
die  in  der  Hauptsache 
als  für  den  Knorpelzu- 
stand definitive  anzu- 
sehen ist.  Der  occipitale 
Teil  der  Basalplatte 
ist  einheitlich ;  die  beider- 
seitigen Hälften  gehen 
unter   der  Chorda  inein- 


Mesenceph. 


Ohrblase 


1  Parachord. 
P.occip.    j 


Chorda 


Fig.  380.  Graphische  Re- 
konstruktion des  Kopfskelettes 
und  Gehirns  eines  Embryo 
von  Ascalabotes  fascicularis 
(nach  Frontalschnitten).  Nach 
Sewertzoff. 


ander  über  (h  y  p  o  c  h  o  r  d  a  1  e  K  o  m  m  i  s  s  u  r ,  wie  bei  Urodelen).  Kaudal 
schließt  die  Basalplatte  median  mit  einer  leichten  Einziehung  ab,  neben 
der  zwei  flache  Höcker  kaudalwärts  prominieren.  Die  Seitenteile  der 
Region  steigen  jederseits  (als  Occipitalpfeilei-)  hinter  der  Ohrkapsel  auf, 
ihre  oberen  Enden  gehen,  medialwärts  umbiegend,  in  das  Tectum  syno- 
ticum  über.  Zwischen  der  Ohrkapsel  und  dem  Occipitalpfeiler  besteht 
somit  eine  lange  Spalte,  Fissura  m  eto  tica,  durch  die  der  Glossopha- 
ryngeus  und,  getrennt  von  diesem,  der  Accessorio-Vagus  hindurchtreten. 
Als  Grenze  des  basalen  Teiles  des  Occipitalskelettes  gegen  den  late- 
ralen können  jederseits  die  3  Foramina  Hypoglossi  gelten,  die  zu- 
dem die  3  hinteren  occipitalen  Skelettelemente  erkennbar  machen.  Im 
weiteren  Verlauf  der  Entwickelung  gleicht  sich  die  erwähnte  mediane 
Einziehung  an  Hinterrand  der  Basalplatte  aus,  so  daß  letztere  in  der 
Mitte  mit  einem  einheitlichen  Condylus  occipitalis  (Fig.  383)  ab- 
schließt; es  tritt  ferner  (durch  die  Verknöcherung)  ein  Verschluß  der 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  759 

Fissura  metotica  ein,   von  der  nur  eine  hintere  Oeffnung,  Foramen 

Vagi,    und   eine   vordere,    Recessus   scalae    tympani,    erhalten 

bleiben.     Durch  letztere  tritt  der  N.  glossopharyngeus  aus,  außerdem 

lagert    sich    in   sie   der    Saccus   perilymphaticus,    der   durch    das   For. 

perilymphaticum  aus  der  Ohrkapsel  heraustritt  (s.  Regio  otica). 

Der  Umstand,  daß  die  Basalplatte  anfaogs  mit  2  flachen  Condylen  abschließt, 
ist  von  Interesse  mit  Kücksicht  auf  das  Verhalten  bei  den  Säugern.  Der  monocon- 
dyle  Typus  des  Altlanto-occipitalgelenkes  der  Bauropsiden  und  der  dicondyle  der 
Säuger  müssen  sich  von  einer  gleichen  Ausgangsform  aus  entwickelt  haben.  Jeden- 
falls liegt  die  occipito-vertebrale  Grenze  bei  den  Reptilien  an  der  gleichen  Stelle  wie 
bei  den  Säugern. 

In  der  Regio  otica  kommt  es  bei  Lacerta  an  der  Basis  zur 
Bildung  einer  knorpeligen  Basalplatte,  die  aber  in  der  Mitte  von  einer 
großen  Fenestra  basicranialis  posterior  durchbrochen  ist 
(Fig.  382,  383).  Kaudal  wird  diese  durch  die  Pars  occipitalis  der 
Basalplatte,  vorn  durch  eine  schmale  Leiste,  Crista  sellaris,  be- 
grenzt; die  Seitenteile  der  Basalplatte  sind  auch  in  der  Oticalregion 
gut  ausgebildet.  Vorn-lateral  liegt  jederseits  in  ihr  das  For  amen 
n.  abducen  t  is  (in  Fig.  382  jederseits  sichtbar,  aber  nicht  bezeichnet). 
Das  Verschlußgewebe  der  Fenestra  basier,  post.  wird  anfangs  von  der 
Chorda  dorsalis  durchsetzt. 

Nach  Sewertzoff  kommt  bei  Ascalabotes  fascicularis  ein  „mesotischer"  Abschnitt 
der  Parachordalia  überhaupt  nicht  zur  Verknorpelung.  Für  Lacerta  wäre  eine  solche 
Ausdrucksweise  unzutreffend ,  denn  die  lateralen  Partieen  der  Basalplatte  in  der 
Regio  otica  können  doch  wohl  mit  Recht  darauf  Anspruch  machen,  dem  mesotischen 
Abschnitt  der  Parachordalia  im  Sinne  Sewertzoff's  (p.  582)  zugezählt  zu  werden.  Nur 
der  iü  unmittelbarer  Umgebung  der  Chorda  gelegene  Teil  des  „mesotischen  Gewebes" 
verknorpelt  bei  Lacerta  nicht.  Im  übrigen  sind  die  Partieen,  die  bei  den  Amphibien 
als  mesotisches  Gewebe  und  Balkenplatten  unterschieden  werden,  bei  den 
Reptilien  nicht  voneinander  abgrenzbar.  —  Wie  die  Crista  sellaris  (Fig.  382)  zu 
beurteilen  ist,  läßt  sich  mit  Sicherheit  noch  nicht  sagen.  Sie  entsteht  ventral  von 
dem  jNlittelhirnpolster,  das  wegen  der  starken  Mittelhirnbeuge  auch  beträchtlich  ent- 
wickelt ist,  aber  keine  Skelettteile  aus  sich  hervorgehen  läßt.  Da  sich  die  Chorda 
in  die  Crista  nicht  hineinerstreckt,  so  wird  die  Zurückführung  der  letzteren  auf  den 
vordersten  Teil  der  Basalplatte,  der  bei  Selachiern  die  Sattellehne  bildet,  etwas  zweifel- 
haft, da  sich  bis  zu  deren  vorderem  Rande  die  Chorda  entwickelt.  Andererseits  ist 
doch  zu  berücksichtigen,  daß  auch  die  Crista  sellaris  sich  dicht  hinter  der  Hypo- 
physis  bildet,  so  daß  die  Frage  berechtigt  ist,  ob  nicht  vielleicht  die  Lage  der  Crista 
vor  der  Chorda  lediglich  auf  frühzeitigen  Schwund  des  vordersten  Chordaabschnittes 
zurückzuführen  ist.  Um  das  zu  unterscheiden,  müßte  das  Verhalten  der  Chorda 
von  frühesten  Stadien  an  bis  zur  Bildung  der  Crista  sellaris  verfolgt  werden. 
Sewertzoff  faßt  das  Dorsum  sellae  bei  Ascalabotes  fasc.  (daß  dies  dieselbe  Bildung 
ist,  die  ich  Crista  sellaris  nenne,  scheint  mir  aus  den  Abbildungen  Sewertzoff's 
hervorzugehen)  als  eine  besondere  Bildung  auf,  er  schildert  einen  ,,Alisphenoid- 
abschnitt"  des  Schädels  als  bestehend  aus  den  2  „Alisphenoidplatten"  und  einem 
unpaaren  transversalen,  die  beiden  Platten  verbindenden  Balken.  Daß  aber  aus  dem 
frühzeitigen  Zusammenhang  dieses  Balkens  mit  den  Sphenolateralplatten  noch  nicht 
notwendig  eine  engere  Zusammengehörigkeit  der  drei  Gebilde  folgt,   ist   wohl  sicher. 

Von  der  Chorda  dorsalis  giebt  St.-Remy  an,  daß  sie  sich  bei  dem  jungen, 
dem  eben  abgelegten  Ei  entnommenen  Embryo  von  Lacerta  viridis  über  den  Scheitel 
ihrer  Krümmung  hinweg  in  Form  einer  Endknospe  fortsetzt.  Dieselbe  geht  bald 
wieder  zu  Grunde.  Die  ganze  Schädelchorda  unterliegt  frühzeitig  dem  Schwunde; 
schon  bei  dem  47  mm  langen  Embryo  von  Lac.  ag.,  dessen  Schädel  die  Figg.  382 
und  383  darstellen,  war  nur  noch  in  der  Occipitalregion  ein  Rest  von  ihr  auf  der 
Basalplatte  vorhanden;  im  Gebiet  der  Labyrinthregion  war  sie  ganz  zu  Grunde 
gegangen. 

Die  Anlagen  der  Ohr  kapseln  waren  auf  dem  frühesten,  von 
Sewertzoff  untersuchten  Stadium  von  Ascalabotes  fascicularis  (s.  o.) 
noch  nicht  ausgebildet.  In  welcher  Weise  die  Verdichtung  und  Ver- 
knorpelung des  periotischen  Gewebes  erfolgt,  ist  überhaupt  im 
speciellen   noch   nicht  festgestellt   worden ;    ganz    allgemein   kann   ich 


760 


E,  Gaupp, 


sagen ,  daß  dieser  Prozeß  selbständig  am  lateral-ventralen  Umfang 
der  Ohrblase  beginnt,  und  daß  die  dorsalen  und  dorsal-medialen 
Partieen  zuletzt  verknorpeln.  Nach  vollendeter  Verknorpelung  ist 
eine  im  ganzen  ovale  Kapsel  gebildet,  die  an  ihrem  medial-ventralen 
Umfang  kontinuierlich  in  die  Basalplatte  übergeht  und  vorn  wie  hinten 
kuppelartig  abschließt.  Die  zwischen  der  Incisura  prootica  und  der 
Fissura  metotica  gelegene  Uebergangszone  zwischen  der  Kapsel  und 
der  Basalplatte  ist  in  longitudinaler  Richtung  nicht  sehr  ausgedehnt; 
in  ihr  liegt  in  kurzer  Entfernung  hinter  der  Incisura  prootica  das 
Foramen  n.  facialis  (Fig.  385).  Zwischen  diesem  Foramen  und 
dem  vorderen  Ende  der  Fissura  metotica  verläuft  die  Grenzlinie 
zwischen  der  Kapsel  und  der  Basalplatte  nicht  geradlinig,  sondern 
macht  einen  medialwärts  konvexen  Bogen,  d.  h.  die  Kapsel  weitet 
sich  hier  zu  einer  gegen  die  ventrale  Mittellinie  vorspringenden  basalen 
Fortsetzung  aus,  der  Pars  cochlearis,  die  die  Lagena  beherbergt. 
Die  bei  der  Verknorpelung  ausgesparten  Oeftnungen  der  Ohrkapsel 
sind  :For.  acustic  um  an  terius,For.  ac.  posterius, For.  end  0- 
lymphaticum  in  der  medialen  Wand;  Fenestra  vestibuli  in 
der  lateralen,  und  For  amen  perilymp  haticum  (Fen.  Cochleae) 
in  der  ventralen  Wand  der  Pars  cochlearis  (Fig.  381).  Eine  Crista 
p  a r  0 ti  c a  entsteht  außen  am  lateralen  Bogengang  (Fig.  384).    Zwischen 


CohwieUaX:'/^ 


Operculum 


Branchiale  II  (f) 


Parietale 
Taen.  marg, 

Can.  semic.  ant. 
Sept.  semicirc.  ant. 
Paraquadratum 


Palatoquadratum 
Columella  aur. 


Hyale 

Branchiale  I 


n     .       .   ..  Fen.  cochL 

Basioccipit.  j^^^    ^^^^    ^^,„^_ 

Fig.  381.  Querschnitt  durch  die  Labyrinthregion  eines  35  mm  langen  Embryo 
von  Lacerta  agilis.  Vergr.  32:1.  Der  mit  Branchiale  II  (?)  bezeichnete  Querschnitt 
ist  der  des  in  seiner  Natur  noch  nicht  ganz  iilaren  Knorpelstückes,  das  am  Ventral- 
umfang der  Ohrkapsel  im  hinteren  Abschnitt  derselben  angeheftet  ist  (s.  Fig.  386). 
Der  Schnitt  geht  beiderseits  durch  das  Foramen  acusticum  posterius. 

den  hintersten  Abschnitten  beider  Ohrkapseln  bildet  sich  ein  in  sagittaler 
Richtung  schmales  Tectum  synoticum,  von  dessen  Vorderrand 
eine  median  gelagerte  schmale  Knorpelzunge,  Proc.  ascendens  tecti 
synot.  (der  Taenia  tecti  medialis  der  Anuren  entsprechend)  sich  nach 
vorn  erstreckt  (Fig.  382).    Das  Tectum  synoticum  entsteht  durch  Ver- 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  761 

knorpeliing  des  zwischen  beiden  Ohrkapseln  an  der  Decke  gelegenen 
Gewebes,  in  das  auch  die  oberen  Enden  der  Occipitalpfeiler  übergehen. 
Nach  der  Verknorpelung  bildet  sich  eine  deutliche  Grenze  zwischen 
den  oberen  Enden  der  Occipitalpfeiler  und  dem  Tectum  aus. 

Am  beachtenswertesten  ist  die  Pars  cochlearis.  Wie  ich  selbst  (1900)  näher 
ausgeführt  und  begründet  habe,  ist  die  Ausweitung  derselben  gegen  die  Mittellinie 
hin  in  dem  Sinne  zu  erklären ,  daß  ein  Teil  des  Skelettmateriales ,  das  bei  den 
Amphibien  die  Basalplatte  bildet,  bei  den  Sauriern  zur  Umschließung  der  stärker 
entwickelten  Cochlea  (Lagena)  verwendet  wird.  Die  Ohrkapsel  der  Saurier  hat  somit 
gegenüber  der  der  Amphibien  einen  Zuwachs  erfahren.  Auch  abgesehen  hiervon 
bietet  die  Ohrkapsel  der  Saurier  gegenüber  der  der  Amphibien  Unterschiede,  die  aber 
in  der  Hauptsache  hier  übergangen  werden  können.  Im  Inneren  werden  durch  3 
Septa  semicircularia  {Sept.  semic.  ant.  Fig.  381)  die  3  Cava  semicircularia  bis 
auf  je  2  Koramunikationsöffuungen  vom  Hauptraum  abgetrennt;  das  Sept.  semic. 
posterius  ist  ausgedehnter  als  bei  den  Amphibien,  doch  liegen  das  hintere  Ende  des 
lateralen  und  das  untere  Ende  des  hinteren  membranösen  Bogenganges  noch  in  einem 
gemeinsamen  Raum,  der  jedoch  durch  eine  Leiste  von  dem  Hauptraum  der  Ohr- 
kapsel abgetrennt  ist.  Dieser  Hauptraum  selbst  wird  durch  ein  Septum  intervesti- 
bulare  in  zwei  Teile,  Cavum  vestibuläre  anterius  und  Cav.  vestib.  posterius,  geteilt;  ein 
in  dem  Septum  gelegenes  Foramen  intervestibulare  vermittelt  die  Verbindung  zwischen 
beiden.  —  Im  Bereiche  des  For.  perilymphaticum,  sowie  des  Recessus  scalae 
tympani  liegt  anfangs  indifferentes  Bindegewebe  (P'ig.  381),  erst  mit  der  Ausbildung 
des  Cavum  perilymphaticum  kommt  es  auch  zur  Entstehung  des  Saccus  perilym- 
phaticus,  der  durch  das  For.  perilymphaticum  hindurch  in  das  Gebiet  des  Recessus 
scalae  tympani  dringt.  Hier  legt  sich  ihm  später  die  Paukenhöhlenschleimhaut  an, 
und  so  kommt  es  zur  Bildung  einer  Membrana  tympani  secundaria,  die  die  Apertura 
lateralis  recessus  scalae  tympani  verschließt  (also  an  anderer  Stelle  ausgespannt  ist, 
als  die  gleichnamige  Membran  der  Säuger).  Das  For.  perilymphaticum  entspricht 
in  der  Hauptsache  der  Fen.  Cochleae  der  Säuger;  wahrscheinlich  aber  dieser  plus 
dem  Aquaeductus  Cochleae  (Gaupp  1900;  von  Fischer  1903  bestätigt). 

Im  p  r  ä  c h  0  r  d  a  1  e  n  Schädelabschnitt  sind  schon  auf  sehr  jungen 
Stadien  von  Ascalabotes  fascicularis  (s.  o.)  die  Trabeculae  und  die 
Sphenolateralknorpel  angelegt.  Die  Trabeculae  entstehen 
als  selbständige  Spangen,  die  mit  ihren  Hinterenden  die  Hypophysis 
umgreifen  und  wegen  der  starken  Mittelhirnbeuge  anfangs  mit  der 
Achse  der  Parachordalia,  an  deren  Ventralfläche  sie  anstoßen,  einen 
Winkel  bilden.  Auf  späteren  Stadien  wachsen  sie  weiter  rostralwärts, 
und  ihre  vorderen  Enclen  vereinen  sich  zwischen  den  Nasengruben  zu 
einer  Internasalplatte.  Ebenso  erfolgt  später  die  Verbindung  ihrer 
kaudalen  Enden  mit  den  Parachordalia  vorn  neben  der  Fen.  basi- 
cranialis  posterior.  —  Die  Sphenolateralknorpel  (Alisphenoid- 
platten  Sewertzoff's;  s.  oben  die  Bemerkung  im  Kapitel  über  die 
Selachier,  p.  641)  endlich  legen  sich  nach  Sewertzoff  ebenfalls  selb- 
ständig zwischen  Gehirn  und  Augenblasen  an ;  sie  werden  von  den  N  n. 
oculomotorii  durchsetzt  (Fig.  380).  Schon  frühzeitig  hängen  sie 
untereinander  durch  die  vor  der  Chorda  quer  gelagerte  Crista  sellaris 
zusammen  (s.  o.). 

Die  weiteren  Veränderungen  sind  im  Zusammenhang  und  mit 
zureichenden  Methoden  noch  nicht  verfolgt  worden.  Stadien,  auf  denen 
die  Verknorpelung  in  der  Hauptsache  vollendet  ist,  zeigen  folgendes 
(Fig.  382-384). 

Die  Orbito-temporalregion  besitzt  bei  Lacerta  den  tropi- 
basischen  Charakter  sehr  ausgesprochen.  Man  kann  somit  einen 
hinteren  Teil  unterscheiden,  in  dem  die  Schädelhöhle  eine  sehr  be- 
trächtliche Weite  im  Querdurchmesser  besitzt,  und  einen  vorderen 
Teil,  in  dem  ein  hohes  Septum  interorbitale  zur  Ausbildung  kommt, 
das  Cavum  cerebrale  cranii  aber  auf  eine  enge,  supraseptal  gelegene 
Pars   olfactoria   reduziert  ist.     An  der  Basis  des  hinteren  Abschnittes 


762 


E.  Gaupp, 


liegen  die  Trabeciilae,  die  nach  vorn  sehr  stark  konvergieren  und 
sich  vor  der  Hypophyse  zu  einer  Trabecula  communis  anein- 
anderlegen,  um  weiterhin  in  den  unteren  Rand  des  Septum  interorbitale 
überzugehen.  Mit  der  Crista  sellaris  zusammen  begrenzen  sie  die 
Fenestra   hypophyseos,    durch  deren  hinteren  lateralen  Winkel 

Praemax. 


Xasalc 

-  ßlaxillare 

_. -  Praefrontale 
-Frontale 
.  Lacrimale 

Palatin. 

—  ZycjoiHallcHin 

^^Trunsvcrs. 


Cart.  al.  sup. 
Fcn.  dors.  nas.^ 

Adit.  conchae 
Fen.   lat.  nas 

Fiss.  orb.-nas,^ 
Cart.  sphcn.-cthm.  ~ 
Plan,  antorblt. 

Proc.  max.  post.  - 


Plan,  suprasejit — 
Fen.  opt 
ISubic.  inßind.  - 
Fen.  metopt..^ 
Fen.  Hypophijs. 

Proc.  asccnd.  P.-Q.-. 
Taen.  marg. 


Colum.  aur.'-"'< 


yPo^itfront.  tned. 
-   Parietale 

Po.stfront.  lat. 


.    For.  endolymph. 


Proc.  asccnd.   Tect.  synot.       Cond.  occip. 
Ted.  synot.  Chorda  dors. 

Fig.  382,  Schädel  eines  47  mm  langen  Embryo  von  Lacorta  agilis.  Auf  der 
linken  Seite  sind  die  Deckknochen  entfernt.  Nach  einem  bei  uOfacher  Vergr.  her- 
gestellten Plattenmodell  (kopiert  von  Fr.  Zikgler- Freiburg).  Verhältnis  der  Ab- 
bildung zum  Modell  =  1:3.  Ansicht  des  Modelles  von  der  Dorsalseite;  Quadratum 
linkerseits  fortgelassen.  (Rechterseits  ist  eine  Supratrabecularspange  vorhanden ; 
linkerseits  nicht.) 


die  A.  carotis  interna  in  das  Cavum  cranii  eintritt.  Gelegentlich  kann 
hier  ein  geschlossenes  For.  caroticum  vorhanden  sein.  An  der 
Wurzel  einer  jeden  Trabekel  springt  ein  lateral  gerichteter  Proc. 
b  a  s  i  p  t  e  r  y  g  o  i  d  e  u  s  vor  (Fig.  883).  An  seiner  Stelle  liegt  bei 
jüngeren  Embryonen  (vor  der  Verknorpelung)  ein  Haufen  verdichteten 
Gewebes,  der  deutlicheren  Zusammenhang  mit  der  Anlage  des  Palato- 
quadratums  (Fußpunkt  des  Proc.  ascendens)  als  mit  der  Balkenwurzel 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes. 


763 


besitzt.  Bei  der  Verkiiorpelung  geht  aus  seiner  medialen  Hälfte  der 
mit  der  Schädelbasis  zusammenhängende  Proc.  basipterygoideus  hervor, 
während  sich  in  dem  lateralen  Teil  der  Meniscus  pterygoideus  (s. 
Palatoquadratum)  bildet.  Zwischen  diesen  beiden  Teilen  bildet  sich 
eine  Gelenkverbindung  aus.    -  In  dem  embryonalen  Bindegewebe,  das 


Praema. 


Septomaxillare    ,- 
Vomer._ 


JlaxiUare ^ 

Frontale  j1_ 

Palatin.-f- 
Frontale 
Zi/(joiiiaticnm 

Transvcrsuiii  - 

Parietale 

Pterygoid 

Posijront.  lat.- 
Mcniscus  pteryg.--. 

Proc. 

basiptcryg. 

For.  N.  JaciaL- 

Parasphenoid ' 


---Carl.  alar.  inf. 

,  Carl,  eclochoan. 
,  Carl,  paraseplal. 

--Plan,   anlorbit. 
■  Proc.  max.  post. 

^.Plcni.  siiprasepl. 


--  Taen.  marg. 


Feil.  o}ilica 


Proc.  ascend.  P.-Q. 
(Colnmella) 

Quadr.  (P.  articul.) 


Columclla   aur. 
For.  perilymph. 


Fen.  basicrun.  j^ost. 


Cond.  occi]). 


Fig.  383.     Dasselbe  Modell    wie  Fig.  382,   von   der  Ventralseite.     Quadratuin 
linkerseits  mit  dargestellt. 

lateral  das  Gehirn  umhüllt,  treten  Verknorpelungen  auf,  die  in  ihrer 
Gesamtheit  eine  aus  dünnen  Spangen  aufgebaute  und  von  mehreren 
großen  Oeffnungen  durchsetzte  Seitenwand  des  Cavum  cranii  bilden 
(Fig.  382— 384).  Eine  dorsale  Randspange  (Taenia  marginal  is) 
zieht  von  der  dorsalen  Kante  der  Ohrkapsel  zu  dem  später  zu 
schildernden  Planum  supraseptale ;  in  einiger  Entfernung  ventral  davon 
läuft  ebenfalls  in  longitudinaler  Richtung  eine  zweite  Spange,  die 
vorn  aucli  in  das  Planum  suprasei)tale  übergeht,  hinten 
kapsei  durch  einen  vertikal  aufsteigenden  Pfeiler  mit 
lateralen  Ecke   der  Basalplatte   zusammenhängt.     Beide 


vor  der  Ohr- 
der  vorderen 
Longitudinal- 


spangen  werden  durch  eine  vertikale  Spange  untereinander  verbunden. 
Es  sitzt  ferner,  vor  der  Fenestra  hypophyseos,  der  Trabecula  communis 


764  E,  Gaupp, 

eine  Ijesondere  kleine  nnpaare,  aber  aus  zwei  Hälften  zusammengesetzte 
Knorpelplatte  auf,  die  unter  dem  Lobus  infundibularis  einen  Boden 
bildet  (daher  nannte  ich  sie  Subiculum  infundibuli),  und  diese  Knorpel- 
platte  wird  wieder  durch  eine  aufsteigende  Knorpelspange  (Taenia 
metoptica)  mit  der  unteren  der  erwähnten  Longitudinalspangen 
verbunden.  So  kommen  in  der  Schädelseitenwand  des  hinteren  Ab- 
schnittes der  Orbito-temporalregion  4  große  Fenster  zu  stände:  ein 
vorderes  unteres  dient  als  Fenestra  optica  dem  Opticus  zum 
Durchtritt,  es  erhält  seine  vordere  Begrenzung  durch  den  frei  an- 
stehenden hinteren  Rand  des  Septum  interorbitale ;  die  dahinter  ge- 
legene Fenestra  metoptica  wird  vom  0  culo  m  otorius  und 
Trochlearis  benutzt ;  das  vordere  obere  Fenster,  F  e  n.  e  p  i  o  p  t  i  c  a , 
hat  keine  weitere  Bedeutung;  das  hintere  obere,  das  aber  wegen  des 
Verhaltens  der  unteren  Longitudinalspange  bis  an  die  Basalplatte  herab- 
reicht, stellt  eine  große  Fenestra  i)rootica  vor  und  dient  in  seinem 
ventralen  Abschnitt  dem  gesamten  Trigeminus  zum  Durchtritt. 

Manchmal,  doch  nicht  immer,  verknorpelt  auch  noch  eine  kurze  longitudinale 
Spange,  die  in  kurzer  Entfernung  dorsal  von  der  Trabekel  verläuft,  hinten  mit  der 
ßasalplatte,  vorn  mit  dem  Subiculum  infundibuli  verbunden  (S upra trabe cular - 
Spange).  Sie  kann  auch  einseitig  vorhanden  sein  (so  in  Fig.  382  auf  der  rechten 
Seite).  Sewertzoff's  Angaben  über  Ascalabotes  fascicularis  brechen  leider  zu  früh 
ab,  so  daß  nicht  gesagt  werden  kann,  wie  sich  bei  der  genannten  Form  die  Spheuo- 
lateralplatte  weiter  entwickelt,  ob  hier  etwa  eine  weniger  lückenhafte  Seitenwand 
entsteht,  oder  ob  es  auch  hier  zur  Ausbildung  größerer  Fenster  kommt,  und  auf 
welche  Weise  dies  geschieht. 

Im  vorderen  Teil  der  Orbito-temporalregion  kommt  es  zwischen 
den  Augen  zur  Ausbildung  eines  hohen  Septum  interorbitale,  in  dessen 
ventralen  Rand  die  beiden  Trabeculae  übergehen.  Es  wird  von  einer 
Fenestra  septi  (Fig.  384)  durchbrochen  und  setzt  sich  vorn  in  das 
Septum  nasi  fort.  Ueber  seinem  oberen  Rande  verknori)elt  jederseits 
die  Seitenwand  des  Cavum  cranii  als  Planum  supr aseptale;  die 
beiderseitigen  Plana  supraseptalia  sind  schräg  gestellt,  so  daß  sie  vom 
oberen  Rande  des  Septums  aus,  an  dem  sie  zusammenstoßen,  nach 
oben-lateralwärts  divergieren.  Mit  dem  Hinterrand  eines  jeden  Planums 
verbindet  sich  die  Taenia  marginalis,  sowie  die  untere  longitudinale 
Seitenwandspange  des  hinteren  Abschnittes  der  Orbito-temporalregion. 
Der  vordere  Teil  des  Planum  supraseptale  bildet  nur  einen  schmalen 
Streifen,  der  nach  vorn  bis  an  die  Fenestra  olfactoria  reicht  und  den 
Lobus  olfactorius  trägt.  Er  geht  dann  in  eine  Knorpelspange  (Gart, 
spheno-ethmoidalis)  über,  die  unter  dem  Bulbus  olfactorius  lateral- 
wärts  über  den  N.  ethmoidalis  hinwegtritt  und  in  das  Dach  der  Nasen- 
kapsel übergeht  (Fig.  382). 

Von  der  ersten  Anlage  der  Ethmoidalregion  giebt  Sewertzoff 
nur  an,  daß  bei  Ascalabotes  die  rostralen  Enden  beider  Trabeculae 
sich  zwischen  den  Nasengruben  zu  einer  Platte  (Internasalplatte)  ver- 
einigen. Welchen  Anteil  dieselbe  am  Aufbau  des  Nasenskelettes  nimmt, 
hat  Sewertzoff  nicht  verfolgt;  wahrscheinlich  bildet  sie  den  ventralen 
Teil  des  Septum  nasi.  Dies  geht  aus  der  Darstellung  hervor,  die 
Born  von  der  Entstehung  des  knorpeligen  Ethmoidalskelettes  bei 
Lacerta  agilis  giebt.  Hier  bilden  sich,  Born's  Schilderung  zufolge, 
zuerst  2  Streifen  verdichteten  Gewebes,  die  nahe  über  dem  Dach  der 
Mundhöhle  innen  und  unten  von  den  Riechgruben  konvergierend  nach 
vorn  ziehen  (offenbar  die  Trabekel).  Sie  verschmelzen  bald  unter- 
einander zu  dem  Nasenseptum,  das  in  den  vorderen  Teil  der  Ethmoidal- 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  765 

region  von  vornherein  einheitlich  hineinwächst.  Die  Entwickelung  des 
Knorpels  geht  in  der  Richtung  von  hinten  nach  vorn  vor  sich,  sowohl 
im  Septum  wie  in  den  anderen  Partieen  des  perir hinischen  Gewebes. 
Im  Anschluß  an  den  oberen  Rand  des  Septums  erfolgt  die  Verdichtung 
des  Gewebes  an  der  Decke,  an  die  sich  die  am  lateralen  Umfang  an- 
schließt. Hier  setzt  sie  sich  in  den  Muschelwulst  hinein  fort.  Vorn 
kommt  ein  kuppeiförmiger  Abschluß  der  ganzen  Kapsel  zu  stände. 
Am  Boden  kommt  es  nur  in  geringer  Ausdehnung  zur  Knorpelbildung: 
vorn  entsteht  im  Anschluß  an  den  ventralen  Rand  des  Septums  ein 
Boden  (Lamina  trans versalis  anterior)  unter  dem  Jacobson- 
schen  Organ,  der  lateral  mit  der  Seitenwand  dieser  Gegend  in  Zu- 
sammenhang tritt,  so  daß  hier  eine  Strecke  weit  die  Nasenhöhle  ring- 
förmig (oben,  seitlich,  unten,  innen)  von  Knorpel  umgeben  wird.  Vor 
und  hinter  dieser  Zona  anularis  unterbleibt  die  Bildung  eines  aus- 
gedehnten Bodens ;  nur  dicht  neben  dem  Septum  entsteht  ein  schmaler 
Streifen,  Cartilago  paraseptalis  (Fig.  383),  der  vorn  in  die 
Kapsel  des  JACOBSON'schen  Organes,  hinten  in  das  Planum  antorbitale 
übergeht.  Vor  seiner  Verknorpelung  steht  er  mit  der  Anlage  des 
Septums  in  Zusammenhang,  nach  der  Verknorpelung  ist  er  vom 
Septum  durch  einen  schmalen  Zwischenraum  getrennt.  Er  richtet 
sich,  wie  ich  finde,  im  Laufe  der  Entwickelung  mehr  auf,  so  daß  er 
eine  Fläche  dorsal-  und  lateralwärts,  die  andere  ventral-  und  medial- 
wärts  kehrt.  Als  kaudaler  Abschluß  der  Nasenkapsel  bildet  sich  ein 
hohes  Planum  antorbitale,  das  lateral  in  die  Seiten  wand,  medial- 
ventral in  die  Gart,  paraseptalis  übergeht,  vom  Septum  aber  durch 
eine  Spalte  getrennt  bleibt  und  auch  ventral  mit  freiem  Rande  ab- 
schließt. Lateral  läuft  es  in  einen  langen,  nach  hinten  gerichteten 
Proc.  m axillaris  posterior  aus,  ein  kürzerer  Proc.  max. 
anterior  springt  nach  vorn  hin  vor  (Fig.  384).  Der  dorsale  Rand 
des  Planum  antorbitale  biegt  in  seiner  lateralen  Partie  in  das  Dach 
der  Nasenkapsel  um,  in  seiner  medialen  Partie  bleibt  er  frei,  über 
ihm  bildet  sich  hier  die  schon  erwähnte  Cartilago  spheno-ethmoidalis, 
die  von  dem  Planum  supraseptale  in  das  Dach  der  Nasenkapsel  über- 
geht. Zwischen  ihr  und  dem  oberen  Rande  des  Planum  antorbitale 
bleibt  eine  Spalte,  Fissur a  orbito-nasalis,  bestehen,  durch 
die  der  N.  ethmoidalis  aus  der  Orbita  in  die  Nasenhöhle  tritt 
(Fig.  382,  384). 

Die  Nasenkapsel  in  ihrer  Vollendung  läßt  einen  hinteren  weiteren  und  einen 
vorderen  engeren  Abschnitt  unterscheiden  (Fig.  382 — 384).  Das  Septum  geht  kon- 
tinuierlich durch  beide  Abschnitte  hindurch,  nur  am  Uebergang  in  das  Septum  inter- 
orbitale enthält  es  eine  längliche  Fenestra;  eine  Verdickung,  Orista  septi,  dient 
dem  medialen  Rande  des  Os  septomaxillare  zur  Auflagerung.  An  der  Decke  des 
hinteren  Abschnittes  liegt  eine  große  Fenestra  olfactoria,  durch  die  die  zahl- 
reichen Aeste  des  N.  olfactorius  in  die  Nasenkapsel  eintreten.  Auch  der  N.  ethmo- 
idalis gelangt  nach  seinem  Durchtritt  durch  die  Fissura  orbito-nasalis  zuerst  in  das 
Gebiet  der  Fenestra  olfactoria,  kreuzt  sich  hier  mit  den  Olfactoriusästen  (über  diesen 
liegend)  und  tritt  dann  durch  die  Fenestra  in  die  Nasenkapsel  ein. 

Vor  der  Fenestra  olfactoria  erstreckt  sich  das  Dach  der  Nasenkapsel  rostral- 
wärts  über  beide  Abschnitte  und  geht  vorn  in  den  vorderen  kuppelförmigeu  Ab- 
schluß der  Kapsel  über.  Es  wird  im  Gebiet  der  vorderen  Kapselhälfte  von  einer 
Fenestra  dorsalis  nasi  durchbrochen.  Die  Seiten  wand  der  Kapsel  ist  am  kom- 
pliziertesten gestaltet;  nimmt  man  noch  den  vorderen  und  hinteren  Kapselabschluß 
hinzu,  so  kann  man  wie  bei  den  Amphibien  drei  Skelettzonen  unterscheiden.  Die 
hintere  wird  repräsentiert  durch  das  Planum  antorbitale  und  den  hinteren  Teil  der 
Seitenwand,  der  von  einer  großen  Oeffnung  (Fenestra  lateralis  nasi;  sie  fehlt 
nach  Born  bei  manchen  Sauriern,  z.  ß.  Hemidaetylus)  durchbrochen  ist  und  von 
seinem  unter  dieser  Oeffnung  gelegenen  Abschnitt  den  langen  Proc.  maxillaris  posterior 


766  E.  Gaupp, 

nach  hinten  entsendet.  Letzterer  liegt  dem  Maxillare  auf.  Zwischen  ihm  und  dem 
hinteren  Ende  der  Cart.  paraseptalis  bilden  sich  vorübergehend  auf  der  Dorsalfläche 
des  Palatinum  kleine  Knorpelinseln,  die  wahrscheinlich  Andeutungen  dafür  sind,  daß 
das  Planum  antorbitale  mit  semem  ventralen  Rande  früher  dem  Palatinum  aufruhte 
(Fig.  384).  An  ihrer  Stelle  wurde  auch  einmal  ein  mit  der  Cart.  paraseptalis  zusammen- 
hängender Knorpelfortsatz  gefunden.  In  dem  Septum  interorbitale  kann  der  Grun<l 
dafür  gesehen  werden,  daß  das  Planum  antorbitale  sich  von  der  Mundschleimhaut 
(dem  Palatinum)  entfernte.  Der  hintere  Abschnitt  der  Seitenwand  geht  mit  seiner 
dorsalen  Partie  in  den  mittleren  Seitenwandabschnitt  über,  die  ventralen  Partieen 
beider  Abschnitte  bleiben  durch  eine  Spalte  getrennt.  Die  der  mittleren  Skelettzone 
(der  Zona  anularis)  zuzuzählende  Partie  der  Seitenwand  gehört  teils  dem  vorderen 
schmäleren,  teils  dem  hinteren  weiteren  Abschnitt  der  Nasenkajjsel  an,  liegt  also  auf 
der  Grenze  zwischen  beiden.  Sie  ist  vor  allem  ausgezeichnet  durch  die  Muschel. 
Anfangs  ist  die  Verdichtung  des  Gewebes  in  dem  Muschelwulst  mehr  einheitlich, 
später  differenzieren  sich  nur  die  peripheren,  der  Schleimhaut  folgenden  Partieen 
dieser  Gewebsverdichtung  weiter  und  verknorpeln,  während  die  centralen  Massen 
zurückbleiben.  So  entsteht  eine  der  Schleimhaut  folgende  Einfaltung  der  Knorpel- 
wand, in  die  sekundär  die  Glandula  nasalis  lateralis  von  vorn  her  hineinwächst.  Die 
Einfaltung  schließt  sich  später  ventral  und  kaudal  zu  einer  nur  von  vorn  her  zugäng- 
lichen, mit  dünner  Basalplatte  an  der  Seitenwand  ansitzenden  Röhre,  wie  sie  der 
erwachsenen  Eidechse  bekanntlich  zukommt.  Ueber  dem  Aditus  conchae  wird  die 
Seitenwand  von  einem  besonderen  Foramen  für  den  N.  lateralis  nasi  durchbrochen 
(For.  epiphaniale,  s.  p.  587).  Born  hat  auf  die  Verschiedenheiten  in  der  Form 
der  Muschel  bei  verschiedenen  Sauriern  aufmerksam  gemacht,  aus  denen  hervorgeht, 
daß  es  auf  die  Gestalt  des  Muschelknorpels,  ob  Embuchtung,  ob  Röhre,  ob  Platte, 
für  die  Beurteilung  der  Homologie  nicht  ankommt. 

Ventral  von  der  Stelle,  wo  die  Muschel  mit  der  Seitenwand  der  Nasenkapsel 
zusammenhängt,  setzt  sich  die  letztere  noch  weiter  ventralwärts  fort  und  geht  in 
einen  Bodenabschnitt  über,  der  mit  dem  ventralen  Septumrand  zusammenhängt. 
Dieser  Bodenabschnitt  (die  schon  erwähnte  Lamina  transversalis  anterior) 
bildet  eine  flache  Knorpelschale  für  das  jACOßSON'sche  Organ  (mit  einer  besonderen 
Erhebung,  der  Concha  des  Jacobs.  Org.)  und  setzt  sich  nach  hinten  in  2  Knorpel- 
streifen, die  Cartilago  paraseptalis  und  die  Cart.  ectochoanalis,  fort.  Von  diesen 
zieht  die  schon  erwähnte  Cart.  paraseptalis  neben  dem  Septum  nach  hinten 
und  verbindet  sich  mit  dem  Planum  antorbitale ;  im  Laufe  der  Entwickelung  schiebt 
sie  sich  mehr  am  Septum  in  die  Höhe,  erreicht  mit  ihrem  oberen  Rande  die  Crista 
septi  und  kann  sogar  mit  dieser  verschmelzen.  Die  C.  paraseptalis  ist  als  Teil  des 
Bodens  der  Nasenkapsel  zu  betrachten,  der  die  Verbindung  mit  dem  Septum  auf- 
gegeben hat.  Diese  Loslösung  steht  in  Zusammenhang  mit  der  des  Planum  ant- 
orbitale vom  Septum.  Es  wird  so  die  ganze  hintere  kuppeiförmige  Partie  der  Kapsel 
frei,  im  Gegensatz  zu  dem  Verhalten  bei  den  Amphibien  (Fig.  383).  Die  Cart. 
ectochoanalis  wächst  längs  des  medialen  Randes  der  Gaumenplatte  des  Maxillare 
nach  hinten  und  liegt  dabei  lateral  von  dem  Ausführungsgang  des  jACOBSON'schen 
Organes  und  von  der  Schleimhautrinne,  die  von  hier  bis  zur  Choane  hinzieht. 

Vor  der  mittleren  Skelettzone  folgt  eine  über  den  Boden  und  die  Seitenwand 
der  Nasenkapsel  ausgedehnte  Fenestra  narina,  die  vorn  durch  die  vordere  Skelett- 
zone begrenzt  wird.  Diese  umgiebt  kuppeiförmig  (Cart.  cupularis)  den  vorderen 
Abschluß  der  Vorhöhle  und  wird  vorn  durch  ein  For.  apicale  (für  den  N.  medialis 
nasi)  durchbrochen.  Als  obere  und  untere  Begrenzung  der  eigentlichen  Apertura 
nasalis  externa  entwickelt  sich  von  dem  Kuppelknorpel  aus  nach  hinten  ein  Proc. 
alaris  superior  und  ein  Proc.  alaris  inferior. 

B.  Primordiales  Visceralslielett. 

Kieferbogen.  Bei  ca.  7  mm  langen  Embryonen  von  Lacerta 
agilis  hängen  die  vorknorpeligen  Anlagen  des  Palatoquadratums  nnd 
des  MECKEL'schen  Knorpels  noch  in  der  Gegend  des  späteren  Gelenkes 
zusammen.  Die  wenig  scharf  begrenzte  Anlage  des  Palatoquadratums 
zieht  sich  vorn  in  einen  medial  gerichteten  kurzen  Zipfel  aus,  der  in 
2  Fortsätze  übergeht:  den  Proc.  ascendens  und  den  nach  vorn 
ziehenden  Proc.  pterygoideus  (Fig.  384).  Außerdem  schließt  sich 
auf  diesem  Stadium  an  den  Fußpunkt  des  Proc.  ascendens  eine  Masse 
verdichteten  Gewebes  an,  die  medialwärts  gegen  die  Wurzel  der  Balken- 
anlage  gerichtet  ist   und    mit   dieser   in   Verbindung   tritt.     Die   Ver- 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes. 


767 


knorpeliing  des  Quadratumkörpers  erfolgt  selbständig,  ebenso  die  des 
Proc.  ascendens,  der  die  sog.  Columella  bildet.  Der  Verbindungs- 
strang zwischen  dem  Körper  des  Quadratums  und  der  (^Columella  ver- 


Proc.  asc.  P.-Q.  (Columella) 
Taen.  marg.  Prom.  semic.  ant. 


Fen.  septi 
Plan,  suprasept. 
Cart.  sphen.-ethm 
Fiss.  orb.-nas.- 
Fen.  lat. 

Fen.  dors. 
Concha 

Proc.  al. 
sup. 


Proc.  asc.  tect.  syn. 


Proviin.  saccul. 
Prom.  semic.  pst. 
Prom.  semic.  lat. 
Crista  parotica 


Fen.  narin.l 


Proc. 
max.  post 
Proc.  max.  ant 


Proc,  parot. 
Proc.   Quadr.   (jol.  aur. 


pteryg.  basipter. 
Caps.  org.  voin.-nas^         Sept.  io. 
Fig.  384.     Chondrocranium    eines    31  mm    langen  Embryo    von^Lacerta  agilis, 
von  der  linken  Seite.     Nach  einem   bei  öOfacher  Vergr.  hergestellten!  Plattenmodell. 
Verhältnis  der  Abbildung  zum  Original  des  Modelies  =  1:3  (s.  Gaupp  1900). 

knorpelt  nur  in  Ausnahmefällen.  Der  Proc.  pterygoideus  verknorpelt 
im  Anschluß  an  den  Fußpunkt  der  Columella,  geht  aber  später  wieder 
zu  Grunde.  In  der  erwähnten  basalen  Gewebsmasse  bildet  sich,  wie 
schon  erwähnt,  der  Proc.  basipterygoideus  der  Schädelbasis,  außerdem 
aber  entsteht  in  ihm  (und  zwar  in  seinem  lateralen  Teil,  der  bei  fort- 
schreitender Verdichtung  deuthcher  mit  dem  Proc.  ascendens  des 
Palatoquadraturas  zusammenhängt)  durch  selbständige  Verknorpelung 
ein  anfangs  mehr  drehrunder,  später  sich  abplattender  Knorpel  am 
medialen  Umfang  des  Os  pterygoideum,  das  sich  von  ventral  her  in 
die  verdichtete  Gewebspartie  vorschiebt.  Zwischen  dem  zuletzt  er- 
wähnten Knorpel  (Meniscus  pterygoideus,  Howes  and  Swinner- 
TON)  und  dem  Proc.  basipterygoideus  bildet  sich  eine  Gelenkverbindung 
aus  (Fig.  384).  —  Die  Anlagen  beider  Meckel' sehen  Knorpel 
kommen  anfangs  mit  ihren  rostralen  Enden  noch  nicht  zur  Vereinigung, 
später  legen  sie  sich  aneinander.  Zwischen  dem  proximalen  Ende 
eines  jeden  MECKEL'schen  Knorpels  und  dem  Palatoquadratum  entsteht 
das  Gelenk. 

Daß  die  Columella  der  kionokranen  Saurier  genetisch  dem  Palatoquadratum 
angehört  und  dem  Proc.  ascendens  des  Palatoquadratums  der  Amphibien  entspricht, 
habe  ich  selbst  1891  nachgewiesen.  Mit  dem  Proc.  ascendens  des  Amphibien- 
Palatoquadratums  hat  sie  auch  das  Verhalten  zu  den  Trigeminusästen  gemein :  der 
erste  Ast  läuft  medial  von  ihr  nach  vorn,  der  zweite  und  dritte  treten  hinter  ihr 
nach  außen.  An  der  angegebenen  Stelle  machte  ich  auch  auf  den  Proc.  pterygoideus 
der  Saurier  aufmerksam.  Er  wurde  auch  bei  Anguis  und  Platydactylus  gefunden, 
hier  aber  ohne  kontinuierlichen  Zusammenhang  mit  der  Columella.  Sein  vorderes 
Ende  biegt  nach  außen  ab  und  liegt  auf  dem  Os  transversum.  In  dem  Meniscus 
pterygoideus,  d.  h.  dem  Knorpel,  der  dem  Os  pterygoideum  anliegt  und  mit  dem 
Proc.  basipterygoideus  artikuliert,  ist  wohl  auch  eine  zum  Palatoquadratum  gehörige 
Bildung,  und  in  der  Articulation  eine  Einrichtung  zu  sehen,  die  auf  die  Verbindung 
des  Proc.  basalis  palatoquadrati  mit  der  Schädelbasis  bei  niederen  Vertebrateu  zurück- 
zuführen ist.  Auch  bei  manchen  Fischen  kommt  eine  Artikulation  des  Proc.  basalis 
palatoquadrati  mit  einem  besonderen  Proc.  basipterygoideus  der  Schädelbasis  vor.  — 
Dem  Gesagten  zufolge  besitzt  das  Palatoquadratum  der  Saurier  im  Erabryonalzustand 
noch  große  Aehnlichkeit  mit  dem  der  Amphibien. 


768 


E.  Gaupp, 


Bei    Lacerta    kommen    zur    Anlage : 
Zungenbein bogen 


B  r  a  n  c  h  i  a  1  b  0  g  e  n , 


H  y  0  b  r  a  n  c  h  i  a  1  s  k  e  1  e  1 1 
jederseits  ein  Zungenbeinbogen  und  zwei 
dazu  eine  unpaare  mediane  Copulamasse.  Aus  der  Anlage  des 
Zungenbeinbogens  gehen  das  Cornu  hyale  (priucipale)  des  Zungen- 
beines, sowie  die  Columella  auris  hervor,  welch  letztere  dadurch 
als  Differenzierung  des  oberen  Endes  des  Zungenbeinbogens  erscheint. 
Ihre  Entwickelung  mag  zuerst  verfolgt  werden  (hauptsächlich  im  An- 
schluß an  Versluys). 


Proc 


Hyo- 

stapes 


Ps.interhyal. 
Cornu  hyale 

Fig. 
matisch. 


Hyostapes 
Insertionsteil 
(P.  superior) 


P)-oc. 
dors. 


Otostapes 
Pars  'interhy 


Hyostapes 
Insertionsteil 
(P.  super.) 


Otostap. 
Proc.intern. 


Cornu  hyale 


dors. 
parot.) 


Oper- 
culum 


Otostapes 
Proc.  intern. 
Cornit  hyale 

385a — c.  Knorpelcentra  in  der  Columella  auris  eines  Lacertiliers,  sche- 
Nach  Versluys.  Knorpelcentra  punktiert,  Blastem  weiß,  a  erstes  Auf- 
treten der  Knorpelcentra.  b  weiter  vorgeschrittenes  Stadium,  c  Verknorpelung  bei- 
nahe vollendet.  Die  Wurzel  des  Proc.  dorsalis  und  die  Pars  interhyalis  sind  rück- 
gebildet, dadurch  ist  der  Proc.  dorsalis  als  Proc.  paroticus  frei  geworden  und  das 
Cornu  hyale  hat  sich  von  der  Columella  abgegliedert.  (Die  spätere  Grenze  zwischen 
dem  Stapes  und  der  Extracolumella  tritt  innerhalb  des  Otostapes  auf!) 


Schon  bei  ihrem  ersten  Auftreten  bilden  nach  Versluys  (bei 
Lacerta,  Gecko,  Platydactylus)  die  Anlagen  des  Cornu  hyale  und 
der  Columella  einen  zusammenhängenden  Blastemstab,  dessen 
dorsales,  etwas  medialwärts  gekehrtes  Ende  in  das  Blastem  der  Ohr- 
kapsel übergeht  und  bei  Lacerta  von  demselben  nicht  zu  trennen  ist. 
Bei  Geckoniden  ist  dagegen  die  Grenze  beider  Teile  bestimmt  er- 
kennbar. Die  Columella-Anlage  selbst  ist  eine  einheitliche,  eine  Grenze 
ist  in  ihr  anfangs  nicht  vorhanden.  Von  der  Stelle  aus,  wo  sie  in  das 
Zungenbeinhorn  umbiegt,  entsteht  als  Auswuchs  der  Insertions- 
teil mit  seiner  Pars  superior  und  P.  inferior.  Die  Verknorpelung 
der  Columella  erfolgt  ohne  Zusammenhang  mit  der  Knorpelbildung 
im  Cornu  hyale,  und  zwar  von  3  Knorpelkernen  aus  (Fig.  385).  Ein 
medialer  Kern  entsteht  da,  wo  die  Fußplatte  und  der  Stiel  der  Colu- 
mella zusammenstoßen,  ein  lateraler  da,  wo  der  Stiel  und  der  später 
ins  Trommelfell  eingefügte  Insertionsteil  der  Columella  zusammen- 
treffen, ein  dritter  endlich  in  dem  sog.  Proc.  dorsalis,  der  schon 
im  Blastemstadium  von  der  Mitte  der  Columella  dorsalwärts  wächst. 
Die  aus  dem  medialen  und  dem  lateralen  Kern  hervorgehenden 
Knorpelstücke  sind  die  von  C.  K.  Hoffmann  (1889)  als  Otostapes 
und  Hyostapes  bezeichneten  Abschnitte,  die  beide  kontinuierlich 
knorpelig  miteinander  verschmelzen.  (Als  Andeutung  der  ursprüng- 
lichen Grenze  kann  noch  bei  der  erwachsenen  Lacerta  eine  Diskonti- 
nuität im  Knorpel  bestehen  bleiben.)  Beide  Abschnitte  sind  aber  nicht 
identisch  mit  den  als  Stapes  und  Extracolumella  bezeichneten 
Teilen  der  ausgebildeten  Sauriercolumella.  Die  Stapes-Extracolumella- 
grenze  entsteht  vielmehr  innerhalb  des  Otostapes,  so  daß  also  die 
Extracolumella  (bei  Lacerta)  aus  dem  Hyostapes   und   einem   distalen 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  769 

Abschnitt  des  Otostapes  entsteht.  Das  Stapes-Extracolumellargelenk 
entsteht  sehr  spät.  Die  Gelenkbildung  kann  unterbleiben,  und  dann 
läßt  sich  eine  Grenze  zwischen  Stapes  und  Extracolumella  nur  durch 
die  Ausdehnung  des  Verknöcherungsprozesses  bestimmen:  der  Stapes 
verknöchert,  die  Extracolumella  bleibt  zeitlebens  knorpelig.  Aus  dem 
im  Proc.  dorsalis  auftretenden  Knorpelkern  geht  ein  Knorpelstück 
hervor,  das  mit  der  Columella  entweder  nur  durch  ein  Band  verbunden 
oder  von  derselben  durch  Reduktion  der  ursprünglichen  V^erbindungs- 
masse  ganz  getrennt  wird.  Es  bildet  als  Proc.  par oticus  (Fig.  384) 
eine  Zeitlang  die  alleinige  Verbindung  des  Palatoquadratums  mit  der 
Crista  parotica  der  Ohrkapsel,  verschmilzt  bei  Lacerta  mit  letzterer, 
tritt  aber  nach  Versluys  bei  der  Verknöcherung  derselben  wieder 
als  selbständiges  Knorpelstück  hervor,  das  noch  an  der  Befestigung 
des  Quadratums  am  Schädel  beteiligt  ist.  —  Die  Verbindung  der 
Columella  mit  dem  Cornu  principale  des  Zungenbeines  löst  sich,  indem 
das  verbindende  Blastem  (Pars  interhyalis,  Fig.  385)  zu  Grunde  geht. 
Ein  Teil  des  letzteren  kann  vorher  verknorpeln  und  so  einen  ventral- 
wärts  gerichteten  Fortsatz  der  Extracolumella  entstehen  lassen:  Proc. 
interhyalis  (Proc.  accessorius  posterior). 

Die  erste  ausführliche  Darstellung  von  der  Entwickelung  der  Ohrcoluraella  von 
Lacerta  gab  C.  K.  Hoffmann  (1889):  sie  kommt  zu  dem  Schluß,  daß  die  Gesamt- 
columella  aus  2  genetisch  verschiedenen  Teilen  besteht,  einem  labyri  n  thären 
(Otostapes  H.)  und  einem  hyalen  (Hyostapes  H.).  Beide  Teile  betrachtet  H.  als 
identisch  mit  dem  späteren  Stapes  und  der  Extracolumella.  An  der  Richtigkeit  der 
doppelten  Genese  habe  ich  selbst,  nachdem  ich  ihr  früher  zugestimmt,  Zweifel  ge- 
äußert (1899)  und  es  für  wahrscheinlicher  erklärt,  daß  beide  Stücke  hyalen  Ursprunges 
sind.  Durch  die  Untersuchungen  von  Versluys  erfährt  letztere  Auffassung  eine 
Stütze;  auch  Versluys  kommt  zu  dem  Schluß,  daß  sowohl  der  Otostapes  wie  der 
Hyostapes  hyaler  Herkunft  sind.  Die  beiden  Bezeichnungen  drücken  somit  nur  topo- 
graphische, aber  nicht  genetische  Beziehungen  aus.  Neu  und  wichtig  ist  dabei  der 
Nachweis  von  Versluys,  daß  die  beiden  genannten  Teile  nicht  den  späteren  Ab- 
schnitten (Stapes  und  Extracolumella)  entsprechen.  Prinzipiell  gutzuheißen  ist  die 
Einführung  neuer  Bezeichnungen ;  die  alten  Namen  Supra-,  Infra-,  Extrastapediale 
u.  s.  w.  sind,  abgesehen  davon,  daß  sie  Teils tücken  den  Charakter  selbständiger 
Individualitäten  aufprägen,  auch  durch  die  Skrupellosigkeit,  mit  der  sie  angewendet 
worden  sind,  allmählich  recht  wertlos  geworden.  —  Die  Pars  interhyalis  ent- 
spricht nach  Versluy'S  dem  ebenso  benannten  Abschnitt  des  Hyale  bei  den 
Säugern. 

Der  Proc.  paroticus  ist  zuerst  von  mir  (1900)  gefunden  und  als  in  geweb- 
lichem  Zusammenhange  mit  der  Columella  stehend  nachgewiesen  worden.  Ich  stellte 
ihn  als  ein  Gebilde,  das  offenbar  zur  Columella  auris,  d.  h.  zum  Zungenbeinbogen 
gehört,  der  zur  Ohrkapsel  gehörigen  Crista  parotica  gegenüber,  mit  der  er,  wie  ich 
fand,  erst  sekundär  verschmilzt.  Aus  diesem  Grunde,  wie  aus  dem  Verhalten  der 
Chorda  tympani  erklärte  ich  die  Vergleichbarkeit  des  Fortsatzes  mit  einem  der  Ab- 
schnitte des  Proc.  styloideus  der  Säuger  für  höchst  wahrscheinlich,  wenn  nicht  fast 
sicher.  Die  Richtigkeit  dieser  Thatsachen  und  Betrachtungen  wird  von  Versluys 
bestätigt  und  ist  in  dem  von  ihm  gewählten  Namen  (Intercalare)  zum  Ausdruck  ge- 
bracht. Die  Darstellung,  die  Versluys  von  meiner  Schilderung  giebt,  ist  allerdings 
in  mehreren  Punkten  unzutreffend.  Ueber  die  Beziehungen  der  Columella  der  Rep- 
tilien ^u  der  der  Amphibien  s.  p.  605  u.  ff. 

Die  Einzelheiten  in  der  Ausbildung  und  definitiven  Gestaltung  der  Saurier- 
columella  sind  von  Versluys  (1898,  1903)  sehr  ausführlich  dargestellt  worden.  Von 
den  Besonderheiten  des  Stapes  ist  das  Vorkommen  einer  durch  ein  Gefäß  bewirkten 
Durchbohrung,  wegen  der  dadurch  bedingten  Aehnlichkeit  mit  dem  Stapes  der 
Säuger,  beachtenswert  (z.  B.  bei  Pachydactylus  bibroni).  An  der  Extracolumella 
(Gadovs^)    sind   mehrere  Fortsatzbildungen   zu  verzeichnen.     Der   von  dem  Stiel  ab- 

fehende,  genetisch  zum  Otostapes  gehörige  Proc.  internus  (Parker's  Infrastape- 
iale)  ist  gegen  das  Quadratum  hin  gerichtet,  legt  sich  an  dasselbe  an  und  kann  an 
ihni  eine  längere  Strecke  weit  ventralwärts  ziehen.   Andererseits  kann  er  auch  fehlen 
(Geckoniden,  Scinciden,  Anguiden).     Der  in  das  Trommelfell  eingelassene  Insertions- 
teil  der  Extracolumella,  der  als  Auswuchs  des  Stieles  erscheint,  läßt  den  oberen  Ab- 
Handbuch der  Entwickelungslehre.  III.  2.  49 


770  E.  Gaupp, 

schnitt  als  Pars  superior,  den  unteren  Abschnitt  als  P.  inferior  unterscheiden 
(Pakker  nennt  die  P.  superior  Suprastapediale,  mit  der  gleichen  Bezeichnung  belegt 
er  bei  Krokodilen  einen  Abschnitt,  der  ein  ganz  anderes  Verhalten  darbietet).  Von 
den  accessorischen  Fortsatzbildungen,  die  nicht  konstant  sind,  ist  die  wichtigste  der 
Proc.  interhyalis,  da  er  aus  dem  Blastem  hervorgeht,  das  die  Anlage  der  Colu- 
mella  mit  der  des  Cornu  hyale  des  Zungenbeins  in  Verbindung  setzt.  —  Die  Ver- 
bindung zwischen  dem  Stapes  und  der  Extracolumella  zeigt  alle  möglichen  Ausbil- 
dungen, vom  wahren  Gelenk  bis  zur  kontinuierlichen  Vereinigung.  Nach  Versluys' 
Ansicht  handelt  es  sich  dabei  um  verschiedene  Etappen  eines  Rückbildungsprozesses: 
er  nimmt  an,  daß  die  Stammformen  der  Lacertilier  zwischen  dem  iStapes  und  der 
Extracolumella  ein  funktionierendes  Gelenk  besaßen,  daß  dies  aber  im  Laufe  der 
Zeit  seine  Funktion  verlor  und  zu  einer  kontinuierlichen  Verbindung  umgestaltet 
wurde.  —  Sehr  aberrante  hier  nicht  zu  besprechende  Verhältnisse  bietet  die  Colu- 
mella  der  Amphisbäniden. 

Ueber  die  Entwickelung  des  übrigen  Hyobrauchialskelettes 
(Fig.  386)  macht  Kallius  (1901)  Angaben,  die  sich  auf  Lacerta 
muralis  beziehen.  Außer  im  2.  Visceralbogen  treten  auch  im  3.  und 
4.,  ziemlich  gleichzeitig,  Chondroblastemstäbe  auf,  die  mit  ihren 
medial-ventralen  Enden  in  eine  breite  mediane  Blastemplatte  über- 
gehen. Von  dieser  Platte  geht  ein  rostralwärts  gerichteter  langer 
Fortsatz  aus,  die  Anlage  des  Proc.  e  n  t  o  g  1  o  s  s  u  s  (mit  Rücksicht 
auf  die  Verhältnisse  bei  den  Schildkröten  wohl  besser  als  Proc. 
lingualis  zu  bezeichnen).  Auch  kaudalwärts  geht  ein  medianer  Ge- 
websstrang  von  der  Platte  aus  zum  Aditus  laryngis.  Die  anfangs 
transversal  gestellten  Bogenanlagen  gehen  bald  in  eine  schräge  Stel- 
lung über.  Bei  der  darauffolgenden  Verknorpelung  bleibt  der  Hyal- 
bogen  zunächst  in  kontinuierlich-knorpeligem  Zusammenhange  mit 
dem  Zungenbeinkörper;  die  Gliederungen  treten  nach  Kallius 
sekundär  auf.  Das  Cornu  hyale  verliert  seine  Verbindung  mit  der 
Anlage  der  Columella,  indem  die  Blastemmasse  zwischen  seinem  dor- 
salen Ende  und  der  Columella  verschwindet.  Bei  Lacerta  bleibt  dieses 
dorsale  Ende  frei  und  verschiebt  sich  bald  kaudalwärts ;  bei  Gecko- 
niden  wächst  es  empor,  bis  es  eine  knorpelige  Platte  auf  dem  Proc. 
paroticus  erreicht  und  sich  daran  anheftet,  wobei  eine  mehr  oder  weniger 
vollständige  Verschmelzung  der  Knorpel  stattfindet  (Versluys). 

Die  fragliche  Knorpelplatte  steht  in  Zusammenhang  mit  dem  Proc.  paroticus, 
bildet  sich  aber  sicher  zum  größten  Teil,  vielleicht  ganz,  von  derCrista  parotica 
der  Ohrkapsel  aus.  Bei  Uromastix  kommt  eine  ähnliche  Knorpelplatte  vor,  die  aber 
wahrscheinlich  aus  einem  dorsalen  Abschnitt  des  Cornu  principale  und  vom  Proc. 
paroticus  gebildet  wird,  woran  aber  die  Crista  parotica  nicht  beteiligt  ist  (Ver- 
sluys). 

Die  ersten  B  ran  chial  bogen  werden  gleich  bei  der  Ver- 
knorpelung durch  eine  bindegewebige  Grenzschicht  vom  Zungenbein- 
körper abgegliedert  (Kallius). 

Die  zweiten  Bran  chial  bogen  jeder  Seite,  die  viel  kürzer 
sind  als  die  Hyal-  und  ersten  Branchialbogen,  bleiben  auch  im  Knorpel- 
zustand stets  (zeitlebens)  kontinuierlich  mit  dem  Zungenbeinkörper 
(der  Copula)  verbunden,  und  ebenso  geht  letzterer  kontinuierlich  in 
den  Proc.  entoglossus  über.  Der  Chondroblastemstrang,  der  anfangs 
eine  Verbindung  der  Copulaanlage  mit  dem  Larynxskelett  herstellte, 
wird  weiterhin  bindegewebig  und  geht  zu  Grunde.  —  Bei  Lacerta  (und 
einigen  anderen  Sauriern)  kommt  zu  diesen  Teilen  des  Hyobrauchial- 
skelettes noch  ein  kurzes,  gekrümmtes  Knorpelstück,  das  mit  seinem 
oberen  Ende  der  Ventralfiäche  der  Ohrkapsel  anliegt  und  ventral  frei 
endet  (Fig.  386).  Auch  seine  Blastemanlage  finde  ich  ohne  Kontinuität 
mit  einem  der  ventralen  Bogenstücke,  selbständig.  Für  seine  Zuge- 
hörigkeit  zum    2.  Branchialbogen  (4.  Visceralbogen)  spricht   der  Um- 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes. 


771 


stand,  daß  es  bei  Lacerta  vivipara  (Embryonen  von  37  mm)  mit  seinem 
ventralen  Ende  das  obere  Ende  des  genannten  Bogenknorpels  nahezu 
berührt,  den  letzteren  also  dorsalwärts  fortsetzt. 


Dentale 


Praeoperculare — <* 


Cart.  3feckel. 


Proc.  entoglossus 


Complementare 
SnpraaiKjularc 
Angulare. 


Postopercida 

Proc.  retroartic 
(Articulare) 

Cor  na  principale 

(hyale) 

Cornu  branchiale  I- 


hrch.  II 

Zum  Cornu  brauch.  II  behörig? 
Fig.  386.     Unterkiefer  und  Hyobrauchialskelett  des  Modelles  Fig.  382,   von  der 
Ventraiseite.     Ersatzknochen :  grau. 

Daß  das  1.  Hörn  des  Zungenbeins  der  Saurier  ein  Cornu  hyale,  das  2,  ein 
Cornu  branchiale  1  ist,  war  bekannt  und  erfährt  durch  die  Entwickelung  eine  Be- 
stätigung. Durch  diese  wird  aber  auch  zur  Gewißheit,  daß  die  beiden  hinteren  Fort- 
sätze, die  kontinuierlich  mit  dem  Zungenbeinkörper  zusammenhängen,  den  Charakter 
von  Hörnern,  d.  h.  von  Branchialbogenrudimenten  haben  (p.  591).  Ich  kann  die 
diesbezüglichen  Angaben  von  Kallius  auf  Grund  eigener  Serien  bestätigen.  Es  zeigt 
sich  auch  hier,  daß  Abgliederung  oder  Kontinuität  nicht  ausschlaggebende  Momente 
für  die  Beurteilung  sind.  Wohl  aber  ist  die  Lage  jenes  Skelettstückes  im  4.  Visceral- 
bogen  von  Bedeutung.  Dem  Körper  des  Hyoids  schreibt  Gegenbaur  die  Bedeutung 
mindestens  zweier  Copulae  (Basihyale  und  eines  Basibranchiale)  zu;  ob  der  Proc. 
entoglossus  ein  in  Konkrescenz  befindliches  Glossohyale  darstellt,  läßt  er  unsicher. 
Ausgedehntere  Vergleiche  werden  darüber  aufklären  müssen. 

II.  Knochen. 
Knochen  im  Gebiet  des  Oberschädels. 
Von    dem   neuralen   Primordialcranium    verknöchern    die 
Occipitalregion,  Labyrinthregion    und  beschränkte  Bezirke  der  Orbito- 

49* 


772  E.  Gaupp, 

temporalregion ;  der  größte  Teil  der  Orbito-temporalregion  sowie  die 
ganze  Ethmoidalregion  bleiben  knorpelig.  Zwischen  den  einzelnen 
knöchernen  Territorien  sind  V^erwachsnngen  häufig,  und  ebensolche 
treten  auch  ein  zwischen  Ersatzknochen  und  Deckknochen,  speciell 
dem  Parasphenoid.  Als  Ossifikationen  der  0  ccipitalregion  treten 
bei  Lacerta  ein  Basioccipitale  und  2  Pleuroccipitalia  auf; 
das  aus  der  Ossifikation  des  Tectum  synoticum  hervorgehende  Supra- 
occipitale  vervollständigt  das  „Occipitalsegment"  des  Osteocraniuins. 
Von  diesen  Knochen  verbindet  sich  das  Pleuroccipitale  jeder  Seite 
frühzeitig  (embryonal)  mit  dem  Opisthoticum  zu  einem  Ötoccipi- 
tale;  das  Supraoccipitale  dehnt  sich  beiderseits  auf  den  dorsalen 
Umfang  der  Ohrkapsel  aus.  Als  selbständige  Verknöcheruugen  der 
Ohrkapsel  treten  ein  Opisthoticum  und  ein  Prooticum  auf; 
das  erstere  giebt  seine  Selbständigkeit  sehr  bald  auf  und  verschmilzt 
mit  dem  Pleuroccipitale.  Die  Crista  sellaris  und  ihre  Umgebung  wird 
von  einem  unpaaren  Basis phenoid  okkupiert;  die  Taenia  metoptica 
schließlich  verknöchert  als  sog.  0  r  bitosp  henoid.  Im  Vergleich 
mit  den  Amphibien  erscheinen  die  unpaaren  Knochen,  Basi-  und  Supra- 
occipitale, sowie  Basisphenoid  als  neu  hinzugekommen.  Ihr  Auftreten 
vermittelt  den  Anschluß  der  Amnioten  an  tiefer  stehende  Formen,  als 
es  die  recenten  Amphibien  sind. 

Die  Knochen  der  Occipital-  und  Labyrinthgegend  bewahren  ihre 
Selbständigkeit  nicht  zeitlebens.  Schon  bei  der  Geburt  ist,  wie  be- 
merkt, jederseits  ein  Otoccipitale  vorhanden,  und  ebenso  erfolgt 
embryonal  schon  die  Vereinigung  des  Basisphen  oids  mit  dem 
Parasphenoid  zu  einem  einheitlichen  Os  sphenoidale.  Basi- 
occipitale, Otoccipitalia,  Supraoccipitale,  Prootica,  Sphenoidale  pflegen 
bei  jungen  Tieren  von  Lacerta  agilis  durch  Synchondrosen  getrennt 
zu  sein.  Diese  verknöchern  aber  später,  so  daß  ein  einheitlicher 
Knochen  (Os  basilare  commune)  entsteht,  der  die  Elemente  der 
Occipital-,  Otical-,  Sphenoidalgruppe  (mit  Ausnahme  des  Orbito- 
sphenoids)  in  sich  vereinigt.  Das  Sphenoidale  bewahrt  am  längsten 
seine  Selbständigkeit. 

Bezüglich  der  speciellen  Entwickelung  dieser  Knochen  giebt  Parker's  Schil- 
derung keinen  Aufschluß;  ich  selbst  verfüge  erst  über  wenige  eigene  Erfahrungen. 
Das  Basioccipitale  beginnt  seine  Bildung  in  der  Umgebung  der  Chorda  dorsalis, 
im  hintersten  Teil  der  basikranialen  Fontanelle.  Hier  entsteht  um  die  Chorda  ein 
Knochenring,  von  dem  aus  die  Verknöcherung  weiter  vorschreitet.  Es  bilden  sich 
dabei  2  perichondrale  Knochenlamellen,  die  der  ventralen  und  der  dorsalen  Fläche 
der  Basalplatte  (hinter  der  Fontanelle  und  zu  beiden  Seiten  derselben)  aufliegen 
(Fig.  381j.  Von  beiden  aus  erfolgt  die  Zerstörung  des  Knorpels  und  die  Markraum- 
bildung. Die  Knochenbildung  setzt  sich  aber  auch  nach  vorn,  in  das  Gebiet  der 
Fontanelle,  fort,  doch  kommt  es  hier  nur  zur  Bildung  einer,  ventral  von  dem  Ver- 
schlußgewebe der  Fontanelle  gelegenen  Knochenlamelle,  von  der  aus  dann  die  Ver- 
knöcherung dieses  Gewebes  selbst  erfolgt  (Ersatzknochen  ohne  knorpelige  Prä- 
formation!). Daher  ist  dieser  Abschnitt  des  Basioccipitale  auch  beim  erwachsenen 
Tiere  durch  seine  Dünne  ausgezeichnet.  —  Das  Pleuroccipitale  beginnt  mit  der 
Bildung  zweier  perichondraler  Knochenlamellen,  je  einer  auf  der  medialen  und  auf 
der  lateralen  Fläche  des  Occipitalpfeüers.  Beide  Lamellen  bilden  sich  von  hinten 
her  und  stehen  frühzeitig  an  der  Fissura  raetotica,  am  hinteren  Rande  des  Occipital- 
pfeilers  und  an  den  Foramina  Hypoglossi  in  Zusammenhang.  Von  ihnen  aus  erfolgt 
die  Zerstörung  des  Knorpels.  Erheblich  später  als  die  Lamelle  des  Pleuroccipitale 
erscheint  selbständig  eine  Lamelle  am  lateral-ventralen  Umfang  der  Ohrkapsel ;  eine 
innere  Laraelle,  auf  der  labyrinthären  Fläche  des  hinteren  Abschnittes  der  Ohr- 
kapsel, gesellt  sich  dazu.  Beide  bilden  die  Anlagen  des  Opi  sthoticums  und 
breiten  sich  an  der  Ohrkapsel  weiter  aus.  Im  Gebiet  des  von  Bindegewebe  ver- 
schlossenen Abschnittes  der  Fissura  metotica  erfolgt  die  Vereinigung  des  Opisth- 
oticuins  mit  dem  Pleuroccipitale   zu   einem  Otoccipitale.  —   Das  Supraocci- 


Die  EntwickeluDg  des  Kopfskelettes.  77 


o 


pitale  entstellt  von  einer  ventralen  und  einer  dorsalen  perichondralen  Knochen lam eile 
am  Tectum  synoticum  und  dem  oberen  Umfange  beider  Ohrkapseln.  Ihr  erstes 
Auftreten  habe  ich  bisher  nicht  beobachtet ;  auf  späteren  Stadien  gehen  die  Seiten- 
teile in  der  Entwickelung  voran,  so  daß  möglicherweise  auch  die  erste  Entstehung 
eine  paarige  ist.  Eine  innere  Lamelle  an  der  Innenfläche  des  hinteren  Bogenganges 
erscheint  selbständig.  Der  Proc.  ascendens  tecti  synotici  bleibt  knorpelig.  —  Das 
Prooticum  bedarf  auch  besonderer  neuer  Untersuchung.  In  der  Hauptsache  geht 
es  aus  der  Ossifikation  der  vorderen  Ohrkapselhälfte,  sowie  eines  anschließenden  Be- 
zirkes der  Basalplatte  hervor,  dazu  kommt  jedoch  ein  plattenförmig  nach  vorn  in  der 
Seitenbegrenzung  des  Cavum  cranii  vorspringender  Fortsatz,  der  ohne  knorpelige 
Präformation  ossifiziert.  Seine  Genese  ist  noch  zu  verfolgen.  Ebenso  vermag  ich 
über  das  erste  Auftreten  des  Basisi^henoids  und  seine  Verbindung  mit  dem  Para- 
sphenoid  noch  nichts  Bestimmtes  zu  sagen.  Das  sog.  Orbitosphenoid  geht,  Parker's 
Abbildungen  zufolge,  aus  der  Ossifikation  der  Taenia  metoptica  hervor.  Endlich  be- 
schreibt Parker  noch  eine  im  hinteren  Teil  des  Septum  interorbitale  auftretende 
präsphenoidale  Ossifikation. 

Ersatzknochen,  die  an  die  Stelle  von  Teilen  des  Visceral- 
skelettes  treten,  aber  ira  Gebiete  des  Oberscliädels  liegen,  sind: 
Quadratum  und  Ant  iptery  goid  (Columella),  sowie  derStapes. 

Sie  verknöchern  von  perichondralen  Knochenscheiden  aus.  Das  Antipterygoid 
ist  die  Verknöcherung  des  Proc.  ascendens  palatoquadrati  (s.  p.  790). 

Die  Zahl  der  Deckknochen,  die  im  Bereich  des  Oberscliädels 
entstehen,  ist  sehr  groß  (Fig.  382,  383).  Es  gehören  dazu:  Parietale, 
Frontalia,  Nasalia,  Squamosa,  Praefrontalia,  Septo- 
m  axillar  ia,  Post  frontalia,  Postor  bitalia,  Zj^gomatica, 
L  a  c r  i  ni  a  1  i  a ,  P  a r  a  q  u  a  tl  r  a  t  a ,  P  a  r  a  s  p  h  e  n  o  i  d ,  P  r  a e  m  a x  i  11  ar  e, 
Maxiilaria,  Vom  eres,  Palati  na,  Pterygoidea,  Transversa. 
Von  denen,  die  phylogenetisch  als  Deckknochen  des  Palatoquadratums 
entstanden,  bewahren  nur  noch  das  Paraquadratum  und  Pterygoid 
diese  ursprüngliche  Beziehung, 

Zu  diesen  Knochen,  die  als  integrierende  Bestandteile  des  Schädels 
sich  untereinander  verbinden  und  typische,  fixierte  Elemente  des 
Kopfskelettes  der  Saurier  darstellen,  gesellt  sich  bei  vielen  Sauriern 
und  so  auch  bei  den  Lacertiden  noch  eine  Anzahl  knöcherner  Ele- 
mente, die  mehr  accessorischer  Natur,  bei  den  einzelnen  Lacertiden 
größeren  Schwankungen  unterworfen  und  nach  Art,  Ort  und  Zeit  ihrer 
Entstehung  verschieden  von  den  erstgenannten  sind.  Bei  Lacerta 
agilis  gehören  hierher  jeder seits :  S  u  p  r  a  o  r  b  i  t  a  1  e,  S  u  p  r  a  o  c  u  1  a  r  i  a, 
S  u  p  e  r  c  i  1  i  a  r  i  a ,  Knochen  des  S  c  h  1  ä f  e  n  p  a  n  z  e  r  s.  Sie  ent- 
stehen später  als  die  oben  genannten  Deckknochen  und  stellen  Ver- 
knöcherungen des  Coriums  dar. 

Parietale.  Wird  bei  Lac.  ag.  paarig  angelegt,  jederseits  über  der  Taenia 
tecti  marginalis  (Fig.  381,  382).  Hinten  sendet  es  einen  Fortsatz  zum  oberen  Rand 
der  Ohrkapsel,  einen  zweiten  ventralwärts  zum  Squamosum.  Wie  die  Vereinigung 
der  beiderseitigen  Knochen  zu  dem  unpaaren  Parietale  erfolgt,  bleibt  zu  untersuchen. 
Gegen  die  Unterfläche  desselben  legt  sich  die  Spitze  des  Proc.  ascendens  tecti  syn- 
otici.    Das  For.  parietale  deutet  auf  die  ursprüngliche  Trennung  beider  Hälften. 

Frontale.  Entsteht  ebenfalls  lateral,  über  dem  vorderen  Teil  der  Taenia  tecti 
marginalis  und  dem  hinteren  Abschnitt  des  Nasendaches. 

Nasale.  Entsteht  auf  dem  dorsalen  Umfang  der  Nasenkapsel  und  deckt  die 
hier  befindliche  Fenestra  dorsahs  zu. 

Squamosum.  Legt  sich  am  äußeren  Umfang  des  lateralen  Bogenganges  der 
Ohrkapsel  an. 

Praef  rontale.  Entsteht  als  großer,  breiter  und  platter  Knochen  am  hinteren 
und  seitlichen  Umfang  der  Nasenkapsel. 

Septomaxillare.  Entsteht  in  der  Nasenkapsel  als  Dach  über  dem  Jacob- 
SON'schen  Organ,  stützt  sich  mit  seinem  medialen  Rande  auf  die  Crista  longitudinalis 
septi,  mit  seinem  lateralen  Rande  auf  eine  Leiste  am  Innern  LTmfang  der  lateralen 
Nasenwand,  in  seinem  vordersten  Abschnitt  auch  noch  auf  den  Rand  der  Capsula 


774  E.  Gaupp, 

orgaai  vomero-nasalis.  Entspricht  wohl  dem  gleichbenannten  Knochen  der  Amphi- 
bien, hat  sich  diesem  gegenüber  aber  tiefer  ins  Innere  der  Nasenkapsel  hinein  aus- 
gedehnt. 

Paraquadratum.  Ist  ein  Deckknochen,  der  sich  hinten  auf  das  Quadratura 
stützt  und  vorn  mit  dem  Postfrontale  zur  Bildung  des  (oberen)  Jochbogens  zu- 
sammenstößt. (Die  Lacertilier  sind  monozygocr  otaph ,  d.  h.  sie  besitzen  einen 
und  zwar  einen  oberen  Jochbogen.)  Der  Knochen  hat  viele  Bezeichnungen  erhalten 
und  mancherlei  verschiedene  Deutungen  erfahren.  Ich  meinerseits  sehe  in  ihm  das 
Homologon  des  großen  Deckknochens,  der  bei  Amphibien  an  der  Außenfläche  des 
Palatoquadratums  liegt,  und  demnach  auch  des  Quadratojugale,  das  bei  Schildkröten 
sich  vom  Quadratum  zum  Zygomaticum  (Jugale)  erstreckt. 

Postfrontale  (P.  mediale).  Entsteht  ohne  direkte  Beziehung  zum  Knorpel- 
schädel, schiebt  sich  aber  mit  seinem  medialen  ßande  so  weit  nach  innen  vor,  daß 
es  der  Taenia  marginalis  nahe  kommt,  ohne  dieselbe  jedoch  zu  erreichen. 

Po  storbitale  (Postfrontale  laterale).  Entsteht  ohne  Beziehung  zum 
Knorpelschädel  am  hinteren  Umfang  der  Orbitn. 

Zygomaticum.     Ist  ebenfalls  ohne  Beziehung  zum  Chondrocranium. 

La  er  i  male.  Entsteht  als  selbständiger  kleiner  Knochen  außen  vom  Ductus 
nasolacrimalis,  hat  aber  mit  dem  Knorpelskelett  nichts  zu  thun. 

Parasphenoid  (Parabasale).  Entsteht  bei  Lac.  ag.  (nach  eigenen  Unter- 
suchungen) paarig,  jederseits  ventral  von  der  Basalplatte,  lateral  von  der  Fencstra 
basicranialis  posterior,  zugleich  medial-ventra!  von  der  A.  carotis  interna  und  dem  N. 
palatinus  des  Facialis.  Der  vordere  Teil  des  Knochens  (Rostrum),  der  die  Fenestra  hy- 
pophyseos  ventral  verschließt  und  sich  am  ventralen  Rande  des  Septum  interorbitale 
weit  nach  vorn  erstreckt,  entsteht  später  —  ob  ganz  selbständig,  vermochte  ich  noch 
nicht  genau  festzustellen.  (Bei  Scinken  scheint,  nach  einer  Angabe  von  Siebenrock 
zu  schließen,  dieser  vordere  Teil  selbständig  zu  bleiben.)  Die  hinteren  lateralen  Teile 
des  Parasphenoids  verschmelzen  mit  dem  Basisphenoid,  dabei  kommt  jederseits  die 
Bildung  eines  Canalis  Vidianus  zu  stände. 

Vom  er.  Entsteht  in  der  Umgebung  der  Cart.  paraseptalis,  deckt  mit  seiner 
Pars  ascendens  die  mediale  Seite  derselben  und  liegt  mit  seiner  P.  horizontalis  unter 
der  Mundschleimhaut.    Bei  manchen  Sauriern  verwachsen  die  beiderseitigen. 

Praem axillare.  Entsteht  paarig  vor  und  unter  der  vordersten  Kuppel  der 
Nasenkapsel  und  wird  bald  einheitlich.  Nur  die  beiden  Proc.  palatini  bleiben  (Lacerta) 
getrennt.  Die  frühe  Entwickelung  des  Knochens  erklärt  sich  aus  der  Bedeutung,  die 
ihm  als  Träger  des  Eizahnes  zukommt. 

Maxillare.  Legt  sich  der  Seitenwand  der  Nasenkapsel  in  großer  Ausdehnung 
an  und  erstreckt  sich  weit  nach  hinten  unter  dem  Processus  maxillaris  posterior  der 
Nasenkapsel.  Der  horizontal  nach  innen  vorspringende  Proc.  palatinus  schiebt  sich 
vorn  mit  seinem  medialen  Rande  unter  die  Cartilago  ectochoanalis.  Ein  Proc.  den- 
talis  entwickelt  sich  als  nach  unten  vorspringende  Leiste.  Die  Zähne  verbinden  sich 
mit  ihm  erst  sekundär. 

Das  Pterygoid  läßt  die  Beziehung  als  Deckknochen  des  Palatoquadratums 
noch  darin  erkennen,  daß  es  sich  dem  Proc.  pterygoideus  Palatoquadrati,  vom  Fuß- 
punkt der  Columella  aus  bis  zum  Vorderende,  anlegt.  Mit  seinem  medialen  Um- 
fang berührt  es  den  Meniscus  pterygoideus,  durch  den  es  mit  dem  Proc.  basiptery- 
goideus  gelenkig  verbunden  wird.  Auf  jungen  Stadien  liegt  das  hintere  Stück  des 
Pterygoids,  vom  Fußpunkt  der  Columella  bis  zum  Quadratumkörper,  dem  medialen 
Umfang  des  mehr  oder  minder  vollständig  verknorpelnden  Zellstreifens  an,  der  die 
beiden  genannten  Teile  verbindet  und  ihre  genetische  Zusammengehörigkeit  doku- 
mentiert. —  DasPalatinum  der  Saurier  läßt  bei  seiner  Anlage  keine  Beziehungen 
zu  knorpeligen  Teilen  erkennen;  es  entsteht  in  dem  embryonalen  Bindegewebe  dorsal 
von  dem  Mundhöhlenepithel  unter  dem  vordersten  Teil  des  Auges.  Erst  nachdem 
der  Knochen  schon  gebildet  ist,  treten  manchmal  einige  kleine  Knorpelinseln  auf 
seiner  Dorsalfläche  auf,  die,  wie  schon  erwähnt  wurde,  vielleicht  eine  Andeutung 
dafür  bilden,  daß  das  Planum  antorbitale  der  Nasenkapsel  früher  bis  zum  Palatinum 
herabreichte.  Der  vorderste  Teil  des  Palatinums  schiebt  sich  unter  das  hintere  Ende 
der  Cart.  paraseptalis  vor,  in  der  Hauptsache  aber  hat  das  Palatinum  weder  zum 
Palatoquadratum,  noch  zum  Ethmoidalskelett  Beziehungen  bewahrt.  Ganz  ohne  Be- 
ziehungen zum  Knorpelskelett  ist  endlich  das  Trans versum,  das  ebenfalls  eine 
Ossifikation  im  Bindegewebe  des  Mundhöhlendaches  darstellt.  Beachtenswert  ist 
aber,  daß,  wie  oben  mitgeteilt,  der  Proc.  pterygoideus  des  Palatoquadratums  auf  dem 
Os  pterygoideum  die  Richtung  nach  außen,  gegen  das  Transversum  hin,  einschlägt. 
Danach  liegt  die  Vermutung  nahe,  daß  das  Transversum  einmal  als  Deckknochen 
des  Proc.  pterygoideus  Palatoquadrati  entstand.  Das  Verhalten  bei  Sphenodon  be- 
stätigt diese  Vermutung.  Ob  der  Knochen,  wie  vermutet  wurde,  dem  Ectopterygoid 
der  Teleostier  entspricht,  läßt  sich  zur  Zeit  noch  nicht  mit  Sicherheit  beantworten. 


I 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  775 

Von  den  accessorischen  Integuinentalossif  ik  ationen  ,  die  später  als 
die  bereits  geschiklerten  Deckknochen  bei  Lacerta  agilis  noch  hinzukommen,  ist  zu- 
nächst das  Öupraorbitale  zu  nennen.  Es  entsteht  (Gaupp  1898)  durch  Ossifi- 
kation eines  Fasergewebes  mit  sehr  zahlreichen  dichtgedrängten  Zellen ,  das  den 
Eindruck  eines  knorpelartigen  Gewebes  hervorrufen  kann.  Siebexrock  bezeichnet 
den  Knochen  daher  als  knorpelig  vorgebildet;  doch  ist  dagegen  zu  bemerken,  daß 
jenes  Gewebe  nicht  Hyalinknorpel  ist  und  auch  mit  dem  Primordialcranium  nichts 
zu  thun  hat.  Es  liegt  außen  vom  Praefrontale  und  geht  lateralwärts  in  das  Corium 
über.  Das  Supraorbitale  muß  somit  den  Elementen  der  Lamina  supraocularis, 
Lam  ina  superciliaris  und  des  Seh  läf  en  panzers  zugerechnet  werden,  von 
denen  schon  Leydig  wußte,  daß  sie  Verknöcherungen  des  Coriums  darstellen.  Ueber 
ihr  Vorkommen  und  ihre  Anordnung  bei  den  verschiedenen  Sauriern  verdanken  wir 
Siebenrock  sehr  ausgedehnte  genaue  Angaben  (Siebenrock  1892,  1894). 

Knochen  im  Gebiete  des  Unterkiefers  und  des 
Hyobranchialskelettes  (Fig.  386). 

Im  Gebiet  des  Unterkiefers  entstehen:  das  Articulare  als  Er- 
satzknochen, das  Dentale,  Angulare,  Supraangulare,  Prae- 
operculare,  Postoperculare,  Complementare  als  Deck- 
knochen. Im  Gebiete  des  Hyobranchialskelettes  entsteht  außer  dem 
Stapes  als  Ersatzknochen  noch  die  Ossifikation  des  Cornu  bran- 
chiale  priraum  des  Zungenbeins.     Deckknochen  fehlen. 

Das  eigentliche  Articulare  geht  aus  der  Ossifikation  des  Gelenkendes  des 
MECKEL'schen  Knorpels  hervor.  Schon  während  sich  der  Knochen  noch  auf  dem 
Stadium  einer  dünnen  perichondralen  Knochenlamelle  am  ventralen  Umfang  des 
Gelenkteiles  und  des  Proc.  retroarticularis  des  MECKEL'schen  Knorpels  befindet,  ver- 
schmilzt er  mit  dem  großen  Deckknochen,  der  am  medialen  Umfang  des  hinteren 
Teiles  des  MECKEL'schen  Knorpels  schon  vorher  entsteht.  Dieser  Deckknochen 
(Postoperculare)  ist  ausgezeichnet  dadurch,  daß  er  die  Chorda  tympani  um- 
schließt. Aus  der  Verwachsung  beider  Stücke  geht  der  Knochen  hervor,  der  seit 
CuviER  als  Articulare  bezeichnet  wird,  der  also,  dem  Gesagten  zufolge,  keine  ein- 
heitliche Größe,  sondern  ein  Verschmelzungsprodukt  darstellt.  Ueber  die  übrigen 
Deckknochen  (Angulare,  Supraangulare,  PraeopercuJare,  Complementare,  Dentale  — 
im  Sinne  der  alten  CuviER'schen,  von  (Jegenbaur  und  den  meisten  anderen  Autoren 
beibehaltenen  Nomenklatur)  ist  nichts  Besonderes  zu  bemerken.  Bei  einer  erwachsenen 
Lacerta  vivipara  finde  ich  das  vorderste  Ende  des  MECKEL'schen  Knorpels  verkalkt 
und  das  Dentale  ihm  unmittelbar  anliegen.  So  scheint  es  nicht  ausgeschlossen,  daß 
auch  bei  Sauriern  das  vorderste  Ende  des  M.  Knorpels  verknöchern  kann  (Mentomandi- 
bulare).  Die  Verwachsung  der  Zähne  mit  dem  Dentale  erfolgt  sekundär,  Ueber 
Verwachsungen  der  einzelnen  Unterkieferstücke  untereinander  siehe  die  verschiedenen 
Arbeiten  von  Siebenrock. 

In  der  Benennung  des  Angulare,  Supraangulare,  Complementare  folge  ich  der 
alten  CuviER'schen,  auch  von  Gegenbaur  und  vielen  anderen  Autoren  beibehalte- 
nen Nomenklatur.  Am  inneren  Umfang  des  Unterkiefers  kennt  Cuvier  nur  einen 
Deckknochen,  das  Oper culare  (Spleniale,  Owen);  nachdem  sich  herausgestellt  hat, 
daß  außer  diesem  noch  ein  zweiter  hinterer  vorhanden  ist,  der  mit  dem  Articulare 
verschmilzt  (was  Baur  zuerst  aussprach  und  ich  bestätigen  kann)  sind  neue  Namen 
nötig.  Ich  schlage  dafür  Praeoperculare  (das  alte  Operculare)  und  Postoi^er- 
culare  vor.  Baur  nennt  das  Praeoperculare:  Praespleniale,  das  Postoperculare: 
Angulare  und  das  CuviER'sche  Angulare:  Spleniale.  Einen  Grund  für  die  Ver- 
tauschung der  Bezeichnungen  Spleniale  und  Angulare,  wie  Baur  sie  vorschlägt, 
vermag  ich  ebensowenig  wie  Siebenrock  (1897)  einzusehen. 

Rhynchocephalia. 

Die  Schädelentwickelung  von  Sphenodon  hat  durch  Schauinsland 
(1900),  sowie  durch  Howes  and  Swinnerton  (1901)  Bearbeitung  ge- 
funden ;  zur  vollständigen  Kenntnis  derselben  fehlt  allerdings  noch 
manches.  Ueberall  zeigen  sich  weitgehende  Ueberein Stimmungen  mit 
dem  Verhalten  bei  den  kionokranen  Sauriern. 


776 


E.  Gaupp, 


I.  P  r  i  m  0  r  d  i  a  1  c  r  a  n  i  11  m. 

Das  neurale  Primordialcranium  von  Sphenodon  bietet  große 
Aehnliclikeit  mit  dem  von  Lacerta,  weist  aber  im  allgemeinen  noch  aus- 
gedehntere Knorpelpartieen  auf  als  dieses.  Chordaler  und  prächordaler 
Abschnitt  legen  sich  gesondert  an  und  bilden  anfangs  einen  rechten 
Winkel  miteinander.  Mit  dem  otischen  Abschnitt  der  Basal  platte 
hängt  die  Anlage  der  Ohrkapsel,  sowie  auch  die  des  Sphenolateral- 
knorpels  zusammen.  In  der  Pars  occipitalis  finden  die  englischen 
Autoren  4  Foramina  jederseits,  durch  welche  5  Hypoglossuswurzeln 
austreten.  Zwei  von  diesen  letzteren  schwinden  während  der  Onto- 
genese, so  daß  wie  bei  Lacerta  3  Foramina  Hypoglossi  bestehen 
bleiben.     Der  später  als  die  Basalplatte  erscheinende  aufsteigende  Teil 


Frontale      Fen 


Plan,  sivpraseqjt 
Septum  interorb. 


Praefront 


Plan,  antorb 
Caps.nas. 

Ifaxill. 

Prae- 
maxill 


Fen.  epiopt. 

For.  N.  IV 

Postfront.  med. 

Sphenolateralplatte 
Postfront,  tat.  (Postorb.) 

Proc.  asc.  P.-Q.  (Columella) 
Caps.  aud. 

Squamos. 


Palatoquadr. 
Proc.  dorsal. 
For.i.d. Extraroi. 
Extracolumella, 


Hyale 


Dentale  \  Transvers.  Complem. 

Palatinum  ]  Zygomaticum   : 

Proc.  pteryg.  P.-Q.       Svpraang. 


Angulare 


:  Opercul. 
Quadratojiig. 


Fig.  387,  Primordialcranium  mit  Deckknochen  von  einem  jungen  Sphenodon- 
embryo  (4,5  mm  Kopflänge).  Nach  Plattenmodell  von  H.  Schauinsland  (kopiert 
von  P.  OsTERLOH-Gautzsch  b.  Leipzig).  Zu  beachten  ist  noch :  die  kleine  Oeffnung 
unter  dem  For.  N.  IV  dient  dem  N.  oculomotorius  zum  Durchtritt;  die  Spheno- 
lateralplatte ist  noch  nicht  mit  der  Ohrkapsei  verbunden,  daher  besitzt  die  Fen. 
prootica  noch  keinen  dorsalen  Abschluß. 


des  Occipitalskelettes  verbindet  sich  mit  der  Ohrkapsel;  eine  ausge- 
dehnte Fissura  metotica  leitet  wie  bei  Lacerta  den  Accessoriovagus, 
Glossopharyngeus  und  eine  Vene  aus  dem  Schädelraum  heraus ;  im 
vorderen  Gebiet  der  Spalte  öftnet  sich  das  Foramen  der  Ohrkapsel, 
das  den  Ductus  perilymphaticus  herausführt  (Schauinsland).  Der 
kaudale  Abschluß  des  Chondrocraniums  auf  weiter  vorgeschrittenen 
Stadien  erfolgt  mit  zwei  zur  Seite  der  Mittellinie  gelegenen  Üachen. 
nach  hinten  vorspringenden  Höckern,  wie  bei  Lacerta  (H.  a.  Sw.).  Die 
anfangs  durch  die  Chorda  dorsalis  in  zwei  Hälften  geteilte  Basalplatte 
ist  vollständiger  als  die  von  Lacerta,  nur  bei  Embryonen  von  4 — 5  mm 
Schädellänge  findet  Schauinsland  eine  sehr  kleine  Fontanelle  nahe 
ihrem  vorderen  Rande;  später  scheint  auch  diese  geschlossen  zu  werden. 
An  der  Ohr  kapsei,  deren  Anlage  mit  der  der  Basalplatte  zusammen- 
hängt,  wird   die   mediale  Wand   zuletzt  knorpelig;    eine  in  dieser  ge- 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  777 

legene  Spalte  wird  später  in  2  Forainina  acustica  und  ein  For. 
endolympliaticum  zerlegt.  In  der  äußeren  Wand  bleibt  die  P'enestra 
vestibuli,  am  Boden  das  For.  perilymphaticum  bestehen.  Vor  der 
Ohrkapsel  tritt  der  N.  facialis  durch  die  Basalplatte  hindurch ;  in  be- 
trächtlicher Entfernung  davor  der  N.  abducens.  Verhältnismäßig  spät 
erfolgt  der  dorsale  Abschluß  des  For.  occipitale  maguum  durch  das 
Tectum  synoticum,  das,  wie  Schauinsland  besonders  betont,  auch 
hier  der  Labyrinthregion,  aber  nicht  der  Occipitalregiou  angehört.  Von 
seinem  Vorderrande  aus  erstreckt  sich  in  der  Medianebene  eine 
schmale  Knorpelzunge  weit  nach  vorn  bis  zum  Parietalauge  und  um- 
wächst dieses  (Schauinsland). 

An  der  Basis  des  prächordalen  Schädelabschnittes  legen  sich 
die  Trab  ekel  selbständig  an.  Sie  begrenzen  die  Feuestra  hypo- 
physeos  von  der  Seite  und  gehen  im  Prochondralstadium  (Stad.  P 
von  H.  a.  S.)  im  vorderen  Teil  der  Orbito-temporalregion  in  eine 
Vorknorpelplatte  (basal  ethmoidal  plate  H.  a.  S.,  meiner  Trabecula 
communis  und  Internasalplatte  entsprechend)  über.  Von  der  Basal- 
platte sind  sie  anfangs  getrennt,  sie  stoßen  an  die  Ventralfläche  der- 
selben unter  rechtem  Winkel  au.  Später  gleicht  sich  der  Winkel  aus, 
und  die  Trabekel  verschmelzen  mit  der  Basalplatte.  Von  dem  hinteren 
Ende  einer  jeden  Trabekel  aus  entsteht  ein  Proc.  basipterygoideus. 
Die  Anlage  der  Seitenwand  in  der  hinteren  Hälfte  der  Orbito-tempo- 
ralregion (der  Sphenolateralplatte)  hängt,  wie  bereits  erwähnt,  anfangs 
nur  mit  der  Basalplatte  zusammen  und  verknorpelt  auch  von  dieser 
aus;  erst  wenn  die  Kopfbeuge  und  in  Zusammenhang  damit  die  Ab- 
knickung  des  vorderen  Schädelabschnittes  gegen  den  hinteren  sich 
ausgleichen ,  bekommen  die  verschiedenen  Fortsätze ,  die  von  der 
Sphenolateralplatte  ausgehen,  eine  andere  Richtung  und  verbinden  sich 
mit  benachbarten  Teilen :  mit  der  Trabekel,  der  Supraseptalplatte  und 
der  Ohrkapsel.  Die  Sphenolateralplatte  wird  anfangs  von  getrennten 
Oeffnungen  für  den  Oculomotorius  und  den  Trochlearis  durchbrochen, 
durch  Verbindung  mit  der  Trabekel  entstehen  dazu  noch  2  weitere 
Foramina  (für  die  A.  ophthalmica  und  eine  Vene,  die  H.  a.  S.  als 
V.  jugularis  bezeichnen);  später  fließen  diese  4  Foramina  zu  einem 
großen  Fenster  (Fen.  metoptica)  zusammen. 

Die  Sphenolateralplatte  (Alispheaoid,  SCH.,  Otosphenoidalplatte,  H.  a.  S.)  ist 
also  ursprünglich  vollständiger  und  zeigt  noch  in  der  Ontogenese  Reduktionserschei- 
nungen. Nach  ihrer  Verbindung  mit  den  Nachbarteilen  und  nach  ihrer  Fenestrierung 
bietet  das  Knorpelgerüst  in  der  hinteren  Hälfte  der  Orbito-temporalregion  weitest- 
gehende Aehnlichkeit  mit  dem  von  Lacerta.  Vor  der  Ohrkapsel  findet  sich  die  große 
Fenestra  prootica  für  den  Trigeminusaustritt,  die  erst  verhältnismäßig  spät  durch 
Verbindung  der  Sphenolateralplatte  mit  der  Ohrkapsel  ihren  dorsalen  Abschluß  er- 
hält; davor  findet  sich  dorsal  eine  Fen.  epioptica  (ohne  Beziehung  zu  Nerven, 
häutig  geschlossen),  unter  dieser  die  Fen.  optica  (N.  opticus),  hinter  dieser  die 
Fen.  metoptica.  Die  Anordnung  der  Knorpelspangen  ist  somit  auch  ganz 
ähnlich;  auch  einSubiculum  infundibuli  besteht  und  wird  durch  eine  Supra- 
trabecularspange  mit  dem  Vorderrand  der  Basalplatte  verbunden.  Das  Planum 
supraseptale  schließt  die  Fen.  epioptica,  der  hintere  Rand  des  Septum  interorbitale 
schließt  die  beiden  Fenestrae  opticae  vorn  ab  (Fig.  387). 

Im  vorderen  Teil  der  Orbito-temporalregion  bildet  sich  ein  Sep- 
tum i  n  t  e  r  0  r  b  i  t  a  1  e  aus.  Nach  H.  u.  Sw.  entsteht  es  durch  Aus- 
wachsen der  interorbitalen  Vorknorpelplatte,  in  die  anfangs  die 
Vorderenden  der  Trabekel  übergehen.  Sch.  findet  nach  der  Verknor- 
pelung,  daß  die  beiden  Trabekel  sich  vor  der  Spitze  der  Fenestra 
hypophyseos  zwar  dicht  aneinander  legen,  aber  noch  eine  große  Strecke 


778  E.  Gaupp, 

weit  als  besondere  Elemente  nach  vorn  ziehen  und  erst  in  der  Nasen- 
region wirklich  zu  einem  Knorpelstab  werden.  Das  Septum  inter- 
orbitale ist  um  diese  Zeit  noch  nicht  mit  ihnen  verschmolzen,  sondern 
von  ihnen  teils  durch  eine  wirkliche  Spalte,  teils  doch  so  getrennt, 
daß  man  es  gut  von  ihnen  unterscheiden  kann.  Erst  dort,  wo  das 
Septum  interorbitale  in  das  Septum  nasi  übergeht,  verschmilzt  der 
Trabekelstab  mit  dem  Septum  interorbitale  und  von  hier  aus  schreitet 
die  Vereinigung  (d.  h.  die  Bildung  einer  Trabecula  communis)  in 
älteren  Stadien  auch  weiter  kaudalwärts  vor.  Im  Zusamenhange  mit 
der  oben  erwähnten  interorbitalen  Prochondralmasse  stehen  frühzeitig 
die  Anlagen  der  Supraseptalplatten  (ethmoidal  plates  H.  u.  Sw.), 
die,  wie  aus  Schauinsland's  Schilderung  hervorgeht,  selbständig 
verknorpeln  und  dann  erst  knorpelig  mit  dem  Septum  verschmelzen. 
Mit  dem  hinteren  Rand  einer  jeden  setzen  sich  2  Fortsätze  der 
Sphenolateralplatte  in  Verbindung;  vorn  verlängert  sich  eine  jede  in 
einen  Knorpel,  der  lateral  von  der  Fen.  olfactoria  in  das  Dach  der 
Nasenkapsel  übergeht.  Im  Septum  interorbitale  tritt  durch  Knorpel- 
reduktion eine  Fenestra  septi  auf  (Schauinsland,  Howes  u.  Swin- 
nerton). 

Als  erste  Grundlage  des  Skelettes  der  Ethm  oidalr  egion  er- 
scheint nach  H.  u.  Sw.  im  Vorknorpelstadium  der  vordere  Teil  der 
„basalen  Ethmoidalplatte"  (die  Internasalplatte),  mit  deren  vorderem 
Ende  jederseits  die  Anlage  einer  den  vorderen  Teil  der  Nasenhöhle 
umschließenden  Schale  zusammenhängt.  Aus  der  Internasalplatte  geht 
das  Septum  nasi  hervor;  die  Anlage  der  Nasenkapsel  vervollständigt 
sich  nach  H.  u.  Sw.  durch  Auswachsen  mehrerer  Fortsätze,  sowie  durch 
selbständig  auftretende  Knorpelpartieen.  Der  Schilderung  von  Schau- 
insland und  den  Figuren  von  Howes  und  Swinnerton  zufolge  bietet 
die  Konfiguration  des  Ethmoidalskelettes  nach  der  Verknorpelung  fast 
gar  keinen  Unterschied  von  dem  der  Saurier. 

Die  Schilderung  der  englischen  Autoren  ist  ganz  aphoristisch  und  mit  Be- 
nutzung einer  nur  dem  vorliegenden  Objekt  angepaßten  und  darum  nicht  allgemeiner 
verwendbaren  Terminologie  abgefaßt.  Schauinsland's  Darstellung  paßt  sich  mehr 
den  früheren  Betrachtungen  des  Nasenskelettes  der  Reptilien  an.  Hervorheben s wert 
ist,  daß  das  Planum  antorbitale  nicht  quer,  sondern  schräg  steht,  so  daß  es  ohne 
Grenze  in  die  Seitenwand  übergeht.  Diese  findet  ScH.  bei  Embryonen  von  4 — 5  mm 
Kopflänge  noch  undurchbrochen,  Abbildungen  späterer  Stadien  von  Howes  und 
Swinnerton  zeigen  eine  Fenestra  lateralis.  Eine  Fen.  dorsalis,  ein  For.  epiphaniale, 
For.  apicale,  eine  Fen.  narina,  Caps,  organi  vomero-nasalis,  Cart.  paraseptalis,  ein 
Proc.  maxillaris  post.  sind  vorhanden.  Die  Muschelbildung  ist  auf  dem  oben  er- 
wähnten Stadium  Schauinsland's  erst  als  Leiste  an  der  Innenseite  der  Seitenwand 
angedeutet;  später  wird  dieselbe  höher  und  biegt  sich  dabei  ventral-  und  kaudal- 
wärts ein. 

Das  viscerale  Primordialcranium  wird  repräsentiert  durch  den 
Kieferbogen,  den  Zungenbeinbogen  und  zwei  Branchial- 
b  0  gen. 

Die  Anlage  des  Kieferbogens  läßt  im  Vorknorpelstadiiim, 
nach  Howes  and  Swinnerton,  einen  Körperabschnitt  und  3  Fort- 
sätze unterscheiden.  Letztere  sind  der  Proc.  ascendens,  Proc. 
pterygoideus  und  die  nach  vorn  gerichtete  Anlage  des  Meckel- 
schen  Knorpels.  Die  Verknori)elung  beginnt  selbständig  im  dor- 
salen Ted  (P  alatoquadrat  um)  und  im  MECKEL'schen  KnorpeL 
Am  Palatoquadratum  entsteht  nachträglich  noch  der  nach  hinten  ge- 
richtete Proc.  oticus  und  der  nach  abwärts  gerichtete  Proc.  articularis. 
Die  Verknorpelung   dehnt  sich   vom  Körper  des  Palatoquadratums  in 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  779 

die  Fortsätze  aus,  so  daß  also  nach  der  Verknorpelung  auch  der  Proc. 
ascendens  und  der  Proc.  pterygoideus  in  kontinuierlichem  Zusammen- 
hange mit  dem  Quadratumkörper  stehen  (Fig.  387).  Der  Proc.  ptery- 
goideus verlängert  sich  bis  auf  das  Transversum  herauf  und  kommt 
dem  Ende  des  langen  Proc.  maxillaris  posterior  nahe.  (In  der  zweiten 
Pubhkation  [1903]  zeichnet  Schauinsland  das  vorderste  Stück  des 
Proc.  pterygoideus  auf  späteren  Stadien  von  dem  Hauptteil  abgelöst.) 
Die  MECKEL'schen  Knorpel  werden  frühzeitig  durch  eine  vorknorpelige 
Symphyse  untereinander  verbunden.  Diese  verknorpelt  vorübergehend, 
und  nachträglich  tritt  wieder  eine  bindegewebige  Symphyse  auf. 

Dem  Geschilderten  zufolge  verhält  sich  Sphenodon  bezüglich  des  Palato- 
quadratums  primitiver  als  Lacerta,  insofern  als  sich  die  Verknorpelung  vom  Körper 
aus  gleichmäßig  auf  den  Proc.  ascendens  und  Proc.  pterygoideus  erstreckt,  und 
letzterer  noch  ausgedehnter  ist.  Die  Amphibienähnlichkeit  des  Palatoquadratums 
fällt  dadurch  noch  unmittelbarer  in  die  Augen.  Aus  der  Verknöcherung  des  Proc. 
ascendens  geht  wie  bei  den  kionokranen  Sauriern  die  Columella  (das  Antipterygoid) 
hervor.  —  Ueber  die  Entwickelung  des  auch  bei  Sphenodon  vorhandenen  (ScH.,  H. 
u.  Sw.)  Meniscus  pterygoideus,  durch  den  das  Pterygoid  am  Proc.  basi- 
pterygoideus  artikuliert,  fehlen  Angaben.  Die  Thatsache,  daß  sich  hier  bei  Sphenodon 
dieselbe  Gelenkeinrichtung  findet  wie  bei  den  Lacertiliern,  kann  als  Hinweis  darauf 
gedeutet  werden,  daß  Sphenodon  von  Formen  stammt,  die  ein  bewegliches  Quadratum 
hatten,  und  die  Streptostylie  erst  kürzlich  verloren  hat.  In  dieser  Hinsieht  repräsen- 
tieren die  kionokranen  Saurier  den  primitiveren,  Sphenodon  den  sekundär  abgeänderten 
Zustand. 

Mit  der  Anlage  des  Zun  genbein  böge  ns  steht  die  der  Colu- 
mella auris  schon  auf  prochondralem  Stadium  in  kontinuierlichem 
Zusammenhang.  Die  Anlage  der  Columella  ist  von  vornherein  eine 
einheitliche,  die  Trennung  in  einen  Stapes  und  eine  Extracolu- 
mella  erfolgt  erst  sekundär.  Das  innere  Ende  der  Columellaanlage 
ist  in  die  Anlage  der  Ohrkapsel  eingelassen,  nach  der  Verknorpelung 
besteht  sogar  vorübergehend  ein  knorpeliger  Zusammenhang  zwischen 
beiden  genannten  Teilen,  und  erst  sekundär  wird,  durch  Umwandlung 
einer  ringförmigen  Knorpelzone  in  Bindegewebe,  die  Fußplatte  der 
Columella  (das  Operculum)  wieder  frei.  Das  sog.  Suprastapediale 
(Huxley)  entsteht  nach  How.  u.  Swinn.  als  Auswuchs  von  dem  äußeren 
Teil  der  Columellaanlage  und  legt  sich  an  das  Palatoquadratum  an. 
Die  Verknorpelung  erfolgt  aber  nach  Schauinsland  selbständig, 
ebenso  wie  die  der  Knorpelspange,  die  das  seit  Huxley  bekannte 
Foramen  der  Extracolumella  lateral  begrenzt.  Versluys  sieht  darauf- 
hin in  dem  Suprastapediale  den  Proc.  dorsalis  der  Lacertilier- 
columella,  der  auch  selbständig  verknorpeclt.  (In  Fig.  387  ist  das 
Suprastapediale  Huxley's  dementsprechend  als  Proc.  dorsalis  bezeichnet; 
die  lateral  von  dem  Foramen  der  Extracolumella  gelegene  Spange  ist 
ohne  Bezeichnung  geblieben.) 

Welche  Bedeutung  der  schon  lange  bekannten  Verbindung  des  Hyalbogens  mit 
der  Ohrcolumella  von  Sphenodon  zukommt,  ist  vielfach  Gegenstand  der  Kontroverse 
gewesen.  Die  Ermittelung  von  Schauinsland,  sowie  von  Howes  und  Swinnerton, 
daß  diese  Verbindung  schon  von  Anfang  an  vorhanden  ist  und  sich  nicht  erst  sekundär 
herstellt,  ist  für  die  Beurteilung  ein  wichtiges  Moment.  Es  gleicht  dem  bei  Sauriern 
beobachteten  embryonalen  Verhalten  und  spricht  für  die  genetische  Zusammengehörig- 
keit beider,  der  Gesamtcolumella  einerseits  und  des  Zungenbeinbogens  andererseits. 
Eine  andere  Frage  ist  es,  ob  das  Erhalten  bleiben  des  Zusammenhanges  beider  Teile 
auch  beim  erwachsenen  Tiere  als  ein  Zeichen  der  primitiven  Stellung  von  Sphenodon 
anzusehen  ist.  In  dieser  Hinsicht  hat  sehr  viel  Wahrscheinlichkeit  die  neuerdings 
(lUOS)  von  Veksluys  ausgesprochene  Ansicht,  daß  jenes  Stehenbleiben  auf  dem  em- 
bryonalen Zustand  die  Bedeutung  einer  Hemmungsbildung  besitzt.  Sphenodon 
leitet  sich  nach  Versluys  von  Formen  ab,  die  einen  wohlausgebildeten  schall- 
leitenden Apparat  mit  Trommelfell  besaßen,  diesen  aber  durch  die  Erwerbung  einer 


780  E.  Gaupp, 

grabenden  und  schwimmenden  Lebensweise  wieder  rückbildeten.  So  unterbleibt 
jetzt  bei  Sphenodon  die  Abgliederung  des  Zungen beinbogens  von  der  Columella,  wie 
sie  sich  bei  den  Lacertiliern  vollzieht  und  wahrscheinHch  auch  bei  den  direkten 
Vorfahren  von  Sphenodon  vollzog,  und  es  tritt  so  sekundär  wieder  ein  sehr  alter 
Zustand  auf.  Für  die  Stammform  der  jetzt  lebenden  Sauropsiden  muß  der  Besitz 
eines  Trommelfelles  und  eine  Anordnung  der  Columella  und  des  Zungenbeinbogens 
ähnlich  der  der  Saurier  angenommen  werden.  (Schon  oben  wurde  das  Vorhanden- 
sein eines  Meniscus  pterygoideus  und  eines  Gelenkes  zwischen  ihm  und  dem  Proc. 
basipterygoideus  in  dem  Sinne  gedeutet,  daß  Sphenodon  die  Strejitostylie,  also  ein 
Merkmal,  das  sich  die  kionokranen  Saurier  bewahrt  haben,  sekundär  verloren  hat. 

Ueber  die  Ausbildung  der  übrigen  Teile  des  Hyobranchialskeletts 
von  Sphenodon  liegen  nur  dürftige  Angaben  vor.  Bei  der  prinzipiellen 
Uebereinstimmung  des  ausgebildeten  Zungenbeines  von  Sphenodon 
mit  dem  der  Saurier,  z.  B.  Lacerta,  ist  aber  wohl  an  der  Gleichheit 
der  Deutung  der  Teile  nicht  zu  zweifeln.  Danach  sind  die  3  Fort- 
sätze auf  jeder  Seite  auch  als  Cornu  hyale,  C.  branchiale  I,  C. 
branchialell  zu  bezeichnen.  Das  Cornu  hyale  findet  Schau- 
insland auf  Knorpelstadium  (Kopflänge  4 — 5  mm)  vom  Körper  ge- 
trennt; bei  jüngeren  Tieren  ist  auch  eine  Trennung  vorhanden  zwischen 
dem  kurzen  transversalen  Anfangsstück  und  dem  Hauptteil  des  ge- 
nannten Hornes.  Dadurch  dokumentiert  jenes  transversale  Anfangs- 
stück eine  gewisse  Sonderstellung,  die  noch  näher  zu  untersuchen 
bleibt.  Bei  ganz  alten  Tieren  verschwindet  es  nach  Sch.,  und  an  seiner 
Stelle  bleibt  nur  ein  sehnenartiger  Strang  übrig.  Auch  das  Cornu 
branchiale  I  ist  auf  Knorpelstadium  vom  Zungenbeinkörper  abge- 
gliedert, vv^ährend  das  C.  branchiale  II  kontinuierlich  knorpelig 
mit  dem  letzteren  zusammenhängt.  Wie  die  Ausbildung  des  Körpers 
selbst  und  des  Processus  entoglossus  sich  vollzieht,  ist  un- 
bekannt. 

II.  Knochen. 

Als  E  r  s  a  t  z  k  n  0  c  h  e  n  des  neuralen  Primordialcraniums  treten 
auf:  Basioccipitale,  Pleuroccipitalia,  Supraoccipitale, 
Opisthotica,  Prootica,  Basis phenoid.  Das  Skelett  der  Or- 
bito-temporalregion  mit  Ausnahme  des  durch  das  Basisphenoid  er- 
setzten Bezirks  der  Basis,  sowie  das  gesamte  Ethmoidalskelett  bleiben 
knorpelig.  Von  den  im  Gebiet  des  Visceralskelettes  auftretenden 
Ossifikationen  kommen  als  Komponenten  des  Oberschädels  jederseits 
noch  hinzu:  Quadratum  und  Columella  (Antiptery goid),  die 
zum  Kieferbogen,  und  der  Stapes,  der  zum  Hyalbogen  gehört. 

Die  Verknöcherung  des  Basioccipitale  beginnt  paarig,  jederseits  von  der 
Chorda  mit  einer  dorsalen  und  einer  ventralen  perichondralen  Knochenlamelle  auf 
der  Basalplatte.  Sehr  bald  erfolgt  die  Verschmelzung  (Schauinsland).  —  Das 
Pleuroccipitale  jeder  Seite  scheint  nur  aus  der  Verknöcherung  des  Seitenteiles 
der  Occipitalregion  hervorzugehen ;  es  umschließt  die  Foramina  hypoglossi  und  hilft 
das  For.  jugulare  begrenzen.  Auch  an  der  Bildung  des  Condylus  occipitalis  gewinnt 
es  Anteil.  Das  Supraoccipitale  entsteht  aus  der  Verknöcherung  des  Tectum 
synoticum  und  der  dorsalen  Teile  beider  Ohrkapseln.  Der  Proc.  ascendens  tecti 
synotici  bleibt  knorpelig.  Die  Ohrkapsel  wird  außerdem  noch  in  zwei  knöcherne 
Territorien  zerlegt,  von  denen  auch  das  hintere,  das  O  pis  thoticum,  längere  Zeit 
(noch  bei  jungen  ausgeschlüpften  Tieren)  selbständig  bleibt,  ehe  es  mit  dem  Pleur- 
occipitale verschmilzt.  In  dieser  Hinsicht  verhält  sich  Sphenodon  ähnlicher  den 
Cheionia  als  den  Lacertiliern.  Das  Prooticum  ist  das  viel  ausgedehntere  der 
beiden  otikalen  Territorien.  Das  Basiphenoid  verknöchert  nach  Schauinsland 
wie  das  Basioccipitale,  also  paarig  und  von  je  einer  dorsalen  und  einer  ventralen 
Lamelle  aus,  jedoch  bleiben  hier  die  beiden  Hälften  länger  getrennt  und  verschmelzen 
erst  spät.  Die  Verknöcherung  setzt  sich  in  die  Basipterygoidfortsätze  hinein  fort. 
Später  erfolgt  eine  Verschmelzung  des  Basisphenoids  mit  dem  Parasphenoid. 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  •  781 

Qu  ad  rat  lim  und  Antipterygoid  besitzen  ihre  eigenen  Knochenkerne, 
bleiben  aber  auch  nach  völliger  Verknöcherung  durch  eine  Knorpelzone  im  Zu- 
sammenhang.    Das  Quadratum  verschmilzt  mit  dem  Quadratojugale. 

Als  Deckknochen  im  Gebiet  des  Oberschädels  treten  auf: 
Parietale,  Frontale,  Nasale,  S  quam  osum,  Praefrontale, 
Septem  axillare,  Postfrontale,  Postorbitale,  Zygomati- 
cum,  Quadratojugale,  alle  paarig;  Parasphenoid,  unpaar ; 
Praeni  axillare,  Maxiila  re.  Vom  er,  Palatinum,  Ptery- 
goid,  Transversum,  paarig.  Von  diesen  bieten  das  Quadrato- 
jugale, Pterygoid  und  Transversum  noch  topographische  Beziehungen 
zum  Palatoquadratum ;  auch  das  Squamosum  besitzt  dieselben  beim 
ausgebildeten  Tier,  doch  bilden  sie  sich  erst  sekundär  aus. 

Die  Knochen  des  Schädeldaches  entstehen  am  si^ätesten.  Parietale  und 
Frontale  legen  sich  zuerst,  wie  bei  Lacerta,  lateral  an,  auf  dem  dorsalen  Rande 
des  Chondrocraniums  (SchauIiI^SLAND).  Nasale,  Praefrontale,  Septomaxil- 
lare,  Praem  axillare,  M  axillare  legen  sich  an  Teile  des  Nasenskelettes  an; 
em  besonderes  Lacrimale  besteht  nicht.  Das  Bquamosum  entsteht,  den  Figuren 
von  Schauinsland  sowie  Howes  und  Swinnerton  zufolge,  als  Deckknochen  am 
lateralen  Umfange  der  ührkapsel,  dehnt  sich  dann  aber  auf  das  Palatoquadratum 
aus.  Damit  dürfte  seine  Natur  sichergestellt  sein.  Nach  Schaujnsland  besteht 
zwischen  ihm  und  dem  Quadratum  anfangs  ein  Gelenk ;  es  zeigt  sich  also  auch  hier 
zuerst  ein  Merkmal  des  streptostylen  Typus,  das  sekundär  verloren  geht.  Von  den 
3  Knochen,  die  die  Orbita  von  hinten  begrenzen,  Postfrontale  mediale, 
Postf  r.  lat  erale  (Postorbitale),  Z  ygom  aticum  ,  besitzt,  den  Abbildungen  zufolge, 
nur  das  Postfrontale  mediale  topographische  Beziehungen  zum  Chondrocranium  (zur 
Sphenolateralplatte,  s.  Fig.  387). 

Am  lateralen  Umfange  der  Pars  articularis  des  Quadratums  entsteht  als  Deck- 
knochen das  Quadratojugale  (Fig.  .387).  Sein  dorsalwärts  gerichteter  Teil  wird 
von  dem  Quadratum  durch  eine  Lücke  getrennt.  Beide  Knochen  verschmelzen 
später  miteinander.  Die  Bezeichnung  Quadratojugale  drückt  die  Homologie  des 
Knochens  mit  dem  Quadratojugale  der  Schildkröten  aus,  das  ich  als  Homologon  des 
Paraquadratums  der  Amphibien  ansehe  (1894).  Auch  Sphenodon  zeigt,  wie  die 
Fig.  387  lehrt,  die  topographische  Beziehung  des  Knochens  zum  Palatoquadratum 
deutlich.  Die  Verhältnisse  in  der  Schläfengegend  bei  Sphenodon  liegen  somit  ähn- 
lich wie  bei  den  Krokodilen,  wo  auch  das  Squamosum  an  der  Bildung  eines  oberen, 
das  Quadratojugale  an  der  Bildung  eines  unteren  Jochbogens  beteiligt  ist.  (Rhyncho- 
cephalen  und  Krokodile  sind  dizygocrotaph,  d.  h.  sie  besitzen  2  Jochbogen,  einen 
oberen  und  einen  unteren.)  Andererseits  ergiebt  sich  ein  Gegensatz  gegenüber 
Sauriern  und  Cheloniern,  wo  das  Quadratojugale  an  der  Bildung  des  oberen  Joch- 
bogens beteiligt  ist.  —  Das  Parasphenoid  entsteht  verhältnismäßig  spät,  von  zwei 
Centren  aus,  die  bald  miteinander  verschmelzen.  Auf  diese  Weise  unpaar  geworden, 
schließt  der  Knochen  die  Fenestra  hypophyseos  von  der  Ventralseite  und  verschmilzt 
später  mit  dem  Basispheuoid  (Schauinsland).  Der  Vom  er  jeder  Seite  entsteht 
als  Deckknochen  am  ventralen  Rande  des  Paraseptalknorpels.  Das  Pterygoid 
bildet  sich  als  Deckknochen  des  Proc.  j^terygoideus  jialatoquadrati,  erreicht  im  Ver- 
laufe der  Entwickelung  sehr  bedeutende  Dimensionen  und  verwächst  mit  dem 
Quadratum.  Hierin  liegt  nach  Schaltinsland  ein  Grund  für  die  spätere  Unbeweg- 
lichkeit  des  letzteren.  Das  Palatinum  liegt,  wenigstens  mit  seinem  hinteren  Ende, 
noch  unter  dem  vordersten  Teil  des  Proc.  pterygoideus  Palatoquadrati.  Auch  dieser 
Knochen  erfährt  eine  sehr  beträchtliche  Entwickelung,  namentlich  in  die  Breite.  Die 
Zähne  entstehen  selbständig  und  verschmelzen  sekundär  mit  dem  Knochen.  Ohne 
Beziehung  zu  Knorpelteilen  entsteht  anfänglich  das Tr  an  sv  ersum,  erst  durch  weiteres 
Wachstum  nach  innen  und  kaudal  erreicht  es  den  Proc.  pterygoideus  Palatoquadrati. 

Im  Unterkiefer  geht  das  Articulare  als  Ersatzknochen  aus 
dem  proximalen  Gelenkende  des  MECKEL'schen  Knorpels  hervor ;  als 
Deckknochen  entstehen  an  dem  letzteren:  Dentale,  Postoper- 
culare,  Angulare,  Supr  aangulare,  C  omplem  en  tare.  Ein 
Praeoperculare  fehlt.  Der  Körper  des  Zungenbeins  verknöchert 
nach  OsAWA,  während  Schauinsland  ihn  auch  bei  alten  Tieren 
knorpelig  fand.  Auch  das  Cornu  branchiale  I  verknöchert;  das 
Cornu  hyale  verkalkt  dagegen  nur.  Deckknochen  treten  am  Hyo- 
branchialskelett  nicht  auf. 


782  •  E.  Gaupp, 

Krokodile. 

Ueber  die  Schädelentwickelung  der  Krokodile  sind  die  ausführ- 
lichsten Mitteilungen  die  von  W.  K.  Parker  (1883),  die  sich  auf 
Alligator  mississipensis  und  Crocodilus  palustris  beziehen.  Einige  die 
Orbito-temporalregion  betreffende  Angaben  machte  ich  selbst  (1902). 
Im  ganzen  sind  unsere  Kenntnisse  hierüber  noch  sehr  lückenhaft  und 
das  Nachfolgende  ist  nur  ein  Versuch,  aus  den  Stadienschilderungen 
Parker's  wenigstens  die  Hauptpunkte  zu  einer  zusammenhängenden 
Darstellung  zu  vereinen. 

I.  P  r  i  m  0  r  d  i  a  1  c  r  a  n  i  u  m. 

Wie  bei  Sauriern,  so  ist  auch  bei  Krokodilen  zu  der  Zeit,  wo 
die  Skelettteile  des  neuralen  Craniums  sich  anlegen,  die  Kopf- 
beuge sehr  stark  ausgeprägt,  und  demzufolge  bilden  die  Anlagen  des 
chordalen  und  des  prächordalen  Schädelabschnittes  einen  etwa  rechten 
Winkel  miteinander.     Später  streckt  sich  die  kraniale  Achse. 

In  seiner  Konfiguration  zeigt  das  n  e  u  r  a  1  e  P  r  i  m  o  r  d  i  a  1  c  r  a  n  i  u  m 
der  Krokodile  große  Aehnlichkeit  mit  dem  der  Saurier,  doch  ist  es 
etwas  vollständiger,  d.  h.  weniger  fenestriert  als  das  letztere.  So  wird 
die  aus  den  beiden  Parachordalia  zusammengesetzte  Basalplatte  von 
keiner  Lücke  durchbrochen ;  sie  setzt  sich  kontinuierlich  über  die 
vordere  Chordaspitze  hinweg  rostralwärts  in  ein  Dorsum  sellae  fort, 
dessen  freier  Rand  gegen  die  Mittelhirnbasis  blickt.  Die  Chorda  hört 
hinter  der  Hypophyse  mit  einem  ventralwärts  abgebogenen  und  aus 
der  Basalplatte  herausragenden  Ende  auf.  Das  Dorsum  sellae  liegt, 
wie  aus  Parker's  Figuren  hervorgeht,  im  unteren  Teil  des  Mittel- 
hirnpolsters hinter  der  Hypophyse.  Parker's  Schilderung  zufolge 
entsteht  es  durchaus  in  Kontinuität  mit  der  Basalplatte,  erscheint  also 
als  der  vorderste  Teil  derselben.  Die  Selbständigkeit  gegenüber  der 
letzteren,  die  es  bei  den  Sauriern  zeigt  (als  Crista  sellaris),  dürfte 
somit  wohl  mit  dem  Vorhandensein  der  Fenestra  basicranialis  posterior 
zusammenhängen.  —  Auch  bei  Crocodilus  schließt  die  Basalplatte  an- 
fangs mit  zwei  neben  dem  Chordaeintritt  kaudalwärts  vorspringenden 
Höckern  ab;  später  wird  der  Condylus  durch  starke  Entwickelung 
der  hypochordalen  Knorpelmasse  einheitlich.  Im  Gebiet  der  Occipital- 
region  beschreibt  Parker  jederseits  nur  ein  For amen  hypoglossi, 
in  eigener  Serie  finde  ich  zwei ;  durch  die  Fissur a  metotica  treten 
der  Glossopharyngeus  und  Accessorio-vagus  vereint  aus.  Die  Pars  otica 
der  Basalplatte  wird  vorn  jederseits  von  einem  C  a n  a  1  i  s  a  b  d  u  c e  n  ti  s 
durchsetzt  (Gaupp  1902),  seitlich  davon  liegt  auf  der  Grenze  gegen  die 
Ohrkapsel  das  Foramen  faciale,  vor  der  Ohrkapsel  findet  sich  die 
Incisura  prootica,  später  zur  Fenestra  prootica  (N.  V)  ge- 
schlossen. An  der  Ohrkapsel  fällt  (Fig.  389)  die  starke  Verlängerung 
der  Pars  cochlearis  auf,  die  mit  ihrer  Spitze  bis  nahe  an  die  Chorda 
herankommt.  Die  Auffassung,  daß  sie  eine  der  Cochlea  angepaßte 
Partie  der  Basalplatte  darstellt  (p.  583,  761),  wird  hier  besonders  ein- 
leuchtend. In  der  Hauptsache  wiederholen  sich  von  den  Sauriern  her 
bekannte  Verhältnisse  :  For.  e n  d  o  1  y  m p h a t i c u  m  und  2  Fora m i n a 
acustica  in  der  medialen  Wand,  For.  p  erily  mphaticum  basal, 
Fen.  vestibuli  lateral-basal.  Ein  Tee  tum  synoticum  bildet 
sich  spät  und  verbindet  auch  hier  nur  die  beiden  Ohrkapeln.  —  Im 
prächordalen  Schädelteil  entstehen  die  beiden  Trab  ekel;  sie  kommen 
vor  der  Hypophyse  einander  sehr  nahe  und  werden  durch  die  „Int er- 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes, 


783 


trabecula"  (Parker),  d.  i.  das  Interorbitalsep tum,  vereinigt. 
Als  Verdickungen  neben  dem  basalen  Rande  des  letzteren  sind  sie 
bis  ,zu   den   Nasenkapseln  zu   verfolgen.     Durch   die   Fenestra  liypo- 


Fig.  388. 


Fig.  389. 


Septinrirnas 


Fen. 
metopt. 

Chorda 
dorn 


narina 


Ted.  nasi 


Fen.   olfact. 

Plan,  suprasept. 

Taen.  marg. 

For.  opt. 
Fen.  epiopt. 

Feil.  Hypoph. 
•Dors.  sellae. 
Fen.  prootica 

Cajis.  audit. 
Ted.  synot. 


Solum  nas. 


Fe»,  basal, 
{choan.  ?) 


Plan,  suprasept 


Fen.  epiopt. 
Fen,  metopt. 


Fen.  prootica 


For.  jugul. 


Septum  iorb. 
Taen.  marg. 


Fen. 
Hyjwphys. 


Pars  cochl. 
Caps.  aud. 


Chorda  dors. 

For.  occip.  magii 


For.  hypoglossi 
Cond.  occ. 

Fig.  388.      Neurales    Primordialcranium   eines   3V2  Zoll    langen    Embryo  von 
Crocodilus  palustris.    Von  oben.    Nach  W.  K.  Parker. 

Fig.  389.    Dasselbe   Objekt  wie  Fig.  388;   von  unten.    Nach  W.  K.  Parker. 
Von  den  beiden  Foramina  hypoglossi  hat  Parker  nur  das  hintere  als  solches  bezeichnet. 

physeos  treten  auch  die  inneren  Carotiden  in  den  Schädelraum.  Durch 
das  Auftreten  eines  Interorbitalseptums  ist  die  Zerlegung  der  Orbito- 
temporalregion  in  2  Abschnitte,  einen  hinteren  und  einen  vorderen,  ge- 
geben. Die  Seitenwand  des  hinteren  breiteren  hängt  wie  bei  Lacerta 
frühzeitig  mit  der  Crista  sellaris  zusammen,  ist  dagegen  mit  der  Ohr- 
kapsel wie  mit  dem  Planum  supraseptale  anfangs  nicht  verbunden. 
Nachdem  diese  Verbindung  erfolgt  ist,  zeigt  sich  die  Seitenwand  etwas 
vollständiger  als  die  bei  Lacerta,  die  Fenster  sind  kleiner.  Die  ein- 
heitliche Fenestra  prootica  leitet  den  gesamten  Trigeminus 
heraus,  die  Fenestra  optica  den  Opticus,  über  dieser  liegt  eine 
große  Fenestra  epioptica;  Oculomotorius  und  T r 0 c h  1  e a r i s 
läßt  Parker  durch  eine  gemeinsame  Oeffnung  austreten,  während  ich 
selbst  für  sie  bei  Crocodilus  biporcatus  (12  mm  Kopflänge)  gesonderte 
Foramina  finde.  Ein  Processus  basipterygoideus  kommt 
nicht  zur  Ausbildung  (eine  Andeutung  scheint  vorhanden  zu  sein); 
sein  Fehlen  erklärt  sich  als  Rückbildungserscheinung  durch  den  Ver- 
lust der  Streptostylie  und  Ausbildung  der  Monimostylie  bei  den  Kroko- 
dilen. Das  Septum  interorbitale,  das  sich  mit  seinem  ventralen 
Rande  zwischen  die  vorderen  Hälften  beider  Trabekel  einkeilt  (daher 
Intertrabecula,  Parker),  kommt  zu  bedeutender  Entwickelung; 
an  seinen  oberen  Rand  schließt  sich  jederseits  ein  Planum  supra- 


784  E.  Gaupp, 

septale  an,  hinten  durch  eine  Taenia  marginalis  mit  der  Schädel- 
seitenvvand  der  hinteren  Orbito-temporah-egion  in  Verbindung,  vorn 
in  das  Dach  der  Nasenkapsel  übergehend  (Fig.  388).  Als  erster  Skelett- 
teil der  Ethm  oi  dal  gegen  d  tritt  in  der  Medianebene  das  Septum 
nasi  auf.  die  direkte  Fortsetzung  des  Septum  interorbitale,  und  vorn 
in  eine  Cartilago  praenasalis  auslaufend.  Die  Verknorpelung 
der  Decke,  der  Seitenwand  und  des  Bodens  der  Nasenkapsel  erfolgt 
später  in  der  Richtung  von  hinten  nach  vorn.  Die  durch  die  Ver- 
knorpelung geschaffene  Kapsel  ist  vollständiger  als  die  von  Lacerta, 
und  macht  einen  längeren  und  schmäleren  Eindruck.  DieFenestra 
olfactoria  liegt  am  hinteren  Teile  des  Daches  in  horizontaler  Ebene, 
der  übrige  Teil  des  Daches  ist,  Parker's  Darstellung  zufolge,  un- 
durchbrochen (Fig.  388).  Auch  die  Seitenwand  erscheint  äußerlich 
kontinuierlich  und  nur  vorn  von  der  Fenestra  narina  durchbohrt. 
Endlich  ist  sogar  ein  knorpeliger  Boden  in  großer  Ausdehnung  vor- 
handen. Eine  im  hinteren  Teil  desselben  befindliche  Lücke  hat  wohl 
die  Bedeutung  einer  Fenestra  choanalis;  doch  geht  das  aus 
Parker's  Schilderung  nicht  hervor  (Fig.  389).  Das  Planum  ant- 
orbitale  wird  vom  Septum  durch  eine  Spalte  getrennt;  ein  Proc. 
maxillaris  posterior  fehlt.  Im  Innern  bietet  die  Seitenwand  Kompli- 
kationen (,,obere"  und  „untere  Muschel"),  die  sich  mangels  embryo- 
logischer Daten  einstweilen  dem  Verständnis  entziehen. 

Das  primordiale  Visceralskelett  der  Krokodile  setzt  sich 
nach  Parker  zusammen  aus  dem  Kiefer-,  Zungenbein-  und 
erstem  B  r  auch  ialbo  gen,  wozu  noch  die  Columella  auris 
und  der  Körper  des  Zungenbeines  kommen. 

Am  Pal  atoquadratum ,  das  frei  dem  lateralen  Umfang  der 
vorderen  Ohrkapselhälfte  anliegt,  sind  Fortsatzbildungen  beachtens- 
wert: der  nach  hinten  gerichtete  Proc.  oticus  und  ein  nach  vorn 
gehender,  die  Pars  palatina  repräsentierender,  aber  kurzer  Proc. 
ptery goideus,  von  dem  sich  noch  ein  sehr  kurzer  Proc.  ascen- 
dens  erhebt  (Fig.  390). 

Die  beiden  Meckel' sehen  Knorpel  werden  vorn  durch  einen 
selbständigen  Knorpel  (Basimandibulare,  Parker)  verbunden. 

Zum  Ptery goidfortsatz  des  Palatoqiiadratums  rechnet  Parker  noch  ein  selb- 
ständiges Knorpelstück,  das  dem  Os  pterygoideum  außen  anliegt,  und  an  dem  ein 
kleiner  Knorpel  des  Unterkiefers  schleift.  Letzterer  (coronoid  cartilage)  liegt  dem 
Os  coraplementare  innen  an ;  ob  er  vom  MECKEL'schen  Knorpel  abstammt,  ist  nicht 
ermittelt.     Vielleicht  handelt  es  sich  nur  um  eine  Verdickung  in  einer  Sehne. 

Die  größte  Beachtung  verdient  der  Zungenbeinbogen  mit 
der  Columella  auris.  Parker  schildert  auch  diese  erst  nach 
bereits  eingetretener  Verknorpelung.  Ueber  die  ersten  Anlagen  ist 
nichts  bekannt.  Es  fehlt  somit  auch  der  bindende  Nachweis,  daß  der 
als  Repräsentant  des  Hyalbogens  aufgefaßte  Knorpelstrang,  mit  dem 
die  Columella  in  Kontinuität  steht,  wirklich  dem  genannten  Bogen 
angehört.  Erschwert  wird  diese  Beurteilung  dadurch,  daß  jener 
Knorpelstrang  (Fig.  390)  mit  seinem  ventralen  Ende  sich  frühzeitig 
mit  dem  Proc.  retroarticularis  des  MECKEL'schen  Knorpels  verbindet, 
somit  keine  Fortsetzung  bis  zum  Zungenbeinkörper  besitzt  (wenigstens 
auf  den  bisher  untersuchten  Stadien).  Doch  bietet,  wie  Versluys 
auseinandersetzt  (1903),  der  von  Parker  geschilderte  Zustand  der 
Columella  nach  der  Verknorpelung  so  viel  Anknüpfungspunkte  an  die 
Verhältnisse  bei  den  Sauriern,  daß  daraus  mit  einiger  Wahrscheinlich- 
keit Schlüsse   gezogen  werden  können.     Die  Deutung  von  Versluys 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes. 


785 


ist 


folgende. 


Die    Columella    nach    der    Verknorpelung    besteht 


aus 
zwei  Stücken,  die  dem  Otostapes  und  Hyostapes  der  Saurier  ent- 
sprechen. Vom  lateralen  Ende  des  Otostapes  geht  ein  Proc.  dor- 
salis  ab  (Suprastapediale,  Parker),  der  wahrscheinUch  einen  eigenen 
Knorpelkern  (Intercalare)  besitzt.  Vom  Hyostapes  geht  ventral- 
wärts  ein  Fortsatz  ab  (Infrastapediale,  Parker),  der  nicht  dem  Proc. 
internus    der    Sauriercolumella,    sondern    dem    Proc.   interhyalis 


Verdickung  des 
Proc.  dorsalis 


Otostapes' 

„Epihyale" 

„Keratohyale" 
(Parker) 

Palatoquadratum 


Hyostapes 
Proc.  dorsalis 
Proc.  interhyalis 


Proc.  ascendens 
Pal.-Quadr. 


Proc.  pterygoideus 

Cartil.  Meckel. 

Fig.  390.  Palatoquadratum  und  Columella  auris  eines  Embryo  von  Crocodilus 
palustris.    Nach  W.  K.  Paeker.     (Bezeichnungen  entsprechen   der  Auffassung  von 

Versluys.) 

derselben  entspricht,  d.  h.  dem  Fortsatz,  der  aus  dem  Verbindungs- 
blastem  zwischen  der  Columella  und  dem  übrigen  Zungeubeinbogen 
hervorging.  Bei  Krokodilembryonen  schließt  sich  an  das  Ende  dieses 
Proc.  interhyalis  ein  kleines  selbständiges  Knorpelstückchen,  Epihyale 
(Parker),  an,  und  auf  dieses  folgt  Parker's  Keratohyale,  ein 
längerer  Knorpelstrang,  der  mit  seinem  ventralen  Ende  in  den  Proc. 
retroarticularis  des  MECKEL'schen  Knorpels  dicht  hinter  dem  Gelenk 
übergeht.  Bei  reifen  Embryonen  giebt  das  Epihyale  seine  Verbindung 
mit  dem  Proc.  interhyalis  auf  und  verbindet  sich  mit  dem  Intercalare 
(Proc.  dorsalis)  durch  Bindegewebe  (Versluys). 

lieber  die  erste  Anlage  des  Zungenbeinkörpers  und  des 
einzigen  an  ihm  jederseits  befestigten  Hörn  es  fehlen  Angaben.  Das 
Hörn  wird  von  Parker  im  Sinne  eines  Cornu  branchiale  I  aufgefaßt; 
ein  Cornu  hyale  käme  danach  nicht  zur  Ausbildung.  Dies  ist  wahr- 
scheinlich richtig,  doch  verlangen  all  diese  Dinge  erneute  Untersuchung. 


IL  Knochen. 
Krokodilen    treten    im    wesentlichen   dieselben 
wie   bei  den  Sauriern,   doch  erfahren  sie  eine 


Schädel- 


kräf  tigere 


Bei    den 
knochen    auf 

Ausbildung,  und  der  Zusammenschluß  der  einzelnen  Stücke  wird  em 
viel  festerer.  Vor  allem  wird  das  im  Knorpelzustand  freie  Quadratum 
nach  seiner  Verknöcherung  unbeweglich  mit  den  benachbarten  Knochen 
verbunden  (monimostyler  Typus).  Eine  Folge  davon  ist,  daß  die 
Palatina   und   Pterygoidea   ebenfalls    sich   fest   mit   den   Knochen   der 


Handbuch  der  Entwickelungslehre.  III.  2. 


50 


786  E.  Gaupp, 

Schädelbasis  vereinen.    Sie  erfahren  eine  besondere  Verwendung:  zur 

Umschließung  des  Nasenrachenganges  und  Bildung   eines  knöchernen 

sekundären  Gaumens. 

Wie  schon  bei  den  ürodelen  berührt  wurde,  hat  die  Monimostylie  der  Kroko- 
dile und  Schildkröten  einen  anderen  Charakter  als  die  der  Holocephalen,  Dipiioer 
und  Amphibien :  bei  den  letzteren  verschmilzt  das  knorpelige  Palatoquadratum  mit 
dem  neuralen  Primordialcranium,  bei  den  monimostyleu  Reptilien  verliert  dagegen 
das  Quadratum  seine  Freiheit  durch  den  Verknöcherungsprozeß.  Die  beiderlei,  im 
Effekt  ähnlichen,  Einrichtungen  sind  also  morphologisch  nicht  vergleichbar. 

Als  Ersatzknochen  des  neuralen  Craniums  entstehen  (nach 
Parker):  Basioccipitale,  Pleuroccipitalia,  Supraoccipitale,  Opistbotica, 
Epiotica  ('?),  Prootica,  Basisphenoid,  Alisphenoidalia;  Stannius  erwähnt 
außerdem  noch  kleine  paarige  Ossifikationen  in  der  Gegend  der  Fora- 
mina  optica  („Alae  orbitales").  Deckknochen  an  diesem  Neurocra- 
nium  sind:  Parietale,  Frontale  (beide  paarig  entstehend),  Nasalia,  Squa- 
mosa,  Postfrontalia,  Praefrontalia,  Lacrinialia,  Praemaxillaria,  Maxillaria, 
Zygomatica,  Basitemporalia,  Rostrum  parasphenoidei,  Vomeres.  Das 
Palatoquadratum  verknöchert  als  Os  quadratum.  Von  den  zu 
ihm  gehörigen  Deckknochen  liegt  ihm  das  Quadratojugale  (Paraqua- 
dratum)  vorn  an,  das  Pterygoid  bietet  Beziehungen  zu  dem  Proc. 
pterygoideus,  das  Palatinum  und  Transversum  lassen  keine  Beziehungen 
zu  Teilen  des  Palatoquadratums  mehr  erkennen.  Das  Gelenkstück  des 
Meckel' sehen  Knorpels  ossifiziert  als  Articulare ;  nach  Baur  (1895) 
verschmilzt  mit  diesem,  wie  bei  Sauriern,  ein  besonderer  kleiner,  me- 
dial gelegener  Deckknochen.  Er  wurde  oben  (p.  775)  als  Postopercu- 
lare  bezeichnet.  Die  übrigen  Deckknochen  des  Unterkiefers  sind:  Den- 
tale, Praeoperculare  (Operculare,  Cuvier),  Angulare,  Supraangulare, 
Complementare  (der  CuviER'schen  Nomenklatur).  Im  Bereich  des 
Hyobranchialskelettes  endlich  repräsentieren  der  Stapes  und 
das  Hörn  des  Zungenbeines  perichondral  ossifizierende  Elemente ; 
Deckknochen  kommen  hier  nicht  zur  Anlage. 

Einige  Besonderheiten  verdienen  Erwähnung.  Daß  die  Ohrkapsel  in  drei 
knöcherne  Territorien,  Opisthoticum,  Epioticum,  Prooticum,  zerlegt  wird,  geben 
MiALL  sowohl  wie  Parker  an.  Das  Opisthoticum  verschmilzt  bald  mit  dem 
Pleuroccipitale,  das  Epioticum  (dessen  Selbständigkeit  doch  noch  der  Be- 
stätigung bedarf)  mit  dem  Supraoccipitale.  Das  Basioccipitale  wie  das 
Basisphenoid  umschließen  bei  ihrer  Bildung  gewisse  Abschnitte  des  tubo-tym- 
panalen  Raumsystems;  das  unpaare  Basisphenoidale  verschmilzt  ferner  mit  den 
beiden  Basitemporalia,  die  als  selbständige  Deckknochen  an  der  Ventralfläche 
der  Pars  cochlearis  der  Ohrkapsel  (d.  h.  also  eigentlich  an  einem  Teil  der  Basalplatte) 
auftreten  (Parker).  Sie  sind  als  die  selbständig  gewordenen  Seitenteile  des  Para- 
sphenoids  aufzufassen.  Als  selbständigen  Deckknochen  finde  ich  ein  Rostrum 
parasphenoidei;  später  verschmilzt  es  auch  mit  dem  Basisphenoid.  Das  sog. 
Alisphenoid  geht  aus  der  Ossifikation  der  Schädelseiten  wand  vor  der  Ohrkapsel 
hervor.  Parietale  und  Frontale  werden  wie  bei  Lacerta  paarig  angelegt  auf 
den  oberen  Rändern  der  Seiten  wände  des  Chondrocraniums;  später  tritt  Verschmel- 
zung der  beiden  Hälften  ein.  Das  außen  an  der  Ohrkapsel  entstehende  Squamo- 
sum  vereinigt  sich  durch  einen  nach  vorn  auswachsenden  Fortsatz  mit  dem  Post- 
frontale zur  Bildung  des  oberen  Jochbogen  s.  Mit  den  Lacertiha  teilen  die  Kro- 
kodile den  Besitz  eines  besonderen,  vom  Thränen nasengang  durchbohrten,  L  a  c  r  i  m  a  1  e. 
Als  Deckknochen  der  Nasenkapsel  verhalten  sich  Nasale,  Praefrontale,  Prae- 
maxillare,  Maxillare,  Vomer.  Eine  Verschmelzung  der  beiderseitigen  Prae- 
maxillaria erfolgt  nicht.  Der  Vomer,  der  jederseits  am  ventralen  Rande  des  Nasen- 
septums  entsteht,  blickt  anfangs  gegen  die  Schleimhaut  der  Mundhöhle ;  durch  medianen 
Zusammenschluß  der  Gaumenplatten  der  Ossa  palatina  wird  er  ganz  in  der  Tiefe 
verborgen.  Er  hilft  mit  den  Gaumen fortsätzen  des  Maxillare,  Palatinum,  Pterygoids 
den  Nasenrachengang  begrenzen.  Die  Pterygoide  umschließen  die  Choanen.  Bei  der 
Bildung  des  Gaumens  gehen  die  Weichteile  voraus,  die  Eutwickelung  der  Knochen- 
platten in  ihnen  folgt  nach  (Voeltzkow;  s.  d.  Handb.,  Bd.  11,  2,  p.  46).    Die  Vomeres 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  787 

trennen  eine  Strecke  weit  die  Nasenrachengänge  voneinander ;  zwischen  den  hintersten 
Abschnitten  der  letzteren  biklet  sich  eine  Scheidewand,  indem  sich  die  inneren  Känder 
der  Pterygoide  (von  oben  her)  und  die  der  Palatina  (von  unten  her)  umkrempeln 
und  einander  eutgegenwachsen.  —  Das  Quadratum,  das  Teile  des  tubotym- 
panalen  Raumes  umschließt,  tritt  in  feste  Verbindung  mit  dem  Prooticum,  Pleur- 
occipitale,  Basisphenoid,  Alisphenoid,  Squamosum,  Quadratojugale,  Pterygoid ;  das 
Quadratoj  ugale  formiert  mit  dem  Zygomaticum  den  unteren  Jochbogen, 
(Die  Krokodile  sind  also  wie  die  Rhynchocephalen  dizygocrotaph.)  Der  Stapes  ver- 
knöchert nach  Parker  von  zwei  Centren  aus,  von  denen  das  eine  im  Stiel,  das 
andere  in  der  Fußplatte  auftritt. 

Schildkröten. 

lieber  die  Entwickelung  des  Schildkrötenschädels  liegen  kurze 
auf  Chelone  viridis  bezügliche  Stadienschilderungen  von  W.  K.  Parker 
(1880)  vor,  aus  denen  ein  geschlossenes  Bild  nicht  zu  erhalten  ist. 
Dazu  kommen  ältere  Angaben,  die  Rathke  (1848)  über  das  Verhalten 
der  Schädelknochen  bei  reifen  Schildkrötenembryonen  macht.  Der 
Zustand  der  Knochen  entsprach  hier  jedoch  schon  fast  völlig  dem 
ausgebildeten.  Im  Nachfolgenden  sind  einige  Hauptpunkte  zusammen- 
gestellt; ich  ergänze  sie  durch  eigene  Beobachtungen. 

I.  P  r  i  m  0  r  d  i  a  1  c  r  a  n  i  u  m. 

Das  neurale  Primordialcranium  stimmt  in  den  meisten 
wesentlichen  Punkten  mit  dem  der  Lacertilier  überein.  Die  Mittel- 
hirnbeuge ist  bei  seiner  Anlage  sehr  stark  ausgesprochen,  so  daß 
chordaler  und  prächordaler  Abschnitt,  die  unabhängig  voneinander 
auftreten,  anfangs  in  fast  rechtem  Winkel  zu  einander  stehen,  und  ein 
hohes  knorpeliges  Dorsum  sellae  im  unteren  Teil  des  Mittelhirn- 
polsters als  vorderster  Abschnitt  der  Basalplatte  entsteht.  Es  liegt 
vor  der  Spitze  der  Chorda  dorsalis,  die  ihrerseits  in  der  Gegend  der 
Hypopl\ysis  cerebri  aufhört.  Der  Hauptteil  der  Basalplatte  wird  durch 
die  beiden  Parachordalia  gebildet;  eine  Eenestra  basicranialis  posterior 
ist  im  otischen  Gebiet  auf  jungen  Stadien  vorhanden.  Der  Con- 
dylus  occipitalis  entsteht  wie  bei  Lacertiliern  hauptsächlich  aus  dem 
hypochordalen  Kommissurenknorpel,  doch  erfolgt  auch  eine  epichor- 
dale  Vereinigung  beider  Parachordalia,  und  der  Proc.  odontoideus 
epistrophei,  der  sich  um  das  in  die  Schädelbasis  eintretende  Chorda- 
stück bildet,  wird  somit  allseitig  vom  Knorpel  der  Basalplatte  um- 
geben, er  bewegt  sich  in  einer  Grube,  die  von  hinten  her  in  den 
Condylus  eindringt.  Noch  am  ausgebildeten  Schädel  ist  diese  Grube 
vorhanden  (Gaupp  1900).  Hypoglossusforamina  finde  ich  bei 
einem  Embryo  von  Chelone  viridis  von  22  mm  Kopflänge  jederseits 
zwei:  durch  das  vordere  treten  2  ventrale  Wurzeln  aus,  so  daß  deren 
im  ganzen  jederseits  drei  vorhanden  sind.  Vorn  findet  sich  in  der 
Basalplatte  wie  bei  Lacertiliern  das  Foraraen  Abducentis.  Der 
Vagus  verläßt  die  Schädelhöhle  durch  das  For.  jugulare  (met- 
oticum),  während  der  Glossopharyngeus,  wie  für  das  erwachsene  Tier 
bekannt  ist  und  wie  ich  auch  an  dem  oben  erwähnten  Embryo  finde, 
durch  die  Ohrkapsel  hindurchtritt.  Der  Facialis  besitzt  vorn,  wie  bei 
allen  Sauropsiden,  seine  eigene  Oeffnung,  der  Trigeminus  dringt  mit 
allen  3  Aesten  durch  ein  gemeinsames  For.  prooticum  aus.  Die 
aufsteigenden  Teile  der  Occipitalregion  legen  sich  mit  ihren  oberen 
Enden  an  die  Ohrkapseln  an ;  eine  kontinuierliche  Verschmelzung 
bestand  bei  dem  oben  erwähnten  Embryo  aber  nicht,  und  das  Tectum 
synoticum  verbindet  nur  die  beiden  Ohrkapseln, 

50* 


788  E.  Gaupp, 

An  jeder  der  beiden  letzteren  sind  2  Foramina  acustica, 
ein  For.  endoly mphaticum,  ein  vor  diesem  befindliches  Gefäß- 
loch und  eine  Fenestra  vestibuli  vorhanden ,  dagegen  fehlt  ein 
For.  perilymphaticum.  Eine  in  die  Basalplatte  vordringende  Pars  coch- 
learis  des  ührkapselraumes  finde  ich  beim  Chelone-Embryo  nicht. 

Bei  mauchen  Schildkröten  treten  alle  3  Hyiioglossuswurzeln  durch  gesonderte 
Foramina  aus  (Trionychidae  zum  Teil,  Siebenrock).  Die  von  Baitr  (1895)  bei 
Platypeltis  beobachtete  und  als  Proatlas  bezeichnete  Abnormität  der  Hinterhaupts- 
gegend ist  wohl  dahin  zu  deuten,  daß  hier  der  hinterste  der  dem  Schädel  assimi- 
lierten Wirbel  abnormerweise  eine  gewisse  selbständige  Entwickelung  eingeschlagen 
hat.  —  Das  Verhalten  des  Glossopharyngeus  läßt  sich  ableiten  von  dem  Zu- 
stand bei  Lacerta  durch  beträchtliche  Einengung  des  Recessus  scalae  tympani.  Die 
innere  Oeffnung  des  Nervenloches  bei  Chelone  entspricht  der  Apertura  medialis,  die 
äußere  der  Apertura  lateralis  des  Recessus  bei  Lacerta.  Wie  sich  die  späteren  Ver- 
hältnisse des  Cavum  perilymphaticum  entwickeln,  ist  unbekannt.  Jedenfalls  ist  bei 
jener  Auffassung  selbstverständlich,  daß  ein  besonderes  For.  perilymphaticum  fehlen 
muß;  dasselbe  liegt  eben  im  Bereich  des  For.  Glossopharyngei. 

Die  Orbito-temporalregion  zeigt  auch  im  wesentlichen  mit 
Lacerta  übereinstimmende  Verhältnisse.  Die  Seitenwand  im  hinteren 
Abschnitt  ist,  wenigstens  embryonal,  vollständiger  als  bei  Lacerta ; 
Oculomotorius  und  Trochlearis  besitzen  ihre  eigenen  Foramina  in  ihr. 
Beim  Chelone-Embryo  von  7  mm  Kopflänge  besitzen  die  inneren 
Carotiden  besondere  Foramina  carotica  hinter  der  Fenestra  hypo- 
physeos,  auch  ein  besonderes  For.  ophthalmicum  (für  die  A. 
ophthalmica)  ist  jederseits  vorhanden. 

Im  vorderen  Teil  der  Orbito-temporalregion  bilden  sich  ein  hohes 
Septum  inte r orbitale  und  über  diesem  Plana  supraseptalia 
durch  Verknorpelung  der  Seitenwände  des  vorderen  Schädelhöhlen- 
abschnittes aus.  Die  meisten  Besonderheiten  zeigt  das  Skelett  der 
E  t  h  m  0  i  d  a  1  r  e  g i  0  n ,  und  bei  dem  bisherigen  Mangel  entwickelungs- 
geschichtlicher  Daten  sind  dieselben  im  Augenblick  auch  noch  nicht 
deutbar.  Zwischen  den  Nasensäcken  entsteht  in  der  Verlängerung 
des  Septum  interorbitale  das  Septum  nasi,  vorn  (bei  Chelone,  nach 
Parker)  als  kurzer  Pränasalknorpel  über  die  Nasenkapseln  hinaus 
vorspringend.  Die  Verknorpelung  der  Decke,  der  Seitenwände  und 
des  Bodens  schaffen  eine  vollständiger  geschlossene  Kapsel  als  bei 
den  Lacertiliern ;  abweichend  ist  vor  allem  die  Bildung  eines  aus- 
gedehnten, mit  dem  unteren  Septumrand  in  Verbindung  tretenden 
Bodens.  Die  Kapsel  erhält  sich  in  den  ausgewachsenen  Zustand  des 
Tieres  hinein  und  ist  bei  diesem  in  ihrer  Konfiguration  durch  Seydel 
für  Emys  und  Testudo  beschrieben  worden. 

Die  Fenestra  narina  blickt  ausgesprochener  nach  vorn  als  bei  den  Sauriern ; 
der  Nasenkapselboden,  der  ihren  ventralen  Umfang  bildet,  erstreckt  sich  sehr  weit 
nach  hinten,  in  kontinuierlicher  Verbindung  mit  dem  imteren  Septumrande.  Daher 
ist  die  Cartilago  jjaraseptalis  nur  sehr  kurz ,  und  die  Fenestra  basalis  besitzt  an 
dem  Kapselboden  eine  nur  geringe  Ausdehnung.  Dagegen  schneidet  sie  von  unten 
her  eine  Strecke  weit  in  das  sehr  hohe  Planum  antorbitale  ein.  In  dem  Boden 
findet  sich  dicht  neben  dem  Septum  ein  Foramen  (F.  praepalatinum,  Seydel),  die 
einfache  Mündung  eines  Kanales,  der  durch  2  Oeffnungen  ins  Innere  der  Nasen- 
kapsel führt.  Die  hier  bestehenden  besonderen  Einrichtungen  können  an  dieser 
Stelle  nicht  weiter  besprochen  werden,  sie  sind  in  ihrer  Bedeutung  noch  nicht  ganz 
verständlich.  Bei  Emys  und  Chrysemis  ist  wie  die  Cartilago  paraseptalis  so  auch 
das  Planum  antorbitale  und  damit  der  ganze  hinterste  Teil  der  Nasenkapsel  vom 
Septum  durch  eine  Spalte  getrennt  (wie  bei  Lacerta),  bei  Testudo  sind  die  genannten 
Gebilde  kontinuierlich  mit  dem  Septum  verbunden.  Die  Fenestra  olfactoria,  die 
Fissura  orbito-nasalis  und  die  Cartilago  spheno-ethmoidalis  verhalten  sich  ähnlich 
wie  bei  Lacerta.  Bei  Testudo  findet  sich  eine  leichte  „Muscheleinbiegung"  der 
lateralen  Wand  der  Knorpelkapsel,  da,  wo  dieser  außen  die  Glandula  nasalis  externa 
anliegt,  also  ähnlich  wie  Dei  Urodelen. 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  789 

Das  Palatoquadratiim  sendet,  wie  Parker's  Figuren  zeigen, 

im  Knorpelzustand  (iu  dem  es  mit  der  Olirkapsel  niclit  verbunden  ist) 

von    seinem  Körperabschnitt   nacli   vorn   bin    einen  Fortsatz    aus,   der 

das  Verhalten  eines  Proc.  pterygoideus  zeigt.    Parker  bezeichnet 

seinen  Anfangsteil   als  „pedicle''   (das  ist  die  englische  Bezeichnung 

für  den  Basalfortsatz  des  Amphibienquadratums);  mit  welchem  Rechte, 

bleibt   unerörtert.      Ein    Basalfortsatz    des    Palatoquadratums    kommt 

bei  Schildkröten  nicht  zur  Entwickelung.    Die  beiden  Meckel' sehen 

Knorpel  werden  vorn  durch  ein  ziemlich  selbständiges  Knorpelstück 

verbunden. 

Der  vordere  Teil  des  Pterygoidfortsatzes  gliedert  sich  später  los  und  ossifiziert 
als  Epipterygoid.  Parker  beschreibt  noch  einen  unter  der  Nasen  kapsei  gelegenen 
drehrunden  Knorpel  als  ethmopalatine  cartilage  und  homologisiert  ihn  dem  vordersten 
Ende  des  Palatoquadratums  der  Teleostier,  das  in  die  Verknöcherung  des  Palatinums 
einbezogen  wird,  —  auch  für  diese  Homologisierung  bleibt  Parker  den  Beweis 
schuldig.  Von  einem  selbständigen  knorpeligen  Anulus  tympanicus,  der  nach  Parker 
bei  Chelone  wie  bei  Batrachiern  vorhanden  sein  soll,  finde  ich  in  den  zwei  mir  zur 
Verfügung  stehenden  Serien  von  Chelone  nichts. 

Besonders  empfindlich  ist  der  Mangel  iu  der  Kenntnis  früher 
Entwickelungsstadien  für  das  Hy  obranchialsk  elett.  Parker 
schildert  dasselbe  erst  auf  einem  Stadium,  wo  der  Zungenbeinapparat 
wie  die  Columella  auris  verknorpelt  und  völlig  voneinander  getrennt 
sind.  Die  genetische  Zugehörigkeit  der  Columella  zum  Hyalbogen 
kann  daher  nur  aus  dem  Verhalten  bei  anderen  Reptilien  (Saurier, 
Sphenodon)  gefolgert  werden.  Die  Columella  der  Schildkröten  bleibt 
auch  beim  erwachsenen  Tier  einheitlich. 

Das  Zungenbein  nach  seiner  Verknorpelung  zeigt  im  wesent- 
lichen schon  die  Verhältnisse  des  erwachsenen  Tieres.  Der  durch  eine 
Knorpelplatte  repräsentierte  Körper  läuft  vorn  iu  einen  medianen 
Processus  lingualis  aus  und  bietet  außerdem  jederseits  3  Fortsatz- 
bildungen. An  der  vorderen  lateralen  Ecke  (Proc.  lateral,  anter.)  sitzt, 
abgegliedert,  ein  kurzer  Knorpel  an,  der  wohl  zweifellos  das  C  o  r  n  u 
p  r  i  n  c  i  p  a  1  e  s.  h  y  a  1  e  repräsentiert ;  hinter  ihm  folgt  an  der  Mitte 
des  Seitenrandes,  meist  an  einem  besonderen  Proc.  lat.  intermedius, 
das  lange  Cornu  branchiale  I,  und  die  hintere  laterale  Ecke  des 
Körpers  setzt  sich  in  ein  kürzeres  Cornu  branchiale  II  fort. 
Letzteres  wird  später  auch  abgegliedert  und  sitzt  dann  einem  Proc.  lat. 
posterior  des  Körpers  an. 

Die  gegebene,  in  den  Bezeichnungen  ausgedrückte,  Deutung  der  Teile  ist  die 
von  Gegenbaur  befürwortete  und  nach  dem  Vergleich  mit  dem  Zungenbein  der 
Lacertilier  die  einzig  mögliche.  Parker's  paradoxe  Vorstellung,  daß  das  Cornu 
hyale  ein  Hypohyale,  das  Cornu  branchiale  I  aber  ein  davon  abgegliedertes  und 
selbständig  am  Zungenbeinkörper  artikulierendes  Ceratohyale  sei,  findet  durch  nichts 
Begründung.  Welche  Bedeutung  dem  bei  Schildkröten  als  selbständiges  Kuorpel- 
stück  vorhandenen  sog.  Entoglossum  zukommt,  entzieht  sich  bisher  der  Beur- 
teilung; Parker  erwähnt  es  bei  Chelone  nicht.  Siebexrock  (1900)  beschreibt  bei 
manchen  Formen  noch  ein  knorpeliges  Epibranch  iale  am  Cornu  branchiale  I 
und  II;  zu  welcher  Zeit  sich  dies  abgliedert,  ist  unbekannt. 

IL  Knochen. 

Angaben  über  die  Entwickelung  der  Schädelknochen  der  Schild- 
kröten finden  sich  spärlich  bei  Rathke  und  Parker  ;  über  das  Ver- 
halten der  ausgebildeten  Elemente  macht  Siebenrock  (1897)  die  ein- 
gehendsten und  auf  zahlreiche  Formen  bezüglichen  Mitteilungea. 

Zahl  und  Topographie  der  Ersatzknochen  des  neuralen 
Craniums  entsprechen   in  den  wesentlichsten  Punkten  den  Verhält- 


790  E.  Gaupp, 

iiissen  bei  den  Sauriern.  Von  knöcliernen  Territorien  occupiert  werden 
die  Occipital-  und  Labyrintliregion,  sowie  die  basalen  Teile  der  Orbito- 
temporalregion  in  der  Umgebung  der  Fossa  hypophyseos.  Demnach 
bleiben  der  größte  Teil  des  Skelettes  der  Orbito-temporalregion  (Seiten- 
teile und  Septum  interorbitale) ,  sowie  die  ganze  Ethmoidalregion 
knorpelig;  über  die  Ausdehnung,  in  der  diese  Teile  in  den  erwachsenen 
Zustand  übernommen  werden,  fehlen  Angaben.  An  dem  mir  zur  Ver- 
fügung stehenden  Cheloneembryo  ist  sehr  in  die  Augen  fallend  die  starke 
chondrifugale  Entwickelung  der  perichondral  entstandenen  Knochen- 
lamellen, noch  bevor  der  Knorpel  des  Chondrocraniums  Alterationen 
zeigt.  Die  Ersatzknochen  sind:  Basioccipitale,  Pleuroccipi- 
talia,  Supraoccipitale,  Opisthotica,  Prootica,  Basis ph e- 
noid.  Das  Opisthoticum  bleibt  selbständig,  verschmilzt  nicht  mit 
dem  Pleuroccipitale.  D e c k k n  o c h e n  im  Gebiet  des  neuralen 
Craniums  sind  jederseits:  Parietale  (die  beiderseitigen  bleiben 
getrennt),  Frontale,  S  q  u  a  m  o  s  u  m  ,  P  o  s  t  f  r  o  n  t  a  1  e ,  P  r  a  e  f  r  o  n  - 
tale,  Nasale  (den  meisten  Schildkröten  fehlend,  und  nur  bei  den  Chely- 
didae,  mit  Ausnahme  von  Chelys  selbst,  vorhanden),  Praemaxill  are 
(meist  paarig,  bei  Trionychidae  und  Chelys  unpaar),  Maxillare, 
Zygomaticum,  Vom  er  (unpaar).  Ein  Parasphenoid  wurde 
bisher  nicht  beschrieben ;  Verdacht  erregend  bezüglich  der  Existenz 
von  Seitenteilen  eines  solchen  ist  die  Angabe  von  Siebenrock, 
daß  bei  Chelys  und  Chelodina  der  N.  Vidianus  wie  bei  den  Eidechsen 
„durch  das  Basisphenoid''  hindurchzieht,  das  Vorhandensein  eines  Ro- 
strum p.  kann  ich  für  Chelone  und  Testudo  vertreten. 

Das  Palatoquadratum  wird  von  2  knöchernen  Territorien 
occupiert:  aus  der  Ossification  des  Körperabschnittes  geht  das  Os 
quadratum  hervor,  das  sich  mit  den  benachbarten  Knochen  fest 
verbindet  (monimostyler  Typus)  während  der  vordere  Teil  des  Proc. 
pterygoideus  sich  abgliedert  und,  ossifizierend,  zu  dem  Epipterygoid 
wird  (Parker).  Am  vorderen  Rande  des  Palatoquadratumkörpers 
entsteht  als  Deckknochen  das  Quadratoj  u  gale  (wohl  dem  Para- 
quadratum  der  Amphibien  entsprechend).  Von  den  Knochen  des 
Pterygopalatinbogens  läßt  das  Pterygoid  noch  die  Natur  eines 
Deckknochens  am  Proc.  pterygoideus  Palatoquadrati  erkennen,  das 
Palatinum  scheint  keine  Beziehungen  zu  Knorpelteilen  zu  haben. 
Aus  dem  Gelenkstück  des  MECKEL'schen  Knorpels  geht  das  Arti- 
culare  hervor;  Deckknochen  am  MECKEL'schen  Knorpel  sind: 
Dentale,  P  r  a  e  o  p  e  r  c  u  1  a  r  e  (nur  bei  Chelydidae  vorhanden),  P  o  s  t  - 
oi)erculare,  Angulare,  Supraangulare,  Complementare 
(über  die  Nomenklatur  s.  Saurier). 

Das  Parietale  entwickelt  einen  meist  breiten  absteigenden  Fortsatz,  der  außen 
von  der  primordialen  Schädelseitenwand  und  in  einigem  Abstand  von  ihr  gewissermaßen 
eine  zweite  Beitenwand  bildet.  Es  stößt  unten  auf  das  Epipterygoid.  Zwischen  ihm  und 
der  primordialen  Seiten  wand  bleibt  ein  Raum,  in  dem  das  Trigetninusganglion  liegt  und 
in  den  auch  der  Abducens  hineintritt.  Der  Raum  gehört  also  nicht  dem  eigent- 
lichen, vom  neuralen  Chondrocranium  umschlossenen  Schädelcavum  an,  erscheint 
aber  am  trocknen  Sammlungsschädel  als  zum  Schädelraum  gehörig.  —  Die  Homo- 
logie des  Epipterygoids  der  Chelonier  mit  der  Columella  (dem  Antiptery- 
goid)  der  kionokranen  Saurier  ist  sehr  möglich,  aber  nicht  bewiesen.  Das  Epipterygoid 
ist  der  ossifizierte  Proc.  pterygoideus,  die  Columella  der  ossifizierte  Proc.  ascendens 
des  Palatoquadratums.  Trotz  dieser  Ungleichheit  der  primordialen  Grundlage  wäre 
es  denkbar,  daß  es  sich  um  die  gleiche  Ossifikation  handelt,  die  nur  in  beiden 
Fällen  verschiedenes  Verbreitungsgebiet  besitzt,  vielleicht  ausgehend  von  einem  bisher 
unbekannten  gemeinsamen  Urzustand,  oder  aber  durch  allmähliche  Reduktion  des 
Proc.  ascendens  erklärbar.     Letzteres  ist  mir  neuerdings  wahrscheinlich.  —  Die  Deck- 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  791 

knochen  der  Schläfengegend  können  verschiedene  Anordnungen  zeigen:  ein  ge- 
schlossenes Schläfendaeh  bildend  (stegocrotapher  Typus),  einen  Jochbogen  bildend  (zy- 
gocrotapher  Typus),  oder  die  tSchläfengrube  ganz  frei  lassend  (gymnocrotapher  Typ,). 

lieber  die  im  Z  u  n  g  e  n  b  e  i  n  a  p  p  a  r  a  t  auftretenden  Ossifikationen 
verdanken  wir  Siebenrock  (1899)  ausführliche  Angaben.  Danach 
ossifiziert  der  Körper  des  Zungenbeins  bei  fast  allen  Schildkröten  mit 
zunehmendem  Alter  ganz  oder  zum  größten  Teil,  bei  Testudo  bleibt 
er  zeitlebens  knorpelig.  Die  Ossifikation  erfolgt  meist  von  4  Knochen- 
centren aus,  die  an  den  Wurzeln  der  Proc.  lat.  posteriores  und  Proc.  lat. 
intermedii  auftreten.  Bei  Trionychidae  kommen  6,  ja  sogar  8  Knochen- 
territorien zur  Beobachtung.  Verschmelzung  der  verschiedenen  Stücke 
zu  einer  einheitlichen  Knochenplatte  erfolgt  bei  den  cryptodiren  Schild- 
kröten, wahrscheinlich  schließlich  auch  bei  den  Trionychidae.  Der  Proc. 
lingualis  bleibt  knorpelig.  Verknöcherung  des  Cornu  hyale  wurde  bisher 
nur  bei  Emys  orbicularis  beobachtet.  Dagegen  verknöchert  ganz  regel- 
mäßig das  Cornu  branchiale  I  bis  auf  eine  knorpelige  Epiphyse.  Die 
Ossifikation  geht  der  des  Körpers  voraus.  Auch  das  Cornu  branchiale  II 
ossifiziert  meist  und  bleibt  vielleicht  nur  bei  Testudo  zeitlebens 
knorpelig.  Ganz  eigentümlich  sind  die  Ossifikationsvorgänge  an  diesem 
Hörn  bei  den  Trionychidae,  indem  hier  Knochenkerne  in  wechselnder 
Zahl  auftreten,  die  nach  den  verschiedenen  Gattungen,  ja  sogar  nach 
einzelnen  Arten  variieren  kann.  Im  Entoglossum  treten  nur  bei 
einigen  Chelydidae  2  paarige  Knochencentren  auf. 

Schlangen. 

Ueber  die  Entwickelung  des  Schlangenschädels  liegen  die  Dar- 
stellungen von  Rathke  (1839)  und  von  Parker  (1878)  vor,  beide 
auf  Tropidonotus  natrix  bezüglich.  Infolge  der  Unvollkommenheit  der 
Untersuchungsmethoden,  deren  sich  beide  Forscher  bedienten,  bleiben 
noch  sehr  viele  Punkte  unbekannt.  Auf  einige  Besonderheiten  habe 
ich  selbst  aufmerksam  gemacht  (1902).  Für  die  Entwickelung  des 
Nasenskelettes  ist  auch  hier  eine  der  Arbeiten  von  Born  (1883)  maß- 
gebend. 

Von  der  Schädelentwickelung  bei  den  Lacertiliern  weicht  die  von 
Tropidonotus  in  mehreren  Punkten  ab.  In  der  Orbito-temporalregion 
kommt  Knorpel  fast  gar  nicht  zur  Ausbildung,  und  statt  dessen  über- 
nehmen das  Parietale  und  das  Frontale  auch  die  laterale  Umschließung 
des  Cavum  cranii.  Auch  in  der  Ethmoidalregion  läßt  sich  ein  Zurück- 
treten des  Knorpels  und  ein  Hervortreten  der  Deckknochen  konstatieren. 
In  welchen  Etappen  sich  phylogenetisch  die  Reduktion  des  Chondro- 
craniums  und  die  stärkere  Ausbildung  der  Deckknochen  vollzog,  ist 
bisher  nicht  bekannt.  Seiner  Gesamtkonfiguration  nach  ist  der  Schädel 
von  Tropidonotus  durch  beträchtlichere  Breite  ausgezeichnet.  Dies 
äußert  sich  schon  darin,  daß  die  beiden  Trabekel  in  der  Orbito-tem- 
poralregion nur  zu  gegenseitiger  Annäherung,  aber  nicht  zur  Ver- 
schmelzung kommen.  Trotzdem  ist  der  tropibasische  Typus  ganz 
deutlich  ausgeprägt ;  ein  Septum  interorbitale  fehlt  nicht,  wie  Parker 
meint,  sondern  ist  vorhanden,  wenn  es  auch  nicht  verknorpelt  und 
nicht  so  zu  hoher  Ausbildung  kommt  wie  bei  den  anderen  Sauropsiden. 
Die  Verbreiterung  der  Schädelbasis  und  die  starke  Entwickelung  der 
Deckknochen  zur  Schaffung  einer  festen  Schädelkapsel  können  aus  den 
Besonderheiten  in  der  Ausbildung  des  Kiefergaumenapparates  ver- 
standen werden. 


792 


E.  Gaupp, 


I.  Primordialer ani  um. 

Neuraler  Teil.  Auch  bei  dem  jüngsten  von  Rathke  unter- 
suchten Embryo  von  Tropidonotus  reichte  die  Chorda  dorsalis 
nach  vorn  nur  bis  zwischen  die  Gehörbläschen;  der  vorderste  Teil 
war  also  bereits  zu  Grunde  gegangen.  (Die  viel  bedeutendere  Aus- 
dehnung nach  vorn  hin  und  das  Vorhandensein  einer  Terminalknospe 
der  Chorda  auf  jüngeren  Stadien  beschreibt  Saint-Remy.)  Rathke's 
Schilderung  zufolge  lagert  sich  um  die  Scheide  des  Kopfteiles  der 
Chorda  ein  verdichtetes  Blastem  ab.  das  sich  auch  über  die  vordere 
Chordaspitze  hinweg  fortsetzt,  und  mit  dem  lateral  die  Anlagen  der 
Gehörkapseln  in  Verbindung  stehen,  w^ährend  rostralwärts  die  Anlagen 
der  Trabekel  sich  ihm  anschließen.  Aus  seiner  Verknorpelung  geht 
die  Basalplatte  hervor,  die  im  Gebiet  der  Chorda  selbst  anfangs 
aus  zwei  parachordalen  Hälften  besteht,  vor  der  Chorda  von  vorn- 
herein einheitlich  ist,  aber  hier  eine  durch  nicht  verknorpelndes  Ge- 
webe verschlossene  Lücke  (Fenestra  basier  an  ialis  posterior) 
enthält  (Fig.  391).  Vor  letzterer  bildet  der  mediane  Teil  der  Basal- 
platte eine  schmale  Crista 
sellaris,  wie  bei  Lacerta. 
Die  Basalplatte  schließt  vorn 
mit  einem  scharfen  Rande  ab, 
der  gegen  das  Mittelhirnpolster 
vorspringt.  Hinter  den  Ohr- 
kapseln w^achsen  aus  der  Basal- 
platte schon  früh  2  seitliche 
Fortsätze  heraus,  die  Occi- 
pitalpfeiler,  die  das  ver- 
längerte Mark  wie  Wirbelbogen 


Ca.  sc.  ant: 
Ca.  sc.  lat. 

Ca.  sc.  post. 


Caps.  nas. 


Fen.  Hypophys. 

For.  c.arot. 
Fen.  basicran. 
post. 


Chorda 
dors. 


Tectiim  synot. 


umfassen.  Hire  oberen  Enden 
gehen  in  das  Teetum  synoti- 
cum  über;  zwischen  dem  Pfei- 
ler und  der  Ohrkapsel  jeder 
Seite  bleibt  ein  F  o  r  a  m  e  n  j  u  - 

Fig.  391.  Chondrocranium  eines 
274  Zoll  langen  Embryo  von  Tro- 
pidonotus natrix.  Dorsalansicht,  ca. 
9mal  vergr.    Nach  W.  K.  Parker. 


gulare  bestehen,  das  den  Accessorio-Vagus  herausleitet  (der  Glosso- 
pharyngeus  tritt  weiter  vorn  durch  die  Ohrkapsel).  Wie  die  Verknor- 
pelung der  Ohrkapseln  erfolgt,  ist  im  einzelnen  nicht  bekannt. 

Eine  genauere  Darstellung  der  oben  kurz  zusammengestellten  Vorgänge  steht 
noch  aus.  Was  das  Mittelhirnpolster  beti'ifft,  so  hat  Rathke  speciell  auf 
Grund  des  Verhaltens  bei  der  Natter  die  Bezeichnung  mittlerer  Schädelbalken  dafür 
eingeführt,  im  übrigen  aber  auch  schon  angegeben,  daß  diese  Gewebsmasse,  deren 
Bildung  mit  der  Kopfkrümmung  zusammenhängt,  später  wieder  verschwindet  (s.  p.  580). 

Der  Kopfteil  der  Chorda  bleibt  bis  ans  Ende  der  3.  Periode  (d.  h.  bis  zum 
völligen  Verstreichen  der  Kopf-  und  Nackenbeuge),  selbst  nachdem  in  der  Basal- 
platte die  Verknöcherung  begonnen  hat,  kaum  verändert  erhalten. 

Chiarugi  (1889),  der  junge  Stadien  von  Tropidonotus  untersuchte,  ist  über  die 
Zahl  der  Myotonie,  die  im  metotischen  Kopfbereich  zur  Anlage  kommen,  nicht  ganz 
klar  geworden ;  in  etwas  vorgeschrittenen  Stadien  fand  er  3  Muskelplatten.  Spino- 
occipitale  Nerven  fanden  sich  auf  jungen  Stadien  4,  alle  repräsentiert  durch  ventrale 
Wurzeln.  (Die  vorderste  entspricht  nach  Chlarugi  möglicherweise  mehreren  Wurzeln.) 
Bei  einem  Tropidonotusembryo  von  8  mm  Kopflänge  kann  ich    diese  4  Wurzeln  be- 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes,  793 

stätigen ;  die  beiden  vordersten  sind  die  kräftigsten  und  dringen  auf  der  einen  Seite 
durch  ein  einheitliches  Foramen  der  Basalplatte  (wie  es  auch  Chiarugi  findet)  auf 
der  anderen  durch  2  selbständige,  allerdings  nur  durch  eine  sehr  dünne  Brücke  ge- 
getrennte Oeffnungen  heraus.  Die  dritte  und  vierte  Wurzel  sind  dünner  ;  ihre  Oeffnungen 
liegen  mehr  medial.  Das  weitere  Schicksal  der  Nerven  und  ihrer  Foramina  wurde 
bisher  nicht  verfolgt.  —  Durch  Verknorpelung  des  Deckengewebes  zwischen  beiden 
Ohrkapseln  entsteht  das  Tee  tum  synoticum,  in  das  die  oberen  Enden  beider 
Occipitalpfeiler  übergehen.  Das  Tectum  scheint  hier  zum  Teil  der  Occipitalregion 
zugerechnet  werden  zu  müssen.  —  Das  Cavum  cochleare  derOhrkap?.el 
dehnt  sich  unter  dem  Foramen  n.  facialis  eine  kurze  Strecke  nach  vorn  hin  aus; 
die  laterale  Wand  des  Cavum  cochleare  verknorpelt  st)ät.  Letzteres  gilt  auch  von 
der  dorsal-medialen  Wand  des  Cavum  semicirculare  posterius,  der  der  Saccus  endo- 
lymphaticus anliegt.  —  Von  Oeffnungen  der  Ohrkapel  finde  ich  auf  dem  erster- 
wähnten Stadium:  For.  endolymphaticum,  P"or.  acusticum  anterius,  For.  acu^ticum 
posterius,  Fenestra  vestibuli,  For.  Glossopharyngei  und  For.  perilymphaticum.  In 
betreff  der  beiden  letztgenannten  Foramina  verhält  sich  Tropidonotus  anders  als 
Lacerta.  Der  Glossopharyngeus  dringt  durch  eine  sehr  feine  Oeffnung  der  medialen 
Ohrkapselwand  in  den  Kapselraum  und  verläßt  denselben  wieder  durch  das  For. 
perilymphaticum,  das  eine  kleine  Oeffnung  am  Boden  der  Kapsel  darstellt.  Sie 
liegt  lateral  von  dem  For.  jugulare.  lieber  die  Bildung  des  Fen,  vestibuli  s. 
Columella  (Hyobranchialskelett  i. 

Die  Anlagen  der  Trab  ekel  umfassen  mit  ihren  hinteren  Enden 
die  Hypophysis  und  laufen  unter  dem  Gehirn,  in  ganzer  Länge  von- 
einander getrennt,  bis  an  das  vordere  Ende  des  Kopfes,  miteinander 
eine  lyraförmige  Figur  beschreibend.  Ihre  vorderen  Enden  konver- 
gieren vorn  bis  zur  Berührung  und  sind  außerdem  etwas  aufgebogen, 
so  daß  sie  vor  dem  Großhirn  liegen.  Beinahe  am  Ende  eines  jeden 
Balkens  geht  als  unmittelbare  Verlängerung  von  ihm  ein  kleiner  Fort- 
satz nach  außen  ab.  In  der  Folge  verwachsen  die  Balken  vorn  unter- 
einander und  bilden  so  ein  niedriges  Septum  zwischen  den  beiden 
Nasensäcken.  Die  der  Orbito-temporalregion  angehörigen  Abschnitte  der 
Balken  verwachsen  nicht,  sondern  werden  mit  der  Vergrößerung  der 
Augen  nur  mehr  zusammengeschoben,  so  daß  sie  vor  der  Fenestra 
hypophyseOö  fast  parallel  zu  einander  nach  vorn  ziehen  (Fig.  391). 
Gleichzeitig  nehmen  sie  sehr  beträchtlich  an  Länge,  wenig  aber  an 
Dicke  zu  und  verknorpeln.  Hinten  geht  von  der  Wurzel  jeder  Trabekel 
ein  kleiner  Fortsatz  nach  außen  und  hinten,  umgiebt  die  A.  carotis 
interna  von  außen  und  verschmilzt  mit  der  Basalplatte.  So  wird  die 
Carotis  bei  ihrem  Eintritt  in  das  Cavum  cranii  von  einem  besonderen 
Foramen  umschlossen,  lieber  den  nebeneinander  liegenden  Abschnitten 
der  Trabekel  in  der  vorderen  Orbito-temporalregion  bildet  sich  ein 
Septum  interorbitale,  das  an  seinem  dorsalen  Rande  in  2  Supraseptal- 
platten  auseinander  weicht,  ähnlich  wie  bei  Lacerta.  Bei  einem  Embryo 
von  8  mm  Kopflänge  finde  ich  das  Septum  aus  einem  verdichteten 
Schleimgewebe  bestehend,  auch  die  Supraseptalplatten  nur  durch  ver- 
dichtetes Bindegewebe  repräsentiert.  Daß  die  letztgenannten  Platten 
später  verknorpeln,  wird  von  Parker  angegeben;  das  Interorbital- 
septum  verknorpelt  dagegen  offenbar  nicht,  doch  ist  sein  späteres 
Schicksal  bisher  nicht  verfolgt  worden.  Im  hinteren  Abschnitt  der 
Orbito-temporalregion  zeigt  der  vorhin  erwähnte  Embryo  ebenfalls 
nur  Seitenwäude  des  Cavum  cranii,  die  aus  verdichtetem  Bindegewebe 
bestehen,  dagegen  keinen  Knorpel.  Auch  hier  erfolgt  nach  Parker 
aber  Verknorpelung  wenigstens  eines  kleinen  ventialen  Abschnittes. 
Zur  Deckenbildung  kommt  es  in  der  Orbito-tem|)oralregion  nicht. 

Durch  die  bindegewebige  Seitenwand  im  hinteren  Aijsehnitt  der  Orbito-tem- 
poralregion finde  ich  den  Oculomotorius  und  Trochlearis  hindurchtreten;  der  Tri- 
geminus  tritt  mit  allen  Aesten  unter  der  vorderen  Ohrkapselkuppel  heraus  (I  ncisura 
prootica),   der  Abducens   besitzt  sein   eigenes  Foramen  im  vorderen  lateralen  Ab- 


794  E.  Gaupp, 

schnitt  der  knorpeligen  Basalplatte.  Alle  die  genannten  Nerven  gelangen,  nachdem 
sie  durch  die  Schädelwände  hin  durchgetreten  sind,  in  einen  außen  von  der  Seiten- 
wand gelegenen  Raum,  der  von  embryonalem  Schleimgewebe  erfüllt  ist  und  sehr 
bald  durch  das  sich  entwickelnde  Parietale  einen  Abschluß  nach  außen  erhält.  Nach 
vollendeter  Ausbildung  des  knöchernen  Schädels  erscheint  er  als  Teil  des  definitiven 
Cavum   cranii   (s.  Parietale). 

Die  Nn.  optici  treten  ebenfalls  nur  durch  häutig  begrenzte  Oeffnungen  hinter 
dem  Septum  interorbitale  aus  dem  primordialen  Cavum  cranii  heraus. 

Die  Grundlage  des  Ethmoidalskelettes  bilden  anfangs  die 
vorderen  Abschnitte  der  Trabekel,  die,  wahrscheinlich  durch  die  sich 
vergrößernden  Nasensäcke,  zusammengeschoben  werden,  verschmelzen 
und  so  das  erste  Septum  uasi  abgeben.  Zwischen  den  vordersten 
Teilen  beider  Nasenhöhlen  weichen  sie  von  ihrem  verschmolzenen  Teil 
wieder  auseinander  als  zwei  von  diesem  ausgehende,  kurze  und  dünne, 
nach  oben  gerichtete  und  nach  außen  einfach  umgebogene  Hörner. 
Im  Anschluß  an  diese  Hörner  und  den  vordersten  verschmolzenen 
Teil  der  Trabekel  bildet  sich  dann  ein  Paar  zarter  Knorpeltafeln,  die 
sichelförmig  den  vorderen  und  dorsalen  Umfang  beider  Nasensäcke 
umgeben  (Fig.  391).  Dazu  kommen  dann  Verdichtungen  des  perirhi- 
nischen  Gewebes  in  bestimmten  Bezirken  des  lateralen  Umfanges, 
hauptsächlich  innerhalb  des  Muschelwulstes,  sowie  in  der  Umgebung 
des  jACOBSON'schen  Organes,  namentlich  an  dessen  unterer  Seite.  Durch 
die  Verknorpelung  aller  dieser  Partieen  wird  eine  Knorpelkapsel  ge- 
schaffen, die  zwar  in  den  Grundzügen  die  der  Lacertilier  wiederholt,, 
aber  doch  in  manchen  Besonderheiten  von  der  letzteren  abweicht,  vor 
allem  starke  Reduktionen  des  Knorpels  an  der  Seitenwand  und  Decke 
zeigt. 

Die  Konfiguration  des  Nasenskelettes  der  Schlangen  ist  von  Solger  (1876) 
und  von  Born  (1883)  geschildert  worden.  Im  Vergleich  mit  dem  der  Lacertilier  sind 
einige  Punkte  besonders  hervorzuheben.  Wie  sich  in  der  Orbito-temporalregion  von 
Tropidonotus  in  dem  Getrenntbleiben  der  Trabekel  ein  geringerer  Grad  seitlicher  Kom- 
pression des  Schädels  ausprägt  als  bei  Lacerta,  so  äußert  sich  die  gleiche  Erschei- 
nung in  der  Ethmoidalregion  darin,  daß  beide  Nasenhöhlen  zum  großen  Teile  selb- 
ständige Innenwände  besitzen,  die  durch  einen  Internasalraum  voneinander  getrennt 
bleiben.  Die  Zusammenschiebung  des  Skelettmateriales  zur  Bildung  eines  unpaaren 
Septums  erfolgt  nur  entsprechend  den  basalen  Partieen  der  Innenwände:  nur  diese 
sind  zu  einem  niedrigen,  nach  vorn  hin  noch  immer  mehr  an  Höhe  abnehmenden 
und  schließlich  eine  ganz  niedrige  Leiste  bildenden  Septum  verschmolzen.  Dieses 
Septum  (Basalstück,  Born),  in  das  hinten  die  Trabekel  übergehen,  liegt  zwischen 
den  hinteren  Teilen  der  Nasensäcke  ziemlich  hoch,  oberhalb  des  Niveaus  der  Jacob- 
soN'schen  Organe;  vor  den  letzteren  dagegen  gewinnt  es  basale  Lagerung  zwischen 
den  untersten  Teilen  beider  Nasensäcke. 

Die  Innenwand  einer  jeden  Nasenkapsel,  die  aus  dem  oberen  Eande  dieses 
Septums  hervorgeht,  ist  vorn  sehr  hoch,  hört  aber  dann  ziemlich  plötzlich  auf,  so 
daß  im  größeren  hinteren  Abschnitt  der  Nasenhöhle  oberhalb  des  Septums  eine 
knorj)elige  Innenwand  nicht  mehr  besteht.  Vorn  schließen  beide  Naseukapseln  mit 
selbständigen  Kuppeln  ab.  Vom  Kuppelknorpel  jeder  Seite  springt  nach  hinten 
unterhalb  der  Apertura  nasalis  externa  eine  kaudal  frei  endende  Gart,  alaris  inferior 
vor,  und  außerdem  geht  von  seinem  oberen  Rande  aus  die  knorpelige  Decke  nach 
hinten.  Diese  hängt  mit  dem  oberen  Rande  der  Innenwand  zusammen,  soweit  eine 
solche  vorhanden  ist;  im  größeren  hinteren  Abschnitt  der  Nasenhöhle  schließt  sie 
mit  medialem  freien  Rande  ab.  Es  besteht  hier  also  eine  große,  in  die  Innenwand 
und  die  Decke  einschneidende  Lücke,  die  die  Fenestra  dorsalis,  Fen.  olfactoria  und 
P'iss.  orbitonasalis  von  Lacerta  in  sich  vereinigt.  Lateralwärts  dehnt  sich  die  Decke 
im  vorderen  Gebiet  stark  abfallend  bis  zur  Ap.  nas.  ext.  aus,  in  dem  dahinter  fol- 
genden Abschnitt  biegt  sie  in  die  deutlicher  abgesetzte  Seitenwand  um,  im  hintersten 
Abschnitt  endlich,  wo  eine  eigentliche  Seitenwand  nicht  mehr  vorhanden  ist,  hört 
die  Decke  mit  lateralem  freien  Rande  auf  und  biegt  in  ein  niedriges  Planum  ant- 
orbitale  um.  Eine  Seitenwand  ist  nur  in  einem  beschränkten  Gebiet  der  Nasenhöhle 
vorhanden,  nämlich  in  dem,  das  die  Muschel  beherbergt.  In  den  Muschelwulst  hinein 
setzt  sich  die  Knorpelwaud  fort  und  bildet  im  vorderen  Teil  des  Wulstes  eine  einge- 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  795 

bogene  Laraelle,  die  sich  kaiidal  zur  Röhre  abschließt.  Das  hintere  Ende  dieser 
Eöhre  setzt  sich  in  einen  soliden  Knorpelfortsatz  fort,  der  hinter  dem  queren  Ab- 
schnitt des  Thränennasenganges  herabtritt,  um  den  ventral-lateralen  Umfang  desselben 
herum  nach  vorn  umbiegt  und  frei  endet.  Vor  der  Muschel  endlich  zieht  noch  eine 
schmale  beitenwandspange  von  der  Decke  aus  ventralvvärts,  um  hier  in  die  Capsula 
organi  vonieronasalis  iiberzugehen.  Diese  stellt  eine  flache,  dorsalwärts  offene  !;^chale 
dar  mit  einer  besonderen,  den  Wulst  des  jACOBSON'schen  Ürganes  stützenden  Er- 
hebung (Concha  org.  vm.).  Vorn  hängt  sie  durch  eine  kurze  paraseptal  gelagerte 
Knorpelspange  mit  dem  V(jrderen  Kuppelknorpel  zusanunen.  nach  hinten  hin  geht 
sie  in  einen  Fortsatz  über,  der  (der  Cart.  ectochoanalis  von  Lacerta  entsprechend) 
lateral  von  dem  Ausführungsgang  des  jACOBSON'schen  ürganes  und  von  dem  Rachen- 
ende des  Thränenganges  nach  hinten  zieht  und  dann  in  eine  flache  Schale  übergeht, 
die  noch  den  Anfang  des  Nasenrachenganges  zwischen  Vomer  und  Palatinum  stützt. 
In  diese  Schale  geht  noch  ein  zweiter  Knorpel  über,  der  etwas  lateral  von  dem  eben 
geschilderten  von  vorn  her  kommt  und  ebenfalls  am  lateralen  Umfang  des  Thränen- 
ganges gelagert  ist.  Vorn  endet  er  frei.  Auf  diese  Verhältnisse  und  die  Besonder- 
heiten, die  die  beiden  Knorpel  und  die  von  ihnen  gebildete  Schale  bei  verschiedenen 
Schlangen  darbieten,  hat  Born,  im  Anschluß  an  Solger,  aufmerksam  gemacht. 

Das  primordiale  Viseeralskelett  besteht  aus  dem  Kieferbogen 
und  dem  Hyalbogeii :  Branchialbogen    kommen  nicht   zur  Ausbildung. 

Der  dorsale  Teil  des  K  i  e  f  e  r  b  o  g  e  n  s ,  das  P  a  1  a  t  o  q  u  a  d  r  a  t  u  m  , 
ist  bei  Tropidonolus  sehr  einfach  gestaltet,  durchaus  fortsatzlos  und 
wandert  im  Laufe  der  Entwickelung  am  lateralen  Umfang  der  Ohr- 
kapsel, dem  er  anlie^zt,  von  vorn  nach  hinten,  mit  seinem  dorsalen 
Umfang  dem  Squamosum  angeschlossen.  Die  MECKEL'schen  Knorpel 
entwickeln  sich  in  proximal-distaler  Richtung  innerhalb  der  ersten 
Schlundbogen,  bis  sie  am  vorderen  Ende  derselben  aufeinander  treffen, 
ohne  jedoch  zu  verwachsen.     Dies  erfolgt  überhaupt  nicht. 

Innerhalb  des  embryonalen  Z  u  n  g e n  b  e i n  b  o  g e n  s  entsteht  nach 
Rathke  eine  Verdickung,  die  ebenfalls  in  proximal- distaler  Richtung 
sich  entwickelt.  Der  rechte  und  linke  Streifen  kommen  an  der  unteren 
Seite  des  Kopfes  sehr  bald  zu  gegenseitiger  Berührung,  verschmelzen 
untereinander  und  stellen  nun  einen  einfachen  Bogen  dar.  Etwas 
später  sondert  sich  eine  jede  Seitenhälfte  des  Bogens  in  einen  oberen 
kürzeren  und  einen  unteren  längeren  Abschnitt,  die  beide  weit  ausein- 
anderweichen. Aus  dem  oberen  Abschnitt  geht  die  C  o  1  u  m  e  1 1  a  a  u  r  i  s 
hervor;  ihr  oberes  verdicktes  Endes  senkt  sich  in  die  Wand  der  Ohr- 
kapsel ein  und  bildet  in  dieser  eine  Grube,  in  deren  Tiefe  die  Fenestra 
vestibuli  entsteht,  während  das  andere  Ende  sich  dem  Quadratum  an- 
legt, mit  diesem  kaudalwärts  wandert  und  durch  ein  Band  verbunden 
wird.  Der  größere  untere  Abschnitt,  der  mit  dem  der  anderen  Seite 
in  der  ventralen  Mittellinie  verschmilzt,  wird  zu  einer  Hälfte  des 
Zungenbeins,  das  somit  sehr  einfach  gestaltet  ist  und  nur  aus  den 

unteren  Abschnitten  beider  Hyalbogen  besteht. 

Genauer  verfolgt  sind  die  geschilderten  Vorgänge  noch  nicht,  so  fehlt  eine 
eingehendere  Darstellung  der  Art,  wie  die  Fenestra  vestibuli  entsteht.  Parker  giebt 
an,  daß  die  Fußplatte  der  Columella  (das  Operculum/  durch  Verknorpelung  des 
Verschlußgewebes  der  Fen.  vestibuli  (die  also  vorher  ausgespart  bleibt)  entsteht.  Er 
beschreibt  ferner  ein  von  der  Columellaanlage  abgegliedertes  Stylohyale,  hat  dagegen 
den  eigenthchen  unteren  Teil  des  Hyalbogens  übersehen.  Das  ,,Stylohyale"  ist  viel- 
leicht, wie  Gadow  meint,  die  Extracolumella.  Mit  letzterem  Namen  bezeichnet 
Gadow  auch  bei  erwachsenen  Schlangen  den  lateralen  knorpelig  bleibenden  Teil  der 
Columella,  im  Gegensatz  zu  dem  inneren  Teil,  der  verknöchert.  (Nach  einer  soeben 
erschienenen  Arbeit  von  Möller  ist  die  Columella  nicht  hyalen,  sondern  labyriulhären 
Ursprungs.  Leider  konnten  die  Untersuchungen  im  Einzelnen  nicht  mehr  ver- 
wertet werden.     Siehe  Litteraturverzeichnis.j 

Auch  im  3.  Visceralbogen  beobachtete  Rathke  vorübergehend 
einen  „sulzigen  Streifen"  dicht  hinter  der  Ohrkapsel.  Er  verschwindet 
bald  wieder. 


796  E.  Gaupp, 

IL  Knochen. 

Ausbildung  und  Anordnung  der  einzelnen  knöchernen  Elemente 
zeigen  bei  den  Schlangen  manche  Besonderheiten  gegenüber  den 
Sauriern.  Besonders  betrifft  das  die  Deckknochen,  während  die  Ersatz- 
knochen sich  sehr  ähnlich  denen  der  Saurier  verhalten. 

Von  E  r  satzkn  ochen  occupiert  werden  die  Occipitalregion. 
Labyrinthregion  und  die  Basis  des  hinteren  Teiles  der  Orbito-temporal- 
region,  während  die  vordere  Hälfte  der  letzteren  und  die  Ethmoidal- 
region  knorpelig  bleiben.  Basi  occi  pitale  und  Pleur  occipitalia 
ersetzen  die  Occipitalregion ;  die  letzteren  kommen  über  dem  Hinter- 
hauptsloch zur  Vereinigung  und  schließen  das  Supraocci pitale 
von  der  Begrenzung  desselben  aus.  Daß  das  letztgenannte  sich  mit 
zwei  selbständigen  Epiotica  verbinde,  behauptet  Parker,  bedarf 
aber  der  Nachuntersuchung.  Dagegen  sind  jederseits  ein  Opistho- 
ticum  und  ein  Prooticum  vorhanden;  das  Opisthoticum  verschmilzt 
mit  dem  Pleuroccipitale.  Das  Basi sphen  oid  entsteht  nach  Parker 
paarig,  jederseits  in  einer  Balkenwurzel;  die  Ossifikation  dehnt  sich 
medialwärts  in  die  Crista  sellaris  aus  (Verschmelzung  beider),  sowie 
nach  vorn  in  den  Balken  zur  Seite  der  Hypophysengrube  bis  in  die 
Gebend  unter  dem  For.  opticum.  Davor  bleiben  die  Trabekel  unver- 
knöchert.  Endlich  breitet  sich  die  Ossifikation  auch  auf  das  Verschluß- 
gewebe der  Fenestra  basicranialis  posterior  aus,  auf  das  sich  von  hinten 
her  das  Basioccipitale  fortsetzt  (Parker).  Das  Basisphenoid  verschmilzt 
mit  dem  Parasphenoid. 

Als  Deckknochen  im  Bereich  des  neuralen  Craniums  entstehen: 
Parietale  (anfangs  paarig,  später  unpaar),  Frontale,  Nasale, 
S  q  u  a  m  0  s  u  m,  P  o  s  t  f  r  o  n  t  a  1  e,  P  r  a  e  f  r  o  n  t  a  1  e,  S  e  p  t  o  m  a  x  i  11  a  r  e, 
Praem axillare  (von  vornherein  unpaar),  M axillare,  Para- 
sphenoid, V  o  m  e  r  (paarig). 

Das  Palatoquadratum  ossifiziert  als  Os  quadratum,  das 
bei  den  Ophidia  eurystomata  in  beweglicher  Verbindung  mit  dem 
Squamosum  bleibt.  P  t  e  r  y  g o  i  d  e  u  m  ,  P  a  1  a  t  i  n  u  m  ,  T  r  a  n  s  v  e  r  s  u  m 
entstehen  ohne  Beziehungen  zu  Knorpelteilen;  nur  das  hintere  Ende 
des  Pterygoids  legt  sich  an  das  Palatoquadratum  an.  Ein  Deckknochen 
an  der  lateralen  Oberfiäche  des  Palatoquadratums  kommt  nicht  zur 
Entwickelung.  Vom  MECKEL'schen  Knorpel  ossifiziert  der  Ge- 
lenkteil als  Articulare,  der  übrige  Teil  bleibt  zeitlebens  erhalten 
(Rathke);  Angulare,  Supraan  gulare,  Com  plem  e  n  tare, 
P  0  s  1 0  p  e  r  c  u  1  a  r  e ,  P  r  a  e  o  p  e  r  c  u  1  a  r  e ,  Dentale  bilden  Deckstücke 
an  dem  Knorpel.  Später  erfolgt  knöcherne  Vereinigung  mehrerer 
Stücke  untereinander.     Neuuntersuchung  ist  sehr  nötig. 

Im  Gebiet  des  Zun  gen  bei  n  bogen  s  und  seiner  Derivate  ver- 
knöchert der  innere  Abschnitt  der  Columella  als  Stapes.  Welche 
Bewandtnis  es  mit  dem  Stylohyale  hat,  das  nach  Parker  verknöchern 
soll,  bleibt  noch  festzustellen.  Das  nur  aus  den  unteren  Abschnitten 
beider  Hyalbogen  bestehende  Zungenbein  bleibt  knorpelig. 

Von  oinigen  der  genannten  Knochenstücke  sind  Besonderheiten  zu  erwähnen  wert. 

Das  Parietale  entsteht  jederseits  lateral  von  der  primordialen  Seitenwand  des 
Cavum  cranii,  in  einiger  Entfernung  von  derselben,  und  breitet  sich  erst  nachträglich 
an  seinem  oberen  Rande  medialwärts  umbiegend,  in  dieser  Richtung  weiter  aus,  um 
mit  dem  der  anderen  Seite  zusammenzufließen.  Zwischen  dem  zuerst  aufgetretenen 
Abschnitt  (dem  späteren  Proc.  descendens)  und  der  primordialen  Begrenzung  des 
Cavum  cranii  liegt  bei  Embryonen  (Tropidonotus  natrix,  8  mm  Kopflänge)  ein  von 
Schleimgewebe  erfüllter  Raum,  in  den   der  Oculomotorius,  Trochleai'is,   erste  Trige- 


Die   Entwickelung  des  Kopfskelettes.  797 

minusast  und  Abducens  hineintreten,  um  erst  vor  dem  Vorderrand  des  Parietale  in 
die  Orbita  zu  treten.  Offenbar  wird  (die-s  ist  noch  nicht  verfolgt)  der  erwähnte  Kaum, 
der  sich  embryonal  als  außerhalb  des  primordialen  Cavum  cranii  gelegen  erweist, 
später  zu  dem  definitiven  öchädelraum  hinzugezogen,  dadurch,  daß  sich  dieser 
(wahrscheinlich  unter  Eesorption  des  erwähnten  Öchleinigewebes)  bis  an  das  Parietale 
ausdehnt.  So  wird  es  verständlich,  daß  bei  der  erwachsenen  Schlange  der  Oculo- 
motorius,  Trochlearis,  erste  Trigeminusast  und  Abducens  innerhalb  des  Schädelraunies 
nach  vorn  verlaufen,  um  erst  durch  ein  zwischen  dem  Parietale  und  dem  Frontale 
gelegenes  Foramen  orbitale  mag  n  um,  das  auch  den  N.  opticus  herausführt, 
auszutreten.  Dies  Foramen  hat  also  mit  einem  For.  opticum  —  wie  es  früher  be- 
zeichnet wurde  —  nichts  zu  thun  (Gaupp  19U2). 

Auch  vom  Frontale  entsteht  zuerst,  nach  Rathke,  die  vertikale,  später  an 
der  seitlichen  Begrenzung  des  Cavum  cranii  beteiligte  Platte,  und  von  ihrem  oberen 
Rande  aus  schreitet  der  J<^nochenbildungsprozeß  medialwärts  umbiegend  an  der  Decke 
der  Schädelhöhle  fort.  Wie  sich  im  Gebiet  der  vorderen  Orbitu-temporalregion  das 
Schicksal  der  primordialen  Schädelseiten  wand  und  des  häutigen  Septum  interorbitale 
gestaltet,  ist  unbekannt.  Das  Squamosum  legt  sich  am  lateralen  Umfang  der 
Ohrkapsel  an  und  wächst  bei  den  Ophidia  eurystomata  sehr  weit  nach  hinten  hin 
aus.  Das  Quadratum  verbindet  sich  mit  ihm.  —  Das  Septom  axil  lare  entsteht 
an  gleicher  Stelle  wie  bei  den  Sauriern,  d.  h.  in  der  Nasenhöhle  als  Decke  des 
jACOBSON'schen  Organes.  Außer  ihm  gewinnen  noch  besonders  das  Praem axil- 
lare, Nasale  und  der  Vom  er  Anteil  an  der  Herstellung  eines  festen  Nasen- 
skelettes. Die  Nasalia  wachsen  in  den  Internasalraum  ein,  die  Vomeres  schieben 
sich  zur  medialen  Begrenzung  der  jACOBSON'schen  Organe  bis  an  den  unteren  Rand 
des  Septuras  in  die  Höhe  und  umfassen  diesen.  —  Das  Parasphenoid  entsteht 
nach  Parker  zwischen  den  Trabekeln  vor  der  Fenestra  hypophyseos,  wächst  rück- 
wärts, verschließt  die  genannte  Fenestra  ventral  und  verschmilzt  mit  dem  Basisphe- 
noid.  Im  wesentlichen  ebenso  lautet  schon  die  Schilderung  Rathke's,  der  den 
Knochen  als  vorderen  Keilbeinkörper  beschreibt  und  hinzufügt,  daß  ihm  noch  bei 
der  erwachsenen  Natter  die  beiden  Trabekel  als  dünne  Knorpelfäden  aufliegen.  Auf 
die  Notwendigkeit,  das  Schicksal  des  Septum  iuterorbitale  genauer  zu  verfolgen, 
wurde  schon  hingewiesen. 

Vögel. 

Ueber  die  Entwickelung  des  Schädels  der  Vögel  liegen,  abgesehen 
von  kurzen  Bemerkungen  Rathke's,  vor  allem  die  ausführlichen  Ar- 
beiten von  W.  K.  Parker  (1865,  187(3  u.  a.,  namentlich  1870), 
T.  J.  Parker  (1891)  und  Suschkin  (1899)  vor;  dazu  kommen  kürzere 
Angaben  anderer  Autoren,  sowie  solche,  die  nur  bestimmte  Teile  be- 
treffen (Born,  Froriep,  Gadow,  Tonkoff).  Im  Nachfolgenden  gebe 
ich  besonders  die  Resultate  der  eingehenden  Arbeit  von  Suschkin, 
die  den  Schädel  von  Tinnunculus  alaudarius  und  T.  cenchris  betrifft, 
allerdings  in  einer  nach  Auffassung  und  Form  (auch  in  den  Bezeich- 
nungen) vielfach  veränderten  Darstellung;  daneben  halte  ich  mich  an 
das  ToNKOFF'sche  Modell  des  Schädels  eines  65  mm  langen  Embryos 
von  Gallus  domesticus  (von  F,  Ziegler  in  Freiburg  kopiert)  und  an 
eigene  Serien  von  Gallus.  Vollständigkeit  ist  in  Bezug  auf  die 
speciellen  Verhältnisse,  besonders  der  Knochen,  nicht  erstrebt.  Ueber 
den  erwachsenen  Vogelscliädel  s.  besonders  Magnus,  sowie  Gadow 
und  Selenka. 

Suschkin  schildert  bei  Tinnunculus  alaudarius  18  Stadien,  die  leider  nicht 
genügend  nach  ihrem  allgemeinen  Verhalten  charakterisiert  werden.  Im  7.  Stadium 
erfolgt  das  Ausschlüpfen  aus  dem  Ei,  das  18.  Stadium  ist  nahe  der  Zeit  des  Aus- 
fluges aus  dem  Nest. 

I.  P  r  i  m  0  r  d  i  a  1  c  r  a  n  i  u  m. 
Neuraler  Teil  des  Priiiiordialcraniuins. 

Der  chordale  und  der  prächordale  Teil  des  Primordialcraniums 
entstehen   bei  Tinnunculus   alaudarius   selbständig,   ihre  Verwachsung 


798  E.  Gaupp, 

tritt  erst  später  ein.  Beide  Teile  bilden  auf  jungen  Stadien  infolge 
der  starken  Kopfbeuge  einen  Winkel  von  ca.  lOD"  miteinander;  dieser 
streckt  sich  im  Laufe  der  Entwickelung  bis  etwa  160°,  d.  h.  bis  zu 
dem  Betrag,   den  er  auch  beim  erwachsenen  Vogel  besitzt. 

Die  Basis  des  chordaleil  Schädelabschnittes  legt  sich  einheitlich 
an,  eine  Entstehung  aus  2  Hälften  ist  weder  auf  prochondralem 
Stadium,  noch  bei  der  Verknorpeiung  erkennbar.  Die  Chorda  ver- 
läuft innerhalb  der  einheitlichen  basalen  Anlage  bis  in  die  Nähe  des 
Vorderrandes  derselben,  dann  biegt  sie  sich,  entsprechend  der  zur  Zeit 
bestehenden  Kopfkrümmung,  ventralwärts,  durchbricht  jene  Anlage 
und  endet  hinter  der  Hypophysis  cerebri.  Der  vorderste  Teil  der 
Basalplattenanlage  liegt  also  vor  der  Chordakiiimmung  und  springt 
gegeu  das  Mittelhirnpolster  vor  (Dorsum  sellae);  eine  selbständige 
Bedeutung  kommt  diesem  Teil  nach  Suschkin  nicht  zu.  Mit  der 
Basalplattenanlage  kontinuierlich  im  Zusammenhange  steht  schon  sehr 
frühzeitig  jederseits  die  Anlage  der  Ohrkapsel. 

Chorda  dorsalis.  Ueber  die  frühesten  Zu.stäiide  des  vorderen  Endes  der 
Chorda  dorsahs  berichtet  öaint-Remy  (1896i.  Bei  Gallus  domesticus  und  Anas 
(boschas)  domesticus  hängt  in  der  Mitte  des  2.  Tages  das  vordere  Chordaende  noch 
mit  dem  Entoderm  am  vorderen  blinden  Ende  des  Koptdarmes  zusammen.  Die 
völlige  Trennung  vom  Entoderm  erfolgt  erst  mit  dem  Eintritt  der  Kopfkrümmung, 
zugleich  mit  der  Bildung  der  RATHKE'schen  Tasche,  der  ISEESSEL'schen  Tasche  und 
der  ijrimären  Rachenhaut.  Durch  die  Kopfbeuge  erfährt  auch  das  vordere  Chorda- 
ende eine  hakenförmige  Abknickung  ventralwärts;  die  vorderste  öpitze,  die  sich  vom 
Entoderm  losgelöst  hat,  kommt  dabei  in  Berührung  erst  mit  der  Basis  der  Rachen- 
haut, dann  mit  der  Hypophyseneinstülpung.  In  der  Folge  umgiebt  sich  der  Haupt- 
teil der  Chorda  (branche  ascendante,  Saint-Remy)  mit  einer  cuticularen  Scheide  und 
entwickelt  sich  durch  Umformung  seiner  Zellen  weiter,  der  abgebogene  Teil  dagegen 
(branche  descendante,  Saint-Remy)  geht  zu  Grunde,  indem  sich  die  ihn  zusammen- 
setzenden Zellen  voneinander  lösen  und  dem  Bindegewebe  der  Umgebung  beimischen 
(Hühnchen,  71  Stunden).  Die  Zerstörung  ergreift  weiterhin  auch  noch  die  Spitze 
des  Hauplstückes  der  Chorda,  wobei,  nach  Saint- Remy.  die  Bindegewebszellen  der 
Umgebung  die  Rolle  von  Phagocyten  spielen.  Durch  die  Weiterentwickelung  der 
Hypophyse  kommt  dann  die  nunmehrige  Chordaspitze  auch  wieder  in  Berührung 
mit  der  Hypophyse.  Der  Darstellung  von  Saint-Remy  zufolge  spielen  sich  die  Zer- 
störungsvorgänge am  vorderen  Chordaende  bei  Gallus  und  Anas  vor  der  Verknorpe- 
iung der  Basalplatte  ab.  Bei  Tinnunculus  zeigt  nach  Suschkin  die  Chorda  noch 
innerhalb  der  bereits  verknorpelten  Basalplatte  ein  ventralwärts  abgebogenes  vorderes 
Ende;  die  Chorda  wächst  auch  noch  eine  Zeitlang  pro[)orrional  der  Basis  des  chor- 
dalen  Schädelabschnittes,  verkümmert  aber  dann  von  vorn  her.  Beim  eben  ausge- 
schlüpften Vogel  ist  sie,  wenn  auch  schon  stark  verändert,  noch  vorhanden ;  bald 
darauf,  wenn  das  Basioccipitaie  und  das  Basisphenoid  verknöchern,  geht  sie  ganz  zu 
Grunde.  Bemerkenswert  ist  eine  Erweiterung,  die  sie  anfangs  im  hintersten  Gebiet 
der  Pars  occipitalis  der  Basalplatte  zeigt. 

Hinter  der  Ohrkapselanlage  beginnt  die  Reihe  der  Myotome,  von 
denen  4  der  0  cc i  p  i  t a  1  r  e  g i  o  n  angehören  (Fig.  32(i,  p.  598).  Auch  das 
Skelett  dieser  (iegend  zeigt  in  frühen  Stadien  eine  an  die  Verhältnisse  der 
Wirbelsäule  erinnernde  metamere  (jliederung.  Sie  prägt  sich  aus  in  der 
Anlage  von  3  mit  der  perichordalen  Basalplattenanlage  in  Verbindung 
stehenden  Occipitalbogen,  von  denen  der  hinterste,  auf  der  Grenze  des 
4.  und  5.  Myotoms  gelegene,  der  deutlichste  ist.  In  seinem  Gebiet 
findet  sich  auch  eine  Verbreiterung  der  Chorda  (den  intravertebralen 
Erweiterungen  der  Chorda  entsprechend),  und  an  ihm  selbst  kommt 
sogar  vorübergehend  eine  Andeutung  eines  hinteren  Gelenkfortsatzes 
zur  Ausbildung.  Zu  den  3  hinteren  occipitalen  Myotonien  gehen  ven- 
trale Nervenwurzeln,  von  denen  die  vorderste  wieder  verschwindet,  so 
daß  nur  2  als  Hypoglossuswurzeln  übrig  bleiben.  Die  vorderste 
(wieder  zu  Grunde  gehende)  Nerven wurzel  verläuft  vor  der  vordersten 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  799 

Occipitalbogenanlage ;  das  Gebiet  der  lateralen  Occipitalanlage  zwischen 
ihr  und  dem  Vagusaustritt  differenziert  sich  nicht  mehr  zu  einem 
deutlichen  Wirbelbogen,  doch  gehört  zu  ihm  noch  die  Anlage  einer 
Kranialri]>pe.  Solcher  Kranialrippenanlagen  giebt  es  nach  Suschkin 
im  ganzen  4,  die  eben  erwähnte  und  3  andere,  die  zu  den  3  Occipital- 
bogen  gehören.  Sie  gehen  bald  wieder  zu  Grunde.  Bei  der  Ver- 
knorpelung  zeigt  der  hinterste  Teil  der  Basalplatte,  der  die  schon  er- 
wähnte Chordaerweiterung  einschließt,  vorübergehend  eine  gewisse 
Selbständigkeit  und  dokumentiert  dadurch  noch  andeutungsweise  die 
Natur  eines  früheren  Wirbelkörpers;  auch  die  2  hinteren  Occipital- 
bogen  erhalten  selbständige  Knorpelcentra.  Bald  aber  geht  diese 
Selbständigkeit  verloren,  und  das  ganze  Occipitalskelett  wird  zu  einem 
einheitlichen  Abschnitt,  an  dem  nur  durch  die  2  Hypoglossuslöcher 
die  ursprüngliche  Metamerie  angedeutet  ist.  Der  vordere  Rand  des 
lateralen  Occipitalteiles  (des  Occipitalpfeilers)  steigt  hinter  der  Ohr- 
kapsel auf;  durch  die  Spalte  zwischen  ihm  und  der  Ohrkapsel  (Fis- 
sura  metotica)  treten  anfangs  der  Glossopharyngeus  und, 
getrennt  von  diesem,  der  Accessorio-Vagus  aus.  p]ine  Ver- 
schmelzung des  Occipitalpfeilers  mit  der  Ohrkapsel  über  dem  Vagus 
erfolgt  erst  spät,  ebenso  die  Bildung  eines  Daches  in  dem  hinteren 
Schädelabschnitt  (s.  Labyrinthregion).  Im  Anschluß  an  das  Occipital- 
skelett verknorpelt  endlich  eine  Platte  (Occipitalflügel,  Suschkin), 
die  nach  ihrer  Ausbildung  als  eine  Verbreiterung  der  Basalplatte  in 
der  Occipitalregion  erscheint,  und  deren  lateraler,  aufwärts  gekrümmter 
Rand  mit  der  Ohrkapsel  im  Gebiet  des  äußeren  Bogenganges  ver- 
schmilzt. Dabei  werden  der  Glossopharyngeus  und  der  Acces- 
sorio-Vagus in  gesonderte  Foramina  eingeschlossen,  und  zwischen 
der  Platte  und  dem  lateralen  Umfang  der  Ohrkapsel,  unter  dem  late- 
ralen und  vor  dem  hinteren  Bogengang,  kommt  ein  Raum  zu  stände, 
in  den  sich  später  Teile  des  Mittelohres  einlagern. 

Die  ganze  Occipitalregion  erfährt  bei  Tinnunculus  im  Laufe  der 
Entwickelung  eine  relative  Verkürzung  und  Einschiebung  in  den 
Schädel  (Suschkin),  und  im  Zusammenhang  damit  erleidet  das  Fa- 
ramen  occipitale  magnum  eine  Umlagerung  seiner  Ebene:  währendes 
ursprünglich  ventral  und  nach  hinten  blickt,  liegt  es  später  ganz  in 
horizontaler  Ebene,  blickt  also  ventralwärts.  Dies  wird  in  Zusammen- 
hang mit  der  Labyrinthregion  erörtert  werden.  Ueber  die  Stellung 
des   For.  occipitale   bei   erwachsenen  Vögeln   siehe   Selenka-Gadow. 

Daß  die  Occipitalregion  des  Vogelcraniums  embryonal  einen  metameren  Auf- 
bau zeigt,  ist  zuerst  von  Froriep  (1883j  für  das  Hühnchen  festgestellt  worden. 
Froriep  fand  bei  4-tägigen  Hühuerembryonen  die  4  Myotonie,  die  im  Bereich  der 
Occipitalregion  liegen  und  ventrale  Nervenwurzeln  für  die  beiden  hintersten  derselben. 
(Chiarugi  [1889]  konstatierte  bei  sehr  jungen  Hühnerembryonen  sogar  zu  den  3 
hintersten  Occipitalmyotomen  Nerven,  die  aus  dorsaler  und  ventraler  Wurzel  be- 
standen.) Auch  beim  Hühnchen  sind,  aber  nur  in  bindegewebigem  Zustande,  jeder- 
seits  3  Wirbelbogenanlagen  (zwischen  dem  2.  und  3.,  dem  3.  und  4.,  dem  4.  und  5. 
Myotom)  vorhanden,  doch  verlieren  diese  weiterhin  ihre  Form  gänzlich;  eine  Diffe- 
renzierung der  Wirbelbogen  in  perichordalen  Faserring  und  Bogenknorpel,  wie  sie 
an  den  Cervikalwirbeln  stattfindet,  unterbleibt  in  der  Occipitalregion,  und  das  ge- 
samte Bmdegewebe,  das  perichordale  sowohl  wie  das  den  Myotomen  anliegende  ver- 
dichtet sich  gleichmäßig  zu  einem  einheitlichen  bindegewebigen  Occipitalskelett.  Für 
eine  Scheidung  desselben  in  centralen  und  lateralen  Teil  bieten  nur  die  Austritts- 
öffnungen der  Nervenwurzeln  einen  Anhaltspunkt.  Die  2  vordersten  Myotome  ver- 
schwinden; nur  die  beiden  hinteren  mit  ihren  zugehörigen  ventralen  Wurzeln  (Hypo- 
glossuswurzeln)  bleiben  erhalten.  Mit  dem  6.  Tage  beginnt  in  der  Occipitalregion 
die  Knorpelbildung,  aber  nicht  von  einzelnen  Stellen  aus,  die  etwa  den  Bogen-  und 


800 


E.  Gaupp, 


Körperknorpeln  an  den  Rumi^f wirbeln  zu  vergleichen  wären,  sondern  das  ganze 
bindegewebige  Occipitalskelett  wandelt  sich  durch  einheitliche  histologische  Metamor- 
phose in  einen  Occipitalknorpel  um,  an  dem  der  Hypoglossusaustritt  die  einzigen 
bestimmten  Grenzmarken  abgiebt,  sowohl  der  Glieder  als  auch  für  die  Unterscheidung 
von  Mittel-  und  Bogenstücken.  Nur  darin  stimmt  das  Mittelstück  mit  den  Körper- 
knorpeln der  Wirbel  überein,  daß  es  zunächst  als  eine  dorsalwärts  offene  Rinne 
entsteht,  in  der  die  Chorda  liegt,  und  die  sich  erst  nachträglich  (Ende  des  6.  Tages) 
auch  dorsal  von  der  Chorda  schließt.  Gegen  die  Elemente  der  ersten  Halswirbel- 
anlage setzt  sich  das  Occipitalskelett  nach  der  Verknorpelung  scharf  ab.  Zu  den 
3  occipitalen  Wirbelbogen  gehören  Rippenanlagen,  die  aber  nicht  zur  Verknorpelung 
kommen.  — 

Der  obigen  Schilderung  zufolge  ist  bei  Tinnunculus  die  Metamerie  der  Occi- 
pitalregion  noch  deutlicher  als  bei  Gallus.  Wie  viel  Skelettmetameren  in  dem  Gebiet 
anzunehmen  sind,  das  zwischen  dem  vordersten  spino-occipitalen  Nerven  und  dem 
Vagus  sich  findet,  ist  durch  direkte  Beobachtung  nicht  zu  eruieren.  Als  sicher  darf 
aber  wohl  angenommen  werden,  daß  die  kaudale  Ausdehnung  des  Vogelschädels  die 
gleiche  ist  wie  die  des  Reptilienschädels ;  das  würde  also  heißen :  auch  die  Occi- 
pitalregion  der  Vögel  repräsentiert  ein  auximetameres  Neocraniuni  mit  3  sekundär 
assimilierten  spinalen  Skelettelemeuten,  die  3  den  embryonalen  Hypoglossus  zu- 
sammensetzenden Nerven  sind  occipi  to -spinale  {a,  b,  c). 


For.  olfact.  adv. 

Plan,  antorh 

Plan,  suprasept. 

Sept.  interorbit 

Carl.  Meckel. .      / 
/, 
Fen.  hypophys. 
(Parasphenoid) 


For.  N.    VI. 


Nasale 


Praefrontale 


■  Maxillare 


Chorda  do 


Zygomaticum 
'-Dentale 
-  -  Frontale 
-  Operc.   (Praeoperc.) 

Quadratojugale 
.  Supraangulare 
~  Cart.  Meckel. 
For.  proot. 

P.  cochlearis 
(Caps,    aud.) 
Squamosum 

For.  m    VII 

Parietale 
'  For.  endolymph. 


For.  N.  hypotjl. 

For.  jug. 


Ted.  synot. 


Caps.  aud. 


Fig.  392.  Schädel  eines  Huhnembryo  von  65  mm  Gesamtfadenlänge.  Linker- 
seits sind  die  Deckknochen  fortgelassen.  Nach  einem  bei  20facher  Vergr,  herge- 
stellten Plattenmodell  von  W.  Tonkoff  (kopiert  von  Fr.  ZiEGLER-Freiburg).  An- 
sicht von  oben  und  etwas  von  hnks.    Verhältnis  der  Abbildung  zum  Modell  =;  4:9. 


Auch  in  der  Labyrinthregion  ist  die  Anlage  der  Basalplatte 
eine  einheitliche;  das  betreffende  Gewebe  geht  hinten  kontinuierlich 
in  den  basalen  Teil  des  Occipitalabschnittes,  lateral  in  das  peri- 
otische  Gewebe  über.  Die  bei  der  Verknorpelung  sich  bemerkbar 
machende  Selbständigkeit  des  hintersten  Teiles  der  Occipitalregion 
(s.  diese)  geht  bald  vorüber.  Die  Bildung  des  „Occipitalflügels",  durch 
den  die   Fissura   metotica   eine   Strecke   weit   überwachsen   wird   und 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  801 

der  Glossopharyngeus  und  der  Vagus  in  selbständige  Foramina  ein- 
geschlossen werden,  wurde  schon  geschildert.  Der  über  die  Chorda- 
krümmuug  hinausragende  Teil  der  Basalplattenanlage  bildet  nach  der 
Verknorpelung  ein  Dorsum  sellae,  das  hinter  dem  Infundibulum 
aufsteigt.  Der  mittlere  Teil  desselben  wandelt  sich  im  Laufe  der 
Entwickelung  aus  Knorpel  wieder  zu  Bindegewebe  um,  das  schließlich 
verknöchert.  Auch  in  der  Umgebung  des  vorderen  Chordaendes  selbst 
geht  der  Knorpel  wieder  zu  Grunde:  so  entsteht  in  der  Basalplatte 
die  Fenestra  basicranialis  posterior  als  ein  späte  Bildung 
(Fig.  392).  Sie  zeigt  viel  Varianten  in  ihrer  Ausdehnung,  bleibt  aber 
im  allgemeinen  klein.  Vorn  vereinigt  sie  sich  mit  dem  Defekt  in  dem 
knorpeligen  Dorsum  sellae,  so  daß  die  ganze  vordere  Chordaspitze 
zu  bestimmten  Zeiten  wieder  nur  von  Bindegewebe  umgeben  wird. 
Der  vorderste  Teil  der  Basalplatte  wird  jederseits  vom  N.  abducens 
durchsetzt  (Fig.  392). 

Lateralwärts  gellt,  wie  bemerkt,  das  Gewebe  der  Basalplatten- 
anlage kontinuierlich  in  das  periotische  Gewebe  über,  und  auch  die 
Verknorpelung  schreitet  von  der  Basalplatte  aus  auf  das  letztgenannte 
Gewebe  vor,  so  daß  auf  jüngeren  Stadien  die  Ohrkapsel  eine  mit 
der  Basa'lplatte  zusammenhängende,  oben  offene  Schale  darstellt.  Die 
Pars  cochlearis  derselben  unterbricht  gewissermaßen  die  Basalplatte 
wie  eine  medialwärts  gegen  die  Chorda  vordringende  Piöhre  (Fig.  392). 
Vor  und  über  der  Pars  cochlearis  wird  der  N.  facialis  bei  seinem 
Austritt  aus  dem  Schädelraum  von  Knorpel  umschlossen ;  in  der  me- 
dialen Wand  der  Kapsel  selbst  bleibt  anfangs  eine  größere  gemein- 
same Oeffnung,  die  später  in  die  Foramina  für  den  Ductus  endo- 
lymphaticus und  mehrere  Foramina  acustica  für  Aeste  des 
Acusticus  zerlegt  wird.  Am  Boden  der  Ohrkapsel  bleibt  eine  Oeffnung, 
die  Fenestra  Cochleae,  ausgespart,  während  nach  Suschkin  bei 
Tinnunculus  die  Fenestra  vestibuli  erst  spät  auftreten  soll,  da- 
durch daß  aus  der  bereits  verknorpelten  Kapsel  der  Bezirk,  an  den 
sich  die  Columella  auris  anlegt,  wieder  gewissermaßen  herausgeschnitten 
wird.  Diese  Angabe  ist  allerdings  sehr  der  Nachprüfung  bedürftig 
(s.  Hyalbogen).  Im  Innern  der  Kapsel  bilden  sich  Kuorpelmassen, 
durch  die  die  3  Cava  semicircularia  streckenweise  von  dem  Haupt- 
raum der  Kapsel  abgetrennt  werden.  —  Dicht  vor  der  Ohrkapsel  ver- 
lassen der  2.  und  3.  Trigeminusast  den  Schädelraum  (Incisura 
prootica,  später  zum  Foramen  prooticum  geschlossen). 

Das  ToNKOFF'sche  Modell  zeigt  medial  vom  Squamosum  am  vorderen  Umfang 
der  Ohrkapsel  ein  selbständiges  Knorpelstück,  das  die  Artikulation  mit  dem  proxi- 
malen Ende  des  Quadratums  vermittelt.  Soweit  ich  aus  den  wenigen  mir  zur  Ver- 
fügung stehenden  jüngeren  Stadien  von  Gallus  erkennen  kann,  hangt  dasselbe  an- 
fangs mit  der  Ohrkapsel  zusammen.     Sein  späteres  Schicksal  bleibt  zu  verfolgen. 

Die  dorsalen  Ränder  der  hinteren  Hälften  beider  Ohrkapseln 
werden  endlich  durch  ein  Tectum  synoticum  an  der  Decke  des 
Schädelcavums  untereinander  verbunden.  Es  entsteht,  wie  Suschkin 
für  Tinnunculus  betont,  durch  lokale  Verknorpelung  des  Decken- 
gewebes zwischen  beiden  Ohrkapseln.  Bei  Tinnunculus  verbindet  es 
sich  seitlich  bald  mit  den  oberen  Enden  der  Occipitalpfeiler  (daher 
Supraoccipital  platte,  Suschkin),  bei  Gallus  erfolgt  zuerst  jeden- 
falls die  Verbindung  mit  den  Ohrkapseln,  und  zwar  vermittelst  einer 
vorderen  und  einer  hinteren  Brücke,  die  beide  voneinander  durch  eine 
Spalte  getrennt  werden.     Die  Ebene  des  Tectum  synoticum  steht  bei 

Handbuch  der  Ent\vickelun2;>lehre.  UI.  2.  ;^  1 


802  E.  Gaupp, 

den  Vögeln  nicht  horizontal,  sondern  entsprechend  der  Lage  des  For. 
occipitale  niagnuni  aufgerichtet  oder  überkippig  (s.  u.). 

Die  Besonderheiten  in  der  Konfiguration  der  Ohrkapsel  bei  den  Vögehi  sind 
wesentlich  durch  drei  Momente  bedingt.  Das  erste  ist  die  starke  Entwickelung  der 
Pars  cochiearis  (Fig.  3S)2):  diese  stellt  eine  röhrenförmige  Verlängerung  der 
Kapsel  vor,  die  basal-  und  niedialwärts  gegen  die  Chorda  hin  gerichtet  ist,  dieser 
mit  ihrem  blinden  Ende  ganz  nahe  kommt  und  durchaus  als  ein  Abschnitt  der 
Basalplatte  erscheint,  der  durch  das  Einwachsen  des  Ductus  cochiearis  des  häutigen 
Labyrinthes  gehöhlt  wurde  und  so  sekundär  zur  Ohrkapsel  hinzukain.  Das  zweite 
Moment  ist  die  starke  Entwickelung  des  Abschnittes,  der  den  vorderen  häutigen 
Bogengang  beherbergt.  Da  der  letztere  bei  den  Vögeln  sehr  beträchtliche  Längen- 
dimensionen erreicht,  so  muß  auch  der  ihn  enthaltende  Skelettabschnitt  eine  ent- 
sprechende Entwickelung  erfahren  und  einen  großen,  dorsal-kaudalwärts  gerichteten 
Bogen  beschreiben.  Das  Cavura  seniicirculare  anterius  wird  dabei  in  größerer  Aus- 
dehnung von  dem  Hauptraum  der  Kapsel  abgetrennt,  und  die  Knorpelpartie,  die 
diese  Abtrennung  bewirkt  (dem  Sei^tum  semicirculare  anterius  der  Saurier  ent- 
sprechend), wird  in  dem  Maße,  als  sich  der  weit  geschwungene  Canalis  anterior  von 
dem  übrigen  Teil  des  häutigen  Labyrinthes  entfernt,  auf  eine  dünne  Platte  reduziert, 
die  in  der  Konkavität  des  Bogenganges  liegt  und  den  Grund  der  vom  Cavum  cranii 
aus  unter  den  Bogengang  vordringenden  Eossa  subarcuata  bildet.  Endlich 
zeigt  ein  Vergleich  der  Ohrkapsel  bei  den  Vögeln  mit  der  bei  den  Sauriern  eine 
bemerkenswerte  Umlagerung  aller  Teile,  als  ob  eine  Drehung  um  den  mit  der  Basal- 
platte zusammenhängenden  Teil  der  Kapsel  als  festen  Punkt  stattgefunden  hätte, 
bei  der  die  ursprünglich  dorsalen  Partieen  nach  hinten,  die  früher  hinteren  Partieen 
aber  ventralwärts  und  nach  vorn  geschoben  w-urden.  Dies  prägt  sich  vor  allem  in 
der  Lage  der  verschiedenen  Eoramiua  zu  einander  aus  (Fig.  392).  Das  P'oramen  des 
N.  facialis  liegt  oberhalb  der  durch  die  Pars  cochiearis  gebildeten  vorderen  Ohr- 
kapseikujjpel  (also  dorsahvärts  verlagert i,  das  F'oramen  des  E.  anterior  n.  acustici 
hinter  dem  Eoramen  n.  facialis;  die  3  Foramina  für  den  E..  posterior  des  Acusticus 
aber  finden  sich  ventral  von  jenen  beiden,  und  zwar  so,  daß  die  Oelfnungen  für  den 
R.  ampullae  posterioris  und  den  R.  sacculi  unter  dem  Foramen  acusticum  anterius, 
das  Foramen  für  den  R.  cochiearis  aber  unter  dem  Foramen  n.  facialis  liegt.  Das 
For.  endolymphaticum  endlich  liegt  nicht  am  weitesten  dorsal,  sondern  am  weitesten 
kaudal,  hinter  dem  Foramen  n.  amp.  post.  So  liegen  die  Verhältnisse  beim  Hühnchen 
(ein  Foramen  für  den  R.  anterior,  3  Foramina  für  den  R.  posterior  des  Acusticus); 
bei  Tinnunculus  beschreibt  Suschkik  sogar  4  Oelfnungen  für  die  Zweige  des  R. 
posterior,  ohne  sie  aber  im  einzelnen  näher  zu  bestimmen. 

Als  causa  movens  für  die  erwähnte  Umlagerung  der  einzelnen  Oeffnungen  muß 
die  Oröße  des  Gehirns  in  Zusammenhang  mit  der  Größe  der  Augen  verantwortlich 
gemacht  werden.  Die  letztere  behindert  die  Au^ Weitung  der  Schädelhöhle  nach  vorn 
hin  (Septum  interorbitale!)  und  zwingt  das  Gehirn,  sich  nach  den  Seiten  und  nach 
hinten  auszudehnen.  Als  Folge  ergiebt  sich  die  Niederlegung  der  Ohrkapseln  nach 
der  Schädelbasis  hin,  ein  Vorgang,  der  unter  der  Form  einer  Drehung  erscheint,  da 
vorn  die  Ohrkapsel  kontinuierlich  in  die  Basalplatte  übergeht,  somit  fixiert  ist. 
Katürlich  handelt  es  sich  nicht  um  eine  einfache  Drehung,  sondern  gleichzeitig  um 
eine  Umformung  der  Kapsel.  Wieviel  von  diesen  hypothetischen  Prozessen  noch 
ontogenetisch  nachweisbar  ist,  wurde  im  einzelnen  noch  nicht  verfolgt,  doch  läßt  sich 
aus  SüSCHKiN's  Angaben  einiges  hierher  Gehörige  entnehmen.  Danach  ist  infolge 
der  sehr  starken  Kopfbeuge  der  Winkel  zwischen  dem  chordalen  und  dem  prächor- 
dalen  Schädelteil  embryonal  etwa  HO",  im  Laufe  der  Entwickelung  findet  aber  eine 
Streckung  der  Schädelachse  durch  Hebung  des  hinteren  Teiles  statt  bis  auf  ca.  160". 
Andererseits  aber  giebt  Suschkin  an,  daß  die  Ebene  des  Foramen  occipitale  magnum 
in  frühen  Stadien  kaudal-ventralwärts,  später  aber  immer  mehr  ventralwärts  blickt, 
so  daß  sie  beim  erwachsenen  Tinnunculus  ganz  horizontal  liegt.  Diese  Umwandlung 
ist  also  der  Streckung  der  Schädelachse  gerade  entgegengesetzt;  ihre  Ursache  dürfte 
vor  allem  in  der  oben  erwähnten  Ausdehnungsrichtiing  des  Gehirnes  liegen,  und  im 
übrigen  steht  sie  in  vollem  Einklang  mit  der  geschilderten  Umformung  der  Ohr- 
kapsel. Als  Folge  erscheinen  dann  auch  die  Lage  des  Tectum  synoticum  und  der 
Vorgang,  den  Suschkin  als  Einschiebung  der  Occipitalregion  in  die  Schädelbasis 
bezeichnet  und  der  sich  unter  anderem  dadurch  dokumentiert,  daß  die  Hypoglossus- 
foramina  scheinbar  nach  vorn  wandern.  In  der  Hauptsache  handelt  es  sich  doch 
wohl  darum,  daß  die  Occipitalregion  im  Wachstum  zurückbleibt,  sich  also,  wie  auch 
Suschkin  betont,  scheinbar  verkürzt,  zugleich  aber  von  der  nach  hinten  sich  aus- 
dehnenden und  niederlegenden  Ohrkapsel  überwachsen  und  auch  basalwärts  nieder- 
gedrückt wird.  —  Wieweit  bei  den  geschilderten  Umwandlungen  auch  die  aufrechte 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes. 


803 


Körperhaltung  der  Vögel   als  selbständig  gestaltender  Faktor  in   Betracht   kommt, 
läßt  sich  zur  Zeit  noch  nicht  sagen. 

Im  Gebiet  des  prächordalen  Schädelabschnittes  findet  Suschkin 
bei  Tiununculus  als  selbständige  Skelettanlagen  die  beiden  Trab  ekel, 
und  die  unpaare  Intertrabecula,  aus  der  die  medianen  Teile  der 
Orbito-temporal-  und  Ethmoidalregion  hervorgehen.  Die  übrigen  Skelett- 
abschnitte  beider  Regionen  entstehen  im  Anschluß  an  die  genannten. 

In  der  Orbito-temporalregion  legen  sich  als  erste  Skelett- 
elemente (aber  etwas  später  als  die  Basalplatte)  die  Trab  ekel  an, 
die  anfangs  durchaus  selbständig  sind  und  mit  der  Achse  der  chor- 
dalen  Schädelbasis  einen  Winkel  von  etwa  110°  bilden.  Ihr  kaudales 
Ende  ist  also  zugleich  dorsalwärts,  und  zwar  gegen  die  Ventralfläche 


Frontale 


Plan.  suj)rasej)tale 

Proc.  tectalis 

Sept.   interorbitale 


Plan, 
sphenolaterale  "- 

Squamosum^  r- 


Pari-_ 
etalc 


Praefronlale 

,.     Plan,   antorbitale 

Nasale 

Vomer 


Capsula' 
audit. 


Dentale 


Maxillare 


Columella  aur. 


:         :  :         :  :  Parasphenoid  \     Zygoinaticnm 

Quadrat.  \    Angul.   '■  Quadratojugale     Palatinum 
Stipraangnlare     Pterygoid 
Fig.  393.    Dasselbe  Modell  wie  Fig.  392 ;  Ansicht  von  der  rechten  Seite. 


der  Basalplatte,  gerichtet.  Mit  ihren  hinteren  Enden  umfassen  sie  die 
Hypophysis  (Fenestra  hypophy seos),  mit  ihren  rostralen,  bis  zu 
den  Nasensäcken  reichenden  Enden  divergieren  sie  anfangs,  legen  sich 
aber  später  vor  der  Hypophysis  aneinander,  verschmelzen  und  bilden 
so  den  unteren  Rand  des  Septum  interorbitale,  das  in  der 
Hauptsache  als  von  den  Trabekeln  unabhängige  Gewebsverdichtung 
auftritt.  Damit  ist  die  Konfiguration  der  ganzen  Orbito-temporalregion 
bestimmt.  Dieselbe  läßt  auch  bei  den  Vögeln  zwei  Abschnitte,  einen 
hinteren  und  einen  vorderen,  unterscheiden:  der  hintere  hat  zur  Basis 
die  Gegend  der  Fenestra  hypophyseos  und  erweitert  sich  über  der- 
selben sehr  beträchtlich  nach  den  Seiten  hin,  so  daß  hier  das  Cavum 
cranii  seinen  größten  transversalen  Durchmesser  gewinnt;  im  vorderen 
dagegen  bildet  sich  das  sehr  hohe  Septum  interorbitale  aus,  die 
großen  Augen  rücken  nahe  an  die  Medianebene  heran,  die  vordersten 

51=== 


804  E.  Gaupp, 

Teile  des  Gehirnes  werden  dadurch  dorsalwärts  verdrängt,  die  Basis 
des  Cavum  cerebrale  cranii  steigt  längs  des  Hinterrandes  des  Septum 
interorbitale  auf  die  obere  Kante  desselben  in  die  Höhe  und  entfernt 
sich  so  von  der  eigentlichen  Schädelbasis.  Die  Vögel  zeigen  somit 
den  tropibasischen  Schädeltypus  in  höchster  Ausbildung. 

Im  hinteren  Abschnitt  der  Orbito-temporalregion  liegen  basal 
die  kaudalen  Teile  der  Trabekel,  Vom  hinteren  Ende  einer  jeden 
entwickelt  sich  ein  Fortsatz  (Proc.  basitrabecularis,  Suschkin), 
der  sich  ventral-  und  etwas  kaudalwärts  unter  die  parachordale 
Schädelbasis  vorschiebt.  Von  dieser  selbst  wird  er  durch  die  A.  carotis 
interna  getrennt,  die  über  ihm  medialwärts  tritt,  um  dann  durch  die 
Fenestra  hypophyseos  in  das  Cavum  cerebrale  cranii  aufzusteigen. 
Dadurch,  daß  sowohl  das  kaudale  Ende  der  Trabekel  wie  auch  das 
kaudale  Ende  des  Proc.  basitrabecularis  an  die  Ventralfläche  der 
Basalplatte  anwachsen,  kommt  ein  die  genannte  Arterie  umschließendes 
Foramen  zu  stände.  Die  dreieckige  Fenestra  hypophyseos,  die  durch 
das  Anwachsen  der  Trabekel  an  die  Basalplatte  zu  stände  kommt, 
bleibt  als  Lücke  der  Schädelbasis  bestehen  und  wird  erst  später  durch 
das  Parasphenoid  geschlossen. 

Von  der  Mitte  der  Länge  des  Basitrabecularfortsatzes  entwickelt 
sich  nach  außen  ein  kleines  Höckerchen,  als  Anlage  eines  Processus 
basipterygoideus. 

Die  bei  den  Sauriern  so  gut  entwickelten  Processus  basipterygoidei 
zeigen  sich  bei  den  Vögeln  im  allgemeinen  in  Rückbildung.  Sehr  schön  entwickelt 
sind  sie  z.  B.  bei  Struthio.  Genaue  Angaben  über  ihre  Ausbildung  und  ihren  Abgang 
von  der  Schädelbasis  macht  Gadow.  Derselbe  bemerkt  auch,  daß  sie  häufig  onto- 
genetisch  in  Rückbildung  begriffen  sind:  bei  Embryonen  und  selbst  bei  älteren 
Jungen  deutlicher  entwickelt,  später  verschwunden  oder  nur  noch  angedeutet.  Mit 
dem  Pterygoid  artikulieren  sie  an  verschiedenen  Stellen  desselben.  Häufig  fehlen 
sie  ganz.  —  Die  Bedeutung  des  Proc.  basitrabecularis  und  der  über  ihm  befindlichen 
Spalte  für  die  A.  carotis  interna  bleibt  einstweilen  unklar. 

Als  seitliche  Begrenzung  des  Cavum  cranii  im  hinteren  Abschnitt 
der  Orbito-temporalregion  differenziert  sich  eine  dünne  Schicht  dich- 
teren Bindegewebes,  die  ventral  mit  der  Trabekel  zusammenhängt 
und  vorn  in  den  hinteren  Rand  des  Septum  interorbitale  übergeht. 
Diese  häutige  Schädelseitenwand  steigt  schräg  nach  der  Seite  auf  und 
umzieht,  weit  lateralwärts  ausbiegend,  das  Gehirn.  Zur  Verknorpelung 
kommt  sie  nur  teilweise.  Zunächst  gilt  das  von  dem  unmittelbar  über 
der  Trabekel  gelegenen  Teil.  Derselbe  verknorpelt  in  der  Ausdehnung 
von  der  Basalplatte  bis  zum  Hinterrand  des  Septum  interorbitale, 
umschließt  dabei  den  N.  oculomotorius  (hinten)  und  die  A.  ophthal- 
mica  (vorn),  ist  aber  nicht  sehr  hoch  und  bildet  somit  nur  die  Wand 
der  tiefen  Nische,  in  der  die  Hypophyse  liegt. 

Die  selbständige  Verknorpelung  dieser  Wandpartie  veranlaßte  Suschkik,  die 
letztere  als  ein  besonderes  Element,  Supratraoecula,  zu  bezeichnen.  Beim 
Hühnchen  wird  nur  die  A.  ophthalmica  völlig  von  Knorpel  umschlossen,  während 
die  Wandpartie,  durch  die  der  N.  oculomotorius  hindurchtritt,  unverknorpelt 
bleibt.  Vorn  erreicht  beim  Hühnchen  die  verknorpelte  Partie  das  Septum  inter- 
orbitale nicht. 

Der  zweite  Bezirk  der  Schädelseitenwand  im  hinteren  Teil  der 
Orbito-temporalregion,  der  zur  Verknorpelung  kommt,  ist  der  hintere, 
an  die  Ohrkapsel  sich  anschließende.  Zuerst  verknorpelt  im  Anschluß 
an  die  vordere  laterale  Partie  der  Basalplatte  die  Wandpartie,  die  den 
vorderen  Teil  der  Hemisphäre  von  der  Seite  und  von  vorn  umgiebt. 
Die  Ebene  der  durch  die  Verknorpelung  gebildeten  Platte,  die  ich 
als    Sphenolateralplatte   bezeichne   (Alisphenoidplatte,   Parker, 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  805 

Suschkin),  steht,  der  Form  der  Hemisphäre  entsprechend,  quer,  so 
daß  die  Platte  eine  Fläche  nach  hinten,  die  andere  nach  vorn  gegen 
die  Orbita  kehrt  und  der  kaudale  Rand  zu  einem  lateralen,  der 
rostrale  zu  einem  medialen  wird  (Fig.  393).  Der  Teil,  mit  dem  die 
Sphenolateralplatte  aus  der  Basalplatte  hervorgeht,  stellt  einen  Pfeiler 
dar,  der  zwischen  dem  2.  und  3.  Trigeminusast  einerseits  (hinten) 
und  dem  1.  Trigeminusast  andererseits  (vorn)  aufsteigt.  Der  laterale 
Rand  der  Platte  verbindet  sich  in  der  Folge  durch  eine  breite  Brücke 
oberhalb  des  2.  und  3.  Trigeminusastes  mit  dem  dorsalen  Umfang 
der  Ohrkapsel,  wodurch  die  beiden  genannten  Nerven  in  ein  Foramen 
prooticum  eingeschlossen  werden.  Bei  Tinnunculus  wird  von  dem- 
selben noch  durch  eine  besondere  Knorpelbrücke  ein  lateral-dorsaler 
Abschnitt  für  eine  Vene  abgetrennt.  Bei  derselben  Form  (nicht  aber 
bei  Gallus)  wird  bei  der  Verknorpelung  der  Sphenolateralplatte  der 
N.  trochlearis  von  einem  kleinen  Foramen  nahe  dem  medialen 
Plattenrande  umschlossen,  durch  eine  am  medialen  Rande  erfolgende 
Knorpelreduktion  sjjäter  aber  wieder  aus  der  Platte  ausgeschaltet. 
Eine  nachträgliche  Reduktion  des  Knorpels  findet  bei  Tinnunculus 
auch  am  oberen  Rande,  sowie  in  der  Mitte  der  Platte  statt:  durch 
letzteren  Vorgang  entsteht  in  der  Platte  eine  große,  nur  bindegewebig 
geschlossene  Fontanelle.  Der  laterale  Rand  der  Sphenolateralplatte 
zieht  sich  lateralwärts  in  einen  Vorsprung  aus,  der  den  Namen  Proc. 
postorbitalis  erhalten  hat;  der  mediale  Rand  steht  vorübergehend 
bei  Tinnunculus  mit  dem  vorderen  Planum  supraseptale  (s.  u.)  in  Ver- 
bindung. Im  übrigen  besteht  aber  zwischen  dem  medialen  Rande  dei- 
Sphenolateralplatte  und  dem  hinteren  Rande  des  Septum  interorbitale 
eine  große  Lücke  des  primordialen  Skelettes;  hier  besitzt  das  Cavum 
cranii  keine  knorpelige  Seitenbegrenzung.  Der  N.  opticus,  der  hinter 
dem  Septum  interorbitale  das  Schädelcavum  verläßt,  tritt  durch  diese 
große  Seitenfontanelle  hindurch. 

An  der  Decke  des  Cavum  cranii  kommt  es  zu  keiner  aus- 
gedehnten V^erknorpelung,  nur  vorübergehend  treten  bei  Tinnunculus, 
wie  Suschkin  gezeigt  hat,  am  hinteren  Rande  des  Corpus  pineale 
zwei  kleine  Knorpelinseln  auf,  in  der  Dicke  des  Bindegewebes,  das 
die  Decke  bildet.     Sie  verschwinden  später  gänzlich. 

In  der  vorderen  Hälfte  der  Orbito-temporalregion  differenziert 
sich  außer  den  Trabekeln  eine  selbständige  Gewebsverdichtung,  die 
Suschkin  mit  dem  Namen  Intertrabecula  bezeichnet.  Sie  liegt 
in  der  Medianebene  und  setzt  sich  zwischen  den  Nasensäcken  nach 
vorn  fort;  aus  ihrem  orbitalen  Abschnitt  geht  das  Septum  inter- 
orbitale, aus  dem  nasalen  Abschnitt  das  Septum  nasi  und  die 
Cartilago  praenasalis  hervor. 

Das  Septum  interorbitale  (Fig.  393)  bildet  sich  zwischen 
den  Augen  in  der  vorderen  Hälfte  der  Orbito-temporalregion,  vor  der 
Fossa  hypophyseos.  Sein  ventraler  Rand  verschmilzt  mit  den  Trabekeln, 
an  seinem  hinteren,  frei  anstehenden  Rande  liegt  das  Chiasma  opticum. 
Es  nimmt  im  Laufe  der  Entwickelung  sehr  beträchtlich  an  Höhe  und 
Länge  zu,  und  in  ihm  tritt,  nachdem  es  anfangs,  auch  nach  der  Ver- 
knorpelung noch,  solide  war,  durch  Knorpelresorption  eine  Lücke, 
Fenestra  septi,  auf.  An  den  hinteren  Rand  des  Septums  stoßen 
die  häutigen  Seitenwände  des  hinteren  Teiles  der  Orbito-temporal- 
region an,  während  sich  an  den  oberen  Rand  die  nach  oben  diver- 
gierenden  Seitenwände  des   supraseptalen,   vordersten   Schädelhöhlen- 


806  E.  Gaupp, 

abschnittes  anschließen.  Die  letzteren  verknorpeln  streckenweise,  so 
(laß  in  den  häutigen  Wänden  knorpelige  Supraseptal platten  ent- 
stehen. Bei  Tinnunculus  ist  dies,  der  Darstellung  von  Suschkin  zu- 
folge, au  zwei  Stelleu,  einer  vorderen  und  einer  hinteren,  selbständig 
der  Fall.  Zuerst  entsteht  jederseits  eine  Supraseptalplatte  über  dem 
vordersten  Teil  des  Septums  als  Seitenbegrenzung  des  vordersten 
Zipfels  der  Schädelhöhle.  Diese  vordere  Supraseptalplatte  (Supra- 
orbitalplatte,  Suschkin)  wird  dicht  neben  dem  Septum  interorbitale, 
also  ganz  basal,  von  einem  Foramen  (For.  olfactorium  evehens)  durch- 
bohrt, durch  das  der  N.  olfactorius  aus  dem  Cavum  crauii  heraustritt, 
um  direkt  ventralwärts  zu  dem  Nasensack  zu  verlaufen.  Das  Cavum 
cranii  selbst  schließt  also  hier  blind  ab,  und  zwar  wird  dieser  Ab- 
schluß vorn  bewirkt  dadurch,  daß  im  Anschluß  an  den  oberen  Rand  < 
des  Septum  interorbitale  nach  hinten  hin  das  Gew^ebe  verknorpelt, 
das  die  Decke  über  dem  vordersten  Schädelhohlenabschnitt  bildet.  So 
entsteht  über  dem  letzteren  ein  Knorpeldach,  und  indem  sich  mit 
diesem  die  vorderen  Supraseptalplatten  beider  Seiten  in  Verbindung 
setzen,  werden  die  Nu.  olfactorii  bei  ihrem  Abgang  von  dem  Gehirn 
sogar  von  einer  geschlossenen  Knorpelröhre  umgeben.  Die  vorderen 
Supraseptalplatten  gehen  bald  wieder  zu  Grunde,  der  Deckenknorpel 
bleibt  aber  bestehen,  wuchert  sogar  noch  weiter  kaudalwärts  und  bildet 
so  einen  vom  oberen  Rande  des  Septum  interorbitale  nach  hinten 
vorspringenden  Fortsatz.  Er  mag  Processus  tectalis  heißen 
(Fig.  393). 

Die  vordere  Supraseptalplatte  steht  bei  Tinnunculus  wenigstens  zeitweise  kon- 
tinuierlich mit  dem  olleren  Rande  der  iSphenolateralplatte  in  Verbindung  (Suschkin). 
Offenbar  entspricht  die  Verbindungsbrücke  der  Taenia  marginalis  der  Saurier.  Bei 
Gallus  ist  in  Stadien,  die  jünger  sind  als  das  des  ToKKOFF'schen  Modelles,  ebenfalls 
jederseits  eine  Supraseptalplatte  als  Seitenwand  des  vordersten  Zipfels  der  Schädel- 
höhle vorhanden. 

Das  hintere  viel  später  auftretende  Paar  von  Supraseptalplatten 
beschreibt  Suschkin  unter  dem  Namen  Cr  bitosphen  oide.  Diese 
kleinen  Platten  sitzen  viel  weiter  hinten,  oberhalb  der  Nn.  optici,  auf 
der  am  meisten  nach  hinten  und  oben  vorspringenden  Stelle  der  Sep- 
tumkante  und  stehen  bei  Tinnunculus  mit  den  vorderen  Supraseptal- 
platten nicht  in  Verbindung. 

Möglicherweise  ist  bei  anderen  Vögeln  ein  solcher  Zusammhang  noch  nach- 
weisbar, denn  offenbar  stellen  auch  die  ,,Orbitosphenoide"  Verknorpeluugen  der 
supraseptal  gelegenen  Schädelseitenwände  dar.  Ob  es  diese  hinteren  Supraseptalia 
sind,  die  in  Tokkoff's  Modell  vom  Hühnchen  (Fig.  393)  zur  Darstellung  gekommen 
sind,  bin  ich  mangels  der  nötigen  Entwickelungsstadien  nicht  zu  entscheiden  im 
Stande.  Auf  Serien  von  jüngeren  Gallusembryonen  finde  ich  viel  ausgedehntere 
supraseptale  Knorpelpartieen,  als  Tonkoff's  Modell  zeigt,  aber  weiter  vorn. 

Besondere  Beachtung  verdient  das  Verhalten  des  N.  olfactorius  zum 
Primordialcran  iu  ra.  In  jüngeren  Stadien,  wenn  das  Septum  interorbitale  noch 
keine  sehr  große  Ausdehnung  besitzt,  erstrecken  sich  die  Hemisphären  weit  nach 
vorn,  die  Lobi  olfactorii  liegen  den  Nasensäcken  sehr  nahe,  die  Nn.  olfactorii  sind 
sehr  kurz  und  ziehen  nach  ihrem  Austritt  aus  dem  Schädelcavum  fast  senkrecht  am 
Interorbitalseptum  zu  den  Nasensäcken  herab.  Ob  bei  irgend  einer  Form  zu  irgend 
einer  Zeit  ein  Zusammenhang  besteht  zwischen  dem  Sheiettgewebe,  das  die  Schädel- 
höhle begrenzt,  und  dem,  das  die  Hinterwand  der  Nasenkapsel  bildet,  wodurch  ein 
von  Skelettgewebe  umschlossener  Canalis  olfactorius  gebildet  würde,  ist  nicht  bekannt. 
Nach  der  Verknorpelung  des  Interorbitalseptums  und  der  vorderen  Supraseptal- 
platten findet  sich  jedenfalls  bei  Gallus  zwischen  dem  For.  olfactorium  evehens  und 
dem  For.  olfactorium  advehens  (am  hinteren  Umfang  der  Nasenkapsel)  ein  längerer 
Abstand,  und  der  N.  olfactorius  läuft  hier  längs  des  Septum  interorbitale,  nahe  dem 
oberen  Rande  desselben  herab,  mit  seinem  lateralen  Umfang  in  die  Orbita  blickend. 
Dorsalwärts  wird  er  gedeckt  durch  eine  Verbreiterung  des  oberen  Septumrandes,  die 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  807 

wie  ein  schmales  Dach  nach  der  Seite  vorspringt,  vorn  in  das  Dach  der  Nasenkapsel, 
hinten  in  den  Proc.  tectalis  übergehend.  Durch  Vorwachsen  des  vorderen  Teiles  des 
8eptum  interorbitale  entfernt  sich  die  Wurzel  des  Proc.  tectalis  (der  das  vorderste  Ende 
des  Cavurn  cranii  bezeichnet)  von  dem  For.  olfactorium  advehens;  der  Weg,  den  der 
N.  olfactorius  durch  die  Orbita  zurückzulegen  hat,  wird  dadurch  länger.  Der  N.  ol- 
factorius  selbst  verlängert  sich,  während  die  Lobi  olfactorii  mit  den  Hemisphären  weiter 
zurückweichen.  Durch  Schwund  der  vorderen  Supraseptalplatte  verliert  auch  der  inner- 
halb des  Cavum  cranii  verlaufende  Anfangsteil  des  N.  olfactorius  seine  Skelettumwan- 
dung;  am  knöchernen  Schädel  wird  dann  das  For.  olfactorium  evehens  durch  das 
Frontale  begrenzt.  Das  ganze  Verhalten  des  N.  olfactorius  bei  den  Vögeln  erinnert 
an  das  der  Teleostier  und  hängt  offenbar  wie  auch  bei  diesen  mit  der  starken  Aus- 
bildung des  Septum  interorbitale  zusammen.  Im  einzelnen  liegen  die  Dinge  aber 
nicht  ganz  gleich  und  weisen  auf  selbständige  Ausbildung  ähnlicher  Zustände  von 
verschiedenen  Ausgangsformen  und  auf  verschiedenen  Wegen  hin. 

Ethm  oidalregion.  Im  Gebiet  der  Ethmoidalregion  erfolgt 
die  Verdichtung  des  Bindegewebes  zuerst  median,  zwischen  den  beiden 
Naseusäcken  (nasaler  Teil  der  Intertrabecula,  Suschkin).  Aus  seiner 
Verknorpelung  gehen  das  Septum  nasi  und  die  vor  die  Nasensäcke 
vorspringende  Cartilago  praenasalis  hervor.  Innerhalb  des  Nasen- 
septums  treten  bei  Tinnunculus  2  Fontanellen  auf:  eine  hintere 
(kraniofaciale  Fontanelle,  Parker,  Suschkin)  im  hintersten  Gebiet 
der  Nasenhöhle,  und  eine  vordere  im  Vorhofsabschnitt.  Die  hintere 
vergrößert  sich  im  Laufe  der  weiteren  Entwickelung  und  bricht  durcli 
den  unteren  Rand  des  Septums  durch.  So  gestaltet  sie  sich  zu  einer 
vom  unteren  Rand  aus  tief  in  das  Septum  einschneidenden  Spalte 
(kraniofaciale  Spalte),  durch  die  beim  erwachsenen  Tier  die  Bewegungen 
des  Oberschnabels  (mitsamt  dem  ganzen  Ethmoidalskelett)  ermöglicht 
werden.  Die  vordere  Fontanelle  schließt  sich  später.  Als  Hinterwand 
der  Nasenkapsel  jeder  Seite  bildet  sich  ein  Planum  antorbitale. 
Nach  Suschkin  entsteht  der  untere  Teil  desselben  schon  frühzeitig 
im  Anschluß  an  das  vordere  Ende  der  Trabekel,  während  der  obere 
sich  erst  später  im  Zusammenhang  mit  der  lateralen  Wand  der  Nasen- 
kapsel bildet. 

Nach  seiner  Ausbildung  stellt  das  Planum  antorbitale  eine  vierseitige  Knorpel- 
platte dar,  die  auf  der  Grenze  der  Orbital-  und  Nasalhöhle  gelagert  ist  (wobei  in- 
folge der  Größe  der  Augen  ihr  lateraler  ßand  zugleich  etwas  weiter  vorn  steht) 
und  mit  ihrem  lateralen  Rande  in  die  Seitenwand  der  Nasenkapsel  übergeht,  während 
ihr  ventraler,  medialer  und  dorsaler  Rand  frei  sind.  Der  mediale  Rand  ist  durch 
Bindegewebe  mit  dem  Interorbitalseptum  verbunden ;  zwischen  dem  kurzen  dorsalen 
Rand,  dem  Sei:)tum  interorbitale  und  dem  Nasendach  bleibt  eme  große  Oeffnung, 
durch  die  der  N.  olfactorius  und  der  R.  ethmoidalis  des  Trigeminus  in  die  Nasen- 
kapsel eintreten.  Sie  kann  For.  olfactorium  advehens  genannt  worden,  ent- 
spricht aber  diesem  und  einem  For.  orbitonasale.  Bei  Suschkin  führt  das  Planum 
fälschlicherweise  den  Namen  Praefrontale  (Fig.  392,  393). 

Die  Bildung  der  Decke  und  der  Seitenwände  der  Nasenkapsel 
erfolgt  im  Anschluß  an  das  Septum  nasi.  Die  Verdichtung  des  peri- 
rhinischen  Gewebes  schreitet  an  der  Decke,  immer  in  Zusammenhang 
mit  dem  oberen  Rande  des  Septums,  von  hinten  nach  vorn  vor  und 
setzt  sich,  von  der  Decke  aus  umbiegend,  auf  die  Seiten  wände  fort. 
Die  Verknorpelung  erfolgt  in  der  gleichen  Reihenfolge.  So  würd  die 
Nasenhöhle  von  einem  Knorpelskelett  umgeben,  an  dem  der  Konfi- 
guration der  Höhle  entsprechend  zwei  Abschnitte  zu  unterscheiden  sind: 
der  hintere  Hauptabschnitt  und  der  vordere  V  o  r  h  o  f  s  a  b  s  c  h  n  i  1 1. 
An  dem  breiteren  Hauptabschnitt  verschmälert  sich  die  Decke  kaudal- 
wärts,  um  in  den  oberen  Rand  des  Septum  interorbitale  überzugehen ; 
die  Seitenwand,  die  hinten  mit  dem  Planum  antorbitale  zusammenhängt, 
folgt  bei  ihrer  Ausbildung  der  Schleimhaut  der  oberen  Muschel 
(des  Riechhügels)  und  bildet  somit  in  deren  Bereich  eine  Einbiegung 


808  E.  Gaupp, 

von  außen  her,  während  sie  in  die  u  n  t  e  r  e  Muschel  eine  solide  Fort- 
setzung von  der  Form  einer  mit  dem  freien  medialen  Rande  ein- 
gerollten Platte  hineinsendet.  Ueber  die  Basis  dieser  Knorpelinuschel 
hinaus  setzt  sich  die  Seitenwand  noch  etwas  weiter  ventralwärts  fort, 
hört  aber  mit  freiem  ventralen  und  vorderen  Rande  auf,  ohne  mit 
der  Seitenwand  der  Vorhofskapsel  zusammenzuhängen.  Ein  Boden 
des  Hauptteiles  fehlt. 

öuscHKiN  nennt  uubegreifliclierweise  die  ganze  Seitenwand  „mittlere  Muschel". 

Die  Umwandung  des  Vorhofs teiles  der  Nasenhöhle  mit  Knorpel 
ist  eine  vollständigere  als  die  des  Hauptteiles.  Bei  Tinnunculus  bildet 
sich  eine  Vorhofskapsel,  die  außer  medial  (Septum)  und  oben  (Decke) 
auch  noch  voin,  seitlich,  ventral,  und  in  ihrer  unteren  Hälfte  auch  kaudal 
geschlossen  ist;  somit  behält  sie  nur  lateral  die  Fenestra  narina  und 
in  der  oberen  Hälfte  der  Hinterwand  eine  große  Oeffnung  zur  Kom- 
munikation mit  der  Haupthöhle.  Auch  in  den  Wulst  der  Vorhofs- 
muschel setzt  sich  die  Skelettbildung  in  Form  einer  von  der  Wand  der 
Vorhofskapsel  vorspringenden  Platte  fort,  die  zudem  mit  einem  für 
die  Falken  charakteristischen  Höcker  versehen  ist.  Die  Hinterwand 
der  Vorhofskapsel  wird  bei  Tinnunculus  von  2  Oeffnungen  für  die  2 
Ausführungsgänge  der  Glandula  nasalis  lateralis  durchsetzt.  Schließ- 
lich besitzt  Tinnunculus  noch  einen  plattenförmigen  Vorsprung  der 
Seitenwand  der  Vorhofskapsel  über  der  Fenestra  narina:  accessorische 
Vorhofsmuschel  (Suschkin). 

In  prinzipiell  gleicher  Weise  vollzieht  sich  die  Verdichtung  und  Verknorpelung 
des  perirhinischen  Gewebes,  der  Schilderung  von  Born  (1879)  entsprechend,  beim 
Hühnchen.  Auch  hier  schreitet  der  Prozeß  von  hinten  nach  vorn,  und  außerdem 
vom  oberen  Rande  des  Septums  auf  die  Decke  und  die  Seitenwände  vor.  Die 
Bildung  der  sejatalen  Gewebsverdichtung  beginnt  am  7.  Tage,  die  Verkorpelung  er- 
folgt etwa  vom  S.  Tage  an,  am  10.  und  11.  bildet  sich  die  Vorhofskapsel.  In  der 
2.  Woche  der  Bebrütung  erlangt  auch  der  Pränasalknorpel  eine  erhebliche  Dicke 
und  Länge.  Während  der  letztere  aber  bei  Tinnuncvilus  verknöchert,  geht  er  bei 
Gallus,  ebenso  wie  der  untere  Hand  des  Vorhofsseptums,  gegen  das  Ende  der  Be- 
brütung wieder  zu  Grunde  (Parker,  Born).  Die  Konfiguration  der  Nasenkapsel 
bei  Gallus  weicht  von  der  bei  Tinnunculus  in  einigen  Punkten  ab.  Wie  das  ToN- 
KOFF'sche  Modell  zeigt,  ist  beim  Hühnchen  das  Dach  des  breiten  Hauptteiles  von 
dem  schmäleren  des  Vorhofsteiles  durch  eine  von  außen  einschneidende  Spalte  scharf 
getrennt,  und  nur  dicht  neben  dem  SejDtumrande  gehen  beide  Abschnitte  durch 
einen  sehr  schmalen  Deckenstreifen  ineinander  über.  Auf  den  Hauptteil  läßt  sich 
im  wesentlichen  die  obige  Schilderung  übertragen;  der  Vorhofsteil  besitzt  dagegen 
bei  Gallus   keinen  Boden. 

Für  eine  rationelle  Vergleichung  der  Nasenskelette  verschiedener  Vögel  unterein- 
ander und  mit  dem  der  Reptilien  ist  erst  wenig  Material  vorhanden.  Die  Homo- 
logie der  unteren  Muschel  mit  der  Muschel  der  Reptilien  ist  schon  von  Gegenbaue 
ausgesprochen  worden;  Born  schließt  sich  ihm  an  und  weist  besonders  nach,  daß 
die  verschiedene  Form  der  Muschel  (solide  Platte  bei  den  Vögeln,  hohle  Ein- 
buchtung bei  den  Sauriern)  kein  durchgreifendes  Unterscheidungsmerkmal  ist,  das 
der  Homologisierung  im  Wege  stände. 

Schicksal  der  Nasenkapsel.  Beim  Huhn  bleibt  das  knorpelige  Nasen- 
gerüst in  größter  Ausdehnung  erhalten;  der  Proc.  praenasalis  geht  zu  Grunde.  Bei 
Tinnunculus  unterliegt  ein  großer  Teil  des  Nasenskelettes  der  Ossifikation. 

B.  Primordiales  Visceralskelett. 

Das  Visceralskelett  der  Vögel  besteht  aus  dem  Kiefer-,  dem 
Zungenbein-  und  dem  1.  Kiemenbogen,  sowie  einer  Anzahl  unpaarer 
Copulae.  Die  Anlagen  der  Visceralbogen  entstehen  selbständig  ohne 
Zusammenhang  mit  dem  neuralen  Cranium. 

K  i  e  f  e  r  b  0  g  e  n .  Das  P  a  1  a  t  o  (i  u  a  d  r  a  t  u  m  (Fig.  393)  legt  sich 
an  der  vorderen-lateralen  Wand  der  Gehörkapsel  an,  von  dieser  durch 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  809 

einen  beträchtlichen  Zwischenraum  getrennt.  In  prochondralem  Zu- 
stand läßt  es  einen  Körper  und  einen  nach  vorn-innen  gerichteten 
Fortsatz  (Proc.  orbitalis,  wohl  dem  Proc.  pterygoideus  des  Rep- 
tilien-Palatoquadratums  entsprechend)  unterscheiden.  Dieser  anfangs 
lange  Fortsatz  bleibt  später  im  Wachstum  zurück,  dafür  entwickelt 
sich  nach  der  Verknorpelung  der  Proc.  oticus,  der  sich  mit  seinem 
proximalen  Ende  von  unten  an  den  vorderen  Teil  des  Can.  semicircu- 
laris  anterior  anlegt.  An  ihm  differenzieren  sich  später  ein  medialer 
und  ein  lateraler  Gelenkhöcker:  der  mediale  liegt  der  Ohrkapsel,  der 
laterale  dem  Squamosum  an.  (Ueber  den  Knorpel,  der  sich  bei  Gallus 
zwischen  die  Ohrkapsel  und  das  Palatoquadratum  einschiebt,  s.  Ohr- 
kapsel.) —  Auch  am  distalen  Ende  des  Palatoquadratums,  mit  dem  der 
MECKEL'sche  Knorpel  in  Verbindung  steht,  differenzieren  sich  2  Ge- 
lenkhöcker, ein  medialer  und  ein  lateraler.  —  Die  Meckel' sehen 
Knorpel  stehen  anfangs  mit  ihren  vorderen  Enden  weit  auseinander, 
später  legen  sie  sich  aneinander.  Am  proximalen  Gelenkende  eines 
jeden  entwickeln  sich  außer  der  Gelenkfläche  für  das  Palatoquadratum 
2  Fortsätze,  der  Proc.  angularis  internus  und  der  Proc.  an- 
gularis posterior  (Proc.  retroarticularis). 

Zungenbein  bogen.  Der  Hyalbogen  ist,  der  Schilderung  von 
SuscHKiN  zufolge,  schon  frühzeitig,  auf  prochondralem  Stadium,  in 
einzelne  Teilstücke  gegliedert.  Ein  dorsales  Stück  (Hyomaudibulare, 
Suschkin)  berührt  mit  seinem  proximalen  Ende  den  Boden  der  Ohr- 
kapsel und  besitzt  mehrere  Fortsätze,  von  denen  ein  nach  abwärts 
gerichteter  als  Infrastapediale  bezeichnet  wird.  Ihm  schließt  sich  das 
kurze,  aber  selbständige  zweite  Element  (Stylohyale,  Suschkin)  an.  Mit 
diesem  nur  durch  einen  sehr  dünnen,  undeutlich  abgrenzbaren  Streifen 
embryonalen  Gewebes  verbunden  legt  sich  weit  vorn  am  Mundhöhlen- 
boden als  selbständige  Gewebsverdichtung  das  Keratohyale  an.  Im 
weiteren  Verlauf  der  Entwickelung  verschmelzen  die  beiden  oberen  Stücke, 
und  das  so  entstandene  einheitliche  Element  bildet  sich,  verknorpelnd, 
zur  Columella  auris  um,  an  der  das  frühere  Stylohyale  einen 
Teil  des  unteren  Fortsatzes  (Proc.  infrastapedialis)  bildet.  Die  Fuß- 
platte der  Columella  entsteht  nach  Suschkin  bei  Tinnunculus  dadurch, 
daß  das  Gebiet  der  bereits  verknorpelten  Ohrkapselwand,  gegen  welches 
sich  das  proximale  Ende  der  Columella  anlegt,  durch  cirkuläre  Knorpel- 
reduktion aus  der  Kapsel  gewisser- 
maßen herausgeschnitten  wird  und  „  fVoc.  dors. 
mit  dem  proximalen  Colu  melk- 
ende verschmilzt.  An  der  Columella         Extra-       /f^  HsiC^vl Opercuium 

columella  — Iv^CV^;./  stapedis 


Fig.  394.     Linke  Columella  auris  von 

Tinnunculus    alaudarius    bei     Beginn    der  \\  Knochencentrum 

Verknöcherung;  von  unten  und  etwas  von  j'  Pi-oc.  infra- 

hinten.     Nach  Suschkin.  M/  st'aped. 

bilden  sich  ferner  als  Fortsätze  das  sog.  Suprastapediale  und  Extra- 
stapediale aus ;  die  freien  Enden  beider  werden  durch  eine  selbständig 
entstehende  Knorpelbrücke  untereinander  verbunden,  und  so  kommt 
das  bekannte  Fenster  der  Vogelcolumella  zu  stände,  das  von  einem 
Blutgefäß  durchsetzt  wird.  Das  Ende  des  Extrastapediale  verbindet 
sich  später  mit  dem  Trommelfell.  Die  Anlagen  beider  Keratohyalia 
verknorpeln   selbständig,   legen    sich    dann   vor   der  Spitze  der  ersten 


810 


E.  Gaupp, 


Copula  aneinander  und  verwachsen  miteinander,  wobei  in  der  Mittel- 
linie eine  Spalte  übrig  bleibt.  So  erhält  das  aus  der  Verschmelzung 
hervorgehende  Knorpelstück  die  Form  einer  in  der  Mitte  durchbrochenen 
Pfeilspitze  (Fig.  395).  Im  Anschluß  hieran  wuchert  der  Knorpel  in 
der  Mittellinie  noch  weiter  in  die  Zunge  ein,  so  die  sog.  Cartilago 
entoglossa  bildend. 

Der  Schilderung  SuscHKm's  zufolge  wäre  also  die  Columella  in  der  Hauptsache 
hyalen,  die  Fußplatte  aber  labyrinlhären  Ursprunges.  Die  Angaben  bezüglich  der 
Bildung  der  letzteren  bedürfen  jedoch  der  Nachprüfung.  Der  als  Proc.  infrastape- 
dialis  bezeichnete  Fortsatz  ist  nicht  dem  Proc.  internus  der  Lacertiliercolumella  zu 
vergleichen,  da  er  aus  Teilen  der  ursprünglichen  Zungenbeinbogenanlage  selbst 
hervorgeht,  während  der  Proc.  internus  der  Sauriercolumella  einen  sekundären  Aus- 
wuchs der  Columellaanlage  darstellt  (Versluys  1903).  In  dem  Verhalten  des  Proc. 
infrastapedialis  der  Vögel  sieht  Versluys  eine  an  die  Krokodilembryonen  und  an 
Sphenodon  erinnernde  Einrichtung.  Das  sog.  Suprastapediale  entspricht  wahrschein- 
lich dem  Proc.  dorsalis  des  Sauriercolumella,  das  Extrastapediale  der  Vögel  ist  der 
laterale  Stielabschnitt  der  Extracolomella  der  Saurier,  die  Verbindungsspange  zwischen 
beiden  (bei  den  Vögeln)  ist  eine  Wiederholung  der  bei  Sphenodon  vorhandenen 
(Versluys  1903).  Die  Zerlegung  der  Columella  in  einen  Stapes  und  eine  Extra- 
columella  erfolgt  erst  durch  den  Ossifikationsprozeß. 


Dentale 


Operculare  (Praeoperc.) 


Supraangulare  - 
Angulare- 


Crirt.  Meckel. 
Carl,  entoglossa 
C'nrnu  hyale 

C'ojjula  I 

^.Keratobranchiale  I 


—  Proc.  retroart. 


Epibranchiale  I 


Fig.  395.  Unterkiefer  und  Hyobranchialskelett  des  Modelies  Fig.  392;  von 
der  Ventraiseite.  Die  weiße  Partie  im  Keratobranchiale  I  stellt  perichondralen 
Knochen  dar. 


Der  erste  Branchialbogen,  der  einzige,  der  bei  Tinnunculus 
(auch  beim  Hühnchen)  zur  Entwickelung  kommt,  ist  schon  auf  pro- 
chondralem  Zustand  in  seine  zwei  als  Keratobranchiale  und 
Epibranchiale  unterschiedenen  Abschnitte  gegliedert.  Das  vordere 
Ende  des  Keratobranchiale  legt  sich  an  die  Grenze  der  beiden  Copulae 
an  (Fig.  395). 

Un paare  Copulae  werden  bei  Vögeln  zwei  angelegt.     An  die 


Die  Ent Wickelung  des  Kopfskelettes.  Sil 

Spitze  der  vorderen  legt  sich  das  Keratohyale,  an  die  Grenze  zwischen 

beiden  Copulae    legt   sich   das    Keratobranchiale   an.     Beide    Copulae 

sind  in  Knorpelzustaud  lauge  voneinander  getrennt,   verwachsen  aber 

untereinander  beim  erwachsenen  Tinnunculus.     Von  der  unteren  Seite 

des   vorderen  Endes   der    ersten  Copula   gliedert  sich   manchmal    ein 

Knorpelbezirk  ab,  den  Suschkin  als  ein  Glossohyale  autfaßt. 

Diese  Auffassung  hat  nicht  gerade  viel  Wahrscheinlichkeit  für  sich.  Plausibler 
erscheint  es,  in  dem  vorderen  unpaaren  Teil  der  Cartilago  entoglossa  ein  Glossohyale 
zu  sehen,  das  seine  Selbständigkeit  verloren  hat.  Dies  scheint  auch  die  Auffassung 
von  Gegenbaur  (1898)  zu  sein.  Jedenfalls  erweist  sich  das  ,  große"  Hörn  des 
Zungenbeinapparates  der  Vögel  als  ein  Cornu  branchiale  primum,  während  das  Cornu 
principale  (hyale)  nur  durch  den  lateral-hinteren  Vorsprung  des  Entoglossum  reprä- 
sentiert wird.  (Eine  während  des  Druckes  erschienene  Arbeit  von  Kallius,  die 
manche  neue  Thatsachen  und  Auffassungen  enthält,  konnte  leider  nicht  mehr  benutzt 
werden.) 

IL  Die  Schädelknochen. 
Auch  bei  den  Vögeln  entstehen  die  Deckknochen  vor  den  Ersatz- 
knochen. Die  Zahl  der  zur  Anlage  kommenden  Stücke  beider  Kate- 
gorien ist  groß,  namentlich  zeigen  die  Ersatzknochen  eine  Vermehiung 
gegenüber  anderen  Wirbeltieren.  Die  einzelnen  Knochen  behalten 
aber  nur  eine  Zeit  lang  ihre  Selbständigkeit;  wenn  der  Vogel  die 
ersten  Flugversuche  macht  (Magnus),  treten  ausgedehnte  Verwachsungs- 
vorgänge ein,  die  die  Individualität  der  einzelnen  Knochenstücke  ver- 
nichten und  ihrem  weiteren  Wachstum  ein  Ziel  setzen.  Daher  sind 
am  ausgebildeten  Schädel  nur  wenige  Knochengrenzen  noch  erkennbar. 

Knochen  im  Gebiete  des  Oberschädels. 

Der  Ersatz  des  neuralen  Primordialcraniums  durch  perichon- 
dral  entstandene  Knochen  ist  bei  den  Vögeln  ein  sehr  voll- 
ständiger, nur  in  der  Ethmoidalregion  bleiben  einige  Knorpelreste 
erhalten.  Die  Ersatzknochen  des  neuralen  Craniums  verschmelzen  bei 
Tinnunculus  alle  miteinander,  viele  von  ihnen  verwachsen  auch  mit 
Deckknocheu.     Die  Ersatzknochen    treten  nach    den  Deckknochen  auf. 

In  der  0  c  c  i  p  i  t  a  1  r  e  g  i  o  n  bilden  sich  ein  B  a  s  i  o  c  c  i  p  i  t  a  1  e 
und  zwei  Pleuroccipitalia;  das  aus  der  Verknöcherung  des  Tect. 
synoticum  hervorgehende  S  u  p  r  a o  c c i  p  i  t  al  e  vervollkommnet  das 
Occipitalsegment.  Supraoccipitale  und  Pleuroccipitalia  greifen  auf  die 
Ohrkapseln  über. 

Das  Basioccipitale  erscheint  ziemhch  spät;  es  tritt  zuerst  in  Form  zweier 
perichondraler  Knochenlamellen  auf  der  Basalplatte,  einer  dorsalen  und  einer  ven- 
tralen, auf.  Von  beiden  Lamellen  aus  dringt  der  Ossifikationsprozeß  in  die  Basal- 
platte ein,  beide  Lamellen  werden  so  vereinigt,  und  der  Knorpel  der  Basalplatte 
wird  durch  Knochen  ersetzt.  Später  verschmilzt  das  Basioccipitale  mit  dem  Basi- 
spheaoid  und  den  beiden  Pleuroccii^italia.  Der  Condylus  occipitalis  verknöchert  bei 
Tinnunculus  nur  vom  Basioccipitale  aus,  bei  vielen  anderen  Vögeln  beteiligen  sich 
daran  auch  die  Pleuroccipitalia. 

Das  Pleuroccipitale  jeder  Seite  ist  in  seiner  ersten  Entstehung  noch  nicht 
verfolgt  worden;  es  ist  daher  unbekannt,  von  wo  die  Verknöcherung  ausgeht.  Der 
Knochen  ersetzt  den  lateralen  Teil  der  Occipitalregion  und  dringt  auch  in  den  Occi- 
pitalflügel  und  von  hier  in  die  Ohrkapsel  ein ;  er  umschließt  die  Oeffnungen  des 
Hypoglossus,  Accessorio- Vagus  und  Glossopharyngeus.  Später  verwächst  er  mit  dem 
Basioccipitale,  Supraoccipitale  und  Opisthoticum.  Bei  vielen  Vögeln  erstreckt  er  sich 
in  den  Condylus  occipitalis  hinein,  nimmt  also  teil  an  der  Zusammensetzung  des- 
selben; bei  Tinnunculus  nicht. 

Das  Supraoccipitale  entsteht  als  unpaare  Verknöcherung  des  Tectum 
synoticum.  Von  hier  schreitet  die  Ossifikation  auf  die  beiden  Ohrkapseln  (Canales 
anteriores)  fort.  Später  verschmilzt  der  Knochen  mit  den  Pleuroccipitalia  und  mit 
den  periotischen  Ossifikationen.  Beim  Hühnchen  sind  paarige  Centra  vorhanden 
(Parker), 


812  E.  Gaupp, 

Im  Gebiete  der  Oticalregion  findet  Suschkin  bei  Tinnnnculus 
als  selbständig  auftretende  periotische  Ossifikationen :  0  p  i  s  t  h  o  t  i  - 
cum,  E  p  i  0 1  i  c u  m  ,  P  r  o  o  t  i  c  u  m  und  einige  komplementäre  Knochen- 
centren an  der  inneren  Ohrkapselwand.  Die  Ossa  periotica  ver- 
schmelzen alle  untereinander  sowie  mit  den  benachbarten  (Deck-  und 
Ersatz-)Knochen.  Auch  beim  Hühnchen  beschreibt  Parker  ein  Pro-, 
Epi-,  Opisthoticum. 

Das  Opisthoticum  entsteht  bei  Tinnnnculus  als  Verknöcherung  am  Canalis 
semicircularis  posterior  und  breitet  sich  von  hier  am  inneren  wie  am  äußeren  Um- 
fang der  Ohrkapsel  aus.  Es  verschmilzt  mit  dem  Pleuroccipitale  und  dem  Prooti- 
cum.  Bei  manchen  V^ögeln  nimmt  es  an  der  Begrenzung  des  Hinterhauj^tsloches 
teil  (Gadow). 

Das  Epioticum  tritt  spät  (längere  Zeit  nach  dem  Ausschlüpfen)  auf  als  un- 
bedeutende und  vielen  individuellen  Schwankungen  unterworfene  Ossifikation  am 
oberen  Teil  des  Canalis  semicircularis  posterior.  Es  verschmilzt  mit  dem  Pleurocci- 
pitale und  dem  8upraoccipitale. 

Das  Prooticum  beginnt  am  vorderen  Umfang  der  Ohrkapsel  aufzutreten; 
die  Ausgangsstelle  der  Verknöcherung  giebt  Suschkin  nicht  an.  Es  dehnt  sich  am 
äußeren  wie  am  inneren  Umfang  der  Ohrkapsel  weit  aus,  umschließt  das  Foramen 
faciale  und  von  hinten  her  das  For.  prooticum.  Ein  kleines  komplementäres  Ver- 
knöcherungscentrum  tritt  an  der  medialen  Wand  der  Ohrkapsel  unter  dem  For. 
endolymphaticum  auf  und  verschmilzt  später  mit  dem  Hauptcentrum ;  ein  zweites 
besonderes  Verknöcherungscentrum  erscheint  am  vorderen  Rande  des  Foramen  N. 
cochlearis,  bleibt  eine  Zeit  lang  selbständig,  verschmilzt  aber  dann  mit  dem  Pro- 
und  Opisthoticum  an  der  medialen  Ohrkapselwand.  Von  dem  Prooticum  aus  schreitet 
die  Verknöcherung  auch  auf  die  Knorpelbrücke  über  dem  Foramen  prooticum  fort ; 
Verschmelzung  des  Prooticums  mit  dem  Alisphenoid  tritt  ein. 

In  der  Orbito-temporalregion  kommen  zur  Entwickelung: 
ein  Basisphenoidale.  zwei  Alisphenoidalia,  zwei  Orbito- 
sphenoidalia  und  mehrere  Verknöcherungen  im  Septum  interorbi- 
tale. Die  hauptsächlichste  von  diesen  letzteren  entsteht  auf  der  Grenze 
des  Septum  interorbitale  gegen  das  Septum  nasi ;  sie  mag  den  ihr  von 
Suschkin  gegebenen  Namen  Mesethraoid  behalten  und  wird  unter 
den  Ossifikationen  der  Ethmoidalgegend  zur  Sprache  kommen.  Zwei 
andere  von  Suschkin  als  komplementäre  Centra  des  Mesethmoids  be- 
zeichnete Ossifikationen  gehören  nur  dem  Septum  interorbitale  an ; 
ich  werde  sie  als  Praesphenoidali  a  bezeichnen.  Die  Beziehungen 
aller  dieser  Centren  zu  den  sphenoidalen  Verknöcherungen  der  Säuger 
sind  noch  ganz  unbestimmt. 

Die  Verknöcherung  des  Basisphenoidale  geht  vom  hinteren  Ende  des 
Rostrura  oss.  parasphenoidalis  aus.  Von  hier  setzt  sie  sich  paarig  durch  Eindringen 
periostaler  Sprossen  zuerst  in  die  beiden  Processus  basitrabeculares  fort  und  ver- 
breitet sich  nach  vorn  und  nach  hinten,  immer  im  Zusammenhang  mit  dem  hinteren 
Teil  des  Rostrum  parasphenoidalis.  Die  Umgebung  der  Hypophysengrube  mit  den 
Oeffnungen  für  die  Aa.  ophthalmicae  und  für  die  Nn.  oculomotorii  und  der  vordere  Teil 
der  Basalplatte  mit  den  Abducensöffnungen  werden  so  durch  Knochen  ersetzt,  durch 
Zusammenfließen  der  Ossifikationen  beider  Seiten  entsteht  ein  unpaares  Knochen- 
stück. Hinter  der  Hypophysengrube  bilden  der  Defekt  im  knorpeligen  Clivus  sowie 
die  hintere  basikraniale  Fontanelle  die  Wege,  auf  denen  die  Verknöcherung  an  die 
Innenfläche  des  Schädels  dringt.  In  späteren  Stadien  tritt  ein  paariges  Ergänzungs- 
centrum, Peripitui tarcentrum  (Suschkin),  auf,  das  hinter  der  Hypophysen- 
grube im  Knorpel  des  Clivus  jederseits  lateral  von  dem  medianen  Einschnitt  des- 
selben gelegen  ist;  von  hier  geht  die  Verknöcherung  auf  die  Membran  über,  die  den 
erwähnten  Einschnitt  überspannt,  so  daß  ein  knöchernes  Dorsum  sellae  entsteht. 
Vor  der  Hypophysen  grübe  verknöchert  der  hintere  Teil  des  Septum  interorbitale  vom 
Basisphenoid  aus.  Verschmelzungen  erfolgen  mit  dem  Basioccipitaic,  den  periotischen 
Verknöcherungen,  den  Alisphenoiden  und  dem  Mesethmoid.  Vom  Basisphenoid  geht 
die  Ossifikation  auch  auf  die  bindegewebige  Wand  des  Recessus  tympani  anterior 
über.  —  Das  Dorsum  sellae  ist  dem  Gesagten  zufolge  in  seiner  medianen  Partie  erst 
knorpelig,  dann  bindegewebig,  dann  knöchern. 

Das    sog.    Alisphenoid ale   stellt    eine   Verknöcherung   des    Sphenolateral- 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  813 

knorpels  dar,  die  bei  Tinnunculus  vom  unteren  Eande  der  in  demselben  befindlichen 
Fontanelle  ihren  Ausgang  nimmt.  Der  Knochen  umwächst  die  Fontanelle  und  dringt 
in  den  Proc.  postorbitalis  ein.  In  der  Folge  setzt  sich  die  Verknöcherung  auch  auf 
das  Bindegewebe  fort,  das  in  der  erwähnten  Fontanelle  ausgespannt  ist  und  schließt 
dieselbe  knöchern  vollständig;  ferner  auch  auf  das  Bindegewebe,  das  die  große, 
zwischen  Sphenolateralknorpel,  Interorbitalseptum  und  Os  frontale  befindliche  Lücke 
verschließt.  Auch  dieses  verknöchert  so  zum  großen  Teil  von  dem  Alisphenoid  aus ; 
der  N.  trochlearis  wird  dabei  in  ein  besonderes  Foramen  eingeschlossen  (Tinnunculus 
und  andere  Falken)  oder  gemeinsam  mit  dem  N.  opticus  umgeben.  Verschmelzung 
des  Alisphenoids  tritt  ein  mit  dem  Basisphenoid,  den  periotischen  Verknöcherungen 
(Prooticum),  dem  Orbitosphenoid ,  Frontale,  Squamosum.  Beim  Hühnchen  ver- 
knöchert das  Alisphenoid  von  zwei  Ceutren  aus,  die  vor  und  hinter  der  Fontanelle 
liegen.     Auch  der  Proc.  postorbitalis   erhält  später  ein    eigenes  Centrum   (Parker). 

Das  Orbitosphenoid  geht  aus  der  Verknöcherung  der  hinteren  8upraseptal- 
platte  hervor.  Die  Verknöcherung  tritt  spät,  postembryonal,  auf.  Beide  Ürbito- 
sphenoide  verwachsen  untereinander  und  mit  den  Verknöcherungen  des  oeptuni  inter- 
orbitale, mit  dem  Alisphenoid  und  dem  Frontale  jeder  Seite.  Sie  helfen  die  Foramina 
optica  begrenzen. 

Präsphenoidale  Ossifikatio  nscen  tra  finden  sich  bei  Tinnunculus 
nach.  SuscHKiN  in  der  Zweizahl.  Das  eine  liegt  hinter,  das  andere  über  der  Fenestra 
septi  interorbitalis.  Suschkin  bezeichnet  sie  als  komplementäre  Centra  des  Mes- 
ethraoids.  Das  hintere  Centrum  verschmilzt  mit  beiden  Orbitosphenoidalia,  an 
deren  Wurzel  es  liegt,  im  übrigen  tritt  Verschmelzung  beider  Centra  untereinander 
sowie  mit  dem  Mesethmoid  ein.  Auf  diese  Weise  wird,  da  auch  das  ßasisphenoid 
weit  in  das  Septum  interorbitale  vordringt,  das  letztere  völlig  in  Knochen  über- 
geführt. 

In  der  Ethmoidalregion  treten  bei  Tinnunculus  länp;ere  Zeit 
nach  dem  Ausschlüpfen  Ossitikationscentren  in  größerer  Anzahl  auf, 
teils  unpaar  median,  teils  paarig.  Sie  gehören  dem  Hauptteil  der 
Nasenkapsel,  dem  Vorhofsteil  und  der  Cartilago  praenasalis  an.  Alle 
diese  ethmoidalen  Verknöcherungeu  Hießen  untereinander  zur  Bildung 
des  knöchernen  Ethmoidalskelettes  zusammen,  das  auch  mit  den  be- 
nachbarten Deckknochen  in  Verwachsung  tritt.  Die  Verknöclierung 
des  Planum  antorbitale  verwächst  mit  dem  Septum  interorbitale. 
Knorpelig  bleiben  bei  Tinnunculus  nur  eine  quere  Zone  am  Dach  der 
Nasenkapsel  über  der  kraniofacialen  Spalte:  dadurch  wird  die  selb- 
ständige Beweglichkeit  des  Oberschnabels  ermöglicht;  ferner  ein  großer 
Teil  der  Seitenwand  des  Hauptabschnittes  der  Nasenkapsel  mit  der 
mittleren  Muschel. 

Im  speciellen  beschreibt  Suschkin  bei  Tinnunculus  folgende  Centra.  Zwei 
unpaare  Centra  liegen  übereinander  im  Septum  interorbitale,  am  Uebergang  des- 
selben in  das  Septum  nasi;  sie  fließen  bald  zusammen  und  bilden  das  Meseth- 
moid eum  SusCHKix's.  Von  ihm  aus  verknöchert  das  Septum  zwischen  der  Fe- 
nestra septi  interorbitalis  und  der  kraniofacialen  Spalte;  am  hinteren  Rande  der 
letzteren,  ganz  ventral,  tritt  ein  kleines  selbständiges  komplementäres  Centrum  hinzu. 
Das  Mesethmoid  verschmilzt  mit  dem  Basisphenoid  unterhalb  der  Fenestra  septi 
interorbitalis,  mit  den  präsphenoidalen  Ossifikationen  und  den  vorderen  Verknöche- 
rungen der  Ethmoidalgegend.  Ferner  treten  auf:  ein  unpaares  Centrum  im  Se2)tum 
des  Hauptabschnittes  der  Nasenhöhle,  vor  der  kraniofacialen  Spalte;  jederseits  ein 
Centrum  im  Planum  antorbitale;  jederseits  zwei  Centra  am  Dach  der  Vorhofskapsel 
über  der  Apertura  nasalis  externa,  eins  am  unteren  Rande  dieser  Apertura,  eins  in 
der  unteren  Wand  der  Vorhofskapsel,  und  endlich  ein  unpaariges  am  Dach  der  Vor- 
hofskapsel. Die  Cartilago  praenasalis  verknöchert  von  einem  unpaaren  und  zwei 
paarigen  Centren  aus.  Die  Verknöcherung  der  unteren  Wand  der  Vorhofskapsel 
hängt  frühzeitig  zusammen  mit  dem  Proc.  palatinus  oss.  maxillaris;  Süschkin  hält 
es  für  möglich,  daß  hier  die  Deckknochenossifikation  auf  den  Knorpel  übergreift. 
Dasselbe  ist  vielleicht  auch  der  Fall  vorn  lateral  am  Pränasalknorpel:  hier  entsteht 
die  Verknöcherung  im  Zusammenhang  mit   dem  Proc.  palatinus  oss.  praemaxillaris. 

Bei  Gallus  ist  nach  Parker  noch  9  Monate  nach  dem  Ausschlüpfen  das 
Nasenskelett,  abgesehen  von  dem  Mesethmoid,  knorpelig.  Die  Verknöcherung  scheint 
auch  lange  nicht  so  vollständig  zu  werden  wie  bei  Tinnunculus,  was  offenbar  mit 
der  Art  der  Nahrung,  die  an  das  Ethmoidalskelett  von  Tinnunculus  größere  An- 
forderungen stellt,  zusammenhängt.     Der  Pränasalknorpel  geht  bei  Gallus  zu  Grunde. 


814  E.  Gaupp, 

Als  Deckknocheu  im  Gebiete  des  neuralen  Cianiuins  entstehen: 
Parietale,  Frontale,Nasale,Squamosuin,  Praefrontale, 
Z  y  g 0 m a t i c u m  (alle  paarig),  Parasphenoid  (dreiteilig  entstehend, 
dann  unpaar  werdend),  Vom  er  (paarig  entstehend,  dann  unpaar  werdend), 
Praem axillare  (wie  Vomer),  M axillare  (paarig).  Dazu  kommen 
einige  accessorische,  nicht  bei  allen  Formen  konstante  Knochen.  Die 
Deckknochen  des  Schädelgewölbes  entstehen  spät,  infolge  der  starken 
Entwickelung  des  Gehirns  in  frühen  Stadien. 

Das  Parietale  entsteht,  wie  Tonkoff's  Modell  (Fig.  393)  zeigt,  beim  Hühn- 
chen lateral,  am  oberen  Rande  der  Ohrkapsel,  ziemlich  weit  hinten.  Von  hier 
wuchert  es  nach  innen;  sein  hinterer  Rand  stützt  sich  später  auf  das  Tectum  syn- 
oticum  resp.  das  Supraoccipitale. 

Das  Frontale  entsteht  ebenfalls  lateral  (Fig.  393).  Mit  seinem  hinteren  Ab- 
schnitt bildet  es  sich  über  dem  oberen  Rande  des  Sphenolateralknorpels,  mit  seinem 
vorderen  Abschnitt  legt  es  sich  auf  den  Processus  tectalis  und  das  Dach  der  Nasen- 
kapsel. Es  ist  somit  sehr  ausgedehnt.  Von  dem  hinteren  breiten  Abschnitt  ist  der 
äußere  Rand  als  sog.  Proc.  orbitalis  ventralwärts  abgebogen  und  hilft  so  die  mediale 
Wand  der  ürbito-temporalhöhle  bilden. 

Das  Nasale  bildet  sich  als  Belegknochen  auf  dem  Dach  des  hinteren  Ab- 
schnittes der  Nasenkapsel. 

Das  S  quam  OS  um  (Fig.  393)  erscheint  als  Deckknochen  vorn  und  seitlich  in 
der  Oticalregion.  Sein  unterer  Rand  stützt  sich  auf  den  Vorsprung,  der  an  der 
Ohrkapsel  durch  den  äußeren  Bogengang  bewirkt  wird,  der  aufsteigende  Vorderrand 
liegt  dem  oberen  Rande  des  hinteren  Abschnittes  der  8phenolateralplatte  an.  Es 
erreicht  eine  ziemlich  beträchtliche  Ausdehnung  und  gewinnt  mit  seinem  oberen  Ab- 
schnitt auch  Anteil  an  der  direkten  Begrenzung  des  Cavum  cranii.  Die  vordere 
Ecke  seines  unteren  Randes,  die  außen  vom  proximalen  Ende  des  Palatoquadratums 
liegt,  bildet  eine  Gelenkfläche  für  den  lateralen  Gelenkhöcker  dieses  Endes  aus. 

Bei  Tinnunculus  wird  der  Articularfortsatz  des  Squamosums  außen  durch  den 
Knorpel  des  Occipitalf lügeis  überwachsen. 

Das  Praefrontale  (Lacrimale  Autt.)  entsteht  als  Deckknochen  am  vorderen 
Rande  der  Orbita  (Fig.  393).  Mit  seinem  medialen  Rande  legt  es  sich  dem  hinteren 
Teil  des  Ethmoidalskelettes  an.  Ein  supraorbitaler  Abschnitt  bedeckt  den  vorderen 
Teil  des  Augapfels.  Die  Homologie  dieses  Knochens  mit  dem  Praefrontale  der  Rep- 
tilien ist  kaum  zu  bezweifeln. 

Das  Zygomaticum  entsteht  bei  Gallus  als  Verknöcherung  in  der  binde- 
gewebigen Jochbogenanlage  zwischen  Quadratojugale  und  Maxillare.  Bei  Tinnun- 
culus fehlt  es. 

Das  Parasphenoid  der  Vögel  zeigt  die  sehr  wichtige  und  interessante  Be- 
sonderheit, daß  seine  Anlage  eine  3-fache  ist.  Der  vordere  unpaare  Teil  (Rostrum 
parasphenoid  ei)  entsteht  unter  dem  ventralen  Rande  des  Septum  interorbitale 
vor  der  Hypophysengrube;  die  beiden  lateralen  Querschenkel  entstehen  als  Ossa 
basitemporalia  Autt.  selbständig  am  Ventralumfang  der  Basalplatte  und  der 
Ohrkapsel,  vor  der  Pars  cochlearis  capsulae  auditivae  jeder  Seite.  Später  verwachsen 
alle  3  Teile  miteinander.  Der  Rostrumabschnitt  wächst  nach  hinten,  schließt  als 
breite  Platte  die  Hypojahysengrube  von  unten  (vorübergehende  Durchbohrung  durch 
den  Hypophysenstiel)  und  wuchert  auch  an  den  Wänden  der  Hypophysengrube  in 
die  Höhe.  Von  dem  Parasphenoid  geht  die  Verknöcherung  des  Basisphenoids  aus, 
so  daß  es  in  späteren  Stadien  untrennbar  mit  den  Ersatzknocheu  der  Schädelbasis 
verbunden  ist. 

Der  Vomer  entsteht  paarig  am  unteren  Rande  des  Septum  nasi,  wird  aber 
dann  bald  durch  Verschmelzung  beider  Hälften  unpaar.  Er  bleibt  bei  Tinnunculus 
zeitlebens  selbständig,  d.  h.  er  verschmilzt  nicht  mit  anderen  Knochen. 

Das  Praemaxillare  entsteht  als  paarige  Verknöcherung  am  Pränasalknorpel 
(Fig.  393).  Die  beiderseitigen  Knochen  verschmelzen  bald  und  bilden  hauptsächlich 
den  Oberschnabel.  Beiderseits  verwachsen  bei  Tinnunculus  die  Vorderenden  der 
Palatina  mit  dem  Zwischenkiefer.  Auch  mit  dem  Ethmoidalskelett  tritt  bei  Tin- 
nunculus Verwachsung  ein. 

Das  Maxillare  entsteht  ventral  vom  Vorhofsteil  der  Nasen  kapsei  über  der 
Mundschleimhaut  (Fig.  393).  Der  Körperabschnitt  bleibt  sehr  klein  und  entsendet 
einen  Proc.  palatinus  und  einen  Proc.  zygomaticus.  Der  Proc.  palatinus  verwächst 
bei  Tinnunculus  später  mit  der  verknöcherten  unteren  Nasenkapselwand  und  an 
seinem  Innenrand  mit  dem  entsprechenden  Fortsatz  des  anders&eitigen  Knochens. 
Auch  das  Nasale  verwächst  mit  dem  Maxillare. 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  815 

Zu  den  inkonstanten  Elementen  gehören  zunächst  Verknöcherungen,  die 
im  membranösen  Teil  des  Gehörganges  auftreten,  in  wechselnder  Zahl  und  Lage 
entweder  selbständig  bleiben  oder  später  mit  benachbarten  Ersatzknochen  verschmel- 
zen (Gadow).  Sie  wurden  für  Reste  eines  Anulus  tympanicus  gehalten,  eine  Vor- 
stellung, der  Gadow  wohl  mit  Recht  entgegentritt.  —  Ferner  bildet  sich  bei  vielen 
Vögeln  ein  als  Siphon  i um  bezeichnetes  Knöchelchen,  in  der  Umgebung  des  Ganges, 
der  die  Luft  aus  dem  Cavum  tympani  in  den  Unterkiefer  leitet. 

Das  P  a  1  a  1 0  q  u  a  d  r  a  t  u  111  verknöchert  als  0  s  q  ii  a  d  r  a  t  ii  m .  Von 
den  Knochen  des  Pterygopalatinbogeus  bewahrt  nur  das  Pterygoid 
noch  eine  Andeutung  davon,  daß  es  ursprünglich  als  Deckkuochen 
der  Pars  palatina  Palatoquadrati  entstand,  das  Palatinum  hat  infolge 
der  Reduktion  dieser  Pars  palatina  jede  Beziehung  zu  knorpeligen 
Teilen  verloren.  Das  Q  uadratoj  ugale  zeigt  ebenfalls  die  Natur 
eines  Deckkuochens  am  Palatoquadratum  nur  noch  angedeutet. 

Das  Pterygoideum  bildet  sich  am  Dach  der  Mundhöhle;  von  dem  Proc. 
orbitalis  des  Palatoquadratum,  der  dorsal  von  ihm  in  etwa  gleicher  Richtung  zieht, 
bleibt  es  durch  einen  größeren  Zwischenraum  getrennt.  Sein  hinteres  Ende  erreicht 
das  Quadratum,  und  zwischen  beiden  Skelettstücken  bildet  sich  eine  Gelenkverbin- 
dung aus.  Das  vordere  Ende  tritt  in  Verbindung  mit  dem  Palatinum  und  kommt 
auch  dem  Rostrum  des  Parasphenoids  sehr  nahe.  Die  Gleitverbindung  des  Pterygo- 
palatinbogeus mit  dem  Rostrum  wird  aber  bei  Tinnunculus  ausschließlich  durch  das 
Palatinum  hergestellt.  Das  Pterygoid  bleibt  zeitlebens  selbständig  und  erlangt  bei 
vielen  Vögeln  eine  Gelenkverbindung  an  einem  Proc.  basipterygoideus  der  Schädel- 
basis,   lieber  Form  und  Lage  dieser  Verbindung  s.  Gadow. 

Das  Palatinum  entsteht  ohne  jede  Beziehung  zu  knorpeligen  Teilen  am  Dach 
der  Mundhöhle  unter  der  Schleimhaut.  Mit  dem  medialen  Rande  seines  hinteren 
verbreiterten  Abschnittes  nähert  es  sich  im  Laufe  der  Entwickelimg  dem  Rostrum 
des  Parasphenoids  und  geht  mit  diesem  eine  Gleitverbindung  ein,  außerdem  verbindet 
sich  das  hintere  Ende  mit  dem  Pterygoid,  doch  ohne  mit  ihm  zu  verschnielzen.  Der 
vordere  schmale  Teil  wächst  weit  nach  vorn  hin  aus  und  verwächst  ventral  von  dem 
Vorhofsteil  der  Nasenkapsel  mit  dem  Praeraasillare. 

Das  Quadratojugale  entsteht  nach  Süschkin  als  Verknöcherung  in  dem 
schon  vorher  in  bindegewebigem  Zustand  erkennbaren  Jochbogen.  Die  Verknöcherung 
beginnt  am  hinteren  Ende;  zwischen  dem  letzteren  und  dem  Quadratum  bildet  sich 
eine  Artikulation  aus,  für  die  das  Quadratojugale  den  Gelenkkopf  liefert. 

Knochen  im  Gebiete  des  Unterkiefers  und  des  Hyobranchialskelettes. 

Der  Meckel' sehe  Knorpel  läßt  durch  Ossifikation  seines  proxi- 
malen Endes  das  Articulare  entstehen,  während  in  dem  distalen 
Ende  ein  selbständiges  Me  nto mandibular  e  auftritt.  Von  beiden 
geht  bei  Tinnunculus  der  Ersatz  des  gesamten  MECKEL'schen  Knorpels 
durch  Knochen  vor  sich.  Beide  Ersatzknochen  bleiben  aber  nicht 
selbständig,  sondern  vereinen  sich  mit  den  schon  früher  aufgetreteneu 
Deckkuochen.  Als  solche  entstehen  bei  Tinnunculus:  Dentale, 
Angulare,  Supraangulare,  Operculare  (Praeoperculare?), 
Com  pl  era  en  tar  e  (Fig.  395).  Sie  alle  büßen  ihre  Selbständigkeit 
ein  und  verschmelzen  untereinander  und  mit  den  Ersatzknochen. 
Beide  Dentalia  vereinen  sich  durch  Verknöcherung  der  Symphyse. 

Die  Deckknochen  sind  schon  beim  Ausschlüpfen  des  Vogels  fertig  gebildet, 
die  Ersatzknochen  treten  dagegen  erst  einige  Zeit  danach  auf.  Auch  die  Verschmel- 
zung beider  Unterkieferhälften  erfolgt  erst  nach  dem  Ausschlüpfen ;  die  Angabe, 
daß  das  Dentale  von  vornherein  unpaar  auftritt,  hat  also  für  Tinnunculus  (und  auch 
für  Gallus)  keine  Giltigkeit.  Das  Supraangulare  bildet  ein  Foramen  für  den  dritten 
Trigeminusast.  Den  als  Complementare  bezeichneten  Deckknochen  findet  Suschkin 
am  inneren  Umfang  des  Unterkiefers,  in  dem  Winkel,  den  der  MECKELsche  Knorpel 
mit  seinem  Proc.  angularis  internus  bildet.  Beim  Hühnchen  findet  der  Knochen  durch 
Parker  keine  Erwähnung,  auch  das  ToNKOFF'sche  Modell  zeigt  ihn  nicht.  Eine  sog. 
mandibulare  Fontanelle  zwischen  den  Deckknochen  in  der  hinteren  Hälfte  des  Unter- 
kiefers bleibt  bei  Tinnunculus  wie  auch  bei  vielen  anderen  Vögeln  bestehen  (s.  Magnus). 


816  E.  Gaupp, 

In   der  Kapsel  des   Kiefergelenks    bilden    sich    bei    einigen    Familien  (Krähen  u,  a.) 
zwei  kleine  Ossifikationen  (Magnus). 

Als  zum  Zungenbeinbogen  gehörig  wurde  oben  zunächst  die 
Columella  auris  geschildert.  Diese  ist  bei  Tinnunculus  noch  beim 
Ausschlüpfen  aus  dem  Ei  knorpelig;  bald  darauf  verknöchert  ihre 
innere  Hälfte,  als  Stapes.  Die  Verknöcherung  beginnt  von  dem  dünnen 
Stiel  aus  und  setzt  sich  auf  die  Fußplatte  fort.  Die  laterale  Hälfte 
mit  den  verschiedenen  Fortsätzen  bleibt  knorpelig  und  führt  beim 
erwachsenen  Vogel  die  Bezeichnung  Extracolumella.  Längere  Zeit 
nach  dem  Ausschlüpfen  verknöchern  auch  die  Keratohyalia.  Beide 
Centra,  anfangs  selbständig  lateral  auftretend,  verschmelzen  zu  einem 
unpaaren  Knochenstück,  von  dem  nur  die  vordere  in  die  Zunge  ein- 
ragende Spitze  knorpelig  bleibt.  Es  bildet  das  Os  entoglossum 
des  erwachsenen  Vogels,  dessen  mediane  Durchbohrung  noch  (bei 
Tinnunculus  und  vielen  anderen  Vögeln)  die  Genese  aus  zwei  ver- 
schmolzenen Hälften  andeutet. 

Das  K  e  r  a  t  o  b  r  a  n  c  h  i  a  1  e  und  das  Epibranchiale  jeder  Seite 
verknöchern  selbständig,  von  der  Mitte  ihrer  Länge  aus,  das  obere 
Viertel  des  Epibranchiale  bleibt  bei  Tinnunculus  zeitlebens  knorpelig. 

Beide  Copulae  verknöchern  bei  Tinnunculus  selbständig  und 
verwachsen  schließlich  untereinander.  Das  hintere  Viertel  der  zweiten 
Kopula  bleibt  zeitlebens  knorpelig.  Die  Verwachsung  der  Copulae 
unterbleibt  bei  vielen  Vögeln. 

Säuger. 

Arbeiten,  die  sich  mit  der  Entwickelung  des  Säuger-  und  Men sehen schäd eis 
beschäftigen,  liegen  in  großer  Menge  vor.  Zusammenhängende  Darstellungen 
von  der  Entstehung  des  Gesamtschädels  gaben  vor  allen  Kölliker  (1850,  1879), 
DuRSY  (1869),  Parker  (1874,  1885),  Hannover  (1880);  wesentlich  das  Primordial- 
cranium  behandeln  Jacobson  (1842),  Spöndli  (1846),  Decker  (1883),  Jacoby  (1895), 
Levi  (1900),  Fischer  (1901  u.  1903);  von  Abhandlungen,  die  hauptsächlich  die 
Schädelknochen  betreffen,  sind  die  auf  den  Menschen  bezüglichen  von  J.  F.  Meckel, 
Eambaud  u.  Renault  sowie  von  Toldt  in  erster  Linie  zu  nennen.  Dazu  kommt 
eine  sehr  große  Anzahl  von  Arbeiten,  die  sich  mit  bestimmten  Abschnitten  des 
Schädels  oder  mit  einzelnen  Knochen  befassen,  darunter  viele,  die  nur  gelegentliche 
Beobachtungen  über  abnorme  Befunde  an  Knochen  mitteilen  und  eutwickelungs- 
geschichtliche  Betrachtungen  daran  knüpfen.  Sie  sind  in  den  speciellen  Abschnitten 
wenigstens  teilweise  erwähnt  —  Vollständigkeit  war  dabei  nicht  beabsichtigt.  Speziell 
für  den  Menschen  liegen  zusammenfassende  Darstellungen,  vielfach  durch  eigene 
Beobachtungen  ergänzt,  auch  in  Lehr-  und  Handbüchern  vor  (J.  F.  Meckel, 
Sappey,  Graf  Speb,  Le  Double  u.  A.);  für  die  Verhältnisse  des  ausgebildeten 
Säugerschädels  s.  besonders  M.  Weber. 

I.  Primordialcranium. 

Neurales  Priinordialcraniuiii. 

Die  Verknorpelung  des  Primoidialcraniums  beginnt  nach  Kölliker 
beim  Kaninchen  am  14.  und  15.  Tage  des  Fötallebens;  am  16.  Tage 
ist  der  Knorpelschädel  bereits  fast  ganz  angelegt.  Die  Knorpelbildung 
beginnt  an  der  gesamten  Schädelbasis  und  den  unteren  Seitenteilen 
des  Schädels,  ferner  im  Septum  nasi  wie  in  den  Seitenteilen  der 
Ethmoidalgegend  gleichzeitig;  das  Chondrocranium  entsteht  hier  auf 
einmal  und  wie  aus  einem  Guß.  Doch  kann  der  einmal  gel)ildete 
Knorpelschädel  noch  wachsen.  Jacoby  (1895)  führt  die  Gleichzeitig- 
keit der  Verknorpelung  darauf  zurück,  daß  das  Kaninchen  zur  Zeit 
der  Entwickelung  seines  Primordialcraniums,  d.  i.  in  der  Mitte  seines 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  817 

intrauterinen  Lebens,  im  allgemeinen  eine  sehr  rasche  und  gedrängte 
Entwickelung  erkennen  läßt.  Beim  Menschen  beginnt  die  Verknorpelung 
des  Schädels  im  zweiten  Monat ;  in  der  ersten  Hälfte  des  dritten 
Monats  ist  die  Stufe  der  höchsten  Ausbildung  des  Chondrocraniums 
erreicht,  von  da  an  wäclist  der  Schädel  gleichmäßig  (Levi).  Es  treten 
verschiedene  Knorpelkerne  zu  verschiedenen  Zeiten  auf  und  vergrößern 
sich  mit  verschiedener  Geschwindigkeit. 

Die  Knorpelbildung  nimmt  in  der  Umgebung  des  vorderen  Ab- 
schnittes der  Chorda  dorsalis  ihren  Anfang  und  führt  hier  zur  Ent- 
stehung der  Basalplatte,  die  die  Grundlage  der  Schädelbasis  bis 
zur  Hypophysen  grübe  darstellt.  Von  Froriep  ist  an  Wiederkäuer- 
embryonen (Schaf  und  Rind)  gezeigt  worden,  daß  ihr  hinterer,  occi- 
pitaler,  Anteil  durch  Einschmelzung  von  4  Wirbeläquivalenten  ent- 
steht. Nur  das  letzte  dieser  Wirbeläquivalente  gestaltet  sich  zu  einer 
in  allen  Charakteren  wohlentwickelten  Wirbelanlage,  die  im  ganzen 
Verlauf  der  Entwickelung  bis  zur  Herstellung  des  definitiven  Zustandes 
mehr  oder  weniger  deutlich  von  dem  kranialwärts  sich  anschließenden 
Gebiet  zu  unterscheiden  ist.  In  letzterem  ist  die  Zusammensetzung 
aus  einzelnen  Wirbeln  schon  in  der  ersten  Anlage  nur  spurweise  an- 
gedeutet :  das  unmittelbar  perichordal  gelegene  Gewebe  ist  gleichmäßig 
verdichtet,  geht  aber  lateral  in  besondere  verdichtete  Streifen  zwischen 
den  Myotonien  über,  die  gewissermaßen  Reste  primitiver  Wirbelbogen 
bilden.  Es  sind  3  solcher  Bogen  vorhanden:  zwischen  den  3  vordersten 
metotischen  Myotonien  und  vor  dem  ersten  derselben.  Auf  der  Grenze 
zwischen  3.  und  4.  metotischem  Myotoin  liegt  der  Bogen  des  hintersten 
Occipitalwirbels.  Zu  den  Myotonien  treten  3  spino-occipitale  Nerven 
(Hypoglossuswurzeln),  von  denen  jedoch  nur  die  2  hintersten  auch 
Reste  der  dorsalen  Wurzeln  besitzen. 

Die  Entwickelung  des  hintersten  Occipitalwirbels  der  Wiederkäuer  vollzieht 
sich  analog  der  der  Halswirbel.  Im  primitiven  Zustand  der  embryonalen  Wirbelsäule 
besteht  seine  Anlage  aus  einer  verdichteten  Gewebsplatte,  die  axial  an  der  Chorda- 
scheide befestigt  ist  und  lateral  zwischen  das  3.  und  4.  metotische  Myotom  eingreift. 
Durch  Schwund  des  perichordalen  Teiles  verliert  der  Bogen  seine  Befestigung  an 
der  Chordascheide,  und  der  unmittelbar  kaudal  davon  sich  bildende  Körperknorpel 
fließt  sofort  mit  dem  Knorpelgewebe  zusammen,  das  im  Körpergebiet  des  vorderen 
ungegliederten  Occipitalteiis  entsteht.  Beide  von  der  Chorda  abgetrennte  Bogenteile 
werden,  wie  an  den  Halswirbeln,  vorübergehend  durch  eine  hypochordale  Gewebs- 
spange  untereinander  verbunden.  Etwas  später  werden  auch  die  Bogenmassen  in 
Knorpel  umgewandelt,  zuerst  die  des  hintersten  Occipitalwirbels,  dann  auch  die 
des  ungegliederten  Abschnittes,  und  Körper-  und  Bogenmasse  der  Occipitalregion 
fließen  zu  einer  umfangreichen  Knorpeleinheit  zusammen,  an  der  nur  die  Hypo- 
glossuskanäle  die  ursprüngliche  Gliederung  andeuten.  Im  Sinne  Fürbringers  sind 
die  3  ersten  occipitalen  Myotonie  als  a,  b,  c  zu  bezeichnen ;  die  hintere  Schädel- 
grenze der  Säuger  liegt  an  gleicher  Stelle  wie  die  der  anderen  Amnioten  (s.  die 
Tabelle  auf  S.  598).  Bei  der  Ratte  liegen  die  Dinge  etwas  anders  als  beim  Rind: 
der  hinterste  Occipitalwirbel  besteht  nur  aus  eijiem  ventral  von  der  Chorda  geschlossenen 
Bogenpaar ;  ein  Körperabschnitt  wird  in  den  Schädel  nicht  einbezogen  (Weiss). 
Auch  beim  Menschen  sind  embryonal  3  Hypoglossuswurzeln  vorhanden,  von 
denen  später  die  beiden  kleineren  kranialen  zu  einer  einzigen  verschmelzen  (Levi). 
Das  Foramen  Hypoglossi  findet  Jacoby  bereits  im  Chondrocrauium  des 
Embrvo  von  30  mm  Scheitelsteißlänge  einheitlich. 


'o^ 


Die  Seitenteile  der  Occipitalregion  sind  bei  Säugern 
nicht  mehr  steil  aufgerichtet,  sondern  nach  hinten  hin  basalwärts  nieder- 
gelegt, am  stärksten  und  vollkommensten  beim  Menschen.  Zwischen 
ihnen  und  den  Ohrkapseln  bleibt  jederseits  das  For.  j  ugu  lare, 
für  die  Glossopharyngeus-Vagus-Gruppe  und  die  V.  jugularis.  Hinter 
dem  Foramen  verbindet   sich  der  Occipitalpfeiler   mit   dem   kaudalen 

Handbuch  der  Entwickelungslehre.     III.  2.  52 


818  E.  Gaupp, 

Umfang  der  Ohrkapsel  und  geht  zugleich  in  eine  breite  Knorpelplatte 

über,  die  das  Foramen  occipitale  magnum  dorsal  resp.  hinten  abschließt, 

jederseits   auch   mit   den    Ohrkapseln    zusammenhängt    und    unschwer 

als  dem  Tectum  synoticum  der  niederen  Vertebraten  entsprechend 

zu  erkennen    ist.     Beachtung    verdient    ihre    Lage :    bei    den    meisten 

Säugern  steht  sie  vertikal,    eine  Fläche  nach  hinten,  die   andere   nach 

vorn  kehrend,  beim  Menschen  ist  sie  noch  weiter  basalwärts  umgelegt 

und  kehrt  die  Fläche,  die  früher  dorsalwärts  blickte,  ventralwärts.     In 

der  starken  Verbreiterung  dieser  Platte  und  in  ihrer  Stellungsänderung 

ist  zunächst  der  Einfluß  der  Volumszunahme  des  Gehirns  zu  erkennen, 

beim  Menschen  kommt  noch  die  basale  Lagerung  der  Condyli  occipitales, 

die  Umstellung    der  Ebene   des   Foranien    occipitale    magnum,    hinzu, 

eine  Erscheinung,  die  mit  dem  aufrechten  Gang  in  Zusammenhang  zu 

bringen  ist. 

Das  Tectum  synoticum,  das  wohl  mit  mehr  Recht  der  Oticalregion  zu- 
zuzählen ist,  entwickelt  sich  beim  Menschen,  wie  Bolk,  zum  Teil  in  Bestätigung 
von  Angaben  von  Bessel  Hagen,  gezeigt  hat,  in  eigentümlicher  Weise.  Zuerst 
entsteht,  wie  es  scheint  durch  selbständige  Verknoriaelung,  eine  quergelagerte  schmale 
Deckenspange,  die  sich  beiderseits  mit  der  Ohrkapsel,  resp.  der  sog.  Parietalplatte 
in  Verbindung  setzt.  Sie  hat  mit  der  Umrandung  des  For.  occipitale  magnum  nichts 
zu  thun,  sondern  liegt  erheblich  weiter  dorsal  resp.  vorn.  An  ihren  hinteren  Rand  schließt 
sich  die  Membrana  spinoso-occii^italis  an,  die  lateral  an  den  Ohrkapselu  und  den 
Seitenteilen  der  Occipitalregion  haftet  und  sich  kaudalwärts  in  die  Membran  fort- 
setzt, die  um  diese  Zeit  noch  die  Wirbelbogenhälften  untereinander  verbindet  und 
so  den  dorsalen  Abschluß  des  Wirbelkanals  bildet.  Die  dorsale  Umrandung  des 
For.  occipitale  magnum  kommt  so  zu  stände,  daß  in  diese  Membran  hinein  von  dem 
kaudalen  Umfang  der  Ohrkapseln  und  den  Occipitalpfeilern  aus  Knorpelplatten 
vorwachsen  und  sich  schließlich  in  der  Medianlinie  bis  auf  eine  von  hinten  her  ein- 
springende Incisura  occipitalis  posterior  vereinigen.  Die  so  gebildete  breite  Brücke 
bleibt  von  der  erstentstandenen  Spange  durch  eine  merabranös  geschlossene  Lücke 
getrennt,  in  deren  Verschlußgewebe  vorübergehend  ein  paariger  Knorpelkern  auf- 
tritt. D{;gegen  verknöchert  später  dieses  Gewebe  (s.  Supraoccipitale).  Auch  vor 
der  primären  Deckenspange  tritt  noch  ein  bald  wieder  verschwindender  Knorpelkern 
auf.  —  Das  Tectum  entwickelt  sich  somit  beim  Menschen  nicht  als  einheitliche 
Bildung,  sondern  aus  mehreren  Stücken  und  wird  auch  nicht  in  ganzer  Ausdehnung 
knorpelig.  Beide  Erscheinungen  lassen  sich,  wie  auch  Bolk  meint,  mit  der  starken 
Entwickelung  des  Gehirnes  in  Zusammenhang  bringen.  Letztere  bedingt  eine  starke 
Verbreiterung  der  Schädelhöhle  und  die  Niederlegung  der  Ohrkai^seln.  Aber  während 
an  anderen  Teilen  des  Schädels,  z.  B.  an  den  vorderen  Teilen  der  Decke  oder  an 
der  orbitotemporalen  Schädelseiten  wand  das  Chondrocranium  unter  dem  andrängenden 
Gehirn  überhaujjt  schwindet,  erhält  sich  das  Tectum  synoticum  auch  bei  den  Säugern 
und  erfährt  sogar  durch  die  neue  ihm  erwachsende  Aufgabe  den  Antrieb  zu  ver- 
stärkter Entwickelung,  indem  es  die  laterale  Begrenzung  des  Uavum  cranii  mitüber- 
nehmen hilft.  So  erweist  es  sich  bei  den  Säugern  als  ein  progredienter  Abschnitt 
des  Chondrocraniums  (Gaupp  1900j.  Die  Entwickelungsvorgänge  beim  Menschen 
können  dann  dahin  gedeutet  werden,  daß  dieser  progredienten  Entwickelungsfähigkeit 
auch  Grenzen  gesteckt  sind  :  das  Tectum  kommt  nicht  mehr  zur  völligen  Verknorpe- 
lung.  Um  seine  etappenweise  erfolgende  Ausbildung  ganz  zu  verstehen,  wäre  es 
nötig,  die  Wachstumsverhältnisse  in  der  hinteren  Schädelgegend  genauer  festzustellen. 

Allan  to  -  occipitalgelenke.  An  der^  Bildung  der  Atlanto- 
occipitalgelenke  beteiligen  sich  beim  Rind  von  dem  hintersten  Occipital- 
wirbel  sowohl  die  sehr  breite  Körpermasse  wie  die  Bogenmassen,  vom 
1.  Halswirbel  dagegen  nur  die  Bögen  (Froriep).  Eine  interessante 
Beobachtung  macht  E.  Fischer  (1901):  bei  Maulwurfembryonen  be- 
steht nur  eine  einzige  Gelenkspalte,  in  die  die  ganze  hufeisenförmig 
den  vorderen  Umfang  des  Hinterhauptsloches  umsäumende  Randzone 
der  Basalplatte  blickt.  Wie  hieraus  der  definitive  Zustand  hervorgeht, 
wurde  noch  nicht  beobachtet,  auch  darüber,  in  welchem  Umfange 
andere  Säuger  Aehnliches  zeigen,  ist  noch  nichts  bekannt.  Für  Echidna 
kann  ich  Fischer's  Beobachtung  bestätigen. 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  819 

Die  erwähnte  Thatsache  bestätigt  die  von  mir  schon  früher  bestimmt  ausge- 
sprochene Autfassung,  daß  zwischen  dem  monocondylen  Typus  der  Sauropsiden  und 
dem  dicondylen  derMammaHa  eine  unüberbrückbare  Khift  nicht  besteht.  Schon  die 
Uebereinstimmung  des  Grundplanes  in  der  Bildung  der  kranio-vertebralen  Verbindung 
bei  allen  Amnioten  ist  so  groß  (Dens  epistrophei,  Lig.  apicis!),  daß  dagegen  die 
Differenz,  die  in  dem  einfachen  oder  doppelten  Condylus  liegt,  zurücktritt.  Fischer's 
Befund  läßt  nun  auch  diese  Differenz  als  noch  weniger  wichtig  erscheinen.  Auch 
die  Paläontologie  (Osborn)  ist  zu  dem  Schluß  gekommen,  daß  der  monocondyle 
Sauropsiden-  und  der  dicondyle  Säugertypus  nicht  unvermittelt  bestehen,  sondern 
gemeinsame  Ausgangsformen  (dreiteiliger  Condylus)  haben.  Damit  befestigt  sich  die 
Auffassung,  daß  die  hintere  Schädelgrenze  bei  allen  Amnioten  an  gleicher  Stelle 
hegt,  und  der  Säugerschädel  entfernt  sich  weiter  von  dem  Amphibienschädel,  mit 
dem   man  ihn  auf  Grund  der  doppelten  Hinterhauptscondyli  zusammengestellt  hat. 

Der  vordere  (Otical-) Abschnitt  der  Basalplatte  verknorpelt,  nach 
Levi,  beim  Menschen  selbständig;  anch  ein  Befund  Froriep's  (1882) 
beim  menschlichen  Embryo  spricht  dafür.  Doch  erfolgt  eine  völlige 
Verschmelzung  beider  Abschnitte  zu  einer  durchaus  einheitlichen 
knorpeligen  Platte,  die  erst  durch  die  später  erfolgende  Ossifikation 
wieder  in  2  Teile  (Basioccipitale  und  Basisphenoid)  zerlegt  wird.  Daß 
diese  beiden  neuen  Teile  den  beiden  ursprünglichen,  genetisch  selb- 
ständigen entsprechen,  daß  somit  der  Basalteil  des  späteren  Occipitale 
den  ursprünglich  gegliederten  Schädelabschnitt  repräsentiert,  ist  bisher 
durch  keine  Beobachtung  belegt.  Der  vordere  Rand  der  Basalplatte 
erhebt  sich  als  Dorsum  sellae  dorsal  von  dem  vordersten  Ende 
der  Chorda  dorsalis.  Ein  For.  n.  abducentis  besteht  in  der  Basal- 
platte niclit,  der  Nerv  läuft  dorsal  von  der  letzteren  nach  vorn  zur 
Fissura  orbitalis  superior.  (Bei  Semnopithecus  fand  Fischer  eine 
Andeutung  eines  For.  n.  abducentis.) 

Chorda  dorsalis.  Basalplatte.  Was  die  Beziehungen  der  Chorda  dorsalis 
zur  Basalplatte  anlangt,  so  sind  dieselben  für  das  Kaninchen  durch  Mihalkovics 
und  Paulisch,  für  den  Menschen  durch  H.  Müllee,  Dürsy,  Kölliker,  Feoriep 
genau  bekannt  geworden;  bei  Müller,  Kölliker,  sowie  bei  einigen  anderen  Autoren 
(Neuner  u.  a.)  finden  sich  auch  Angaben  über  einige  andere  Säuger. 

Beim  Kaninchen  umkreist  der  Schilderung  von  Mihalkovics  zufolge  nach 
Eintritt  der  Kopfbeuge  (Embryo  von  5  mm)  die  Chorda  das  blinde  Ende  des  Kopf- 
darmes und  endet  unterhalb  des  hinteren  Abschnittes  der  Vorderhirnbasis  an  der 
oberen  Abgangsstelle  der  Kachenhaut.  Sie  ist  bis  nach  vorn  hin  in  embryonales 
Bindegewebe  eingebettet,  das  besonders  oberhalb  der  Chordakrümmung  zu  einer  in 
dem  Winkel  zwischen  Hinter-,  Mittel-  und  Vorderhirn  eingekeilten  Masse  (Mittel- 
hirnpolster)  angehäuft  ist.  Vor  der  Abgangsstelle  der  Rachenhaut  berührt  um  diese 
Zeit  das  Vorderhirnbläschen  beinahe  das  Ektoderm,  nur  spärliche  verstreute  sj^indel- 
förmige  Zellen  finden  sich  zwischen  ihnen,  die  später  zur  Anlage  der  Hirnhäute  und 
des  prächordalen  Schädelteiles  werden.  An  der  Stelle  des  Ektoderms,  an  die  sich 
das  vordere  Chordaende  anlegt,  bildet  sich  dann  die  Hypophysis  (RATHKE'sche 
Tasche),  und  im  Anschluß  daran  wächst  zwischen  das  Chordaende  luid  die  letztere 
embryonales  Bindegewebe  ein  und  löst  den  Zusammenhang  zwischen  beiden.  Zwei 
weitere  Veränderungen  folgen  während  der  Abschnürung  des  Hypophysensäckchens, 
Das  vordere  Ende  der  Chorda  krümmt  sich  S-förmig,  und  es  bildet  sich  eine  Chorda- 
scheide aus.  Die  Krümmung  hängt  zusammen  mit  dem  Ausgleich  der  Kopfbeuge: 
mit  dem  prächordalen  Kopfteil  krümmt  sich  auch  das  vorderste  Chordaende  nach 
aufwärts.  Dabei  zieht  es  sich  zu  einer  feinen  Spitze  aus  und  atrophiert  gänzlich, 
und  die  Chorda  endet  jetzt  abgerundet,  in  die  häutioe  Schädelbasis  eingebettet,  an 
der  hinteren  Wand  der  Hypophysen tasche.  Nunmehr  erfolgt  die  Verknorpelung 
des  perichordalen  embryonalen  Bindegewebes;  es  bildet  sich  die  Basal  platte  (Basis 
des  chordalen  Schädelteiles),  und  zwar  beim  Kaninchen  in  der  Art,  daß  in  einem 
kleinen  hinteren  Bezirk  die  Chorda  allseitig  von  Knorpel  umgeben  wird,  in  dem 
größeren  mittleren  Abschnitt  nur  dorsal  und  lateral,  und  in  dem  vordersten  Gebiet 
wieder  allseitig.  Die  Chorda  tritt  also  in  die  Basalplatte  nahe  dem  dorsalen  Umfang 
derselben  ein,  steigt  im  Knorpel  ventralwärts,  dann  aus  demselben  heraus  und  läuft 
an  seiner  Ventralfläche  weiter  nach  vorn,  erhebt  sich  dann  aufs  neue  in  den  vorde- 
ren Teil  der  Basalplatte,  durchsetzt  diesen  in  S-förmiger  Krümmung  und  endet  im 
Knorpel    der  Sattellehne    nahe  dem    vorderen   Perichondriura.     Diese   letztere,    die 

52* 


820 


E.  Gaupp, 


definitive  Sattellehne,  entsteht  durch  Verknorpelung  der  Basis  des  Mittelhirn- 
polsters ;  der  größere  Teil  des  genannten  Polsters  bildet  sich  zurück  zu  einem  jdie 
A.  basilaris  einhüllenden  Bindegewebsfortsatz.  (Beim  Embryo  von  Macacus  cyno- 
molgus  fand  Fischer,  daß  die  obere  Randpartie  des  Dorsum  sellae  selbständig  ver- 
knorpelt und  eine  Zeit  lang  von  dem  Rest  des  Dorsum  getrennt  bleibt.)  Weiterhin 
verdickt  sich  die  Chorda  durch  Aufhellung  und  Vergrößerung  ihrer  Zellen  an  der 
Stelle  der  Biegung  innerhalb  des  vorderen  Teiles  der  Basalplatte  zu  einer  querge- 
stellten Scheibe,  die  der  Stelle  der  späteren  Synchondrosis  spheno-occipitalis  ent- 
spricht. Manchmal  ist  noch  eine  zweite,  weiter  vorn  gelegene  Scheibe  vorhanden, 
von  unbekannter  Bedeutung.  Der  Abschnitt  der  Schädelchorda,  der  an  der  Ventral- 
fläche der  Basalplatte  verläuft,  geht  bei  der  Verknöcherung  des  Basioccipitale  zu 
Grunde;  der  vordere  Teil  erhält  sich  aber  noch  lange,  weil  sich  der  basisphenoidale 
Knochenkern  vor    dem   vorderen  Chordaende  anlegt.  —  Bei   manchen  Säugern   ent- 


Kanal  im  Boden  der  Sella  turcica 
(Hypophysengang) 


Gegend  der  Satiellehne 


Lücke  im  Knorjjel 


knorpelige 
Schädelbasis 


Chorda  dorsalis 


Rachenschle  imhaut 


Lig.  apicis 
dentis 

\\.         Körper  des 
Atlas 
(Dens  epistr.) 

Epistropheus 


Vertebra  III 


Fig.  396.  Medianschnitt  durch  das  vorderste  Ende  der  Wirbelsäule  und  den 
hinteren  Teil  der  Schädelbasis  eines  1,75  cm  langen  menschlichen  Embryo,  ungefähr 
aus  der  Mitte  des  2.  Monats.  Kombination  aus  4  Sagittalschnitten.  Vergr.  16:1. 
Nach  Fboeiep. 


wickelt  sich  vorn,  von  dem  Umbiegungsscheitel  der  Kopfchorda  aus,  ein  rostralwärts 
vorspringender  Chordaknopf  (Kaninchen,  Meerschweinchen,  Keibel).  Er  geht 
meist  wieder  zu  Grunde,  bei  Ovis  aries  verknorpelt  er  und  wird  so  in  die  knorpelige 
Basalplatte  eingeschlossen  (Saint-Remy).  —  Beim  Menschen  liegt  nach  Feortep 
von  der  Mitte  des  zweiten  Monats  an,  also  bald  nach  der  Verknorpelung  der  Basal- 
platte, die  Schädelchorda  nur  mit  ihrem  hinteren  und  vorderen  Drittel  in  der  Platte 
selbst,  mit  dem  mittleren  Drittel  aber  am  ventralen  Umfang  derselben  im  retro- 
pharyngealen  Bindegewebe.  Beim  Uebertritt  aus  dem  Zahn  des  Epistropheus  in  die 
Schädelbasis  macht  sie  eine  Krümmung,  die  entsprechend  der  Nackenkrümmung  in 
den  einzelnen  Stadien  verschieden  ist;  die  ventralwärts  konvexe  Krümmung,  durch 
die  sie  aus  der  Schädelbasis  herausgelangt,  entspricht  der  Brückenkrümmung,  die 
am  Schädel  selbst  nicht  ausgeprägt  ist.  Der  hypobasal  gelegene  Chordaabschnitt  ist 
beim  Menschen  ausgezeichnet  durch  Anschwellungen,  die  mit  den  Abschnürungen 
in  der  Wirbelsäule  nicht  einfach  zusammengestellt  werden  dürfen,  auch  keine  Aus- 
kunft über  die  ursprüngliche  Gliederung  der  Platte  geben,  sondern  als  Rückbildungs- 
erscheinungen zu  deuten  sind.  Dieser  Abschnitt  geht  am  frühesten  zu  Grunde.  Das 
hintere  Drittel  erfährt  im  Laufe  der  Entwickelung  eine  Verlagerung  bis  auf  die 
Dorsalseite  der  Platte  und  geht  bei  der  Bildung  des  Basioccipitale  zu  Grunde.     Das 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  821 

vordere  Drittel  steigt  auf  jüngeren  Stadien  von  der  Ventralfläche  her  in  dem  vordersten 
Abschnitt  der  Basaiplatte  auf  und  endet  in  der  Wurzel  des  Dorsum  sellae,  in  kurzer 
Entfernung  hinter  dem  Perichondrium  der  Fossa  hypophyseos.  Auch  dieser  vorderste 
Abschnitt  bleibt  länger  erhalten  als  der  mittlere.  —  Aus  diesen  Schilderungen,  mit 
denen  andere  übereinstimmen,  geht  hervor,  daß  wenigstens  bei  Kaninchen  und  Mensch 
das  vordere  Chordaende  nicht  der  späteren  Synchondrosis  spheno-occipitalis  ent- 
spricht, sondern  in  dem  Gebiet  der  Basalplatte  liegt,  das  später  vom 
ßasisphenoid  occupiert  wird.  — 

Eine  Lückenbi  Idung  im  oticalen  Teil  der  Basalplatte,  die  an  dieFenestra 
basicranialis  posterior  der  lleptilien  erinnert,  ist  von  Weiss  bei  Embryonen 
der  Ratte,   von  Fischer  bei  einem  solchen  von  Semnopithecus   beschrieben  worden. 

Analog  dem  Mittelhirnpolster  findet  sich  bei  Säugererabryonen  auch  unter  dem 
Nachhirn  eine  Verdickung  des  subcerebralen  Bindegewebes  (hinterer  Schädelbalken, 
Kölliker;  Nachhirnpolster,  mihi),  die  später  zur  Bildung  der  Hirnhäute 
aufgebraucht  wird.     An  der  Herstellung  des  Schädels  hat  sie  keinen  Anteil. 

Die  Ohrkapseln  verknorpeln  beim  Menschen  selbständig  (Levi). 
Jede  Kapsel  läßt  beim  Menschen  frühzeitig  2  Teile  unterscheiden : 
ein  oberer  bildet  sich  in  der  Umgebung  des  Vestibulums  und  der 
Bogengänge,  ein  unterer  (cochlearer)  in  der  Umgebung  der  Schnecke. 
Der  obere  Teil  verknorpelt  zuei'st;  die  Schneckenkapsel  verharrt  länger 
in  bindegewebigem  Zustand,  entsprechend  der  Thatsache,  daß  auch  der 
häutige  Ductus  cochlearis  sich  zuletzt  ausbildet.  Nachdem  auch  das 
Gewebe,  das  den  letzteren  umschließt,  in  Knorpel  übergeführt,  und 
so  die  Pars  cochlearis  gebildet  ist,  verschmilzt  die  letztere  innig  mit 
der  bereits  knorpeligen  Basalplatte,  und  zwar  mit  dem  vorderen  Teil 
derselben.  Die  vordere  Kuppel  der  Pars  cochlearis  kommt  sogar 
noch  an  die  Seite  des  hintersten  Teiles  der  Sattelgrube  zu  liegen  und 
verbindet  sich  in  einer  bei  den  verschiedenen  Säugern  verschiedenen 
Weise  mit  dem  Knorpel  an  der  Basis  der  Orbito-temporalregion 
(s.  Orbito-temporalregion).  Die  Längsachse  der  gesamten  Ohrkapsel 
ist  von  hinten  und  außen  nach  vorn  und  innen  gerichtet,  also  gerade 
entgegengesetzt  wie  bei  niederen  Vertebraten.  Das  Verständnis  für 
diese  Erscheinung  wird  erleichtert  durch  die  Lage  des  For.  n. 
facialis:  dasselbe  befindet  sich  nicht  mehr  basal,  zwischen  Basal- 
platte und  Ohrkapsel,  sondern  am  oberen  Rande  der  letzteren,  auf 
der  Grenze  zwischen  der  Pars  vestibularis  und  der  P.  cochlearis 
(Fig.  397  u.  399).  Die  Deutung  kann  nur  dabei  lauten,  daß  die 
P.  cochlearis  aus  den  Gewebsmassen  gebildet  ist,  die  bei  niederen 
Vertebraten  (z.  B.  Amphibien)  noch  den  vordersten  lateralen  Abschnitt 
der  soliden  Basalplatte  bilden.  In  diese  Gewebsmassen  hinein  hat 
sich,  im  Laufe  der  Phylogenese,  der  Ductus  cochlearis  (unterhalb  des 
For.  faciale)  immer  mehr  vorgeschoben,  so  daß  sie  nun  zum  Aufbau 
der  Ohrkapsel  Verwendung  finden.  Das  Ganglion  Trigemini,  das  die 
Lage  der  Incisura  prootica  bestimmt,  liegt  daher  beim  Säuger  auch 
vor  und  über  der  vorderen  Kuppel  der  Pars  cochlearis.  —  Hinter  dem 
For.  n.  faciahs,  am  vorderen  Teil  der  Pars  vestibularis  der  Ohrkapsel, 
verknorpelt  noch  eine  lateralwärts  gesimsförmig  vorspringende  Leiste, 
Grista  parotica  (Proc.  perioticus  superior,  Gradenigo).  Sie  bildet 
das  Tegmen  tympani.  Endlich  entsteht  im  Zusammenhang  mit  der 
dorsalen  Kante  des  hinteren  Ohrkapselabschnittes  die  sogen.  Parle  tal- 
platte (Spöndli),  eine  breite,  in  der  Seitenwand  des  Cavum  cranii 
gelegene  Knorpelplatte,  die  hinten  kontinuierlich  in  das  bereits  ge- 
schilderte Tectum  synoticum,  vorn  bei  vielen  Säugern  (Echidna,  Talpa, 
Erinaceus,  Tatusia,  Dasypus,  Sus,  Bos,  Ovis)  in  die  Commissura  orbito- 
parietalis  übergeht  und  durch  die  letztere  mit  der  Ala  orbitalis  ver- 
bunden wird.  Mit  der  Pars  cochlearis  hängt  die  Commissura  orbito- 
parietalis  nicht  zusammen  (s.  Orbito-temporalregion). 


822 


E.  Gaupp, 


Im  Innern  der  Olirkapsel  bilden  sich  die  3  Sepia  semicircu- 
laria  als  dicke  Knorpelmassen.  Entsprechend  dem  S.  semic.  ant. 
dringt  von  der  medialen  Ohrkapselwaud  aus  dieFossa  subarcuata 
unter  den  vorderen  Bogengang  tief  ein. 


Caps,    nasal.  _ 


Cart.  sphen.-ethm. 

Septiim  nas. 

Fiss.  orb.-nas 

Ala  orbital 

Ala,  tempor 

Blalleus 

Inciis  -jj" 
Comm.  orb.-par.  ;. 

Crisla  parotica 
Caps,  avdit. 
For.  Jug.-spur. 


Incisivnm 

Nasale 

Maxillarc 

-  Zi/giiinatirinu 

Frontale 


Fiss.  orbit.  sup. 
-For.  carot. 


Parietale 

Hiat.  can.  fac. 
Por.  acnst.  int. 
For.  jugnl. 


For.  cndolyinph. 
"'^  Lum.  parietalis 
^-  For.   Hypoglossi 


*  =  For.  ocr.  viagn.  Ted.  synot. 

Fig.  397.  Schädel  eines  Embryo  von  Talpa  europaea  (Scheitel-Steißlänge 
27,3  mm,  Rüekenlänge  von  der  Nase  bis  zur  Schwanzwurzel  42,3  mm) ;  auf  der 
linken  Seite  sind  die  Deckknochen  entfernt.  Nach  einem  bei  30facher  Vergr.  her- 
gestellten Plattenmodell.  Dorsalansicht.  Verhältnis  der  Abbildung  zum  Modell  = 
1:3.    Nach  E.  Fischer. 

Größe  und  Lage  der  Ohrkapsel.  Eine  Besonderheit  der  Ohrkapsel  der 
Säuger  ist  in  ihrer  Kleinheit  und  basalen  Lagerung  gegeben.  Die  Kleinheit  hängt  mit 
der  geringen  Größe  des  häutigen  Labyrinthes  zusammen  und  hat  ihrerseits  wieder 
zur  Folge,  daß  die  Ohrkapsel  nicht  mehr  ausreicht,  um  (wie  etwa  bei  Amphibien) 
die  laterale  Begrenzung  des  Cavum  cranii  zu  übernehmen,  und  von  dem  stark  ver- 
größerten Gehirn  überwachsen  und  basalwärts  niedergelegt  wird.  Der  Grad,  in  dem 
dies  geschieht,  ist  verschieden  bei  den  verschiedenen  Säugern,  besonders  groß  beim 
Menschen,  wo  noch  als  weiteres,  eine  Verlagerung  bedingendes  Moment  die  Umstellung 
der  Ebene  des  For.  occipitale  magnum  hinzukommt.  Die  laterale  Ausdehnung  des 
Gehirns  über  die  Ohrkapsel  hinaus  erklärt  es,  daß  beim  Menschen  der  N.  petrosus 
superficialis  major  (=  R.  palatinus  n.  facialis)   innerhalb  der  Schädelhöhle  verläuft. 

Foramina  der  Ohrkapsel:  For.  endoly mphaticum  (Aq.  vestibuli); 
mehrere  Foramina  acustica,  und  zwar  mindestens  zwei,  ein  F.  a.  anterius  und 
ein  F.  a.  posterius,  von  denen  aber  das  F.  anterius  dorsal  von  dem  F.  posterius  und 
hinter  dem  For.  n.  facialis  gelagert  ist;  auf  welchem  Stadium  beim  Menschen  die 
Zerlegung  des  For.  ac.  posterius    in  3  Eintrittsgebiete  (For.   singulare,  Area   vesti- 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes. 


823 


bularis  inferior,  Tractus  spiralis  foraminulentus)  erfolgt,  bleibt  noch  festzustellen ; 
P'enestra  vestibuli;  Fenestra  Cochleae  und  Aqu  aeductus  Cochleae, 
letztere  beide  nebeneinander  an  der  Ventralfläche  der  Kapsel  gelegen,  von  Fischer 
bei  Semnopithecus  als  aus  nachträglicher  Zerlegung  einer  anfangs  einheitlichen 
Oeffnung  entstehend  nachgewiesen  und  somit  wohl  aus  dem   einheitlichen  Foramen 


Incisivum 


Maxülare  — 


Fenestra  nariiic 


Lam.  transvers.  mit. 

Fen.  basal. 

.  Carl,  parasept. 
Caps,  nasal. 

,   Vomer 

Lam.  transvers.  post. 
/Jart.  sphen.-ethm. 

_...Fiss.  orb.-nas. 
Carl.   Meckel. 
Ala  temp. 

MaUeus 
For.  carot. 


Zygomaticvm 


Palatin. 

sog.  Pterygoid 
(Pa  rasph  en  o  id) 
Tympan. 

Proc.  Fol.  - 
Squamos.  -■-■ 

Lalerohyale  ' 

Fen.  Cochleae  - 
For.  jugul. 


For.  Hypoglossi 


For.   occip.   mar/ii.      Ted.  synnt. 

Fig.  398.  Dasselbe  Modell  wie  Fig.  397 ;  Ventralansicht.  MECKEL'scher  Knorpel 
vor  dem  Hammer  abgeschnitten. 

perilymphaticum  der  Reptilien  hervorgegangen.  Im  Gebiet  der  Fen.  vestibuli  und 
der  primären  Fen.  Cochleae  bleibt  das  periotische  Gewebe  auf  dem  Stadium  des 
Blastems  stehen  (s.  auch  Stapesentwickelung). 

Foramen  n.  facialis.  Der  N.  facialis  tritt  durch  ein  Foramen  n.  facialis, 
das  am  oberen  Rande  der  Ohrkapsel  gelegen  ist,  nach  außen  (Fig.  397,  399).  Dorsal- 
wärts  wird  dasselbe  nur  von  einer  sehr  niedrigen  Decke  abgeschlossen,  die  z.  B.  beim 
Rind  eine  auch  in  transversaler  Richtung  nur  schmale  8pange  darstellt,  beim  Menschen, 
Affen  u.  a.  etwas  breiter  ist,  so  daß  das  Foramen  zu  einem  kurzen  Kanal  wird. 
Das  Orificium  externum  dieses  Kanales  findet  sich  manchmal  (Talpa;  Mensch  in 
späteren  Embryonalstadien)  schon  am  Knorpelschädel  durch  eine  Brücke  in  2  Teile 
zerlegt,  von  denen  der  hintere  den  Stamm  des  Facialis,  der  vordere  den  N.  petrosus 
superficialis  major  herausleitet.  Der  kurze  Canalis  facialis  entspricht  dem  Facialis- 
kanal  niederer  Vertebraten  (bezüglich  seiner  abweichenden  Lage  s.  o.) ;  er  bildet  aber 
nur  den  Anfangsteil  des  definitiven  Canalis  facialis  (s.  Schläfenbein). 

Parietalplatte.  Angaben  von  Levi  zufolge  erfährt  die  Parietalplatte  beim 
Menschen  im  Laufe  der  Entwickelung  von  vorn  her  eine  Reduktion.  Ihr  Schicksal 
bei  Säugern  bleibt  noch  genauer  festzustellen. 

Die  Skelettbildimg  im  prächordalen  Abschnitt  des  Schädels 
schließt  sich  beim  Menschen,  wie  aus  Levi's  Angaben  zu  entnehmen 
ist,  an  die  im  chordalen  an ;  selbständige  Entstehung  scheint  nicht 
vorzuliegen.  Zur  Seite  des  Hypophysenstieles  treten  Vorknorpelmassen 
auf,    die   sich  vor   dem   letzteren   vereinigen,   hier  eine   soHde  Anlage 


824 


E.  Gaupp, 


bilden  und  sich  rostralwärts  in  die  des  Septuni  nasi  fortsetzen.  Auch 
nach  der  Verknorpelung,  die  in  kaudal-kranialer  Richtung  erfolgt, 
bleibt  in  dem  Knorpelboden  unterhalb  der  Hypophyse  (d.  h.  dem  Boden 
der  späteren  Sella  turcica)  eine  Zeitlang  eine  von  dem  Rest  des 
Hypophysenstieles  durchsetzte  Oeffnung  (Fenestra  hypophyseos)  be- 
stehen. Zur  Seite  des  Bodens  der  Hypophysengrube  entwickelt  sich 
als  P'ortsatz  desselben  ein  kurzer  Stiel  (Proc.  alaris,  Hannover),  der 


Cart.  Meckd 

Malleus 

Jjiciis 


Porus  acustJnt. 
For.jaguL 
Fossa  sübarcuata 


Crislagalli 


Lamincribws. 


Ala  orbilaÜs 
Foroplic 

Ala  temporal. 

Sella  turcica. 
Dorsumseäae 

Can.  N.faaaL. 

Capsaadit. 
For.endol 


For  Hypoglvss. 


Fol  ocäp.  mdgn.    Ted.  synol  (Unimchuppe) 


Fig.  399.  Modell  des  Primordialcraniiims  eines  menschlichen  Embryos  von 
8  cm  Steiß-Scheitellänge.  (Nach  der  ZiEGLER'schen  Kopie  des  im  Institut  von  O. 
Hertwig  in  Berlin  angefertigten  Originalmodelles.)  Die  Deckknochen  sind  fort- 
gelassen.    Ersatzknochen  weiß. 

sich  auf  gewissen  Stadien  (Embryo  von  30  mm  Scheitelsteißlänge, 
nach  Jacoby)  durch  eine  Spange,  die  die  A.  carotis  interna  von  außen 
umgiebt,  mit  der  Spitze  der  Ohrkapsel  in  Verbindung  setzt.  So  be- 
steht   dann    hier    lateral    vom    hinteren   Teil    der    Sella    turcica    ein 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  825 

Forameu  caroticum  für  den  Eintritt  der  A.  carotis  in  den  Schädel- 
ranm. 

Die  Spange,  die  das  For.  caroticum  lateral  begrenzt,  ist  beim  Menschen  nur 
vorübergehend  vorhanden  (in  dem  HEETWiG'scheu  Modell  fehlt  sie,  Fig.  399).  Ihr 
Schicksal,  speciell  ihre  Beziehung  zu  der  Lingula  oss.  sphen.  bleibt  noch  festzu- 
.stellen.  Ein  geschlossenes  For.  caroticum  in  der  knorpeligen  Schädelbasis  ist  noch 
bei  vielen  Säugern  vorhanden  (Echidna,  Talpa  [Fig.  397],  Bos,  Ovis).  Daß  das  Vor- 
handensein eines  For.  caroticum  den  primitiveren  Zustand  darstellt,  ist  klar.  Der 
Proc.  alaris  des  Menschen  erscheint  als  Fortsatz  der  Schädelbasis  nur  durch  den 
Schwund  der  Knorpelbrücke,  die  das  For.  caroticum  außen  abschloß.  Er  gehört 
zu  der  medianen  Knorpelmasse  an  der  Basis  der  Orbito-temporalregion.  Im  Laufe 
der  Entwickelung  verbreitert  er  sich  in  der  Richtung  von  vorn  nach  hinten.  Manch- 
mal (Bos,  Taljja)  findet  sich  hinter  dem  Foramen  caroticum  noch  eine  größere  Lücke 
in  dem  Knorpel  der  Schädelbasis  zwischen  der  Pars  cochlearis  der  Ohrkapsel  und 
der  Sella  turcica  (Fig.  397).  Die  Bedeutung  dieser  Fissura  basicochlearis, 
wie  man  sie  nennen  könnte,  ist  bisher  unbekannt. 

An  das  laterale  Ende  des  Proc.  alaris  schließt  sich  die  Anlage 
der  AI a  temporalis  an,  d.h.  einer  nicht  sehr  ausgedehnten  schräg 
gestellten  Platte,  die  beim  Menschen  und  manchen  anderen  Säugern 
selbständig  verknorpelt  und  somit  zeitweise  nur  durch  eine  unver- 
knorpelte  Gewebszone  mit  dem  Proc.  alaris  verbunden  ist.  Von  der 
Ohrkapselist  sie  durch  einen  weiten  Zwischenraum  getrennt;  auch  dorsal 
und  rostral  schließt  sie  mit  freiem  Rande  ab.  An  ihrer  Basis  bildet 
sich  ein  nach  abwärts  gerichteter  Fortsatz :  die  laterale  Lamelle  des 
späteren  Flügelfortsatzes  des  Keilbeins.  Zwischen  dem  unteren  Teil 
der  Ala  temporalis  und  der  vorderen  Ohrkapselkuppel  tritt  der  dritte 
Trigeminusast  aus  dem  Schädelraum ,  anfangs  frei,  später  in  einen 
Einschnitt  am  hinteren  Rande  der  Ala  temporalis  eingeschlossen,  der 
sich  endlich  zum  For  amen  ovale  abschließt.  In  gleicher  Weise  ent- 
steht das  For  amen  spinosum.  Der  erste  und  zweite  Trigeminus- 
ast sowie  die  Augenmuskelnerven  ziehen  anfangs  alle  medial  von  der 
Ala  temporalis  nach  vorn,  um  durch  die  weite  Spalte  zwischen  der 
Ala  temporalis  und  der  Ala  orbitalis  (die  Fissura  orbitalis 
snperior)  auszutreten.  Im  Verlaufe  der  weiteren  Entwickelung  wird 
der  zweite  Trigeminusast  durch  eine  Knorpelbrücke  von  den  übrigen 
abgetrennt:  jene  Knorpelbrücke  bildet  dann  mit  der  Ala  orbitalis  das 
For  amen  rotundum.  Die  Abtrennung  des  For.  ovale  und  des 
For.  rotundum  erfolgt  somit  ontogenetisch  sekundär  und  unterbleibt 
bei  vielen  Säugern  ganz.  An  der  Begrenzung  des  Cavum  cerebrale 
cranii  besitzt  die  Ala  temporalis  im  Embryonalstadium  keinen  Anteil. 
Das  Cavum  erhält  in  der  hinteren  Orbito-temporalgegend  seinen 
lateralen  Abschluß  durch  eine  verdichtete  Bindegewebslage,  innerhalb 
derer  sich  Knorpel  nur  in  beschränktem  Umfang  bildet:  1)  eine  Taenia 
interclinoidea (Mensch,  Affe),  die  von  dem  Proc.  clinoideus  posterior 
(des  Dorsum  sellae)  zum  Proc.  clinoideus  anterior  (der  Ala  orbitalis) 
zieht  und  später  in  ihrer  mittleren  Partie  beim  Menschen  wieder  zu 
Grunde  geht,  und  2)  eine  Knorpelspange,  die,  das  For  amen  opticum 
von  hinten  begrenzend,  von  der  basalen  Knorpelmasse  vor  der  Sella 
turcica  entspringt  und  in  die  Ala  orbitahs  übergeht  (Taenia  met- 
optica,  hintere  Wurzel  der  Ala  orbitalis).  Dagegen  springt  die 
Ala  temporalis  von  der  Schädelbasis  aus  frei  lateralwärts  in  das  um- 
gebende Gewebe  vor  und  wird  von  der  bindegewebigen  Seitenwand 
des  Cavum  cranii  durch  einen  größeren  Zwischenraum  getrennt.  — 
Der  vor  der  Sella  turcica  gelegene  Basalknorpel  der  Orbito-temporal- 
region stellt  beim  Menschen  und  vielen  Säugern  einen  ziemlich  dicken 
soliden  Balken  dar,   bei  manchen  Affen  (Semnopithecus,  Macacus)  be- 


826  E.  Gaupp, 

sitzt  er,  wie  E.  Fischer  gefunden  hat,  in  seinem  vorderen  Abschnitt 
die  Form  eines  typischen  Septum  interorbitale,  d.  h.  einer  dünnen 
medianen  Knorpelplatte.  Die  Seitenwand  dieser  Gegend  verknorpelt 
(und  zwar  beim  Menschen  selbständig,  Levi)  als  Ala  orbitalis, 
die  bei  den  meisten  Säugern  steil  aufgerichtet,  von  größerer  Ausdeh- 
nung als  die  Ala  temporalis  ist  und  sich  durch  eine  schmale  Knorpel- 
brücke (Commissura  orbito-parietalis)  mit  der  Parietalplatte 
in  Verbindung  setzt  (Fig.  397).  Diese  Brücke  liegt  am  lateralen  Um- 
fang des  Cavum  crauii  und  bildet  die  dorsale  Begrenzung  einer  großen 
Seitenwaudfontauelle  am  Chondrocranium,  die  sich  vorn  bis  zur  Ala 
orbitalis,  hinten  bis  zur  Ohrkapsel  ausdehnt:  des  For.  spheno- 
parietale  (Decker).  Durch  die  hinter  dem  N.  opticus  entstehende 
Taenia  metoptica  erlangt  die  Ala  orbitalis  noch  eine  zweite  Verbindung 
mit  dem  Basalknorpel  vor  der  Sella  turcica  (hintere  Wurzel  der  Ala 
orbitalis).  Endhch  verbindet  sich  die  vordere  laterale  Ecke  der  Ala 
orbitalis  durch  eine  kurze  Knorpelbrücke  (Cartilago  spheno- 
ethmoidalisi  mit  dem  Dach  der  Nasenkapsel.  Unter  dieser  Brücke 
bleibt  eine  Spalte,  Fissura  orbito-nasal  is,  durch  die  der  N. 
ophthalmicus  aus  der  Orbita  in  das  Gebiet  der  Fenestra  olfactoria 
tritt  (s.  Ethmoidalregion). 

Daß  hei  Säugern  und  dem  Menschen  keine  deutlichen  selbt^tändigen  Trabe- 
culae  auftreten,  erklärte  schon  Kölliker;  Levi  bestätigt  es  für  den  Menschen. 
Die  knorpelige  Anlage  der  Schädelbasis  im  Gebiet  der  Sella  turcica  ist  einheitlich, 
und  nur  der  Hypophysenstiel  bedingt  eine  Andeutung  von  2  symmetrischen  Hälften, 
die  jedoch,  worauf  bisher  nicht  geachtet  wurde,  medial  von  den  inneren  Carotiden 
liegen,  während  die  Trabekel  der  niederen  Vertebraten  die  Carotiden  von  außen 
umfassen.  Der  Hypophysenkanal  im  Boden  der  Sella  turcica  kaiui  selbst  nach  der 
Verknöcherung  noch  erhalten  bleiben  (s.  Keilbein).  Beim  Schwein  sollen  nach 
Paeker  deutlich  abgegrenzte  Trabekel  vorhanden  sein. 

Die  basale  Knorpelmasse  vor  der  Sella  turcica  hat,  auch  wenn  sie  nicht  als 
dünne  Platte  auftritt,  die  Bedeutung  eines  Septum  interorbitale,  der  Säuger- 
schädel ist  tropi  basisch  wie  der  Sauropsidenschädel  (Gaupp,  Fischer).  Die  Ala 
orbitalis  entspricht  dem  Planum  supraseptale  der  Sauropsiden,  die  Commissura 
orbitoparietalis  der  Taenia  marginalis.  Bei  den  Primaten  wird  die  Ala  orbitalis  durch 
das  stark  vergrößerte  Gehirn  aus  der  aufgerichteten  Stellung  in  die  horizontale  Lage 
umgelegt,  zugleich  geht  die  erwähnte  Kommissur  und  damit  der  dorsale  Abschluß 
des  For.  spheno-parietale  verloren.  Als  letzte  Andeutung  der  Kommissur  verlängert 
sich  bei  den  Primaten  die  hintere  laterale  Ecke  der  Ala  orbitalis  zu  einem  nach 
hinten  vorspringenden  Fortsatz.  Auch  beim  Menschen  ist  embryonal  die  Ala  orbitalis 
größer  als  die  Ala  temporalis,  bei  vielen  Säugern  bleibt  sie  es  zeitlebens.  In  dem 
Raum,  der,  wie  erwähnt,  die  Ala  temjioralis  embryonal  von  der  bindegewebigen 
Schädelseitenwand  trennt  (Fig.  400),  liegt  dasTrigeminusgauglion,  und  außerdem  treten 
in  ihn  die  Nn.  oculomotorius,  trochlearis  und  abducens  ein,  nachdem  sie  jene  binde- 
gewebige Wand  des  Cavum  cerebrale  cranii  durchsetzt  haben.  Aus  diesen  Lage- 
beziehungen wird  es  wahrscheinlich,  daß  die  Ala  temporalis  nicht  auf  einen  Teil 
der  orbito-temporalen  Schädelseitenwand  der  Sauropsiden  zurückzuführen  ist,  sondern 
dem  Proc.  basipterygoideus  der  letzteren  entspricht.  Im  Gegensatz  aber  zu  dem  Ver- 
halten bei  den  Sauriern,  wo  das  über  dem  Proc.  basipterygoideus  befindliche  Gebiet 
(Cavum  epiptericum)  zeitlebens  aiißerhalb  des  Cavum  cerebrale  cranii  liegt,  wird  dasselbe 
bei  den  Säugern  dadurch,  daß  sich  die  Ala  temporalis  vergrößert  und  mit  den  benach- 
barten Skelettstücken  Verbindungen  eingeht,  zu  einem  Teil  des  definitiven  Cavum 
cranii,  das  somit  gegenüber  dem  der  Saurier  einen  Zuwachs  aufweist.  So  erklärt  es 
sich,  daß  am  Säugerschädel  die  Fissura  orbitalis  superior  so  zahlreiche  Nerven  aus  dem 
Schädelraum  in  die  Orbita  leitet :  sie  ist  der  letzte  Rest  der  noch  embryonal  so  weiten 
Kommunikation  des  Cavum  epiptericum  mit  der  Orbita.  Die  Stellen,  wo  beim  Säuger 
die  Nerven  in  die  Dura  mater  eintreten,  entsprechen  etwa  denen,  an  denen  sie  bei 
Reptilien  durch  die  primordiale  Schädelseitenwand  dringen.  Von  der  letzteren,  wie 
sie  bei  Reptilien  vorhanden  ist,  sind  bei  den  Säugern  als  Reste  die  Interclinoid- 
spange  der  Primaten,  die  Taenia  metoptica  und  eine  Sjoange  zu  nennen,  die  bei 
Echidna  ein  den  N.  opticus  und  den  N.  oculomotorius  herauslassendes  Foramen  von 
hinten    begrenzt    (Taenia  chno-orbitalis).     Die    selbständige  Verknorpelung   der   Ala 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes. 


827 


temporalis  fand  Wln^cza  aiißer  beim  Menschen  auch  bei  der  Katze,  dem  Hund,  dem 
Eisbär,  dagegen  fehlte  bei  Pferd,  Schwein,  Schaf,  Kalb  jede  Spur  einer  Trennung 
zwischen  der  Ala  und  dem  basalen  Knorpel  der  Orbito-temporalreglon.  Welche  Be- 
deutung der  selbständigen  Verknorpelung  zukommt,  ist  noch  nicht  zu  sagen. 


Os  par. 


Comm. 
orh.-jKir. 


Ggl.   Trig. 


VI  Ala  temp.  VI  III 

Fig.  400.  Querschnitt  durch  die  Orbito-temporalregion  etwas  vor  der  Sella 
turcica,  von  einem  30  mm  langen  Embryo  von  Mus  musculus.  Vergr.  25:1.  Nach 
E.  Gaupp  (1902).    Der  Schnitt  zeigt  das  Cavum  epiptericum. 

In  der  Ethmoidalregion  wird  durch  die  Verknorpelung  des 
perirhinischen  Gewebes,  die  erst  einsetzt,  nachdem  das  Hohlraumsystem 
mit  seinen  Komplikationen  im  wesentlichen  angelegt  ist,  eine  Kapsel 
geschaffen,  die  der  Konfiguration  des  Geruchsorganes  entsprechend 
vielfach  komplizierter  ist  als  die  der  Reptilien,  wenn  auch  weitgehende 
Uebereinstimmungen  nicht  zu  verkennen  sind.  Innerhalb  der  Säuger- 
reihe selbst  erfährt  der  gemeinsame  Grundplan  eine  Modifikation  vor 
allen  Dingen  durch  die  verschiedene  Situation  des  Geruchsorganes  zur 
Schädelhöhle,  wie  sie  durch  die  Größe  des  Gehirnes  bedingt  ist.  Bei 
den  in  dieser  Hinsicht  tiefer  stehenden  Säugern  liegt  das  Geruchsorgan 
und  damit  die  Nasenkapsel  im  wesentlichen  vor  dem  Cavum  cranii 
cerebrale  und  schiebt  sich  nur  mit  seiner  hinteren  Partie  unter  den 
vordersten  Teil  des  letzteren.  Die  im  wesentlichen  quere  Ebene  der 
Fenestrae  olfactoriae  steht  dabei  etwas  geneigt,  nicht  rein  vertikal,  son- 
dern von  hinten-unten  nach  vorn-oben  ansteigend,  und  die  Ränder  der 
gen.  Fenestrae  helfen  das  Cavum  cranii  von  vorn  begrenzen  (Fig  397). 
Je  mehr  das  Gehirn  an  Volum  zunimmt,  um  so  mehr  wölbt  es 
sich  nach  vorn  hin  vor,  die  Ebene  des  Olfactoriusfensters  wird  dabei 
vollständig  in   die  Horizontale   niedergelegt  (Fig.  399).     Der   vordere 


828 


E.  Gaupp, 


Abschluß  des  Cavum  cranii  wird  alsdann  rem  von  Deckknochen  ge- 
bilde  die  Nasenhöhle  liegt  ventral  von  dem  vordersten  Ted  des  Cavum 
c4nü  (Fig.  401),  und  nur  ihr  vorderster  Abschnitt  springt  unterhalb 
des  letzteren  frei  vor  (Primaten).  Damit  Hand  in  Hand  gehen  Um- 
aoei fugen  m  Innern  der  Nasenkapsel  (Muscheln!  .  Der  hinterste  Ted 
de'r  Kapsel,  der  die  Riechwülste  birgt,  ist  stets  betrach  lieh  erweiter 
oeoenüber  dem  davor  gelegenen,  der  sich  sehr  lang  und  schmal  nach 
?on  hin  ausziehen  kSnn^Fig.' 397).  Die  direkte  Fortsetzviiig  der 
basalen  Knorpelmasse  der  Orbito-temporalregion  bddet  ^^^^^  Septui 
n  a  s  das  sich  zwischen  beiden  Nasensäcken  meist  ununterbrochen 
bis  zum  volleren  Ende  derselben  erstreckt.  Der  zwischen  den  beiden 
Fene  tiae    ilfactoriae   frei    anstehende    Rand    seines   hinteren   oberen 


Foropfic. 


Ala  orhilal 


Caps,  msal 


Falat 

Dentale       ^      ^^m^  r^^'immm^^i^        I  \    n       ,  ,    j 

Feil  Cochleae 

Caricricoil 

Cart  ttiyreoid 

Fig.  401.     Dasselbe   Modell  wie  Fig.  399,   mit  Deckknochen  der  rechten  Seite. 
Von  links. 

Abschnittes  kann  als  Crista  galli  gegen  das  Cavum  cranii jorspi^^^^^^^^ 
Die  Fenestra  olfactoria  eder  Seite,  die  sich,  wie  schon  bemeikt, 
hl  verschiedenem  Grade  der  Neigung  geg^n  die  Honzoiitale  prasen  .  rt, 
st  anfan-s  groß  und  einheitlich,  erst  sekundär  erfolgt  durch  Knoi  pel- 
brücken  Ihr?  Zerlegung  in  einzelne  kleine  Oeffnungen  (Bildung  der 
Lamfnacribros^,  ^unterbleibt  bei  Ornithorhynchus  und  m^^^^^^^^^^^ 
katarhinen  Affen).  An  den  seitlichen  B^f  ^^^^g^^^^^  des  0  acton^^^^^ 
fensters  setzt  sich,  wenigstens  bei  sehr  vielen  Saugern  die  schon 
erwähnte  Cartilago  spheno-ethmoidalis  an  und  vei bindet 
so  die  Nasenkapsel  mit  der  Ala  orbitalis  (Pig.  6^i). 

Ueber  der  Fenestra  olfactoria  liegt   der  Bulbus  olfactorius    von  ^^l^m  aus   me 
Fila  olfactoria  ventralwärts  in  die  xNasenkapsel  dringen.     Auch  der  N-  ophthahn.cu^, 
resp.  seine    Fortsetzung,    der   N.    ethmoidalis,    ^ommt   hier   in    Frage  ^g-^m^^^ 
der   Orbita    durch  die  Fissura    orbito-nasalis    (unter   der    CartUago    «P^^no 
dalis)   in   das    Gebiet  der    Fenestra  olfactoria  und    kreuzt   sich    hier    mit  aen 


Die  EntWickelung  des  Kopfskelettes.  829 

weit  aus  d.r  IVasenkapsel  ^^.escl^^J^n^^^^i;^,^^^,^:^^^!^ 

Dieselbe  scheint  von  den  hinteren  En^den  .  dä^Ett notnrt  na  raifsSSf '  Jeden 
falls  .s    die  Lamina  cnbrosa  durchaus  eine  Besonderheit  der  länger  tG.üppÄ 
Vor  der  Fenestra  olfactoria  fallt  der  obere  Septiimrand  nach  vorn 
hm  mehr  oder  minder  stark  ab  und  geht  jederseits    in  das  Tee  tum 
nasi  über     das    lateral    in    die  seitliche  Nasenwand,    Par   es   iias? 
umbiegt.    Hm  en  setzt  sich  die  Seitenwand  an  den  lateralen  Rand  de; 
Fenestra  olfactoria  an  und  geht  unterhalb  derselben  in  die  Hin'erwand 
der  Nasenkapsel    über.     Ein   an    der   üebergangsstelle    bei    manchen 
Saugern  la  eralwärts  vorspringender  Fortsatz  ^entspricht  vielleicht  dem 
Pioc.  maxil  ans   posterior   der    Saurier.     Im    mittleren    Abschn  tt   der 
Na  enkapsel  biegt  der  ventrale  Rand  der  Seitenwand  medialwärts  um 
und  geht  in  eine  Knorpeliamelle  über,  die  die  untere  Muschel  (da^ 
Maxil  oturbinale)    biklet.     Auch   in    den    übrigen  Muschewilten 
(Nasoturbinale    und    E  thm  otur  binalia,    s?  den    Aufsa  Hm^^ 
Peter  m  Bd.  2  dieses  Handbuches)  tritt  VerknorpelungTes  teend^ 
ein,  und  es  entstehen  so  Knorpellamellen,   die  mit  der  Se   enwand  in 
kontinuierlichem  Zusammenhang  stehen  ^ciit=nwauu  m 

S j^'if  ,^r,t  ■s^^sn.Ä^i  s  ™''  ^'^>^'  ri  ^^fz 

Z tt7n,«T"  *e.N»™"Mble .vorspringenden   wer'den  als  finSbinaira  (HaiiD" 
s^hlrf.n.  ?5J'"'".'ä'  ■  '">"  «"  letzteren  können  wieder  noch  zwei  durch  die  GröBe  unter- 

f;  hror,      T^^    TT    ,         ""^  "^"  Primaten  andererse  ts   ist  nach  Seydel  zurückzu 
d  e  H„rSo„?aL  ^dTf'e^e'^  ""'«"K» ,'«'  >:f' 'tal   gestellten  Lajna  cribrösa  Tu" 

areSSF^"^"'^^^^^^  -  -- 

fe  srSS?^- =--^Är£riSt^c^- ^^^ 

Mfp«  ^!*fl/^'l^^'l™^^?S^^  ^^^  Muscheln  ist  in  dem  Aufsatz  von  Peter 
der  dif  ?  nfÄ  S'\^r^''-  Anzumerken  ist,  daß  die  gewöhnliche  Annihme  nach 
Seydpt  nsS?  h    f  >^^   '^''  ?^'^^^V  '^''  ^^"'^«^«l    der  Eeptilien    homolot    ist     von 

Ein  Boden  der  Nasenkapsel  (Solum  nasi)  kommt   nur   in  be- 
schrankter   Ausdehnung    zur    Verknorpelung.      Sehr    al  4niSi     doch 

Botnabschn'Jtt"??''"^-'''^/  "^^^  ^"^   "^  '^'"'^'^  RictoiTschiid  r 
iiodenabschnitt  (Lamina   transversalis   posterior)   Snter   dem 


830  E.  Gaupp, 

hintersten  Abschnitt  der  Nasenhöhle  (Fig.  398).  Er  hängt  lateral  mit 
der  Seitenwand  zusammen  und  demnach  auch  mit  der  Basallamelle 
der  unteren  Muschel;  hinten  geht  er  in  die  hintere  Kuppel  über. 
Medial  hängt  er  nicht  mit  dem  Septum  zusammen,  sondern  biegt  auf- 
wärts in  eine  paraseptal  gelagerte  Lamelle  um,  die  vom  Septum  durch 
einen  kleinen  Zwischenraum  getrennt  ist,  hinten  ebenfalls  in  die 
hintere  Kuppel  übergeht  und  einen  freien  dorsalen,  meist  auch  einen 
freien  vorderen  Rand  besitzt.  —  Dazu  kommt  bei  vielen  (den  meisten) 
Säugern  eine  Bodenpartie  auf  der  Grenze  des  mittleren  und  vordersten 
Kapselabschnittes  (Lamina  tr  a  n  sver  s  alis  anterior),  die  den 
ventralen  Rand  der  Seitenwand  mit  dem  ventralen  Rand  des  Septums 
verbindet  und  eine  vordere  basale  (aber  auch  in  die  Seitenwand  ein- 
schneidende oder  mehr  endständige)  Oeffnung,  die  F  e  n  e  s  t  r  a  n  a  r  i  n  a , 
von  einer  größeren  hinteren,  der  Fenestra  basalis,  trennt.  Es 
besteht  somit  hier  wie  bei  den  Sauriern  eine  Zona  anularis,  d.  h. 
ein  Abschnitt  der  Kapsel,  der  allseitig  (dorsal,  lateral,  ventral)  das 
Geruchsorgan  umgiebt.  Auch  beim  Embryo  von  Semnopithecus 
maurus  ist,  nach  E.  Fischer,  eine  solche  Lamina  transversalis  anterior, 
wenn  auch  sehr  schmal,  vorhanden;  dagegen  fehlt  sie  beim  Menschen, 
so  daß  hier  die  Fenestra  narina  und  die  Fenestra  basalis  zu  einer 
langen  einheitlichen  F  i  s  s  u  r  a  r  o  s  t  r  o  v e  n  t  r  a  1  i  s  zusammenfließen. 
Vom  Bodenteil  der  Zona  anularis  geht  wie  bei  den  Sauriern  die 
Cartilago  paraseptalis  aus  und  zieht  neben  dem  unteren 
Teil  des  Septums  nach  hinten.  In  primitivem  Verhalten  zeigt  sie 
sich  bei  Halmaturusembryonen  (Seydel  1896):  hier  geht  sie  hinten 
in  die  vom  Septum  losgelöste  hintere  Kuppel  der  Nasenkapsel  über. 
Ihr  vorderer  röhrenförmig  eingerollter  Teil  umschließt  das  Jacobson- 
sche  Organ.  Bei  den  meisten  Säugern  hängt  der  Knorpel  nur  vorn 
mit  der  Lamina  transversalis  anterior  zusammen,  endet  dagegen  hinten 
frei.  Als  Rest  seines  hinteren  Abschnittes  erscheint  die  schon  er- 
wähnte paraseptale  Lamelle,  in  die  die  Lam.  transversalis  posterior 
umbiegt.  Der  Knorpel  kann  zur  Röhre  geschlossen  sein,  die  das 
jACOBSON'sche  Organ  umschließt  (Pferd,  Schwein,  Wiederkäuer),  oder 
halbrinneuförmig  (Igel,  Hund)  oder  einfach  platt  (Lutra,  Cercopithecus). 
Dabei  kann  er  seine  Beziehungen  zum  jACOBsON'schen  Organ  auf- 
geben und  auch  ganz  isoliert  werden  (Mensch).  Die  Beziehung  der 
Gart,  paraseptalis  (des  jACOBSON'schen  Knorpels)  zum  jACOBSON'schen 
Organ  bei  den  Säugern  ist  neu  erw^orben ;  der  Knorpel  selbst  hat  sich 
schon  bei  Reptilien  vom  Septum  losgelöst  ohne  jene  Beziehungen. 
Durch  die  letzteren  wird  er  nur  in  seiner  Form  beeinflußt.  In  enger 
Verbindung  mit  der  Cartilago  paraseptalis  (Pferd,  Schwein,  Reh,  Schaf) 
oder  getrennt  von  ihr  (Rind,  Hase)  kann  sich  eine  Cartilago  ductus 
nasopalatini  finden,  die  dem  Ductus  nasopalatinus  zur  Stütze 
dient.  (Zahlreiche  Angaben  über  das  Verhalten  der  Cart.  paraseptalis 
und  Cart.  ductus  nasopalatini  s.  bei  Spurgat  [1896|  sowie  bei  Grosser 
[1900J.) 

Vor  der  Fenestra  narina  (wofern  dieselbe  nicht  ganz  endstäudig 
liegt)  schließt  die  Nasenkapsel  mit  einer  flachen  Kuppel  ab,  in  die  die 
Seitenwand,  die  Decke  und  das  Septum  übergehen;  die  Umgebung 
der  Fenestra  narina  kann  durch  Fortsätze,  die  gegen  die  Oeffnung  vor- 
springen, kompliziert  werden.  Ueber  Abgliederungen  in  dieser  Gegend 
s.  u.  Der  hintere  Abschluß  der  Kapsel  wird  jederseits  unterhalb  der 
Fenestra  olfactoria  durch  ein   mehr  oder  minder  kuppeiförmig  ausge- 


Die  Eiitwickelung  des  Kopfskelettes.  831 

bauchtes  Planum  antorbitale  gebildet,  iu  das  die  Seitenwand 
und  die  Lamina  transversalis  posterior  übergehen.  Dorsal  hängt  es 
mit  dem  ventral-kaudalen  Rand  der  Fenestra  olfactoria  zusammen, 
medial  ist  es  entweder  kontinuierlich  mit  dem  Hinterrand  des  Septum 
nasi  verbunden  (Talpa)  oder  biegt  in  die  schon  erwähnte,  neben 
dem  Septum  gelegene  Knorpellamelle  um,  in  die  auch  der  mediale 
Rand  der  Lamina  transversalis  posterior  übergeht.  In  letzterem  Falle 
ist  also  die  hintere  Nasenkuppel  vom  Septum  losgelöst  (wie  bei  den 
Sauriern).  Der  hintere  Umfang  der  Kuppel  bhckt  gegen  den  Vorder- 
rand und  die  Unterfläche  der  Ala  orbitalis  und  kann  mit  dieser  ver- 
schmelzen (Echidna).  Die  hintere  blinde  Kuppel  der  Nasenkapsel  zeigt 
bei  den  Säugern  eine  mächtigere  Ausbildung  als  beim  Menschen;  bei 
dem  letzteren  verengt  sie  sich  so  plötzlich,  daß  sie  nur  wie  ein  kleiner 
Anhang  erscheint  (Dursy). 

S  chicksal  der  N  äsen  kap  sei.  Aeußere  Nase.  Gewisse  Abschnitte  der 
Nasenkapsel  der  Säuger  verknöchern,  andere  werden  zu  Bindewebe  umgewandelt 
oder  gehen  ganz  zu  Grunde,  noch  andere  endlich  bleiben  knorpelig  erhalten.  Dem 
Ossifikationsprozeß  verfallen  der  hintere,  die  eigentliche  Pars  olfactoria  bergende 
Teil  der  Kapsel  (Os  ethmoidale),  die  untere  Muschel,  und  bei  manchen  Tieren  der 
vorderste  Teil  des  Septums  (üs  praenasale).  Zu  Grunde  gehen  die  Cartilago  spheno- 
ethmoidalis,  ausgedehnte  Partieen  des  Septums,  und  hin  und  wieder  auch  mittlere 
Teile  des  Septums  selbst.  Durch  den  Schwund  an  der  Seitenwand  und  Decke  ver- 
lieren die  interturbinalen  Räume  streckenweise  ihre  laterale  und  dorsale  Begrenzung, 
die  dann  von  den  umliegenden  Deckknochen  (Frontale,  Lacrimale,  Maxillare)  über- 
nommen wird.  Dadurch  ist  dann  auch  die  Möglichkeit  zum  Einwachsen  von  Neben- 
höhlen in  die  umgebenden  Knochen  gegeben,  wie  es  bei  Säugern  in  großem  Umfange 
vorkommt  (s.  Paulli).  Durch  dieselben  Vorgänge  wird  das  Maxilloturbinale  aus 
seinem  Verbände  mit  der  Knorpelkapsel  gelöst,  so  daß  es  Beziehungen  zum  Maxillare 
gewinnen  kann,  wie  auch  das  Nasoturbinale  nach  Reduktion  der  Knorpelwand,  der 
es  ansaß,  mit  seiner  vorderen  Hälfte  zur  Anlagerung  an  das  Nasale  gelangen  kann. 
Knorpelig  erhalten  bleiben  die  Gart,  paraseptalis,  die  Cart.  ductus  nasopalatini,  ein 
mehr  oder  minder  großer  Teil  des  Septums  und  die  vordersten  Abschnitte  des  Nasen - 
gerüstes,  die  von  Deckknochen  nicht  bedeckt  werden.  Diese  letzteren  bilden  mit 
dem  zugehörigen  Septumabschnitt  die  sog.  knorpelige  äußere  Nase.  (Bei  manchen 
Tieren  erhält  sich  auch  ein  Teil  des  vom  Nasale  gedeckten  Knorpeldaches.)  Der 
Schwund  kann  auch  noch  solche  Teile  der  Decke  und  Seitenwand  ergreifen,  die  vor 
den  Deckknochen  liegen,  und  bedingt  dann,  bei  gleichzeitiger  weitgehender  Lücken- 
bildung im  Septum,  eine  fast  völlige  Loslösung  des  vordersten  Teiles  der  Nasen- 
kapsel, der  dann  für  sich  beweglicla  wird  (Igel,  Rüsselbär,  Fischotter,  Hund).  In 
der  direkten  Umgebung  der  Fenestra  narina  erfolgt  sehr  allgemein  durch  lokale 
Umwandlung  des  Knorpels  zu  Bindegewebe  die  Abtrennung  einer  Cartilago 
alaris,  event.  noch  anderer  kleinerer  Stückchen.  Genaue  Angaben  über  die  Ein- 
richtungen der  äußeren  Nase  und  der  mannigfachen  an  ihr  zu  beobachtenden  P'ort- 
satzbildungen  siehe  bei  SpüRGAT  (1896).  Ontogenetische  Angaben  liegen  darüber 
fast  gar  nicht  vor,  und  die  Annahme,  daß  jene  Defektbildungen  und  Abgliederungen 
sekundäre  Vorgänge  sind,  die  an  einer  anfangs  kontinuierlichen  Kapsel  angreifen, 
ist  vielfach  nur  ein  aus  den  Verhältnissen  beim  Menschen  gezogener  Analogieschluß. 
Für  die  Ausbildung  des  vordersten  Nasenkapselabschnittes  als  äußerer  Nase  erscheint 
als  das  wichtigste  Moment  die  Reduktion  des  pränasalen  Zwischenkieferfortsatzes,  der 
bei  den  Reptilien  medial  von  der  Fenestra  narina  aufsteigt  und  bis  zum  Nasale  die 
vordere  Nasenkapselkuppe  bedeckt.  Die  Abgliederuug  einzelner  Stücke  und  even- 
tuell des  ganzen  vorderen  Abschnittes  kann  jjhylogenetisch  zum  Teil  wenigstens 
auf  die  Facialismuskulatur  bezogen  werden. 

Mensch.  Einige  speciell  auf  den  Menschen  bezügliche  Angaben  mögen  noch 
folgen  (vergl.  dazu  die  Schilderung  von  Peter  im  2.  Bande  dieses  Handbuches).  Bis 
zu  Ende  des  2.  Monats  besteht  nach  MiHAi.KO"\as  die  Umgebung  der  Nasen- 
höhle aus  Mesenchym,  zu  Anfang  des  3.  Monats  beginnt  die  Nasenkapsel  zu 
verknorpeln,  im  4.  Monat  befindet  sie  sich  auf  der  Höhe  ihrer  Ausbildung.  Die 
Cartilago  spheno-ethmoidalis  (Orbitalflügel  des  knorpeligen  Siebbeins,  Dursy)  setzt 
sich  breit  an  den  lateralen  Rand  der  horizontal  gelagerten  P"'enestra  olfactoria  an 
(Fig.  399),  wird  aber  im  4.  bis  5.  Monat  in  mehrere  Teile  zerschnürt  und  resorbiert. 
Bei  3—4  Monate  alten  Embryonen  geht  vom  vorderen  Drittel  der  Seitenwand  ein 
kurzer   KnorpeLfortsatz  (Proc.   paranasalis)   nach   vorn    in  das  Bindegewebe  des 


832  E.  Gaupp, 

Oberkieferfortsatzes,  den  Thränennasengang  von  außen  umgreifend.  Er  verknöchert 
nach  MiHALKOVics  im  5.  und  6.  Monat  und  wird  dem  Oberkiefer  einverleibt  (?)  Die 
knorpelige  untere  Muschel  (Maxilloturbinale),  die  kontinuierlich  mit  dem  unteren 
Eande  der  stark  lateralwärts  ausgebauchten  Seitenwand  zusammenhängt,  hat  im 
3.  bis  4.  Monat  einen  nach  oben  gekrümmten  Nebenfortsatz,  der  an  die  doppelt  ge- 
wundene Muschel  der  Säuger  erinnert,  im  5.  Monat  entstehen  an  ihr  leisten- 
förmige  Nebenfortsätze,  die  im  Querschnitt  ein  Bild  geben  wie  die  gefaltete  Muschel 
der  Nager.  Im  7.  JMonat  ist  die  Trennung  der  unteren  Muschel  von  der  knorpeligen 
Seiten  wand  erfolgt  (Killian).  Die  knorpeligen  Ethmoturbinalia  bilden  sich  innerhalb 
der  entsprechenden  Muschelwülste  im  4.  Monat ;  zugleich  entstehen  die  Knorpel- 
stützen des  Processus  uncinatus  und  der  Bulla  ethmoidalis.  Das  Schema  für  die 
Ethmoturbinalia  ist,  daß  sie  mit  einer  Lamina  basalis  an  der  Seitenwand  der  Nasen- 
kapseln wurzeln  und  gegen  das  Lumen  der  Nasenhöhle  hin  in  eine  Lamina  recurvata 
übergehen.  Ueber  die  mittlere  Muschel  (Ethmoturbinale  J)  laufen  manchmal  einige 
Längsleisten  hinweg.  Der  Proc.  uncinatus  hängt  nur  oben  mit  der  Seitenwand  zu- 
sammen iHid  unterscheidet  sich  dadurch  von  den  Muscheln.  Dagegen  kommen 
zwischen  ihm  und  der  mittleren  Muschel  3  kleinere  Muscheln  (Nebenmuscheln,  Ecto- 
turbinalia),  die  nach  jenem  Schema  gestaltet  sind,  zur  Ausbildung;  die  obere  und 
die  mittlere  von  ihnen  bilden  gewöhnlich  die  Bulla  ethmoidalis  (Killian).  Auch  die 
3  Conchae  frontales  erhalten  Knorpelstützen.  Rudimente  eines  4.  und  5.  Ethmo- 
turbinale werden  beobachtet.  Als  letzte  Andeutung  eines  knorpeligen  Nasoturbinale 
erscheint  bei  Embryonen  eine  Verdickung  des  Knorpels  im  Gebiet  des  Agger  nasi 
(Seydel).  Da  die  Verwachsungsprozesse,  die  zur  Bildung  der  Siebbeinzellen  führen 
(s.  Peter),  zunächst  nur  die  Schleimhautpartien  betreffen,  so  bewahrt  das  Knorpel- 
gerüst seine  verhältnismäßig  einfache  Gestaltung  (eine  Anzahl  größerer  und  kleiner 
Muschelbildungen,  die  der  lateralen  Wand  der  Nasenhöhle  innen  ansitzen) ;  erst  bei 
der  Verknöcherung  treten  auch  Verwachsungen  der  Lamellen  untereinander  auf,  und 
so  bilden  sich  zwischen  den  Basallamellen  der  Hauptmuscheln  und  den  Nebenmuscheln 
abgekammerte  Eäume  (Siebbeinlabyrinth),  die  ursprünglich  nur  interturbinale  Gänge 
darstellen.  Die  Basallamellen  selbst  werden  dabei  häufig  verschoben  und  in  ihrer 
ursprünglichen  Bedeutung  und  Zugehörigkeit  schwerer  erkennbar. 

Der  Paraseptalknorpel  löst  sich  nach  Mihalkovics  im  3.  Monat  vom 
Septum  los.  xiußer  ihm  beobachtete  M.  noch  einige  kleinere  abgesprengte  Knorpelchen, 
die  unter  dem  Boden  der  Nasenhöhle  bis  in  die  Nähe  des  unteren  Randes  der  Seitenwand 
hinziehen.  Vielleicht  sind  sie  als  Reste  einer  Lamina  transversahs  anterior  aufzu- 
fassen. Als  zusammenhängende  Platte  fehlt  eine  solche,  und  daher  flieiSen  die 
Fenestra  narina  und  die  Fen.  basahs  zu  einer  langen  Fissura  rostroventralis 
zusammen.  Der  Paraseptalknorpel  erhält  sich  bis  in  das  postfetale  Leben  (E.  Schmidt). 
Die  hintere  Kuppel,  cler  ein  ventraler  Abschluß  fehlt,  stellt  einen  kleinen  Anhang 
der  Kapsel  dar,  der  sich  neben  dem  Nasenseptum  unter  den  Basalknorpel  der  Orbito- 
temporalregion  herunterschiebt.  Er  umschließt  den  Sinus  terminalis  (den  zukünftigen 
Sinus  sphenoidalis)  und  giebt  die  Grundlage  ab  für  die  Concha  sphenoidalis  (das 
Ossiculum  Bertini),  die  bei  den  Knochen  zu  schildern  sein  wird.  Im  4.  bis  5.  Monat 
wird  von  der  vordersten  Partie  der  Nasenkapsel  durch  lokale  Umwandlung  des 
Knorpels  zu  Bindegewebe  jederseits  die  Cartilago  alaris  major  abgetrennt,  von  dieser 
trennen  sich  dann  die  Cartilagines  alares  minores  und  Cart.  sesamoideae  ab.  Das 
Septum  ist  bei  der  Geburt  noch  in  ganzer  Ausdehnung  knorpelig;  erst  in  der 
2.  Hälfte  des  L  Lebensjahres  verknöchert  die  hintere  Partie,  während  die  vordere 
als  Septum  cartilagineum  zeitlebens  erhalten  bleibt.  Mit  diesem  in  Zusammenhang 
erhält  sich  ein  Teil  des  Daches  und  der  Seitenwand  jeder  Seite  als  Cartilago  lateralis; 
der  dahinter  liegende  Abschnitt  dieser  Wände  geht,  soweit  er  vom  Nasale  und  Maxillare 
bedeckt  wird,  in  den  ersten  Lebensjahren  durch  Umwandlung  in  Bindegewebe  zu 
Grunde,  der  hinterste  Abschnitt  der  Seitenwand  verknöchert  als  Lamina  papyracea 
oss.  ethmoidalis. 

Primordiales  Visceivalslielett. 

Bei  Säugetieren  und  dem  Menschen  werden  in  den  3  ersten 
häutigen  Visceralbogen  Skelettstücke  angelegt,  die  zum  Teil  sehr  be- 
merkenswerte Metamorphosen  durchmachen.  Im  Kieferbogen 
bilden  sich  der  Amboß  und  der  MECKEL'sche  Knorpel  (J.  F.  Meckel 
1820),  dessen  proximales  Gelenkstück  die  primordiale  Grundlage  des 
Hammers  bildet;  das  Chondroblastem  des  Hyalbogens  zerfällt  in 
mehrere  Stücke,  die  den  Stapes,  den  Proc.  styloideus  des  Schläfenbeins, 
das  Lig.  stylohyoideum  und  das  Cornu  minus  des  Zungenbeins  bilden ; 
aus  dem  Blastem  des  ersten  Branchialbogeus  entsteht  das  Cornu 


Die   Entwickelung  des  Kopfskelettes.  833 

majus  des  Zimgenbeins.  Der  Körper  des  Zungenbeins  scheint  in  der 
Hauptsache  dem  ersten  Branchialbogen  zuzugehören. 

Kiefer  bogen.  Eine  sehr  genaue  Darstellung  liegt  von  Bro- 
MAN  über  die  Verhältnisse  beim  Menschen  vor.  Sobald  die  Mesen- 
chymmassen  sich  in  dem  ersten  Visceralbogen  verdickt  haben  (G.  Woche), 
wird  das  proximale  Ende  des  so  entstandenen  Blastemstreifens  durch 
den  N.  trigeminus  in  eine  mediale  und  laterale  Partie  unvollkommen 
getrennt.  Nicht  minder  unvollkommen  ist  auch  die  Trennung  der 
Blastemmassen  des  ersten  Bogens  von  denen  des  zweiten  durch  die 
erste  Visceraltasche,  so  daß  jene  Massen  an  ihrem  proximalen  Ende 
überall  da  zusammenhängen,  wo  nicht  Nerven,  Gefäße  oder  die  erste 
Visceraltasche  eine  Unterbrechung  bedingen.  Von  dem  lateralen 
Blastem  wird  nur  der  proximale  Abschnitt  zur  Bildung  eines  Teiles 
des  Visceralskelettes  in  Anspruch  genommen,  die  mehr  distale  Partie 
wird  größtenteils  zur  Bildung  des  äußeren  Ohres  verwendet.  Aus 
dem  proximalen  Abschnitt  des  lateralen  Blastems  geht  der  Amboß 
hervor;  der  schon  von  vornherein  vorhandene,  die  Amboßanlage  mit 
der  Stapesanlage  verbindende  Blastem  streifen  wächst  zum  Grus  longum 
incudis  aus  (Figg.  402,  403),  und  aus  der  anfangs  bestehenden  Zwischen- 
scheibe bildet  sich  das  Gelenk  zwischen  diesem  und  dem  Stapes. 
Noch  im  Blastemstadium  fließt  die  Anlage  des  Amboßes  mit  der  Laby- 
rinthkapsel zusammen  und  wird  von  dieser  erst  wieder  bei  Eintritt 
des  Vorknorpelstadiums  deutlich  abgegrenzt.  Die  hintere  Partie  bildet 
alsdann  das  Grus  breve  (Fig.  404).  Schon  im  Vorknorpelstadium  hat 
der  Amboß  im  großen  und  ganzen  seine  definitive  Form  erreicht,  nur 
der  knopfförmige  Proc.  lenticularis  bildet  sich  erst,  nachdem  ein  Teil 
des  langen  Schenkels  schon  ossifiziert  ist.  — 

Der  proximale  Abschnitt  des  medialen  Blastems  kommt  nicht 
zur  Entwickelung;  die  übrige  Partie,  die  unmittelbar  von  der  vorbei- 
laufenden Ghorda  tympani  aus  nach  vorn  geht,  ist  die  Anlage  zum 
Meckel' sehen  Knorpel,  deren  proximales  Ende  schon  früh  eine 
besondere  formale  Ausbildung  (als  H  am m  er)  erkennen  läßt  (Fig.  403, 
404).  Die  ganze  Anlage  verknorpelt  als  einheitliches  Stück;  das 
proximale  Ende  bleibt  von  dem  Ambos  zunächst  durch  unverknorpeltes 
Blastem  (Zwischenscheibe)  getrennt,  weiterhin  entwickelt  sich  aus 
letzterer  das  Gelenk.  Schon  auf  dem  Blastemstadium  sproßt  aus  der 
Hammeranlage  das  Manubrium  mallei  aus,  als  ein  weiterer  Auswuchs 
entsteht  der  Proc.  lateralis,  während  die  Grista  mallei  durch  Resorption 
des  unter  ihr  gelegenen  Knorpels  zu  stände  kommt  (4.  Monat).  So 
erlangt  das  proximale  Gelenkstück  des  MECKEL'schen  Knorpels  allmäh- 
lich die  definitive  Hammergestalt,  um  endlich,  wenn  in  ihm  die  Knochen- 
bildung auftritt,  auch  zu  einem  selbständigen  Skelettstück  zu  werden. 
Dies  geschieht  dadurch,  dass  der  größte  (mittlere)  Teil  des  Meckel- 
schen  Knorpels  der  Piesorption  anheimfällt,  ein  Vorgang,  der  zu  Anfang 
des  5.  Monats  eingeleitet  wird  und  sich  nach  hinten  bis  an  das  zum 
Hammer  gestaltete  Gelenkstück  ausdehnt,  (lieber  die  Bildung  des 
Proc.  anterior  s.  Folii  siehe  die  Darstellung  der  Knochenentwicke- 
lung.) —  Außer  dem  proximalen  Gelenkstück  macht  auch  noch  das 
distale  Ende  des  MECKEL'schen  Knorpels  ein  besonderes  Schicksal 
durch:  es  verknöchert  und  verschmilzt  mit  dem  Dentale.  In  der  Sym- 
physe zwischen  beiden  MECKEL'schen  Knorpeln  treten  2  kleine  Sym- 
physenknorpel  auf.  Nach  Henneberg  sind  sie  selbständige  Neubil- 
dungen,   und    erscheinen    bei    menschlichen   Embryonen   von   7,5  cm 

Haadbuch  der  Eatwickelungslehre.     III.  2.  53 


834 


E.  Gaupp, 


Scheitelsteißlänge;  Kölliker,  der  sie  beim  Menschen  nnd  mehreren 
Säugern  beschreibt  (A.  L.  I,  1879),  faßte  sie  als  Reste  der  Meckel- 
schen  Knorpel  auf.  Masquelin  beschrieb  einen  unpaaren  Knorpel- 
kern beim  Menschen  als  selbständige  Bildung  (s.  Maudibula). 


Kg.  402. 


N.  facialis  - 

Anul.  staped. 

For.  Art.  stap. 
Pars  interhyal. 


Hyalbogen,  med.   Teil 
(Reichert' scher  Kn.) 


—  N.  trigem. 


Mandibularbogen,  med.   T. 

(ßfeckel'scher  Kn.) 
Crus  long,  incud. 

Manuhrium  mall. 


da  iymp. 


N.  fac. 


Fig.  403. 
Cap.  mallei 


Crus 
long.  Mic.\. 


An.  stap. 


JV.  facial. 


Aleckel' scher  Kn. 
Chorda  tymp. 

Proc.  Fol.   (ant.) 

An.  tymp. 

-  3Ianubrium  mall. 
Chorda  tymp. 

Reichert'sch.  Kn. 

Fig.  404. 
Cap.  m.all. 


Meckel'scher  Kn. 


Proc.  Fol.  (ant.) 

Proc.  lat.  mall. 


Ifanubrium  mall. 


An.  tymp. 


Reichert' scher  Kn 


Fig.  402.  Rekonstruk- 
tionsmodell der  proximalen 
Partieen  der  beiden  ersten 

Visceralbogen  eines 
menschlichen  Embryo  von 
16  mm    Nackensteißlänge. 
Linke  Seite,  von  innen  ge- 
sehen.    Nach  J.  Broman. 

Fig.  403.  Rekonstruk- 
tionsraodell  der  gleichen 
Partieen  wie  in  Fig.  402, 
von  einem  menschlichen 
Embryo  von  55  mm  Schei- 
telsteißlänge. Linke  Seite, 
von  innen  gesehen.  Nach 
J.  Broman. 

Fig.  404.  Dasselbe 
Modell  wie  Fig.  403;  von 
außen  gesehen. 


Incus. 


Crus  breve  ine. 


]Sr.  facial. 


Ohrkapsel 
Chorda  tymp. 


N.  facial. 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  835 

Daß  Hammer  und  Amboß  der  Säuger  Derivate  des  Kieferbogens  sind,  ist,  wie 
an  anderem  Orte  (p.  (JOS)  bereits  erwähnt  wurde,  zuerst  durch  Reichert  (1837,  für 
das  Schwein)  festgestellt  worden.  Dadurch  erfuhr  denn  auch  der  MECKEL'sche 
Knorpel,  den  sein  Entdecker  (Meckel  1820)  schon  beim  menschlichen  Embryo  in 
Zusammenhang  mit  dem  Hammer  fand,  seine  embryologische  Deutung  als  Teil  des 
1.  Visceralbogens.  Für  zahlreiche  Säugerformen  (Kaninchen,  Maus,  Meerschweinchen, 
Hund,  Katze,  Schaf,  Rind,  Schwein,  Mensch)  ist  seitdem  der  REiCHERx'sche  Befund 
bestätigt  worden  (Rathke,  Bischoff,  Bruch,  Huyley,  Kölliker,  Semmer, 
Parker,  Gradenigo,  Baumgarten,  Dreyfuss,  Zondek  u.  A.),  so  dalJ  an  seiner 
Richtigkeit  nicht  zu  zweifeln  ist.  —  Die  geschilderten  Entwickelungsvorgänge  geben 
dann  auch  die  Grundlage  für  die  morphologische  Deutung  des  Amboßes  und  Hammers. 
Schon  Reichert  erkannte  die  Uebereinstimmung  zwischen  dem  Amboß  der  Säuger 
und  dem  Palatoquadratum  der  niederen  Vertebraten  und  folgerte  daraus  die  Homo- 
logie beider.  Dann  ergab  sich  von  selbst  für  den  Hamitier  die  Auffassung,  daß 
derselbe  in  seiner  primordialen  Grundlage  dem  Gelenkstück  des  primordialen  Unter- 
kiefers niederer  Vertebraten  entspreche,  nach  der  Ossifikation  also  dem  Articulare. 
Daß  der  Proc.  Folianus  der  primordialen  Grundlage  fremd  sei,  wurde  von  anderer 
Seite  festgestellt;  auf  die  daraus  sich  ergebende  Schlußfolgerung  ist  später  einzu- 
gehen. 

Zungenbeinbogen.  Nach  Broman's  Darstellung,  der  ich  im 
Nachstehenden  folge,  werden  beim  Menschen  auch  die  Blastemmassen 
des  Hyalbogens  in  einen  medialen  und  einen  lateralen  Abschnitt  geteilt, 
und  zwar  durch  den  N,  facialis.  Aus  dem  medialen  Abschnitt  gehen 
die  wichtigsten  Gebilde,  der  Stapes  und  der  Reichert 'sehe 
Knorpel,  hervor.  Die  Stapesanlage  bildet  den  proximalsten  Teil  des 
Blastems,  sie  erfolgt  ringförmig  um  die  A.  stapedialis  (als  Anulus 
Stapedialis)  und  steht  von  vornherein  durch  eine  Blastembrücke  mit 
der  Ambosanlage  in  Verbindung  (Fig.  402).  Aus  dieser  Verbindung 
geht  weiterhin  das  Crus  longum  incudis  hervor,  und  zwischen  diesem 
und  dem  Stapes  bildet  sich  erst  eine  Zwischenscheibe,  später  ein  Ge- 
lenk aus.  Die  ringförmige  Stapesanlage  rückt  an  die  Labyrinthwaud 
heran  und  senkt  sich  in  dieselbe  ein.  Bis  zur  zweiten  Hälfte  des 
3.  Embryoualmonats  behält  sie  ihre  Ringform  bei,  dann  aber  beginnt 
sie  ihre  definitive  Gestalt  anzunehmen ,  und  zugleich  erleidet  das 
mitten  vor  dem  Steigbügelring  liegende  Blastem  der  Ohrkapsel  im 
Gebiet  der  Fenestra  vestibuli  eine  fast  vollständige  Druckatrophie,  so 
daß  es  nach  dieser  Zeit  nur  als  ein  dünnes  Perichondrium  auf  der  Steig- 
bügelplatte persistiert.  Die  Anlage  des  Stapes  verknorpelt  selbständig, 
und  das  Gleiche  gilt  von  dem  distalen  Abschnitt  des  medialen  Blastems, 
aus  dem  der  Hauptteil  des  Reichert  'sehen  Knorpels  hervorgeht. 
Beide  Gebilde  bleiben  eine  Zeitlang  durch  eine  nicht  verknorpelnde 
Blastembrücke,  Pars  interhyalis,  Fig.  402  (Interhyale,  Broman  ; 
Facialismantel  Aut.)  untereinander  in  Verbindung,  später  schwindet 
diese,  und  der  REiCHERT'sche  Knorpel  hängt  nun  nur  noch  an  seinem 
proximalen  Ende  mit  dem  lateralen  Blastem  des  Hyalbogens 
zusammen.  Diese  schon  von  Anfang  an  bestehende  Verbindung 
bildet  sich  sogar  weiter  aus.  Aus  dem  proximalen  Teil  des  lateralen 
Blastems  geht  ein  selbständig  verknorpelndes  Stück,  das  Laterohyale 
(Broman;  Intercalare,  Dreyfuss)  hervor,  das  vom  REiCHERT'schen 
Knorpel  zunächst  lurch  eine  Blastemscheibe  getrennt  bleibt,  dann 
aber  kontinuierlich  mit  ihm  zusammenfließt.  Schon  vorher  hatte  sich 
das  proximale  Ende  des  Laterohyaleblastems  an  die  Labyrinthkapsel 
angelegt  und  war  mit  dieser  innig  verschmolzen.  Durch  die  Ver- 
knorpelung  wird  ein  kontinuierlich  knorpeliger  Zusammenhang  zwischen 
der  Labyrinthkapsel,  dem  Laterohyale  und  dem  Hauptteil  des  Reich ert- 
schen  Knorpels  hergestellt;  der  ganze,  mit  der  Ohrkapsel  verschmolzene 
Knorpelstab  wird   nun  (Kölliker)   als  REiCHERT'scher  Knorpel   be- 

53* 


836  E.  Gaupp, 

zeichnet  (s.  Fig.  404;  das  Laterohyale  ist  hier  nicht  besonders  be- 
zeichnet). Ueber  das  weitere  Schicksal  desselben  beim  Menschen  war 
schon  Reichert  selbst  im  wesentlichen  orientiert:  sein  oberster  Ab- 
schnitt wird  in  die  Paukenhöhle  eingeschlossen,  bei  der  Bildung  des 
Facialiskanals  verwendet  und  verwächst  mit  benachbarten  Komponenten 
des  Schläfenbeins,  der  anschließende  Abschnitt  bildet  den  frei  von  der 
Schädelbasis  ventralwärts  und  nach  vorn  ragenden  Proc.  styloideus 
(Fig.  401);  der  folgende  Abschnitt  wird  zu  Bindegewebe  umgewandelt 
und  bildet  das  Lig.  stylohy oideum,  der  letzte  endlich  biklet  das 
Cornu  minus  des  Zungenbeins,  das  somit  ein  Cornu  hyale  dar- 
stellt. Die  REiCHERT'schen  Knorpel  beider  Seiten  hängen  nach 
KÖLLiKER  (bei  Kaninchen  und  Mensch)  ventral  nie  miteinander  zu- 
sammen, sondern  setzen  sich,  wie  es  scheint,  gleich  nach  ihrem  Ent- 
stehen mit  den  Seiten  der  Anlage  des  Zuugenbeinkörpers  in  Ver- 
bindung. Nach  Kölliker's  Auifassung  nimmt  somit  der  Hyalbogen 
an  der  Bildung  des  Zungenbeinkörpers  keinen  Anteil. 

Daß  der  Stapes  seinen  Ursjjrung  vom  Hyalbogen  nehme,  ist  zuerst  durch 
Reichert  1837  behauptet  worden.  Die  wichtigste  abweichende  Anschauung,  die 
dieser  Meinung  gegenübergestellt  wurde,  ist  die,  daß  der  Stapes  ganz  oder  teilweise 
von  der  Labyrinthkapsel  stamme.  Der  Befund,  daß  bei  den  Amphibien  das  Oper- 
culum  in  Zusammenhang  mit  der  Ohrkapsel  entsteht,  hat  dabei  zweifellos  das  Urteil 
beeinflußt.  Pakker  (1874,  für  das  Schwein,  F.  and  Bettany,  1877)  sowie  Gruber 
(1877)  beschrieben  den  labyrinthären  Ursprung  des  Gesamtstapes,  v.  Noorden 
(Mensch)  und  Gradenigo  (Katze,  Kaninchen,  Schwein,  Hund,  Maus,  Mensch) 
suchten  eine  Verraittelung  zwischen  dieser  Anschauung  und  der  von  dem  hyalen 
Ursprung  herzustellen,  indem  sie  die  Fußplatte  von  der  ührkapsel,  die  Crura  vom 
Zungenbeinbogen  stammen  lassen.  Auch  eine  völlige  Selbständigkeit  des  Stapes 
ist  von  mehreren  Autoren  vertreten  worden.  Die  Anschauung  von  der  hyalen  Natur 
hat  die  meisten  Anhänger,  dazu  gehören  Parker  (von  1885  an),  Rabl  (unter  Mit- 
berücksichtigung der  Nervenverteilung),  Baumgarten,  Zondek,  Jacoby  (nicht  mit 
Sicherheit),  Hegetschweiler,  Broman.  Die  innige  Verbindung  des  Stapesblastems 
mit  der  Ohrkapselanlage  ist  nach  dieser  Anschauung  eine  sekundäre  Erscheinung.  — 
Daß  das  Stapesblastem  sich  ringförmig  um  eine  Arterie  herum  bilde  und  nicht  erst 
sekundär  durchlöchert  werde,  ist  zuerst  von  Salensky  gesehen  worden  (1880); 
Fräser  (1882)  stellte  die  richtige  Natur  dieses  Gefäßes  fest  und  wies  auf  die  bei 
manchen  Säugern  bleibende  A.  stapedialis  hin.  —  Die  Entwickelung  eines  Stapes 
columelliformis  (ohne  Durchbohrung),  wie  er  sich  bei  Monotremen,  vielen  Marsupialiern 
und  einigen  Edentaten  findet,  wurde  bisher  nicht  verfolgt. 

Der  Stapes  entspricht  wahrscheinlich  dem  inneren,  auch  gewöhnlich  als  Stapes 
bezeichneten  Abschnitt  der  Keptiliencolumella,  nicht  aber  dieser  in  ihrer  Totalität. 
Bei  den  Amphibien  kommt  dagegen  die  gesarate  Columella  als  Vergleichsobjekt  in 
Betracht.     Hierüber  siehe  das  specielle  Kapitel  (p.  605). 

Das  Schicksal    des  REiCHERT'schen  Knorpels  ist   nicht  bei  allen  Säugern    das 

fleiche  wie  beim  Menschen.  Vielfach  wird  der  ganze  Knorpel  durch  knöcherne 
itücke  ersetzt,  ohne  daß  bindegewebige  Umwandlung  einer  Strecke,  wie  beim 
Menschen,  auftritt.  Das  oberste,  an  der  Hinterwand  der  Paukenhöhle  gelegene 
Stück  des  REiCHERT'schen  Knorpels  ist  beim  menschlichen  Neugeborenen  noch 
knorpelig  (Politzer). 

Erster  B  r a  n  c h  i  a  1  b  o  g e n.  Auch  innerhalb  des  3.  Schlund- 
bogens  verdichtet  sich  das  Mesenchym  zu  einer  Skelettanlage,  aus 
deren  Verknorpelung  das  Cornu  majus  des  menschlichen  Zungen- 
beins hervorgeht.  Dieses  stellt  somit  ein  Cornu  branchiale  primum 
dar.  Jenes  Blastem  geht  ventral  in  dasjenige  über,  aus  dem  sich  der 
Körper  des  Zungenbeins  bildet.  Ob  dieses  bei  seiner  Anlage 
irgendwelche  Selbständigkeit  erkennen  läßt,  bleibt,  ebenso  wie  die 
Frage  nach  einer  etwaigen  Beteiligung  des  hyalen  Blastems  an  seiner 
Bildung,  noch  genauer  festzustellen.  Für  die  Beantwortung  der  Frage, 
wieweit  der  Anlage  des  Zungenbeinkörpers  der  Wert  bestimmter 
Copulae  zuzuerkennen  ist,  mangelt  es  zur  Zeit  noch  an  sicheren 
Kriterien. 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  837 

Daß  die  Bezeichnung  Cornu  raajus  zwar  für  den  Menschen,  aber  nicht  für  die 
meisten  anderen  Säuger  gilt,  sei  hier  nur  kurz  bemerkt. 

II.  Knochen. 

Die  Zerlegung  des  neuralen  Primordialcraniums  in  knöcherne 
Territorien  ist  bei  den  Säugern  eine  vollständigere  als  bei  den  anderen 
Wirbeltieren ;  nur  geringe  Reste  des  Knorpels  (namentlich  der  vor- 
derste Teil  der  Nasenkapsel)  bleiben  erhalten.  Die  Zahl  der  Ersatz- 
knochen ist  daher  eine  größere  als  bei  den  Reptilien,  und  manche  von 
ihnen,  namtlich  in  der  Orbito-temporal-  und  Ethmoidalgegend,  lassen 
sich  nicht  von  solchen  der  Reptilien  ableiten,  sondern  erscheinen  als 
neue  Bildungen.  Von  den  Deckknochen  gewinnen  die  an  der  Decke 
und  Seitenwand  des  neuralen  Schädels  gelegenen  eine  besondere  Be- 
deutung und  Entwickelung,  da  sie  bei  dem  Zurücktreten  des  Prim- 
ordialcraniums in  erhöhtem  Maße  zur  Begrenzung  des  im  Anschluß 
an  die  Gehirnentfaltung  sich  stark  vergrößernden  Cavum  cranii  heran- 
gezogen werden.  Vielfach  geben  die  Knochen  des  neuralen  Craniums 
ihre  Selbständigkeit  auf  und  verwachsen  mit  benachbarten,  wodurch 
Knochenkomplexe  mannigfacher  Art  (Ersatzknochen  untereinander, 
Deckknochen  untereinander,  Ersatzknochen  mit  Deckknochen)  gebildet 
werden. 

Ersatzknochen  des  neuralen  Craniums  sind  folgende. 
Basioccipitale,  Pleuroccipitalia,  Supraoccipitale  occupieren  die  Um- 
gebung des  Hinterhauptsloches;  mehrere  Ossa  periotica  treten  in  der 
Ohrkapsel  auf  und  bilden  untereinander  verschmelzend  das  Os  pe- 
trosum,  das  von  den  benachbarten  Ersatzknochen  getrennt  bleibt,  da- 
gegen vielfach  mit  Deckknochen  Verbindungen  eingeht;  der  vordere 
Teil  der  Basalplatte  nebst  dem  Boden  der  Fossa  hypophyseos  werden 
vom  Basisphenoid,  die  beiden  Alae  temporales  von  den  Alisphenoiden 
occupiert;  in  der  vorderen  Hälfte  der  Orbito-temporalgegend  entsteht 
basal  das  Praesphenoid,  dem  sich  lateral  die  an  Stelle  der  Alae  or- 
bitales tretenden  Orbitosphenoide  anfügen ;  in  der  Ethmoidalgegend 
endlich  ist  eine  septale  Ossifikation  (Mesethmoid)  von  zwei  lateralen, 
in  den  Seitenteilen  der  Nasenkapsel  auftretenden  (Pleurethmoiden)  zu 
unterscheiden,  die  alle  drei  zum  Ethmoid  verschmelzen ;  eine  selb- 
ständige Ossifikation  ergreift  die  untere  Muschel.  Von  specieller  Be- 
deutung und  nur  auf  wenige  Formen  beschränkt,  ist  eine  als  Praenasale 
beschriebene  vordere  Septalverknöcherung.  Als  D  e  c  k  k  n  o  c  h  e  n  legen 
sich  der  hinteren  Schädelregion  das  Parietale  und  seitlich  das  Squa- 
mosum  an,  das  bei  den  Säugern  eine  besondere  Ausbildung  erfährt. 
Ein  Interparietale  schiebt  sich  unpaar  zwischen  die  hinteren  Enden 
beider  Parietalia  ein.  Im  mittleren  Schädelgebiet  bildet  das  Frontale 
die  Decke  des  Cavum  cranii.  Auf  und  an  die  Nasenkapsel  legen  sich 
Nasale,  Lacrimale,  Incisivum  und  Maxillare  an.  Der  Schädelbasis 
lagern  sich  die  als  Pterygoidea  und  Vomer  bezeichneten  Knochen  an, 
von  denen  die  sog.  Pterygoidea  wahrscheinlich  auf  das  Parasphenoid 
der  niederen  Vertebraten  zurückzuführen  sind,  sowie  im  Ethmoidal- 
gebiet  jederseits  das  Palatinum.  In  nähere  Beziehung  zum  neuralen 
Cranium  tritt  endlich  noch  das  Tympanicum,  das  vielleicht  auf  das 
Paraquadratum  der  Amphibien  zurückzuführen  ist. 

Die  Anordnung  der  das  Cavum  cranii  begrenzenden  Schädelknochen 
bei  den  Säugern  ermöglicht  sehr  leicht  eine  Gruppierung  zu  4  hintereinander  liegenden, 
die  Schädelhöhle  umgürtenden  Segmenten   (Occipital-,  hinteres  und  vorderes  Sphen- 


838  E.  Gaupp, 

oidal-,  Ethmoidalsegment),  von  denen  allerdings  das  vorderste  auf  den  basalen  Ab- 
schnitt reduziert  ist.  Das  Petrosum  mit  seinen  Deckknoclien  fällt  dabei  aus.  Dieser 
Umstand  wurde  Veranlassung,  in  jenen  Segmenten  umgestaltete  Wirbel,  in  dem 
Petrosum  aber  einen  specifischen  feinnesknochen  zu  sehen  (s.  Lehre  von  der  Me- 
tamerie  des  Schädels). 

Die  Genese  der  Schädelknochen  ist  bei  den  Säugern  und  speciell  beim 
Menschen  viel  genauer  studiert  als  bei  irgend  einer  anderen  Tierklasse.  Dabei  hat 
sich  die  Thatsache  ergeben,  daß  viele  Knochen  von  mehreren  Centren  aus  entstehen. 
In  manchen  Fällen  läßt  sich  die  Homologie  solcher  Einzelcentren  mit  selbständig 
bleibenden  Knochen  niederer  Wirbeltiere  begründen,  in  anderen  Fällen  ist  das  nicht 
möglich.  An  den  vagsten  Behauptungen  fehlt  es  auf  diesem  Gebiete  nicht  (s.  auch 
den  nächsten  Abschnitt). 

Fontanellen.  Da,  wo  3  oder  mehrere  Knochen  zusammenstoßen,  bestehen 
am  Dach  und  Seitenumfang  des  Schädels  —  entweder  nur  embryonal  oder  auch  noch 
eine  Zeit  lang  im  postembryonalen  Leben  —  häutig  geschlossene  Lücken,  Fonta- 
nellen (Fonticuli).  Die  wichtigsten  beim  Menschen  sind:  die  kleine  F.  (Font, 
occipitalis),  zwischen  Lambda-  imd  Sagittalnaht ;  die  große  F.  (Font,  frontalis, 
Bregmalontanelle)  zwischen  Coronar-  und  Sagittalnaht;  die  hintere  Seiten- F. 
(Font,  mastoideus,  Asterionfontan.),  zwischen  Scheitel-,  Hinterhaupt-  und  Schläfen- 
bein; die  vordere  Seiten-F.  (Font,  sphenoidalis,  Pterionfontan.)  zwischen  Stirn-, 
Scheitel-,  Schläfenbein  und  großem  Keilbeinflügel  und  die  inkonstante  Fronto- 
Nasal-Fon  tanelle.  Ueber  Zeit  und  Reihenfolge  des  Verschlusses  dieser  Fonta- 
nellen bemi  Menschen  siehe  Adachi  (1900).  Von  früh-fötalen,  bald  verschwin- 
denden Fontanellen  sind  besonders  zu  nennen  die  am  vorderen  und  hinteren  Rande 
des  Scheitelbeins,  entsprechend  den  beiden  Enden  der  fötalen  horizontalen  Scheitel- 
beinnaht, gelegenen. 

Ueber  zählige  Knochen.  Ueberzählige  Schädelknochen  sind 
bisher  am  genauesten  und  in  größter  Anzahl  beim  Menschen  be- 
schrieben worden ;  in  den  letzten  Jahren  ist  auch  auf  entsprechende 
Vorkommnisse  bei  Anthropomorphen  und  quadrupeden  Säugern  mehr 
geachtet  worden.  Nach  den  bisher  vorliegenden  Erfahrungen  kann 
eine  Vermehrung  der  normalen  Zahl  der  Knochenstücke  auf  verschie- 
dene Weise  erfolgen,  und  es  muß  mit  der  Möglichkeit  gerechnet 
werden,  daß  bei  ausgedehnteren  Untersuchungen  noch  weitere  Modi 
festgestellt  werden.  Eine  befriedigende  Klassifizierung  ist  daher  zur 
Zeit  noch  nicht  möglich.  Ueberhaupt  ist  die  Verwendung  des  Begriffes 
„überzählige  Knochen"  bei  Fällen  von  Knochenvermehrnng  oft  genug 
inkorrekt,  da  sich  ja  z.  B.  bei  abnormem  Zerfall  eines  normalerweise 
einheitlichen  Stückes  gar  nicht  sagen  läßt,  welches  Teilstück  auf  jene 
Bezeichnung  Anspruch  hat.  Die  Gepflogenheit,  das  kleinere  so  zu 
benennen,  ist  lediglich  ein  praktisches  Mittel,  das  auch  im  Stich  lassen 
kann. 

Die  Frage,  ob  das  Auftreten  überzähliger  Knochen  beim  Menschen  im  Sinne 
eines  Atavismus  aufzufassen  ist,  kann  nur  von  Fall  zu  Fall  auf  dem  Wege  wirklich 
kritischer  Vergleichung  entschieden  werden.  An  dieser  fehlt  es  freilich  oft  genug. 
Für  den  Vergleich  mit  dem  Menschen  kommen  zunächst  die  übrigen  Säuger  und 
dann  die  Reptilien  in  Betracht.  Für  die  ersteren  sind  genaue  Untersuchungen  über 
die  Genese  der  Schädelknochen  erst  in  beschränktem  Umfang,  für  die  letzteren  so 
gut  wie  gar  nicht  vorhanden.  Sie  sind  aber  Vorbedingung  für  die  Beantwortung 
der  angeregten  Frage.  Der  Sprung  vom  Menschen  zu  Stegocephalen  und  Crosso- 
pterygiern  widerspricht  einer  wirklich  wissenschaftlichen  Methode  des  Vergleiches, 
imi  so  mehr,  als  es  sich  hier  um  den  Schädel  handelt,  also  den  Teil,  der  die  aller- 
größten Umwandlungen  erleidet,  und  dessen  Aufgaben  vielfach  andere  sind,  als  bei 
den  genannten  niederen  Formen.  Mit  dem  Auftreten  progressiver  Erscheinungen 
muß  da  ganz  besonders  gerechnet  werden. 

1)  Die  Zahl  der  Knochenstücke  kann  vermehrt  werden,  wenn  ein 
Ossifikationscentrum,  das  normalerweise  nur  bei  seiner  Entstehung 
selbständig  ist,  weiterhin  aber  mit  anderen  verschmilzt,  abnormer- 
weise seine  Selbständigkeit  beibehält.  Ranke  (1899)  bezeichnet  die 
auf  diese  Weise  entstehenden  überzähligen  Knochen  als  principale; 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  839 

welches  der  beiden  Teilstücke  dabei  als  überzählig  zu  bezeichnen  ist, 
läßt  sich  natürlich  aus  dein  Wesen  der  Sache  nicht  bestimmen. 

2)  Als  accessorische  überzählige  Knochen  bezeichnet  Ranke 
die  Naht-,  Fugen-  und  Fontanellknochen,  die  kurzweg  auch  als 
S  c h a  1 1  k  n  0  c  h  e  n  zusammengefaßt  werden.  Es  sind  kleinere  Knochen- 
stücke, die  die  Verbindung  mit  dem  Hauptknochen,  dem  sie  anliegen, 
nicht  erlangt  haben,  in  Nähten,  Fugen  und  Fontanellen  gelagert. 

Die  Nahtknochen  (WoRM'schen  Knochen)  sind  kleine,  unregelmäßig  ge- 
formte Knöclielchen,  die  sich,  oft  in  größerer  Zahl,  überall  bilden  können,  wo  2 
Knochen  in  einer  Naht  zusammenstoßen.  Die  FontaneUknochen  sind  in  ihrer 
Lage  mehr  fixiert;  sie  finden  sich  nur  da,  wo  3  und  mehr  Knochen  zusammenstoßen, 
also  da,  wo  im  fötalen  oder  früh-kindlichen  Leben  Fontanellen  bestehen.  Sie  er- 
langen oft  ansehnlichere  Größe,  treten  symmetrisch  auf  und  passen  sich  in  ihrer  Form 
der  Fontanelle  an,  wodurch  ihre  Gestalt  eine  mehr  regelmäßige,  bestimmte  wird. 
Gelegentlich  kann  ein  FontaneUknochen  als  Nahtknochen  erscheinen,  wenn  es  sich 
nämlich  um  einen  Knochen  in  einer  frühfötalen  Fontanelle  handelt.  Solche  kommen 
zu  Stande,  wenn  ein  Knochen  nur  bei  seiner  ersten  Anlage  aus  zwei  Centren  zu- 
sammengesetzt ist:  die  diese  beiden  trennende  Naht  kann  mit  einer  anderen  zu- 
sammenstoßend, eine  auf  früheste  Stadien  beschränkte  Fontanelle  bilden.  Treten  in 
dieser  Fontanellknochen  auf,  so  werden  dieselben  später,  wenn  die  fötale  Naht  ver- 
schwunden ist,  nur  zwischen  2  Knochen  liegen,  also. als  Nahtknochen  erscheinen. 
(Beispiel:  gewisse  Knochen  am  vorderen  und  hinteren  Rande  des  Scheitelbeins.) 

Die  Entstehung  der  Naht-  und  Fontanellknochen  läßt  sich  aus  den  gleichen 
Momenten  erklären,  nämlich  den  Besonderheiten  bei  der  Bildung  der  Deckknochen. 
Dieselben  bestehen  bei  ihrem  Auftreten  aus  einem  Netzwerk  feinster  Knochenbälkchen, 
das  bis  zur  Mitte  des  5.  Embryonalmonats  sich  durch  Ausbildung  neuer  Bälkchen 
vergrößert.  Um  diese  Zeit  ist  aber  vorübergehend  der  Wachstumsmodus  ein  anderer: 
es  bilden  sich  entlang  den  Eändern  des  Heerdes  kleinste  Knocheninseln,  die  erst 
dann,  entweder  direkt  oder  nachdem  mehrere  zu  etwas  größeren  Stücken  zusammen- 
geflossen sind,  sich  mit  dem  Hauptknochen  vereinigen.  Unterbleibt  diese  Vereini- 
gung, .so  sind  kleine  isolierte  Knochenstückchen  die  Folge,  die  nun  entweder  (Naht- 
knocheu)  zwischen  2,  oder  (Fontanellknochen)  zwischen  mehreren  Hauptknochen 
liegen.  In  den  Fontanellen  erfolgen  häufiger  Verschmelzungen  der  accessorischen 
Knocheninseln  zu  größeren  Komplexen,  daher  besitzen  die  Fontanellknochen  oft  eine 
beträchtlichere  Ausdehnung  (Eanke).  Da  das  Auftreten  marginaler  Knocheninselu 
an  den  Schädeldachknochen  zu  bestimmten  Zeiten  des  Fötallebens  ein  normales  Vor- 
kommnis ist,  so  besteht  zwischen  den  oben  unter  1)  und  2)  genannten  Erscheinungen 
kein  prinzipieller  Gegensatz.  Das  Abnorme  ist  in  beiden  Fällen  nicht  in  dem  Ent- 
stehen, sondern  in  dem  Bestehenbleiben  selbständiger  Stücke  zu  sehen,  die 
allerdings  im  Falle  2)  nach  Zahl  und  Form  verschieden  sind  und  dadurch  mehr  den 
Charakter  des  Zufälligen  annehmen.  Durch  krankhafte  Prozesse,  die  eine  Steigerung 
des  Innendruckes  im  Schädel  bewirken  (Hydrocephalus),  kann  die  Zahl  der  Schalt- 
knochen vergrößert  oder  Offenbleiben  einer  fötalen  Naht  bewirkt  werden. 

Nahtknochen  können  in  allen  Nähten  des  Schädeldaches  auftreten,  vor 
allem  in  der  Lambdanaht,  aber  auch  in  der  Frontal-,  Coronal-,  Sagittal-,  Schuppeu- 
und  Frontonasalnaht.  Zwischen  den  Gesichtsknochen  sind  sie  sehr  selten.  Zu  den 
FontaneUknochen  der  kleinen  Fontanelle  gehören  die  Spitzenknochen  (s.  Occi- 
pitalia);  in  der  großen  Fontanelle  kommt  ein  einfacher  oder  doppelter  accessorischer 
Knochen  (Frontoparietale,  Bregmaticum)  vor,  der  bei  Cebiden  häufig  ist  (Ficalbi), 
auch  die  vordere  und  hintere  Seiten fontanelle,  die  inkonstante  Fronto-Nasal-Fonta- 
nelle  und  die  frühfötalen  Fontanellen  am  vorderen  und  hinteren  Rande  des  Scheitel- 
beins werden  Sitz  von  Fontanellknochen. 

Die  Fugenknochen  treten  embryonal  zwischen  2  Ersatzknochen  des  Chondro- 
craniums  in  der  trennenden  Knorpelfuge  auf  als  kleine  hirsekornförmige  Knöchelchen 
(Ranke).  Da  für  die  Ersatzknochen  ähnliche  Wachstumsverhältnisse,  wie  sie  von 
den  Decknochen  geschildert  wurden,  bisher  als  normalerweise  vorkommend  nicht 
bekannt  sind,  so  hat  das  Auftreten  selbständiger  Ossifikationsherde  in  den  Fugen 
noch  mehr  den  Charakter  eines  abnormen  Vorganges,  als  das  bei  den  Naht-  und 
FontaneUknochen  der  Fall  ist. 

3)  Die  Möglichkeit,  daß  die  Zahl  der  Centren,  von  denen  aus  die 
Verknöcherung  eines  Knochens  erfolgt,  abnormerweise  eine  Ver- 
mehrung erfährt,  und  daß  so  statt  eines  Knochens  deren  mehrere 
entstehen,    ist    ohne    weiteres    zuzugeben.     Bisher   wurde   diese  Ent- 


840  E.  Gaupp, 

Stellungsursache  stillschweigend  in  vielen  Fällen  angenommen;  daß 
dies  nicht  immer  berechtigt  zu  sein  braucht,  lehrt  das  gleich  zu 
erwähnende  Beispiel  des  Zygomaticum  bipartitum. 

4)  In  den  3  bisher  geschilderten  Fällen  ist  die  Ursache  für  die 
Entstehung  eines  überzähligen  Knochens  bereits  in  der  allerersten 
Anlage  gegeben.  Neuerdings  hat  es  aber  K.  Toldt  jun,  wahrschein- 
lich gemacht,  daß  auch  bei  einheitlicher  erster  Anlage  eines  Knochens 
sekundär,  im  Laufe  der  weiteren  Entwickelung,  Abtrennung  eines 
Knochenbezirkes  erfolgen  kann.  Genaueres  siehe  bei  Zygomaticum. 
Wieweit  solche  Vorgänge  als  wirksam  anzunehmen  sind,  bleibt  noch 
festzustellen. 

Knochen  im  Gebiet  des  Oberschädels. 
(Außer  Gehörknöchelchen.) 

Bei  der  nachfolgenden  speciellen  Darstellung  gehe  ich  meist  von 
den  Verhältnissen  beim  Menschen  aus  und  schließe  die  der  anderen 
Säuger,  wenigstens  der  Hauptsache  nach,  daran  an. 

Knochenkomplex  des  Occipitale  (Occipitalia  und  Inter- 
parietale). In  der  Umgebung  des  Foramen  occipitale  magnum  ent- 
stehen bei  den  Säugern  die  4  typischen  Ersatzkuochen :  Basioccipitale, 
Pleuroccipitalia,  Supraoccipitaie.  Keiner  derselben  greift  auf  die  Ohr- 
kapseln über.  Die  4  Knochen  verschmelzen  meistens  (als  Pars  basilaris. 
Partes  laterales  und  Squama)  bei  erwachsenen  Tieren  untereinander 
zu  einem  Occipitale,  doch  kann  die  Trennung  auch  lange  oder  dauernd 
erhalten  bleiben.  Mit  dem  Supraoccipitaie,  das  an  dem  einheitlichen 
Occipitale  die  Schuppe  bildet,  kann  das  als  Deckknochen  entstehende 
Interparietale  verwachsen ;  alsdann  wird  der  Supraoccipitalteil  als 
ünterschuppe,  der  Interparietalteil  als  Oberschuppe  bezeichnet. 

Die  Verknöcherung  des  Basioccipitale  dehnt  sich  in  der  Schädelbasis  (der 
Basali^latte)  sehr  weit  nach  vorn  hin  aus;  daß  ihre  vordere  Grenze  mit  der  der 
Occipitalregion,  d.  h.  mit  der  des  gegliederten  Abschnittes  der  Schädelbasis  zusammen- 
falle, ist  ganz  unerwiesen.  Offenbar  reicht  häufig  der  Knochen  viel  weiter  nach  vorn. 
Bei  manchen  Säugern  nimmt  das  Basioccipitale  auch  an  der  Bildung  der  Condyh  occi- 
pitales  Anteil.  Das  Pleuroccipitale  occupiert  den  Seitenteil  der  Occipitalregion  mit  dem 
Condylus,  das  Supraoccipitaie  das  Tectum  synoticum.  Genaue  Angaben  liegen  für 
den  Menschen  vor,  dessen  Occipitale  einen  aus  Ersatzknochen-  und  Deckknochen- 
Komponenten  Zusammengesetzen  Komplex  darstellt.  Die  Verknöcherung  des  be- 
treffenden Abschnittes  des  Chondrocraniums  erfolgt  nach  Kölliker  im  Anfang 
des  3.  Monats,  und  zwar  mit  einem  Knochenpunkt  in  der  Pars  basilaris,  je  einem 
in  den  Partes  laterales  und  zwei  bald  verschmelzenden  in  dem  Tectum  synoticum. 
Die  letzteren  bilden  die  Anlage  der  Unterschuppe,  deren  Ossifikation  nach 
Toldt  auch  von  vornherein  unpaar  auftreten  kann.  Interessant  ist  die  Beobachtung 
von  BoLK  (1903),  daß  die  Ossifikation  auftritt  in  der  mittleren  Partie  des  Tectum 
synoticum,  die  nicht  zur  Verknorpelung  kommt.  Es  würde  sich  also  hier  um  einen 
Ersatzknochen  handeln,  dessen  primordiale  Knorpelgrundlage  nicht  mehr  in  ganzer 
Ausdehnung  zur  Entwickelung  kommt  (p.  S18).  Eine  Ergänzung  kann  die  Unterschuppe 
erfahren  durch  einen  unpaaren,  in  der  Mittellinie  am  oberen  Rande  des  Foramen 
occipitale  magnum  auftretenden  Knochenkern,  das  Ossiculum  Kerckringii 
(Kerckring  1670)  oder  Manubrium  ossis  occipitalis  (R.  Virchow).  Es 
entsteht  in  der  Incisura  occipitalis  posterior  des  Tectum  synoticum;  Ranke's  Angabe, 
daß  an  seiner  Bildung  Knorpel-  und  Hautknochen  gemeinschaftlich  teilnehmen,  und 
daß  die  Hautverknöcherung  einen  primären  Charakter  zu  tragen  scheine,  läßt  sich 
sehr  wohl  dahin  kommentieren,  daß  die  hier  zur  Verknöcherung  kommende  Partie 
des  Tectum  ebenfalls  nur  partiell  vor  der  Ossifikation  verknorpelt.  Bolk  fand  ein- 
mal einen  freien  Knorpelkern  in  dieser  Partie. 

Ueber  die  Entwickelung  des  Deckknochenanteils  oder  der  Oberschuppe, 
die  als  homolog  dem  Interparietale  der  Säuger  aufgefaßt  wird,  besteht  eine  ausge- 
dehnte Litteratur,  von  Jon.  Fr.  Meckel  bis  heute.    Nach  Ranke,  der  neuerdings 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  841 

den  Gegenstand  sehr  ausführlich  untersuchte,  erfolgt  die  Bildung  des  fraglichen 
Knochen  Stückes  von  4  typischen  Kernen  aus,  in  etwas  komplizierter  Weise.  Nach 
den  beiden  Centren  der  Unterschuppe,  die  das  Kernpaar  I  der  Gesamtschuppe  bilden, 
tritt  Paar  II  auf,  zuerst  neben  der  Mittellinie  gelagert,  dann  mit  seinen  oberen 
Partieen  weiter  lateralwärts  auseinanderrückend.  Die  unteren  Partieen  verschmelzen 
untereinander  und  mit  dem  oberen  Rand  der  Unterschuppe.  Alsdann  wird  durch 
eine  von  der  Seite  einschneidende  Spalte  (Sutura  mendosa)  jedes  der  Centren  II  in 
2  Stücke  zerlegt :  ein  schmales  unteres  (Fig.  405,  IIa),  das  als  Hautknochen- 
ergänzungsstück  der  Unterschuppe  angeschlossen  ist,  und  ein  oberes  {Fig.  405,  IIb), 
das  in  den  Aufbau  des  Hauptteils  der  Oberschuppe  eingeht.  Unterdessen  ist  ein 
III.  Paar  von  Centren  aufgetreten  und  zwar  in  dem  Raum,  der  zwischen  den  oberen 
Hälften  der  Centren  II  durch  Auseinanderweichen  derselben  frei  geworden  ist.  Die 
beiden  Centren  III  verwachsen  dann  mit  den  oberen  Hälften  der  Centren  II  zu  dem 
Hauptteil  der  Oberschuppe,  der  auch  bei  Neugeborenen  noch  durch  die  jederseits 
einschneidende  Sutura  mendosa  unvollkommen  von  der  Unterschuppe  und  ihrem 
oberen  Ergänzungsstück  abgetrennt  ist.  Diese  Sutur  entspricht  also  nicht  dem 
fötalen  Trenungsspalt  zwischen  Ersatz-  und  Deckknochenanteil  der  Schuppe,  sondern 
schneidet  in  den  Deckknochenanteil  ein  (Bessel  Hagen  1879).  Sonach  würde  auch, 
wenn  in  abnormen  Fällen  die  Sutura  mendosa  vollkommen  durchschneidet,  das  obere 
abgetrennte  Stück  (üs  epactale  seu  Os  Incae)  nicht  der  ganzen  Oberschuppe  (oder 
dem  Os  interparietale)  entsprechen ,  sondern  nur  dem  oberen  allerdings  weitaus 
größten  Teil  derselben.    Totales  oder  partielles  Erhaltenbleiben  der  Sutura  mendosa 


Obei  schuppe 

Sutura  mendosa 

ühterschuppe 

Fig.  405.  Ranke's  Schema  der  Ossificationscentren  der  Hinterhauptschuppe 
des  Menschen.  I  erstes  Paar  (Supraoccipitale).  //  zweites  Paar.  IIa  Hautknochen- 
Ergänzungsstück  der  Unterschuppe.  III  drittes  Paar.  IV  viertes  Paar  (Spitzen- 
knochen, Praeinterparietalia). 

mit  Persistenz  einer  oder  mehrerer  der  Sagittalnähte  läßt  einzelne  der  typischen 
Komponenten  selbständig  bleiben  und  als  accesorissche  Elemente  auftreten.  Als 
atypische  accessorische  Knochenstücke  kommen  dann  in  der  kleinen  Fonta- 
nelle Fontanellknochen  vor,  und  diesen  zählt  Ranke  auch  die  sog.  Spitzen- 
knochen  (R.  Virchow;  Praeinterparietalia  der  italienischen  Autoren)  zu.  Es  sind 
zwei  neben  der  Mittellinie  oberhalb  des  Paares  III  gelegene  Centren,  die  nicht  ganz 
selten  sind  und  daher  von  früheren  Autoren  vielfach  als  typische  Komponenten  der 
Hinterhauptsschuppe  beschrieben  wurden.  Nach  Ranke  sind  sie  aus  der  Reihe  der 
principalen  Elemente  zu  streichen.  Im  erwachsenen  Zustand  als  accessorische  Ele- 
mente auftretend  zeichnen  sie  sich  oft  durch  schöne  regelmäßige  symmetrische  Aus- 
bildung aus. 

Die  knöcherne  Vereinigung  der  Partes  laterales  mit  der  Squama  beginnt  gegen 
Ende  des  1.  Lebensjahres  und  ist  in  der  Mitte  des  2.  vollendet ;  ausnahmsweise 
erst  später.  Die  Vereinigung  der  Partes  laterales  mit  der  Pars  basilaris  erfolgt 
sehr  konstant  im  6.  Lebensjahre  (Toi^dt).  In  den  Fugen  zwischen  den  Partes 
laterales  und  der  Unterschuppe  können  Fugenknochen  vorkommen  (Ranice).  Gegen 
Ende  der  Wachstumsperiode  erfolgt  die  Vereinigung  des  Hinterhauptbeines  mit  dem 
Keilbein  durch  Ossifikation  des  Synchondrosis  spheno-occipitalis.  (Die  ausgedehnte 
Litteratur  über  Entstehung  der  Hinterhauptschuppe  s.  bei  Ranke.) 

Knochenkomplex  des  Temporale.  (Petrosum  =  Ossa 
periotica,  Squamosum,  Tympanicum,  Entotympanicum,  Tympano-  und 
Stylo-hyale.) 

Das  menschliche  Schläfenbein  setzt  sich  aus  mehreren  verschieden- 
artigen Komponenten  zusammen.  Die  Pars  petromastoidea  (Os  petrosum) 


842  E.  Gaupp, 

geht  aus  der  Ossifikation  der  Ohrkapsel  und  der  Parietalplatte  hervor ; 
Squama  und  Pars  tympanica  entstehen  als  selbständige  Deckknochen 
(Squamosum  und  Tynipanicum) ;  der  Processus  styloideus  ist  der 
obere  ossifizierte  Teil  des  Zungenbeinbogens  (Tympano-  und  Stylo- 
hyale). 

Petrosum  (Pars  petromastoidea).  Die  Zahl  der  Centra,  von 
denen  aus  beim  Menschen  die  Ohrkapsel,  das  anschließende  Gebiet 
der  Parietalplatte  und  das  Tectuni  synoticum  verknöchern,  beträgt 
nach  Vrolik  6,  nach  Ficalbi  noch  mehr.  Sie  treten  spät  auf,  zu 
einer  Zeit,  wo  das  Basioccipitale  und  die  Pleuroccipitalia  bereits  wohl 
verknöchert  sind.     Nach  Spee    fällt    ihr  Auftreten    in    das  Ende   des 

5.  Fötalmonats,  dann  wachsen  sie  rasch  und  sind  gegen  das  Ende  des 

6.  Fötaimonats  untereinander  verschmolzen.  Der  erste  Ossifikations- 
kern liegt  an  der  ventral-lateralen  Kapselfläche,  zwischen  Fen.  vesti- 
buli  und  Fen.  Cochleae  (Gegend  des  späteren  Promontoriums) ;  er 
dehnt  sich  durch  das  For.  jugulare  hindurch  an  den  inneren  Umfang 
der  Ohrkapsel  aus.  Der  zweite  entsteht  am  dorsal-lateralen  Umfang 
des  vorderen  Kapselabschnittes  und  umfaßt  vor  allem  die  Brücke  über 
dem  Facialisaustritt,  die  Gegend  der  Crista  parotica  (Tegmen  tympani) 
und  den  lateralen  Kapselumfang  bis  zur  Fen.  vestibuli.  Der  dritte 
liegt  innen  an  der  Spitze  der  Cochlea,  also  in  der  Umgebung  der  Incisura 
prootica.  Gleichfalls  am  inneren  Umfang,  aber  viel  mehr  kaudal, 
medial  von  der  Forsa  subarcuata,  tritt  der  4.  Punkt  auf.  No.  5  und  6 
endlich  erscheinen  an  der  Außenfläche  der  hinteren  Kapselabteilung; 
der  5.  in  der  Gegend  des  hinteren  Bogenganges,  der  6.  etwas  davor. 
5  und  6  dehnen  sich  auch  in  die  Parietalplatte  und  den  Anfang  des 
Tectum  synoticum  aus  (Pars  mastoidea).  —  Die  Untersuchung  mehrerer 
Säuger  ergab  in  einzelnen  Punkten  Uebereinstimmung,  in  anderen 
Differenzen  (Fehlen  mancher  Centra,  Vorhandensein  anderer),  so  daß 
es  noch  nicht  feststeht,  ob  bei  den  Säugern  die  Zahl  und  Lage  der 
Knochenpunkte  der  Pars  petromastoidea  konstant  ist.  (Ficalbi  giebt 
für  Schwein,  Schaf,  Mensch  etwas  mehr  Ossifikationspunkte  an  als 
Vrolik.)  Daher  läßt  sich  auch,  wie  Vrolik  mit  vollem  Rechte  be- 
tont, noch  nicht  sagen,  welche  der  6  Territorien  bereits  von  niederen 
Vertebraten  vererbt  und  daher  bestimmten  Knochen  von  diesen  zu 
homologisieren  sind.  (Huxley  beschrieb  seinerzeit  nur  3  Ossifikations- 
centra,  als  Prooticum,  Opisthoticum,  Epioticum ;  nach  Vrolik  ent- 
spricht das  Prooticum  dem  2.,  3.,  6.,  das  Opisthoticum  dem  1.  und  4., 
das  Epioticum  dem  5.  Centrum  Vrolik's.) 

In  großer  Ausdehnung  treten  auch  Verknöcherungen  im  Inneren 
der  knorpeligen  Ohrkapsel  auf.  Boettcher  (1869)  betont  als  funda- 
mentale Thatsache.  daß  die  knöcherne,  auch  bei  erwachsenen  Individuen 
aus  dem  Felsenbeine  ausschälbare  Labyrinthkapsel  nicht  durch  Ossi- 
fikation der  Knorpelkapsel,  sondern  aus  dem  ursprünglichen  intracapsu- 
lären  Bindegewebe  entstehe,  und  ebenso  der  Modiolus,  die  Lamina 
modioli  und  die  Lamina  spiralis  ossea  (Untersuchungen  an  Schaf- 
embryonen). Kölliker  (1879)  bezeichnet  die  Verknöcherung  der 
inneren  Labyrinthkapsel  als  eine  vom  Innenperiost  der  Ohrkapsel 
ausgehende,  die  sich  weiter  auf  das  Bindegewebe  im  Innern  ausdehnt 
und  so  die  oben  erwähnten  Bildungen  und  auch  den  Grund  des 
Meatus  auditorius  internus  liefert. 

Canalis  caroticus.     Ein   knorpelig   geschlossener  Canalis  caroticus   besteht 
nie;  die  Carotis  interna  liegt  anfangs  an  der  Ventralfläche   des   vorderen  Teiles  der 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  843 

Pars  cochlearis  der  Ohrkapsel.  Bei  der  Verknöcherung  derselben  bildet  sich  für 
die  Arterie  zuerst  eine  Rinne,  und  diese  wird  dann  durch  Verwachsen  der  Eänder 
zum  Kanal  geschlossen.  Zur  Zeit  der  Geburt  ist  der  Kanal  (beim  Menschen)  in 
seiner  Mitte  vollendet,  und  von  hier  aus  findet  dann  nach  beiden  Seiten  hin  der 
knöcherne  Verschluß  statt  (Eüdinger,  Moldenhauer).  Auch  das  Septum  des 
Canalis  musculotubarius  ist  nicht  knorpelig  präformiert  und  entsteht  erst 
bei  der  Ossifikation. 

Sq  uamosum.  Das  Squamosum  der  Säuger  und  des  Menschen 
entsteht  als  Deckknochen  am  lateralen  Umfang  der  Ohrkapsel  (Fig.  406); 
bei  vielen  Säugern  bleibt  es  als  getrennter  Knochen  erhalten,  beim 
Menschen  verschmilzt  es  mit  dem  Petrosum  und  dem  Tympanicum. 
Zwischen  dem  Squamosum  und  der  Mandibula  bildet  sich  das  Kiefer- 
gelenk aus,  an  der  Gelenkfläche  des  Squamosums  tritt  sekundär  Knorpel 
auf  (s.  Kiefergelenk).  Für  die  Annahme,  daß  in  den  Aufbau  des 
unteren  Abschnittes  des  Squamosums  das  Quadratum  der  Sauropsiden 
eingegangen  sei,  lassen  sich  entwickelungsgeschichtliche  Gründe  nicht 
beibringen. 

Beim  Menschen  verknöchert  die  Schläfenbeinschuppe  (das  Squamosum)  von 
3  Punkten  aus.  Der  zuerst  auftretende  entspricht  dem  Jochfortsatz,  der  zweite  folgt 
bald  darauf  und  bildet  den  größten  Teil  der  eigentlichen  Schuppe,  der  dritte  ergänzt 
dieselbe  an  ihrem  hinteren  unteren  Ende.  Sie  erscheinen  in  der  10.  bis  11.  Woche  und  sind 
um  die  Mitte  des  4.  Embryonalmonats  untereinander  verschmolzen  (Toldt,  ähnlich 
Rambaud  u.  Renault).  Gegen  Ende  der  Fötalperiode  beginnt  das  Squamosum 
mit  dem  Tympanicum  zu  verschmelzen,  bald  darauf  erfolgt  auch  die  Verbindung 
mit  dem  Petrosum.  —  Die  wichtigsten  Varietäten  beim  Menschen  sind :  Teilung  des 
Squamosums  in  ein  oberes  und  ein  unteres  Stück  durch  eine  Sutura  horizontalis, 
Teilung  in  ein  vorderes  und  ein  hinteres  Stück  durch  eine  Sutura  verticalis ;  Vor- 
handensein eines  Proc.  frontalis!,  der  die  Schläfenbeinschuppe  mit  dem  Frontale  ver- 
bindet. Diese  letztere  Besonderheit  wird  beim  Keilbein  besprochen  werden;  für  die 
beiden  erstgenannten  wird  das  normale  Vorhandensein  mehrerer  Ossifikationscentra 
verantwortlich  gemacht.  —  Nahtknochen  in  der  Schuppennaht  kommen  vor.  —  Vom 
vergleichenden  Standpunkt  ist  die  Anteilnahme  des  Squamosums  an  der  Begrenzung 
des  Cavum  cranii  bemerkenswert,  die  bei  Reptilien  noch  fehlt  und  erst  bei  Vögeln  zu 
konstatieren  ist.  Sie  steht  im  Zusammenhang  mit  der  basalen  Lagerung  und  ge- 
ringen Größe  der  Ohrkapseln  bei  den  Säugern,  die  von  dem  stark  vergrößerten 
Gehirn  überwachsen  werden.  Das  Cavum  cranii  erhält  infolge  dessen  neue  Wände, 
zu  deren  Herstellung  auch  das  Squamosum,  das  bei  den  Reptilien  keinen  Anteil 
daran  hatte,  herangezogen  wird  (Gaupp  1900). 

Tympanicum.  Das  Paukenbein  entsteht  als  Deckknochen  am 
lateral-ventralen  Umfang  des  MECKEL'schen  Knorpels  (Fig.  406)  und 
bleibt  bei  vielen  Säugern  als  getrennter  Knochen  bestehen. 

Beim  Menschen  wird  das  Tympanicum  anfangs  des  3.  Monats  ventral-lateral 
vom  MECKEL'schen  Knorpel  vor  dem  Hammer  als  einheitlicher  Deckknochen  ange- 
legt (Broman).  Die  nach  abwärts  und  innen  gerichtete  Spitze  wächst  dann  erst  in 
der  genannten  Richtung  und  dann  nach  hinten  hin  aus  (Fig.  403,  404),  folgt  dabei 
dem  Rande  der  Membrana  tympani  und  umkreist  den  Hammer  von  vorn  und  unten, 
um  hinter  ihm  sich  wieder  aufwärts  zu  krümmen.  So  kommt  der  Anulus  tympa- 
nicus  zu  Stande,  den  auch  der  Neugeborene  zeigt.  Im  Laufe  des  10.  Embryonal- 
monats verwächst  derselbe  nach  Toldt  zuerst  an  seinen  Enden  mit  der  Schujjpe 
und  dann  auch  an  seinem  unteren  Teil  mit  der  Pyramide.  Schon  in  den  ersten 
Monaten  nach  der  Geburt  beginnt  die  Apposition  neuer  Knochensubstanz  medial- 
wie  lateralwärts,  wodurch  der  anfangs  schmale  Anulus  zu  der  breiten  Platte  wird. 
Bei  manchen  Säugern  bildet  das  Tympanicum  die  Bulla  tympanica,  an  deren  Kon- 
stituierung aber  auch  andere  Knochen  teiluehmen  können.  —  Durch  die  Verwachsung 
des  Tympanicum  mit  dem  Petrosum  und  Squamosum  kommen  Teile,  die  ursprüng- 
lich außen  von  der  Ohrkapsel  lagen,  in  einen  von  Knochen  begrenzten  Raum,  die 
Paukenhöhle,  zu  liegen.  Die  Fissura  petrotympanica  bleibt  als  Spalte  zwischen  dem 
Tympanicum  und  der  Crista  parotica  (dem  Tegmen  tympani)  bestehen  und  leitet  die 
Chorda  tympani  aus  der  Paukenhöhle  heraus.  Sie  entspricht  auch  der  Stelle,  wo 
Anfangs  der  MECKEL'sche  Knorpel  vom  Gelenkende  (dem  Hammer)  aus  zum  Unter- 
kiefer zog. 

Was  die  Homologie  des  Tympanicums  anlangt,  so  wird  dafür  häufig  das  Para- 
quadratum  der  Amphibien  (Quadratojugale  der  Reptilien)  in  Anspruch  genommen; 


844 


E.  Gaupp, 


ich  selbst  habe  diese  Homologie  (1894)  vertreten  und  die  abweichende  Lage  des 
Knochens  zum  Quadratum  (Incusj  aus  der  Verschiebung  des  letzteren  nach  rück- 
wärts zu  erklären  gesucht.  Der  auf  Grund  des  ontogenetischen  Verhaltens  viel 
näher  liegende  Gedanke,  daß  das  Säugertympanicum  auch  phylogenetisch  ein  Deck- 
knochen des  MECKEL'schen  Knorpels  ist,  wird  neuerdings  von  van  Kampen  (1904) 
ventiliert.     Der  genannte  Autor  führt  das  Supraangulare  der  Reptilien  als  Ver- 


Fig.  406.     Dasselbe  Modell  wie  Fig.  398,  mit  Deckknochen  der  rechten  Seite. 
Von  recnts. 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  845 

gleichsobjekt  an.  Diese  Vorstellung  hat  manches  für  sich  und  verdient  weiter  ge- 
prüft zu  werden.  Der  Hinweis  v.  Kampen's  darauf,  daß  das  Tyrapanicum  manch- 
mal mil  dem  Malleus  (dem  Articulare)  verschmilzt  —  Monotremen  —  spricht  vielleicht 
zu  ihren  Gunsten.  —  Daß  dagegen  das  Tympanicum  nicht  dem  Quadratum  homolog 
ist,  ist  sicher. 

E  n  1 0  t  y  m  p  a  u  i  c  u  m  (Os  biillae ,  Metatympanicum).  Das  bei 
manchen  Säugern  vorhandene  Entotympanicum  fand  Wincza  bei  der 
Katze  und  bei  einer  Fledermaus  knorpelig  präformiert,  doch  hing  der 
Knorpel  mit  dem  Primordialcranium  nicht  zusammen.  Parker  be- 
schreibt den  Knochen  beim  Schwein  als  bindegewebig  präformiert. 

Genaueres  über  das  Verhalten  des  Entotympanicum  siehe  bei  v.  Kampen  (1904). 
Der  Knochen  ist  bei  Vertretern  verschiedener  Ordnungen  beschrieben  worden : 
Marsupialiern,  Insectivoren,  Chiropteren,  Xenarthra,  Manidae,  Carnivoren  und  Ungu- 
laten.  Ob  es  sich  bei  der  knorpeligen  Präformation  um  sekundäre  Knorpelbildung 
handelt,  ist  einstweilen  mit  Sicherheit  nicht  zu  sagen,  aber  wahrscheinlich;  die  Rück- 
führung des  Knochens  auf  den  Anulus  tympanicus  der  Anuren  (WinCZA)  ist  wohl 
ganz  unmöglich,  v.  Kampen  faßt  den  Knochen  als  eine  Neuerwerbung  der  Säuger 
auf;  in  Fällen,  wo  er  als  selbständiges  Element  fehlt,  glaubt  er  ihn  durch  fusion 
primordiale  mit  dem  Tympanicum  verschmolzen. 

T  y  m  p  a  n  o  h  y  a  1  e  und  S  t  y  1  o  h  y  a  1  e.  Das  obere  mit  der  knorpe- 
ligen Ohrkapsel  verschmolzene  Ende  des  Zungenbembogens  ver- 
knöchert und  verbindet  sich  beim  Menschen  mit  dem  Petrosum  und 
dem  Tympanicum.  Der  frei  hervorstehende  Teil  bildet  den  Proc. 
styloideus  beim  Menschen.  (S.  u. :  Canalis  facialis,  sowie :  Verknöche- 
rungen des  Hyobranchialskeletts.) 

Canalis  facialis,  Eminentia  stapedia.  Der  definitive  Canalis  facialis 
des  Menschen  läßt  3  Abschnitte  unterscheiden,  von  denen  aber  nur  der  erste  (vom 
Por.  acust.  int.  bis  zur  Gegend  des  Facialisknies)  dem  kurzen,  im  Chondrocranium 
befindlichen  primären  Kanal  entspricht.  Embryonal  verläuft  der  Nerv,  nachdem  er  aus 
dem  Orificium  externum  dieses  kurzen  Kanals  ausgetreten  ist,  am  lateralen  Umfang 
der  Ohrkapsel,  unter  der  Crista  parotica  und  über  der  Fen.  vestibuli,  resp.  über  dem 
Stapes,  rückwärts,  biegt  hinter  der  Fenestra  nach  abwärts  um  und  läuft  am  medial- 
kaudalen  Umfang  des  Proc.  styloideus  weiter  ventralwärts.  Von  den  Aesten  des 
Anfangsteiles  geht  der  N.  petrosus  superficialis  major  (=  N.  palatinus  niederer  Verte- 
braten)  sofort  am  Orificium  externum  des  primären  Kanals  ab  und  läuft  (manchmal 
durch  eine  schon  im  Knorijelstadium  abgetrennte  Oettnung,  Hiatus  spurius)  am 
lateralen  Umfang  des  P.  cochlearis  der  Ohrkapsel  nach  vorn.  Die  Chorda  tympani 
trennt  sich  vom  Stamm  hinter  dem  Proc.  styloideus  und  läuft,  indem  sie  diesen 
Fortsatz  von  außen  umschlingt,  nach  vorn,  ohne  in  einen  Kanal  eingeschlossen  zu 
sein.  Erst  bei  der  Ossifikation  werden  der  mittlere  und  der  dritte  Abschnitt  des 
Facialkanals  gebildet.  Es  verknöchert  die  laterale  Wand  der  Ohrkapsel,  der  der 
Nerv  in  einer  Rinne  anliegt,  und  im  Anschluß  daran  verwachsen  auch  die  Ränder 
dieser  Rinne  knöchern.  Bei  vielen  Tieren  (Hund,  Katze,  Kaninchen,  Hase,  Wander- 
ratte) ist  die  Umwachsung  des  Nerven  entsprechend  der  zweiten  Kanalabteilung  keine 
vollständige.  Das  Foramen  stylomastoideum  des  Menschen  bildet  sich  hinter  der 
Stelle,  wo  der  mit  der  Ohrkapsel  verwachsene  Zungenbein  bogen  aus  der  absteigenden 
Richtung  in  die  nach  vorn  gehende  umbiegt.  Das  oberste  Stück  des  Zungenbein- 
bogens  wird  durch  die  den  Nervus  facialis  umwachsende  Knochenscheide  von  dem 
letzteren  getrennt  (Spee).  Die  Entwickelung  des  Canaliculus  chordae  tympani  wurde 
genauer  noch  nicht  verfolgt;  aus  Angaben  von  Spee  geht  hervor,  daß  der  Anfangs- 
teil (erst  nach  der  Geburt)  im  Anschluß  an  den  Faciatiskanal  durch  knöcherne  Um- 
wachsung der  Chorda  gebildet  wird,  während  der  anschließende  Teil  auf  der  Grenze 
des  Petrosums  und  der  Squama  ausgespart  bleibt.  (Ueber  die  Bildung  des  Facialis- 
kanals  s.  Joseph  1866  und  besonders  Vkolik  1873;  auch  RItdinger  1876  und 
Gegenbaur  1876.) 

In  Zusammenhang  mit  der  Knochenwand,  die  den  unteren  Teil  des  Canalis 
facialis  abschheßt,  entsteht  auch  die  Eminentia  stapedia:  zwei  dünne  Knochen - 
lamellen  bilden  sich  um  den  Muskel  und  verwachsen  bis  auf  die  persistierende 
Oeffnung  (Rüdinger). 

K  n  0  c  h  e  n  k  0  m  p  1  e  X  des  0  s  s  p  h  e  n  o  i  d  a  1  e  (Basisphenoid, 
Präsphenoid,  Alisphenoidea  mit  Intertemporalia,  Orbitosphenoidea  und 
sogenannte  Pterygoidea  [wahrscheinlich  den  Seitenteilen  des  Para- 
sphenoids  entsprechend]). 


846  E.  Gaupp, 

Das  Keilbein  des  Menschen  geht  in  der  Hauptsache  aus  der  von 
mehreren  Centren  aus  erfolgenden  Ossifikation  des  Chondrocraniums 
in  der  Orbito-temporalregion  hervor,  die  sich  auch  etwas  auf  das 
Septum  nasi  fortsetzt,  dazu  kommen  jederseits  ein  als  Os  pterygoideum 
bezeichneter  Deckknochenanteil  und  ein  Intertemporale.  Beim  Menschen 
ist  die  Verwachsung  der  einzelnen  Komponenten  eine  vollständige 
und  verhältnismäßig  früh  (bei  oder  bald  nach  deV  Geburt)  beendete; 
bei  den  übrigen  Säugern  bleiben  häufig  ein  hinterer  und  ein  vorderer 
Komplex  als  hinteres  und  vorderes  Keilbein ,  sowie  der  erwähnte 
Deckknochenanteil  lange  Zeit  oder  dauernd  selbständig.  Die  sog. 
Conchae  sphenoidales,  die  beim  erwachsenen  Menschen  als  Teile  des 
Keilbeins  erscheinen,  gehen  aus  der  Verknöcherung  der  hintersten 
Kuppeln  der  Nasenkapseln  hervor  und  erlangen  erst  sekundär  ihre 
Verbindung  mit  dem  Keilbein.  Sie  werden  beim  Ethmoidale  ge- 
schildert werden. 

Die  speciellen  Vorgänge  beim  Menschen  sind  besonders  von  Hannover,  Toldt, 
Button  untersucht  worden  und  gestalten  sich  —  hauptsächlich  nach  Button  — 
folgendermaßen.  In  der  8.  Woche  erscheinen  rasch  hintereinander  folgende  Knochen- 
kerne: 1)  Alispheuoide  (Ossifikation  der  Ala  temporalis),  2)  mediale  Basisphenoid- 
kerne  (nebeneinander  im  Boden  der  Sella  turcica),  3)  laterale  BasisjDhenoid kerne  (im 
Gebiet  des  Sulcus  caroticus  und  der  Lingula,  also  in  dem  sog.  Proc.  alaris,  jederseits), 
4)  innere  Lamellen  der  Flügelfortsätze  (sog.  Pterygoide).  Während  des  3.  Monats 
verschmelzen  die  medialen  Besisphenoidkerne  erst  unter  sich  und  dann  mit  den 
lateralen  Kernen.  So  entsteht  der  Körper  des  hinteren  Keilbeins.  Im  3.  Monat 
erscheinen  dann  noch:  5)  Orbitosphenoide  (Ossifikation  der  Ala  orbitalis  jederseits, 
lateral  vom  For.  opticum  beginnend),  6)  Präsphenoide  (nebeneinander  im  basalen 
Knorpel,  medial  vom  For.  opticum  jederseits).  Im  4.  Monat  verschmelzen  die  Orbito- 
sphenoide mit  den  Präsphenoiden,  und  die  inneren  Lamellen  der  Flügelfortsätze 
mit  den  Alisphenoiden.  Im  7.  Monat  beginnen  die  Präsphenoide  mit  dem  Körper 
des  hinteren  Keiibeins  zu  verschmelzen,  im  8.  Monat  verschmelzen  die  Präsphenoide 
untereinander  (zum  Körper  des  vorderen  Keilbeins);  während  des  ersten  Jahres  nach 
der  Geburt  verschmelzen  die  Alispheuoide  mit  den  Körj^er  des  hinteren  Keilbeins. 
Dabei  verbreitert  sich  die  Wurzel  des  Alisphenoids  nach  vorn  und  nach  hinten  hin 
(genauere  Angaben  hierüber  fehlen),  und  es  kann  vorn,  entsprechend  der  Grenze 
von  Basi-,  Ali-  und  Präsphenoid  zur  Abtrennung  des  innersten  Winkels  der  pri- 
mären Fissura  orbitalis  superior  durch  eine  Knochen  brücke  kommen:  Canalis 
craniopharyngeus  lateralis  (Bternberg).  Beim  kindlichen  Keilbein  des 
Menschen  ist  er  in  Ausnahmefällen,  bei  vielen  Säugern  als  Regel  vorhanden  und 
bietet  manche  Besonderheiten  der  Ausbildung.  —  Von  den  Alisphenoiden  aus  ver- 
knöchern auch  die  äußeren  Lamellen  der  Flügelfortsätze.  Von  den  Basisphenoid- 
kernen  aus  dringt  die  Verknöcherung  rückwärts  in  den  vordersten  Teil  der  Basal- 
platte und  die  Sattellehne  vor.  Letztere  ist  bei  der  Geburt  noch  knorpelig ;  der  Knorpel, 
der  sie  bildet,  hängt  mit  dem  spheno-occipitalen  Fugenknorpel  zusammen,  der  gewöhn- 
lich zwischen  dem  16.  und  20.  Lebensjahre  ossificiert  (Toldt).  Ueber  das  Verhältnis 
dieser  Fuge  zur  Chorda  dorsalis  wurde  schon  gehandelt.  Der  von  Landzert  be- 
schriebene C  anal  i  s  craniopharyngeus  medius,  der  das  Basisphenoid  durchsetzt 
und  beim  erwachsenen  Menschen  sehr  selten,  beim  Neugeborenen  etwas  häufiger 
vorkommt,  wird  wohl  mit  Recht  auf  den  embryonalen  Hypophysengang  und  die 
Lücke,  die  dieser  im  Anlagegewebe  der  Schädelbasis  bewirkt  (Fenestra  hypophyseos) 
bezogen.  Auch  bei  anderen  Säugern  ist  er  hin  und  wieder  vorhanden,  beim  Ka- 
ninchen stets  (Landzert,  Suchannek,  Romiti,  Maggi,  Rossi,  Sokolow,  Le  Dou- 
ble, Kollmann  u.  A.).  —  Das  Praesphenoid  (Körper  des  vorderen  Keilbeins) 
läßt  Hannover  im  Gegensatz  zu  Toldt  und  Sutton  nicht  aus  einem,  sondern  aus 
zwei  Paaren  von  Knochenkernen  hervorgehen,  einem  vorderen  luid  einem  hmteren. 
Reste  der  intersphenoidalen  Knorpelfuge  (zwischen  den  Körpern  des  vorderen  und 
hinteren  Keilbeins)  findet  Toldt  konstant  bis  ins  spätere  Kindesalter.  Vom  Prä- 
sphenoid aus  verknöchert  auch  der  hinterste  Teil  des  Nasenseptums  als  Crista  sphen- 
oidalis  und  Rostrum  sphenoidale.  Der  Körper  des  jugendlichen  Keilbeins  besteht  ganz 
aus spongiöser Knochensubstanz;  erst  nachdem  mit  seiner  Vorder-  und  Unterfläche  die 
Concha  sphenoidalis  verwachsen  ist,  beginnt  (etwa  im  9.  bis  12.  Lebensjahr)  der  Sinus 
terminalis  der  Nasenhöhle,  der  bis  dahin  von  der  Concha  umschlossen  war,  sich  aus- 
zudehnen und  als  Sinus  sphenoidalis  in  den  Keilbeinkörper  hineinzuwachsen,  den  er 
in  wechselnder  Ausdehnung  aushöhlt.    In  der  Mittellinie  bleibt  ein  Septum  bestehen. 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  847 

Intertemporale.  Der  obere  Eand  des  Alisphenoids  erfährt  eine  Ergänzung 
durch  eine  Knochenpartie,  die  ohne  knorpelige  Vorbildung  ist  (Hannover  1880). 
Sie  wurde  von  Button  und  Ranke  als  konstant  bestätigt  und  von  letzterem  Os 
in  tert  eniporale  genannt.  Dieses  „Hautknochenergänzungsstück"  (Ranke)  kann 
selbständig  bleiben  (Üs  epiptericum  Aut.)  oder  abnormerweise,  statt  mit  der  Ala 
magna,  mit  der  Schläfenschuppe  (als  Stirnfortsatz  der  Schläfen  seh  uj^pe)  oder  mit 
dem  Stirnbein  (als  Schläfenfortsatz  des  Stirnbeins)  verschmelzen.  Beim  Orang  und 
Hylobates  liegen  die  Dmge  ähnlich  wie  beim  Menschen,  bei  Gorilla  und  Schimpanse 
wie  bei  manchen  niederen  Säugern  (Nager,  Dickhäuter,  Einhufer)  ist  der  Stirnfortsatz 
der  Schläfen  schuppe  das  gewöhnliche  Vorkommen.  Die  Bedeutung  des  Intertemporale 
verlangt  neue  Untersuchung. 

Die  sog.  mediale  Lamelle  des  Flügelfortsatzes,  die  bei  vielen  Säugern 
zeitlebens  selbständig  bleibt  und  als  Os  pterygoides  aufgefaßt  wird,  ist  bei  einer 
Anzahl  von  Säugern  knorpelig  präformiert  (Katze,  nach  Wincza;  Talpa,  Macacus, 
nach  Fischer;  auch  beim  Menschen  fanden  Hannover  und  Graf  Spee  Knorpel 
in  der  Anlage).  Der  Knorpel  entsteht  (Katze,  Maulwurf)  selbständig,  außer  Zu- 
sammenhang mit  dem  Primordialcranium.  In  Anbetracht  dieses  letzteren  Umstandes 
und  des  weiteren,  daß  andere  Autoren  (Bruch,  Kölliker,  Parker,  Bonnet)  nur 
von  der  Deckknochennatur  des  Knochens  sprechen,  liegt  die  Vermutung  nahe,  daß 
es  sich  hier  um  einen  Fall  von  sekundärer  Knorpelbildung  wie  im  Dentale  handelt. 
Die  Topographie  (speciell  das  Verhalten  zu  der  Ala  temporalis  und  dem  N.  petrosus 
superficialis  major,  d.  h.  dem  N.  palatinus  niederer  Vertebraten),  sowie  die  Existenz 
eines  anderen,  dem  Reptilienpterygoid  gleichenden  Knochen  bei  den  Monotremen 
lassen  die  Berechtigung  der  Bezeichnung  Os  pterygoides  als  sehr  zweifelhaft  erscheinen, 
weisen  dagegen  auf  den  lateralen  Abschnitt  des  Parasphenoids  als  das  in  Frage 
kommende  Vergleichsobjekt  hin. 

Os  ethmoidale  und  Conchae  sphenoidales.  Das  Ethmoi- 
dale  geht  aus  der  Verknöcberung  des  hinteren  Teiles  des  knorpeligen 
Nasengerüstes  hervor;  Deckknochenbildung  nimmt  daran,  soweit  be- 
kannt, keinen  Anteil.  Die  Verknöcherung  beginnt  in  den  beiden 
Seitenteilen  sowie  im  Septum  selbständig,  so  daß  zeitweise  3  getrennte 
Knochen  vorhanden  sind.  Die  Lamina  transversalis  posterior  ver- 
knöchert zur  sog.  Schlußplatte,  die  den  Ductus  nasopharyngeus  vom 
hinteren  Teil  der  Regio  olfactoria  scheidet  und  bei  Quadrupeden  in 
Zusammenhang  mit  dem  Siebbein  steht.  Beim  Menschen  verknöchert 
die  ganze  hintere  Kuppel  der  Nasenhöhle  selbständig  als  Ossiculum 
Bertini.  Die  Cellulae  ethmoidales  werden  beim  Menschen  zum  Teil 
erst  durch  den  Ossifikationsprozeß  abgekammert. 

Beim  Menschen  beginnt  nach  Toldt  die  Verknöcherung  jederseits  in  der  Seiten- 
wand der  Nasenkapsel  (als  Lamina  papyraca)  im  6.  Fötalmonat,  von  da  schreitet  sie 
(im  7.  und  8.  Monat)  auf  die  Lamellen  des  Labyrinths  fort  und  ergreift  gegen  Ende 
der  Fötalperiode  auch  die  Balken  der  Lamina  cribrosa.  Entsprechend  den  von 
Peter  (Bd.  2)  geschilderten  Schleimhautverwachsungen  treten  auch  knöcherne  Brücken 
z-wischen  den  Muscheln  auf  und  kammern  die  Cellulae  ethmoidales  voneinander  ab. 
Die  Basallamellen  der  Muscheln,  die  in  Verbindung  mit  der  Lamina  papyracea  stehen, 
werden  ebenfalls  zu  Scheidewänden  zwischen  den  sich  ausweitenden  Zellen.  Erst  in 
der  2.  Hälfte  des  1.  Lebensjahres  beginnt  (selbständig)  die  Ossifikation  im  oberen 
Teile  des  Septums  (Lam.  perpendicularis)  und  der  Crista  galli,  und  es  erfolgt  alsdann 
die  Vereinigung  der  drei  bisher  getrennten  Stücke  (der  2  Labyrinthe  nebst  den  zuge- 
hörigen Siebplatten  half  ten  und  der  Lamina  perpendicularis)  zu  einem  einheitlichen 
Knochen.  Toldt  findet  diese  Vereinigung  schon  bald  nach  dem  Auftreten  der 
Septalverknöcherung,  Kölliker  und  Graf  Spee  geben  sie  erst  für  das  6.  Lebensjahr 
an.  Im  2.  Lebensjahr  treten  noch  ein  accessorischer  Kern  im  obersten  Teil  der 
Crista  galli  auf,  sowie  zwei  weitere  im  vorderen  Teil  der  Lamina  cribrosa.  Die  Ver- 
knöcherung der  Lamina  perpendicularis  schreitet  sehr  langsam  von  oben  nach 
unten  vor. 

Aus  der  Verknöcherung  der  hinteren  Kuppel  einer  jeden  Nasenkapsel  geht  das 
Ossiculum  Bertini  (die  Concha  sphenoidalis)  hervor.  Die  Ossifikation 
beginnt  im  .5.  Embryonalmonat  in  der  medialen  (paraseptalen)  Wand  der  Kuppel; 
im  7.  bis  8.  Monat  tritt  ein  weiteres  Ossifikationscentrum  in  der  lateralen  Wand 
auf,  endlich  kommen  dazu  noch  Ossifikationsherde,  die  im  bindegewebigen  Boden 
der  Kuppel  entstehen  und  gegen  Ende  des  Embryonallebens  untereinander  und  mit 
den  anderen  Centren   verschmelzen.    (Ob   es  berechtigt  ist,   diese  als  Deckknochen 


848  E.  Gaupp, 

aufzufassen,  bleibe  dahingestellt;  da  sie  an  der  Stelle  entstehen,  wo  bei  Säugern  die 
knorpelig  präforniierte  Lamina  transversalis  posterior  ossifiziert,  könnte  es  sich  um 
Ersatzknochenbildung  mit  Unterdrückung  der  knorpeligen  Grundlage  handeln.)    Vom 

I.  bis  3.  Lebensjahr  ist  jeder  Terminalsinus  fast  allseitig  durch  eine  vollständige  und 
selbständige  Knochenkapsel  umschlossen,  die  sich  nur  vorn  in  den  Raum  der  Nasen- 
kapsel öffnet.  Sie  liegt  an  der  Unterfläche  des  vorderen  Keilbeinkörpers  zur  Seite 
der  Crista  sphenoidalis  und  des  Rostrum  sphenoidale,  die  aus  der  Ossifikation  des 
hintersten  Abschnittes  des  Septum  nasi  hervorgegangen  sind,  durch  Bindegewebe 
mit  diesen  Teilen  verbunden.  Vom  4.  Lebensjahr  an  schwinden  durch  Resorption 
alle  Wände  mit  Ausnahme  der  unteren  und  der  LTmgebung  der  Kommunikations- 
öffnung mit  der  Nasenkapsel,  so  daß  nun  das  vordere  Keilbein  und  sein  Rostrum 
an  der  Begrenzung  des  Sinus  terminalis  Anteil  gewinnen.  Alsdann  verschmilzt  (im 
4.  Lebensjahr)  das  Knochenstück  mit  dem  Ethmoidale.  Erst  später  (9.  bis  12.  Lebens- 
jahr) verschmilzt  es  auch  mit  dem  Keilbein.  Alsdann  weitet  sich  der  Endsinus  in 
das  spongiöse  Keilbein  hinein  aus  und  wird  so  zum  Sinus  sphenoidalis,  der  beträcht- 
liche Dimensionen  annehmen  kann  (Cleland,  Toldt). 

Concha  inferior  (Maxilloturbinale).  Verknöchert  selbständig; 
beim  Menschen  nach  Toldt  im  7.  Monat  (nach  Graf  Spee  schon  im  5.). 

Praenasale.  Beim  Schwein  und  einigen  anderen  Säugern  ver- 
knöchert die  vorderste  Partie  des  Nasenseptums  als  Praenasale.  (Der 
unzweckmäßige  Name  wäre  besser  durch  einen  anderen,  z.  B.  Tel- 
ethinoidale,  zu  ersetzen.) 

Parietale.  Das  Parietale  entsteht  als  Deckknochen  auf  der 
Parietalplatte  und  der  Gommissura  orbito-parietalis,  wo  eine  solche 
ausgebildet  ist.  Beim  Menschen  und  bei  den  Affen,  wo  sie  fehlt, 
stützt  sich  nur  der  hintere  Teil  des  Parietale  auf  die  Parietalplatte, 
während  der  vordere  keine  Beziehungen  zu  knorpeligen  Teilen  besitzt. 

Das  Parietale  beginnt  in  der  10.  Fötalwoche  zu  ossifizieren.  Nach  Toldt  ent- 
steht ein   weitmaschiges  Netz  zarter    Knochen bälkchen,   in  dem   sich  im  Laufe  der 

II.  und  12.  Woche  zwei  übereinander  gelegene  dichtere  Centren  ausbilden.  Von 
jedem  derselben  strahlen  die  Knochenbalken  radiär  aus.  Im  Laufe  des  4.  Monats 
verschmelzen  beide  Centren  mehr  und  mehr,  an  der  Stelle  der  früheren  Grenze 
bildet  sich  später  der  Scheitelhöcker  aus.  Stäurenghi,  Biaxchi  und  Ranke  ver- 
mochten sogar  bei  jungen  Embryonen  die  völlig  getrennte  Anlage  beider  Ceutren 
zu  konstatieren;  möghcherweise  kommen  individuelle  Variationen  vor  (Schwalbe). 
Eine  noch  größere  Anzahl  von  Centren  (8  oder  4,  von  Maggi  angegeben)  ist  bis- 
her unbestätigt.  Das  Os  parietale  bipartitum  mit  Horizontalnaht  erklärt  sich  am 
einfachsten  aus  der  Annahme,  daß  abnormerweise  die  Vereinigung  beider  Centren 
unterbleibt.  Nach  Schvvalbe  ist  unter  den  dabei  in  Betracht  kommenden  Be- 
dingungen mit  großer  Wahrscheinlichkeit  ein  pathologisches  Moment,  eine  im  em- 
bryonalen Leben  auftretende  Hydrocephalie,  verantwortlich  zu  machen.  (DieLitteratur 
über  diesen  Gegenstand  sowie  über  sonstige  Varianten  des  Scheitelbeins,  auch  bei 
Anthropoiden,  siehe  bei  Schwalbe.) 

Das  sog.  Tentorium  osseum,  das  bei  bestimmten  Gruppen  der  Säugetiere 
(z.  B.  vieler  Carnivoren)  konstant  vorkommt,  entsteht  nach  Bayer  unabhängig  vom 
echten  Tentorium  cerebelli  an  der  inneren  Schädelwand  entweder  vor  dem  Inter- 
parietale oder  an  dem  hinteren  Rande  des  Parietale,  ist  aber  später  immer  nur  mit 
dem  Parietale  verwachsen.  An  seiner  vorderen  Fläche  liegt  dann  das  durch  die 
wachsenden  Hemisphären  heruntei'gedrängte  Tentorium  cerebelli,  das  in  keinem  Falle 
ossificiert.     Die  Bildung  ist  in  ihrer  Herkunft  und  Bedeutung  noch  räthselhaft. 

Interparietale.  Entsteht  als  selbständiger  Deckknochen,  bleibt 
aber  nicht  immer  frei,  sondern  kann  mit  den  Parietalia  oder  dem 
Occipitale  verschmelzen.  Beim  Hunde  entsteht  es  aus  einem  Kern, 
bei  anderen  Säugern  (Nager,  Wiederkäuer,  Pferd)  aus  zwei  Seiteu- 
hälften (Stannius).  Beim  Schwein,  wo  es  inkonstant  ist,  ist  es  nach 
Forster  auffallenderweise  knorpelig  jjräformiert ;  das  betr.  Knorpel- 
stück entsteht  als  Fortsatzbildung  am  vorderen  Rande  des  Tectum 
synoticum,  verliert  aber  später  seine  Verbindung  mit  diesem.  Dieser 
Befund  fordert  zu  neuen  vergleichenden  Untersuchungen  auf. 

Schwalbe  (1899)  stellte  für  die  Katze  fest,  daß  es  bei  ein  und  derselben  Species 
bald  frei   bleiben,   bald   mit  dem  Occipitale,    bald  mit   den  Parietalia,  in   letzterem 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  849 

Falle  vollständig  oder  unvollständig  verwachsen  kann.  Es  ist  ein  typisches  Skelett- 
stück des  Säugerschädels.  (Ueber  seine  Beteiligung  an  dem  Aufbau  des  Occipitale 
siehe  bei  diesem.) 

Frontale  (Fig.  397,  406).  Das  Frontale  bildet  sich  als  paariger 
Deckknochen  jederseits  über  dem  oberen  Rande  der  Ala  orbitalis,  über 
der  Cartilago  spheno-ethmoidalis  und  dem  hinteren  Teil  des  Nasen- 
kapseldaches,  vor  der  Fenestra  olfactoria. 

Beim  Menschen  erscheint  nach  Toldt  die  erste  Anlage  eines  jeden  der  beiden 
Stirnbeine  zwischen  der  7.  und  8.  Fötalwoche.  Seiner  Lage  nach  entspricht  das 
Centrum  dem  späteren  Tuber  frontale.  Von  der  ersten,  oberflächlich  gelegenen 
Platte  aus  entsteht  in  der  9.  Fötalwoche  die  Pars  orbitalis.  Weitere  selbständige 
Centra  stellt  Toldt  in  Abrede;  andere  Autoren  (Rambaud  et  Renault,  Jhering, 
Spee)  beschreiben  noch  einen  Kern  für  die  Spina  nasalis  seitlich  vom  Foramen 
caecura,  einen  für  die  abwärts  von  der  Spina  trochlearis  gelegene  Partie  der  Pars 
orbitalis,  einen  für  die  Gegend  des  Proc.  zygomaticus  (ist  für  ein  Postfrontale  ge- 
halten worden)  und  einen  für  den  hintersten  Teil  der  Pars  orbitalis.  Letzterer  kann 
einen  selbständigen  Schaltknochen  zwischen  dem  kleinen  Keilbeinflügel,  der  Pars 
orbitalis  des  Stirnbeins  und  dem  Siebbein  erzeugen  (Hyrtl,  Speej.  Die  erste  An- 
deutung der  Sinus  frontales  ist  nach  Toldt  gegen  Ende  des  1.  .Jahres  zu  bemerken ; 
ihre  Ausbildung  macht  anfangs  nur  sehr  langsame,  erst  vom  11.  bis  12.  Lebensjahre 
an  etwas  raschere  Fortschritte. 

Die  Verwachsung  beider  Stirnbeine  vintereinander  erfolgt  beim  Menschen  der 
Regel  nach  in  der  2.  Hälfte  des  1.  Lebensjahres,  kann  aber  auch  unterbleiben.  Die 
Naht,  die  die  beiden  Stirnbeine  im  fötalen  Leben  und  in  der  ersten  Zeit  nach  der 
Geburt  voneinander  trennt  (Sut.  frontalis),  zeigt  manchmal,  näher  der  Nasen- 
wurzel, eine  als  Fontanella  metopica  s.  m  edio-f  ron  talis  bezeichnete  Er- 
weiterung, von  der  verschieden  gestaltete  Reste  erhalten  bleiben  können.  Auch  ein 
Fontanellenknochen  (Os  metopicum)  kann  sich  in  der  Fontanelle  bilden,  sowohl 
beim  Menschen  wie  bei  verschiedenen  Säugern  (Maggi).  Außer  der  Fontaneila  metopica 
können  auch  die  übrigen  Abschnitte  der  Sutura  frontalis  Sitz  von  Schaltknochen 
werden.  (S.  über  die  Fontanella  metoi^ica  und  ihre  Bildungen,  sowie  über  den  supra- 
nasalen  Teil  der  Stirnnaht  besonders  die  Arbeiten  von  Schwalbe  1901;  ferner 
Fischer  1901.)     Bei  den  meisten  Säugern  bleibt  die  Stirnnaht  erhalten. 

Die  Stirnzapfen  der  Cavicornia,  wie  die  Geweihe  der  Cervicornia  sind 
Fortsatzbildungen  des  Frontale,  die  ein  gewisses  Interesse  beanspruchen  wegen  der 
an  ihnen  zu  beobachtenden  Ossifikationsvorgänge.  An  der  Spitze  des  sich  bildenden 
Fortsatzes  entsteht  nicht  ohne  weiteres  echter  Knochen,  sondern  zunächst  eine  dünne 
Schicht  emes  Gewebes,  das  früher  für  hyalinen  Knorpel  gehalten  wurde,  aber,  da  es 
beim  Kochen  kein  Chondrin,  sondern  Glutin  giebt,  auf  diese  Bezeichnung  keinen  be- 
rechtigten Anspruch  hat  (RoBEsr  et  Herrmann;  auch  Landois  hat  schon  die 
Knorjjelnatur  bestritten).  Die  Grundsubstanz  dieses  Vorknochens  (substance 
preosseuse,  R.  et  H.)  ist  homogen  oder  feinkörnig  und  stellenweise  streifig,  ihre  zahl- 
reichen Hohlräume  enthalten  Osteoblasten.  Nach  R.  et  H.  wandelt  sich  die  Grund- 
substanz zu  Knochen  um,  während  die  eingeschlossenen  Zellen  zu  Knochenzellen 
werden;  dagegen  findet  H.  Müller  (1863),  daß  es  sich  auch  hier  um  Einschmelzung 
der  erwähnten  Substanz  und  Neubildung  von  Knochen  vom  Periost  und  von  den 
eingeschlossenen  Osteoblasten  aus  handele.  Schaffer  stimmt  ihm  bei.  Die  Annahme, 
daß  jene  Substanz  echter  Knorpel  sei,  veranlaßte  die  Auffassung,  daß  hier  ein  Fall 
von  metaplastischer  Knochenbildung  vorliege  (Lieberkühn,  Gegenbaur  1865, 
Kölliker  1867,  Kassowitz  1877). 

Lacrimale  (Fig.  406).  Das  Lacrimale  entsteht  als  Deckknochen 
auf  der  Seiteuwand  des  hintersten  Abschnittes  der  knorpeligen  Nasen- 
kapsel, über  und  hinter  dem  Maxillare. 

Bei  Quadrupeden  läßt  es  meist  eine  Pars  facialis  und  eine  P.  orbitalis  unter- 
scheiden, häufig  umschließt  es  auch  den  Ductus  nasolacrimalis.  Konstant  ist  diese 
Beziehung  nicht.  Fehlen  des  Knochens  oder  Verwachsung  mit  anderen  ist  für  einzelne 
Ordnungen  typisch  und  Zeichen  regressiver  Metamorphose  des  Knochens.  Beim 
Menschen  beginnt  die  Verknöcheruug  am  Ende  des  2.  Monats ;  zuerst  ossifiziert  die 
Facies  lacrimalis,  dann  die  Crista  mit  Hamulus,  zuletzt  die  Facies  orbitalis.  Erst 
nach  der  Geburt  ist  der  Knochen  fertig  gebildet  (Macalister).  Er  zeigt  viele 
Varietäten  (s.  die  genauen  Zusammenstellungen  von  Macalister,  Graf  Spee  und 
Zabel).  Starke  Entwickelung  des  Hamulus  läßt  diesen  auch  an  der  Oberfläche 
des  Schädels  zu  Tage  treten,  während  der  Regel  nach  der  Knochen  auf  die  Orbita 
beschränkt  ist  (Gegenbaur).     Der  Hamulus  kann  selbständig  verknöchern  und  beim 

Handbuch  der  Entwickelungslehre.  III.  2.  54 


850  E.  Gaupp, 

Erwachsenen  einen  überzähligen  Knochen  bilden.  Andererseits  kann  er  ebenso  wie 
die  Crista  sehr  schwach  zur  Ausbildung  kommen.  Auch  Perforationen,  Nahtbildungen 
und  Zerfall,  die  auf  mehrfache  Ossifikationscentra  hinweisen,  Verwachsung  mit 
anderen  Knochen,  rudimentäre  Entwickelung  und  gänzliches  Fehlen  des  Knochens 
kommen  vor.  In  seiner  Umgebung  finden  sich  manchmal  überzählige  Knöchelchen, 
hauptsächlich  wohl  als  Nahtknochen  entstanden.  Durch  seine  Lagebeziehung  zur 
Nasenka^jsel  gleicht  der  Knochen  dem  Praefrontale  der  Saurier,  nicht  aber  dem  un- 
bedeutenden Lacrimale  derselben.  Die  Homologiefrage  ist  daher  aufs  neue  zu  prüfen; 
die  Beziehung  zum  Thränennasengang  ist  von  untergeordneter  Bedeutung. 

Nasale  (Fig.  397,  406),  Das  Nasale  bildet  sich  als  Belegknochen 
auf  dem  Dach  der  knorpeligen  Nasenkapsel.  Letztere  geht  unter  ihm 
in  der  Folge  mehr  oder  minder  vollständig  zu  Grunde, 

Beim  Menschen  verknöchert  es  nach  Toldt  in  der  12.  Woche;  der  Schwund 
des  Knorpels  unter  ihm  tritt  erst  nach  der  Geburt  ein  (Graf  Spee).  Ueber  Varietäten 
s.  Graf  Spee.  Von  überzähligen  Knochen  in  der  Umgebung  des  Nasale  seien  er- 
wähnt:  Fontanellknochen  zwischen  Nasale,  Frontale,  Lacrimale,  Maxillare;  Naht- 
knochen in  der  Frontonasalnaht,  Knochen  am  unteren  Rand  des  Nasale  neben  der 
Mittellinie,  Knochen  ebenfalls  am  unteren  Rande,  aber  lateral,  neben  dem  Oberkiefer. 
Letzterer  wird  von  Valenti  als  Rest  des  aufsteigenden  Zwichenkieferfortsatzes  der 
Quadrupeden  gedeutet  (Septomaxillare?). 

Vom  er.  Der  Vomer  entsteht  am  ventralen  Rande  des  Septum 
nasi  und  umfaßt  die  unterste  Partie  desselben  mit  zwei  aufsteigenden 
platten  Fortsätzen,  Eine  wirklich  paarige  Anlage  scheint  bei  niederen 
Säugern  bisher  nicht  beobachtet  zu  sein,  wird  aber  für  den  Menschen 
angegeben  (Kölliker,  Toldt,  Graf  Spee),  Die  beiden  Anlagen 
treten  hier  am  ventralen  Septumrand  im  3,  oder  4.  Monat  auf,  ver- 
wachsen bald,  und  von  hier  aus  entwickelt  sich  die  absteigende  Platte. 
Auf  kurze  Strecken  liegt  der  Vomer  bei  den  Säugern  auch  zwischen 
den  beiderseitigen  Cartilagines  paraseptales,  doch  tritt  diese  Beziehung 
gegenüber  der  zum  Septum  zurück. 

Nach  SUTTON  (1884)  entsteht  der  Vomer  des  Menschen  nur  von  einem  Kern 
aus  und  ist  nicht  mit  den  verschmolzenen  Vomeres  der  niederen  Vertebraten  zu 
vergleichen,  sondern  entspricht  dem  Parasphenoid  der  Fische  und  Amphibien.  Die 
Vomeres  der  letzteren  seien  in  den  Palatinfortsätzen  der  Maxillaria  superiora  zu 
suchen.  Die  letztere  Ansicht  ist  sicher  falsch;  die  erstere  (die  auch  von  Broom 
geteilt  wird)  hat  beim  ersten  Anblick  manches  Bestechende,  verliert  aber  beim  ge- 
naueren Zusehen  an  Glaubwürdigkeit.  Wahrscheinlich  ist  die  alte  Homologisierung 
richtig,  nach  der  der  Säuger- Vomer  den  beiden  Reptilien- Vomeres  entspricht. 

Incisivum.  Bei  Insectivora,  Chiroptera,  Rodentia,  Carnivora, 
Artiodactyla  legt  sich,  nach  Schwink,  das  Incisivum  in  der  Regel 
einheitlich  an;  es  verknöchert  zuerst  der  Körper  und  dann  von 
diesem  aus  die  Fortsätze.  In  einem  Falle  beobachtete  S.  beim  Schaf 
selbständige  Entstehung  des  Proc.  palatinus  medialis.  Die  gleiche 
Selbständigkeit  beobachtete  Biondi  bei  Schaf,  Schwein  und  Mensch. 
Für  den  letzteren  haben  schon  Ramband  und  Renault  das  Auftreten 
eines  selbständigen  Os  sous-vomerien  angegeben,  das  den  vorderen 
erhöhten  Teil  der  Crista  nasalis  und  einen  Teil  des  Can.  incisivus 
bildet,  später  mit  dem  Hauptteil  des  Incisivums  verschmilzt  und 
offenbar  dem  bei  den  Säugern  viel  besser  ausgebildeten  Proc.  palatinus 
medialis  entspricht.  Th.  Kölliker  betont  dagegen  die  einheitliche 
Entstehung  des  menschlichen  Incisivums.  Letzteres  verliert  schon 
bald  nach  der  Entstehung  seine  Selbständigkeit,  indem  es  mit  dem 
Maxillare  verschmilzt.  Bei  den  Monotremen  entsteht  der  Proc.  extra- 
nasalis  (Stirn-  oder  Nasenfortsatz  Aut.)  selbständig  und  bewahrt  diese 
Selbständigkeit  längere  Zeit.  Er  gleicht  so  seiner  Topographie  durch- 
aus dem  Septomaxillare  der  Reptilien.  Die  Monotremen  besitzen 
embryonal  einen  Proc.  praenasalis  des  Zwischenkiefers  als  Os  carun- 
culae. 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  851 

Die  in  manchen  Fällen  beobachtete  selbständige  Entstehung  des  Proc.  palatinus 
medialis  und  seine  Lage  medial  von  der  Cartiiago  paraseptalis  haben  die  Vorstellung 
veranlaßt,  daß  der  Fortsatz  dem  Vomer  der  Lacertilier  entspricht.  Beide  Bildungen 
werden  als  Praevomer  dem  eigentlichen  Säugervomer  gegenübergestellt.  Diese  An- 
schauung ist  wahrscheinlich  uni'ichtig.  Das  unpaare  Os  paradoxum  von  Ornitho- 
rhynchus  (Hantelknochen,  dumb-bell-shaped  bone)  entspricht  wohl  den  selbständig 
gewordenen  und  untereinander  verschmolzenen  Processus  palatini  mediales  der 
Zwischenkiefer;  das  Gleiche  gilt  von  dem  bei  der  Fledermaus  Miniopterus  Schrei- 
bersii  vorhandenen  unpaaren  Knochen.  Beide  letztgenannten  Knochen  haben  auch 
die  charakteristische  Lage  zu  den  Cartilagines  paraseptales  (s.  Arbeiten  von  Beoom, 
Symington,  Turner,  Wilson).  Das  Incisivum  der  Säuger  erscheint  nach  dem 
Obigen  als  Verwachsungsprodukt  aus  dem  Praemaxillare  und  dem  Septomaxillare 
der  niederen  Vertebraten. 

M axillare  (Fig.  40G).  Das  Maxillare  erscheint  als  Deckknochen 
am  lateralen  Umfang  der  Nasenkapsel.  Beim  Menschen,  wo  seine  Ent- 
wickelung am  genauesten  verfolgt  ist,  ossifiziert  es  von  5  Centren 
aus  und  verbindet  sich  außerdem  sehr  frühzeitig  mit  dem  selbständig 
entstandenen  Incisivum.  In  die  Gaumenleiste  sendet  es  den  Proc. 
palatinus,  der  mit  seinem  Partner  den  harten  Gaumen  bildet.  Ur- 
sprünglich liegt  der  Hauptteil  des  Knochens  außen  von  der  knorpeligen 
Nasenkapsel;  nachdem  diese  in  großer  Ausdehnung  resorbiert  ist,  ge- 
winnt er  Anteil  an  der  lateralen  Begrenzung  der  Nasenhöhle,  das 
Maxilloturbinale  verbindet  sich  mit  ihm,  einige  der  Siebbeinzellen 
kommen  durch  ihn  zum  Abschluß,  und  die  Kieferhöhle  wächst  in  ihn  ein. 

ToLDT  (1882)  findet  5  Ossifikationscentra,  die  am  Ende  des  2.  und  Anfang  des 
3.  Fötalraonats  auftreten.  Gegen  Ende  des  4.  Monats  sind  sie  untereinander  und 
mit  dem  Incisivum  verschmolzen.  Ein  selbstsändiges  Centrum  besteht  für  die 
lateral  gelegenen  Teile  nebst  der  lateralen  Hälfte  der  ürbitalfläche  und  der  lateralen 
Wand  der  Alveolen  der  Mahlzähne,  ein  zweites  für  den  medial-hinteren  Teil  des 
Körpers  und  die  mediale  Hälfte  der  Orbitalfläche,  ein  drittes  für  die  Gesichtsfläche 
über  dem  Eckzahn  und  den  Proc.  frontalis,  ein  viertes  für  den  Proc.  palatmus,  die 
mediale  Lamelle  des  Alveolarfortsatzes  und  den  vorderen  Teil  der  Nasalfläche  des 
Körpers,  ein  fünftes  (zweifelhaftes)  für  die  Gegend  des  Sulcus  und  der  Crista 
lacrimalis. 

Embryonal  überwiegt  das  Wachstum  der  Fortsätze  gegenüber  dem  des  Körpers. 
Der  Schwund  der  lateralen  Nasenkapselwand  erfolgt  nach  dem  7.  Monat  (noch  um 
diese  Zeit  findet  Killian  die  Wand  intakt),  und  erst  von  da  an  kann  die  Kiefer- 
höhle in  den  Knochen  einwachsen,  der  im  übrigen  schon  vorher  eine  durch  die  aus- 
gebauchte Knorpelwand  bedingte  Delle  zeigte.  Die  Bildung  des  Alveolarfortsatzes 
und  seiner  Fächer  beginnt  schon  im  4.  Embryonalmonat,  zur  Zeit  der  Geburt  sind 
die  Alveolen  aller  Milchzähne  vorhanden ;  die  vollständige  Ausbildung  des  Alveolar- 
fortsatzes ist  erst  mit  dem  22.  bis  26.  Jahre  erreicht.  —  Nach  Mihalkovics  f'lSQO) 
soll  in  den  Oberkiefer  bei  seiner  Verknöcherung  auch  der  ossifizierende  Proc.  para- 
nasalis  der  Nasenkapsel  einverleibt  werden ;  auch  sonst  sollen  bei  4 — 5  Monate  alten 
Embryonen  im  Alveolarteil  kleine  Knorpelinselchen  vorkommen,  ohne  Zusammenhang 
mit  der  Nasenkapsel,  die  später  in  den  Verknöcherungsprozeß  des  Oberkiefers 
aufgehen. 

Zygomaticum.  Das  Zygomaticum  entsteht  ohne  jede  Beziehung 
zum  Knorpelschädel  im  Bindegewebe  unter  dem  Auge  und  verbindet 
sich  mit  dem  Maxillare  und  dem  Proc.  zygomaticus  des  Squamosums, 
bei  einigen  Ordnungen  (z.  B.  Wiederkäuern)  auch  durch  einen  Stirn- 
fortsatz mit  dem  Frontale.  Bei  den  Primaten  erlangt  dieser  als  Proc. 
frontosphenoidalis    auch    eine  Verbindung    mit    der  Ala    magna    ossis 

sphenoidalis  und  trennt  die  Orbita  von  der  Schädelgrube. 

Entgegen  früheren  Angaben,  nach  denen  das  Jochbein  beim  Menschen  von 
mehreren  (2 — 3)  selbständigen  Centren  aus  verknöchern  sollte,  kommt  K.  Toldt  jr., 
der  die  Entwickelung  des  fraghchen  Knochens  neuerdings  sehr  eingehend  bearbeitete, 
zu  dem  Schluß,  daß  dieselbe  der  Regel  nach  von  einer  einheitlichen  Anlage  aus 
erfolgt.  Zeit  ihres  ersten  Auf  tretens  ist  im  allgemeinen  das  Ende  des  2.  Fötalmonats.  Die 
Anlage  hat  die  Form  einer  dünnen  Knochenplatte  (Grundplatte)  und  stellt  so  die 
Grundlage  für  den  Jochbeinkörper  dar.    Von   ihr   aus   bildet   sich  dann  zuerst  die 

54* 


852  E.  Gaupp, 

Augenhöhlenplatte  (Proc.  frontosphenoidalis),  und  weiterhin  treten  an  ihrer  Innen- 
fläche 3  Verstärkungsrttreifen  als  sekundäre  Knochenauflagerungen  auf,  während 
sich  die  Außenfläche  mit  einer  einheitlichen  Schicht  von  lockeren  Knochenauf- 
lagerungen bedeckt.  In  der  Folge  geht  die  Grundplatte  ganz  zu  Grunde,  und  der 
Knochen  besteht  dann  ausschlielMich  aus  den  sekundären  Auflagerungen.  Der  Auf- 
lösungsprozeß der  Grundplatte,  der  zu  der  Zeit  erfolgt,  zu  der  sich  das  Zygoniaticum 
mit  dem  Temporale  und  der  Maxilla  vereint,  beginnt  damit,  daß  in  der  Platte,  den 
Grenzen  der  3  Verstärkungspartieen  entsprechend,  Spalten  auftreten.  In  diesen 
Vorgängen  ist  die  Möglichkeit  gegeben,  wenigstens  die  relativ  häufigste  Varietät  des 
Jochbeins,  das  Zygomaticum  bipartitum,  zu  erklären  ohne  die  Annahme  mehrerer 
Ossifikationscentra.  Denn  die  alsdann  vorhandene  Sutura  zygoraatica  transversa  ent- 
spricht in  ihrem  Verlaufe  durchaus  der  unteren  der  beiden  Spalten,  die  normaler- 
weise in  der  Grundplatte  vor  deren  Zerstörung  auftreten,  somit  auch  der  Trennungs- 
linie zwischen  der  mittleren  und  der  unteren  der  sekundären  Verdickungen  der 
Innenseite.  Es  ist  denkbar,  daß  abnormerweise  diese  Spalte  einmal  auch  durch  die 
faciale  Fläche  durchschneidet  und  so  die  ganze  untere  Partie  des  Jochbeins  abtrennt. 
Wenn  somit  auch  das  abnorme  Auftreten  mehrerer  Ossifikationscentra  selbstver- 
ständlich als  möglich  zuzugeben  ist,  so  liegt  doch  auch  im  normalen  Entwickelungs- 
gang  bei  einheitlicher  Anlage  die  Möglichkeit  für  eine  Erklärung  des  Zygomaticum 
bipartitum  vor:  diese  Varietät  ist  nicht  auf  die  ursprüngliche  Anlage,  sondern  auf 
die  sekundären  Auflagerungen  zurückzuführen  und  somit  ebenfalls  sekundären 
Charakters.  Auch  die  manchmal  an  der  Innenfläche  vorhandene  „lineare  Furche" 
hat  gleiche  Genese :  sie  entspricht  der  Grenze  zwischen  der  mittleren  und  unteren 
sekundären  Auflagerung.  —  Beim  Embryo  von  Talpa  eur.  fand  Fischer  im  An- 
schluß an  das  hintere  Ende  des  Zygomaticums  mehrere  kleine  Knochenstückchen  als 
Vorläufer  des  späteren  hinteren  Abschnittes  des  Knochens. 

Palatinum.  Bei  den  Quadrupeden  entwickelt  sich  das  Gaumen- 
bein in  der  Seitenwand  und  dem  Boden  des  Nasenrachenganges  ohne 
Beziehung  zu  Knorpelteilen.  Allmählich  erreicht  das  obere  Ende  seiner 
senkrechten  Platte  den  unteren  Umfang  der  Nasenkapsel  und  legt 
sich  an  denselben  an  (Dursy).  Beim  Menschen,  wo,  abgesehen  von  dem 
hintersten  Zipfel  der  Nasenkapsel,  eine  Lamina  transversalis  posterior 
fehlt,  legt  sich  der  aufsteigende  Fortsatz  des  Gaumenbeins  der 
Innenfläche  der  lateralen  Nasenkapselwand  au  und  wird  dadurch  von 
dem  außen  liegenden  Oberkiefer  getrennt.  Indem  der  Fortsatz  an 
Höhe  zunimmt,  trennt  er  den  Knorpel  der  unteren  und  später  auch 
den  der  mittleren  Muschel  von  der  knorpeligen  Seitenwand  der  Nasen- 
kapsel ab.     Die  zwischen  den  2  Knochen   eingeschlossene  Seitenwand 

der  Knorpelkapsel  geht  zu  Grunde. 

Das  erste  Auftreten  des  Palatinuras  fällt  beim  Menschen  in  den  2.  (Kölliker) 
oder  3.  (Toldt)  Monat.  Toi>dt  findet  nur  ein  Üssifikationscentrum  für  beide 
Fortsätze;  nach  Rambaud  und  Renault  treten  mehrere  auf.  Der  aufsteigende 
Fortsatz  ist  anfangs  niedrig  und  erlangt  erst  später  das  Uebergewicht  über  die 
Pars  horizontalis.  —  Bei  Talpa  legt  sich  das  Palatinum  an  der  Lamina  transversalis 
posterior  der  Nasenkapsel  an  (Fischer). 

Pterygoid.  Ein  dem  echten  Reptilienpterygoid  vergleichbarer 
Knochen  kommt  bei  Monotremen  hinter  dem  Palatinum  als  Deck- 
knochen zur  Entwickelung. 

Knochen  des  Visceralskelettes. 
Verknöelieruiigen  im  Gebiet  des  Kieferbogens. 

Als  Ersatz k noch eu  entstehen  aus  den  primordialen  Teilen 
des  Kieferbogens  der  Amboß,  der  Hauptteil  des  Hammers  und 
die  Ossifikation  des  distalen  Endes  des  Meckel'  s  c  h  e  n  K  o  r  p  e  1  s  ; 
als  Deckknochen  kommen  dazu  der  Proc.  anterior  (Folii)  des 
Hammers  und  die  Mandibula,  beide  am  MECKEL'schen  Knorpel 
entstehend.  Der  Proc.  anterior  mallei  ist  im  Zusammenhang  mit  dem 
Malleus  selbst  zu  schildern,  die  Ossifikation  des  vorderen  Endes  des 
MECKEL'schen  Knorpels  im  Zusammenhang  mit  der  Mandibula. 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  853 

Ine  US.  Nach  Broman  ossifiziert  der  Amboß  beim  Menschen 
von  einem  einzigen  Centrum,  das  sich  im  oberen  Teil  des  Crus  longum 
befindet.  Der  Proc.  lenticularis  hat  kein  besonderes  Ossifikations- 
centrum  und  kann  somit  nicht  einmal  einer  Epiphyse  gleichgestellt 
werden ;  noch  weniger  verdient  er  den  Namen  Os  lenticulare.  Bei 
19—20  cm  langen  menschlichen  Embryonen  hat  die  Ossifikation  be- 
gonnen, bei  reifen  Föten  hat  sie  ihre  definitive  Ausdehnung. 

Malleus.  Der  Hammer  ossifiziert  beim  Menschen  nach  Broman 
ebenfalls  nur  von  einem  Punkte  aus,  der  im  Collum  liegt  und  bei 
Embryonen  von  19—20  cm  auftritt  (zweite  Hälfte  des  5.  Monats). 
Schon  viel  früher,  am  Ende  des  2.  Monats  tritt  am  ventral-medialen  Um- 
fang des  MECKEL'schen  Knorpels  dicht  vor  der  Hammeranlage,  ein 
Deckknochen  (Fig.  403,  404)  auf,  der  bei  der  Verknöcherung  des 
Hammers  selbst  mit  diesem  verschmilzt  und  dann  seinen  Proc. 
anterior,  s.  Folii.  bildet.  Vor  dem  zum  Hammer  umgestalteten 
Gelenkstück  geht  der  MECKEL'sche  Knorpel  zu  Grunde.  Beim  reifen 
Foetus  hat  die  Ossifikation  des  Hammers  ihre  definitive  Ausdehnung 
erlangt.     Sie  entspricht  dem  Articulare  der  Reptilien. 

Der  Entwickelung  zufolge  muß  der  Proc.  anterior  des  Hammers  auf  einen 
Deckknochen  am  Unterkiefer  der  Reptilien  zurückgeführt  werden.  Als  Vergleichs- 
objekt kommt  das  Postoperculare  in  Betracht,  einerseits  weil  dieses  auch  bei  den 
Sauriern  schon  ganz  regelmäßig  mit  dem  Articulare  verschmilzt,  andererseits  wegen 
der  Beziehung  zur  Chorda  tympani ;  diese  durchsetzt  regelmäßig  das  Postoperculare 
und  ebenso  bei  manchen  Säugern  (Centetes,  Erinaceus,  Didelphys,  Mus)  den  Proc. 
ant.  mallei. 

Mandibula.  Der  Unterkiefer  der  Säuger  entsteht  als  Deck- 
knochen an  der  Außenseite  des  MECKEL'schen  Knorpels,  wie  das  Den- 
tale der  Sauropsiden,  dem  er  homolog  ist.  Im  Verlaufe  der  w^eiteren 
Entwickelung  kommt  es  jedoch  an  einzelnen  Stellen  zur  Bildung  von 
Knorpelgewebe,  das  aber  zu  keinem  Teil  des  primordialen  Knorpel- 
skelettes irgendwelche  Beziehungen  besitzt,  sondern  seine  Entstehung 
demselben  Bildungsgewebe  verdankt,  das  an  den  übrigen  Stellen  der 
Unterkieferanlage  direkt  Knochen  erzeugt.  Bei  den  meisten  bisher 
untersuchten  Säugern  entstehen  so  3  Knorpelkerne  (accessorische 
Knorpelkerue,  Stieda),  je  einer  im  Proc.  condyloideus,  Proc.  coro- 
noideus  und  Angulus  mandibulae.  Bei  Kaninchen,  Schwein,  Katze 
ist  auch  noch  am  vorderen  Ende  des  Proc.  alveolaris  ein  solcher  Kern 
zu  konstatieren  (Stieda,  Baumüller).  Der  Kern  im  Proc.  coronoi- 
deus  fehlt  bei  Balaenoptera  rostrata  (Julin),  bei  Echidna  scheint  alle 
Knorpelbildung  im  Dentale  zu  unterbleiben.  Die  Verknöcherung  dieser 
knorpeligen  Partieen  erfolgt  teils  peri-,  teils  endochondral,  w^obei  sich 
immer  Knorpel  und  Knochen  in  engster  räumlicher  Nachbarschaft 
finden.  Von  einem  metaplastischen  Prozeß,  d.  h.  direkter  Ueberfüh- 
rung  des  Knorpels  in  Knochen,  wie  er  gerade  an  diesen  Stellen  viel- 
fach behauptet  wurde,  ist  keine  Rede  (Stieda,  Schaffer,  auch  Kjell- 
berg  schildert  den  Ossifikationsprozeß  als  neoplastischen).  Aus  dem 
Knorpelkern  des  Proc.  condyloideus  geht  nach  Schaffer  auch  der 
Knorpelüberzug  des  Condylus  hervor.  Am  Aufbau  des  vordersten 
Endes  des  Unterkiefers  nimmt  endlich  noch  der  MECKEL'sche  Knorpel 
Teil.  Der  Knochen  legt  sich  hier  dem  Knorpel  eng  an ;  letzterer  ver- 
kalkt, zerfällt  und  wird  durch  Knochen  ersetzt. 

Eine  Entstehung  des  Unterkiefers  aus  mehreren  typischen  Ossifikationspunkten, 
wie  sie  Rambaud  und  Renault  für  den  Menschen  beschreiben,  vermochte  Toldt 
nicht  zu  bestätigen.  Beim  Menschen  bildet  sich  Knorpel  im  Gebiet  des  Condylus 
und  des   Proc.  coronoideus;  nach  Henkebeeg  auch  noch  am   oberen  äußeren,  in 


854  E.  Gaupp, 

Spuren  auch  am  inneren  Alveolarrand,  endlich  vorübergehend  am  äußeren  unteren 
Unterkieferrand.  Aus  den  Symphysenknorpeln  gehen  nach  Bardeleben  die  Ossi - 
cula  mentalia  hervor,  die  schon  lange  bekannt  sind  und  von  Mies  beim  mensch- 
lichen Foetus  und  Neugeborenen  aufs  neue  beschrieben  wurden.  Es  sind  dies  kleine 
Knöchelchen  (meist  jederseits  von  der  Mittellinie  eins,  doch  kommen  auch  3,  2  paarige 
und  ein  unpaares,  oder  gar  4  vor),  die  als  Schal tknöchclchen  sich  in  die  untere  Hälfte 
der  Symphyse  zwischen  beide  Unterkieferhälften  einfügen,  nicht  ganz  konstant,  doch 
sehr  häufig.  Sie  treten  am  Ende  des  8.  Embryonalmonats  auf  und  beginnen  im  3.  Monat 
nach  der  Geburt  mit  dem  Unterkiefer  zu  verschmelzen.  Der  Zeltpunkt  der  voll- 
endeten Verwachsung  variiert  (Adachi).  Die  Knöchelchen  kommen  als  wesentliches 
Moment  bei  der  Bildung  der  Kinnprotuberanz  des  Menschen  in  Betracht  (Weiden- 
reich).  Bardeleben  findet  ein  Os  mentale  auch  bei  manchen  Säugern.  Bei  den 
Primaten  werden  beide  Unterkieferhälften  später  durch  Synostose  der  Symphyse  ver- 
einigt, bei  vielen  Säugern  bleibt  die  Symphyse  erhalten  und  kann  sogar  nachgiebig 
sein.  — 

Die  accessorischen  Knorpelkerne  des  Unterkiefers  sind  schon  lange  bekannt 
(Kölliker  1849,  Bruch  1855),  ebenso  ihre  Selbständigkeit  gegenüber  dem  Prim- 
ordialskelett.  Der  Mangel  jeglicher  Beziehungen  zu  letzterem  macht  es  ganz  un- 
möglich, sie  mit  primordialen  Teilen  anderer  Wirbeltiere  (Quadratum,  Articulare)  zu 
vergleichen.  Die  Litteratur  über  die  Entwickelung  des  Unterkiefers  bei  den  Säugern 
und  dem  Menschen  ist  sehr  groß;  Gegenstand  des  Interesses  waren  bei  der  Unter- 
suchung: die  Beteiligung  oder  Nichtbeteiligung  des  MECKEL'schen  Knorpels,  das 
Auftreten  selbständiger  Knorpelkerne ,  die  Art  der  Verknöcherung  der  letzteren. 
Genannt  seien:  Ueichert  (1837),  Kölliker  (1849,  1861,  1878),  Bruch  (1855),  Ma- 
GiTOT  et  Robin  (1862),  Semmer  (1862),  Loven  (1863),  Dursy  (1869),  Callender 
(1870),  Strelzoff  (1873),  Parker  (1874),  Steudener  (1875),  Stieda  (1875),  Brock 
(1876),  Masquelin  (1878),  Baumüller  (1879),  Julin  (1880),  Schaffer  (1888), 
Henneberg  (1894).  Bardeleben's  neueste  Angaben,  betr.  accessorische  Knochen 
am  Unterkiefer,  konnten  im  Einzelnen  nicht  mehr  berücksichtigt  werden. 

Kiefergelenk.  Besonderes  Interesse  bietet  noch  die  Entwickelung  des 
Kiefergelenkes,  die  kürzlich  durch  Kjellberg  (bei  Mensch  und  Kaninchen) 
genauer  verfolgt  wurde.  Das  Gelenk  bildet  sich  zwischen  dem  vom  Perichondrium 
überzogenen  Condylusknorpel  und  dem  vom  Periost  bekleideten  Squamosum.  In 
dem  lockeren  embryonalen  Bindegewebe  zwischen  beiden  Teilen  tritt  (bei  55  mm 
langen  menschlichen  Embryonen)  als  besondere  Verdichtung  der  Discus  arti- 
cularis  auf;  über  und  unter  demselben  entsteht  dann  je  eine  Gelenkspalte.  Auch 
nachdem  diese  aufgetreten  sind,  bleiben  die  Gelenkflächen  des  Kiefers  und  des  Squa- 
mosums  noch  von  Bindegewebe  (Perichondrium  resp.  Periost)  bekleidet,  und  dieser 
Zustand  erhält  sich  das  ganze  Leben  hindurch.  Der  Ueberzug  des  Condylus  ist  also 
auch  beim  Erwachsenen  bindegewebig,  und  erst  unmittelbar  unter  dem  Bindegewebe 
erhält  sich  Knorpel  (beim  Menschen  in  Resten,  beim  Rinde  in  zusammenhängendem 
Lager).  An  der  Gelenkfläche  des  Squamosums  produziert  das  Periost  sekundär 
Knorpel,  der  beim  Menschen  als  dünne  Schicht  unter  der  Bindegewebsbekleidung 
bestehen  bleibt.  Die  Gelenkkapsel  bildet  sich  aus  dem  umgebenden  Blastem  wie 
bei  anderen  Gelenken.  Der  Unterschied  diesen  gegenüber  liegt  aber  in  dem  Ver- 
halten des  Periostes  resp.  Perichondriums,  das  beim  Kiefergelenk  auch  die  Gelenk- 
flächen seiner  Komponenten  bekleidet.  In  den  Discus  geht  schon  embryonal  der  M. 
pterygoideus  externus  über,  außerdem  besteht  vorübergehend  eine  durch  einen  dich- 
teren Blastemstrang  hergestellte  Verbindung  zwischen  dem  Discus  und  der  knor- 
peligen Anlage  des  Hammers. 

Das  Kiefergelenk  der  Säuger  hat  als  ein  Squamoso-Dentalegelenk  nichts  zu 
thun  mit  dem  Kiefergelenk  der  niederen  Vertebraten,  das  ein  Quadrato-Articular- 
gelenk  ist.  Es  ist  als  sekundäres  Kiefergelenk  zu  bezeichnen  im  Gegensatz 
zu  dem  letztgenannten,  dem  primären.  Genaueres  über  diesen  in  Zusammenhang 
mit  der  Frage  nach  der  Homologie  der  Gehörknöchelchen  stehenden  Punkt  siehe 
p.  605  ff.  Was  den  Discus  anlangt,  so  hält  Kjellberg  (1904)  ihn  für  eine  Neu- 
erwerbung der  Säuger  und  bringt  seine  phylogenetische  Entstehung  in  Zusammen- 
hang mit  dem  M.  pterygoideus  externus.  Beim  Einschluß  des  Articulare  in  die 
Paukenhöhle  (als  Malleus)  ist  nach  Kjellberg  der  ansehnlichste  Teil  des  genannten 
Muskels  an  dem  Dentale  und  seinem  Condylus  geblieben,  ein  kleinerer  Teil  aber 
von  dem  Articulare  mitgenommen  worden.  Diese  kleinere  Portion  bildete  das  Liga- 
mentum anterius  mallei  (teilweise),  sowie  den  Discus  articularis  des  Kiefergelenkes. 
Für  die  Thatsache,  daß  der  Discus  bei  einigen  Säugetieren,  nämlich  Dasypus,  Da- 
syurus,  Echidna  und  Ornithorhynchus  (Parsons)  fehlt,  sind  sichere  Erklärungen 
noch  nicht  zu  geben;  für  Ornithorhynchus  glaubt  Kjellberg  eine  Erklärung  in  der 
eigentümlichen  Lage  des  Cavum  tympani  gefunden  zu  haben. 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  855 

Beoom  (1890)  hält  den  Discus  für  das  Quadratum  der  Sauropsiden,  eine  An- 
schauung, die  durch  die  Entwickelungsgeschichte  keine  Stütze  erhält,  und  der  auch 
das  Fehlen   des  Discus  bei  Echidna  und  ürnithorhynchus  nicht  gerade  günstig  ist. 

Verkuöcherungeii  im  CTebiet  des  Hyobranchialskelettes. 

Stapes.  Beim  Menschen  findet  Broman  den  Beginn  der  Ossi- 
fikation im  allgemeinen  erst  bei  Embryonen  von  ca.  21  cm.  Der 
einzige  vorhandene  Ossifikationspunkt  liegt  in  der  Regel  in  der  Basis ; 
von  hier  aus  schreitet  die  Verknöcherung  allmählich  die  Schenkel 
hinauf  in  das  Capitulum.  das  am  Ende  des  6.  Monats  ossifiziert. 

Reichert'  scher  K  n  o  r  p  e  1.  Die  Zahl  der  Verknöcherungen  des 
REiCHERT'schen  Knorpels  ist  nicht  bei  allen  Säugetieren  gleich.  In 
maximo  können  es  vier  sein,  die  die  unzweckmäßigen  Namen:  Tym- 
pano-,  Stylo-,  Kerato-  und  Hypohyale  erhalten  haben.  Das 
Tympanohyale,  das  wohl  in  der  Hauptsache  aus  der  Ossifikation  des 
Laterohyale  hervorgeht,  verschmilzt  mit  dem  Petrosum  (als  Proc. 
hyoideus  desselben)  und  nimmt  innen  vom  Tympanicum  an  der  Be- 
grenzung der  Paukenhöhle  teil;  das  Stylohyale  bleibt!  gewöhnlich  mit 
ihm  durch  Knorpel  verbunden,  es  ist  der  oberste  Abschnitt  des  freien 
vorderen  Zungenbeinhorns.  Die  beiden  unteren  Abschnitte  schließen 
sich  ihm  an.  Beim  Menchen  wird  das  Tympanohyale  ebenfalls  zwischen 
Petrosum  und  Tympanicum  eingeschlossen  (s.  Schläfenbein),  der  zweite 
selbständig  verknöchernde  Abschnitt  bildet  den  Proc.  styloideus, 
dessen  knöcherne  Vereinigung  mit  dem  obersten  Stück  erst  im  späteren 
Lebensalter  erfolgt.  Nach  Sappey  schließt  sich  ihm  noch  ein  individuell 
verschiedenes  Keratohyale  an.  Aus  dem  kleinen  ventralen  Stück 
des  REiCHERT'schen  Knorpels  (ventral  von  dem  Lig.  stylohyoideum) 
geht  beim  Menschen  das  Cornu  minus  des  Zungenbeins  hervor. 

Das  Cornu  hyale  des  Zungenbeins  der  Säuger  zeigt  im  ausgebildeten  Zustand 
mancherlei  Verschiedenheiten,  die  noch  nicht  alle  entwickelungsgeschichtlich  verfolgt 
wurden.  Den  Zustand,  wo  alle  vier  genannten  Ossifikationen  vorhanden  sind,  nennt 
HowES:  integro-cornuat;  der  Umstand,  daß  dabei  zugleich  das  Tympanohyale  vor 
dem  For.  stylomastoideum  liegt,  kann  durch  die  Bezeichnung:  prä trematisch 
ausgedrückt  werden.  In  manchen  Fällen  liegt  das  Stylohyale  hinter  dem  For. 
stylomastoideum  am  Proc.  paroccipitalis  des  Pleuroccipitale  (opisthotrem atischer 
Typus);  dabei  kann  das  Tympanohyale  vorhanden  sein  oder  fehlen  (integro- 
cornuate  und  discreto-cornuate  Formen).  Ueber  das  specielle  Verhalten 
s.  HowES;  im  übrigen  verlangen  diese  Dinge  erneute  entwickelungsgeschichtliche 
Untersuchung.  Eine  solche  würde  auch  darauf  zu  achten  haben,  ob  das  Tympano- 
hj^ale  in  seiner  Ausdehnung  mit  dem  Laterohyale  zusammenfällt  oder  nicht.  Daß 
die  Bezeichnungen:  Hypo-  und  Keratohyale  nicht  die  gleichen  Stücke  bedeuten, 
die  bei  Selachiern  mit  diesen  Namen  belegt  werden,  liegt  auf  der  Hand;  die  durch 
den  Ossifikationsprozeß  bewirkte  Segmentierung  hat  ganz  andere  Bedeutung  als  die 
Segmentierung  des  Knorpels. 

Das  zweite  Hörn  (Cornu  majus  des  Menschen,  Cornu  branchialel) 
verknöchert  von  einem  Kern  aus,  ebenso  das  Corpus  ossis  hyoidei. 
Für  letzteres  werden  beim  Menschen  auch  zwei  bald  miteinander 
verschmelzende  Kerne  angegeben. 


Litteratur. 

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—  Siir  la  valeur  morphologique  de  l' articulation  mayidibidaire,  du  carlilage  de  Meckel  et 

des  osselets  de  l'ou'i  avec  essai  de  proxiver  que  l'ecaille  du  temporal  des  mammi- 
feres  est  cotnposee  ])rimitivement  d'tin  squamosal  et  d'un  quadratum.  Bruxelles  1S83'\ 

—  Siir    les    4    os    intermaxülaires,    le    bec-de-lievre    et    la  valeur  morphologique  des  dents 

incisives  superieures  de  l'homme.     Bruxelles  ISSSf, 

—  Sur  les  spondylocentres  epipituitaires  du  crdne,  la  non-existence  de  la  poche  de  Rathkc,. 

et  la  presence  de  la  chorde  dorsale  et  des  spondylocentres  dans  le  cartilage  de  la 
eleison  du  nes  des    Vertebres.     Bruxelles  1S84:, 

—  Sur   la  valeur  morphologique  de  la  trompe  d' Eustache  et  les  derivcs  de  l'arc  palatin, 

de  l'arc  mandibulaire  et  de  l'arc  hyo'idien  des  Vertebres,  suivi  de  la  preuve  que  le 
„symplectico-hyomandibidaire"  est  niorphologiquement  independant  de  l'arc  hyo'idien, 
Bruxelles  18S4». 

—  Ueber  die  Zahl  der  Zährte  bei  den  ffasenscJmrtenkieferspalten.     Centralbl.  f.  Chirurgie, 

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Bd.    V.  1879% 

—  Die  Nasenhöhlen  und  der  Thränennasengang  der  amnioten    Wirbeltiere.  III.    Ebenda. 

Bd.    rilL   1883. 

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858  E.  Gaupp, 

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(Steht  in  den  Abhandlungen  der  Senckenbergischen  Gesellschaft.  Bd.  IV.  1862 — 1863, 
unter  dem  Titel:  Vergleichung  des  Schädels  mit  der  Wirbelsäule  des  Lachses,  mit 
einer  Aufzählung  sämtlicher  Skelettteile  desselben  nach  der  Art  ihrer  Zusammen- 
setsiong.J 

—  Untersuchungen  über  die  Entunckelung  der  tierischen  Gewebe.  Abhandlungen, 
herausgeg.  von  der  Senckenbergischen  Naturforschenden  Gesellsch.  Bd.  IV.  1862 — 
1863. 

—  Unter.nichungen  über  die  Entwickelung   der   tierischen  Getvebe.     III.     lieber  die  Ent- 

wickelung  der  Gewebe  bei  den  Carnivoren  und  Nagern,  lieber  die  Entwickeluug  der 
Gewebe  beim  Blenschen.  Abhandl.,  herausgeg.  von  der  Senckenbergischen  Naturfor- 
schenden  Gesellsch.  Bd.    VI.  1866—1867. 

Srunei'f  Henry  L.  The  smooth  facial  muscles  of  Anura  and  Salamandrina,  a  con- 
tribution  to  the  Anatomy  and  Physiology  of  the  respiratory  mechanism  of  the  Am- 
phibians.    3Iorphol.  Jahrb.  Bd.  XXIX.  H.  3.  1901.    (Jahreszahl  d.  Bandes:  1902.) 

Buchs,  Georg,  lieber  den  Ursprung  des  Kojifskeletes  bei  Necturus.  3Iorphol.  Jahrb. 
Bd.  XXIX.  H.  4.  1902. 

Bujor,  Paul.  Contribution  a  l'etude  de  la  metamorphose  de  l'Ammocoetes  branchialis 
en  Petromyzon  Planeri.  These,  'pres.  ä  la  Fac.  des  Sciences  de  l' Univers,  de  Geneve. 
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Callendet^,  George  W.  The  formation  and  early  growth  of  the  bones  of  the  human 
face.  Philosophical  Transactions  of  the  Royal  Society  of  London.  Vol.  CLIX.  For 
the  year  1869.    London  1870. 

—  On  the  formation  of  some  of  the  subaxial  arches  in  man.    Philosophical  Transactions 

of  the  Royal  Society  of  London.    Vol.   CLXI.  For  the  year  1871.  London  1872. 
Chiarugi,   Giulio.     Lo  sviluppo  dei  nervi  vago,  accessorio,    ipoglosso  e  primi  cervicali 
nei   Sauropsidi   e   nei  3Iammiferi.     Atti   della  Sociefd   Toscana  di   scienze   naturali. 
Vol.  X.  Pisa  1889. 

—  Le    developpement  des  nerfs  vague,    accessoire,    hypoglosse    et  premiers  cervicaux  chez 

les  Sauropsides  et  chez  les  3Iammiferes.  Archives  italiennes  de  biologie.  T.  XIII. 
1890. 

—  Sur  les  myotomes  et  sur  les  nerfs  de  la  tele  posterieure  et  de  la  region  proximale  du 

tronc  dans  les  embi-yons  des  Amphibies  anoures.  Archives  italiennes  de  biologie. 
T.  XV.  1891. 

—  Ulteriori  osservazioni  sullo  sviluppo  del  11°  e  del  12 "  paio  dei  nervi  cranici  nei  mam- 

miferi.     3Ionitore  zoologico  Italiano.    Vol.  III.  1892. 

Chotnjakoff,   M.     Zur  Entwickelungsgeschichte  des  Schädels  einiger  Tagraubvögel.    Anat. 

Anz.  Bd.  XIX.    1901. 
Cleland,    John.      On   the   relations  of   the  vomer,    ethmoid   and    intermaxillary    bones. 

Philosophical  Transactions  of  the  Royal  Society  of  London.    Vol.  CLIX.  For  the  year 

1862.   London  1863. 
Cope,    E.  1).      On   the    relations    of  the  hyoid  and  otic   Clements  of   the  skeleton  in  the 

Batrachia.     Journal  of  3Iorphology.    Vol.  IL  1888. 

—  The  Batrachia   of  North  America.     Bulletin   of  the   United  States   National  3fuseum. 

No.  34.   Washington  1889. 
Dehierre,    C     Developpement  du  segment  occipital  du  crdne.    Journal  de  l'anatomie  et 

de  la  Physiologie  normales  et  jxithologiques    de  l'homme  et  des  animaux.  31^   annee. 

1895. 
Becker,   Friedrich.      Uebcr   den  Primordialschädel   einiger  Säugetiere.     Zeitschrift  für 

wissensch.  Zoologie.  Bd.  XXXVIII.  1883. 
Böhm,   Anton.     Studien  zur  Urgeschichte  des  Wirbeltierkörpers.    IV.  Die  Entwickelung 

und  Differenzierung  der  Kiemenbogen  der  Selachier.    3Iitteil.  aus  der  zoolog.  Station 

zu  Neapel.  Bd.    V.  H.  1.  1884. 

—  Zur    Entstehu7ig    und    Differenzierung    der    Visceralbogen    bei    Petromyzon    Planeri. 

Studien    zur  Urgeschichte    des    Wirbeltierkörpers.    V.     Ebenda.  Bd.    V.    1884. 

—  Studien  zur   Urgeschichte  des  Wirbeltierkörpers.     VII.  Entstehung  und  Differenzierung 

des  Zungenbein-  und  Kiefer-Apparates  der  Selachier.  VIII.  Die  Thyreoidea  bei 
Petromyzon,    Amphioxus    und    den  Tunicaten.     Ebenda.  Bd.    VI.  H.  1.  1885. 

—  Studien  zur  Urgeschichte  des  Wirbeltierkörpers.     XII.   Thyreoidea  und  Hypobranchial- 

rinne,  Spritzlochsack  und  Pseiodobranchialrinne  bei  Fischen,  Ammocoeten  und  Tuni- 
caten.    Ebenda.  Bd.    VII.  H.  2.  1887. 

—  Studien  zur   Urgeschichte  des   Wirbeltierkörpers.    XVIII.  Die  Occipitalsomite   bei  ver- 

schiedenen  Selachier embryonen.    Thatsächliches.     Ebenda.  Bd.  XV.  H.  1.  1901. 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  859 

Dohrn,  A.  Studien  zur  Urgeschichte  des  Wirheltierkörpers.  XXI.  Theoretisches  über 
Occipüalsomite  und  Vagus.  Konvpetenzkonflikt  zwischen  Ontogenie  und  vergleichender 
Anatomie.     Ebenda.  Bd.  XV.  H.  1.  1901. 

—  Studien   zur   Urgeschichte    des   Wirbeltier körpers.    XXII.   Weitere  Beiträge   zur  Beur- 

teilung der  Occipitalregion  und  der  Ganglienleiste  der  Selachier.  Ebenda.  Bd.  XV. 
H.  4.  1902. 

Vollo,  J.  On  the  malleus  of  the  Lacertilia,  and  the  malar  and  quadrate  bones  of 
Mammalia.  Quarterly  Journal  of  microscopical  Science.  Vol.  XXIII.  Neiu  Series. 
1883. 

Dreyfuss,  R.  Beiträge  zur  Entwickelungsgesckichte  des  Mirtelohres  und  des  Trommel- 
fells des  ßlenschen  tmd  der  Säugetiere.  Morphol.  Arb.,  herausgeg.  v.  G.  Schwalbe. 
Bd.  II.  1893. 

Dri'iner,  L.  Studien  zur  Anatomie  der  Zungenbein-,  Kiemenbogen-  und  Kehlkopf- 
muskeln der  Urodelen.  I.  Teil.  Zoolog.  Jahrb.  Abt.  für  Anatomie  und  O^itogenie 
der  Tiere.  Bd.  XV.  H.  3.  1901. 

—  Ueber  die  3hiskidatur  des    Visceralskelettes  der  Urodelen.     Anatom.  Anz.  Bd.  XXIII. 

1903. 

—  Ueber  die  Anatomie  und  Entivickelungsgeschichte    des  Mittelohres  beim  Menschen  und 

bei  der  Maus.     Anatom.  Anz.  Bd.  XXIV.  1904. 

—  Studien    zur  Anatomie    der  Zungenbein-,    Kiemenbogen-    und  Kehlkopfmuskidatur    der 

Urodelen.    II.   Teil.     Zoolog.    Jahrb.    Abt.  für  Anatomie    und  Ontogenie    der  Tiere. 

Bd.  XIX.  H.  8  u.  4.  1904^. 
Vuges,   Ant.     Recherches  sur  l'osteologie  et  la  myologie  des  Batraciens  ä  leurs  differens 

dges.     Memoires   presentes   par    divers   savans    d  l'Academie  Royale  des  sciences  de 

l' Institut  de  France,  et  imprimes  par  son  ordre.  Sciences  mathematiques  et  physiques. 

T.    VI.  Paris  1835. 
Duvsy,   Emil.     Zur  Entivickelungsgeschichte  des  Kopfes  des  Menschen  und  der  höheren 

Wirbeltiere.     Tübingen  1869. 
Eniery,    Carlo.      Quäle    e    l'omologo    dell'osso  quadrato  nello  scheletro  dei  Mammiferi  ? 

Archivio  zoologico.    Vol.  I.  Fase.  2.  1903. 
Ficalbi,    Eugenio.     Sulla  ossificazione  delle  capsule  periotiche  neW  uomo  e  negli  altri 

mammiferi.    Roma  1887.   Estratto  dagli  Atti  della  Reale  Äccademia  medica  di  Roma 

Anno  13.  Ser.  2.    Vol.  III.  1886—1887. 

—  C'o7isiderazioni  riassuntive  sulle  ossa  accessorie  del  cranio  dei  Slammiferi  e  dell'uomo 

Monitore  zoologico  Italiano.  Anno  1.  No.  7  e  8.  1890. 
Fischer,   Eugen.     Bemerkungen  über  das  Hinterhauptgelenk  der  Säuger.    Anatom.  Anz 
Bd.  XIX.  1901. 

—  Das  Primordialcraniuin  von  Talpa  europaea.    Ein  Beitrag  zur  Morphologie  des  Säuge 

tierschädels.     Anatom.  Hefte.  Bd.  XVII.  190PK 

—  Zur  Kenntnis  der  Fontanella  metopica  und  ihrer  Bildungen.     Zeitschr.  f.  ßlorphol.  u. 

Anthropol.  Bd.  IV.  H.  1.  WOlf. 

—  Zur    Vergleichung    des  3Ienschen-   und  Affenschädels   in   frühen  Entivickelungsstadien 

Korrespondenzbl.  d.  Deutschen  anthropol.  Gesellsch.  1902.  (Bericht  der  33.  allgem 
Vers,  in  Dortmund). 

—  Zur  Kenntnis  des  Primordialcraniums  der  Affen.     Anat.  Anz.  Bd.  XX.  1902. 

—  Zur   Entwickelungsgeschichte   des  Alfenschädels.     Zeitschr.  f.    3Iorphol.   u.    Anthropol. 

Bd.    V.  H.  3.  1903. 

—  Demonstration    von  ßlodellen   zur   Vergleichung    der   Schädelentwickelung    von  Mensch 

und  Affe  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  Nase.      Verh.  d.    Vereins   süddeutscher 

laryngologen  in  der  Dekade  1894 — 1903.    Würzburg  1904. 
Forster,   Andreas.    Beiträge  zur  Kenntnis  der  Entwickelungsgeschichte  des  Interparietale. 

Zeitschr.  f.  iVorphol.  u.  Anthropol.  Bd.  IV.  1902. 
Fräser,  A.      On    the    development    of   the    ossicula    auditus    in    the    higher   3Iammalia. 

Philosophical   Transactions  of  the  Royal  Society  of  London.     Vol.    CLXXIII.    Pt.    3. 

For  the  year  1882  (London  1883). 
Friedenthal,   Adolf.    Beitrag  zur  Kenntnis  der  embryonalen  Schädelentwickelung.    Diss. 

Königsberg  1900. 
Friedmann,   Emil.     Beiträge  zur  Zahnentunckelung  der  Knochenfische.    3Iorphol.  Arb., 

herausgeg.  v.   G.  ScMvalbe.  Bd.    VII.  1897. 
Friedreich,   N.,  und  Gegenbaur,    C.     Der  Schädel  des  Axolotl  (Siredon  pisciformis). 

Berichte  v.  d.  kgl.  zootom.  Anstalt  zu,  Würzburg.  2.  Bencht  f.  d.  Schuljahr  1847148. 

Leipzig  1849. 
Froriep,  August.      Ueber    ein  Ganglion    des   Ilypoglossus    und   Wirbelanlagen    in    der 

Occipitalregion.     Beitrag   zur  Entwickelungsgeschichte    des    Säugetierkopfes.     Archiv 

f.  Anat.  u.  Phys.  Anat.  Abt.  Jahrg.  1882, 

—  Kopfteil    der    Chorda    dorsalis    bei    menschlichen   Embryonen.     Beiträge   z.    Anat.    u. 

Embryol.,  als  Festgabe  Jacob  Henle  dargebracht  von  seinen  Schülern.  1882. 


860  E.  Gaupp, 

Froriep,  A.  Zur  EntwickehmgsgescMchte  der  Wirbelsäule,  insbesondere  des  Atlas  und 
Epistropheiis  und  der  Occipitalregion.  I.  Beobachtung  an  Huhn  er em.br yonen.  Arch. 
f.  Anat.  u.  Phys.  Anat.  Abt.  1883. 

—  Zur  Entivickelungsgeschichte  der  Wirbelsäule,  insbesondere  des  Atlas  und  Epistropheus 

und  der  Occipitalregion.  II.  Beobachtung  an  Säxcgetierembryonen.  Ebenda.  Jahrg. 
1886. 

—  Bemerkungen  zur  Frage  nach  der  Wirbeltheorie  des  Kopfskeletts.     Anat.  Am.  Bd.  IL 

1887. 

—  lieber    die   Ganglienleisten    des  Kopfes   und   des  Rumpfes    und  ihre  Kreuzung  in  der 

Occipitalregion.  Beitrag  zur  Entivickelungsgeschichte  des  Selachierkopfes.  Archiv  f. 
Anat.  u.  Phys.  Anat.  Abt.  Jahrg.  1901. 

—  Zur  Entwickelungsgeschichte  des    Wirbeltier  köpf  es.      Verh.    d.  Anat.   Gesellsch.  auf  der 

16.    Vers,   in  Halle  a.  S.  1902. 

—  Einige  Bemerkungen  zur  Kopffrage.     Anat.  Anz.  Bd.  XXI.  1902. 
Fürbringei',   Karl.      Beiträge  zur  Kenntnis  des  Visceralskeletts  der  Selachier.     Morph. 

Jahrb.  Bd.  XXXI.  H.  2  u.  S.  1903. 

—  Nachtrag    zu    meiner    Abhandlung    ,, Beiträge    zur    Kenntnis    des    Visceralskeletts    der 

Selachier".     Morph.   Jahrb.  Bd.  XXXI.  H.  4.  1903^. 

—  Notiz  über  einige  Beobachtungen  am  Dipnoerkop>f.     Anat.  Anz.  Bd.  XXIV.  1904. 

—  Beiträge    zur    3Iorphologie    des  Skeletts    der  Dipnoer    nebst  Bemerkungen   über  Pleur- 

acanthiden,  Holocephalen  und  Squaliden.  Jenaische  Denkschr.  Bd.  IV.  1904:'''.  (Semon, 
Zoologische  Forschungsreisen  in  Australien.  I.) 
Fürbringer,   Max.      lieber  die  spino-occipitalen  Nerven  der  Selachier  und  Holocephalen 
und    ihre    vergleichende    Morphologie.      Festschrift    zum     70.     Geburtstage    von     Carl 
Gegenbaur.  Bd.  III.  1897. 

—  Notiz  über  oberflächliche  Knorpelelemente  im  Kiemenskelett  der  Rochen  (ExtraseptaliaJ, 

zugleich    nach    von    J.  Ed.  Sticmpff  gemachten    Beobachtungen.     Morph.    Jahrb.    Bd. 

XXXL  H.  4.  1903. 
Fürbringev,  Paul.      Untersuchungen  zur   vergleichende7i  Anatomie  der  Muskulatur  des 

Kopfskeletts  der  Cyclostomen.      Jenaische  Zeitschr.  f.  Naturwissensch.  Bd.  IX.  N.  F. 

Bd.'  IL  1875. 
GadoWf   Hans.     On  the  modifications  of  the  first  and  second  visceral  arches  with  especial 

reference  to  the  homology  0/  the  auditory  ossicles.     Philosopthical   Transactions  of  the 

Royal  Society  of  London.    Vol.   CLXXIX.  1888. 

—  The  evolution  of  the  auditory  ossicles.     Anat.  Anz.  Bd.  XIX.  1901, 

—  und  Seleriha,   Emil.     Vögel,  in :    Bronri's  Klassen   und    Ordnungen   des    Tierreichs. 

I.  Anatomischer  Teil.  Leipzig  1891.     (Die  Beschreibung  des  erwachsenen  Schädels  ist 
von  Selenka,   die  Darstellung  der  Entwickelungsgeschichte  von  Gadow.) 
Gau2>p,   E.     Die  ,,C'olumella"  der  kionokranen  Saurier.     Anat.  Am.  Bd.    VL.   1891. 

—  Zur  Kenntnis  des  Primordialcraniums  der  Amphibien  und  Reptilien.     Verh.  d.  Anat. 

Ges.  a.  d.  5.    Versg.  zu  München.  1891. 

—  Beiträge    zur  Morphologie    des  Schädels.    I.    Primordialcranium   und  Kieferbogen   von 

Rana  fusca.  3Iorphologische  Arbeiten,  herausg.  von  G.  Schwalbe.  Bd.  IL  1893. 
(Auch  als  Habilitationsschrift  der  med.  Faktdtät  zu  Breslau  mit  besonderer  Paginie- 
7'ung  verwandt.) 

—  Beiträge  zur  Morphologie  des  Schädels.   IL  Das  Hyobranchialskelett  der  Anuren  und 

seine  Umwandlung.    Ebenda.  Bd.  ILL.  H.  3.  1893*.    (Jahreszahl  des  Bandes:  1894.) 

—  Beiträge  zur  Morphologie  des  Schädels.  III.  Zur  vergleichenden  Anatomie  der  Schläfen- 

gegend am  knöchernen    Wirbeltierschädel.     Ebenda.  Bd.  IV.  1895. 

—  Zur  Entwicklungsgeschichte  des  Eidechsenschädels.    Berichte  der  Naturf.   Gesellsch.  zu 

Freiburg  in  Breisg.  Bd.  X.  1898. 

—  Ueber   das    Primordialcranium   von  Lacerta   agilis.     (Blit  Demonstration    von  Platten- 

modellen.)     Verh.  d.  Anat.   Ges.  auf  d.  12.    Versammlung  in  Kiel.  1898'''. 

—  Die  Metamerie    des  Schädels,     ßlerkel  u.  Bonnet,    Ergebnisse   der  Anatomie  und  Ent- 

wickelungsgeschichte. Bd.    VII:  1897.  1898f. 

—  Ontogenese  und  Phylogenese  des  schalleitenden  Apparates  bei  den  Wirbeltieren.   Ebenda. 

Bd.    VIII:  1898.  1899. 

—  Das  Chondrocranium  von  Lacerta  agilis.    Ein  Beitrag  zum  Verständnis  des  Amnioten- 

Schädels.     Anat.  Hefte,  herausg.  v.  Merkel  u.  Bonnet.  Bd.  XIV.    1900. 

—  Alte  Probleme  und  neuere  Arbeiten  über  den   Wirbeltierschädel.    Ergebnisse  der  Anat. 

und  Entwickelungsgesch.  Bd.  X:  1900.   Wiesb.  1901. 

—  Ueber  die  Ala  temporalis  des  Säugerschädels  und  die  Regio  orbitalis  einiger  anderer 

Wirbeltierschädel.     Arial.  Hefte.    Bd.  XIX.  1902. 

—  Zum   Verständnis    des  Säuger-  und  Menschenschädels.     Korrespondenzbl.  d.  Deutschen 

Anthropol.   Ges.  No.  12.  1903. 

—  Neue  Deutungen   auf  dem  Gebiete    der  Lehre   vom,  Säugetierschädel.     Anat.  Anz.  Bd. 

XXVIL  1905.     (Erst  nach  Abschluß  des  Handbuchmanuskriptes  abgefaßt.) 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  861 

Oegenhaur,  C.  lieber  die  Bildung  des  Knochengewebes.  Erste  ßfitteilung.  Jen.  Zeit- 
schrift. Bd.  I.  1864. 

—  Untersuchungen  zur  vergleichenden  Anatomie  der   Wirbeltiere.  H.  2.  Leipzig  18G5, 

—  lieber  primäre  und  sekundäre  Knochenbildung  mit  besonderer  Beziehung  auf  die  Lehre 

vom  Primordialcranium.     Jenaische  Zeitschr.  Bd.  III.  1867, 

—  lieber  die  Bildung  des  Knochengeioebes.    Ziveite  Mitteilung.     Ebenda.  Bd.  III.  1867''-. 

—  Gru7idziige  der  vergleichenden  Anatomie.     Zweite  umgearbeitete  Azifl.     Leipzig  1870. 

—  Untersuchungen    z^ir   vergleichenden   Anatomie    der   Wirbeltiere.     Heft  3:    Das   Kopf- 

skelett  der  Selachier,    ein  Beitrag    zur  Erkenntnis    der  Genese    des  Kopfskelettes  der 
Wirbeltiere.     Leipzig  1872. 

—  Ueber  die  Nasenmuscheln  der   Vögel.     Jen.  Zeitschr.  Bd.    VII.  1873. 

—  Bemerkungen  über  den   Canalis  Fallojjü.     Morph.  Jahrb.  Bd.  IL  1876, 

—  Ueber    das  Kop)fskelett   von  Alepocephalus   rostratus  Risso.     Ebenda.  Bd.    VI.  Supple- 

ment 1878, 

—  Ueber  die  Pars  facialis  des  Lacrymale  des  Jlenschen.     Ebenda.  Bd.    VII.  1882. 

—  Nachträgliche    Bemerkung    zu    der  dfitteilung    über    die  Pars  facialis  des  menschlichen 

Thränenbeins.     Ebenda.  Bd.    VII.  1882K 

—  Die    3Ietamerie    des  Kopfes    und    die    Wirbeltheorie    des    Kopfskelettes  ,    im  Lichte    der 

neuen   Untersuchungen  betrachtet  und  geprüft.     Ebenda.  Bd.  XIII.    1887, 

—  Ueber  die   Occipitalregion   und  die  ihr  benachbarten   Wirbel  der  Fische.     Festschr.  für 

A.  v.  Koelliker.  Leipzig  1887-, 

—  Vergleichende  Anatomie  der   Wirbeltiere  mit  Berücksichtiguug  der  Wirbellosen.     Erster 

Band.  Leipzig  1898, 

Göldi,  Emil  August,  Kojyfskelett  und  Schultergiirtel  von  Loricaria  cataphracta,  Batistes 
capriscus  und  Accipenser  ruthenus.  Vergleichend-anatomisch-entwicklungsgeschichtliche 
Studien  zur  Deckknochenfrage.     Jen.  Zeitschr.  f.  Naturwiss.  Bd.  XVII.  1884z, 

Goethe,  J,  W.  Das  Schädelgerüst  aus  sechs  Wirbelknochen  axiferbaut.  Zur  Naturwissen- 
schaft überhaupt,  besonders  zur  Morphologie  II,  2.  1824.  (Ueber  den  Fund  berichtet 
G.  bereits  in  Briefen  aus    Venedig,  Frühjahr  1790.) 

Goette,  Alexander,  Die  Entwickelungsgeschichte  der  Unke  {Bombinator  igneus)  als 
Grundlage  einer  vergleichenden  ßlorphologie  der  Wirbeltiere,  Mit  eiriem  Atlas  von 
22  Tafeln.     Leipzig  1875. 

—  Ueber  die  Kiemen  der  Fische.     Zeitschr.  f.  wissensch.  Zool.  Bd.  LXIX.  1901. 
Gradenigo,   G,     Die  embryonale  Anlage  des  Miltelohres :  die  tnorphologische  Bedeutung 

der    Gehörknöchelchen.       Mitteilungen    aus    dem    embryologischen    Institute    der   k.    k. 

Universität   Wien.  Heft  1887.     (Der  ganzen  Reihe  9.  Hejt,  der  ziveiten  Folge  2.  Heft.) 

Wien  1887, 
Gi'osser,    Otto.      Zur   Anatomie    der   Nasenhöhle    und   des   Rachens    der   einheimischen 

Chiropteren.     Morph,  Jahrb.  Bd.  XXIX.  Heft  1.  1900. 
Grubev,   «/.      Beitrag    zur  Entwickelungsgeschichte    des  Steigbügels    und   ovalen  Fensters. 

Mitteilungen    aus     dem    embryologischen   Institute     der   k.    k.    Universität    in    Wien. 

Bd.  I.  Heft  2.  1877  und  3Ionatsschr.  f.   Ohrenheilkunde.  Jhrg.  11.  1877, 

Günther,   A,   Fr,      Beobachtungen  über  die  Entwickelung  des  Gehörorgans  bei  Menschen 

und  höheren  Säugetieren,     Leipzig  1842. 
Günther,   Albert,      Contribution   to    the  anatomy  of  Hatteria  (Rhynchocephalus  Owen). 

Philosophical    Transactions   of  the   Royal   Society   of  London.      Vol.    GL  VII.     Pt.  1. 

For  the  year  1867, 
Hagen,    Walther.     Die  Bildung  des  Knorpelskeletts  beim  menschlichem  Embryo.    Arch. 

f.   Anat.  u.  Physiol.  Anat.  Abt.  Jhrg.  190O. 
Hannover,  Adolf.     Bericht  über  die  Leistungen  der  skandinavischen  Literatur  im  Ge- 
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—  Zur   Entwickelungsgeschichte    des   Selachierkopfes.      Vorläufige  Mitteilung.     Anat.  Am. 

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—  Beiträge  zur  Entwickelungsgeschichte  der  Selachii.     Morph.  Jahrb.  Bd.  XXIV.  Heft  2. 

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—  On    the    Maminalian    Hyoid,    ivith    especicU    reference    to    that    of  Lepus,    Hyrax    and 

Choloepus.     Journal  of  Anat.  and  Physiol.    Vol.  XXX,  N.  S.    Vol.  X.  1896. 

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—  Notiz   über   einige   Untersuchungen   am  Kopfskelett   der  Holocephalen.     3Iorph.  Jahrb. 

Bd.  in.  1877. 
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For  the  year  1869. 

—  On  the  structure  of  the  skull  and  of  the  heart  of  Menobranchus  lateralis.  Proceedings 

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—  Preliminary  note  upon  the  brain  and  shdl  of  Amphioxus  lanceolatus.     Proceedings  of 

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—  Note  on  the  development  of  the  Columella  auris   in   the  Amphibia.     Nature.    Vol.  XI. 

1875. 

—  Contributions    to   morphology.     Ichthyopsida.  No.  1.     On    Ceratodus  forsteri,    with  ob- 

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London.  For  the  year  1876. 

—  On   the   nature    of  the    craniofacial   apparatus    of  Petromyzon.     Journcd   of  Anatomy 

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Hyrtl,     Ueber  wahre   und   falsche  Schaltknochen   in  der  Pars  orbitaria  des  Stirnbeines. 

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tTacoby,    Mar^tin.      Ein    Beitrag    zur   Kenntnis    des   inenschlichen  Primordialcraniums. 

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Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  863 

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—  Zur  Anatomie  der  Nase  menschlicher  Emh-yonen.    Arch.  f.  Laryngol.  Bd.  II.  Heft  2. 

1895. 

—  Zur   Anatomie   der  Nase    meiischlicher   Embryonen.      Ebenda.    Bd.  III.   Heft  1.  u.  2. 

189^>. 

—  Zur  Anatomie    der   Nase   menschlicher    Embryonen.     Ebenda.  Bd.  IV.  Heft  1.  1896. 
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Ebenda. 

—  lieber   die  Herkunft    der  Skier oblasten.     Ein  Beitrag   zur  lehre  von    der  Osteogenese 

Ebenda.  Bd.  XXI.  1894. 

—  lieber  die  Bedeutung  der  Hautsinnesorgane  für  die  Ausschaltung  der  Skleroblasten  aus 

dem  Ektoderm.      Verhdlg.  der  Anat.  Gesellschaft  a.  d.  9.  Versammlung  in  Basel  1895. 

Ergänzungsheft  z.  Bd.  X.  d.  Anat.  Am.  1895. 
■ —   lieber  den  Bau  und  die  Entwickelung  des  Tentakelapparates  des  Amphioxus.     Verhdlg. 

der  Anat.   Gesellschaft  a.  d.  12.    Versammlung  in  Kiel.  1898. 
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—  Die  Theorie  des  Primordialschädels  festgehalten.     Zeitschr.  f.  xvissensch.  Zool.  Bd.  II. 

1850. 

—  Mikroskopische    Anatomie    oder  Geioebelehre    des  Menschen.     Band  II:   Specielle    Ge- 

webelehre.    1.  Hälfte:    Von  der  Haut,    den  Muskeln,   Knochen   und   Nerven.  Leipzig 
1850. 

—  lieber    die  Beziehungen    der  Chorda  dorsalis    sur  Bildung    der   Wirbel    der   Selachier 

und    einiger   andern  Fische.      Verh.  d.  Physik.-med.   Gesellsch.  in    Würzburg.  Bd.  X. 
1860. 

—  lieber  den  Anteil  der  Chordascheide  an  der  Bildung  des  Schädelgrtmdes  der  Squalidae. 

Würzb.  naturw.  Zeitschr.  Bd.  I.  1860. 

—  Handbuch  der  Gewebelehre  des  Menschen.  4-  Aufl.  1863. 


864  E.  Gaupp, 

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Bd.  III.  1872. 

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KöLliker,   Th,      lieber   das  Os  intermaxillare    und  die  Anatomie   der  Hasenscharte  und 
des  Wolfsrachens.     Nova  Acta  Academiae  Caesareae  Leopoldino-Carolinae  Germanicae 
naturae  curiosorum.    Bd.  XLIII.  1882. 

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—  lieber   die  Entwickelung    des  Kiemenskeletts  von  Ammocoetes  tind  die  organogene  Be- 

stimmimg des  Exoderms.  Verh.  d.  Anat.  Ges.  a.  d.  9.  Vers,  in  Basel.  Ergänzungs- 
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—  Resultats  de  recherches  morphologiques  sur  des  os  et  des  fontanelles  du  crdne  humain. 

Communication  preventive.     Arch.  ital.  de  biol.  T.  XXVII.  Fase.  2.  1897. 

—  Aulres  resultats  de  recherches  morphologiques  sur  des  os  cräniens  et  crdnio-faciaux  et 

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Magitot,  E,,   et  Robin,   Ch.     Memoire    sur    tin    organe    transitoire    de    la    vie  foetale 
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MecUel,  J,  F.  lieber  die  Zwickelbeine  am  menschlichen  Schädel.  Beitr.  z.  vergl.  Anat. 
Bd.  I.  H.  2.  1809. 

—  Versuch    einer    Entwickelungsgeschichte    der    Ceniralteile    des   Nervensystems    bei    den 

Sängetieren.     Deutsch.  Arch.  f.  d.  Phys.,  herausgeg.  von  J.  F.  Meckel.  Bd.  I.  1815. 

—  Handbxcch    der   menschlichen  Anatomie.    Bd.  II:  Besondere    Anatomie.    Knochenlehre, 

Bänderlehre,  Muskellehre.  1816, 

—  Handbuch  der  menschlichen  Anatomie.    Bd.  IV:  Besondere  Anatomie.  Eingeweidelehre 

und  Geschichte  des  Foetus.  1820. 

Mehtiert,  Frnst.  Kainogenese,  eine  gesetzmäßige  Abänderung  der  embryonalen  Entfal- 
tung infolge  von  erblicher  Uebei'tragrmg  in  der  Phylogenese  erworbener  Eigentüm- 
lichkeiten.    Morph.  Arb.,  herausgeg.  v.   G.  Schwalbe.  Bd.    VII.  1897. 

Miall,   L.    C.      The  skull  of  the   Crocodile.  London  1878. 

Mies,  tToseph.  Ueber  die  Knöchelchen  in  der  Symphyse  des  Unterkiefers  vom  neuge- 
borenen 3Ienschen  (Ossicula  mentalia).     Anat.  Anz.  Jahrg.  8.   1893, 

Mihalkovics,  Victor  v.  Wirbelsaite  und  Hirnanhang.  Arch.  f.  mikr,  Anat.  Bd.  XI, 
1875, 

—  Bau  und  Entwickelung  der  pneumatischen  Gesichtshöhlen.      Verh.  d.  Anat.  Ges.  a.  d. 

10.   Vers,  in  Berlin.  1896. 

—  Anatomie  und  Enttvickelungsgeschichte  der  Nase  und  ihrer  Nebenhöhlen.     Heymann' s 

Handb.  d.  Laryngol.  u.  Rhinol.  Bd.  III.  1896. 

—  Nasenhöhle  und  Jacobson' sches  Organ.  Eine  morphologische  Studie.     Anat.  Hefte.  Bd. 

XI.  H.  1/2.  1898.      (Jahreszahl  des  Bandes:  1899.) 
Minot,     Charles    Seägvick.     Lehrbtcch    der    Entivickelu7igsgeschichte    des     Menschen. 

Deutsche  Ausgabe  mit  Zusätzen  des  Verfassers.      Von  Sändor  Kaestner.  Leipzig  1894:, 
Moldenhauer.     Beiträge   zur  Anatomie    und  Entwickelungsgeschichte   des  menschlichen 

Gehörorgans.     Arch.  f.   Ohrenheilk.  Bd.   XI.  1876. 
Möller)    W.     Zur  Kenntnis  der  Entwickelung  des  Gehörknöchelchens  bei  der  Kreuzotter 

und  der  Ringelnatter  nebst  Bemerkungen  zxir  Neurologie  dieser  Schlangen.     Arch.  f. 

mikr.  Anat.  ti.  Entw.-Gesch.  Bd.  LXV.  1905. 
Miiller,   Heinrich,      Ueber    das    Vorkommen   von  Resten   der  Chorda  dorsalis  bei  Men- 
schen nach  der  Geburt  und  über  ihr  Verhältnis  zu  den  Gallertgeschwülsten  am  Clivus. 

Zeitschr.  f.  rationelle  3Ied.  3.  Reihe,  Bd.  IL  1858. 

—  Ueber  die  Entivickelung  der  Knochensubstanz  nebst  Bemerkungen  über  den  Bau  rachi- 

tischer Knochen.     Zeitschr.  f.  wiss.  Zool.  Bd.  IX.  1858. 

—  Ueber    Verknöcherung.     Eine    Erwiderung   an    N.    Lieberkühn.      Würzburger    naturw. 

Zeitschr.  Bd.  IV.  1863. 
Müller,  Johannes.      Vergleichende    Anatomie    der    Blyxinoiden,    der    Cyclostomen    mit 
durchbohrtem    Gaumen.     Erster    Teil:    Osteologie   und    Myologie.     Abh.    d.  Berliner 
Akad.  d.   Wiss.  (Phys.-math.  Abt.)  Jahrg.  1834.   Berlin  1835. 

—  Nachträge  zur  vergleichenden  Osteologie  der  Myxinoiden.     Abh.  d.  kgl.  preuß.  Akad. 

d.    Wiss.  zu  Berlin.  Berlin  1840. 

—  Bericht   über    die  Fortschritte  der  vergleichenden  Anatomie   der   Wirbeltiere  im  Jahre 

I84S.     Slüller's  Arch.  f.  Anat.,  Phys.  u.  wiss.  Med.  1843, 

—  Ueber  den  Bau   und   die  Grenzen  der  Ganoiden  und  über  das  natürliche  System  der 

Fische.     Abh.  d.  Kgl.  Akad.  d.  Wiss.  zu  Berlin.  Aus  dem  Jahre  1844.  Berlin  1846. 

Nestler,   Karl.     Beiträge   zur  Anatomie    und   Entunckelungsgeschichte   von   Petromyzon 

Planeri,     Arch.  f.  Naturgcsch.  Jahrg.  66.  Bd.  I.  1890. 
Neumayer,   L.     Ziir  vergleichenden  Anatomie  des  Koj)fskelettes  von  Petromyzon  Planeri 

und  ßlyxine  glutinosa.     Münchener  med.   Abh.   7.  Reihe.  H.   7.  1898. 
Neuner,  Richard.      Ueber  angebliche  Chordareste  in  der  Nasenscheidewand  des  Rindes. 

Inaug.-Diss.  München  1886, 
Niekerson,    W.   S.     The  development  of  the  scales  of  Lepidosteus.     Bull,  of  the  3Iuseum 

of  comparative  Zoology  at  Harvard  College.    Vol.  XXIV.  No.  5.  1893. 
Noorden,    Carl  von.     Die  Entwickelung  des  Labyrinthes  bei  Knochenfischen.     Arch.  f. 

Anat.  u.  Phys.  Anat.  Abt.  Jahrg.  1883. 
Handbuch  der  Entwickelungslehre.  III.    2.  55 


866  E.  Gaupp, 

Noovden,  Werner  von,  Beitrag  zur  Anatomie  der  knorpeligen  Schädelbasis  mensch- 
licher Embryonen.     Arch.  f.  Anat.  u.  Phys.  Anat.    Abt.  Jahrg.  1887. 

Oken,  lieber  die  Bedeutung  der  Schädelknochen.  Ein  Programm  beim  Antritt  der  Pro- 
fessur an  der  Gesamtuniversität  zu  Jena.   1807. 

Osaiva,  Gakutaro.  Beiträge  zur  Anatomie  der  Hatteria  punctata.  Arch.  f.  mikr. 
Anat.  u.  Entw.-Gesch.  Bd.  LI.  1898. 

—  Beiträge  zur  Anatomie  des  japanischen  Riesensalamanders.     3Iitt.  a.  d.  med.  Fak.  d. 

Kaiserl.  Japan.   Universität  zu  Tokio.  Bd.    V.  1902. 
Osborn,   Henry  Fairfleld.      Origin  of  the  Mammalia.  III.   Occijyital  condyles  of  Rep- 

tilian  tripartite  type.     The  American  Naturalist.   Vol.  XXXIV.  1900. 
Owen,  R.     Lecturcs  on   the  c.omparative    anatomy  and  physiology  of  the  vertebrate  ani- 

mals.     Part  I.  Fishes.  London  1846. 

Pariser,  T.  Jeffery.  Observations  on  the  anatomy  and  development  of  Apteryx. 
Philosophical  Transactions  of  the  Royal  Soc.  of  London.    Vol.  CLXXXII.  1891. 

—  Additional   observations  on  the  development   of  Apteryx.     Ibid.    Vol.  CLXXXIII.  For 

the  year  1892. 
Parlcer,    W,    K.      On    the    structure  and  development   of  the  skull  in  the   Ostrich  tribe. 
Philosophical    Transactions   of   the  Royal  Soc.  of  London.    Vol.   CLVI.    For  the  year 
1866.  London  1866. 
- —   On  the  structure  and  development  of  the  skull  of  the  common  fowl  (Gallus  domesticus). 
Ibid.    Vol.   CLIX.  For  the  year  1869.  London  1870. 

—  0)1  the  structure  and  development  of  the  skull  of  the  common  frog  (Rana  temporaria). 

Ibid.    Vol.   CLXI.  For  the  year  1871.  London  1872. 

—  On   the   structure    and    development   of  the  skull  in  the  pig.     Ibid.    Vol.   CLXIV.  For 

the  year  1874-  London  1874. 

—  On  the  morphology  of  the  skull  in  the  Woodpeckers  (Picidae)  and  Wrynecks  (Yungidae). 

Transactions  of  the  Linnean  Soc.  Ser.  2.  Zoology.   Vol.  I.  1875. 

—  Oti  Aegithognathous    Birds.    (Part    I.)      Transactions    of  the    Zool.   Soc.    of  London. 

Vol.  ix.  Pt.   5.  1875.   (Jahreszahl  d.  Bandes:  1877.) 

—  On   the  structure   and   development  of  the  sktdl  in  the  Batrachia.  Pt.  II.     Philosoph. 

Transact.  Roy.  Soc.  London.   Vol.  CLXVI.  1876. 

—  On  the  slmcture  and  development  of  the  bird's  skull.     Transact.  of  the  Linnean  Soc. 

of  London.  Ser.  2.    Vol.  I.  Zoology.  Pt.  S.  187 6^K   (Jahreszahl  des  Bandes:  1879.) 

—  On    the    structure    and    development   of  the    skull    in  the    Urodelous  Amphibia.    Pt.  I. 

Philosoph.   Transact.  Roy.  Soc.  London.    Vol.   CLXVII.  Pt.   2.  1877. 

—  On  the  struclwre  and  the  development  of  the  sktdl  in  the  common  snake  (Tropidonotus 

natrix).     Ibid.    Vol.   CLXIX.  For  the  year  1878.  London  1879. 

—  On    the   structure   and   development   of  the  skull  in  Sharks  and  Skates.     Transact.  of 

the  Zool.  Soc.  of  London.    Vol.  X.  Pt.  4.  1878.   (Jahreszahl  d.  Bandes:  1879.) 

—  On    the     skull    of  the    Aegithognathous  Birds.    Pt.  II.     Ibid.     Vol.  X.    Pt.    6.    1878. 

(Jahreszahl  von   Vol.  X:  1879.) 

—  On  the  structure  and  development  of  the  skull  in  the  Lacertilia.    Pt.  I.    On  the  skull 

of  the  common  Lizards  (Lacerta  agilis,  L.  viridis,  and  Zootoca  vivipara).     Philosoph. 
Transact.  of  the  Roy.  Soc.  of  London.    Vol.  CLXX.  For  the  year  1879.   London  1880. 

—  Report  on  the  development  of  the   Green  Ttirtle  (Chelone  viridis  Schneid.;.     Report  on 

the  scientific  results  of  the  voyage  of  H.  31.  S.  Challenger,  during  the  years  187S — 76. 
Zoology.    Vol.  I.  Pt.  5.  1880. 

—  On    the    structure    and    development   of  the    skidl    in  Sttirgeons  (Acipenser  ruthenus). 

Philosoph.   Transact.  of  the  Roy.  Soc.  of  London.    Vol.  CLXXIII.  For  the  year  1882. 
Pt.   1.  1882. 

—  On  the  structure  and  development    of  the  skull  in  the  Batrachia.  Pt.  III.     Ibid.    Vol. 

CLXXII.  For  the  year  1881.  London  1882. 

—  On  the  morpjhology  of  the    skull  in  the   Amphibia  Urodela.      Transact.  of  the  Linnean 

Soc.  of  London.  Ser.  2.    Vol.  II.  Zoology.   Pt.  3  (1879—1888).  1882. 

—  On  the  structure  and  development  of  the  skull  in  the    Urodeles.      Transact.  of  the  Zool. 

Soc.  of  London.    Vol.  XI.  Pt.  6.  1882"^.   (Jahreszahl  d.  ganzen    Vol.  XI:  1885.) 

—  On   the  development   of  the   skull  in  Lepidosteus    osseus.     Philosoph.   Transact.  of  the 

Roy.  Soc.  of  London.  For  the  year  1882.  Pt.  2.  1882/-. 

—  On  the  skeleton  0/  the  3Iarsipobranch  fishes.     Ibid.  For  the  year  1883. 

—  On    the    structure    and    development    of  the  skull  in  the   Crocodilia.      Transact.  of  the 

Zool.  Soc.  of  London.    Vol.  XI.  Pt.  9.  1883'-.    (Jahreszahl  von    Vol.  XI:  1885.) 

—  On    the  morphology    of  a  Reptilian  Bird,    Opisthocomus    cristatus.     Ibid.     Vol.  XIII. 

Pt.  2.  1891. 

—  and  Bettany,    6.   T.      The  morphology  of  the  skull.  London  1877, 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  867 

Pai'ker,  W.  iV.  Oii  xome  jwints  in  the  strxictnre  of  the  young  of  Echidna  actdeata. 
Proceedings  of  the  Zool.  Soc.  of  London.  1S94. 

Parsons,  F.  G,  The  joints  of  3Iammuls  compared  vnth  those  ofman:  a  course  of 
lectures  delivered  at  the  Royal  College  of  stii'geons  of  England.  The  Journ.  of  Anat. 
and  Phys.    Vol.  XXXIV.  N.  S.    Vol.  Xl'v.  Pt.  1.  1899.   (Jahreszahl  d.  Bandes':  1900.) 

PauUsch,  Otto.  Das  vordere  Ende  der  Chorda  dorsalis  und  der  Franck'sche  Nasen- 
kamm.    Arch.  f.  Anat.  ii..  Phys.  Anat.  Abt.  Jahrg.  1S87, 

Paulli,  Simon,  lieber  die  Pneumaticilät  des  Schädels  bei  den  Säugetieren.  Eine 
morphologische  Studie.  I.  lieber  den  Bau  des  Siebbeins,  lieber  die  Morphologie  des 
Siebbeins  und  die  der  Pneumaticität  bei  den  Monotremen  und,  den  Marsupialiem, 
3Iorph.  Jahrb.  Bd.  XXVIII.  H.  1.  1S99.  (Jahreszahl  d.  Bandes:  1900.) 

—  lieber    die    Pneumaticität    des    Schädels    bei    den    Säugetieren.     Eine    morphologische 

Studie.  II.  lieber  die  Morphologie  des  Siebbeins  und  die  der  Pneumaticität  bei  den 
llngulaten  und  Probosciden.     Ebenda.  Bd.  XXVIII.  H.  2.  1900. 

—  lieber    die    Pneumaticität    des    Schädels    bei    den    Säugetieren.     Eine    morphologische 

Studie.  III.  lieber  die  Morphologie  des  Siebbeins  und  die  der  Pneumaticität  bei  den 
Insectivoren,  Hyracoideen,  Chiropteren,  Carnivoren,  Pinnipedien,  Edentaten,  Ro- 
dentiern,  Prosiw.iern  und  Primaten,  nebst  einer  zusammen fasse7iden  Uebersicht  über 
die  Mojyhologie  des  Siebbeins  und  die  der  Pneumaticität  des  Schädels  bei  den  Säuge- 
tieren. Ebenda.  Bd.  XXVIII  H.  4.  1900K 
Peter,   Karl,      Die    Wirbelsäule  der  Gymnophionen .     Inaug.-Diss.  Freiburg  i.  B.  1894z. 

—  Die  Entwickelung  und  funktionelle  Gestaltung  des  Schädels  von  Ichthyophis  glutinosus. 

Morph.  Jahrb.  Bd.  XXV.  H.  4.  1898. 

—  Anlage    und  Homologie    der  Muscheln    des  Menschen    und    der    Säugetiere.     Arch.  f. 

mikr.  Anat.  u.  Entw.-Gesch.  Bd.  LX.  1902. 

PeterSf  Wilh.  lieber  einen  dem  Lepidosiren  annectens  vertvandten  Fisch  von  Quelli- 
mane.     ßlüller's  Arch.  f.  Anat.,  Phys.  u.  wiss.  Med.  Jahrg.  1845. 

—  lieber    die    bei  Beuteltieren    im  Entvxickelungszustande    vorkommende    Verbindung    des 

Os  tympanicum  mit  dem  Unterkiefer,  als  einen  neuen  Beiveis  für  die  lleberein- 
stimmung  dieses  Knochens  mit  dem  Os  quadratum  der  übrigen  Wirbeltierklassen, 
ßlonatsber.  d.  Xgl.  Preuß.  Akad.  d.  Wissensch.  zu  Berlin.  Atis  d.  Jahre  1867.  Berlin 
1868. 

—  lieber  das   Os  tymj^anicum  und  die   Gehörknöchelchen  der  Schnabeltiere  in  Bezug  auf 

die  Frage  von  der  Deutung  des  Quadratbeins  bei  den  Vögeln.  Ebenda.  Aus  d.  Jahre 
1867».  Berlin  1868. 

—  Note  on  the  homology  of  the  tympanic  bone.     Proceedings  of  the  Zool.  Soc.  of  London. 

For  the  year  1867t. 

—  lieber    die    Gehörknöchelchen    und    den    Meckel'schen    Knorpel    bei    den    Krokodilen. 

Monatsber.  d.  Kgl.  Preuß.  Akad.  d.  Wissensch.  zu  Berlin.  Aus  dem  Jahre  1868. 
Berlin  1869. 

—  lieber   die   Gehörknöchelchen    der  Schildkröten,    Eidechsen  und  Schlangen,    sowie  über 

die  Höhlen  des  Unterkiefers  der  Krokodile.  Ebenda.  Aus  dem  Jahre  1869.  Berlin 
1870. 

—  Ueber   die   Gehörknöchelchen   und   ihr   Verhältnis  zti  dem  ersten  Zungenbeinbogen  bei 

Sphenodon  punctatus.     Ebenda.  Aus  dem  Jahre  1874.  Berlin  1875. 

Platt,  Julia  B.  Ectodermic  origin  of  the  cartilages  of  the  head.  Anat.  Am.  Bd.  VIII. 
1893. 

—  Ectodermic  origin  of  the    cartilages  of  the  head.     Tufts  College  Studies  No.  1.  1904. 

(Abdriick  des  Aufsatzes  im  Anat.  Anz.  Bd.   VIII.) 

—  The  development  of  the  cartilaginous  sktdl  and  of  the  branchial  and  hypoglossal  mus- 

culature    in   Necturus.     Morph.    Jahrb.    Bd.    XXV.    Heft  S.    1897.      (Jahreszahl    des 

Bd.:  1898.) 
Politzer,  A.    Zur  Anatomie  des  Gehörorgans.    IL   lieber  den  Processus  styloideus.    Arch. 

f.   Ohrenheilk.   Bd.    IV  (N.    F.  Bd.  III).    1875.     Steht  auch  in:    Beitr.  z.  Anat.  u. 

Physiol.     als     Festgabe     Carl    Ludwig     zum    15.    Oktober   1878   geividmet    von   seinen 

Schillern.     Leipzig  1875, 
Pollard,   H.   B.     On  the  anatomy  and  phylogenetic  position  of  Polyptcrus.    Zool.  Jahr. 

Abt.  f.  Anat.  u.   Ontog.  d.  Tiere.  Bd.    V.  1891. 

—  The    „cirrhostomial"   origin    of   the    head    in    Vertebrates.     Preliminary  notice.     Anat. 

Anz.  Bd.  IX.  1894. 

—  lieber  Labialknorpel.       Verhandlung,    der  Anat.   Gesellschaft    auf  der  9.    Versammlung 

in  Basel  1895, 

—  The    oral   cirri  of  Sihiroids   and  the  origin  of  the  head  in   Vertebrates.     Zool.  Jahrb. 

Bd.    VIII.  Abt.  f.  Morph.  1895. 

55* 


868  E.  Gaupp, 

Rabl,    C,      Ueber  das  Gebiet  des  Nervus  facialis.     Anat.  Am.  Jhrg.  2.  1887. 

—  Theorie  des  Mesoderms.     31orph.  Jahrb.  Bd.  XV.  1889. 

—  Ueber   die  Metamerie    des   Wirbeltierkopfes.      Verhandlung,    der  Anat.   Gesellschaft  auf 

der  5.   Versammlung  in  Wien  1892. 
Rabl-Riickhard,   H.     Das    gegenseitige   Verhältnis    der    Chorda,   Hypophysis   und,   des 
mittleren  Schädelbalkens  bei  Haißschembryonen,  nebst  Bemerkungen  über  die  Deutu7ig 
der  einzelnen   Teile  des   Fischgehirns.     Morph.  Jahrb.  Bd.    VI.  1880. 

—  Zur  Albrecht-Kölliker' sehen  Streitfrage  über  die  vordere  Endigung  der  Chorda  dorsalis. 

Anat.  Anz.  Jhrg.  1.  1886. 

üamhatul,  A.   et  Renault,    Ch.      Origine  et  diveloppement  des  os.     Paris  1864. 

Ranke,  tfohannes.  Der  Stirnfortsatz  der  Schläfenschuppe  bei  den  Primaten.  Sitzungs- 
berichte der  mathematisch-physikalischen  Klasse  der  K.  bayr.  Akademie  der  Wissen- 
schaften zu  München.  Bd.  XXVIII.  Jhrg.  1898.     München  1899. 

—  Die    überzähligen  Haxitknochen   des  menschlichen  Schädeldaches.     Abhandlung,  der  K. 

bayr.  Akademie  der    Wissenschaften.  II.  Klasse   Bd.  XX.  Abt.  2.  München   1899. 

—  Ueber  die   überzähligen  Knochen  der   menschlichen  Schädeldecke.     Sitzungsberichte  der 

mathematisch-jjhysikalischen  Klasse  der  K  bayr.  Akademie  der  Wissenschaften  sxt 
München.  Bd.  XXIX.  Jhrg.  1899. 
Rathke,  Heinrich.  Bemerkungen  über  den  inneren  Bau  des  Qiierders  (Ammococtes 
branchialis)  und  des  kleinen  Neimauges  (Petromyzon  Planeri).  Beiträge  zur  Ge- 
schichte der  Tierwelt.  Vierte  Abteil.  Neueste  Schriften  der  naturforschenden  Gesell- 
schaft in  Danzig.  Bd.  IL  Heft  2.  Halle  1827. 

—  Anatomisch-philosophische   ZTnter suchungen  über  den  Kiemenapparat  und  das  Zungen- 

bein  der    Wirbeltiere.  Riga  u.  Dorpat  1832. 

—  Entivickelungsgeschichte  der  Natter  (Coluber  natrix).  Königsberg  1839, 

—  Bemerkungen   über   die   Entwickelting    des   Schädels    der   Wirbeltiere.      Vierter  Bericht 

über  das  naturwissenschaftliche  Seminar  bei  der  Universität  z\i  Königsberg.   Königs- 
berg 1839 

—  Ueber  die  Enttvickelung  der  Schildkröten.     1848. 

Reichert,  C,  De  embryonum  arcubus  sie  dictis  branchialibus.  Diss.  inaug.  ord.  med. 
Berolini  1836. 

—  Ueber   die    Visceralbogen   der   Wirbeltiere  im  allgemeinen  und  deren  3Ietamorphose  bei 

den    Vögel?},    und    Säugetieren.      Müller's  Arch.  ßlr   Anat.,   Physiol.   und   wisserisch. 
Mediz.  1837. 

—  Vergleichende  Entwickelungsgeschichte   des  Kopfes    der   nackten  Amphibien,   nebst  den 

Bildungsgesetzen   des    Wirbeltierkopfes    im   allgemeinen    und   seinen   hauptsächlichsten 
Variationen  durch  die  einzelnen   Wirbeltierklassen.  Königsberg  1838. 

—  Zur  Kontroverse    über   den   Primordialschädel.     Müller's   Arch.    f.    Anat.,   Physiol.   u. 

wiss.  Med.  Jhrg. 1849. 

—  Zur  Streitfrage   über   die  Gebilde    der  Bindesubstanz,    über   die  Spiralfaser   und  über 

den  Primordialschädel.     Ebenda.  1852. 
Ridewood,    W.    G.     On  the  hyoid  arch  of  Ceratodus.    Proceedings  of  the  Zoological  So- 
ciety of  London.  1894. 

—  On  the  structure  and  development  of  the  hyobranchial  skeleton  and  larynx  in  Xenopus 

and  Pipa ;  with  remarks  on  the  ajfßnities  of  the  Aglossa.    Journ.  of  the  Linnean  So- 
ciety of  London.  Zoology.    Vol.  XXVI.  London  1897. 

—  On   the   structure   and    development   of  the   hyobranchial   skeleton   of  the  Parsley-Frog 

(Pelodylcs  punctatus).      Proceedings   of  the  Zoological   Society    of  London.     For   the 
year  1SÖ7». 

—  On  the  development  of  the  hyobranchial  skeleton  of  the  midwife-toad  (Alytes  obstetricans). 

Ibid.  For  the  year  1898. 
Robin,  Ch.  et  Herrmann.    3Iemoire  snr  la  generatian  et  la  regeneration  de  l'os  des  cornes 

caduques    et  persistantes   des  Buminants.     Comj)tes  rendus  hebdomadaires  des  seances 

de  l'Academie  des  sciences.   T.  XCIV.  1882. 
Rolph,    W.      Untersuchungen  über  den  Bau  des  Amphioxus  lanceolatus.     Morph.  Jahrb. 

Bd.  IL  1876. 
Rose,    Carl.      Ueber   Zahnbau   imd   Zahnwechsel   des    Dipnoer.     Anat.    Anz.    Bd.    VII. 

1892. 

—  Ueber  das  ,1  ac ob son -Organ  von  Wombat  und  Opossum.    Anat.  Anz.    Jhrg.  8.  1893. 

—  Beiträge  zur  Zahnentwickelung  der  Schwanzmolche.    Morphologische  Arbeiten,  herausg. 

V.   G.  Schwalbe.  Bd.  IV.  Heft  2.  1894. 

—  Das   Zuhnsystem    der    Wirbeltiere.     Merkel  u.  Bonnet,    Ergebnisse    der   Anatomie   und 

Entvnckchmgsgcschichte  Bd.  IV:  1894.  1895. 
Rousseau,  Emmanuel.     Description  d'un  nouvel  os  de  la  face  chez  l'homme.    Annales 
des   sciences   naturelles.    T.  XVII.  1829.     (R.    beschreibt    ein   „lacrymal   externe    ou 
petit  unguis".J 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  869 

Rüdinger.  Ueber  die  Bildung  der  Kanäle  und  Hohlräume  im  menschlichen  Schläfen- 
bein.    In:  Beiträge  zur  Anatomie  des  Gehörorgans  etc.  München  1S76. 

Sagetnehl,  M.  Beiträge  zur  vergleichenden  Anatomie  der  Fische.  I.  Das  Cranium  von 
Amia  calva  L.     Morph.  Jahrb.  Bd.  IX.  1S84:. 

—  Beiträge    zur    vergleichenden    Anatomie    der   Fische.      III.  Das  Cranium  der  Chara- 

ciniden    nebst    allgemeinen    Bemerkungen    über    die   mit    einem   Weber'schen    Apparat 
versehenen  Physostomenfamilien.     Ebenda.  Bd.  X.  1885, 

—  Beiträge  zur  vergleichenden  Anatomie  der  Fische.    IV.  Das  Craniiim  der  Cyprinoiden. 

Ebenda.  Bd.  XVII  1891. 

Saint-Retny ,    G,     Recherches   sur   l'extrvmite   anterieure    de    la    corde    dorsale    chez  les 

Amniotes.     Archives  de  biologie.   T.  XIV.  1896. 
Salenshy,    W.     Entwickelung sgeschichte   des  Sterlet   (Acipenser  ruthenus).     Arbeiten  der 

Gesellschaft  der  Naturforscher  an  der  K.  Universität  zu  Kasan.  T.  VII.  Lief.  31878 

und  T.  X.  Lief.  2  1880. 

—  Beiträge  zur  Eyitwickehmgsgeschichte  der  knorpeligen  Gehörknöchelchen  bei  Säugetieren. 

Morph.  Jahrb.  Bd.    VI.  1880. 

Sappey,   JPh,   C.      Traite  d' Anatomie  descriptive.  4-  ^d.   T.  I.  1888. 

Sarasin,  Faul  u.  Fritz.     Ergebnisse   naturwissenschaftlicher  Forschungen   auf   Ceylon 
in    den   Jahren    1884 — S6.    Bd.  II.   Heft  4-     Entwickelu7\gsgeschichte    und   Anatomie  . 
der  ceylonesischen  Blindwühle  Ichthyophis  glutinosus.    Wiesbaden  1890. 

SeleiiTca.     Siehe   Gadoiv. 

Senimer,  Alexander,  Untersuchtingen  über  die  Entunckelung  des  Meckel'schen  Knor- 
pels und   seiner  Nachbargebilde.     Inaug.-Diss.  Doriyat  1872. 

Senion,  Richard.  Die  Zahnentunckelung  des  Ceratodus  forsteri.  Semon,  Zool.  For- 
schuitgsreisen,  Bd.  I.  Jen.  Denkschr.  Bd.  IV.  1899. 

Seigres.  Recherches  d'anatomie  transcendante  sur  les  lois  d'organogenie  appliquees  ä 
pathologique.     Annales  des  sciences  naturelles.   T.  XI.  1827, 

Sewertzofff  A.  Die  Entivickelung  der  Occipitalregion  der  niederen  Vertebraten  im  Zu- 
sammenhang mit  der  Frage  über  die  Metamerie  des  Kopfes.  Bull,  de  la  Societe  Im- 
periale des  Naturalistes  de  Moscou.  No.  2.  1895, 

—  Beitrag    zur    Entivickelungsgeschichte    des    Wirbeltierschädels,       Vorläufige    Mitteilung. 

Anat.  Am.   Bd.  XIII.  1897. 

—  Die  Metamerie  des  Kopfes  von   Torpedo,     Ebenda.  Bd.  XIV.  1898. 

—  Studien  zur  Entwickelungsgeschichtc  des  Wirbeltierkopfes.    I.  Die  Metamerie  des  Kopfes 

des   elektrischen  Rochen.     Bull,  de   la  Societe  Imperiale    des  Naturalistes  de  JIoscou, 
No.  2—3.  189m. 

—  Die   Entwickelung   des    Selachierschädels.      Ein  Beitrag   zur    Theorie    der    korrelativen 

Entwickelung.     Festschr.  z.    70.   Geburtstag  von  Carl  v.  Kupffer.  Jena  1899. 

—  Zur  Entwickelungsgeschichte  von  Ascalabotes  fascicularis.     Vorläufige  Mitteihmg.    Anat. 

Anz.  Bd.  XVIII.  1900, 

—  Zur  Entwickelungsgeschichte  des  Ceratodus  Forsteri.     Ebenda.  Bd.  XXI.  1902. 

Seydel,  O.  Ueber  die  Nasenhöhle  der  höheren  Säugetiere  und  des  Menschen.  Morph. 
Jahrb.  Bd.  XVIL  1891. 

—  Ueber   die    Nasenhöhle   und   das  Jacobson  'sehe   Organ    der  Amphibien.     Eine   ver- 

gleichend-anatomische  Untersuchung.     Ebenda.  Bd.  XXIII.  1895, 

—  Ueber   die  Nasenhöhle   und   das  Jacob  so n'sche  Organ    der  Land-  und  Sumpfschild- 

kröten.    Eine   vergleichend-anatomische    Untersuchung.      Festschr.  z.  70.   Geburtstage 
von  Carl  Gegenbaur.  Bd.  II.  1896. 

—  Ueber  Entwickelungsvorgänge  an  der  Nasenhöhle  und  am  Mundhöhlendache  von  Echidna 

nebst  Beiträgen  zur  Morphologie  des  peripheren  Geruchsorgans  und  des  Gaumens  der 
Wirbeltiere.  Semon,  Zoologische  Forschungsreisen  in  Australien  und  dem  Malay- 
ischen  Archipel.  Bd.  III.  Denkschr.  d.  Mediz.-naturwissenschaftl.  Gesellsch.  z.  Jena. 
Bd.  VI.  1899. 
Siebenniann,  F.  Die  ersten  Anlagen  von  3Iittelohrraum  und  Gehörknöchelchen  des 
menschlichen  Embryo  in  der  4.  —  6.  Woche.  Arch.  f.  Anat.  u.  Physiol.  Anat.  Abt. 
Jhrg.  1894. 

—  3Iittelohr  und  Labyrinth.     Bardeleben's  Handb.  d.  Anat.  d.  Menschen-  Bd.  V.  Abt.  2. 

Jena  1897, 
Siehenrock,   Friedrich,    Zur  Kenntnis  des  Kopfskelettes  der  Scincoiden,  Anguiden  und 
Gerrhosauriden.     Annalen   d.   K.  K.   naturhistorischen  Hofmuseums   Wien.  Bd.    VII. 
1892. 

—  Das  Skelett  der  Lacerta  Simonyi  Steind:  und  der  Lacertidenfamilie  überhaupt.    Sitzgsber, 

K.  Akad.   Wissensch.   Wien.  Math.-naturw.  Kl.  Bd.  CHI.  Abt.  I.  1894, 


870  E.  Gaupp, 

Siebenrock,  Fr.     Das  Kopfsjcelett  der  Schildkröten.     Ebenda.    Bd.  CVJ.  Abt.  I.  1897. 

—  lieber   den    Bau   und    die    Enttvickelung    des  Zungenbein-Apparates   der  Schildkröten. 

Ann.  d.  K.  K.  naturhist.  Hofmuseums   Wien.  Bd.  XIII.  Hejt  4.  1S99. 
SoTcolotV)   Paul.     Der    Canalis    cranio-pharyngeus,     Inaug.-Diss.    Basel.  1904.      (Arch. 

f.  Anat.  u.  Phys.  Anat.  Abt.  190^.) 
Solger,    Bernhard.     Beiträge    zur    Kenntnis    der    Nasenwandung  und    besonders    der 

Nasenmuscheln  der  Eeptilien.     ßlorph.  Jahrb.  Bd.  I.  1S67. 

—  lieber   zwei    im,  Bereiche    des    Visceralskeletts   von    Chimaera    monstrosa    vorkommende 

noch  unbeschriebene  Knorpielstückcheyi.    Morph.  Jahrb.  Bd.  I,  187G. 
Spee,   F.    Graf  von.     Kopf.    Bardeleben's  Handbuch  der  Anatomie  des  3Ienschen.  Bd.  I. 

Abt.  2.  Jena  1896. 
Spemann,   Hans,      lieber    die    erste    Entwickelung   der  Tuba  Eustachii   und    des  Kopf- 
skeletts  von    Rana   temporaria.      Zool.    Jahrb.    Abt.    f.    Anat.    %i.    Ontog.    der    Tiere. 

Bd.  XI.  1898. 
Spöndli,   Heinrich,      lieber   den  P)-imordialschädel    der  Säugetiere   und  des  3Ienschen. 

Ina\ig.-Diss.  Zürich  1846, 
Spurgat,   F.     Beiträge  zur  vergleichenden  Anatomie  der  Nasen-   U7id  Schnauzenknorpel 

des  Menschen  und  der  Tiere.     Morph.  Arb.  Bd.    V.  H.  3.  1896, 
Suchannek.     Ein  Fall  von  Persistenz  des  Hypophysenganges.    Anat.  Am.  Jahrg.  2. 1887. 
Suschktn,   P.     Zur  Anatomie  und.  Entwickelungsgeschichte  des  Schädels  der  Raubvögel. 

Anat.  Anz.  Bd.  XI.  1896, 

—  Zur  3Iorphologie    des    Vogelskeletts.     1.  Schädel    von    Tinnunculus.     Nouv.  3Iem.    Soc. 

Imper.  des  Natural,  de  3Ioscou.    T.  XVI.  Livr.  2  1899, 
Sutton,  JT.  Bland,     Observations  on  the  parasphenoid,  the  vomer  and  the  palato-pterygoid. 
arcade.     Proceedings    of    the  scientific  meetings  of  the  Zoological  Society  of  London. 
For  the  year  1884. 

—  On  the    relation  of  the   orbito-sphenoid  to    the    region  Pterion  in  the  side  wall  of  the 

skull.     Journal  of  Anat.  and  Phys.  normal  afid  pathol.    Vol.  XVIII.  1884 

—  On    the    development    and   morphology    of  the  human  sphenoid  bone.     Proceedings    of 

the  scientific  meetings  of  the  Zoological  Society  of  London.  For  the  year  188,5. 
Swinnerton,  H,  H,     A  contribution    to   the  morp>hology  of  the  Teleostean  head  skeleton, 

based  %ipon  a  study  of  the  developing  skull  of  the    three-sjnned   Stickleback    (Gaster- 

osteus  aculeatu.s).     Quarterly  Journal  of  microscopical  Science.  Vol.  XLV.  N.  S.  1902, 
Symington,  Johnson,      On  the  nose,  the  organ  of  Jacobson,  and  the  damb-bell-shaped 

bone  in  the  Ornithorhynchus,    Proceedings  of  the  Zoological  Society  of  London,  1891. 

—  On    the    homology    of  the    dumb-bell-shaped  bone  in  the   Ornithorhynchus.    Journal  of 

Anat.  and  Phys.    Vol.  XXX,  N.  S.    Vol.  X,  1896, 
Schaffer,  Joseph,     Die   Verknöcheru7ig  des   Unterkiefers  und  die  3Ietaplasiefrage.    Ein 
Beitrag    zur  Lehre   von    der  Osteogenese.     Arch.  f.  mikr.  Anat.   Bd.  XXXII,  1888, 

—  lieber  das  knorpelige  Skelett  von  Ammocoetes  branchialis  nebst  Bemerkungen  über  das 

Knorpelgewebe  im  allgemeinen,     Zeitschr.  f.  Wissens chaftl.  Zoologie.  Bd.  LXI.   1896. 
Schauinsland.,   H,     Weitere  Beiträge  zur  Entwickelungsgeschichte  der  Hatteria.    Skelett- 
system, schallleitender  Apparat,  Hirnnerven  etc,     Arch.  f.  mikroskop.  Anat.  u.  Ent- 
wickelungsgesch.  Bd,  LVI.  1900, 

—  Beiträge  zur  Entwickelungsgeschichte  und  Anatomie  der  Wirbeltiere.  I.  II.  III.    Zoo- 

logica.   Originalabhandl.  aus  dem  Gesamtgebiete  der  Zoologie,  herausg.  v.  Carl  Chun. 

Bd.  XVL  1903, 
Schleip,    Waldetnar,      Die    Entwickelung    der   Kopfknochen    bei    dem  Lachs    und    der 

Forelle.     Inaug.-Diss.  Freiburg  i,  B.  med.  Fak.  1903, 
Schtnid-Monnard,    Carl,     Die  Histogenese    des  Knochens   der  Teleosticr,     Zeitschr.  f. 

wiss.  Zool.  Bd.  XXXIX.  1883, 
Schmidt,   Ernst,      Uehcr  das  postembryonale  Weiterbestehen  des  Jacobson' sehen  Organes 

und  Knorpels    beim  3Ienschen   und  die  Beziehungen  derselben  zu  einander.     Inaug.- 
Diss,  med.  Fakultät.  Berlin   1896, 
Schneider,   Anton,     Beiträge  zur  vergleichenden  Anatomie  U7id  Entwickelungsgeschichte 

der   Wirbeltiere.  Berlin  1879. 
Schönetnann,  A,     Beitrag  zur  Kenntnis  der  3Iuschelbildung  und  des  Muschehvachstums, 

Anat.  Hefte.  Bd.  XVIIl.  H.  1,  1901. 
Schreiner,   K,  E.     Einige  Ergehnisse  über   den  Bau   und   die  Entwickelung    der  Occi- 

pitalregion   von  Amia   und  Lepidosteus.     Zeitschr.  f.  wiss.  Zool,  Bd,  LXXII.  H.  2 

u.  3.  1902, 
Schulze,   Franz  Eilhard.     lieber  die  inneren  Kiemen  der  Batrachierlarven.     II.  3Iit- 

teilung.     Skelett,  3Iuskulatur,  Blutgefäße,  FilterajyjJarat,  respiratorische  Anhänge  und 

Atmungsbewegungen  erwachsener  Larven  von  Pelobates  f^lscus,     Abhandl.  d.  Königl. 

Preuß,  Akad,  d,   Wiss.  z.  Berlin  vom  Jahre  1892,  Berlin  1892. 


Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  871 

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d.  Physik.-ökon.  Gen.  zu  Königsberg  1882.  Schriften  d.  Physik.-ökon.  Ges.  zu 
Königsberg.  Jahrg.  2S.  1882,  Königsberg  1883. 

—  lieber    accessorische    Schädelknochen    des  Menschen    und    accessorische    Schädelnähte. 

Wiener  Min.    Wochenschr.  No.  50.  1899, 

—  lieber    die   Fontanella   metopica    (medio-frontalis)    und   ihre   Bildungen.     Zeitschr.    f. 

3Iorph.  u.   Anthropolog.  Bd.  III.  H.  1.  1901. 

—  lieber  den  suj)ranasalen   Teil  der  Stirnnaht.     Ebenda.  Bd.  III.  H.  2.  1901'-'. 

—  lieber  geteilte  Scheitelbeine.     Ebenda.  Bd.    VI.  1903. 

—  lieber  die  Stirnnaht  bei  den  Primate?}.     Ebenda.  Bd.    VII.  1904. 

Schwegel,  Andr,     Knochenvarietäten.    Zeitschr.  f.  ration.  3Ied.   8.  Reihe.  Bd.  V.   1859. 
ScJiwiiik ,    P.       Ueber   den    Zivischenkiefer   und    seine    Nachbarorgane    bei    Säugetieren. 

München  1888. 
Stader'ini)  R.     Intorno  alle  prime  fasi  di    sviluppo    dell'Anulus   stapedialis.     3Ionitore 

zoologico  italiano.    Vol.  IL  Aiino  2.  1891. 
Stannius,  H.     Lehrbuch  der  vergleichenden  Anatomie  der  Wirbeltiere.  Berlin  184:6, 
— -    Ueber    die    Deckknochen    und    die    integrierenden    Ossifikationen    der   Wirbel    einiger 

Knochenfische.     Arch.  f.  Anat.,  Phys.  u.  wiss.  3Ied.  Jah7-g.  1849. 

—  Handbuch  der  Anatomie  der  Wirbeltiere.     2.  Aufl.  1854 — 1856. 

Staurenghi,  C.  Dell' ine sistenza  di  ossa  jyre-  e  postfrontali  nel  cranio  umano  e  dei 
mammiferi ,  con  un'apj)endice  suUa  quistione  deW  osso  sfenotico  dei  3Iammiferi. 
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—  Ein  bisher  nicht  beschriebener  Kanal  im  Keilbein  des  Menschen  und   mancher  Säuge- 

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Stieda ,    Hermann.     Die    Anomalien    der    menschlichen    Hinterhauptsschupjje.      Anat. 

Hefte.   Bd.  II  H.  1  (=  H.  IV).  1892.  (Jahreszahl  d.  Bd.  1893.) 

Stieda,   Ludwig.     Studien  über  die  Entwickelung  der  Knochen  und  des  Knochengewebes. 

Arch.  f.  mikr.  Anat.  Bd.  XL  1875. 
Stöhr,   Philipp,     Zur  Entwickelungsgeschichte  des   Urodelenschädels.     Zeitschr.  f,  wiss. 

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V.  d.  med.  Faktdt.  das.  Leipzig  1882. 
Strelzoff,  Z.  J,     Beiträge  zur   normalen  Knochenbildung.     Vorläufige   Mitteilung.     Cbl. 
f.  d.  med.    Wiss.  Jahrg.  10.  1872. 

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Prag  1883.  (1.  Die  Entstehung  und  Ausbildung  der  Conchcte  und  der  Sinus 
sjyhenoidales  beim  Menschen.  2.  Ueber  die  Entwickelung  des  Scheitelbeines  beim 
Menschen.) 

—  Ueber   die  Entwickelung   des  Scheitelbeines  des  Menschen.     Prager  Zeitschr.  f.    Heilk. 

Bd.  IV.  1883^. 
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—  Die  Querteilung  des  Jochbeines  und  andere  Varietäten  desselben.     Ebenda.  Bd.  CXII, 

Abt.  III  1903. 
Tonkoff,    W.  Zur  Entwickelungsgeschichte  des  Hühnerschädels.     Anat.  Anz.  Bd.  XVIII, 

1900. 
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872  E.  Gaupp, 

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Vol.  XIX.  1885. 

Versliiys,  Jan.  Die  mittlere  und  äußere  Ohrsphäre  der  Lacertilia  und  Rhynchocephalia, 
Zool.  Jahrb.  Abt.  f.  Anat.  n.   Ontocj.  d.   Tiere.  Bd.  XII.  H.  2.  1898. 

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der  schallleitenden  Apparate  und  des  Zungenbeinbogens  bei  den  Sauropsiden.  Ebenda. 
Bd.  XIX.  H.  1.  1903. 

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—  Ueber   einige   Merkmale    niederer   Menschenrassen   am   Schädel.     Abhandl.   d.  Königl. 

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Voeltzkow,   Alfred,     Biologie  und  Enticickelung   der   äußeren  Körperform   von   Croco- 

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Ges.  Bd.   XXVI.  H.  1.   1899.      (Jahreszahl  d.  Bd. :  1902.) 
Vrolikf  A.  «/.     Studien   über   die    Verknöcherung    und   die   Knochen,   des   Schädels   der 

Teleostier.     Xiede^iänd.  Arch.  f.  Zool.    Vol.  I.  1873. 
Walter,   Ferdinand.     Bas   Visceralskelett  und  seine  Muskulatur  bei  den  einheimischen 

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Bd.  XXI.  X.  F.  Bd.  XIV.  1887. 

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—  Nachträgliche  Bemerkungen  zu  meiner  Arbeit  über  das  Kopfskeletl  der  Urodelen.  Ebenda. 

Bd.  IV.  1878. 

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—  Das  Gehirn  von  Ammocoetes  und  Petromyzon  Planeri  mit  besonderer  Berücksichtigung 

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—  Das  Skelett  2md  Nervensystem  von  Lepidosiren  annectens  (Protopterus  ang.).    Ebenda. 

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Wijhe,  J.    W.   van.      Ueber  das  Visceralskelett  und  die  Nerven  des  Kopfes  der  Ganoiden 
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—  Ueber   die  Mesodermsegmente    und   die  Entwickelung    der  Nerven   des  Selachierkoj)fes. 

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—  Ueber  Somiten   und  Nerven   im  Kopf  von   Vögel-  und  Reptilienembryonen.    Zool.  Anz. 

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—  Die  Kopfregion  der  Kranioten  beim  Amphioxus,    nebst  Bemerkungen  über  die   Wirbel- 

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—  Ueber  Amphioxus.     Ebenda.  Bd.    VIII.  1893. 

—  Beiträge   zur   Anatomie    der  Kopfregion    des  Amphioxus   lanceolatus.     Petrus  Camper. 

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Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes.  873 

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Wilson,  JT.   T.     Obsei^vations  upon   the  anatomy  and  relations  of  the  „dumb-bell-shaped" 

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undescribed  character  of  the  nasal  septum  in  the  genera  Ornithorhynchus  and  Echidna. 

P)'oceed.  of  the  Linnean  Society  of  New  South   Wales.  Ser.  2.    Vol.  LX.  1894:. 
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Zabel,   Erich.      Varietäten  und   vollständiges  Fehlen    des   Thränenbeins   beim  Menschen. 

Merkel  u.  Bormet,  Anat.  Hefte.  Bd.  XV.  1900. 
Zander,  Richard.     Beiträge   zur  Morphologie    der  Dura    niater   und   zur  Knochenent- 

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Anat.  u.  Entwick.  Bd.  XLIV.  1895. 
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—  Normale  und  pathologische  Anatomie  der  Nasenhöhle  und  ihrer  pneumatischen  Anhänge. 

Bd.  I.    Wien  1882. 

—  Ueber  die  morphologische  Bedeutung  des  Siebbeinlabyrinthes.    Nach  einem  im ,,  Verein 

der  Aerzte"  zu  Graz  am  13.  Juni  1887  gehaltenen  Vortrage.     Wien,  mediz.  Wochenschr. 
Jhrg.  87.  1887. 

—  Das  periphere    Gemchsorgan   der  Säugetiere.     Eine    vergleichend  -  anatomische  Studie. 

Stuttgart  1887*. 

—  Die  Siebbeinmuscheln  des  Menschen.     Anat.  Anz.  Jahrg.   7.  1892. 

—  Die   Entwickeking   des   Siebbeines.      Verhandl.    d.    Anat.    Gesellsch.    a.   d.  6.   Vers,  in 

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—  Geruchsorgan.     Ergebn.  d.  Anat.  u.  Entwickelgsgesch.  Bd.  IL :  1892.  1893. 


874  E.  Gaupp,  Die  Entwickelung  des  Kopfskelettes. 


Uebersicht  des  Inhaltes. 


I.  Allgemeine  Entwickelungsgeschichte  des  Kopf- 

A.  Einleitung 573 

B.  Das  Primordialcranium 575 

1)  Allgemeine  Entwickelungsverbältnisse 575 

2)  Das  neurale  Primordialcranium 578 

3)  Das  primordiale  Visceralskelett 588 

4)  Schicksal    und    Bedeutung    des    primordialen    Kopfskelettes 

im  Individuum 592 

5)  Phylogenetische  Fragen :  Stellung  des  Kopfskelettes  zum 
ßumpfskelett  (Segmenttheorie  des  Schädels).  Weitere,  das 
Palaeocranium  betreffende  Prägen,  Bedeutung  seiner  Kom- 
ponenten.     Schicksal    in    der  Wirbeltierreihe.      Geschichte 

der  Gehörknöchelchen 593 

C.  Die  Schädelknochen 609 

1)  Allgemeines  über  ihre  Entstehung.  Einteilung  der  Schädel- 
knochen. Verhältnis  der  Schädelknochen  zu  einander. 
Knochenkomplexe.     Knochenkerne.     Ueberzählige  Knochen  609 

2)  Die  Deck-  oder  Belegknochen 613 

3)  Die  Ersatzknochen 619 

D.  Historisches  zur  Lehre  vom  Primordialcranium  und  den  beiden 

Kategorieen  von  Schädelknochen 623 

IL  Spezielle  Entwickelungsgeschichte  des  Kopf- 
skelettes. 

Amphioxus 627 

Cyclostomen 627 

Selachier 636 

Ganoiden , 650 

Teleostei 660 

Dipnoi 683 

Urodelen 688 

Anuren 718 

Apoden    .  747 

Saurier 757 

Phynchocephalia 775 

Krokodile 782 

Schildkröten 787 

Schlangen 791 

Vögel 797 

Säuger 816 

Litteratur- Verzeichnis 855 


Register. 


A. 

Abortivknospen,  Dohru's  201. 
Achsenskelett,  Acranier  340. 

—  häutiges,  Cyelostomen  349. 

—  knorpeliges,  Cyelostomen  355. 

—  membranöses,  Cyelostomen  355. 
Acetabulum  277. 

Acromion  259. 
Acropodium  282,  318. 
Actmotrichia  177. 
Ala  orbitalis  826. 

—  temporalis  825. 
Allantoisarterien,  Säuger  108. 
AUostosen  610. 

Amboß  833. 

Araphicöle  Wirbel,  Lepidosteus  453. 

Selachier  404. 

Analis(-Flosse),  Ganoiden,   Selachier,  Te- 
ieostier  180. 

—  zweite  173. 

Annulus  tympanicus,  Anuren  737. 
Aorta,  Säuger  102. 

—  Vögel  39. 

—  anterior,  Säuger  103. 

—  dextra,  Crocodilier  37. 

—  dorsale  Aeste  der,  Amphibien  105. 
Reptilien  105. 

— Säuger  107. 

Selachier  104. 

Teleostier  104. 

Vögel  106,  107. 

—  dorsalis  85. 
Anuren  96. 

—  —  Cyelostomen  89. 

Säuger  102. 

Saurier  98. 

Teleostier  91. 

Vögel  87. 

—  sinistra,  Crocodilia  37. 
Aorten,  primitive  84. 

—  —  Selachier  87. 
Aortenbogen  84. 

—  Amia  89,  91. 

—  Amnioten  97  ff. 

—  Amphibien  93  ff. 

—  Anamnier  85  ff. 

—  Anuren  95. 

—  Bdellostoma  89. 


Aortenbogen,  Chamaeleo  98. 

—  Chelonia,  Crocod.  98,  190. 

—  Ganoiden  89. 

—  Lepidosteus  89. 

—  Myxinoiden  89. 

—  Ophidii  98,  99. 

—  Petromyzon  89. 

—  ReptiUa  98  ff. 

—  Säuger  101  ff. 

—  Saurier  98,  99. 

—  Selachier  85  ff. 

—  Teleostier  91. 

—  Urodelen  93,  94. 

—  Varaniden  98,  99. 

—  Vögel  100. 

Aortenrohr,  Hühnchen  41. 
Aortenwurzeln,  Chamaeleo  98. 

—  dorsale  85. 

—  —  Amnioten  97. 
Säuger  102. 

—  —  Selachier  86. 
Arch-centra  409. 

Arteria,  Arteriae. 

—  afferentes  d.  Vorniere,  Teleostier  111. 

—  —  branchiales,  Cyelostomen  89. 

Teleostier  92. 

Urodelen  94. 

—  basilaris,  Aiiuren  96. 

—  —  Reptilien  106. 

Säuger  104,  107. 

Selachier  86. 

Teleostier  105. 

—  branchiales  efferentes,  Cyclost.  89. 

—  carotides,  s.  a.  Carotiden. 
coramunes  102. 

—  ■ —  —  Varaniden  99. 

—  carotis  communis  dextra,  Tropidonotus 
99. 

sinistra,  Säuger  103. 

—  —  externa,  Amnioten  97. 

Chelon.,  Crocod.  100. 

Säuger  104. 

Urodelen  93. 

interna,  Amnioten  97. 

—  Anuren  96. 

Chelon.,  Crocod.  100. 

—  Ganoiden  90. 

Ophidia  99. 


876 


Register. 


Arteria  carotis  interna,  Säuger  102,  104. 

— Selachier  88. 

Teleostier  92. 

primaria,  Varaniden  99. 

subvertebralis,  Apteryx,  Ardea  mi- 

nuta,  Botaurus  stellaris,  Podiceps 

101. 

—  cervicalis  comm.,  Chelonia  100. 

—  coecalis,  Saurier  113. 

—  coeliaca,  Eeptilien  113. 
Vögel  114. 

—  coeliaco-mesenterica,  Lacerta  113. 

—  cutanea  magna,  Anuren  96. 

—  efferentes  brachiales,  Cyclost.  89. 

—  —  —  Teleostier  92. 
—  Urodelen  94. 

—  femoralis  109. 

Amphibien,  Reptilien  110. 

—  iliaca  communis,  Mensch,  Kaninchen 
110. 

exterior,  Katze  110. 

—  —  interior,  Katze  110. 

—  intercostalis  suprema,  Mensch,  Kanin- 
chen 107. 

—  interossea  109. 

—  intestinaUs  comm.,  Amphibien  112. 

—  ischiadica  109. 

—  —  Amphibien  110. 
Eeptilien  106,  110. 

—  medullae  spinalis  anter.,   Selach.  105. 

—  mesenterica,  Selachier  111. 
Teleostier  112. 

Vögel  112. 

anterior,  Vögel  114. 

posterior,  Vögel  114. 

—  omphalo-mesenterica,  Amphibien  112. 
Cyclostomen  112. 

Echidna  114. 

Maus  114,  115. 

Petromyzon  112. 

Eatte  114. 

Säuger  114. 

Selachier  111. 

Teleostier  111. 

Vögel  112,  113  ff. 

—  peronea,  Säuger  111. 

—  pulmonalis,  Anuren  96. 

—  —  Crocodilia  37. 

Säuger  102. 

Schwein  103. 

Urodelen  94. 

Vögel  39. 

dextra,  Säuger  103. 

sinistra,  Säuger  103. 

—  radialis  109. 

—  renales,  Säuger  116. 

—  saphena,  Säuger  111. 

—  subclavia,  Chelon.,  Crocod.  100. 
Eeptilien  106. 

Säuger  102,  107. 

Selachier  104. 

Vögel  106. 

dextra,  Säuger  103. 

sinistra,  Säuger  103. 

secundaria,  Vögel  101. 

—  tibialis  antica,  Säuger  111. 


Arteria  tibialis  postica,  Säuger  111. 

—  thyreo-spiracularis,  Ganoiden  89. 

—  —  Selachier  88. 

—  ulnaris  109. 

superficialis  109. 

—  umbilicales,  Säuger  108,  115. 

—  vertebralis,  Amphibien  105,  511. 
Säuger  107. 

—  ^  cerebralis,  Eeptilien  105,  106. 
Säuger  107. 

cervicalis,  Eeptilien  106. 

Säuger  107. 

—  —  dorsi,  Anuren  105. 
Arterien  des  Darmkanals  85. 
Amphibien  112. 

Anguis  frag.,  Hatteria  113. 

—  —  Cyclostomen  112. 
Reptilien  112. 

—  —  Säuger  114. 

Saurier  113. 

Selachier  111. 

Teleostier  111. 

Vögel  (Hühnchen)  112,  113,  114. 

—  des  Exkretionssystems  115. 

—  —  Amphibien  115. 

Reptilien  115. 

Säuger,  Vögel  115. 

—  der  Extremitäten  85. 
Amphibien  105. 

—  der  hinteren  Extremität  109  ff. 

—  Amphibien  110. 

Eeptilien  106,  110. 

Säuger  108,  110. 

Vögel  107,  110. 

—  der  vorderen  Extremität  108,  109. 

—  der  Geschlechtsdrüsen  85,  115. 

—  des  Kopfes,  Amphibien  93  ff. 
Amnioten  97  ff. 

Anamnier  85  ff. 

—  —  Cyclostomen  89. 
Teleostier  91  ff. 

—  der  Leibeswand  85. 

—  des  Nieren  Systems  85. 

—  des  Oberarms  109. 

—  des  Oberschenkels  109. 

Amphibien  109. 

Säuger  109. 

Sauropsiden,  Chamaeleo  109. 

—  des  Unterschenkels,  Hühnchen  110. 
Lacerta,  Eana  110. 

—  des  Vorderarms  109. 
Delphinus  109. 

—  —  Hatteria,  Lacerta  109. 

Ornithorhynchus  109. 

Vögel  109. 

Arteriensystem  84. 
Asterospondylie,  Selachier  405. 
Atlas,  Eeptilien  537. 
Atlasring,  Eeptilien  538. 
Atrioventricularfurche,  Säuger  48. 
Atrioventricularklappen,  Huhnchen  44. 

—  Eeptilien  36. 

—  Säuger  57. 

—  Selachier  24. 

—  Urodelen  27. 
Atrium,  Eeptilien  32. 


ßegister. 


877 


Atrium,  Saurier  30. 

—  Urodelen  26. 

Augenmuskelkanal,  Teleostier  667. 
Auricularkanal,  Hühnchen  41. 

—  Reptilien  35. 

—  Säuger,  47,  48,  55. 

—  Urodelen  26. 
Außenstrahlen  176. 
Autocranium  597. 
Autopodium  282,  294,  328. 

—  Abspaltung    der    accessorischen    von 
kanonischen  Elementen  299. 

—  accessorische  Elemente  des  295. 

—  kanonische  Bestandteile  des  294. 

—  Problem  der  primären  und  sekundären 
Bestandteile  des  296. 

—  Eeihenbildung  zwischen  accessorischen 
und  kanonischen  Elementen  des  301. 

—  Verwachsung  von  Accessoria  mit  ka- 
nonischen Elementen  des  299. 

Autostosen  610. 

Auximetamerer  Zustand  des  Neocraniums 

598. 
Axonost  184. 

B. 

Balkenplatte  582. 

—  Urodelen  689,  691. 
Basale  postaxiale  215. 

—  primäres,  Acipenser  225. 
Ceratodus  216. 

und  seine  Eadien  (Metapterygium) 

212. 

Phylogenese  dess.  218. 

Basalia,  sekundäre  222. 
Basalknorpel,  Anuren  502. 
Basalplatte  580. 

Basalstümpfe,  Selachier  400,  410. 
Basalstumpf,  Knochenganoiden  455. 

—  Teleostier  478. 
Baseost  184. 
Basipodium  282,  308. 
Basipterygium  205,  216. 

—  der  ßeckenflosse  227. 

—  und  dessen  Derivate  212  ff. 
Basiventralia,  Reptilien  532. 
Bauchgräten,  schiefe  478. 
Bauchrippen  562. 

Becken  der  Dipnoer  211. 

—  der  Ganoiden,  Teleostier  212. 
^  Reduktionen  des  278. 

—  der  Selachier  209. 

—  der  Tetrapoden  270  ff. 

Formentwick.  des  272. 

früheste  Anlage  des  270. 

Vergleich  d.  Becken-  und  Schulter- 

gürtelentw.  278. 
Begrenzungsfalten,   kaudale,   der  Pleura- 
höhlen 79. 
Belegknochen  610,  613. 
Bikonkave  Wirbel  503. 
Bikonvexe  Wirbel  503. 
Bindegewebe,  corticales  348. 

—  perichordales  347. 
Cyclostomen  354. 


Bindegewebe,  skeletoblastisches  348. 
Bindegewebsfibrillen,  celluläre  Entstehung 
der  2. 

—  intercelluläre  Entstehung  der  2  ff. 

—  Längenwachstum  der  7. 
Bindesubstanzzelle,  embryonale  13. 
Blutgefäße,  intersegmentale,  Cyclost.  356. 
Bögen,  kaudale,  Urodelen  501. 

—  knorpelige,  obere  und  untere,  Ganoiden 
431,  435. 

—  kraniale,  Urodelen  501. 

—  kraniale  und    kaudale  Knorpelstücke 
der  oberen,  Cyclostomen  359. 

—  obere,  Acranier  348. 

Amia  439. 

Amphibien  490. 

Cyclostomen  355. 

Dipnoer  486. 

Holocephalen  381. 

Teleostier  466. 

—  untere,  Acranier  349. 
Amia  439. 

—  —  Amnioten  526. 

Amphibien  490. 

Dipnoer  486. 

■ —  —  Holocephalen  381. 

Reptilien  532. 

Säuger  549. 

Teleostier  466,  467. 

Bogenanlagen,  Amnioten  525. 
Bogenbasen,  Amnioten  525. 
Bogenform  beim  Zonoskelett  324. 
Bogenstück,   kraniales,   kaudales;    Holo- 
cephalen 384. 
Bogenstümpfe,  ventrale,  Selachier  400. 
Branchialbogen,  Dipnoer  686. 

—  Selachier  87. 
Brustbeinhandgriff  562. 

Brustflosse,  Skelett  der,  Dipnoer,  Selachier 
212. 

—  —  Ganoiden,  Teleostier  225. 
Brustschulterapparat,  dermaler  268. 
Bulboauricularfurche,  Hühnchen  41. 

—  Säuger  48. 
Bulboauricularleiste,  Hühnchen  41,  42. 

—  Reptilien  35. 

—  Säuger  53. 

Bulbus  cordis,  Anlage  des,  bei  Butirinus25. 

Clupeiden  25. 

Hühnchen  38,  40. 

Menobranchus  28. 

Reptilien  30,  31,  32. 

Säuger  48. 

Salmo  salar  26. 

Selachier  22,  23. 

—  Teleostier  25. 

Triton  alpestris  28. 

Urodelen  26,  27,  28. 

Bulbuswülste,  Hühnchen  40. 

—  Reptilien  32. 

—  Säuger  52. 

—  Selachier  23,  24. 

—  Urodelen  27. 

—  distale,  Säuger  54. 
Urodelen  28. 

—  proximale,  Urodelen  28. 


878 


Register. 


c. 

Canalis  auricularis  22. 
Hühncheu  38. 

—  —  Eeptilien  32. 

Säuger  47. 

Urodeleii  27. 

—  diazonalis  275. 

—  obturatorius  275. 

pericardiaco-peritonealis,  Selach.  60, 61. 

Cardinalvenen  s.  V.  cardinales. 
Cardinalvenensinus,  Selachier  118. 
Carotiden,  Carnivoren,  Pferd,  Wiederkäuer 

103. 

—  Tropidonotus  99. 
Carotidenbogen,  Amnioten  97. 

—  Säuger  102. 

—  Varaniden  99. 

—  Vögel  100. 

Carotidensystem,  Säuger  103. 
Carotis  s.  Arteria  carotis,  etc. 
Carpus,  Anuren  311. 

—  Reptilien  312. 

—  Säuger  315. 

—  Urodelen  308. 

—  Vögel  314. 

Cartilagines  sphenolaterales  641. 
Cartilago  labialis  superior  733. 

—  paraseptalis  765,  830. 

—  ypsiloides  279. 
Caudalis  (-Flosse),  epichordale ;  Selachier, 

Ganoideu,  Teleostier  180. 

—  hypochordale,  der  Fische  184. 

Cavum  cranii  587. 

Centrale  311,  316. 

Centrum  Amia  449. 

Cheiropterygium   (vgl.  Chiridium)   282  ff. 

Chevron-boues  532. 

Chiridium  282  ff. 

—  Achsenbestimmung  im  329. 

—  allgem.  Histogenese  u.  Formgestaltung 
des  282. 

—  Gelenke  des  286. 

—  Mißbildungen  des  288. 

—  Reduktionen  des  288. 

—  Regeneration  des  288. 

—  Verknorpelung  des  284. 

—  zeitliche     Entstehung     der    Knorpel- 
centren 285. 

Chondrocranium  575. 
Chondrodermis  190. 
Chorda  dorsalis  580. 
Acranier  340. 

—  —  Amniota  514. 
Aves  798. 

Holocephalen  369. 

Mammalia  819. 

—  —  Saurier  759. 

Selachier  640. 

Teleostier  457. 

Urodelen  692. 

protoplasmatische      Rindenschicht 

der,  Cyclostomen  350. 
Chorda-centra  409. 
Chordae  tendineae  57. 
Chordaepithel,  Cyclostomen  351. 


Chordaepithel,  Holocephalen  364. 
Chordagallerte  350. 
Chordaknopf  820. 
Chordaknorpel,  Anuren  503. 

—  Urodelen  498. 
Chordakörperchen,  Acranier  345, 
Chordaplatte  340. 
Chordaplatten  344. 

Chordaräume,  dorsale  u.  ventrale,  Acra- 
nier 345. 
Chordascheide,  elastische,  Acrania  346. 

Amia  437. 

Amphibia  489. 

—  —  Cyclostomen  351. 
Ganoiden  429, 

Holocephalen  364,  370, 

Selachier  395. 

Teleostier  458. 

—  primäre,  Cyclostomen  353. 

Holocephalen  364. 

Selachier  395. 

—  —  Teleostier  459. 

—  sekundäre,  Cyclostomen  353. 

Holocephalen  364. 

Selachii  395. 

Teleostii  459. 

—  zellenhaltige  391. 
Selachier  397. 

—  zellige,  Selachier  402. 

Außenzone  ders.  391. 

Chordastab,  Amnioten  517. 

—  Amphibien  499. 

—  Teleostier  462. 
Chordastrang,  Acipenser  430. 

—  Acranier  340. 

—  Amnioten  515. 

—  Cyclostomen  351. 

—  Teleostier  461. 
Chorioidealdrüse,  Teleostier  93. 
Circulus  arteriosus  cephaUcus,  Selach.  88. 
Squaliden  87. 

Clavicula  265. 

—  des  Menschen  263. 
Clavicularanlage,  Metaplasie  des  Knorpels 

in  der  268. 
Cleidium  253,  265. 
Columella  auris  583,  605. 

Anuren  725. 

Apoden  750. 

Aves  809. 

Chelouia  789. 

Crocodilia  784. 

Ophidia  795. 

Rhynchocephalia  779. 

Saurier  768. 

Urodelen  695. 

Commissura  orbito-parietalis  826. 

—  quadrato-cranialis  anterior  719. 
Commissurae  terminales  740. 
Conus  arteriosus,  Säuger  56. 
Teleostier  25. 

Copulae  588,  590. 

—  Ganoiden  656. 

—  Teleostier  674. 

Coracoscapula,  Ossifikationen  der  264. 
Costalplatten  556. 


Register, 


879 


Crista  stellaris,  Saurier  757,  759. 
Crossopterygium  331. 
Cuticula  ciiordae  397, 

—  sceleti  395. 
Cutisblatt,  Acranier  347. 
Cutisplatte,  Holocephalen  365, 
Cyclospondylie,  Selachier  405. 

D. 

Dachraum  355, 

Darmarterien  s.  Arterien  des  Darmkanals. 

Darmlebervenen,  Cyclostomen  119, 

Daumen  323, 

Deckknochen  610,  613, 

—  Topographie  ders.  am  Knorpelschädel 
617, 

Deckplatten,  Chimaera  389, 
Dens,  Eeptilia  538, 
Dermaler  Brustschulterapparat  268. 
Diaphragma  dorsale  81,  82. 

—  pulmonale  71,  72. 

—  ventrale  82, 
Digitalvenen,  Reptilien  135, 
Diphyeerke  Flossenform  175, 
Diphycerkie  172, 
Diplospondylie,  Holocephalen  386, 

—  primäre  387. 
Acipenser  432. 

—  Selachier  417, 

Dohrn's  Abortivknospen  201, 
Doppelwirbel,  Amnioten  524. 
Dorsales  (-Flossen),  Selachier,  Ganoiden, 

Teleostier  180, 
Dorsalflossen,    Mangel  von   Beziehungen 

zur  Körperm  etamerie  190, 
Dotterdarmvenen  22. 

—  Amphibien  123,  124, 

—  Reptilien  129. 
Dottergangszotten  74, 
Dottersackarterien,    Säuger,    Kaninchen, 

Katze  114, 

—  Selachier  119. 

—  Teleostier  111, 
Dottersackcirkulation,  Belone,  Perca  123. 

—  Salmo  122, 

Dottersackkreislauf,  Selachii  119, 
Dottervene  116,  117. 

Ductus  arteriosus,  Säuger  102, 

—  Botalli,  Anuren  96, 

Säuger  102,  103, 

Vögel  101. 

—  Cuvieri  22. 

Aves  136,  138. 

Cyclostomen  120. 

—  —  Gymnophionen  127. 

Reptilien  129,  130, 

Salamandra  124. 

Selachii  117, 

Teleostii  121, 

—  pericardiaco-peritoneales,   Anuren   64, 

—  —  Selachier  59. 
Urodelen  62, 

—  pleuro-pericardiaci,  Hühnchen  68. 
Säuger  74,  75,  76, 

—  —  Sauropsiden  64,  66. 


Ductus  thoracici,  Aves  150. 

—  venosus  Aranzii,  Mammalia  140,  141. 

Aves  135,  136. 

Triton  124. 


E. 

Einzelflossen,  diskontinuierliche  170. 
Einzelpinnae,  Ausgestaltung  der  176. 

—  Ursache  der  Entstehung  der  175. 
Ektodermkappe  240. 

Ektoplasma   (Hansen)   der   embryonalen 

Bindesubstanzzelle  13, 
Elastica,  Cyclostomen  354, 

—  Holocephalen  364. 

—  Selachier  395. 

—  externa,  Acranier  346. 
Cyclostomen  353. 

Holocephalen  364,  379,  390. 

Selachier  395. 

—  interna,  Acranier  345,  346. 

—  —  Cyclostomen  353. 

Ganoiden  429, 

Holocephalen  377. 

Selachier  397. 

Teleostier  459. 

Elastinkörnchen,  Beteiligung  bei  der  Bil- 
dung d.  elast,  Fasern  11,  12, 

Elastische  Fasern,  Entw,  der  S,  10. 
Embolomere  Wirbel  449. 

—  —  Amniota  524, 

—  —  Amphibia  501. 
Endkappe  Retterer's  319, 
Endocard,  Reptilia  32, 

—  Selachii  24, 

Endocardhäutchen,  Selachier  23, 
Endocardkissen   des  Auricularkanals  24. 

—  —  Rejitilien  32. 

—  —  Säuger  50,  51,  52. 

—  Hühnchen  43. 

—  laterales,  Hühnchen  45. 

—  Reptilien  36. 

Entochordatische  Verknöcherung  555. 
Epichordaler  Wirbeltypus  504. 
Epicoracoid  256, 

Epidermoide  Zellen  461. 
Epigastroid  280, 
Epiphysen kerne  288,  319,  322, 
Epiphysenplatten,  Säuger  551, 
Epipubis  279, 
Episternalknorpel  263, 
Episternum  257,  268, 

—  costales  269, 

—  zonales  269, 
Epistropheus,  Reptilien  537. 
Epitheliomorphe  Schicht  351. 

Holocephalen  364. 

Epitremaler  Längsstab  635. 
Ersatzknochen  610,  619. 

—  Topographie  der  621, 
Ethmoidalregion  586, 
Ethmoturbinalia  829. 
Extracolumella  606. 

—  Rhynchocephalia  779, 

—  Saurier  768, 
Extrahyale  635. 


880 


Register. 


Extraseptalknorpel  650. 

Extremitäten  (s.  a.  Gliedmaßenanlagen), 
Beziehungen  der  äußeren  J'ormgestal- 
tung  bei  den  Tetrapoden  zu  derjenigen 
bei  d.  tetrapterygialen  Wirbeltieren  243. 

—  Form  der  167  ff. 

—  Formentfaltung  der  paarigen ;  bei  Te- 
trapoden 235. 

—  Histogeneseder  pentadactylenE.  beim 
ersten  Entstehen  241. 

—  paarige,  Tetrapterygier,  P'ische  196  ff. 
der  tetrapoden  Wirbeltiere   235  ff. 

—  reduzierte  241,  284. 

—  Skelett  der  freien  282. 

—  un  paare  168  ff. 

—  Vergleich  des  Skelettes  der  tetrapoden 
und  tetrapterygialen  Formen  323  ff. 

Extremitätenskelett  (s.  a.  Gliedmaßen- 
skelett) 167  ff. 

—  Konkrescenz  metamerer  Teile  330. 

—  der  Tetrapoden  252  ff. 
Extremitäten venen,  Amj^hibien  128. 

—  Aves  138. 

—  Kaninchen  149. 

—  Lacerta  134. 

—  Triton  128. 

F. 

Fascienblatt,  Acranier  347. 
Faserplatten  344. 
Faserscheide  346. 

—  Amia  437. 

—  Amphibien  489. 

—  Cyclostomen  351. 

—  Ganoiden  429. 

—  Holocephalen  364,  369. 

—  Selachier  395. 

—  Teleostier  458. 

—  zellenhaltige,  Selachier  398. 

—  zellenlose,  Selachier  398. 
Faserzellen  (Schwann)  1. 
Fenestra  hypophyseos  585. 

—  metotica,  Saurier  758. 

—  orbito-nasalis  765. 
Fleischgräten  478. 
Fleischpolster,  Reptilien  35. 

Flosse  von  Lepidosiren,  als  Ausgangs- 
punkt des  Chiridium  328. 

—  unpaare  (s.  a.  Pinnae),  Amphioxus  168. 
Flossen,  Nervenplexus  der  201. 
Flossen  an  lagen,  Drehungen  der  203. 

—  Lokalisation  der  200. 

—  Vergrößerungen  und  Verkleinerungen 
der  202. 

Flossenleisten,  Kontinuität  und  Diskon- 
tinuität der  vorderen  (thorakalen)  und 
hinteren  (abdominalen)  paarigen  197. 

—  der  paarigen  Extremitäten  196. 

—  Vergleich  der  i^aarigen  und  unpaaren 
199. 

Flossenradien  177. 

Flossensaum,  einheitlicher  unpaarer  168. 

—  Verdoppelung  des  ventralen  (Schleier- 
schwänze) 173. 

Flossenskelett,  Anschluß  an  die  knorpe- 
lige Wirbelsäule  182. 


Flossenstrahlen  177. 
Flossenstrahlträger  178,  183. 

—  Teleostier  469. 
Fontanellen  838. 
Fontanellknochen  839. 
Foramen  apicale  587. 

—  epiphaniale  587. 

—  interventriculare,  Hühnchen  44, 

—  —  Säuger  53,  56. 

—  jugulare  148. 

—  —  spurium  149. 

—  olfactorium  advehens  586. 

—  —  evehens  586. 

—  ovale,  Kaninchen,  Mensch,  Placentalier 
51. 

—  ^  Säuger  51. 

—  Panizzae  37. 
Fugenknochen  839. 

Funiculus  der  Chordaachse,  Selach.  394. 
Fusion  primordiale  612. 

Gabelknochen,  Reptilien  532. 

Gastrale  280. 

Gehörknöchelchen  605. 

Gekröse  des  Müller'schen  Ganges  70. 

Gelenkhöhle  206. 

Gelenkkopf  des  Wirbelkörpers,  Anuren 
503. 

Lepidosteus  452. 

Reptihen  542. 

Urodelen  495. 

Gelenkpfanne  des  Wirbelkörpers,  Amphi- 
bien 495. 

Anuren  503, 

—  —  Lepidosteus  452. 

Reptilien  542. 

Gephyrocerkie  194. 

Gliedmaßen,  Ortswechsel  der  202. 

Gliedmaßenanlagen   (s.   a.  Extremitäten), 

Verschiebungen     und    Drehungen     im 
ganzen    und    einzelner  Teile  derselben 
bei  Tetrajjoden  245. 
Gliedmaßenskelett,  Abstammungsproblem 
des  231. 

—  der  paarigen  Flossen  204. 
Glomerulus  der  Vorniere,  Teleostier  111. 
Großzehe  323. 

Grundfibrillen  18. 
Grundsubstanz  17. 
Grundsubstanzgewebe  18. 
Grundsubstanzzellen,  fixe,  beweghche  18. 

H. 

Hämaldornen  184. 
Hämalfortsätze,  Amia  442. 

—  Knorpelganoiden  435. 
Halsvenen,  Microchiroptera  149, 
Hammer  833. 
Hautknochenstrahlen  177. 

—  Beziehungen  zu  den  Hornfäden  179. 

zu  den  Innenstrahlen  178. 

Hautsäume  bei  tetrapoden   Wirbeltieren 

175. 


Register. 


881 


Hemimelie  288. 
Herz  21  ff. 

—  äußere  Form  des,  Säuger  46. 
—  Saurier  29. 

— Selachier  22. 

—  Teleostier  25. 

Vögel  37. 

—  Entw.  des,  Amphibien  26  ff. 

—  —  Anuren  29. 

—  —  Chelonier  37. 

—  —  Cyclostomen  24. 

Fische  21. 

Ganoiden  25. 

Hühnchen  37  ff. 

Lacerta  29. 

Eeptilien  29  ff. 

Säuger  46  ff. 

Salamandra  atra  27. 

—  —  Saurier  29  ff. 
-—  —  Selachier  21. 

—  —  Teleostier  25. 

Tropidonotus  31. 

Urodelen  26  ff. 

Vögel  37  ff. 

Herzabschnitte,  Sonderung  der,  Urodelen 

26. 
Herzinneres,  Hühnchen  40. 

—  Säuger  50. 
Herzohren,  Reptilien  32. 

—  Säuger  47. 
Herzschlauch  21. 

—  Cyclostomen  24, 

—  Säuger  46. 

—  Saurier  29. 

—  Vögel  37. 

—  Urodelen  26. 
Herzvene,  Anuren  127. 
Heterocerkie  172,  193. 
Hinterhirnvenen,  Mammal.  148. 
Homocerke  Schwanzform  194. 
Homocerker  Typus  173. 
Horizontales   Septum  der  Stammesmus- 
kulatur 423. 

Hornfäden  176,  177. 

—  in  abortiven  Zwischenstrecken  177. 

—  in  der  Fettflosse  177. 
Humerus,  Kanäle  im  289. 
Hyalbogen,  Dipnoi  686. 

—  Selachii  648. 
Hyobranchiale  592. 

—  Dipnoi  687. 
Hyobranchialskelett  590. 

—  Anuren  738. 

—  Apoden  753. 

—  Chelonia  789. 

—  Cyclostomen  633. 

—  Knochenganoiden  659. 

—  Saurier  768. 

—  Urodelen  704. 
Hyoidbogen,  Selachier  88. 
Hyomandibula  591. 
Hyostapes,  Crocodilia  785. 

—  Saurier  768. 
Hyperdactylie  303. 
Hyperphalangie  321. 
Hypobranchialspalte,  Anuren  740. 

Handbucli  der  Entwickelungslehre.  III.  2. 


Hypocentrum,  Amia  449. 
Hypochorda,  Amphibien  507. 

—  Holocephalen  381. 

—  Teleostier  464. 
Hypochordale  Spangen  526. 

Hühnchen  556. 

Säuger  549. 

Sphenodon  532. 

Vögel  547. 

Cyclopterus  467. 

Hypochordaler  Knorpel,  Anuren  502. 

—  Längsstab  634. 
Hypocleidium  268. 
Hypogastroid  280. 
Hypoischium  279. 
Hypotremaler  Längsstab  635. 
Hypurale  Knochenstücke  474. 
Hypuralknochen  186. 


I. 

Impressio  conchalis  701. 
Incisura  puboischiadica  275. 
Infrarostrale  734. 
Innenradien  der  Pinnae  182. 
abortive  172. 

—  —  Beurteilung  der  verschiedenen  An- 

lagen von  187. 
Diskrepanz    zwischen   Muskulatur 

und  190. 
Innenskelett  der  Pinnae,  Petromyzonten, 
Myxinoiden,  Acranier  190. 

spätere  Entw.  193. 

Innenstrahlen  der  Pinnae  176,  179. 
Intercalare,  Holocephalen  381. 
Intercalaria  siiinalia,  Selachier  410. 
Intercalarstücke,  Ganoiden  431,  433. 

—  Selachier  400. 
Intercellularfasern  18. 
Intercellularsubstanz  der  Stützsubstanzen 

2,  9,  13,  17. 

—  als  mitlebender  Teil  d.  Gewebes  10,  14. 
Intercentra,  Amia  449. 

—  Amnioten  526. 

—  Eeptilia  532. 
Interclavicula  257. 
Interhaemalia  183. 
Intermedium  327. 

Intern asalplatte,  Anuren  719. 

—  Selachier  644. 
Internasalraum  700. 
Intersegmentalgefäße,  Acipenser  433. 
Amia  439. 

—  Holocephalen  372.  382,  383. 

—  Teleostier  474. 
Intersegmentalnerven,  Amia  439. 
Interspinalia  183. 
Interventricularfurche,  Hühnchen  38. 

—  Säuger  47. 

Interventricularspalte,  Säuger  47,  53. 
Intervertebrale  Partieen  der  Wirbelsäule, 

Selachier  408. 
Intervertebrales  Chordasei:)tum  461. 
Intervertebralknorpel,  Amphibien  493, 495. 
Intervertebralligament,  Amphibien  495. 

—  Selachier  408. 

56 


882 


Register. 


Intervertebralringe,  Selachier  404. 
Intervertebralspalte,  Amnioten  521. 

—  Säuger  549. 

K. 

Kammer  (des  Herzens),  Cyclostomen  25. 

—  Scheidung  der,  Hühnchen  44. 

—  Saurier  30. 

—  Teleostier  25. 

—  Urodelen  26. 

Kammerabteihing,  Urodelen  26. 
Kammerraum,  ventraler,  Keptilieo  35. 
Kammerscheidewand,  Crocod.  37. 

—  Hühnchen  42. 
Kammerseptum,  Säuger  53. 
Kaudaler  Wirbel,  Amia  449. 
Kaudalkanal,  Ganoiden  435. 

—  Holocephalen  390. 

—  Knochenganoiden  455. 

—  Selachier  411. 
Kehllymphsack  150. 
Kieferbogen  589. 

—  Anuren  734. 

—  Apoden  753. 

—  Aves  808. 

—  Crocodilia  784. 

—  Dipnoi  686. 

—  Mammalia  833. 

—  Ophidia  795. 

—  Rhynchocephalia  778. 

—  Saurier  766. 

—  Teleostii  673. 

—  Urodelen  702. 
Kiefergelenk,  Mammalia  854. 

—  sekundäres  607. 
Kiemenarterien,  Selachier  87. 
Kiemen  bogen,  Aves  810. 

—  Cyclostomen  633. 

—  Ganoiden  656. 

—  Selachier  649. 

—  Teleostier  674. 
Kiemenbogenhypothese  231. 
Kiemengefäße,  Anuren  95. 

—  Triton  93. 
Kiemenstäbchen,  Ganoiden  657. 

—  Teleostier  674. 
Kittsubstanz  17. 
Klappenapparat,  Anuren  29. 

—  Teleostier  25. 

Klappensegel,  marginale,  Eeistiiien  36. 
Kiemzehe,  Reduktionen  derselben  323. 
Knickungsfurche,  Hühnchen  38. 

—  Reptilien  31,  33. 
Knickungsleiste,  Reptilien  33,  35. 
Knochengrundsubstanz,  Histiogenese  der 

16. 
Knochenkern   des  Wirbelkörpers,   Vögel 

548. 
Knochenkerne  611. 
Knochenkomplexe  611. 
Knochenplatten,   einheitliche,  der  Pinnae 

180. 
Kopfsinus,  Selachier  86. 
Kopfskelett  573-874. 

—  Amphioxus  627. 


Kopfskelett,  Anuren  718. 

—  Apoden  747. 

—  Aves  797  ff. 

—  Chelonia  787  ff. 

—  Cyclostomen  627. 

—  Dipnoer  683  ff. 

—  Ganoiden  650. 

—  Krokodile  782  ff. 

—  Mammalia  816  ff. 

—  Ophidia  791  ff. 

—  Rhynchocephalen  775  ff. 

—  Saurier  757  ff. 

—  Selachier  636  ff. 

—  Teleostier  660  ff. 

—  Urodelen  688. 

Kopfvenen,     Echidna,     Ornithorhvnchus 
148. 

—  Mammalia  148. 

—  Mikrochiropteren  149. 
Kranialer  Wirbel,  Amia  449. 

L. 

Labyrinthregion,  Teleostier  664. 
Längsband,  dorsales  elastisches,  Teleostier 
468. 

—  oberes,  Cyclostomen  355. 
Längsseptum,  sagittales,  Cyclost.  355. 
Lateralfalteuhypothese  198,  231. 
Laterohyale  835. 

Leber,  Sauropsiden  65. 
Leberhohlvenengekröse,  Säuger  77. 
Leber-Pfortaderkreislauf,  Amphibien  124. 
Lebervenensinus,  Selachier  118. 
Lebervenensystem,  Mammalia  141. 
Ligamenta  intermuscularia,  Holocephalen 

371. 
Ligamentum  coronarium  82. 
• —  falciforme  82. 

—  heiJato-entericum,  Sauropsiden  67,  68. 

—  —  Urodelen  63. 
Vögel  71,  72. 

—  intervertebrale  est.,  Teleostier  473. 

—  —  internum,  Teleostier  472. 

—  longitud.  dorsale  inferius,  Selachier  410. 
superius  355. 

Selachier  410. 

ventrale,  Selachier  410. 

—  periostale  internum,  Teleostier  473. 

—  stylohyoideum  836. 

—  Suspensorium,  Vögel  517. 

—  transversum  atlantis  538. 
Limbus  Vieussenii  51. 
Lippenknorpel  588. 

—  Cyclostomen  633. 

—  Dipnoer  686. 

—  Selachier  647. 
Lunge,  Sauropsiden  70. 
Lungenvene,  Anuren  29. 
Lungenvenen,  Mensch  50. 

—  Mündung  der,  Amia  29. 
Dipnoer  29. 

Polypterus  29. 

Urodelen  28. 

Vögel  46. 

Lungenvenenstamm,  Säuger  49. 


Register. 


883 


Lymphgefäße,  Amphibien  150. 

—  Anuren  150. 

—  Fische  150. 

—  Mamrualia  151  ff. 

—  Schwein  151. 

—  Vögel  150. 

Lymphgefäßsinus,  Amphibien  150. 
Lymphgefäßsystera  149  ff. 
Lymphgewebe,  subchordales  153. 
Lymphherzen,  Amphibien  150. 

—  Aves  150,  151. 

—  Mamraalia  152. 

Lymphsack,  dorso-kranialer,  Amphib.  150. 

—  periproctaler,  Amphib.  150. 
Lymphsäcke  150. 
Lymphsinus,  Mammalia  152. 

M. 

Mandibularbogen,  Belachier  88. 
iVTanubrium  561. 
Maxilloturbinale  829. 
Meckel'scher  Knorpel  589. 

Mammaha  832. 

Membrana  hepato-pericardiaca,  Sauropsi- 

den  66. 
Urodelen  62. 

—  interossea  290. 

—  pericardiaco-peritouealis,  Säuger  79. 

—  pleuro-i^ericardiaca,  Säuger  76. 
Sauropsiden  68. 

—  pleuro-peritouealis,  Säuger  78,  79. 

—  reuniens  369. 
Meniscus  pterygoideus  767. 
Mentomandibulare,  Anuren  736. 
Mesocardium  anterius,  Säuger  74. 

—  laterale,  Cyclostomen  61. 

—  —  Säuger  74. 
Sauropsiden  64. 

Selachier  57,  58,  59,  117. 

—  posterius,  Säuger  74. 
Mesoduodenum,  Säuger  156. 
Mesogastrium  152. 

—  Mammalia  156. 
Mesogastroid  281. 

Mesohepaticum  anterius,  Cyclostomen  61. 

—  —  Säuger  74. 

Sauropsiden  64,  65. 

—  —  Selachier  57,  58,  59. 
Mesopterygium  216,  327. 
Mesotischer  Knorpel  582,  721. 
Metapleuralf alten,  Amphioxus  200. 
Metapodium  282,  318. 

—  Position  rückgebildeter  Strahlen  des  319. 
Metapterygium,  Selachier  212,  216. 
Metasternum  561. 

Milz,  Acanthiaa  152. 

—  Acipenser  153. 

—  Alystes  obstetricans  154. 

—  Amphibien  154. 

—  Anguis  fragilis  155. 

—  Forelle  152. 

—  hintere,  vordere;  Ganoiden  153. 

—  Lacerta  155. 

—  Mammalia  156. 

—  Menobranchus  154. 


Milz,  Rana  temporaria  154. 

—  Salamandra  154. 

—  Sauropsiden  155. 

—  Selachier,  Teleostier  152. 

—  Siredon  154. 

—  Triton  (Urodelen)  154. 

—  Tropidonotus  166. 
Mißbildungen,  polydactyle  305. 
Mitteldarmarterie,  Saurier  113. 
Mittelhirn polster  580,  792. 
Mixipterygium,  Selachier  228. 
MüUer'sches  Gewebe  345. 
Muscles  greles  172. 
Musculus  papillaris,  Säuger  57. 
Muskelanlagen ;    seriale  Kontinuität    der 

M.  der  paarigen  Abdominal-    und  un- 

paaren  Analflosse  194. 
Muskelblatt,  Acranier  347. 
Muskelklappe  (Hühnchen)  45. 
Muskelknospen  bei  Tetrapoden  331. 
Muskelleiste,  Reptilien  35. 
Muskeln  der  Pinnae  182. 
Muskelplatte,  Holocephalen  365. 

—  Selachier  398. 

Muskeltrabekel   der  Kammerwand,   Rep- 
tilien 32. 

—  Säuger  52. 

—  Selachier  24. 
Myocard,  Reptilien  32. 

—  Selachier  23,  24. 
Myomeren,  Holocephalen  369. 
Myosepten,  Acranier  347. 

—  Holocephalen  371. 

—  transversale,  Cyclostomen  356. 
Myotom,  Holocephalen  369. 

N. 

Nachhirnpolster  580. 
Nahtknochen  839. 
Nasenflügelknorpel,  Teleostü  671. 
Nasoturbinale  829. 
Nebenafferentia,  Teleostier  112. 
Nebengekröse,  Anuren  126. 

—  Lacerta  67. 

—  Säuger  77,  78. 

—  Sauropsiden  67,  68,  70,  72. 

—  Urodelen  63,  125. 

—  Vögel  71. 
Nebenknochenkerne  551. 
Neocranium  597. 
Nervenplexus  der  Flossen  201. 
Nervi  occipito-spinales  599. 

—  spino-occipitales  581,  599. 
Neugliederung  der  Wirbelkörpersäule  550. 
Neuralbögen,  Selachier  410. 
Neurocranium  576. 

Neuromer  386. 

Nierenarterien,  Hypogeophis  115. 
Nieren venen,  Chiroptera  144. 
Nucleus  pulposus  s.  gelatiuosus  517. 

0. 

Oberlippenknorpel  733. 
Occipitalbogen  581,  654. 

56* 


884 


Register. 


Occipitalbogen,  ürodelen  690. 
Occipitalpfeiler  721. 

—  ürodelen  690. 
Occipitalplatte,  Aiiuren  721. 

—  Ürodelen  690. 
Occipitalregion,  Anuren  722. 

—  Aves  798. 

—  Mammalia  817. 

—  Selachier  639. 

—  Teleostier  661. 

—  ürodelen  691. 
Oesophagus,  Selachier  59,  60. 

—  ürodelen  63. 
Oesophagiisgekröse,  dorsales,    Säuger  77. 

—  ventrales,  Säuger  77. 
Ohrkapsel  582. 
Oligodactylie  303,  305. 
Oligophalangie  321. 
Omosternum  264. 
Opercularapparat,  (ranoiden  660. 
Opercularfortsatz,  Ganoiden  89,  90. 
Opercularkieme,  Ganoiden  90. 
Opercularnebenbahn,  Ganoiden  90. 
Operculum  583. 

Opisthocöler  Wirbel,  Amphibien  495. 

Lepidosteus  452. 

Ortswechsel  der  Gliedmaßen  202. 
Os  basale,  centrale,  pisiforme  etc.  s.  Ba- 
sale, Centrale,  Pisiforme  etc. 

—  cloacae  281. 

—  coccygis,  Anuren  505. 

Os  en  chevron,  Reptilien  532. 
Os  sacrum,  Säuger  552. 
Ossa  marsupialia  281. 
Ossicula  sesamoidea  295. 
Ossifikationspunkte  des  Wirbels,   Säuger 

551. 

Vögel  548. 

Ostia  venosa,  Säuger  51. 

Ostien,  Scheidung  der  venösen,  Reptil  36. 

Ostium     abdominale     des     Müller 'sehen 

Ganges  71. 

—  atrioventriculare,  Hühnchen  43. 

—  —  Monotremen  57. 

—  —  Säuger  51. 

ürodelen  27,  28. 

Otostapes,  Crocodilia  785. 

—  Saurier  768. 


P. 

Palaeocraniura  597. 
Palatoquadratum  589. 
Pankreasanlagen  153. 

—  Sauropsiden  155. 
Papillarmuskeln,  Hühnchen  45. 
Parachordalia  580. 
Parachordalplatten,  hintere  660. 

—  vordere  661. 

Parapophyse,  Knochenganoiden  455. 

Parasternum  562. 

Parietalhöhle  57. 

Parietalplatte  821. 

Parietalvenen,  Selachier  118. 

Pars  membranacea  septi  ventriculorum  56. 

Patella  294. 


Patella  olecrani  284. 
Pelvisternum  281. 

Perforationslücken  im  Septum   atriorum, 
Monotremen  51. 

—  —  Reptilien  36. 
Pericardialhöhle  57  ff. 

—  Ammocoetes  61. 

—  Amphibien  61  ff. 

—  Cyclostomen  61. 

—  Lacerta  64,  65. 

—  Lageverschiebungen  der,  Amphibien  84. 
Sauropsiden  (Crocod.,   Varan.)  84. 

—  Myxtnoiden  57,  61. 

—  Petromyzon  61. 

—  primitive  57,  73. 

—  Sauropsiden  64  ff. 

—  Selachier  57. 

—  ürodelen  61. 

—  ventrale      Kommunikationsöffnungen 
der,  bei  Sauropsiden  65. 

Pericardialsack,  fibröser  83. 

—  Hühnchen  69. 
Perichordaler  Wirbel,  Anuren  504. 
Perichordales  Bindegewebe,  Ganoiden  430. 

—  —  Teleostier  464. 
Perichordalzellen,  Amnioten  525. 

—  Holocephalen  369. 

—  Lepidosteus  451. 

—  Selachier  400. 

Peritonealhöhle,  Kommunikationsöffnuug 

mit  der  Pleurahöhle  80. 
Pfortader,  Cyclostomen  120. 
Pfortaderkreislauf,  Cyclostomen  120. 

—  der  ürnieren,  Aves  137. 
Pfortadersvstem,  Gobius  123. 

—  Teleostier  123. 

—  der  Leber,  Reptilien  129. 
Teleostier  122. 

—  der  iS'ieren,  Selachier  118. 
Phalangen,  Zahl  der  321. 
Phocomelie  288. 

Pinna,  Dipnoi  184. 

—  Ganoiden  172. 

—  Selachier  170. 

—  Teleostier  172. 
Pinnae  168. 

—  äußere  Form  der  168, 

—  archicerkes  u.  lophocerkes  Stadium  169. 

—  histiogenetische  Differenzierungen  bei 
komplett  u.  inkomplett  angelegten  169. 

—  Muskeln  der  182. 

—  primär  unpaare  Natur  der  194. 

—  Stützelemente  der  176. 
Pisiforme  298,  299,  327. 
Planum  supraseptale  764. 
Platy  basischer  Schädel typus  584. 
Plectrum  725. 

Pleural  bögen  478. 
Pleurahöhlen  67. 

—  Abgrenzung    der,     Agama,     Lacerta, 
üromastix,  Varaniden  70. 

—  kaudale  Begrenzungsfalte  der  70. 
Säuger  (Kaninchen)  79,  80. 

—  Kommunikationsöffnungen  m.  d.  Peri- 
tonealhöhle 80. 

—  primitive,  Säuger  77. 


Register. 


885 


Pleurahöhlen,  Sauropsiden  (Schildkröten, 

Schlangen)  69,  70. 
Pleurarinnen  der  Pericardialhöhle  76. 

Sauropsiden  66,  67. 

Pleurocentrum,  Amia  449. 
Pleuropericardialrinnen  77. 
Pleuroperitonealmeni brauen  80,  81. 
Polydactyle  Mißbildungen  305. 
Polyphalangie  322. 
Polyspondylie,  Holocephalen  386,  388. 

—  Selachier  417. 

Postcentrum,  Amia  449. 
Postminimus  304. 
Postpubis  275,  276. 
Postzygapophysen,  Amphibien  491. 
Praecardialwand,  Säuger  74. 
Praecentrum,  Amia  449. 
Praeclavium  264. 
Praefrontallücke  646. 
Praehallux  304. 
Praekraniale  Skelettteile  588. 

—  —  Ganoiden  654. 
Teleostier  672. 

Praenasalfortsätze  701. 

Praeorale  Skelettteile  588. 

PraepoUex  304. 

Praepubis  275. 

Praevertebraler  Teil  des  Craniums  594. 

Praezygapophysen,  Amphibien  491. 

Primordialcranium  575  ff. 

—  Anuren  718. 

—  Apoden  748. 

—  Aves  797. 

—  Chelonia  787. 

—  Crocodilia  782. 

—  Cyclostomen  627. 

—  Dipnoer  683. 

—  Mamnialia  816. 

—  neurales  578  ff. 

—  Ophidia  792. 

—  Rhynchocephalia  776. 

—  Saurier  757. 

—  Selachier  636. 

—  Urodelen  688. 
Primordialdivision  612. 
Primordiale  Knochen  610. 
Primordialer  Unterkiefer  589. 
Primordialfusiou  612. 
Proatlas,  Aranioten  541. 

—  Amphibien  506. 

Processus  abdominalis  561. 

—  antorbitalis  698. 

—  basipterygoideus  653. 

—  —  Saurier  762. 
Vögel  804. 

—  entoglossus,  Saurier  770. 

—  odontoideus,  Reptilien  538. 

—  paroticus  769. 

—  pseudopterygoideus  737. 

—  spinosi  184. 

—  styloideus  836. 

—  uncinati,  Sauropsiden  558. 

—  xiphoideus  s.  ensiformis  561. 
Procöle  Wirbel,  Anuren  503. 
Procoracoid  253. 


Pronationsstellung,     primäre,     sekundäre 

250. 
Propterygium  216,  327. 
Prosternum  257,  264. 

—  Sphenodon  561. 
Protometamerer  Zustand    des   Neocrani- 

ums  597. 
Pseudobranchie,  Ganoiden  90. 

—  Teleostier  93. 

Pseudosacrale  Wirbel,  Säuger  552. 
Pterygia  168. 
Pulmonalisbogen,  Amnioten  97. 

—  Säuger  103. 

Pulmonalisrohr,  Hühnchen  41. 
Pygostyl,  Vögel  548. 

Querfortsätze,  Amnioten  531,  555. 

—  Amphibien  510,  511. 

ß. 

Rabl'sche  Formel  220. 

Radien,  Entstehungsort  der  192. 

—  numerische  Beziehungen  von  Muskeln 
und  Nerven  zu  den  220. 

—  präaxiale  215. 

—  topographische  Beziehungen  metamerer 
Muskel-,  Nerven-  und  R.-Anlagen  221. 

—  Wachstumsrichtung  der  191. 
Randvene  der  Extremitäten,  Aves  138. 

—  —  Lacerta  134. 

—  —  Mammalia  149. 

Recessus  craniolateralis,  Säuger  79. 

—  parietalis  dorsalis  74. 

—  pulmo-hepaticus  72,  78. 
dexter  82. 

—  suj^erior  sacci-omenti  78. 
Regionbildungen  an  der  Wirbelsäule  553. 
Reichert'scher  Knorpel  835,  855. 
Rhachitome  Wirbel,  Amphibien  501. 

Ganoiden  449. 

Rindenschicht  der  Chorda,  Holocephalen 

363. 
Ripi^en,  Amnioten  531,  553. 

—  Dipnoer  486. 

—  Knorpelganoiden  436. 

—  Lepidosteus  455. 

—  Schildkröten  556. 

—  Selachier  423. 

—  Teleostier  478. 

—  obere,  423. 

Amphibien  507. 

Crossopterygier  455. 

Teleostier  478,  481. 

—  untere  423. 

Crossopterygier  455. 

Teleostier  478. 

Rippenanlage,  Hühnchen  556. 
Rippenträger  558. 

—  Amnioten  531. 

—  Amphibien  510. 
Rostralplatte,  Selachier  644. 
Rostrum bildungen  bei  Fischen  587. 
Rückengräten,  schiefe  478. 
Rusconi'sche  Vene,  Amphibien  124. 


886 


ßegister. 


S.' 

Öacralwirbel,  echte,  unechte ;  Säuger  552. 

Sagittales  Septura  der  Stammesmusku- 
latur 423. 

Saumflosse,  Verdoppelungen  der  unpaaren 
173. 

Scapula,  Vermehrung  der  Knochenkerne 
der  265. 

Schädelbalken  583. 

—  mittlerer  580. 
Schädelknochen  609  ff. 

—  Anuren  743. 

—  Apoden  754. 

—  Aves  811. 

—  Chelonia  789. 

—  Crocodilia  785. 

—  Dij)noi  687. 

—  Ganoiden  657. 

—  Mammalia  837. 

—  Ophidia  796. 

—  Ehynchocephalia  780. 

—  Saurier  771. 

—  Teleostier  674. 

—  Urodelen  710. 
Schaltknochen  839. 
Scheidenzellen,  Dijonoer  485, 

—  Selachier  397,  401. 

Schenkel  des  Herzschlauchs,  Reptilien  30. 
Schleimröhrenknochen  675. 
Schlußfalten,  seitliche  58,  59. 

Sauropsiden  66. 

Schlußstücke,  Chimaera  389. 

—  obere,  Selachier  410. 
Schultergelenk  206. 
Schultergürtel,  Dipnoer  209. 

—  Ersatz-  u.  Deckknochen  dess.,  Tetra- 
poden  264. 

—  der  Flossen  205. 

—  Ganoiden  207. 

—  imperforierter  261. 

—  primäre  Anlage  dess.   u.   seiner  Teile 
(Vorknorpel  u.  Knorpel)  254. 

—  Selachier  205. 

—  Teleostier  208. 

—  Tetrapoden  252. 
Schwanzbögen,  untere,  Lepidosteus  455. 

Teleostier  478. 

Schwanzfäden  bei  Säugerembryonen  518. 
Schwanzflosse,  diphycerke  172,  175,  474. 

—  heterocerke  474. 

—  homocerke  194. 
Schwanzknöpfchen  518. 
Schwanzwirbel,  Querteilung  der,  Rept.  545. 
Seitenfortsätze  531,  557. 
Seitengräten  478. 
Seitenrumpfvene,  Aves  138,  139. 

—  Reptilia  132,  134. 
Selachopterygium,  Einteilung  des  216. 
Semilunarklappen,  Hühnchen  41. 

—  Reptilien  34. 

—  Säuger  54. 

—  Selachier  23. 

—  Urodelen  28. 

Septum  aortico-pulmonale,  Anuren  96. 

Hühnchen  40,  41. 

ReptiUen  33,  34. 


Septum  aortico-pulmonale,  Säuger  54,  56. 

—  aorticum,  Crocodilia  37. 
Reptilia  33,  34. 

des  Truncus  arteriosus  96. 

—  atriorum,  Hühnchen  42. 
Marsupialier  51. 

—  —  Reptilien  36. 

—  —  Säuger  50,  56. 
Urodelen  28. 

—  atrioventriculare,  Säuger  56. 

—  horizontales,  der  Stammesmuskulatur 
423. 

—  interorbitale  585. 

Aves  803,  805. 

MammaHa  826. 

Rhynchocei^halen  777. 

Teleostier  667,  670. 

—  interventriculare,  Hühnchen  41. 
Säuger  53,  56. 

—  pericardiaco-peritoneale  57  ff.,  82. 

—  —  Acipenser  61. 

Anuren  63. 

Dipnoer  61. 

—  —  Ganoiden  61. 
Hühnchen  64. 

—  —  Lacerta  65. 

Sauropsiden  66. 

Selachier  59,  61. 

Teleostier  61. 

—  pericardiaco-pleuroperitoneale,   Hühn- 
chen 68. 

—  —  Lacerta  67. 
Säuger  72. 

—  —  SauroiJsiden  66,  71. 

—  pleuroperitoneale  72. 

Charaaeleo  69,  70. 

Hatteria  69. 

Säuger  71,  72,  81. 

—  —  Sauropsiden  69  ff. 
Vögel  71. 

—  sagittales  der  Stammesmuskulatur  423. 

—  spurium  50,  52. 

—  transversum,  Kaninchen,  Katze  73. 
Säuger  72—76. 

Vögel  65. 

—  ventriculorum,  Hühnchen  44. 

Säuger  55. 

Sesambeine  295. 

—  Beziehungen    ders.    zu    den     Muskel- 
sehnen 306. 

Sinus  cavernosus,  Mammalia  148. 

—  cephalicus,  Selachier  86,  88.     . 

—  coronarius  cordis  49. 
Mammalia  146. 

—  petro-basilaris,  Mammalia  148. 

—  petrosus  superior,  Mammalia  148. 

—  sagittalis  superior,  Mammalia  148. 

—  transversus,  Mammalia  148,  149. 

—  venosus  22. 

—  —  Anuren  29. 

Cyclostomen  25. 

Hühnchen  39. 

Reptilien  31,  32. 

Säuger  47—50. 

Saurier  30. 

Selachier  58,  117. 


Register. 


887 


Sinus  venosus,  Teleostier  25. 

Urodelen  26,  28,  62. 

Sinusgekröse,  frontales  58. 

Eaja  62. 

Salamandra  62. 

Sauropsiden  66,  71. 

Urodelen  62. 

Sinushörner,  Säuger  49. 
Sinushorn,  linkes,  Hühnchen  39. 

—  —  Mensch,  Säuger  49. 

—  rechtes,  Hühnchen  39. 

■ Säuger  49. 

Sinusklappen,  Biber  52. 

—  Cursores  45. 

—  Edentaten  52. 

—  Hühnchen  45. 

—  Insectivoren  52. 

—  Reptilien  37. 

—  Säuger  50,  52. 

—  Selachier  24. 

—  Urodelen  27. 

—  Reste  der,  Monotremen  52. 

Vögel  45. 

Sinusquerstück,  Hühnchen  89. 
■ —  Mensch,  Säuger  49. 
Sinusseptum,  Säuger  52. 

—  Vögel  45. 

Skeletoblastische  Schicht,  Anuren  501. 

—  —  Cyclostomen  355. 
Ganoiden  431. 

Holocephalen  369,  370. 

Selachier  400. 

Skeletoblastisches  Gewebe,  Amphib.  489. 

—  —  Teleostier  465. 

Skeletogene  Schicht,  Cyclostomen  355. 

—  ^  Selachier  400. 
Skeletogenes  Blatt,  Acranier  347. 
Skleromeren,  Holocephalen  376. 
Skierotom,  Acranier  347. 

—  Amnioten  519. 

—  Amphibien  489. 

—  Cyclostomen  355. 

—  Holocephalen  367,  369. 
Sklerotomdivertikel,  Selachier  398. 
Sklerotomhöhle,  Acranier  347. 
Sklerozonentheorie  331. 
Spangenstück,  Teleostier  208. 
Spannmuskel  der  Sinusklappen  50. 
Reptilien  37. 

Spatium  intersepto-valvulare  52. 
Sphenolateralknorjiel  641,  644. 

—  Saurier  761. 

Sphenolateralplatte,  Aves  804. 
Spina  scapulae  262. 
Spinalnerven,  Cyclostomen  356. 

—  Holocephalen  373. 
Spinalplatten  556. 
Spiralfalte,  Reptilien  34. 

—  Urodelen  27,  28. 

—  Anlage  der,  bei  Triton  cristatus  28. 
Splanchnocranium  576. 
Spondylocranium  597. 
Spritzlochkieme  88. 
Spritzlochknorpel  648. 
Stachelstrahlbildungen  178. 
Stammvene,  Teleostier  121,  123. 


Stapes,  Mammalia  835,  855. 

—  Rhynchocephalen  779. 

—  Saurier  768. 
Steißbein,  Anuren  505. 
Stelepodium  282. 
Sternalleiste,  Säuger  561. 
Sternum,  Amnioten  559. 

—  Amphibien  513. 

—  costales  oder  primäres,  Amnioten  559. 
Stützsubstanzen  der  Bindesubstanzgruppe, 

Histiogenese  der  1 — 17. 

Nomenklatur  17,  18. 

Stylopodium  282,  288,  326. 
Subchorda,  Amphibien  507. 

—  Callorhynchus  381. 

—  Teleostier  464. 

Subiculum  infundibuli,  Saurier  764. 
Sulcus  atrioventricularis,  Reptil.  31,  32. 

—  interventricularis,  Hühnchen  38. 
Supinationsstellung,    primäre,   sekundäre 

252. 
Suprarostrale  719. 

—  Anuren  733. 
Suprascapula  264. 
Supraseptalplatten,  Rhynchoceph.  778. 

T. 

Taenia  interclinoidea  825. 
Tarsus,  Anuren  311. 

—  Reptilien  313. 

—  Säuger  317. 

—  Urodelen  310. 

—  Vögel  315. 

Tectum  synoticum  603,  818. 
Tectospondylie,  Selachier  405. 
Torsionen  der  Skelettstücke  247. 
Torsionswinkel  des  Humerus  250. 
Trabeculae  baseos  cranii  583. 

—  cranii  641. 

—  Saurier  761. 
Trabecularplatte,  vordere  631. 
Trabekelhörner  586,  698. 
Transversale  Septen   der  Myomeren  423. 
Tropibasischer  Schädeltypus  585. 
Truncus  anonymus,  Säuger  103. 

—  — ■  brachiocephalicus  103. 

—  arteriosus  21,  84. 

—  —  Anuren  95. 

—  —  Cyclostomen  25. 

Reptilien  31.  33. 

Säuger  46,  101,  102. 

Saurier  29. 

Selachier  85,  86. 

—  —  Septum  aorticum  des  96. 
Teleostier  91. 

Urodelen  93,  94. 

Vögel  39. 

coeliacus  113. 

—  hypogastrico-sacralis,  Katze  110. 
Truncussepten,  Reptilien  33. 

u. 

Ueberzählige  Knochen  738. 
Umbilicalvene,  Aves  139. 


888 


Register. 


Unpaare  Flossen,  Stützelemente  der  176. 
Unpaarflosse  der  Dipnoer  175. 
Unterlippenknorpel  734. 
Urniere,  Sauropsiden  71. 
Urnierenfalten  70. 

—  Säuger  78,  79. 
Urostyl  474. 

—  Amnioten  519. 

—  Anuren  505. 

—  Vögel  548. 
Ursegmente,  Cyclostomen  354. 

—  Holocephalen  365. 
Ursegmenthöhle,  Holocephalen  365. 
Ursegmentspalte,  Amnioten  521. 

—  Säuger  549. 
Urwirbel,  Selachier  398. 
Urwirbelhöhle,  Holocephalen  365. 
Urwirbelkern,  Amnioten  520. 

V. 

Valvula  bicuspidalis  57. 

—  Eustachii  52. 

—  foraminis  ovalis  52. 

—  Thebesii  52. 

Vas  efferens,  Teleostier  112. 
Vena,  Venae. 

—  abdominalis,  Anuren  127. 
Bombinator  127. 

Chelonia,  Crocodilia  132, 

Echidna  141. 

Eeptiiien  132. 

Salamandra,  Urodelen  128. 

—  anonyma  dextra,  sinistra;   Mammalia 
146. 

—  atrii  sinistri,  Mammalia  146. 

—  azygos,  Echidna  145. 

—  —  Kaninchen,  Katze  145. 
Mammalia,  Mensch  145,  146. 

—  capitis  lateralis,  Amphibien  128. 
Aves  138. 

Echidna  147. 

Mammalia  147,  148. 

Eeptilia  132,  133. 

Selachii  118. 

—  cardinales,  Cyclostomen  120. 
Gobius  122. 

Eeptiiien  129. 

Selachier  117. 

Teleostier  121. 

anteriores,  Amphibien  128. 

Aves  138. 

Lacerta  132. 

—  Mammalia  147. 

Eeptiiien  132. 

Selachier  117,  118. 

Teleostier  121. 

Testudo  134. 

Tropidonotus  132. 

posteriores,  Amphibien  125. 

Aves  136. 

Gymnophionen  124,  126,  127. 

Hypogeophis,  Ichthyophis  126. 

Kaninchen,  Katze  143. 

Lacerta  130. 

— Mammalia  141. 


Vena  cardinales  posteriores ,  Maulwurf, 
Mensen,  Mikrochiroptera  143. 

Eeptiiien  130. 

— Salamandra  125. 

Selachier  117,  118. 

Teleostier  121. 

— Urnierenabschnitte  der,  Anuren 

126. 

Mammalia  143. 

—  caudalis,  Amphibien  125. 

—  —  Gymnophionen  127. 

Eeptiiien  130. 

Selachier  118. 

Teleostier  123. 

—  Cava  anterior,  Aves  138. 

Insectivoren,  Nager  146. 

Mammalia  146. 

Marsup.,  Monotremen  146. 

— ürnithorhynchus  144. 

—  —  posterior,  Anuren  124,  126. 
Aves  136. 

Bombinator  126. 

Cetaceen  143. 

Didelphys,  Marsupiaher  144. 

Echidna  143. 

Eden  taten  143. 

MammaUa  141,  142,  143,  144. 

Microchiroptera  144. 

Eeptilia  129,  130,  131. 

Talpa  144. 

Tropidonotus  131. 

Urodelen  125. 

—  Urnierenabschnitt  der,  Anuren 

126. 
Gymnophionen  127. 

—  cerebralis  anterior,  Eeptiiien  133. 

—  cerebri  anterior,  Eeptiiien  133,  134. 

media,  Eeptiiien  133,  134. 

secundaria,  Eeptiiien  133. 

—  —  posterior,  Eeptiiien  133,  134. 

—  facialis  antica,  Mammalia  149. 

—  femoralis,  Aves  139. 

—  —  Mammalia  149. 

—  gastricae,  Eeptiiien  131. 

—  gasterolienalis,  Mammalia  139. 

—  hemiazygos,  MammaHa  145,  146. 
Schwein,  Wiederkäuer  145. 

—  —  accessoria  146. 

—  hepatica  advehens,  Mammalia  141. 

revehens,  Cyclostomen  120. 

Frosch  126. 

Mammalia  140. 

communis,  Mammalia  141,  142. 

Eeptilia  130,  131. 

Salmo  123. 

Urodelen  125. 

sinistra,  Aves  136. 

—  iliaca  ext.,  Aves  137. 

— int.  communis,  Kaninchen  144. 

—  intercostales,  Mammalia  145. 

—  intercostalis  suprema,  Mammal.  145. 

—  interrenalis,  Selachier  118. 

—  jugularis  communis,  Amphibien  128. 
externa,  Mammalia  149. 

—  —  impar,  Amphibien  128. 
Cyclostomen  120. 


Register. 


889 


Vena  jugiilaris  inferior,   Amphibien  128. 

—  —  interna,  Aves  138. 

Mammalia  146,  148,  149. 

—  Reptilia  133,  134. 

—  lateralis,  Urodelen  128. 

—  mediana  epencephali,  Reptilien  133. 

—  —  mesencephali,  Eeptilien  133. 
prosencephali,  Reptilien  133. 

—  mesenterica,  Amphibien  124. 
Aves  135,  138. 

Mammalia  139. 

Reptilia  129. 

—  oesophageae,  Reptiha  131. 

—  omphalo-mesentericae,  Acanthias  117. 
Aves  135. 

Kaninchen  140. 

Lacerta  129. 

Mammalia  139. 

Pristiurus  117. 

Reptilia  129. 

Selachii  116. 

Tropidonotus  129,  130. 

—  ophthalraica,  Mammalia  148,  149. 

—  orbitalis  inf.,  Reptilien  133. 

—  ovarica,  Mammalia  144. 

—  portae,  Anuren  124,  127. 

Gymnophionen  124. 

Mammalia  139,  141. 

Reptilia,  129,  131,  132. 

Selachii  117. 

linker  Ast  der,  Mammalia  141. 

—  renales,  Mammalia  143. 

—  renalis  advehens,  Aves  137. 

Gymnophionen  126,  127. 

Triton  129. 

—  —  —  Urodelen  125. 

—  —  anterior,  Gymnophionen  127. 

—  revehentes  anteriores,  Mammalia  142. 
posteriores    der    Urniere,    Mamm. 

142,  143. 
der  Urnieren,  Aves  137. 

—  saphena  magna,  Mammalia  149. 

—  spermaticae,  Mammalia  143. 

—  spermatica  interna,  MammaUa  144. 

—  subclaviae,  Aves  137,  139. 

Mammalia  145,  146. 

Reptilia  131. 

—  subintestinalis,  Amphibien  124. 

Cyclostomen  119,  120. 

Hippocampus  123. 

Salmo  122. 

Selachii  116,  117. 

Syngnathus  123. 

Teleostei  121—123. 

—  suprarenales,  Mammalia  143. 

—  tibialis  antica,  Mammalia  149. 

—  trachealis,  Reptilia  134. 

—  umbilicales,  Aves  136,  139. 

Mammalia  139,  140,  141. 

Reptilia  129,  131,  132,  134. 

—  vertebralis  posterior,  Reptilien  131. 

—  vitellina,  Selachii  117,  119. 

media,  Belone  121,  123. 

Coregonus  121. 

Esox  121. 

Gobius  121,  122. 


Vena  vitellina  media,  Hippocampus,  Syn- 
gnathus 121. 

Salmo  121. 

Teleostier  121  ff. 

Vene  der  Spiralfalte,  Cyclostomen  120. 
Venen  der  Extremitäten,  Mammalia  128, 

134,  138,  149. 
Venenbahnen  des  Kopfes,  Mamm.  147. 
Venenringe  um  den  Darm,    Mamm.  139. 
Venensystem,  Amphibien  123. 

—  Anuren  124  ff. 

—  Cvclostomen  119,  120. 

—  Reptilien  129. 

—  Säuger  139  ff. 

—  Selachier  116  ff. 

—  Teleostier  121  ff. 

—  Urodelen  124. 

—  Vögel  135  ff. 
Ventraler  Längsstab  635. 
Ventrikelschenkel,  Säuger  46. 
Ventrikelschleife,  Säuger  46,  52, 
Verbindungsplatte  60. 
Verknöcherung  des  Säugetierwirbels  551. 
Vertebraler  Teil  des  Craniums  594. 
Visceralbogen  576,  588. 

—  Anuren  734. 

—  Ganoiden  659. 

—  Selachier  647. 

—  Teleostier  672. 
Visceralskelett  576. 

—  Aves  808. 

—  Crocodüia  784. 

—  Dipnoi  686. 

—  Ganoiden  654. 

—  Mammalia  832. 

—  Ophidia  795. 

—  primordiales  588. 

—  Urodelen  702. 
Vorderarmarterien,  Chiropteren  109. 

—  Ungulaten  109. 
Vorderhirn venen,  Mammalia  148. 
Vorhofsabteilung,  Hühnchen  37. 
Vorkammer,  Cyclostomen  25. 

—  Fische  22, 

—  Säuger  47. 

—  Teleostier  25. 
Vorkammerabteilung,  Anuren  29. 

—  Säuger  48,  50. 

Vorkammerscheidewand,  Reptilien  36. 
Vorkammerseptum,  Anuren  29. 
Vornierenarterien,  Selachier  111,  115. 
Vornierenglomeruli,  Tchthyophis  115. 
Vornierenglomerulus,  Forelle  115. 

w. 

Weichstrahlbildungen  178. 

Wirbel,  amphicöler,  Ganoiden  445,  453. 

Selachier  404. 

—  bikonkave,  bikonvexe  503. 

—  embolomere  449,  501,  524. 

—  kaudaler,  kranialer;  Amia  449. 

—  opisthocöle  452,  495. 

—  Ossifikationspunkte  der  548,  551, 

—  primärer,  Selachier  409. 

—  rhachitome  449,  501. 


890 


Register. 


Wirbel,  Verknöclierung  des,  Säuger  551. 
Wirbelbögen,  Basen  der  391. 

—  obere,  Selachier  410. 

—  primitive,  Säuger  549. 

Vögel  547. 

Wirbelfaserknorpel  391. 
Wirbelkanal,  oberer,  Selachier  410. 

Teleostier  468. 

Wirbelkörper  von  Amia  443. 

—  der  Amphibien  395. 

—  amphicöle,  Amia  445. 

—  Außenzone  der,  Holocephalen  380. 

—  Außen-,  Mittel-   und  Innenzone   der, 
Selachier  403. 

—  chordaler,  Selachier  409. 

—  der  Dipnoer  487. 

—  Innen-  und  Mittelzone  der,  Holoceph. 
380. 

—  knöcherner,  Lepidosteus  453. 

—  perichordaler  409,  504. 

—  primärer  391. 

Anmioten  525,  530. 

Teleostier  471. 

—  sekundärer  391. 

—  —  Amnioten  525,  531. 

Selachier  409. 

Teleostier  471. 

—  der  Selachier  401  ff. 

—  der  Vögel  547. 

Wirbelsäule,  häutige,  Amnioten  526. 

Amphibien  490. 

Holocephalen  370. 

Selachier  400. 

Teleostier  465. 

—  Neugliederung  der  (Remak)  523. 
Wirbelsaite  340. 


Wirbeltheorie  des  Schädels  593. 
Wolff'sche  Leiste  239. 


X. 


Xiphisternum  561. 

z. 

Zahnfortsatz,  Reptilien  538. 
Zahnknochen  613. 
Zeugopodium  282,  290,  326. 
Zirkumduktorische  Bewegung  249. 
Zonoskelett  der  Flossen  205. 
Zungenbein  591. 

—  Chelonia  789. 

—  Mammalia  836. 

—  Ophidia  795. 
Zungenbeinbogen,  Aves  809. 

—  Crocodilia  784. 

—  Ganoiden  656. 

—  Mammalia  835. 

—  Ophidia  795. 

—  Rhynchocephalia  779. 

—  Teleostei  673. 
Zwerchfell  72,  82. 
Zwerchfellanlage  82. 

—  Lageverschiebungen  der,  Säuger  84. 
Zwerchfellband  der  Leber  72. 

—  der  Urniere  82. 

Zwischenmuskelbänder,  Holoceph.  371. 
Zwischenwirbel,  Reptilien  541. 
Zwischenwirbelband,    inneres,    Teleostier 

472. 
Zwischen  wirbelbeine  532. 
Zwischenwirbelkörper  526. 

—  Reptilien  538. 


Boriehtiffiiiiff  zu  Band  III,  Teil  2. 


Auf  p.  573  ist  anstatt  Sechstes  Kapitel  zu  lesen 
Siebentes  Kapitel. 


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