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HÄNDBUCH
DER
VERGLEICHENDEN UND EXPERIMENTELLEN
ENTWICKELUNGSLEHRE
DER WIRBELTIERE
BEARBEITET VON
Prof. Dr. Barfurth, Rostock, Prof. Dr. Braus, Heidelberg, Docent Dr.
Bühler, Zürich, Prof. Dr. Rud. Burckhardt, Basel, Prof. Dr. Felix,
Zürich, Prof. Dr. Flemming (f), Kiel, Prof. Dr. Froriep, Tübingeu, Prof. Dr.
Gaupp, Freiburg i. Br., Prof. Dr. Goeppert, Heidelberg, Prof. Dr. Oscar
Hertwig, Berlin, Prof. Dr. Richard Hertwig, München, Prof. Dr. HocH-
STETTER, Innsbruck, Prof. Dr. F. Keibel, Freiburg i. Br., Prof. Dr. RuD.
Krause, Berlin, Prof. Dr. Wilh. Krause, Berlin, Prof. Dr. v. Kupffer (f),
München, Prof. Dr. Maurer, Jena, Prof. Dr. Mollier, München, Docent
Dr. Neumayer, München, Prof. Dr. Peter, Greifswald, Docent Dr. H. Poll,
Berlin, Prof. Dr. Rückert, München, Prof. Dr. Schauinsland, Bremen,
Prof. Dr. Strahl, Gießen, Prof. Dr. Waldeyer, Berlin, Prof. Dr. Ziehen, Berlin
HERAUSGEGEBEN VON
T>^ OSKAR HERTiariG
O. Ö. PROF., DIREKTOR D. ANATOM.-BIOLOG. INSTITUTS IN BERLIN
DRITTER BAND. ZWEITER TEIL.
MIT 406 ABBILDUNGEN IM TEXT
VERLAG VON GUSTAV FISCHER
1906
Uebersetzungsrecht vorbehalten.
111
Inhaltsverzeichnis
zu Band lU, TeU 2,
in. Kapitel.
pag-
W. Flemming. Die Histogenese der Stützsubstanzen
der Bindesubstanzgruppe. Erschienen am 16. Mai 1901 1
Litteraturverzeiehnis 18
IV. Kapitel.
HOCHSTETTER. Die En t wick elun g des Blutgefäßsystems
(des Herzens nebst Herzbeutel und Zwercbfell, der Blut- und
Lymphgefäße, der Lymphdrüsen und der Milz in der Reihe der
Wirbeltiere). Erschienen am 16. Mai 1901 u. 11. August 1903 21
Das Herz 21
Die Perikardialhöhle und das Septum pericardiaco-peritoneale 57
Entwickelung des Arteriensystems 84
Entwickelung des Venensystems 116
Entwickelung des Lymphgefäßsystems 149
Entwickelung der Milz 152
Litteraturverzeiehnis 157
V. Kapitel.
H. Braus. Die Entwickelung der Form der Extremi-
täten und des Extremitätenskeletts. Erschienen am
25. Mai 1904 167
Einleitung 167
A. Die unpaaren Extremitäten 168
B. Die paarigen Extremitäten 196
Litteraturverzeiehnis 331
VI. Kapitel.
H. Schauinsland. Die Entwickelung der Wirbelsäule
nebst Rippen und Brustbein. Erschienen am 17. April
1905 339
Litteraturverzeiehnis 562
Vn. Kapitel.
E. Gaupp. Die Entwickelung des Kopfskelettes. Er-
schienen am 13. September 1905 573
I. Allgemeine Entwickelungsgeschichte des Kopfskelettes . . 573
II. Spezielle Entwickelungsgeschichte des Kopfskelettes . . . 627
Liiteratuverzeichnis 855
Drittes Kapitel.
Die Histogenese der Stützsubstanzen der Bindesubstanzgruppe.
Von
Prof. W. Flemmiiig (Kiel).
Die Frage, wie sich die faserig geformten Intercellularsubstanzen
der Bindesiibstanzgriii)pe im tierischen Körper bilden, ist so alt wie
die tierische Histologie selbst. Schon in
dem Hauptwerke Theodor Schwann's ^),
mit welchem letztere beginnt, hat sie eine
Bearbeitung-) und eine Beantwortung er-
fahren, die auch nach unseren jetzigen
Kenntnissen in vieler Hinsicht, ja im
wesentlichen richtig zu nennen ist^). Ge-
treu seinem Prinzip, überall auf die lebende
Zelle als Bildungsgrundlage aller Formteile
im Körper zurückzugehen, ließ Schwann
auch die collagenen Fibrillenbündel des
Bindegewebes, sowie auch die elastischen
Fasern ^) durch Auswachsen und Umwand-
lung embryonaler Zellenleiber entstehen.
Die Untersuchung der Entwickelung
der collagenen Fibrillenbündel
nahm er am Bindegewebe verschiedener
Körperstellen bei Seh wein sembrj'Onen von
3,5 Zoll Länge vor. Die Zellen, die er darin
fand, waren, außer kleinen runden, längliche,
von ihm sogenannte „Faserzellen", von länglicher Form, mit 2 oder
auch mehrfachen Ausläufern, welche faserig werden , so daß also
Fig. 1. „Faserzellen" nach
Schwann (Buch Fig. 11 und
Fig. 7, Taf. III), aus der em-
bryonalen Achillessehne und
dem embryonalen Bindegewebe.
Vergl. auch die späteren Ab-
bildungen nach BoLL.
1) Mikroskopische Untersuchungen über die Uebereinstiramung in der Struktur
und dem Wachstum der Tiere und Pflanzen, Berlin 1839, Sander'sche Buch-
handlung.
2) Daselbst 2. Abschn., 2. Abt., 3. und 4. Klasse, speciell p. 132—154.
3) Vergl. besonders die Ergebnisse der Arbeiten von Boll, Lwofp, Flemming
(unten besprochen in Bezug auf Entwickelung der collagenen Fibrillen), O. Hertwig,
Spuler und F. C. C. Hansen (Entwickelung elastischer Fasern auf Grund von
Zellenleibern).
4) 1. c. p. 148 ff. lieber die Entwickelung letzterer Fasern siehe weiter unten
im Text.
Handbuch der Eatwickelungslehre. HI. 2. 1
W. Flemming,
Büschel von Fibrillen von den Zellen ans wachsen; die Faserung
greift dann weiter in den Zellkörper hinein und bis an seinen Kern,
indem die Substanz des Zellenleibes sich fibrillär umwandelt, so daß
also direkt durch Umwandlung dieser Zellen ein Fibrillenbündel (oder
auch mehrere, vermittelst mehrfacher Zellausläufer) entsteht, an dem
dann der Kern und ein Rest des Zellenleibes seitlich persistiert. —
Diese ,.Faserzellen'' leitete Schwann von den anderen kleinen, rund-
lichen Zellen her. die nach seiner, jetzt verlassenen Zellbildungstheorie
frei in dem umgebenden „Blastem" entstanden sein sollten und sich
durch Auswachsen von Ausläufern zu jenen umgestaltet hätten.
Es war hiermit also die erste Proklamierung einer cellulären
Entstehung der Fibrillenbündel der Inte reell ul ar-
sub stanz gegeben. Ihr trat schon nach wenigen Jahren Henle ^)
entgegen und "für eine i n t e r c e 1 1 u 1 ä r e F i b r i 1 1 e n b i 1 d u n g ein .
Er vermochte — in embryonalen Sehnen — niemals Fibrillenbündel
als direkte Fortsetzungen von Zellen zu finden, nahm vielmehr an,
daß sie durch einen direkten „Zerfall", d. h. eine längsfaserige
Differenzierung einer vorher vorhandenen homogenen Intercellular-
substanz des Bindegewebes neben den Zellen sich bildeten, ohne
substantielle Beteiligimg der letzteren. Diese Anschauung von einer
intercellulären, freien Fibrillenbilduug hat dann zunächst so gut wie
alle Forscher, die mit der Entwickelung der Bindesubstauzen in Be-
rührung traten, gefangen genommen, so Bruch '), Kilian, von Hess-
ling, Drum MOND, und besonders Kölliker, der früher der Schwann-
schen Lehre geneigt gewesen war''), dann aber nach weiteren Unter-
suchungen^) ganz als Anhänger der intercellulären freien Fibrillen-
bildung auftrat, wie später Ranvier (1875, p. 405—409: Developpement
du tissu conjonctif). Gleichzeitig mit Henle hatte nur Valentin
(1842) eine Ansicht vertreten, die gleich der ScHWANN'schen eine
celluläre Fibrillenbilduug annimmt, aber darin von jener differiert, daß
sie die Fibrillen nicht als Bündel, sondern als einzelne Fäserchen
von den Zellausläufern auswachsen läßt (näher besprochen bei
BoLL, 1872, s. unten, p. 3). Es ist übrigens aus Valentin's Arbeit
eigentlich nicht deutlich zu entnehmen, daß er sich in einen Gegen-
satz zu Schwann stellt; auch Boll (1872) und C. C. Hansen (1899)
haben in seiner Arbeit nichts derartiges finden können.
Um den gleichen Punkt handelte es sich auch bei den Arbeiten
aus Brücke's Laboratorium (Wien), die im Lauf der 60er Jahre er-
schienen (KusNETzoFF, L. V. 1867 und Obersteiner 1867), welche
bei der sich entwickelnden Cutis (Kusnetzoff) und Sehne (Ober-
steiner) das Auswachsen von einzelnen Fibrillen aus den Enden
spindelförmiger Bildungszellen vertraten, so daß also jede Fibrille im
fertigen Bindegewebe die Fortsetzung des Endes eines Zellausläufers
sein würde. Ich möchte mich dem Urteil F. Boll's (1872, s. unten),
der den Charakter der jungen Zellausläufer aus Fibrillenbündel
wohl außer Zweifel gestellt hat, darin anschließen, daß die Erörterung
dieser Frage in den älteren Arbeiten, mit Rücksicht auf die geringere
Vollkommenheit der früheren Mikroskope, nur wenig Wert hat. Bei
Boll findet man noch ziemlich zahlreiche Arbeiten aus der Zeit bis
1) AUgem. Anatomie, 1841, p. 197 und 379.
2) Dieser und Folgende: s. Lit.-Verz.
3) Mikroskopische Anat., Bd. 2, p. 256.
4) 1852 und in der Mikroskopischen Anatomie.
Die Histogenese der Stützsubstanzen der Bindesubstanzgruppe. 3
1870, welche die Fibrillenbildung betreffen, großenteils von patho-
logischem Gebiet, citiert nnd besprochen (Boll, p. 38 — 41). Darunter
ist die Monographie A. Rüllett's über Entwickelung des Binde-
gewebes in Stricker's Handbuch der Lehre von den Geweben (1871),
deren Verfasser die Zellen, bei hauptsächlicher Untersuchung an serösen
Häuten von Embryonen, ganz unbeteiligt an der Bildung der Fibrillen
sein läßt. Es rührt dies einmal von der Benutzung zu später Stadien,
in denen die erste Anlage der Fibrillen vorbei ist, dann von der Ver-
wendung des Kalibichromates, welches, wie auch Boll bemerkt, starke
Veränderungen der Zelienleiber wie auch der jungen Fibrillen hervor-
ruft, endlich auch von einer unrichtigen Fragestellung her. Rollett setzte
voraus, daß, wenn eine Produktion von Fibrillen oder Fibrillenbündelu
von den Zellen aus stattfinde, dies, ganz im alten ScHw^ANN'schen
Sinne, in Form eines- Ausspros sens von den zugespitzten Enden
der Zellen und Zellausläufer stattfinden müsse, welche Enden man
deswegen mit den Fibrillenbündelu in Kontinuität zu finden habe;
nicht aber, wie es in der That ist, daß die Fibrillen sich bündelweis
der Länge nach im Leibe einer Zelle anlegen (vergl. die unten repro-
duzierten Figg. von Boll und Flemming). Es glückte Rollett bei
allem Suchen nicht, ein zugespitztes Zellende mit einem Fibrillen-
bündel [oder gar mit einer Einzelfibrille eines solchen, nach Kusnetzoff
und Obersteiner ^)| in Kontinuität zu finden; denn beide Dinge,
Zellenleib und Fibrillenbündel, sehen, infolge der oben erwähnten
Kalibichromatwirkung (in Form der MÜLLER'schen Lösung) am Omen-
tum eines älteren Embryo so verschieden aus, daß dieses vergebliche
Suchen, und damit Rollett's negatives Schlußresultat in der Frage,
sich völlig erklärt. Aehnlich ist es später Ranvier gegangen (1875),
welcher als Reagens auf die Zellen Jodlösuug benutzt hatte, ein Mittel,
das ebenfalls starke Besonderheit im Aussehen des Zellprotoplasma
bewirkt, so daß es von den Fibrillenbündelu ganz differiert.
Ich komme nun zu der wichtigsten und vorzüglichsten Arbeit, die
über unseren Gegenstand existiert, es ist die mehrfach erwähnte von
Boll (1872). Wir dürfen sie eigentlich als den Ablagerungsort der
Anschauungen Max Schultzens ansehen, dessen vertrauter Schüler
Boll gewesen ist, der Anschauungen, in welchen die in dem be-
rühmten Aufsatz M. Schultze's „Ueber Muskelkörperchen und das,
was man eine Zelle zu nennen habe'' -) niedergelegten Prinzipien auf
das Bindegewebe übertragen wurden und die Bildung aller geformten
Teile in dessen Intercellularsubstanz, also der Fibrillen und Fasern,
ganz im Sinne Schwann's, auf eine „formative Kraft'' des Zellproto-
plasma bezogen wurde''). Boll machte seine Beobachtungen an
1) S. oben.
2) Reichert's und du Bois Reymond's Archiv, 1861, p. 1.
3) Max Schultze selbst hat eine eigene Arbeit über diesen Gegenstand nicht
veröffentlicht, außer dem, was in dem eben citierten Aufsatz darüber geäußert ist.
Diese Stelle lautet: „Der genannte Zustand des jungen Bindegewebes ist so zu
deuten, daß die allmählich sich fibrillär umwandelnde Grundsubstanz das Protoplasma
wandlungsloser und bis zur Verschmelzung genäherter Embryonalzellen sei. Aber
wie bei der Entwickelung der Muskelfasern Spuren unveränderten Protojjlasma
zwischen den Fibrillen übrig bleiben und sich namentlich um die Kerne ansammeln,
so bleibt auch bei Zellen, deren Protoplasma sich in fibrilläres Bindegewebe um-
wandelt, außer den Kernen noch ein wenig unverändertes Protoplasma übrig, welches
erstere in freilich oft nur sehr geringer Menge umgiebt. Das sind die gleich den
Muskelkörperchen wandungslosen Bindegewebs- oder Sehnenkörperchen." In dem
eben cit. Aufsatz: Ueber Muskelkörperchen etc., p. 13.
1*
4 W. Flemming,
bebrüteten Hühnchen und Möven, an verschiedenen Bindegeweben
(Arachnoidea. subcutanes Gewebe, Sehnen), die frisch auf dem ge-
heizten 0 b j e k 1 1 i s c h untersucht wurden. Er erklärt solche frische
Objekte für weit instruktiver als mit Reagentien behandelte, weil jene
die zarten Fibrillenanlagen weit schärfer und deutlicher zeigen, während
Fig. 2. Nach Fig. 4, 10 und 11 bei BOLL, 1872. Fibrilienbildende Zellen aus
dem Bindegewebe, Unterhaut des Kopfes und Arachnoidea, frisch, geheizter Objel^t-
tisch. Hartnack IX ä inim. 2.
Die Histogenese der Stützsubstanzen der Bindesubstanzgruppe. 5
die meisten Reagentien (außer Osmiumsäure sowie auch Chrom-
osmiumessigsäure, s. unten Flemming) irgendwelche Veränderungen
machen. . Ich reproduziere hier einige Abbildungen Boll's, welche
das Fibrillärwerden des Zellprotoplasma namentlich in den Ausläufern
der Zellen und die Umwandlung dieser Ausläufer in Fibrillen b ü n d e 1
deutlich genug zeigen ; bitte übrigens seine ganze Taf. 2, 1. c. zu ver-
gleichen. — Es war mit dieser Arbeit, wie mir scheinen will, eigentlich
die Frage, ob celluläre, ob intercelluläre Fibrillenbildung endgiltig
zu Gunsten ersterer Ansicht beantwortet, und es hat wohl nur an
dem Unterbleiben einer gebührenden Nachuntersuchung gelegen, daß
sich der Gegensatz noch weiter fortspinnen konnte.
Zunächst geschah dies gleichwohl. Ranvier (1875, p. 402 ff.)
trat bald nach Boll wieder für eine freie intercelluläre Entstehung
der Fibrillen ein (ohne dieselbe bewiesen zu haben, s. alsbald unten),
und Kollmann sprach sich in dem Aufsatz von 1876 und dem als
nachfolgenden citierten in demselben Sinne aus. Auch in diesen
Arbeiten vermag ich jedoch, gegenüber Boll's deutlichen, positiven
Beobachtungen, nichts Beweisendes zu sehen ; mir scheinen Kollmann's
dort vorgebrachte Argumente alle mehr theoretischer Art zu sein,
als daß er thäte, was hier doch zu thun ist : der fraglichen fibrillen-
produzierenden Zelle des embryonalen Gewebes direkt zu Leibe zu
gehen und zu entscheiden, was man an ihr sieht oder nicht sieht.
Wenn z. B. der Verf. auf p. 182 (in ,, Strukturlose Membranen") sagt:
„Die neuen Entdeckungen über die Platten an den Bindegewebs-
zellen (NB. im ausgewachsenen Gewebe, Schw^albe, Ranvier,
Retzius) müssen unsere Anschauungen bezüglich der Entstehung der
Fibrillen in eine von der herrschenden Lehre verschiedene Richtung
treiben. Wenn das Protoplasma der embryonalen Zelle sich zu einem
von den leimgebenden Fibrillen vollkommen verschiedenen, zu einem
strukturlosen, den Säuren widerstehenden Häutchen umwandelt, so ist
doch nicht gleichzeitig auch die Umwandlung in Bindegewebsfibrillen
denkbar, und es tritt die Lehre wieder in ihr Recht ein, welche die
Entstehung der Fibrillen in die Zwischensubstanz verlegt" — so läßt sich
antworten: beide Vorgänge sind keineswegs gleichzeitig, sondern sehr
u n g 1 e i ch z e i t i g ; die Fibrillenbildung ist eine der frühesten Lebens-
äußerungen der Zelle, die Plattenbildung ein abschließender Prozeß,
welcher auftritt, nachdem jene längst geleistet ist.
Diesem Zurückfallen in die alte HENLE'sche Lehre gegenüber
hielt ich es nicht für überflüssig, noch einmal Beobachtungen mit-
zuteilen, welche eine celluläre Fibrillenentstehung geradezu beweisen.
Für eine solche hatte sich inzwischen auch noch Lwoff ^) aus-
gesprochen ; er ließ, nach Arbeiten an Säugetierembryonen, die Fibrillen
zwar „auf der Oberfläche der Zellen", aber doch von deren
Protoplasma aus, gebildet werden. Es sieht so aus; aber wer immer
sich an dieser Frage versucht hat, wird zugeben, daß an Lw^off's
Objekten die Zellen gar zu klein sind, um eine endgiltige Entscheidung
zu gestatten.
Ich traf — zufällig — auf ein Objekt, das größere Verhältnisse
und außerdem noch besondere Vorteile bietet. Es ist das parietale
Bauchfell von Salamanderlarven (vom Juli und August), das sich an
Objekten aus Chromosmiumessigsäure oder HERMANN'scher Lösung
1) Wiener akadem. Sitzungsber., Bd. 38 math,-nat. Kl., Abt. 3, p. 184.
W. Fl EM MINO,
Fig. 2a.
Fig. 2a und Fig. 3. Nach Flem-
MiNG, 1891 : Zur Eiitwiclcelung der Binde-
gewebsfibrillen. Aus ViRCHOW'sche Fest-
schrift, Fig. 2, 3.
Fig. 3.
Die Histogenese der Stützsubstanzen der Bindesubstanzgruppe. 7
leicht als dünne Membran abreißen läßt ; auch die zarte Wand der
Lunge kann dienen. Nach solchen Objekten, die mit der von mir
angegebeneu Dreifachbehaudlung (Safrauiu-Gentiaua-Orange) gefärbt
waren, habe ich die folgende Beschreibung (Lit.-Verz. 1891) gegeben :
Die jungen Bindegewebszellen sind sehr groß. Man sieht dank ihrer
Färbung sehr deutlich, daß die Fibrillenbündel in ihnen und ihren
Ausläufern angelegt werden (Fig. 1, 1. c). Ganz vorzüghch gut sieht
man dies bei Zellen, die in Teilung stehen (Fig. 2a und 8 hier,
Fig. 2, 3, 4 1, c). Van Beneden und ich i) haben gefunden, daß bei
Zellen, die in Mitose stehen, eine eigentümliche Verdickung des Zell-
körpers eintritt und alle fädigen Strukturen desselben stärker färbbar
werden. Das zeigt sich hier auffällig an den jungen Fibrillen; schon
bei schwächerer Vergrößerung (Fig. 2a hier) sehen die in Mitose
stehenden Zellen dunkel und feingestreift aus, und bei stärkerer Ver-
größerung (Oelimmersionen) kann man verfolgen , daß diese feinen
Fibrillen bei derselben Einstellung da liegen wie die Ausläufer der
Polstrahlung, also sich noch im Zellenleib selbst, wennschon in seinem
peripheren Teil, befinden. Vielfach sieht man diese Fibrillen ge-
schlängelt (Fig. 3 hier, Fig. 4 1. c.), oft ziemlich stark; dies rührt
davon her, daß der Leib der Zelle während der Teilung sich wechselnd
kontrahiert, und somit die darin enthaltenen Fibrillen bald geschlängelt,
bald mehr gestreckt gefunden werden müssen.
Ich weiß nicht, wie man solchen Bildern gegenüber noch in Zweifel
daran Ijleiben kann, daß die Fibrillen aus dem Zellprotoplasma selbst,
durch eine vis formativa desselben entstehen können, und zwar dann
wohl durch eine Umpräguug der Fadenstruktur dieses Protoplasma,
welche ich an anderen Orten -) beschrieben und auch in der Arbeit
von 1891 erwähnt habe.
Wenige Jahre später hat denn auch F. Reinke. an denselben
Objekten und mit derselben ^) Methode, eine völlige Bestätigung
dieser meiner Befunde geliefert (1894). — Reinke macht an dieser
Stelle (p. 385 ff.) auf eine Schwierigkeit aufmerksam, die sich in Bezug
auf das Längenwachstum der Fibrillenbündel ergiebt. Solange
diese noch in der peripheren Schicht der Zelle selbst liegen, kann
deren Längenwachstum mit dem der Fibrillen identisch sein ; wie *sind
aber die späteren Zustände zu denken, wo die schon gebildeten Fibrillen
aus der Zelle herausgerückt und Intercellularsubstanz geworden sind?
Ich antworte darauf mit Hansen (s. weiter unten): dann liegen eben
die Fibrillen in dem Territorium von Intercellularsubstanz, das von
der betreffenden Zelle geschaffen worden ist, das aus ihrem „Ekto-
plasma" (Hansen) hervorgegangen ist; diese Territorien sind mit-
lebendig, wie ich mir die ganze Intercellularsubstanz so denke (s. weiter
unten), es können in ihnen Vorgänge fortspielen, die zu einem Längen-
wachstum der Fibrillen durch Intussusception führen. Ein solches,
intussusceptionelles Längenwachstum der Fibrillenbündel wären wir ja
übrigens auch genötigt anzunehmen, wenn wir eine freie intercelluläre
Fibrillenentstehung voraussetzen wollten. Denn wenn ich mir eine
embryonale Sehne in ihren frühesten Zuständen denke und dann
spätere dagegenhalte, wo die Bündel 10- und mehrmal so lang ge-
1) ZeUsubstanz, Kern und Zellteilung 1882, p. 206 ff.
2) Beiträge zur Kenntnis der Zelle etc. Taf., 15, Fig. 7a; ZeUsubstanz, Kern
und Zellteilung, 1882, p. 46.
3) Nur mit einer geringfügigen Modifikation.
8 ; W. Flemming,
worden sind als zu der Zeit wo sie eben entstanden waren, wie soll
das ohne eigene Wachstumsverlängerung der Bündel abgegangen sein?
F. Reinke hat in dieser Arbeit auch einen Streifzug in die Eut-
wickelungsgeschichte der elastischen Fasern gemacht, dessen ich
vorläufig Erwähnung thun will. Er findet in solchen Zellen, wie ich
sie als fibrillenbildend beschrieben habe, stärker gefärbte, dickere, oft
geschlängelte Faserbildungen (z. B. 1. c. Fig. 17), in denen er die An-
lage elastischer Fasern suchen möchte. Es sieht in der That sehr
danach aus, und man wird versucht, als Bildungsgrundlage an die
zahlreichen färbbaren Körnchen zu denken, die in solchen Zellen vor-
kommen (siehe viele von Reinke's Figuren, sowie die meinigen in
der Arl)eit von 1897). Reinke empfindet freilich Skrupel, ob es
dieselben Zellen seien, die so elastische Fasern und Fibrillen erzeugen ;
er sagt (p. 388 1. c): „Nun drängt sich ferner die Frage auf: werden
in ein und denselben Zellen collagen bleibende und elastisch werdende
Fasern gebildet, oder sind derartige Zellen, die elastische Fasern er-
zeugen, specifisch verschieden von denen, die dies nicht thun? Die
Frage ist thatsächlich schwer zu entscheiden, theoretisch scheint es
mir aber doch höchst unwahrscheinlich, daß eine und dieselbe Zelle
beide Faserarten bilden sollte." Ich kann eine derartige, a priori
bestehende Un Wahrscheinlichkeit nicht recht einsehen, vielmehr scheinen
mir Reinke's Fig. 17 und 7a, und auch manches, was ich seitdem an
eigenen Präparaten gesehen habe, dafür zu sprechen, daß doch die
gleiche Zellart des embryonalen Bindegewebes mit der Produktion
von beiderlei Faserarten betraut sein könnte. — Außer Zweifel steht
es, daß in späteren Stadien (Larven vom August und September) das
Bauchfell der Salamauderlarve reichliche elastische Fasern führt.
Es erübrigt noch zu sagen, was sich gegenüber Ranvier's erneuter
Behauptung einer intercellulären freien Fibrillenbildung (1875, p. 402 ff.)
einwenden läßt. Ranvier nimmt zum Beleg dafür sehr späte Stadien:
die Befestigungsstelle der Achillessehne am Calcaneus bei neugeborenen
Kaninchen, wo also Sehnengewebe in Knorpelgewebe übergeht. Hier
sind nahe der Grenzstelle im Knorpel dessen Zellen noch in Reihen
geordnet, so wie sie in der Sehne stehen, und zwar in Fortsetzung
dieser Sehnenzellenreihen ; zwischen denselben sieht man die fibrilläre
Grundsubstanz der Sehne in die hyaline des Knorpels auslaufen und
anscheinend frei darin enden. Durch polarisiertes Licht, das die
anisotropen Fibrillen hell läßt, erscheint dies besonders schlagend, und
Ranvier schloß, daß die Fibrillen auch hier in der Grundsubstanz,
wo man sie si)äte]' sieht, entstanden sein müßten. Aber Ranvier
konnte damals noch nicht wissen, was uns seit 1874 (und 1878) durch
Tillmanns (s. Lit.-Verz.) bekannt ist, daß die hyaline Grundsubstanz
des Knorpels eben nicht homogen ist, sondern aus feinen Fibrillen-
bündeln besteht, deren Bildung durch die Knorpelzellen wir nach
Analogie der Befunde am fibrillären Bindegewebe anzunehmen ein
Recht haben. (Vergl. Tillmanns 1874 und 1877.) Diese Befunde
von Tillmanns wurden bestätigt und weiter ausgeführt durch Van
DER Stricht (188(5), dessen Arbeit viele Beispiele von fibrillärer
Struktur der Grundsubstanz an frischen Knor])eln bringt. — Es bleibt
freilich noch aufzuklären, wie bei Ranvier's Objekt dann diese
Fibrillen der Knorpelgrundsubstanz in die Lage kommen, in der Fort-
setzungsrichtung der Sehnenlnindel zwischen den Knorpelzellenreihen
zu liegen ; es wäre wohl nicht undenkbar, daß dies rein mechanisch
Die Histogenese der Stützsiibstanzen der Bindesubstanzgruppe. 9
durch den Zug der Sehne bewerkstelligt wird. Mag dem sein, wie
ihm wolle, jedenfalls können um die Zeit, wo das von Ranvier ver-
wertete Bild vorliegt, die FibrilJenbündel nicht erst frei in der
Knorpelgrundsubstanz entstehen, welche dann doch nach Tillmanns
und Van der Stricht schon ihre eigenen feinen Fil)rillenbündel hat.
Im Jahre 1895 wurde noch von Merkel eine Arbeit publiziert,
in der er für eine selbständige Bildung der Fibrillenbündel in der
Gruudsubstauz eintrat, nach Untersuchung, großenteils mittelst feiner
Schnitte, des Nabelstranges und der Fingersehnen bei menschlichen
Embryonen. Im Gallertgewebe des Nabelstranges fand er an solchen
Schnitten die Querschnitte der Fibrillenbündel mitten in der Gallert-
substanz, also getrennt von den Zellen. Ich habe auf diese Arbeit
geantwortet^), mit Zugrundelegung dergleichen Objekte; im Gallert-
gewebe des menschlichen Nabelstranges und in dem der wachsenden
Kiemenblättchen bei der Salamanderlarve finde ich die Fibrillenbündel
zur Zeit, wo sie entstehen, stets in Zellausläufern oder
dicht an ihnen gelagert. Merkel muß an seinen Schnitten
diese Ausläufer wohl übersehen haben, da er die Sache so darstellt,
als ob die Fibrillenbündel frei in der gallertigen und ja so gut wie
flüssigen Zwischensubstanz des Gewebes auftauchten. Ich habe, bei-
läufig gesagt, den Begriff und Namen „Gallertgewebe" stets für über-
flüssig gehalten, da es sich doch nur um ein, durch mucinhaltige
Flüssigkeit ödematöses embryonales Bindegewebe handelt.
In der Arbeit von 1895 habe ich auch zu den Anschauungen
V. Ebner's Stellung genommen (in der „Nachträglichen Bemerkung"),
welcher aus Beobachtungen an den Chordascheiden bei niederen Fischen
um jene Zeit den Schluß zog, daß die Fibrillenbündel derselben nach-
träglich selbständig wachsen. Ein solches Wachstum „durch Intus-
susception", wie man zu sagen pflegt, wird niemand leugnen können
noch wollen, mir kam es stets nur auf die erste Anlage eines
Fibrillenbündels an und die finde ich in einer Zelle, halte aber (mit
Hansen 1899, s. unten) die Intercellularsubstanz nicht für tot, und
weiterer vitaler Umwandlung für fähig.
A. Spuler (1896) veröffentlichte eine an denselben oder ähnlichen
Objekten, wie die Merkel's, angestellte Untersuchung (Nabelstrang
und Amnion von Säugetieren), deren Resultate im Gegensatz zu
letzterem Forscher auch an diesen relativ kleinen Objekten, gleich
den meinigen, für eine intercelluläre Fibrillenbildung sprechen.
Somit, nach allem, was durch die Arbeiten von Boll, Lwoff,
meine eigenen und die Reinke's und Spuler's direkt gezeigt
wird, schließe ich mich der Max ScHULTZE'schen Lehre von der
cellulären Entstehung der Fibrillen vollständig an, aber unter der
ausdrücklichen Hervorhebung, daß sie nahe der Oberfläche, im peri-
pheren Teil der Zellen erfolgt. Hansen 2) vertritt in neuester Zeit
die Auffassung, daß die produzierende Zelle zunächst einen Mantel
von Substanzen an ihrer Peripherie bildet, Ektoplasma von ihm ge-
nannt, in welcher sich dann die Fibrillen, unter Umständen auch die
elastischen Gebilde formen. Dieser Auffassung möchte ich beitreten.
Es bestände danach die gesamte Intercellularsubstanz des Bindegewebes
aus solchen vereinigten Ektoplasmen von Zellen, die fibrillär um-
1) S. Lit.-Verz. 1897, im Arch. Anat. und Phys., Anat. Abt., Tat'. 5 und (J.
2) Lit.-Verz. 1899 und der folgende Vortrag. Besprochen unten.
10
W. Flemming.
gewandelt wurden und die, wie ich mit Hansen glaube, mitlebend
fortbestehen unter dem vitalen Einfluß der produzierenden Zellen
und zur Entwickelung neuer intercellulärer Formteile im stände bleiben.
Entwickelung der elastischen Fasern. Dieselbe war,
wie oben gesagt, schon von Schwann (Lit.-Verz. 1839, p. 148 ff.) in
Untersuchung genommen worden, an Zupfpräparaten der Aortenwand
von Schweinsembrj'onen ; er leitet ihre Bildung gleichfalls von
embryonalen Bindegewebszellen ab. Man muß jedoch sagen, un-
beschadet der Richtigkeit dieses Satzes, daß Schwann's Beschreibung
und Abbildungen dafür nicht recht beweisend sind ; sie thun nur dar,
daß die jungen elastischen Fasern in enger Anlagerung an kernhaltige
Zellen entstehen.
Weiter gelangten in dieser Frage die Forscher, die am Knorpel
(Netzknorpel) zu arbeiten begannen. Nachdem RABL-RtiCKHARD (18(3.3)
den fötalen Ohrknorpel verschiedener Tiere auf die Entwickelung seiner
elastischen Fasernetze untersucht und nichts hatte finden können, was
für eine Abhängigkeit ihrer Entstehung von den Zellen zu sprechen
schien, gewann 0, Hertwig (1873) am gleichen Objekt, beim mensch-
lichen Embryo, unter Zugrundelegung hinreichend früher Stadien (von
15 cm an) und feiner Querschnitte, das folgende Resultat: „Die
Fisr. c.
Fig. 4 a— c. Nach O. Hertwig, Fig. 2, 4, 5, Arch. mikr. Anat., Bd. 9, Tai 7.
Vergl. die folgende Beschreibung im Text.
elastischen Fasern entstehen im Netzknorpel unmittelbar nach
dem ersten Auftreten einer Z wisch ensub stanz oder
gleichzeitig mit ihr, und zwar immer unmittelbar auf der Ober-
fläche des Protoplasma. Die Zellen, welche die ersten elastischen
Fasern bilden, liegen in Reihen senkrecht auf der Oberfläche des
Knorpels, jede Reihe bildet lange, den Knor])el senkrecht durchsetzende
Fasern, welche wie Reusen die Zellen umschließen (vergl. Fig. 4, hier).
Die Histogenese der Stützsubstanzen der Bindesubstanzgrnppe. 11
Die ' Fasern sind von Anfang an, auch wenn sie noch von kaum
meßbarer Feinheit sind , unlöslich in Kalilauge , daher gleich von
ihrer ersten Bildung an echtes elastisches Gewebe. Die räumlichen
Verhältnisse der Entstehung derselben stützen nicht die bisher ver-
breitete Ansicht, daß es sich dabei um eine Umwandlung zuerst ge-
bildeter homogener Knorpelgrundsubstanz handle, sondern sprechen
dafür, daß das Protoplasma der Zellen die elastische Substanz gleich
als fertig bilde, als was wir sie auch später finden. Es ist dieselbe
formative Thätigkeit des Protoplasma (M. Schultz e), der die elastische
Substanz ihr Dasein verdankt, wie dieselbe im fibrillären Bindegewebe
den Fibrillen den Ursprung giebt (vergl. Boll, oben). Die weitere
Entwickelung der einmal angelegten elastischen Fasern erfolgt nun
durch Intussusception in die extraprotoplasmatische Substanz, wie dies
für alle Membran- und Intercellularsubstanzen stattfindet. Dabei ent-
stehen neue Fasern immer nur entweder im Anschluß an die alten,
so namentlich die Netze. Avelche sich an die ersten glatten Fasern
bald anschließen, immer nur durch Auswachsen der ersteren, nie
durch freie Bildung elastischer Körnchen oder Fasern inmitten homo-
gener Intercellularsubstanz ; oder in der unmittelbaren Umgebung des
Protoplasmas der persistierenden Zellen, welche fortfahren, ihre formative
Thätigkeit in mannigfacher Weise zu äußern" (1. c. 1873, p. 97 ff.).
Den hierfür wohl überzeugenden Bildern 0. Hertwig's. Fig. 4a — c,
gegenüber scheinen die negativen Px,esultate Rabl-Rückhard's darauf
zu beziehen, daß er sich an ältere Stadien gehalten hat. in denen
schon dickere „Kapseln" der Knorpelzellen zur Ausbildung gelangt
sind, wo dann eine unmittelbare Bildung von Fasern aus Proto-
plasma im obengedachten HERTWiG'schen Sinne nicht mehr stattfindet,
soweit dies nicht in der Weise, welche der folgende Autor (Deutsch-
mann) im Auge hatte, unter Mitwirkung der Knorpelzellenkapsel und
in dieser gebildeter Elastinkörnchen. geschieht.
Eine Arbeit von Deutschmann, welche den Arytänoidknorpel des
Rindes zum Gegenstand nahm (1873), schloß sich der Arbeit 0. Hert-
wig's an und kam im wesentlichen zu dem gleichen Resultat, indem
sie die Bildung der Faserwerke von den Zellen ausgehen ließ; nur
ließ Deutschmann dieselbe in der Knorpelkapsel, die er als modi-
fizierte periphere Plasmaschicht der Zelle deutet, vor sich gehen, und
zwar anfänglich in der Art, daß sich in der Kapsel feine Elastin-
körnchen bilden und zu feinkörnigen Leisten — eben den jungen
elastischen Fasern — zusammenordnen. Ranvier in seinem Traite
d'Histologie (p. 411—412) sprach sich nach Untersuchungen am Ary-
tänoidknorpel des Hundes, ähnlich Deutschmann (s. oben), dahin
aus, daß die elastische Substanz zuerst in Form von feinen Körnchen
in der Peripherie der Zellen angelegt werde (Fig. 146 1. c). die dann
leistenförmig zusammenfiössen und die elastischen Fasern bildeten.
Schwalbe (1877) hat diese Anschauung dahin kritisiert, daß die
RANViER'schen Körner auch Kuustprodukte sein könnten, wie sie bei
prolongierter Maceration in Chromsäure- und Osmiumsäurelösungen
aus elastischen Fasern durch Zerfällung entstehen. Doch ist diese
Kritik vielleicht zu hart, da ja auch Deutschmann, der diese Mittel
nicht anwandte, die Körnchen gesehen hat. Reinke, einer der neuesten
Autoren über die Genese elastischer Fasern (l'^94), scheint ebenfalls
für eine primäre Ablagerung des Elastins in Form von Körnchen zu
sein, obgleich er dies nicht direkt ausspricht, sondern nur auf das
12
W. Flemming.
Vorkommen reichlicher, wie die jungen elastischen Fasern tingierbarer
Körnchen in den betreffenden Zellen hinweist, Körnchen, die auch ich
(1897. Tai". 5, Fig. 2, 3, 4) in denselben gesehen habe.
Gegen eine erste Anlage des Elastins in körniger Form sprechen
auch nicht die neueren, höchst interessanten Befunde, die man über
die Entstehung elastischer Fasern im Netzknorpel gemacht hat (Leo
Um Wandelung
ganzer
erste derartige Beobachtung gehört Deutschmann (1. c),
im Arytänoidknorpel des Rindes Zellen fand,
feinfaserige Masse
derer ganze
umgewandelt
Gerlach , A. Spuler) , Befunde direkter
Knorpelzellen in Elastinsubstanz.
Die
welcher
Substanz in eine diflus körnige oder
war, und deren Faserausläufer zum Teil mit denen anderer Zellen
von gleicher Beschaffenheit anastomosierten. Deutschmann läßt, ent-
sprechend seiner oben angeführten Anschauung, die körnigen Zustände
den faserigen vorangehen und die von der Zelli)erii)herie (Kapsel)
ausstrahlenden Fasern aus anfänglich in dieser Kapsel — „in dem
körnigen Kapselkontur", wie er sich ausdrückt — entstehenden Körnchen
zusammengereiht werden. Leo Gerlach widmete solchen Zellen im
Arytänoidknorpel des Rindes an Goldpräi)araten eine genauere Unter
(1878). Er nennt die betreffenden Zellen
suchung
„Faserkugeln"
Fig. 5. „Faserkugeln" nach L. Gerlach (1878).
solche können, unter Schwinden des Kernes, vollständig in elastische
Substanz umgewandelt werden. Die Grundlage der letzteren tritt auf
in Form kleiner, körniger, mit der Goldmethode sich grau färbender
Scheibchen, die dem Zellprotoplasma außen sich anlagern, von welchen
Scheibchen schon bei ihrer ersten Anlage strahlenartig abgehende Fasern
gebildet werden können oder später gebildet werden. Diese Scheibchen-
anlagen vergrößern sich und fließen um die Zelle her zusammen,
indem sie auf Kosten von deren Substanz anwachsen. „So viel'', sagt
Gerlach (p. 109 1. c.) „ist sicher, daß aus der Körnelung elastische
Fasern hervorgehen, da man
aus ihr hervortreten sieht."
erste Anlage der Fasern um
plasma, die sich zu P'asern veremigen,
Plasma der Zelle aufgebraucht wird. A
Arytänoidknorpel des Rindes an feinen
letztere bald in derselben verlaufen, bald
Also auch nach ihm handelt es sich als
von Elastinkörnern im Proto-
wobei dann allmählich das
Spuler (1895), welcher am
Schnitten (.')— 10//) mittelst
die Bildung
Die Histogenese der Stützsubstanzen der Bindesnbstanzgruppe. 13
Cami)eclie-, Alaun-, Safranin- und Orceinfärbung untersuchte, gelangte
zu Ergebnissen, die im wesentlichen bestätigend für die Gerlach-
schen sind: er fand, daß die elastischen Elemente „von den Zellen
selbst gebildet werden, daß aber die Bildung nicht von dem eigentlichen
Zellleib auszugehen braucht, sondern daß auch diskontinuierlich, an
entfernteren Stellen des Netzwerks in der Grundsubstanz der Bildungs-
prozeß statthaben kann" (p. 12 — 13 1. c). Denn für die Existenz der
von Gerlach gefundenen, mit den Zellen in Zusammenhang befindlichen
elastischen Netzwerke tritt auch Spuler entschieden ein. Unter
Zugrundelegung der HANSEN'schen Anschauungen (s. alsbald unten)
ergiebt sich für dieses Verhalten, für die anscheinende Bildung von
elastischen Fasern in der Grundsubstanz entfernt von Zellkörpern,
ein volles Verständnis.
Der neueste Autor über die Entwickelung der Stützsubstanzen
ist Fr. C. C. Hansen ^). Er hat das große Verdienst, der definitive
Begründer ^) einer Betrachtungsweise zu sein, welche geeignet ist, den
Streit zwischen den Anhängern cellulärer und intercellulärer Fibrillen-
bildung zur Versöhnung zu bringen, so weit, wie dies nach dem
Obigen überhaupt noch erforderlich erscheint. Diese Anschauung —
die im Obigen schon mehrfach Erwähnung gefunden hat und der ich
mich, wie dort gesagt, anschließen möchte — geht dahin, daß die
embryonale Bindesubstanzzelle zunächst an ihrer Peripherie eine
mantelförmige Anlagerung bildet, Ektoplasma von Hansen genannt,
welche durch stärkeres Lichtbrechungsvermögen ausgezeichnet ist, und
in welcher sowohl Fibrillenbündel als elastische Fasern entstehen
können ^). Da sich dieses Vermögen der Ektoplasmen, faserig ge-
formte Intercellularsubstanzen zu bilden, relativ lange erhalten kann,
so lassen sich solche Fälle, in welchen man solche anscheinend frei in
der Grundsubstanz entstehen sieht, wie z. B. im Knorpel, ausreichend
erklären. Es ist, um es in andere Worte zu fassen, die Intercellular-
substanz der Stützsubstanzen ein zusammenhängendes Verschmelzuugs-
produkt der von den Bildungszellen geschaffenen Ektoplasmen, welches
zu vitalen Prozessen, wie zur Faserbildung, noch relativ lange be-
fähigt bleibt.
1) 1898, 1899 und (zusammenfassendes Werk) 1900. Größtenteils nach den
dem letzteren voraagehenden Arbeiten (1898, 1899) referiert. Die zusammenfassende
Arbeit enthält (im ersten Abschnitt) eine reichhaltige Besprechung der physiologischen
Chemie der Gruudsubstanzen des Knorpels und der übrigen Bindesubstanzen, be-
sonders mit Hinsicht auf die Forschungen MöRNER's, Hammar's, Ewald's u. a.
2) Daß eigentlich bereits Spuler (1895) die Idee begründet hat, daß die
Produktion von Fibrillen nicht bloß von den Zellen selbst, sondern vermittelst von
ihnen produzierter ,,AußenzoDen" in der Grundsubstanz besorgt werden könne, ist
wenige Seiten weiter unten besj^rochen.
3) 1899, Anatom. Anzeiger, Bd. 16, p. 419: „Das Ektoplasma bildet nun auch.
Bindegewebsfibrillen, und eine Weile findet man gleichzeitig das Endo- und Ekto-
plasma an deren Bildung beteiligt, aber relativ schnell wird diese Funktion, die
Bildung von collagenen Fasern, von der peripheren Schicht, dem Ektoplasma, allein
übernommen, dagegen man an einigen Zellen bisweilen noch an späteren Stadien
noch eine oder mehrere echte elastische Fasern von Endoplasma-Ausläufern ent-
springen sieht". Diese Stelle bezieht sich auf den Knorpel der Intervertebralscheiben,
an welchem Hansen vorzüglich gearbeitet hat. Hansex erkennt also ausdrücklich
an, daß sowohl zu Anfang das Endoplasma allein im stände ist, Fibrillen zu bilden,
als später und auf längere Dauer das aus jenem entstandene Ektoplasma; was mit
meinen Angaben stimmt, nach welchen die erste Bildung von Fibrillen in den
Zellenleib selbst (i. e. Endoplasma) zu verlegen ist.
14
W. Flemming.
In (liesein Sinne habe ich den Ideen Hansen's beitreten können.
Denn ich habe erstens stets betont, daß die erste, früheste Bildung
von Fibrillen auftritt in der peripheren Schicht (nicht gerade „auf
der Obertiäche" der Bindegewebszellen, wie es Lwoff wollte), was
also mit Hansen's Ektoplasmabildung ziemlich übereinkommt. Ich
habe aber ferner stets daran festgehalten, daß die Intercellularmasse
der Stützsubstauz ein mit leb en-
der, dem EinÜuß des Stoffwechsels
der Zellen dauernd unterworfener
Teil des Gewebes ist, dessen blei-
bende Befähigung zur Produktion
neuer , faseriger Strukturen des-
Ectopl.
Einst Fasern
r^^wt»^-
Grundsubsf £ictopi Tv
Fig. 6. Fig. 7.
Fig. 6 und Fig. 7. Nach Hansen, Anat. Anzeiger, 1899.
halb nicht ausgeschlossen ist. Dies namentlich gegenüber den Aus-
sagen Weigert's (1896), in welchen die Intercellularsubstanzeu für
tot erklärt werden, weil sie „keine Eiweißkörper mehr seien, was sie
doch als lebende Substanzen sein müßten, sondern aus einem viel
'abilen Material, als diese, beständen". Ich sehe nicht ein.
weniger
warum ein Ding, um zu leben, d. h. um einen Stoffwechsel zu haben,
notwendig ein Eiweißkörper sein muß, und eitlere hier das, was ich,
noch vor der Mitteilung von Hansen's Ergebnissen und Anschauungen,
gegenüber Weigert's angeführter Stelle geäußert habe (181*7): „Wei-
gert giebt (als Grund für seine Meinung) an, daß die Intercellular-
substanzeu Albuminoide und keine Eiweißkörper mehr seien, was sie
doch als lebende Substanzen sein müßten ; sie beständen aus einem
viel weniger labilen Material als diese. In diesem Schluß kann ich
meinem hochverehrten Kollegen nicht folgen. Ich sehe nicht ein.
warum der Begriff des Lebens notwendig nur an die Marke „Eiweiß-
körper" geknüpft sein muß ; ich gebe vollkommen zu, daß die lebendigen
Stoff Wechselvorgänge, wenn sie auch in den Intercellularsubstanzeu
spielen, hier viel träger sein werden als in den Zellen, daß sie aber
in den ersteren ganz fehlen sollten, daran habe ich nie gedacht und
möchte einen Beweis dafür doch erst abwarten. Weigert scheint
einen solchen darin sehen zu wollen, daß die feinen Forinteile der
Intercellularsubstanzeu (also P'ibrillen und elastische Fasern) sich post
mortem lange in der Form erhalten, die Eiweißkörper nicht. Das
kommt aber ganz auf die Behandlung an. Ein Stück Leder würde
sich auch nicht so erhalten, wenn es nicht gegerbt wäre. In einer
Mumie sind die aus Eiweißkörpern bestehenden Teile ja auch sehr
Die Histogenese der Stützsubstanzen der Bindesubstanzgruppe. 15
dauernd erhalten, und in einem gut fixierten mikroskopischen Prä-
parat sind die Zellen auf die Dauer ebenso schön konserviert, wie die
Fibrillen im Leder. Ich werde natürlich wegen dieser Konservierung
die Fibrillen in einer Schuhsohle so wenig für lebendig halten, als
ich Weigert zumuten möchte, daß er einen Rückenmarksschnitt für
lebendig hält. Beide Dinge beweisen eben nur, daß wir Körper-
bestandteile in totem Zustand gut und lange zu erhalten vermögen,
sie beweisen aber nichts dagegen, daß diese in beiden Fällen einst
gelebt haben können."
Ein Objekt, welches Hansen seinen Untersuchungen besonders
zu Grunde legte, sind die Knorpel der Intervertebralscheiben (an
Kalbsföten von 40—70 cm Länge), in ihren tieferen weicheren
Partien; ich habe einige seiner Bilder von Knorpelzellen (Fig. (3 und
Fig. 7) hier wiedergegeben, welche das Endo- und Ektoplasma der-
selben und ihre fibrilläre bezw, elastische Umwandlung zeigen. Hansen's
Figuren im Anatomischen Anzeiger 1899 (Fig. 5 — 13) thun dar, wie der
ganze Zellenleib i. e. das Eudoplasma in die Bildung kurzer, starrer
Fibrillen aufgehen kann, und wie im elastischen Netzknorpel (Arytänoid-
knorpel, Fig. 13), im Zusammenhang mit ehemaligen Ektoplasraen,
in der Grundsubstanz eingestreute sternförmige Bildungen verbleiben
.,fibrillogene Sterne", Hansen), welche dann gleichzeitig Bindegewebs-
fibrillen und elastische Fasern aus sich entwickeln können.
„Die Verhältnisse, welche ich beschrieben habe", sagt Hansen,
„zeigen, wie mir scheint, unzweifelhaft, daß die Grundsubstanzen ebenso
gut wie die Zellen als ,lebendig' betrachtet werden müssen, d. h. daß
sie, innerhalb gewisser Grenzen von den Zellen unabhängig, ,formative
Thätigkeit' entfalten können." Aber ich muß dies doch immer dahin
verstehen, daß die Grundsubstanzen, die solches thun, wie in specie
die eben erwähnten sternförmigen Bildungen, doch ihren Ausgang
genommen haben oder haben können von ehemaligen Ektoplasmen
von Zellen, die ihrerseits von deren Endoplasmen aus gebildet sind;
so daß ich in Hansen's Arbeiten, trotz der eben citierten Stelle, bis
jetzt keinerlei Widerspruch mit der Theorie Max Schultze's zu
finden im stände bin.
Hansen selbst erkennt dies an, indem er (1. c. p. 421) äußert:
„Die Verhältnisse, welche ich hier an einem und demselben Gewebe
und Ort (den Intervertebralscheiben) gefunden habe, stehen ja einer-
seits in der schönsten Uebereinstimmung mit der intracellulären Genese
der Bindegewebsfibrillen, wie sie zuerst einwandsfrei von Flemming
(1901) nachgewiesen wurde ^), andererseits schlagen sie eine
Brücke zu der extracellulären Entwickelung der Bindesubstanzen (i. e.
ihrer Fibrillen), wie sie beispielsweise v. Ebner an der Chorda-
scheide von Ammocoetes u. a. konstatiert hat."
Es sei noch auf die Bemerkungen verwiesen, welche Spuler in
neuester Zeit (1899) an die Mitteilung von Hansen's Resultaten ge-
knüpft hat (1899, Beitrag zur Histiogenese des Mesenchyms, p. 13 ff.).
Sie beziehen sich auf Spuler's eigene Untersuchungen am Knorpel
(1895) und Knochen. Nach ihnen sind bei ersterem die Zustände,
bevor der Organismus Fibrillen bildet, von denen zu unterscheiden,
1) Ich möchte Heber sagen: v. Boll (1872), denn meine Arbeit von 1891
war diesem gegenüber nur eine Nachuntersuchung an einem neuen, besonders
dankbaren Objekte zu nennen.
16 W. Flemming,
die sich von dieser Zeit an finden. In ersteren bilden die Zellen „Anßen-
zonen" von Grundsubstanz, ganz entsprechend dem HANSEN"schen,
„Ektoplasma", welche sich nachher von den Zellen ablösen und ,,selb-
ständiger forniativer Prozesse fähig zu denken sind" (am cit. Orte
1899). Spuler hat sonach schon vor Hansen die Idee vertreten,
daß auf diesem Wege die Formung von Fibrillen auch noch in schon
gebildeter Grundsubstanz stattfinden kann. Im Stadium der Fibr..ien-
bildung erfolgt dann auch die, sicher von den Zellen ausgehende Ab-
scheidung der Kittsubstanz zwischen die Fibrillen ; durch sie werden
letztere verdeckt und sind dann nur schwer sichtbar zu machen.
Die Ermittelungen Spuler's über die Ablagerung der Kalk-
körnchen in die Kittsubstanz am jungen Knochen sind unten bei
„Bemerkungen zur Histogeuese der Knochengrundsubstanz" be-
sprochen.
Die Methode, welcher Hansen (neben Methyleublautinktionen) die
erwähnten Resultate verdankt, ist eine von ihm selbst erfundene (1898
an den beiden citierten Orten) Schnittfärbung, die er besonders am
Knorpel der Intervertebralscheiben (Rind) anwandte. Es wird eine
wässerige Stammlösung von 100 g kalt gesättigter Pikrinsäure mit
Zusatz von 5 ccm einer 2-proz, wässerigen Säurefuchsinlösung bereitet.
Verweilen der Schnitte in dieser mit Essigsäure (^3 Tropfen auf
3 ccm) angesäuerten Farbflotte auf 1 — 2 Min. ist gewöhnlich aus-
reichend. Der Schnitt wird dann auf dem Spatel mit 'destilliertem
Wasser, unter Zusatz von etwas Farbflüssigkeit, geprüft, mit Alkohol
comm. und absolutus entwässert und in Xylol-Canadabalsam einge-
schlossen. Der erwähnte Essigsäurezusatz darf nur der angegebene
minimale sein. Die Resultate sind : Bindegewebe (d. h. collagene Inter-
cellularsubstanz) leuchtend rot, alle anderen Bestandteile (auch das
„Elastin") gelb. — Daneben wurde besonders basische Methylenblau-
färbung der Chondromucoide (Mörner) benutzt.
Bemerkung zur Histo genese der Knochengrund-
substanz. Beim peri- wie beim endochondralen Knochenwachstum
ist es eine und dieselbe Sorte von Zellen der Stützsubstanz, welche
die erste Bildung von collagenen Bindegewebsfibrillen ^) im Knochen,
und zugleich die Durchsetzung von deren Kittsubstanz mit Kalksalzen
in feinster Körnchenform vermittelt. Diese Zellen sind bekanntlich
von Gegenbaur -) entdeckt und als „Osteoblasten" bezeichnet worden.
Sie sammeln sich (wie notwendig anzunehmen ist, unter andauernder
Vermehrung durch Teilung) in epithelartiger Schicht in einer innersten
(dritten) Lage des Perichondriums (oder späteren Periosts) an, und
sie dringen beim endochondralen Knochenwachstum, die in den Knorpel
wachsenden Blutgefäße begleitend, in die primären Markräume vor.
Für die Anwesenheit von Osteoblasten wird also überall gesorgt, wo
Knochengrundsubstanz gebildet werden soll, und wir können diese
Zellen für homolog den fibrillenbildenden des Bindegewebes halten,
abgesehen davon, daß sie außerdem auch noch die Ablagerung der
Kalksalze in die Kittsubstanz ^j der Fibrillen, in noch nicht näher
bekannter Weise, besorgen.
1) Ich setze als bekannt voraus , daß nach v. Ebxer's Entdeckung (1876)
die Gnmdsubstanz des Knochens aus leiragebenden Fibrillenbündeln aufgebaut ist.
2) Zeitschr. rat. Med., 3. R. Bd. 18, p. ßl.
3) Xach V. Ebner (1887) ist anzunehmen, daß die feinen Kalkkörnchen des
Knochens nicht in den Fibrillen, sondern in deren Kittsubstanz gelegen sind.
Die Histogenese der Stützsubstanzen der Bindesubstanzgruppe. 17
Es sind relativ kleine, dunkel und sehr feinfaserig aussehende,
nach Chrom- oder Pikrinsäurefixierung stark mit Karmin färbbare
Zellen, die an ihrer Peripherie eine aus Knochenfibrillen und ver-
kalkter Kittsubstanz bestehende Schale ausscheiden oder, wohl besser,
aus ihrer Substanz formen und dabei selbst fest in diese junge
Kno^henschale eingeschlossen werden, indem gegenseitige, die benach-
bartbii Zellen verbindende Ausläufer darin offen bleiben, die Ausläufer
der persistierenden Knochenzellen.
Daß dies das Wesen des Vorganges ist, können wir nur schließen ;
ihn direkt zu beobachten, ist bis jetzt nicht wohl möglich.
Doch drängen die neuesten Beobachtungen Spuler's (99, p. 16)
am jungen Knochen zu der Annahme hin, daß zunächst die
iibrilläre Grundsubstanz gebildet wird — indem dabei das Collagen,
wie die P'ärbungen mit Rubin S zeigen, im Zellleib selbst gebildet
resp. vorgebildet wird — und dann, zweitens, die Zwischenlagerung
einer kalkhaltigen Kittsubstanz stattfindet. Nach Vergleich von
Hämotoxylin-, Eosin- und Karminfärbungen hält Spuler sich zu der
Annahme berechtigt, „daß die bei ersterem Verfahren sich schwarz
färbenden Massen den organischen Rest darstellen, mit dem die bei
der Entkalkung entfernten anorganischen Salze verbunden waren".
,,Es liegt also bei wachsenden Knochenbälkchen eine unverkalkte
Schicht um die schon verkalkte herum." „Häufig begegnet man Bildern,
bei denen s' h jene schwarzen Körnchen an den feinen Protoplasma-
fortsätzen der Osteoblasten befinden. Sie werden offenbar so an die
Stelle transportiert, wo sie abgelagert werden" (Spuler, 1. c).
Für den äußerlichen, gröberen Habitus des späteren und post-
fötalen, peri- und endochondralen Knochenwachstums, sowie für die
Kontroverse, ob ein interstitielles, oder lediglich endochondrales und
appositionelles Wachstum existiert, erlaube ich mir, auf die Hand- und
Lehrbücher der Histologie zu verweisen (Ausgangspunkt: Rollett's
Zusammenfassung in Stricker's Handbuch der Lehre von den
Geweben).
NomeiiMatorischer Anhang;.
Zur Frage nach der zweckmäßigsten Benen n ungs weise der
Stützsubstanzgewebe und ihrer Intercellularmassen ist in neuester
Zeit eine wichtige Meinungsäußerung von Waldeyer (1900), unter
dem Titel: „Kittsubstanz und Grundsubstanz, Epithel und
Endothel" hervorgetreteil, welche, wie mir scheint, an diesem Orte
nicht unerwähnt bleiben darf. Waldeyer findet mit Recht, daß in
der neueren Litteratur die Namen „manchmal wahllos und ziellos zur
Verwendung kommen", und schlägt zur Abstellung dessen die folgende
Beneunungsweise vor, die, was auch dagegen eingewendet werden
mag (s. z. B. den neuen Aufsatz Schaffer's „Grundsubstanz, Inter-
cellularsubstanz und Kittsubstanz", 1901) jedenfalls den großen Vorteil
der Einheitlichkeit bieten würde. Die Anschauungen Waldeyer's
sind niedergelegt in dem „Cinquantenaire de la Societe de Biologie,
Vol. jubilaire public par la Societe. Paris 1899, Masson et Co.
p. 531 ff. und in Arch. mikr. Anat. Bd. 57, 1800, p. 1. Der Ver-
fasser empfiehlt, den Namen „Kittsubstanz" ganz aus der Nomen-
klatur zu streichen. Es könne nur zu Verwirrungen führen,
wenn man beim Knochen- und Knorpelgewebe von einer „Grund-
substanz" oder „Intercellularsubstauz" spreche, beim faserigen Binde-
Handbach der Entwickelungslehre. III. 2. 2
18 W. Flemming,
gewebe aber von einer „interfibrillären Kittsubstanz". Was hier die
Fibrillen zusammenhalte, sei histologisch und genetisch dieselbe Grund-
substanz wie beim Knochen oder Knorpel, nur nach der Konsistenz
und nach einzelnen chemischen Eigenschaften verschieden. Waldeyer
schlägt die folgende Nomenklatur vor: „Die ganze hierhergehörige
Gewebsgruppe heiße : „ G r u n d s u b s t a n z g e w e b e" von demjenigen
ihrer Bestandteile, welcher sie den anderen Grundgeweben des Körpers,
dem Epithel-, Muskel- und Nervengewebe gegenüber charakterisiert.
Zu diesen Grundsubstanzgeweben gehören nun das Bindegewebe,
elastische Gewebe, Schleimgewebe, Knorpelgewebe, Knochengewebe,
Zahnbeingewebe , das Pigmeutbindegewebe , Fettgewebe und das
lymphoide Gewebe. Sie alle führen in mehr oder minderer Masse
eine structurlose Grundsubstanz ; darunter möge die basophile amorphe
„Zwischensubstanz'' („Kittsubstanz") Tillmanns, Hansen) verstanden
werden. Ferner führen sie meist Fibrillen von besonderer Feinheit
und mehr starrem Verlaufe, die keine Bündel bilden und am frischen
Präparat fast stets unsichtbar, d. h. in der Grundsubstanz „maskiert"
sind (wegen der gleichen Lichtbrechung mit dieser);; diese Fibrillen
nenne ich „Grün dfib rillen". Da es nun erwünscht ist, Grund-
fibrillen und Grundsubstanz, welche an frischen oder auch an er-
härteten Präparaten eine nicht weiter auflösbare Einheit bilden, mit
einer besonderen Benennung zu versehen, so möge dieser Komplex,
den manche als „Grundsubstanz" bezeichnen, mit dem alten Namen
„Intercellularsubstanz" belegt werden. Damit wird zugleich angezeigt,
daß Zellen dieser Substanz eingelagert sind.
Die „Zellen", welche nun den dritten Bestandteil der Grund-
substanzgewebe darstellen, sollen in allgemeiner Bezeichnung den
Namen „ G r u n d s u b s t a n z z e 1 1 e n" führen. Sie unterscheiden sich
in die vielerlei Arten der fixen und beweglichen Grundsubstanz-
zellen. Als vierter Bestandteil wären dann diejenigen „Fasern" zu
nennen, die am frischen Präparat nicht „maskiert" sind, also die
CO IIa gen en und elastischen Fasern. Diese „sichtbaren" Fasern
schlägt Waldeyer vor „In ter cell ular fasern" zu nennen, da sie
in der Intercellularsubstanz liegen. Kurz zusammengefaßt, wären also
die Bestandteile der Grundsubstanzgewebe: 1) die Zellen (Grund-
substanz z e 1 1 e n), 2) die Intercellularsubstanz, 3) die I n t e r -
cell ular fasern. Die Intercellularsubstanz bestände wiederum aus
der Grundsubstanz und den Grün dfib rillen." (Citiert aus
der Publikation Waldeyer's von 1900, Litt.-Verz. p. 7 und 8).
Litteratur.
Baur, Die Enhvickehmg der Binde Substanz. Tübingen 1858.
Boll, Fr, Untersnchungen über den Bau. und die Enticickeliing der Gewebe. Arch.
mikr. Anat. Bd. VIII. Zweite Abteilung : Die Entioickelung des fibriUären Binde-
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Breslauer. Ueber die Entwicklung des fibriUären Bindegewebes. Arch. mikr. Anat.
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ßrunitnond. Researches on the mode of development of the tissnes in the mammalian
body. Monthly .lourn. Oct. 1853. '(S. Henle's Jahresber. 1853. p. 28.).
Die Histogenese der Stützsubstanzen der Bindesubstanzgruppe. 19
V. Ebner. Ueber den feineren Bau der Knochensicbstanz. Wien. Sitz.-Ber. M.-n. Kl.
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— Die Chorda dorsalis der niederen Fische und die Entwickeluny des fibrillären Binde-
gewebes. Zeitschr. tuiss. Zool. Bd. LXII. 1896.
— Sind die Fibrillen der Knochensubstanz verkalkt oder nicht f Arch. mikr. Anat.
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Young. Zur Anatomie der ödematösen Haut. Wiener Sitz.-Ber. Bd. LVII. 1868,
Viertes Kapitel.
Die Entwickelung des Blutgefässsystems
[des Herzens nebst Herzbeutel und Zwerchfell, der Blut- und
Lymphgefässe, der Ljnoiphdrüsen und der Milz in der Reihe
der Wirbeltiere].
Von
Professor Hochstetter.
Das Herz.
In einem vorhergehenden Kapitel wurde gezeigt, wie sich bei
den verschiedenen Wirbeltieren die Anlage des Herzens bildet und
wie schließlich bei allen ein Zustand resultiert, in welchem das Herz
einen einfachen Schlauch darstellt, der an seinem caudalen Ende die
beiden Dotterdarmvenen aufnimmt und da gewissermaßen in zwei
Zipfel auszulaufen scheint, während sein craniales Ende in ein
kurzes Rohr, den Truncus arteriosus, der seinerseits wieder in die beiden
ersten Aortenbogen zerfällt, übergeht. — Aufgabe dieses Kapitels wird
es nun sein, die Umgestaltungen zu schildern, welchen dieser Herz-
schlauch während der weiteren Entwickelung bei den verschiedenen
Wirbeltierformen unterworfen ist, und wie sich aus ihm das ge-
kammerte Herz entwickelt.
Fisclie.
Selachier.
Bei den Embryonen der Selachier durchzieht der cranialwärts
leicht konisch sich verjüngende, anfänglich genau in der Mittelebene
und ventral vom Darme gelagerte Herzschlauch den cranialsten Ab-
schnitt der Leibeshöhle. — Seine Wand besteht aus den beiden für
den Herzschlauch der Embryonen sämtlicher Wirbeltiere charakte-
ristischen Schichten, dem Endothelrohre und der mesodermalen Herz-
wand, w^elch letztere, noch aus einer einfachen Lage von Zellen ge-
bildet, durch das Mesocardium posterius, mit der mesodermalen Darm-
wand in Verbindung steht (Fig. 8). Zwischen beiden Wandschichten
aber besteht ein breiter mit Flüssigkeit erfüllter Zwischenraum.
22
HOCHSTETTER,
E u t w i c k e 1 u 11 g der ä u ß e r e n Fo r m des Herzens. Indem
der Herz schlauch rascher in die Länge wächst als der ihn beher-
bergende Abschnitt der Leibeshöhle, die Pericardialhöhle, beginnt er
sich in eigenartiger Weise zu krümmen, ein Vorgang, der das Zugrunde-
gehen des Mesocardium posterius zur Folge hat. — Gleichzeitig treten
infolge ungleichmäßigen Wachstumes seiner Wand Einschnürungen
und Ausbuchtungen an derselben auf, die uns nunmehr am Herz-
schlauch verschiedene Unterabteilungen unterscheiden lassen. Das
caudale, die Dotterdarmvenen und später auch die Ductus Cuvieri auf-
nehmende Ende des Herzens, der Sinus venosus, ist durch eine leichte
Einschnürung (Fig. 9a) von dem nächsten, stärker ausgeweiteten Teile
des Schlauches, der Vorkammer gesondert. — Die Vorkammer selbst
wieder, die wie der Sinus venosus in ihrer ursprünglichen Lage
ventral vom Darme verharrt, geht mittelst eines verengten, unter
rechtem Winkel in sagittaler Richtung ventral wärts von ihr abbiegenden,
ganz kurzen Schlauchabschnittes, des sogenannten Canalis auricularis,
in die Kammerabteilung über, die ihrerseits neuerlich in transversaler
Richtung nach rechts abbiegt (Fig. 9b) um
schließlich, spitzwinkelig abknickend, cranial-
wärts in das Endstück des Herzschlauches,
den sogenannten Bulbus cordis, überzu-
/*^\w— v#^\ gehen. — Dieser letztere läßt sich jedoch
l|'V^~-^_M ^„ äußerlich nicht scharf von der Kammer-
abteilung sondern.
, — SIc.ji.
■ m.H.w.
V. CO.
JB. CO.
- Atr.
- — S.v.
B. CO. -
V.CO X
Ca.
Fig. 9a.
Fig. 8. Querschnitt durch die Herzgegend eines Embryo von Aeanthias
vulgaris von 5 mm Länge. A. Aorten. Ch. Chorda. D. Darm. E. Endothel-
rohr. 3Ic.p. Mesocardium posterius. m.H.W. mesodermale Herzwand. Pc.H. Peri-
cardialhöhle.
Fig. 9a. L'nke Seitenansicht des Herzens eines Embryo von Aeanthias
vulgaris von 0,2 mm Länge. — Fig. 9b. Ventralansicht des Herzens desselben
Embryo. B. co. Bulbus cordis. Atr. Vorkammer. I'. co. Kammer. C. a. Canalis
auricularis. S.v. Sinus venosus.
Indem nun der Sinus venosus und die Vorkammer, welch letztere
sich immer stärker ausdehnt, wodurch die Einschnürung zwischen ihr
und dem Sinus immer schärfer hervortritt, in ihrer Lage zum Darme
verharren, während die Kammerabteilung und besonders der Bulbus
cordis immer stärker in die Länge wachsen und sich ausdehnen, ver-
schiebt sich die Kammer immer weiter in caudaler Richtung, bis sie
schließlich größtenteils ventral vor den Sinus venosus zu liegen
kommt, während die Vorkammer in immer nähere nachbarliche Be-
ziehung zum Bulbus cordis tritt (Fig. 10). — Schließlich nimmt dann
das ganze Herz, indem sich die Vorkammer immer mehr nach beiden
Die Entwickelung des Bkitgefäßsystems.
23
Seiten hin, ganz besonders aber auch cranialwärts ausdehnt, die Form
an, die zum definitiven Zustande hinüberführt (Fig. 11).
gestaltuug des Her zinnern. In dem Verhalten
Endothelrohr und mesodermaler Herzwand haben sich in-
ebenfalls wichtige Veränderungen vollzogen. — Vor allem
im Bereiche des Sinus venosus und der Vorkammer das aus
emer einfachen Schicht platter Zellen gebildete Endocardhäutchen der
mesodermalen Herzwand innig an, und zeigt sich letztere im Bereiche
des ganzen Herzens nunmehr aus zwei Zellschichten gebildet, von
denen die äußere die Anlage des Myocards darstellt. — Auch in der
Kammer beginnt sich bald das Endocard dem Myocard anzulegen.
zwischen
zwischen
legt sich
— B. w.
Fig. 10.
Fig. 11.
Ep. My.
Fig. 12.
Fig. 10. Linke Seitenansicht des Herzens eines Embryo von Acanthias
vulgaris von 14 mm Länge.
Fig. 11. Ventralansicht des Herzens eines Embryo von Acanthias vul-
garis von 22 mm Länge.
Fig. 12. Querschnitt durch den Bulbus cordis eines Embryo von Acanthias
vulgaris von 18 mm Länge. B.W. Bulbuswulst. Ep. Epicard. 3Iy. Myocard.
Die Bulbuswülste und die Entstehung der Semi-
lunarklapp en. Im Bereiche des Bulbus cordis und des Auricular-
kauales aber bleiben die ursprünglichen Beziehungen des Endocards
zunächst noch erhalten. — Bald treten jedoch an dem Endocard
dieser beiden Herzabteilungen eigenartige Zellwucherungen auf. —
Im Bulbus zeigen sich dieselben zunächst als streifenförmige Zell-
auflagerungen an der Außenfläche des Endocardhäutchens, die wulst-
förmige Vortreibungen desselben gegen das Bulbuslumen zu bedingen.
— Es sind die ersten Anlagen der Bulbuswülste, die bei Acanthias
vulgaris in der Vierzahl auftreten (Fig. 12).
— Indem diese Zellmassen endocardialeu ""'-..
Ursprunges sich rege vermehren und aus-
breiten, füllen sie den Zwischenraum
zwischen Endo- und Myocard, ein gallert-
artiges Gewebe bildend, aus. Gleichzeitig
treten die durch diese Gewebswucherung be-
dingten Bulbuswülste immer kräftiger her-
vor und bilden so im Bulbusrohre einen pri-
mitiven Verschlußapparat, der während der
Diastole der Kammer das Rückströmen des
Blutes in dieselbe verhindert, — Bei Acan-
thias vulgaris ist der ventrale Bulbuswulst
(Fig. 13), wie
angegeben hat,
als die übrigen
schon Gegenbaur (1894)
stets schwächer entwickelt
drei. — Durch den Rück-
v.B.W.
Fig. 13. Querschnitt durch
den Bulbus cordis eines Embryo
von Acanthias vulgaris
von 40 mm Länge. Ejy. Epicard.
My. Myocard. v.B.W. ventraler
Bulbuswulst.
24
HOCHSTETTER,
prall der Blutsäule während der Diastole der Kammer werden nun
zunächst die distalen Enden der Bulbuswülste ausgehöhlt i) und so
distale Taschenklappen gebildet, die jedoch, wie es scheint, nur einen
unvollkommenen Abschluß des Bulbusrohres herbeiführen, wodurch
es möglich Avird (Gegenbaur 1894), daß die ganzen Bulbuswülste
durch den rückpralleuden Blutstrom allmähhch zu Längsreihen von
Taschenklappen umgestaltet werden.
Die E n d 0 c a r d k i s s e n des A u r i c u 1 a r k a n a 1 e s. An der
Wand des Canalis auricularis ist es inzwischen ebenfalls zur Bildung
von Endocardwucherungen gekommen, dieselben betreffen seine craniale
und caudale Wand. — Sie füllen hier rasch den Zwischenraum zwischen
Endocard und Myocard aus und bilden 2 plastische Kissen, die wir
bei den meisten Wirbeltieren wiederfinden und als Endocardkissen des
Auricularkanals bezeichnen. — Sie sind ebenso wie die Bulbuswülste
im Bulbus als ein primitiver, während der Diastole der Vorkammer
funktionierender Verschlußapparat des Auricularkanales aufzufassen.
Die Entstehung der Muskel trab ekel der Kamm er -
w and u n d d i e B i 1 d u n g d e r A t r i o v e n tr i c u 1 a r klappen. Noch
bevor sich das Endocard der Muskelwand
der Kammer anlegt, beginnt an der
letzteren die Ausbildung von Muskel-
balken, die, immer zahlreicher werdend,
schließlich, nachdem die Anlagerung des
Endocards an das Myocard längst erfolgt
ist, nur einen verhältnismäßig kleinen cen-
tralen Kammerraum freilassen. — Diese
Muskelbalken reichen bis au den kurzen
Auricularkanal heran und stehen mit dessen
Wand besonders seitlich in direkter Verbin-
dung,— Nun dehnt sich die Kammer immer
stärker aus, und es erfolgt von ihr aus eine
UnterhöhlungderEndocardkissen des Auri-
cularkanales, die so zu den Taschenklappen
der Atrioventricularöffnung umgewandelt
werden (Fig. 14). — Sie wurzeln an der
Wand des Auricularkanales und stehen
seitlich durch Vermittelung derselben mit
den Fleischbalken der Kammer in Ver-
bindung. — Der Canalis auricularis selbst aber bleibt als ziemlich
deutlich abgrenzbarer selbständiger Herzabschnitt zeitlebens erhalten.
Die Bildung der Sinusklappen. Auch die Einschnürung
zwischen Sinus venosus und Vorkammer ist inzwischen stärker ge-
worden, und die durch diese Einschnürung bedingten Herzwandfalten
lassen die beiden rechts und links an der Sinusmündung in die Vor-
kammer bestehenden Sinusklappen hervorgehen (Rose 1890).
— E.K.
Fig. 14. Sagittalschnitt durch
das Herz eines Embryo von
Acanthias vulgaris von
33 mm Länge. E.K. Anlage der
Atrioventricularklappen. Atv.
Vorkammer. V.co. Kammer. S.v.
Sinl^s venosus.
Cyclostomen.
Sonderung der einzelnen Herzabteilungen. Beiden
Embryonen von Petromyzon buchtet sich (Goette A. B. HI, 2) die
Mitte des Herzschlauches frühzeitig nach rechts hin aus. Eine hinter
1) Diese Aushöhlung ist bei 4 cm langen Embryonen bereits erfolgt.
Die Entwickelung des Blutgefäßsysteins. 25
der Ausbuchtung auftretende Einschnürung scheidet die cranial ge-
legene Kammer von der nach links sich ausbuchtenden Vorkammer. —
Eine zweite Einschnürung sondert wieder die Vorkammer gegen den
Sinus venosus. — Aber auch an der Grenze des späteren Truncus
arteriosus, die Grenze dieses Rohres gegen die Kammer bezeichnend,
tritt eine leichte Einschnürung auf. — Hier sowohl wie an der Ein-
schnürung zwischen Kammer und Vorkammer entsteht, gegen das
Lumen des Herzschlauches zu vorspringend, je ein Klappenpaar
(GoETTE, A. L. III, 2; Shipley, A. L. III, 2). — Ein dem Bulbus cordis
der Selachier entsprechender Herzabschnitt der den ausgebildeten
Cyclostomen und Myxinoideu fehlt (J. Müller), scheint bei den
Embryonen dieser Tiere nicht einmal in der Anlage vorzukommen.
— lieber das Vorkommen von Endocardwülsten und Endocard-
kissen, aus denen sich die Klappen am Ursprünge des Truncus
arteriosus und die Atrioventricularklappeu entwickeln würden, finden
sich weder bei Goette noch bei Shipley Angaben.
Ganoiden.
Ueber die Entwickelung des Herzens der Ganoiden liegen specielle
Untersuchungen nicht vor, doch stimmt sein Bau mit dem des Selachier-
herzens in so vielen wesentlichen Punkten überein, daß wohl ange-
nommen werden darf, daß auch seine Entwickelung mit der des
Selachierherzens eine weitgehende Uebereinstimmung zeigen wird.
Teleostier.
Entwickelung der äußeren Form des Herzens. Die
Art und Weise, wie sich bei den Teleostiern der primitive Herzschlauch
krümmt, und wie sich seine einzelnen Abteilungen im Anfange zu
einander lagern, ist bei den verschiedenen Formen etwas verschieden
und hängt wohl, zum Teile wenigstens, von der Beeinflussung der
Lage des Herzens durch den mehr oder weniger stark entwickelten
Nahrungsdotter ab. — Im allgemeinen kann man sagen, daß sich der
Herzschlauch S-förmig krümmt (C. E, v. Bär, A. L. III, 4; Aubert,
A. L. III, 4; SoBOTTA 1894), während sich an ihm die Vorkammer
vom Sinus venosus und von der Kammer durch Ausbuchtungen seiner
Wand und entsprechende Einschnürungen sondert. — Indem die
Länge und Krümmung des ganzen Schlauches zunimmt, wobei die
Kammer mehr nach rechts, die Vorkammer aber nach links hin zu
liegen kommt, verschiebt sich die Kammerabteilung caudalwärts, so
daß sie meist ventral vor die Vorkammer und den Sinus venosus zu
liegen kommt.
Klappenapparat. An der Atrioventricularöflfnung entstehen
2 Taschenklappen, über deren Entwickelung sich ebensowenig ge-
nauere Angaben finden, wie über die der 2 halbmondförmigen
Klappen an der Mündung der Kammer in den Truncus arteriosus.
Bulbus cordis. Was den Bulbus cordis anbelangt, so erschien
es schon nach den Angaben von Boas (1880), der bei einigen Clupeiden
und bei Butirinus einen rudimentänen Bulbus cordis (Conus arteriosus)
nachweisen konnte , in hohem Grade wahrscheinhch , daß bei den
Teleostiern während des Embryonallebens ziemlich allgemein ein, wenn
auch recht kurzer derartiger an die Kammer sich anschließender
Herzabschnitt zur Anlage kommt, dessen Muskulatur aber später wieder
2B
HOCHSTETTER,
ZU Grunde geht. — Neuerdings hat nun Hoyer (1900) für die Em-
bryonen von Salmo salar das Vorhandensein eines kurzen, an die
Kammer angeschlossenen mit Muskelbelag versehenen Bulbusrohres
und in demselben das Vorkommen zweier Bulbuswülste nachgewiesen. —
Doch bedarf das Schicksal dieses schon rudimentär angelegten Bulbus
noch einer genaueren Aufklärung.
Fig. 15a. Fig. lob.
Fig. 15a. Ventralansicht des Her-
zens eines Embryo von Sala-
mandra atra von 5,5 mm Länge.
Fig. 15b. Dorsalansicht desselben
Herzens (beide Figuren nach einer
Linearkonstruktion j.
Ami)hibieii.
Urodelen.
Sondern ng der einzelnen Herz ab schnitte. Bei den
Urodelen erfolgt die Ausgestaltung des Herzschlauches in etwas
anderer Weise wie bei den Fischen.
Er krümmt sich nämlich zuerst nach
rechts und caudalwärts. — Und zwar
betrifft die Krümmung nur denjenigen
Abschnitt des Schlauches, aus dem sich
später der Bulbus cordis und die Kam-
mer entwickeln, w'ährend sein caudales
Ende die ursprüngliche Lage ventral
vom Darme beibehält. — Dabei kommt
der Bulbusabschnitt der so gebildeten
Herzschleife an die Dorsalseite der
schief gelagerten Kammerabteilung zu
liegen (Fig. 15a und b).
Bald jedoch erfolgt, wenn sich
einmal der Sinus venosus vom Atrium
und das letztere von der Kammer
durch entsprechende Einschnürungen zu sondern beginnen, eine Ver-
lagerung der Kammerabteilung der Herzschleife in der Weise, daß
sich dieselbe caudalwärts gewissermaßen umklappt und so an die
craniale Wand des Sinus
venosus anlagert. — Da-
durch wird der Bulbus
cordis von der ven-
tralen Seite her frei
und bekommt die kurze
r-*^' ^ ("WF^ -•^'''HBÄ verengerte Strecke
' "^1^' des Herzschlauches zwi-
schen Atrium und Kam-
mer, der Auricularkaual,
eine dorsoventrale Rich-
tung (Fig. 16a und b).
— Gleichzeitig beginnt
auch das Ati'ium sich
hauptsächlich nach links
und cranialwärts auszudehnen. — Der Sinus venosus schnürt sich
nun immer mehr und zwar von rechts her von ihm ab, so daß die
verhältnismäßig enge Sinusmündung in den Vorhof ganz links gelegen
ist (Fig. IGa). — In der Folge macht dann die Verlagerung der
Kammerabteilung noch weitere Fortschritte, so zwar, daß sie schließlich
an die ventrale Wand des Sinus venosus zu liegen kommt, und indem
Fig. 16a.
Fig. 16b.
Fig. loa. Ventralansicht des Herzens
emes
Embryo von Salamandra atra von 6,2mm Länge.
Fig. 16b. Dorsalansicht desselben Herzens (beide
Figuren nach einer Frontalkonstruktionj.
Die Entwickelung des Blatgefäßsystems. 27
sie sich caudalwärts ausbuchtet, diesen Herzabschnitt caudalwärts
ininier mehr überragt. — Diese Lageveränderung der Kammer hat natür-
lich auch eine entsprechende Richtungsänderung des Canalis auricuLaris
zur Folge. — Sie hat aber auch zur Folge, daß das sich immer
mächtiger ausdehnende Atrium in nachbarliche Beziehung zum Bulbus
cordis tritt, dessen dorsaler Wand es sich anlegt (Fig. 17). — Gleich-
zeitig verringert sich der Zwischenraum zwischen der Mündung des
Auricularkanales und der Ansmündung des Bulbus cordis aus der
Kammer beträchtlich. — So erhält das Herz allmählich seine für den
ausgebildeten Zustand charakteristische Form.
Bildung der S i n u s k 1 a p p e n und A t r i o v e n t r i c u 1 a r -
klappen. Die Entwickelung der Sinusklappen erfolgt bei Salamandra
in ähnlicher Weise wie bei den Selachiern,
und ein Gleiches gilt auch für die Taschen- b.w.s.
klappen des Ostium atrioventriculare, die V--^- ^B.w.i.
als 2 an der cranialen und caudalen /^0k^tl>^''
Wand des Auricularkanales sich entwickelnde ^- fl/ v^^^C'',''^*:/
Endocardkissen angelegt werden. — Diese '^^S':f^^:'''.-;
werden dann von der Kammer her, an deren B.w.s.y ^-^^^s^'i^'
Wand sich inzwischen ein reiches Netzwerk -^«^^ - % ^jp^
von Fleischbalken entwickelt hat, unterwühlt
und so zu den Taschenklappen umgestaltet,
die an der kompakten Muskel wand des Ca-
nalis auricularis wurzeln, welch letzterer als
selbständiger Herzabschnitt auch noch beim
erwachsenen Tiere deutlich nachweisbar ist Ti -f.^^ \,
»\
*v.'
S.F.
(Greil). b.''^^ ^C\%
B.CO.—
Atr.
D.C.d.^B^^t, JHÜHB I>-C.s.
V.CO. V.c.i.
Fig. 17. Fig. 18.
Fig. 17. Herz eines Embryo von Salamandra atra von 13 mm Länge.
Ventralansiclit. Atr. Atrium. V.co. Kammer. B.co. Bulbus cordis. D.C.d. Ductus
Cu Vieri dexter. D.C.s. Ductus Cuvieri sinister. V.c.i. V. cava posterior.
Fig. 18. Drei Querschnitte durch den Bulbus cordis eines älteren Embryo von
Salamandra maculata. a in der Höhe der distalen Bulbuswülste (B.W. 1,2,
■3, 4); b in der Gegend der Spiralfalte (S.F.) ; c in der Höhe der proximalen Bulbus-
wülste.
Bulbus cordis, Bulbuswülste und Spiralfalte. Im
Bulbusrohre kommt -es zunächst an seinem distalen Ende zur Aus-
bildung zweier kurzer Endocardwülste , von denen der eine links
dorsal (B. W. 2) der andere rechts ventral {B. W. 4)- gelegen ist. —
Bald jedoch erscheinen zwischen ihnen an den vorher noch glatten
Partieen der Wand 2 weitere Wülste, die somit rechts dorsal
28 HOCHSTETTER,
{B. W. 1) und links ventral sitzen {B. W. 3), so daß wir nunmehr
im distalen Bulbusabsclinitte 4 solche Wülste finden (Langer 1894)
(Fig. 18a). — Außerdem treten aber auch am proximalen Ende des
Bulbus 3 kurze ähnliche Wülste auf (Langer 1894) [Fig. 18c],
während die zwischen distalen und proximalen Bulbuswülsten be-
findliche Strecke der Bulbusinnenwand noch glatt erscheint. — Schließ-
lich verlängert sich der distale Bulbuswulst 1 proximalwärts und bildet
eine bis an die proximalen Wülste heranreichende, spiralig verlaufende
Leiste (Fig. IIb), die sogenannte Spiralfalte.
Bildung der Semilunarklapp en. Lidern nun durch den
Rückprall des Blutstromes nach der Systole der Kammer die Bulbus -
Wülste ausgehöhlt werden, entstehen aus ihnen am proximalen Ende
des Bulbus 3 am distalen 4 halbmondförmige Klappen.
In der Spiralfalte, die bereits bei den Dipnoern in der Form
einer Reihe hintereinandei- liegender Klappen vorhanden ist (Boas),
erkennen wir die erste Anlage einer Scheidewandbildung im Bulbus-
rohre. — Sie fehlt jedoch bei einzelnen Urodelen (Triton alpestris,
Menobranchus u. a.) vollständig oder wird nur ganz unvollkommen
angelegt (Triton cristatus) [Boas 1882].
Bildung des Septum atriorum. Die Vorkammerscheide-
wand, die bei den Urodelen zuerst in der für die höheren Vertebraten
charakteristischen Weise auftritt, entwickelt sich von der cranialen
Wand des Vorhofes aus an der Stelle, wo die letztere durch die An-
lagerung des distalen Bulbusabschnittes leicht eingebuchtet erscheint
(Fig. 17). — Sie entsteht hier als eine halbmondförmige, gegen das
Vorhofslumen zu vorspringende Duplikatur des Endocards, die rasch
in der Richtung gegen das Ostium atrioventriculare, also schief nach
links caudal vorwächst. — Sie bildet dann, indem sich die beiden sie
zusammensetzenden Endocardlamellen dicht aneinander lagern eine
dünne, aber kontinuierliche Platte, die, konkavrandig begrenzt, an der
ventralen und dorsalen Vorhofswand sichelförmig ausläuft. — Ihr
ventraler Ausläufer setzt sich frühzeitig mit dem cranialen Eudocard-
kissen der Atrioventricularöffnung in Verbindung, während der dorsale
zunächst gegen die linke Umrandung der Sinusmündung zu ausläuft,
um dann weiter an der rechten Seite der Mündung der Lungenvene
vorbei, die Sinusmündung rechts lassend, vorzuwachseu und das caudale
Endocardkissen der Atrioventricularöff"nung zu erreichen. — So scheidet
schließlich das Vorhofsseptum, in welches inzwischen ein Netzwerk
von Muskelbalken eingewachsen ist, die Vorkammer bis auf eine
kleine über dem Atrioventricularostium bestehen bleibende Kommuni-
kationsöffnung fast vollständig in eine linke Abteilung, in die sich die
Lungeuvene ergießt, und in eine rechte, in welche der Sinus venosus
mündet. — Jedenfalls sehr spät treten im Vorhofsseptum jene Oeff-
nungen auf, die von verschiedenen Autoren als charakteristisch für
die Vorkammerscheidewand der ausgebildeten Formen beschrieben
wurden.
Mündung der Lungenvene. Die einfache Lungeuvene
mündet jedoch bei den Urodelen nicht von vorn herein in die linke
Vorhofsabteilung des Herzens, vielmehr öff'net sie sich bei jungen
Embryonen von Salamandra und Triton links dorsal in den Sinus
venosus an der Einmündungssteile der hinteren Hohlvene in den
letzteren. — Erst allmählich schiebt sich ihre Mündung von hier aus
Die Eutwickelung des Blutgefäßsystems. 29
cranialwärts vor, bis sie scliließlicli an der dorsalen Wand der Vor-
kammer im Gebiete der Sinusmündung gefunden wird und nun durch
das sich entwickelnde Vorkammerseptum der linken Vorkammer-
abteilung zugeteilt werden kann. — Das Endstück des Lungenvenen-
stammes verläuft dann bei älteren Embryonen in der dorsalen Wand
des Sinus. — Jedenfalls ist das geschilderte Verhalten der Lungenvene
bei Urodelenembryonen mit Rücksicht auf die bei Polypterus und
Amia von Rose (1890) und bei Dipnoern von Boas und Rose be-
schriebenen Mündungs- und Verlaufsverhältnisse dieses Gefäßes von
hohem Interesse.
Anuren.
Bei den Anuren erfolgt die Krümmung des Herzschlauches, sowie
seine Sonderung in die einzelnen Herzabteilungen in ganz ähnhcher
Weise wie bei den Urodelen (Goette, A. L. III, 5). — Doch bestehen
immerhin gewisse Unterschiede. — Die Vorkammerabteilung weitet
sich nämlich auch nach rechts hin stärker aus und die Mündung des
Sinus venosus kommt weiter nach rechts zu liegen wie bei den
Urodelen. — Dagegen erfolgt die Eutwickelung des Vorkammerseptums
in übereinstimmender Weise, doch bleibt die Bildung sekundärer
Perforatiousöffnungen aus. — Auch bei den Anuren mündet die ein-
fache Lungenvene ursprünglich in den Sinus venosus und erst später
direkt in den linken Vorhof (Goette, A. L. III, 5). — Ueber die Eut-
wickelung des Klappenapparates des Anurenherzens fehlen vorläufig
noch genauere Angaben.
Reptilien.
Saurier.
Eutwickelung der äußeren Form des Herzens. Bei
den Sauriern (ich beziehe mich hier vorwiegend auf die Angaben,
welche Greil für Lacerta macht) krümmt sich der Herzschlauch
ebenfalls zuerst nach rechts (Fig. 19). — Aus seinem cranialen Ende
l.A.B.
2.A.B.
D.C.
I
V.o.m.
Fig. 19. Fig. 20a. Fig. 20b.
Fig. 19. Herz eines Embryo von Lacerta agilis von 0,3 mm Kopflänge.
Ventralansicht (nach Greil).
Fig. 20a. Herz eines Embryo von Lacerta agilis von 0,6 mm Kopflänge.
Ventralansicht.
Fig. 20b. Linke Seitenansicht desselben Herzens (beide Figuren nach Greil).
D.C. Ductus Cuvieri. V.o.m. V. omphalo-mesenterica.
entstehen mittelst kurzen gemeinsamen Stammes (Truncus arteriosus)
die beiden ersten Aortenbogen, in sein caudales Ende münden die
beiden V. omphalo-mesentericae. — Indem der Herzschlauch sich weiter
verlängert und sein Venenende die ursprüngliche Lage beibehält,
30 HOCHSTETTER,
kommt der vorher schon gekrümmte Abschnitt ventral vor das Venen-
ende zu liegen, in welches nunmehr neben den V. omphalo-mesentericae
auch die Ductus Cuvieri münden. — Es lassen sich in dieser Ent-
wickelungsphase somit 3 Schenkel des Herzschlauches unterscheiden,
ein ventralwärts und etwas nach links hin verlaufender (Fig. 20b)
dorsal gelegener, ein zweiter, ventral befindlicher querer (Fig. 20a) und
ein dritter, von rechts, cranial und medianwärts ansteigender, schließ-
lich dorsal abbiegender, der in den Truncus arteriosus übergeht, aus
welchem jederseits schon 2 Arterienbogen entspringen. — An dem
ventralwärts gerichteten ersten Schenkel erscheinen zwei leichte Ein-
schnürungen angedeutet, die die Grenze zwischen dem späteren Sinus
venosus und dem Atrium und zwischen dem letzteren und der
Kammer bezeichnen (Fig. 20b).
Nun weitet sich in der Folge der quere Herzschlauchschenkel
immer stärker aus und schiebt sich dabei caudalwärts vor (Fig. 21b),
während der schief aufsteigende dritte Schenkel, der sich ebenfalls
besonders ventralwärts ausweitet, gegen ihn abknickt (Fig. 21a), so
daß diese beiden Schenkel nun durch eine von links und ventral ein-
schneidende Furche voneinander geschieden erscheinen. — Der schief
aufsteigende Schenkel entspricht im wesentlichen dem Bulbus cordis
der Amphibien und Selachier, aus dem queren Schenkel aber ent-
wickelt sich die Kammer. — Durch die Verschiebung und Ausweitung
der letzteren nähert sich die Vorkammeranlage, die sich ebenfalls auszu-
weiten beginnt (Fig. 21b), dem Bulbus cordis. — In den Sinus venosus,
V.o.m.
Fig. 21a. Fig. 21b. Fig. 22.
Fig. 21a. Ventralansicht des Herzens eines Embryo von Lacerta agilis
von 1,2 mm Kopflänge.
Fig. 21b. Linke Seitenansicht desselben Herzens (beide Figuren nach üreil).
V.u. V. umbilicalis.
Fig. 22. Ventralansicht des Herzens eines Embryo von Lacerta agilis von
2 mm Kopflänge, nach Greil.
der nocli durch eine weite Oeffnung mit dem Atrium kommuniziert,
mündet außer den beiden früher genannten Venen nun jederseits auch
noch die V. umbilicalis.
Weiterhin zeigt der Bulbus cordis die schon früher angedeutete
bajonettartige Krümmung besonders deutlich (Fig. 22), die Kammer
weitet sich noch mehr aus und verschiebt sich noch weiter caudalwärts,
und die Einschnürung zwischen Vorkammer und Kammer, die dem
Auricularkanale entspricht, wird in dem Maße, deutlicher als sich die
Vorkammer stärker ausdehnt. — Diese Ausdehnung erfolgt zunächst
vorwiegend nach links und cranialwärts, so daß die Vorkammer mit
dem Bulbus cordis in Berührung tritt und hauptsächlich an seiner
linken Seite vorragt (Fig. 22). — Inzwischen hat sich auch der Sinus
venosus durch eine annährend ringförmige Einschnürung scharf vom
Atrium gesondert, und befindet sich seine Mündung in der dorsalen
Die Entwickelung des Blutgefäßsystems.
31
Fig. 23. Ventralan-
sicht des Herzens eines
Embryo von Lacerta
agilis von 2,8 mm
Kopflänge, nachGREiL.
Wand der letzteren. — Aus dem Truncus arteriosus dieses Ent-
wickelungsstadiums gehen jederseits bereits 6 Arterienbogen hervor
(Fig. 22).
Auch bei Tropidonotus vollzieheu sich, Avie Rathke gezeigt hat, die
Umbildungen am Herzschlauche in ähnlicher Weise wie bei Lacerta, und
dieses gilt insbesondere auch mit Rücksicht auf die primäre Ausweitung
der Voi'kammer nach links hin.
In der folgenden Entwickelungsperiode weitet sich dann die
Kammer immer weiter aus (Fig. 23) und erreicht schließlich die eigen-
tümliche, platt kegelförmige Gestalt, die für das
Herz des ausgebildeten Tieres charakteristisch ist
(Fig. 24). — Der Bulbus cordis, dessen Verbindung
mit der Kammer früher ganz rechts dorsal ge-
legen war, erleidet eine Verschiebung seines proxi-
malen Abschnittes medianwärts, wobei seine Krüm-
mung schwächer wird (Fig. 23) und seine Kammer-
mündung etwas weiter ventral und nach links hin
zu liegen kommt. — Dabei beginnen an seinem
distalen Abschnitte spiralig gekrümmte Furchen
aufzutreten, die, zwischen bestimmten der nur
noch in der Dreizahl jederseits vorhandenen
Arterienbogen beginnend, über den Truncus arte-
riosus herabziehend, auf ihn übergehen. — Gleich-
zeitig dehnt sich die Vorkammer weiter aus und
bildet nun auch nach rechts hin eine Aussackung, so daß Bulbus cordis
und Truncus arteriosus in eine tiefe ventrale Rinne der Vorkammer-
abteilung zu liegen kommen, neben
welcher seitlich Ausladungen der-
selben , die Anlagen der beiden
Herzohren, vorragen (Fig. 23). —
Der Sinus venosus liegt als querer
Sack an der Dorsalwand des Vor-
hofes in unmittelbarer Nachbar-
schaft des Sulcus atrioventricularis,
und seine Mündung gehört bereits
der rechten Vorhofsabteilung an.
Indem die von dem Truncus
arteriosus aus auf den Bulbus über-
greifenden Furchen sich in der
Folge kammerwärts verlängern und
die ventrale Knickungsfurche zwi-
schen Bulbus und Kammer, nach-
dem sie allmählich seichter ge-
worden war, verschwindet, wird der
proximale Bulbusabschuitt in einer
Weise, die später noch näher ange-
geben werden soll, nahezu i) vollständig in die Kammerabteilung des
Herzens einbezogen, während sein distaler Abschnitt durch Verände-
Ä.d.
A.s.
- A.P.
P''ig. 24. Ventralansicht des Herzens
eines Embryo von Lacerta agilis von
7 mm Kopflänge, nach Greil. ä.cL Aorta
dextra. A.s. Aorta sinistra. A.P. Arteria
pulmonalis.
1) Im Gebiete der Fundusabschnitte der Semilunarklappen bleibt nämlich eine
schmale, ringförmige Zone der Muskelwand des Bulbus erhalten, die, sich verdickend,
am Herzen der ausgebildeten Form deutlich hervortritt.
32 HOCHSTETTER,
rungen im Aufbau seiner Wand zum Anfangsstücke des Truncus
arteriosus umgewandelt wird. — Die spiraligen Furchen an der Ober-
fläche des so verlängerten Truncus deuten auch äußerlich die Sonderung
dieses Rohrabschnittes in 3 nebeneinander liegende spiralig gedrehte
Rohre an (Fig. 24), von denen das links, ventral gelegene in die beiden
Pulmonalarterienbogen, das rechts ventral befindliche in den linken und
das dorsal gelegene in den rechten Aortenbogen übergehen. — Auch
das Atrium erlangt nun seine definitive Gestalt, indem zu den beiden
seitlichen, mächtig erweiterten Herzohren noch eine dritte, cranialwärts
gerichtete, median gelagerte Ausbuchtung seiner Wand hinzukommt,
die der rechten Vorhofsabteilung angehört und die sich in den Winkel,
den die Arterienbogen bei ihrem Hervortreten aus dem Truncus bilden,
hineinlegt (Fig. 24 und 25). — Ebenso zeigt auch der Sinus venosus
bald die für den definitiven Zustand charakteristische Hufeisenform
(Fig. 25). — In einen queren Schenkel, der dem Sulcus atrioven-
tricularis anliegt, mündet, nachdem die vorher ganz enge gewordenen
Mündungsstücke der beiden V. umbilicales und der V. omphalo-mes-
enterica sinistra obliteriei't sind, von links her absteigend der Ductus
Cuvieri sinister, während rechts der Ductus Cuvieri dexter und die
hintere Hohlvene in ihn eintreten.
D.c. B.c.
B.au.L.
Fig. 25. Fig. 26.
Fig. 25. Dorsalansicht des Herzeus eines Embryo von Lacerta agilis von
3 mm Kopflänge. D.C. Ductus Cuvieri. V.u.d.,s. V. umbilicalis dextra, sinistra.
V.o.m.s. V. omphalomesenterica sinistra. V.c.i. V. cava posterior.
Fig. 26. Herz eines Embryo von Lacerta agilis von 2 mm Kopflänge, von
der Seite her eröffnet (halbschematisch, nach Greil). Die Vorkammer ist entfernt
gedacht, in den Canalis auricularis eine Sonde eingeführt. pr.B.W.A, B. proximaler
Bulbuswulst A, B. E.K. Endocardkissen des Auricularkanals. B.au.L. Bidbo-
auricularleiste.
Ausgestaltung des H e r z i n n e r e n. In früheren Entwicke-
lungsstadien zeigt der Herzschlauch von Lacerta einen ähnlichen Auf-
bau seiner Wand, wie der anderer Vertebraten. — Im Sinus venosus
und Vorhofe kommt es zuerst zu einer innigen Anlagerung des Endo-
cards an das Myocard. — In der Kammer erfolgt dieselbe erst, nach-
dem sich die ersten Muskeltrabekel in Form annähernd cirkulärer,
senkrecht auf die Achse des Kammerrohres verlaufender, untereinander
anastomosierender Muskelleisten (Fig. 26) angelegt haben.
Die Endocardkissen desAuricularkanalesund die
Bulbus wüls te. Im Bulbus cordis dagegen und im Canalis auri-
cularis unterbleil)t diese Anlagerung, und es entwickeln sich hier durch
Wucherungen des Endocards Endocardverdickungen. An der cranialen
und caudalen (resp. ventralen und dorsalen) Wand des Auricularkanales
Die Entwickelung des Blutgefäßsystems.
33
A.s. -/£
A.d.
^P.
entstehen wie bei den Selacliiern und Amphibien die beiden Endo-
cardkissen, während es im Bulbusrohre zur Entwickehmg von Bulbus-
wülsten kommt. — Die letzteren werden wie bei den Urodelen im
proximalen und distalen Bulbusabschnitte getrennt angelegt, so daß
wir auch hier proximale und distale Wülste unterscheiden können. —
Die letzteren treten an der dorsalen und ventralen Wand des Bulbus-
rohres, also in der Zweizahl auf. — Später finden sich jedoch, wie bei
den Urodelen, 4 solcher Wülste (Fig. 26, 27 h), die in leicht spiralig
gekrümmtem Verlaufe an der Wand des Bulbusrohres proximalwärts
verlaufen. — Die proximalen Bulbuswülste treten in der Dreizahl auf
{pr. B. W. A, B, C). Der eine {A) bedeckt, seitUch verstreichend,
die durch die Knickungsfurche gebildete, gegen das Bulbuslumen zu
vorspringende Knickungsleiste (Fig. 2Q)^ der zweite {B) findet sich
an der gegenüberliegenden Wand des Bulbus-
rohres (Fig. 26), der schwächste und am spätesten
auftretende (C) ist rechts gelegen. — In dem
Zwischenräume zwischen distalen und proximalen
Bulbuswülsten lagert sich das Endocard dem
Myocard des Bulbus innig an.
Die Bildung der Truncussepten und
die Einbeziehung des distalen Bulbus-
abschnittes in den Truncus. In der Folge
entwickeln sich nun im distalen Bulbusabschnitte
Scheidewände, die das ursprünglich einfache Rohr
in 3 spiralig verlaufende Rohre zerlegen. — Diese
Scheidewände treten zuerst im Truncus auf.
Das S e p t u m a o r t i c o - p u 1 m o n a 1 e. In-
dem von den Rändern der Ausmüudung der Pul-
a. b. 2
A.d.--
Fig. 27. Fig. 28.
Fig. 27a. Querschnitt durcli den Truncus arteriosus eines Embryo von Lacerta
agilis von ca. 2 mm Kopflänge (nach Langer). A.s. Aorta sinistra. A.d. Aorta
d extra. P. Arteria pulmonalis.
Fig. 27b. Querschnitt durch den Bulbus cordis desselben Embryo in der
Höhe der distalen Bulbuswülste (nach Langer).
Fig. 28. Drei Querschnitte durch den Bulbus cordis eines Embryo von Lacerta
agilis von ca. 2,6 mm Kopflänge (nach Langer^ Buchstabenbezeichnung wie bei
Fig. 27.
P.
monalisbogen aus dem Truncus ein Septum in den Truncus vorwächst,
wird derselbe in eine dorsale Pulmonalisabteilung und in eine ventrale
Aortenabteilung geteilt. — Dieses Septum aortico-pulmonale ist zu-
nächst frontal gestellt.
Das Septum a o r t i c u m. Indem dann weiter von dem crani-
alen Rande der Ausmündung des linken vierten Aortenbogens ein
zweites Septum, das S. aorticum, herabwächst, wird die Aortenabteilung
des Truncus in 2 weitere Abteilungen zerlegt, so daß der Truncus
jetzt 3 Arterienrohre enthält, von denen (Fig. 26a) das dorsal gelegene
Handbuch der Entwickelungslehre. III. 2. 3
34 HOCHSTETTER,
in die Pulmonalisbogen, das linke in den linken vierten Aortenbogen,
das rechte aber in die übrigen Arterienbogen leitet. — Das S. aortico.
pulmonale wächst nun bis in die Bulbuswülste 1 und 3 vor, worauf
diese miteinander zu verwachsen beginnen und so eine V^erlängerung
dieses Septums bilden. — Ebenso schiebt sieht das S. aorticum am
S. aortico -pulmonale proximalwärts vor, bis es die Rinne zwischen
Bulbuswulst 3 und 4 erreicht und in ihr fortwächst. Inzwischen ist
der Bulbuswulst 1 nicht nur besonders mächtig geworden (Fig. 28c)
sondern er hat sich auch bis in den proximalen Bulbuswulst A, in den
er schließlich übergeht, verlängert. — Er zeigt somit in dieser Zeit
Verhältnisse wie der gleiche Bulbuswulst der Urodelen, der als Spiral-
falte bis an die proximalen Bulbuswülste heranreicht, weshalb Langer
(1894) mit Recht die proximale Fortsetzung des Bulbuswulstes 1 bei
Lacerta mit der Spiralfalte der Amphibien homologisiert.
Nun verwächst der Bulbuswulst 1 einerseits mit dem dem Bulbus-
wülste 2 zugekehrten Flächenabschnitte des Bulbuswulstes 3 (Fig. 28b),
andererseits im Bereiche der Furche zwischen Bulbuswulst 3 und 4
mit der Bulbuswand, und so wird nun auch der distale Bulbusabschnitt
in 3 Rohre geteilt, die in dem Maße als der geschilderte Verwachsungs-
prozeß fortschreitet, sich proximalwärts verlängern und weil die An-
ordnung der Bulbuswülste eine spiralige ist, natürlich auch spiralig
verlaufen. Gleichzeitig erfolgt durch Einwachsen von Gewebe aus den
Truncussepten in die miteinander verschmolzenen Bulbuswülste, sowie
durch Umwandlung des Gewebes der letzteren und durch Rückbildung
der Muskulatur der Bulbuswand die Umwandlung des distalen Bulbus-
abschnittes in den proximalen Abschnitt des Truncus der ausgebildeten
Form.
Bildung der S e m i 1 u n a r k 1 a p p e n aus den Bulbus-
wülsten. Schließlich werden dann die übrig bleibenden proximalsten
Abschnitte der Bulbuswülste durch den Rückprall des Blutstromes
von der distalen Seite her ausgehöhlt und so die halbmondförmigen
Klappen der 3 Arterienostien gebildet. — Dabei entstehen (Fig. 29)
aus dem mächtigen Bulbuswülste 1, der sich an der Wandbildung aller
3 Arterienrohre beteiligt , 3 Klappen , wäh-
rend aus jedem der übrigen Wülste nur je eine
j.c?. ._^[05:(/ß P. Klappe hervorgeht (Langer 1894).
Fig. 29. Schema der Entwickelung der halbmond-
förmigen Klappen der Ostia arteriosa von Lacerta (wahr-
A.S. scheinlich für alle Reptilien giltig). Buchstabenbezeich-
nung wie bei Fig. 28.
DieEinbeziehung des proximalenBulbusabschnittes
in die Kammer. Die Einbeziehung des proximalen Bulbusab-
schnittes in die Kammer erfolgt nun dadurch, daß sich die letztere,
an deren Wand die Muskelleisten immer höher werden und sich zu
plattenförmigen, untereinander anastomosierenden Muskeltrabekeln um-
gestalten, immer mehr ausdehnt und die Wand des proximalen Bulbus-
abschnittes von der dorsalen, rechten und ventralen Seite her unter-
wühlt (vgl. Fig. 26 mit Fig. 30). Durch die Unterwühlung der
ventralen Bulbuswand kommt es äußerlich zum Verstreichen der
Knickungsfurche. — Im Innern ist das Resultat dieses Vorganges die
Die Entwickelung des Blutgefäßsysteras.
35
Bildung einer gebogenen Muskelplatte, die die Knickungsleiste mit
der Kammerwand verbindet (Fig. 30 und 31 M.) und die Kammer
hier noch vom Bulbus scheidet.
Bildung der M u s k e 1 1 e i s t e , des ventralen Kammer-
raumes und des Fleisch polsters. Die Knickungsleiste steht
nun von vorn herein mit zahlreichen, besonders von rechts her in
sie übergehenden plattigen Muskeltrabekeln in Verbindung und bildet
so die Anlage der Muskelleiste des ausgebildeten Herzens. — Ihre
definitive Gestaltung erhält sie, nachdem in der oben erwähnten
Muskelplatte von rechts zahlreiche spaltförmige Durchbrechungen auf-
getreten sind. — Auf diese Weise stellt sich eine sekundäre Verbindung
zwischen der Kammer und dem ventralen Herzabschnitte des Bulbus-
raumes her, aus dem die Pulmonalis entspringt, und der letztere stellt
nun das dar, was man als ventralen Karamerraum bezeichnet. — Bei
Lacerta ist derselbe nie besonders geräumig, erreicht aber bei manchen
anderen Sauriern (Varaniden) einen beträchtlichen Umfang.
B.au.L. F.
Ä.d.
B.au.L.
pr.B.W.B.-
E.K. —
Fig. 30. Fig. 31.
Fig 30. Kammer und Bulbus des Herzens eines Embryo von Lacerta
agilis von 3,6 mm Kopflänge, von der rechten Seite eröffnet (halbscheraatisch nach
Greil), Buchötabenbezeichnung wie bei Fig. 26 und 27.
Fig. 31. Kammer und Bulbus eines Embryo von Lacerta agilis von 7 mm
Kopflänge, von der rechten Seite her eröffnet (halbschematisch nach Greil). H.ao.
Septum aorticum. R.S.ao.p. Rand des Septum aortico-pulmonale ; übrige Bezeich-
nung wie bei Fig. 26 und 27.
Aus der dorsalen unterminierten Bulbuswand und den an sie
anschließenden Trabekelmassen entsteht das sogenannte Fleischpolster
Brücke's. — Die proximalen Bulbuswülste aber bilden sich nahezu
vollständig zurück.
Umgestaltung des Auricularkanales. Die innere Ober-
fläche des Canalis auricularis ist durch die Ausbildung der Endocard-
Ent-
kissen ausgezeichnet. — Seine Mündung liegt zuerst in emiger
fernung links von der Bulbusmündung der Kammer. — Später rückt
sie immer näher an dieselbe heran, so daß der zwischen den beiden
Oeffnungen früher vorhandene, schmale Abschnitt der Kammerwand
zu einer allmählich spornförmig sich umgestaltenden Leiste, der Bulbo-
auricularl eiste (Fig. 26) wird. - Diese Leiste erfährt nun langsam
eine Reduktion auf Kosten der Canalis auricularis- und Bulbuswand
(vgl. Fig. 26, 30 und 31) wodurch der Kammerraum ebenfalls eine
Vergrößerung erfährt und das Ostium der rechten Aorta (Fig. 31)
schließlich in unmittelbare Nachbarschaft der Atrioventricularöifnung
8*
36
HOCHSTETTER,
ZU liegen kommt. — Die Ausdelinimg der Kammer führt nun zu einer
Unterminierung der ursprünglich cranialen und caudalen, nunmehr ven-
tralen und dorsalen Canalis auricularis-Wand, die vorher kompakt war
(Fig. 32),. so daß jetzt die beiden Endocardkissen, gestützt von platten-
förmigen Resten dieser Wand, die durch Trabekelzüge mit der Kammer-
wand zusammenhängen (Fig. 32), in den Kammerraum hineinragen.
Bildung der V o r k a m m e r s c h e i d e w a n d. Inzwischen ist es
in der Vorkammer zur Bildung des Septuni atriorum gekommen,
welches, von einer etwas links von der Mittelebene befindlichen Ein-
faltung der cranialen Vorhofwand ausgehend, als halbmondförmige Platte
gegen das Ostium atrioventriculare zu vorwächst, um mit seinen au
der dorsalen und ventralen Yorhofswand verlaufenden Enden sehr
bald die beiden Endocardkissen zu erreichen und in sie überzugehen
(Fig. 32). So engt sich die Oeflfnung zwischen den beiden Vorhofs-
abteilungen immer mehr ein.
Scheidung der venösen 0 s t i e n und Bildung der
Atrioventricularklappen. Schließlich verwachsen die einander
Fig. 32.
agilis von 6 mm Kopflänge,
cardkissen der
Atrioventricularöffnung.
Fig. 33.
S.atr. Septum atriorum.
Fig. 32. Sagittaldurch-
schnitt durch das Herz
eines Embryo von La-
certa agilis von
3,6 mm Kopflänge. E.K.
Endocardkissen. C.au.
unterminierte Wand des
Canalis aurieularis. ,S.atr.
8eptum atriorum.
Fig. 33. Frontalsclinitt
durch das Herz eines
Embryo von L a c e r t a
v.E.K. verschmolzene Endo-
zugekehrten Flächen der Endocardkissen untereinander und mit dem
eine Endocardverdickung tragenden Rande des Septum atriorum,
wodurch nicht nur die beiden Vorhofsabteilungen vollständig vonein-
ander geschieden werden, sondern auch das ursprüngliche einheitliche
Ostium atrioventriculare in die beiden venösen Ostien zerfällt. —
Indem nun die rechts und links vom Ansätze des Septum atriorum
befindlichen, in die Kammer hinein vorragenden Abschnitte der ver-
schmolzenen Endocardkissen allmählich immer dünner werden (Fig. 33),
wandeln sie sich in die septalen Klappen der Atrioventricularostien
um, die, so wie früher die Endocardkissen, dorsal und ventral mit
Resten der unterminierten Wand des Canalis aurieularis und durch
diese mit den Trabekeln der Kammerwandungen in Verbindung
stehen.
Aber auch marginale Klappensegel kommen zur Entwickelung,
indem schon früher angelegte, der kompakt bleibenden rechten und
linken Canalis auricularis-Wand aufsitzende Endocardverdickungen
zu schmalen, rein endo.cardialen Klappensegeln umgewandelt werden
(Greil).
Im Septum atriorum entwickeln sich wie bei den Urodelen zahl-
reiche sekundäre Perforationslücken, die jedoch nach der Geburt wieder
Die Entwickelung des Blutgefäßsystems. 37
vollständig verscliwiiiden. — Die Lungenvene mündet gleich bei
ihrem Anftreten in die Vorkammer, und ihre Mündung liegt, wenn
sich das Septum atriorum entwickelt, an dessen linker Seite.
Bildung der S i n u s k 1 a p p e n und i h r e s S p a n n m u s k e 1 s.
Indem sich die Wandfalte, welche die Sinusniündung umgiebt, rechts
stärker, links etwas schwächer erhöht, entstehen die beiden Sinus-
klappen, die, cranialwärts miteinander verschmelzend, einen gegen
die craniale Wand der rechten Vorkammer zu auslaufenden, platten-
f()rmigen Fortsatz (den Spannmuskel Röse's 1890) bilden.
Eine an die Muskelleiste der Kammer anschließende, durch
stärkere Entwickelung und Aneinanderlagerung bestimmter Trabekel-
züge gebildete Scheidewandbildung im dorsalen Kammerraume kommt
bei Lacerta nicht zur Anlage. — Wohl aber begegnen wir einer
solchen, wenn auch noch unvollkommenen, Scheidewandl)ildung bei
den Varaniden.
Die Kammer Scheidewand der Crocodilier und das
F 0 r a m e n P a n i z za e. Den höchsten Grad der Entwickelung er-
reicht diese Bildung bei den Crocodiliern, wo sie sich mit den ver-
schmolzenen Endocardkissen der Atrioveutricularöffnung verbindet und
eine die Kammer vollständig in zwei Hälften sondernde Scheidewand
bildet. — Da diese Scheidewand kontinuiei'lich in das Septum aorticum
übergeht, entspringen dann bei den Crocodiliern die A. pulmonalis
und die Aorta sinistra aus der rechten, die Aorta dextra dagegen aus
der linken Kammer. — Das Foranien Panizzae ist daher nicht, wie
EÖSE 1890 meint, ein Rest der ursprünglichen Kommunikationsöffnung
zwischen den beiden Kammei'n, welch letztere, wie PiATHke (A. L.
III, 8) bereits gezeigt hat, vollständig verschwindet, sondern höchst
wahrscheinlich (Greil), da sie unmittelbar distal von den Aorten-
klappen im Septum aorticum gelegen ist, eine sekundäre Perforations-
öflfnung in dem letzteren.
Leider liegen über die Entwickelung des Crocodilierherzens auKer
den ziemlich lückenhaften Angaben Eathke's neuere Angaben nicht vor
und ein Gleiches gilt auch bezüalich des Chelonierherzens. — Die Ent-
&•"
wickeluny.- des Schlangenherzens stimmt in allen wesentlichen Punkten
"ta
mit dei' des Herzens von I^acerta liberein.
Vögel.
Hühnchen.
Bildung der äußeren Form des Vogelherzens. Die
Entwickelung des Vogelherzens zeigt in vielen Punkten eine große
Aehnlichkeit mit der Entwickelung des Reptilienherzens. — Dieses
gilt vor allem mit Rücksicht auf die Art und Weise, wie sich der
Herzschlauch anfänglich krümmt (Fig. 34) und wie sich die einzelnen
Abteilungen dieses" Schlauches, sobald sie sich einmal zu differen-
zieren beginnen, zu einander lagern (Fig. 35). - Auch die Ausbildung
der Vorhofsabteilung erfolgt, indem sich zuerst die linke (Fig. 3ö
und 36) und erst viel später die rechte (Fig. 37) Vorhofsausbuchtung
entwickelt (Masius 1889) in ähnlicher Weise wie bei Reptilien. —
Ein nicht unerheblicher Unterschied besteht jedoch darin, daß sich
38 HOCHSTETTER.
der Bulbus cordis beim Hühnchen äußerlich niemals durch eine so
scharfe P'iirche gegen die Kammer abgrenzen läßt. Eine der
Knicknngsfurche von Lacerta entsi)rechende F'urche ist nur bei jungen
Embryonen (Fig. 35*) eben angedeutet und verschwindet frühzeitig
vollständig (Fig. 35 und 30). — Die Furche, die später als Grenzfurche
des Bulbus gegen die Kammer hin imponiert, bezeichnet nur die
Stelle, bis zu welcher jeweilig die Unterminierung der Bulbuswand von
der Kammer her vorgedrungen ist.
Sulcus inter ventricu lar is. Eine ganz neue Erscheinung
ist ])eim Hühnchen das Auftieten einer Interventricularfurche, die
äußerlich die Zone der Kammer bezeichnet, im Bereiche deren sich
im Inneren die Kammerscheidewand entwickelt. Diese Furche ist
zuerst an der ventralen Kammertläche sichtbar und verläuft da, von
der Furche zwischen Bulbus cordis und Canalis auricularis ausgehend,
schief gegen den rechten Kammerrand, so zwar, daß die von ihr be-
grenzte rechte Kammerabteilung anfänglich überaus klein erscheint
ß.co.
, Atr.
- C.au.
S.i.v. —
V.CO. V.CO.
Fig. 34. Fig. 35. Fig. 30.
Fig. 34. Ventralansicht des Herzschlauches eines Hühnerembrvo von
40 Stdn.
Fig. 35. Ventralansicht des Herzens eines Hühnerembryo von 2,1 mm
Kopflänge (nach Greil). Atr. Vorkammer. V.co. Kammer. B.co. Bulbus cordis.
C.au. Canalis auricularis.
Fig. 36. Ventralansicht des Herzens eines Hühnerembryo von 3 mm Kopf-
länge (nach Greil). S.i.v. Sulcus interventricularis, übrige Bezeichnuna-eu wie l:)ei
Fig. 35.
(Fig. 36) und die Hauptmasse der Kammer der späteren linken
Kammerabteilung angehört. — Indem jedoch die rechte Kammer
sehr rasch an Ausdehnung zunimmt, verschiebt sich nicht nur der
Bulbus mit seinem Anfangsstück, das ursprünglich ganz rechts ge-
legen ist, immer mehr gegen die Mitte der Kammer (Fig. 37 und 38),
sondern es erleidet scheinbar auch die Interventricularfurche eine
Verlagerung nach links hin. — Zugleich setzt sich diese Furche auch
auf die Dorsalfläche der Kammer fort. — So finden wir s])äter (Fig. 38)
den größeren Anteil der ventralen Kammerfläche der rechten Kammer-
abteilung zugehörig, doch erinnert an das urspüngliche A^ erhalten auch
am ausgebildeten Herzen noch der Umstand, daß die Herzspitze, die
aus dem ursprünglich caudalsten Kammerabschnitte hervorgeht, stets
dem linken Ventrikel angehört.
Gleichzeitig mit diesen Veränderungen der Kammerform erfolgt
auch infolge der Ausdehnung der Kammer und der Formveränderung
der Vorkammern eine Verlagerung des Canalis auricularis.
Verlagerung des Canalis auricularis. Derselbe ist zu-
nächst (Fig. 35 und 36) von der Ventralseite her sichtbar, links ge-
legen, während er später, zwischen Kammern und Vorkammern in die
Die Entwickelung des Blutgefäßsystems. 39
Tiefe rückend (Fig. 37), scheinbar nach rechts hin verschoben wird
und so mehr an die Dorsalseite der Mündung des Bulbus aus der Kammer
zu liegen kommt, bis er schließlich vollständig (Fig. 38) zwischen
Kammer und Vorkammer in der Tiefe verschwindet.
Einbeziehung des distalen Bulbusabschnittes in
den Trun cus arteriös US. So wie bei den Reptilien bleibt auch
bei den Vögeln der Bulbus cordis als selbständiger Herzabschnitt
nicht erhalten. — Sein proximaler Abschnitt wird vielmehr schon
frühzeitig durch später zu schildernde Vorgänge in die Kammerab-
teilung einbezogen, während sein distaler Abschnitt durch gewebliche
Veränderungen seiner Wand allmählich in dem proximalen Truncus-
abschnitte aufgeht. — Der Truncus arteriosus sondert sich dabei nicht,
wie bei den Reptilien in 3, sondern wegen des bei den Vögeln
frühzeitig erfolgenden Ausfalles des linken 4. Aortenbogens ^ nur
in 2 Arterienrohre, eine Sonderung, welche äußerlich durcli das
Auftreten zweier am Truncus herabziehender paralleler, spiralig ver-
laufender Furchen angedeutet ist. — Während aber bei den Reptilien
gewissermaßen ein einheitlicher Truncus bestehen bleibt, der nur in
seinem Innern 3 durch Septen voneinander geschiedene Rohre be-
herbergt, schreitet die Sonderung bei den Vögeln noch weiter und
führt dazu, daß der aus dem Bulbus hervorgegangene Truncusab-
schnitt in 2 vollkommen von einander getrennte, nur durch eine
gemeinsame PericardialumhüUung mit einander verbundene Arterien-
rohre, die Aorta und Pulmonalis, zerfällt.
B.CO.
S.i.v. ^_^
Fig. 37. Fig. 38.
Fig. 37. Ventralansicht des Herzens eines Hühnerembry o von 5 mm Kopf-
länge (nach Greil). Bezeichnungen wie bei Fig. 35 und 36.
Fig. 38. Ventralansicht des Herzens eines Hühnerembryo von 6,5 mm
Kopflänge (nach Geeil). ä. Aorta. P. PulmonaUs. V.d. rechte Kammer. V.s. linke
Kammer. S.i.v. Sulcus interventricularis.
Einbeziehung des Sinus venosus in die rechte Vor-
kammer. Der Sinus venosus ähnelt, was seine Form und seine
Lagebeziehungen anbelangt, in frühen Entwickelungsstadien sehr dem
Sinus venosus der Reptilienembryonen. Er zeigt dann auch die
typische Hufeisenform. — Später senkt sich jedoch das rechte Sinus-
horn immer mehr und mehr in die dorsale Wand der rechten Vor-
kammer ein und verschwindet so zunächst äußerlich und, wie später
gezeigt werden soll, auch innerlich nahezu vollständig in derselben,
das heißt es wird gewissermaßen in die rechte Vorkammer einbezogen,
während das linke Sinushorn mit dem Sinusquerstück als Fortsetzung
des linken Ductus Cuvieri, an der Dorsalwand der linken Vorkammer
in unmittelbarer Nachbarschaft der Atrioventricularfurche nach rechts
hin verlaufend, erhalten bleibt.
40 HOCHSTETTER,
Ausgestaltung des H e r z i n n e r e n. Das Herzinnere zeigt bei
jungen Hühnerembryonen älinliclie Verhältnisse wie bei jungen Saurier-
embrjonen. — Dies gilt sowohl mit Rücksicht auf die Endocardkissen
des Auricularkanals, als auch bezüglich der Entstehung und Anord-
nung der Muskeltrabekel der Kammer. — Ebenso kommt es im Bulbus
cordis zur Entwickelung der für diesen Herzabschnitt durchaus
charakteristischen Bulbuswülste, die wir so wie bei den Sauriern, in
proximale und distale scheiden können.
Die Bulbuswülste. Die proximalen B.-W. treten in der
Dreizahl (A, B, C) wie bei Lacerta auf. — Dabei ist auch beim
Hühnchen der proximale B.-W. C der schwächste und verschwindet'
frühzeitig wieder. — Dagegen beträgt die Zahl der zunächst auf-
tretenden distalen B.-W, nur 3. — Die letzteren entsprechen ihrer
Lage und ihren sonstigen Beziehungen nach den distalen B.-W.
1, 2 und 3 der Saurier (Fig. 39 b). — Proximale und distale B.-W.
sind jedoch beim Hühnchen nie scharf von einander getrennt, wie bei
den Reptilien, sondern gehen gleich von vornherein, indem der Bulbus
in seinen mittleren Partieen eine gleichmäßige Endocardverdickung
seiner Innenwand zeigt, kontinuierlich in einander über, — Später setzt
sich dann der distale B.-W. 1 in den proximalen B.-W. A und der
distale B.-W. 2 in den proximalen B.-W. B, unmittelbar fort.
„ A.S.ao.p. Fig. 39a. Querscknitt durch den Truncus
arteriosus eines Hühnerembryo von 5 mm
Kopflänge (nach Greil). A. Aorta. P. Pul-
monalis.
Fig. 39b. Querschnitt durch den Bulbus
cordis desselben Embryo (nach Greil). l, 2, 8
^- A.S.ao.p. distale B.-W. 1, 2, 3. A.s.ao.2}. Ausläufer des S,
Fig, 39a. Fig. 39b. aortico-pulmonale.
Bildung des Septum aortico-pulmonale. Die Scheidung
des Bulbusrohres in zwei Abteilungen beginnt nun auch hier, wie
bereits Tonge (1870) gezeigt hat mit der Entstehung des Septum
aortico-pulmonale, welches wie bei Lacerta von der cranialen Um-
randung des Pulmonalisbogenursprunges aus unter leichter spiraler
Drehung durch den Truncus arteriosus bis in den Bulbus herabwächst
und hier mit zwei Ausläufern einerseits in den Bull)uswulst 1, anderer-
seits zwischen B.-W. 2 und 3 (Fig. 39b) vordringt. — Indem nun
der B.-W. 1 im Anschlüsse an dieses Septum zwischen B.-W. 2 und 3 an
die gegenüberliegende Bulbuswand anwächst und gleichzeitig das Gewebe
des Truncusseptums in die so geschaffene Verwachsungsbrücke vordringt,
setzt sich die Scheidung des Bulbusrohres in Aorten und Pulmonalis-
rohr proximalwärts fort. — Gleichzeitig erfolgt, indem das Gewebe der
Truncuswand in die Bulbuswand einwächst und die Muskulatur der
letzteren zu Grunde geht (also genau so wie bei Lacerta) , die
Umwandlung der distalen Abschnitte der Bulbuswand in Truncus-
wand. — Dabei vertiefen sich die äußerlich am Truncus auftretenden
Furchen. — Das zuerst einfache S. aortico-pulmonale erfährt dann
von diesen Furchen aus eine Spaltung, und so trennen sich die beiden
aus dem Truncus und dem distalen Bulbusabschnitte entstandenen
Arterienrohre von einander, — Noch bevor jedoch diese Trennung
vollzogen ist, kommt es zur Entwickelung der Semilunarklappen.
Die Entwickelung des Blutgefäßsystems.
41
Bildung der Semilunarklappen. Zunächst (Fig. 40) finden
sich in jedes Arterienrohr vorspringend nur je 2 Bulbuswülste. —
Der eine ist durch die bei der Septumbildung erfolgte Teilung
des B -W. 1 hervorgegangen [la und Ih), der zweite ist im Pulmo-
nalisrohre der B.-W. 2, im Aortenrohre der B.-W. 3. — Zwischen
diesen beiden Wülsten ist die Wand der Arterienrohre noch glatt. —
Bald tritt jedoch auch hier in jedem Rohre ein sekundärer Wulst auf
(Fig. 41), von denen der der Aorta zugehörige dem B.-W. 4 der
Saurier entspricht, während der des Pulmonalisrohres (B.-W. 5) eine
für das Vogelherz specifische Bildung darstellt (Greil). — Durch
Aushöhlung dieser Bulbuswülste entstehen dann die 3 Semilunarklappen
des Aorten und des Pulmonalisostiums ^) (Fig. 42).
Das Septum aortico-pulmonale wächst jedoch noch über das Ge-
biet der Semilunarklappen proximalwärts aus, indem es in seiner Fort-
setzung zur Verwachsung der proximalen B.-W. A und B kommt. —
Dieser proximalwärts von den Semilunarklappen befindliche Abschnitt
des Septums schließt dann, wie weiter unten ge-
zeigt werden soll, an das inzwischen gebildete Ven- a.
trikelseptum an
- p.
Fig. 41.
distalen Bulbusteil
Fig. 42.
Hülinereinbryo
Fig. 40.
Fig. 40. Quersclinitt durch den distalen ümoiisteil eines
von 6,5 mm Kopflänge (nach Greil).
Fig. 41. Querschnitt durch den distalen Bulbusabschnitt eines Hühner-
embryo von 7 mm Kopflänge (nach Greil).
Fig. 42. Querschnitt durch den Bulbus cordis eines Hühnerembryo von
8,5 mm Kopflänge in der Höhe der Anlagen der Semilunarklappen (nach Greil).
Schicksal des Au ricularkanal es, des proximalen
B u 1 b u s a l3 s c h n i 1 1 e s u n d A n 1 a g e des Septum i n t e r v e n t r i -
culare. Während sich die geschilderten Umwandlungen im distalen
Bulbusabschnitte vollziehen, kommt es wie bei den Reptilien infolge
der mächtigen Ausweitung der Kammer zu einer Unterminierung so-
wohl der Wand des Canalis auricularis als auch der Wand des proxi-
malen Bulbusabschnittes und dadurch zur allmählichen Einbeziehung
dieser Herzabschnitte in die Kammer.
Zwischen Canalis auricularis und Bulbus findet sich äußerlich am
Herzen eine tiefe Furche Fig. 36 und 37 (die Bulboauricularfurche,)
der im Inneren eine deutlich vortretende Leiste (die Bulboauricular-
leiste) entspricht, welch letztere die Kammermündungen des Auricular-
kanales und des Bulbus von einander scheidet (Fig. 43a). Ventral
läuft diese Leiste in die Kammerwand aus und hängt da mit einzelnen
bogenförmigen, ihrem Verlaufe nach der Interventricularfurche ent-
sprechenden plattigen Trabekelzügen zusammen, die von ihr aus zur
1) Die Verhältnisse der Entwickelung der Semilunarklappen hat Tonge (1870)
bereits im wesentlichen richtig dargestellt, dagegen beruhen die Angaben Langer's
(1895), daß ihre Bildung in ähnlicher Weise wie bei den Säugern erfolgen solle, auf
einem Irrtum.
42 HOCHSTETTER,
dorsalen Kammer und Canalis auricularis-Wand hinziehen, sich aber,
trotzdem sie die erste Anlage der Kammerscheidewand bilden, noch
wenig von anderen ähnlichen Trabekelzügen der Kammerwand unter-
scheiden (Fig. 44).
Indem nun die Bulboauricularleiste allmählich eine Höhenreduktion
erfährt, verliert der Bulbus gewissermaßen sein^ gegen den Canalis
auricularis zu gelegene linke Wand und kommuniziert hier somit direkt
mit dem Spaltraume zwischen den Endocardkissen des Auricular-
canales. — Gleichzeitig verbindet sich aber auch der proximale B.-W. A
über dem ventralen Ausläufer der Bulboauricularleiste mit dem ventralen
Endocardkissen (Fig. 4oa). — Da nun, wie schon erwähnt, von der
Kammer aus parallel mit ihrer Ausweitung eine Unterwühlung der
ventralen Bulbus- und Canalis auricularis-Wand erfolgt, der kompakte
ventrale Ausläufer der Bulboauricularleiste aber mit der Kammerwand in
Verbindung bleibt (Fig. 4ob), und indem sich ferner die mit diesem Aus-
läufer der Bulboauricularleiste in Verbindung stehenden Trabekel-
lamellen der Kammer verdichten, entsteht ein von der ventralen zur
J>r.li. YY.A. ^_^^ ^^_^^ I
pr.B.W.B.
_ . . l.E.K.
" B.au.L.
C.au. W.u. C'.au. W.u.
Fig. 43a. Fig. 43b.
Fig. 43a. Querschnitt durch das Herz eines Hühnerembryo von 5 mm
Kopflänge in der Gegend der Bulbusmündung und des Auricularkanales (nach Greil).
B.au.L. Bulboauricularleiste. B.co. Bulbus cordis. C.au. W.u. unterminierte Wand
des Canalis auricularis. E.K. Endocardkissen.
Fig. 43b. Querschnitt, durch dasselbe Herz näher der Herzspitze geführt (nach
Greil). B.W.u. unterminierte Bulbuswand, andere Bezeichnungen wie bei Fig. 43a.
dorsalen Kammerwand verlaufender plattenförmiger Trabekelzug. —
Derselbe ist zunächst nur an seinem dem centralen Kammerhohlrauni
zugewendeten Rande dichter gefügt, in der Nachbarschaft seines An-
satzes an der Kammerwand besteht er nur aus spärlichen Bälkchen,
zwischen denen hindurch die Räume der beiden Kammern noch mehrfach
mit einander kommunizieren Fig. 44. — Erst viel später lagern sich auch
die immer massenhafter sich entwickelnden Muskelbälkchen zu einer
dichteren Masse aneinander (Fig. 45). — So wird also die Anlage der
Kammerscheidewand aus dem ventralen Ausläufer der Bulboauricular-
leiste und aus au denselben sich anschließenden Trabekelzügen der
Kammerwand gebildet (Greil). — Da aber an den ventralen Aus-
läufern der Bulboauricularleiste die den proximalen B.-W. A tragenden
Reste der unterminierten Bulbuswand anstoßen (Fig. 43b), wird es
verständlich, daß wir später den Ausläufer dieses Bulbuswulstes am
rechten Abhänge des ventralen Abschnittes des Septum interventri-
culare gelegen finden.
Bildung des Septum a t r i o r u m. Inzwischen hat sich aber auch
die Vorkammerscheidewand angelegt. — Sie entsteht in ganz ähnlicher
Weise wie bei Lacerta (Fig. 44) und verbindet sich, wie dort, schließlich
Die Entwickelung des Blutgefäßsystems.
43
mit der Mitte der mit einander verschmolzenen Endocardkissen des
Ostium atrioventriculare (Fig. 45) [Lindes 1865, Masius 1S89]. —
Zu gleicher Zeit erfolgt aber
auch eine Verschiebung der
Bulbusmündung nach links
hin, so daß dieselbe zum
das Herz
O.a.v.c. Ostium
Fig. 45.
eines H ü h n e r e m 1) r v o
atrioventriculare
von
commune.
Fig. 44.
Fig. 44. Frontalschnitt durch
106 Stunden. S.atr. S. atriorum.
S.v. S. interventriculare.
Fig. 45. Frontaldurchschnitt durch das Herz eines Hühnerembryo von
9 mm Kopflänge. v.E.K. verschmolzene Endocardkissen. l.E.K. laterale Endocard-
kissen. S.atr. S. atriorum. S.v. S. interventriculare.
Teil ventral vor die verschmolzenen Endocardkissen der Atrioven-
tricularöffuung zu liegen kommt (Fig. 46) und es so möglich wird, daß
sich der rechte ventrale Abschnitt dieser Endocardkissen mit dem an
der rechten Umgrenzung der Bulbusmündung gelegenen proximalen B.-
W. B verbinden kann (Fig. 46a). — Dabei befindet sich der konkave freie
Rand des S. interventriculare, welcher gegen die verschmolzenen Endo-
pr.B.W.B.jm:i
l.E.K.
l.E.K.
pr.B.W.A.
Plg. 46a. Querschnitt durch den
proxiraalsten Bulbusabschnitt des Herzens
eines Hühnerembryo von 6,5mmKopf-
länge (nach Greil). A. Aorta. P. Pulmona-
lis. v.E.K. verschmolzene Endocardkissen.
Fig. 46b. Durchschnitt durch das-
selbe Herz näher der Herzspitze (nach
Greil). A.E. Aortenrinne der verschmol-
zenen Endocardkissen. l.E.K. laterale
Endocardkissen. ^'•^- ^•
Fig. 46c. Durchschnitt durch das-
selbe Herz noch weiter herzspitzenwärts
(nach Greii,). Bezeichnungen wie bei Fig. 46a und b.
wand. B.au.L. Bulboauricular-Leiste.
l.E.K.
lir.B.W.A.
Fig. 46b.
l.E.K.
B.au.L.
Fig. 46c.
u.B. W. unterminierte Bulbus-
44 HOCHSTETTER,
cardkissen zu vorwäclist, gegenüber dem rechten Rande der letzteren
(Fig. 45) und beginnt auch bereits von der Dorsalseite her mit diesem
Rande zu verschmelzen. — Dadurch wird die früher weite Kommuni-
kationsöft'nung zwischen den beiden Kammerabteilungen, das Foramen
interventriculare, beträchtlich verengert. — Die Folge davon ist aber,
daß sich die bei der Systole aus der linken Kammer ausgetriebene
Blutmasse in dem über dem Foramen interventriculare betindlichen
ventralen Abschnitte der überaus plastischen Endocardkissen eine
Rinne gräbt (Fig. 46b). die in die dorsal von den beiden proximalen
Bulbuswülsten befindliche Aortenabteilung des Bulbusrohres (Fig. 46a)
hinüberleitet. — Indem sich nun der das Bulbusostium nach rechts
hin überragende, ventrale Teil der verschmolzenen Endocardkissen
immer weiter herzspitzenwärts mit der rechten Umrandung des
Bulbusostiums und dem da befindlichen proximalen B.-W. B ver-
bindet, erfährt die dorsale Wand des Aortenrohres des Bulbus durch
diesen Teil des Endocardkissens eine Verlängerung, wodurch zugleich
der obere, an das Gebiet des Ostium atrioventriculare dextrum an-
grenzende Teil des Ostium bulbi gegen dieses Ostium abgeschlossen
und so eine ventrale Umgrenzung des Ostium atrioventriculare
dextrum gebildet wird.
Definitive Scheidung der beiden Kammern. Indem
nun die beiden proximalen B.-W., von denen der proximale B.-W. A.
wie früher erwähnt wurde, an dem rechten Abhänge des ventralen
Abschnittes des Randes des Septum interventriculare ausläuft, mitein-
ander und mit dem oben erwähnten Abschnitte der Endocardkissen
verwachsen, wird nicht nur im proximalen Bulbusabschnitte das Aorten-
rohr vom Pulmonalisrohre geschieden, sondern es wird auch die bis
dahin noch bestehende Kommunikation zwischen den beiden Kammern
aufgehoben, wobei jedoch das Foramen interventriculare erhalten bleibt
und zur Bildung des Aortenconus der linken Kammer Verwendung
findet (Lindes 1865, Masius 1889).
Einbeziehung des proximalen Abschnittes des Bul-
bus cordis in die Kammer ab t eilung. In der Zwischenzeit
macht die Unterwühlung der Bulbuswand von der Kammer her
immer weitere Fortschritte (Fig. 46b und c), und schließlich führt
dieser Prozeß zu einer fast vollständigen Zerstörung der vorher unter-
minierten Wand, so daß schließlich der proximale Abschnitt des Bulbus
bis an die Semilunarklappen heran, in die Kammerabteilung des
Herzens aufgenommen erscheint (Greil).
Septum ventriculorum. Die nunmehr komplete Kammer-
scheidewand besteht jedoch anfänglich nur in den aus dem ursprüng-
lichen Septum interventriculare gebildeten Teilen aus Muskulatur, im
übrigen ist sie, soweit sie aus Teilen der Endocardkissen und der
proximalen B.-W. hervorgegangen ist, aus Bindegewebe aufgebaut. —
Sehr bald wachsen jedoch auch in diese bindegewebigen Teile der
Scheidewand aus der Nachbarschaft Muskelmassen ein , so daß am
ausgebildeten Herzen rein bindegewebige Teile der Kammerscheide-
wand nicht mehr bestehen.
Bildung der A t r i o v e n t r i c u 1 a r k 1 a p p e n. Was die Bildung
der Atrioventricularklappen anbelangt, so ist zu bemerken, daß sich,
so wie bei Lacerta, nicht nur an der ventralen und dorsalen Wand
«les Auricularkanales Endocardkissen als primärer Klappenapparat ent-
Die Entwickelung des Blutgefaßsystems. 45
wickeln, sondern daß auch an den seitlichen Wandungen dieses Herzab-
schnittes sekundäre, allerdings schwächere Endocardpolster, die lateralen
Endocardkissen (Fig. 45, 46) entstehen. — Am linken Ostium venosum
entwickelt sich nun aus dem links vom Ansätze des S. atriorum be-
findlichen Abschnitte der verschmolzenen Endocardkissen, welcher
ventral und dorsal mit der in Resten erhaltenen Wand des Canalis
auricularis zusammenhängt, der septale oder Aortenzipfel dieses
Ostiums. — Aus dem lateralen Endocardkissen und Partieen der zuge-
hörigen unterwühlten Canalis auricularis- Wand entsteht der marginale
Zipfel der Klappe, während aus den die Reste der unterwühlten Ohr-
kanalwand mit der Kammerwand verbindenden Muskeltrabekeln die
Papillarmuskeln der Klappen sich entwickeln.
Am rechten Ostium atrioventriculare unterbleibt die Bildung einer
septalen Klappe vollständig, da es, indem sich das Septum interven-
triculare mit dem rechten Rande der verschmolzenen Endocardkissen
verbindet , an Material zur Bildung einer solchen Klappe fehlt. —
Die Muskelklappe dieses Ostiums aber entsteht zum grollten Teile aus
dem unterminierten, diesem Ostium zugehörigen Wandabschnitte des
Auricularkanales, zum kleineren Teile aus der ventralen, sekundär ge-
bildeten Wand (vgl. p. 44) dieses Ostiums, in die, nachdem sie ur-
sprünglich aus rein endocardialem Gewebe bestand, von der Wand
des Auricularkanales her und aus dem Septum ventriculorum Musku-
latur eingewachsen ist. — Der große, die Muskelklappe beherrschende,
von der ventralen Kammerwand entspringende Papillarmuskel aber
ist möglicherweise ein Rest der unterminierten, im übrigen vollständig
zerstörten Bulbuswand. — Das laterale Endocardkissen des Ostium
atrioventriculare dextrum bildet sich bis auf unscheinbare der Muskel-
klappe aufsitzende Reste zurück.
Bezüglich der Vorkammerscheidewand sei noch hervorgehoben,
daß dieselbe, so wie bei den Reptilien, sehr bald zahlreiche Perforations-
öffnungen aufweist, von denen die eine oder die andere größere
Dimensionen erlangen kann (Lindes 1865, Masius 1889). — Diese
Lücken schließen sich vollständig erst nach der Geburt.
Die Sinusklappen und ihr SchicksaL An der Mündung
des Sinus venosus in die Vorkammer entstehen zwei ähnliche Klappen-
falten, die in einen Spannrauskel auslaufen, wie bei den Sauriern. —
Eine weitere Ausgestaltung erfährt jedoch der Sinus venosus bei den
Vögeln dadurch, daß der Sporn zwischen der Mündung des Sinus-
querstückes und der hinteren Hohlvene in den gemeinschaftlichen
Sinusraum sich in der Richtung gegen die rechte Sinusklappe hin
verlängert und das sogenannte Sinusseptum (Rose 1888j bildet,
welches schließlich mit der rechten Sinusklappe verwächst. — Ist nun
das rechte Sinushorn so weit in die Vorkammer hineingerückt
(vgl. p. 39), daß es äußerlich als abgrenzbarer Herzteil verschwmdet,
so werden auch die beiden Sinusklappen niedriger und können ent-
weder in diesem Zustande erhalten bleiben, wie bei den Cursores
(RÖSE 1888), oder es kann der die Mündung des Sinusquerstückes
begrenzende Abschnitt der rechten Sinusklappe schwinden und so
dieses allein eine selbständige Mündung in den Vorhof gewinnen, oder
endlich es können die Sinusklappen so weit reduciert werden, daß
alle drei großen Venenstämme getrennt in die Vorkammer münden. —
In dem letzteren Falle kann man dann, wenn auch keine Reste der
Sinusklappen erhalten bleiben, doch von einer vollständigen Einbe-
46
HOCHSTETTER,
gemeinschaftlichen
Sinusraumes in den rechten Vorhof
Ziehung des
sprechen.
Mündung der Lungenvene. Die Lungenvene mündet, wie
bei den Sauriern, von vornherein als einfacher Stamm in die linke
Vorkammer, an der linken Seite des Septum atriorum und behält diese
Beziehung auch dauernd bei.
Säuger.
So wie das fertig gebildete Säugerherz in den meisten wesent-
lichen Punkten seiner Organisation mit dem Herzen des ausgebildeten
Vogels Übereinstimmt, so sehen wir auch seine Entwickelung in allen
wichtigeren
Punkten in ähnlicher Weise sich vollziehen wie beim
Vogel. — Diese Aehnlichkeit des Entwickelungsganges ist jedoch nur
zum Teil auf von gemeinsamen Vorfahren ererbte Anlagen zurück-
zuführen, zum Teil handelt es sich dabei gewiß um weitgehende
Konvergenzerscheinungen
Eine genai
herzen verdanken wir den grundlegenden und ziemlich erschöpfenden
Untersuchungen von Born, die der folgenden Darstellung hauptsächlich
zu Grunde gelegt sind.
Entwickelung der äußeren Form des Säugerherz ens.
Kenntnis der Entwickelungsvorgänge am
Säuger-
Die Krümmung des Herzschlauches beginnt beim Kaninchen ungemein
frühzeitig, noch bevor seine paarigen Anlagen
ganzen Länge
ihrer
nach mit einander verschmolzen sind. — Wie bei allen übrigen
Wirbeltieren behält dabei das caudale Ende des Herzschlauches seine
ursprüngliche Lage ventral vom Darme bei, während sich seine übrigen
Abschnitte in Form einer Schleife ventral vor dasselbe lagern. — An
dieser Schleife, die man gewöhnlich als Ventrikelschleife bezeichnet,
kann ein caudalwärts absteigender, links gelegener und ein rechts be-
findlicher, aufsteigender Schenkel, die durch ein kurzes Querstück mit-
einander in Verbindung stehen, unterschieden werden. — Der auf-
steigende Ventrikelschenkel, welcher sich zuerst etwas medianwärts
wendet, um schließlich dorsalwärts umzubiegen, geht in den noch ganz
kurzen Truncus arteriosus über.
C.ati.
I.S.--
Alr.
V.u.
V.o.m.
Fig. 47a.
V.o.m.
Fig. 47a. Ventralansicht
des Herzens eines Kanin-
chenembryo von 0,95 mm
Kopflänge (nach Böen). LS.
Interventricularspalte. Atr.
Vorkammer. V.o.m. V. om-
phalo-mesent. V.u. V. um-
bilicalis. ^L.l I.Aortenbogen.
Fig. 47b. Seitenansicht
desselben Herzens (nach
BOEN). 2). C. Ductus Cuvieri.
C.au. Canalis aurieularis. S.v.
Sinus venosus ; übrige Be-
zeichnungen wie in Fig. 47a.
Sonderung des Herzschlauches in einzelne Abtei-
lungen. Bei Kaninchenembryonen vom 9. Tage, bei denen diese
Verhältnisse deutlich zu erkennen sind (Fig. 47a und b), zeigt sich
auch bereits die erste Andeutung der Sonderung des Herzschlauches
Die Entwickelung des Blutgefäßsystems. 47
in seine einzelnen Abschnitte, indem an seinem Venenende, in das
jederseits die V. omphalo-mesenterica, V. umbilicalis und der Ductus
Cuvieri münden (Fig. 47b), von links her einschneidend, eine Furche
auftritt, die, später ringförmig werdend, den Sinus venosus von der
Vorkammer sondert. — Die letztere, welche sich bereits deutlich nach
beiden Seiten hin, stärker aber zuerst nach links auszudehnen beginnt,
hängt durch ein kurzes verjüngtes Uebergangsstück , den Canalis
auricularis, mit dem absteigenden Ventrikelschenkel zusammen. Die
beiden Ventrikelschenkel sind durch eine tiefe Furche, die sogenannte
Interventricularspalte, von einander geschieden. — In dem rechten
aufsteigenden Ventrikelschenkel sehen wir mit Greil, wegen der
später an seiner Innenwand auftretenden Endocardwucheruugen, den
dem Bulbus cordis der Anamnier und Sauropsiden entsprechenden
Herzabschnitt, doch ist derselbe weder zu dieser Zeit noch später
äußerlich von der eigentlichen Kammerabteilung des Herzens deutlich
abgrenzbar.
Bald wird nun die Abgrenzung des Sinus venosus gegen den
Vorhof zu deutlicher, indem die Grenzfurche auch rechterseits er-
scheint. — Die Ausdehnung der Vorhofsabteilung schreitet rasch auch
nach rechts hin vor (Fig. 48b) und zu beiden Seiten des Bulbus
LS.
^^^^ ^____ ._^^_. ^^ — C.au.
s.v. — 'i
V.o.m. I.F. V.o.m. LS.
Fig. 48a. Fig. 48b.
Fig. 48a. Herz eines Kaninchenembryo von 2,5 mm Kopflänge. Ventral-
ansicht (nach Born). LF. Interventricularfurche; übrige Bezeichnungen wie bei
Fig. 47.
Fig. 48b. Ansicht desselben Herzens von der cranialen Seite her (nach Born).
Bezeichnungen wie bei Fig. 47 und 48a.
cordis vortretende Ausladungen derselben bilden die Anlagen der
Herzohren. — Auch der Canalis auricularis erscheint infolge der Aus-
dehnung der Vorkammer und der Ventrikelschleife deuthcher ge-
sondert.
Veränderungen der beiden Ventrikelschenkel und
Bildung der Interventricularfurche. Die Ausweitung der
letzteren betrifft jedoch mehr ihr Querstück und ihren aufsteigenden
Schenkel. — Indem sie weitere Fortschritte macht, schiebt sich der
rechte Ventrikelschenkel immer weiter vor (Fig. 48b), wodurch die
Interventricularspalte medianwärts verlagert wird. — Auch verkürzt
sich die letztere, indem die einander zugekehrten Flächen der Ventrikel-
schenkel miteinander verschmelzen und so das Ventrikelquerstück
immer höher wird. — Zu gleicher Zeit beginnt sich aber auch an
diesem Querstücke, von der Interventricularspalte ausgehend und ihr
gegenüber, eine Furche, die Interventricularfurche (Fig. 41 a) zu ent-
48
HOCHSTETTER.
Atr.iL -
Atr.s
wickeln. — Kun kann bereits von einer rechten nnd linken Kammer-
abteilung gesprochen werden. — Die erstere übergeht, konisch sich
verjüngend, ohne deutliche Grenze in den Bulbus cordis.
Verlagerung des Auricularkanales. In der Folge wird
der sich verbreiternde Auricularkanal zwischen der sich mächtig aus-
dehnenden linken Kammer und
der Vorkammerabteilung in der
Tiefe der Atrioventricularfurche
versenkt und zugleich nach rechts
hin verlagert, wobei sich seine
Wand der Bulbuswand innig an-
legt. — Ist dann die Reduktion
der Interventricularspalten weit
genug vorgeschritten (Fig. 49),
so geht die dorsale Wand des
Bulbus linkerseits unmittelbar in
die Wand des Canalis auricu-
laris über, und es wandelt sich
so die Interventricularspalte in
eine Bulboauricularfurche, wie
wir sie bei den Sauropsiden
fanden, um (Greil).
rkammerabteilung ist inzwischen
des Mesocardium posterius mit
steht, eine sagittal verlaufende
durch die Anlagerung des Bulbus an
den Vorhof entstande-
nen Rinne zusammen-
fließend, die Vorkammer-
abteilung äußerlich in
eine rechte und linke
erscheinen läßt
50).
v e r s c h i e -
I.F.
Fig. 49. "Ventralansicht des Herzens eines
Kaninchenembryo von 2,66mm Kopf-
länge (nach BoRisrv Bezeichnungen wie bei
Fig. 48.
An der dorsalen Wand der Vo
dort, wo dieselbe durch einen Rest
der Lungenanlage in Verbindung
Rinne entstanden, die, mit der
I.S.H. ._
S.i.s.v.
geteilt
(Fig.
.S.II.
Lage
bung der Vorkam-
mer a b t e i 1 u n g
S.Qu. V.c.i.
Fig. 50. Dorsalansicht des Herzens eines Ka-
ninchenembryo von 3,4 mm Koi^flänge (nach
BOBN). l., r.S.H. linkes, rechtes Sinushorn. S.Qu.
Sinusquerstück. V.c.i. V. cava inferior. S.üs.v. Spa-
tium intersepto-valvulare.
und
des Sinus venös us.
Dabei ändert dieselbe
der Kammer gegenüber
ihre Lage in der Weise,
daß sie sich ihr gegen-
über cranialwärts erhebt
oder aufklappt (Born
1889) [vgl. Fig. 48a und
Fig. 49], eine Lagever-
änderung, die mit der
Caudalwärtsverlagerung
des ganzen Herzens zu-
sammenhängt und durch
die stärkere Verschie-
bung
der Kammerabteilung in caudaler Richtung bedingt ist, die aber
auch eine Lageveränderung
gegenüber zur Folge hat.
des Sinus venosus der Vorkammerabteilung
Die Entwickelung des Blutgefäßsystems.
49
Der Sinus venosus, der nämlich früher der caudalen Wand der
Vorkammer aufsaß und in den die beiden Ductus Cuvieri in dorso-
ventraler Richtung einmündeten, stellt sich nun immer mehr in eine
frontale Ebene ein, so daß er später der dorsalen Vorhofswand anliegt
und die beiden Ductus Cuvieri einen immer stärker craniocaudal ge-
richteten Verlauf annehmen. — Indem dann die Mündungsstücke der
linken und rechten V. umbilicalis, sowie der V. omphalo-mesenterica
sinistra obliterieren, nimmt der Sinus die typische Hufeisenform an,
wie sie bei den Sauriern zeitlebens erhalten bleibt (Fig. 50).
S i n u s h ö r n e r und S i n u s q u e r s t ü c k. Die beiden die Ductus
Cuvieri aufnehmenden Schenkel des Sinus werden dann als Sinus-
hörner, der quere Abschnitt zwischen beiden aber als Sinusquerstück
bezeichnet. — Die hintere Hohlvene die hier aus der V. omphalo-
mesenterica dextra hervorgegangen ist, mündet (Fig. 50) an der Zu-
sammenflußstelle von rechtem Sinushorn und Sinusquerstück so, daß
sich ihre Mündung von vornherein unmittelbar cranialwärts von
dieser Zusammenflußstelle befindet.
Allmählich wird nun die Form des Herzens der des definitiven
Zustandes immer ähnlicher. — Am distalen Abschnitte des Bulbus
treten, wie beim Vogelherzen,
2 spiralige Furchen auf (Fig.
51), die die Scheidung der-
selben in Aorten- und Pul-
monahsrohr äußerlich andeu-
ten, während der proximale
Bulbusabschnitt hauptsächlich
in dem als Conus arteriosus
der rechten Kammer bezeich-
neten Herzabschnitte aufgeht.
— Kammer und Vorkammer
dehnen sich immer mehr aus,
und die letzteren umfassen,
indem sie sich noch weiter auf-
richten, mit den beiden Herz-
ohren, die aus dem distalen
Bulbusabschnitte hervorge-
Fig.
gangene Aorta
nalis (Fig. 51).
und Pulmo-
51. Ventralansicht des Herzens eines
Kanin chenembryo von 5,8 mm Kopflänge
(nach Born).
Einbeziehung
V 0 r h 0 f .
des rechten Sinushornes in den
rechten Vor ho f. Das rechte Sinushorn senkt sich wie beim
Hühnchen in die dorsale Wand des rechten Vorhofes ein, bis es
äußerlich nicht mehr nachweisbar ist, während das die Herzwandvenen
aufnehmende Sinusquerstück und das linke Sinushorn beim Kaninchen
und einigen anderen Säugern zeitlebens erhalten bleibt.
Schicksal des linken Sinushornes. Beim Menschen und
bei vielen anderen Säugetieren obhteriert jedoch der linke Ductus
Cuvieri und mit ihm das linke Sinushorn bis zu jener Stelle, an
welcher in das letztere die erste Herzwandvene mündet (Marshall),
so daß also bei diesen Formen nur das Sinusquerstück als Sinus
coronarius cordis erhalten bleibt.
Einbeziehung des L u n g e n v e n e n s t a m m e s in den
linken V o r h o f. So wie sich die rechte Vorkammer durch die Auf-
Handbuch der Entwickelungslehre. III. 2. 4
50 HOCHSTETTFR,
nähme des rechten Sinushornes und des gemeinsamen Siuusraumes
vergrößert, so erfolgt auch eine Vergrößerung der linken Vorkammer
dadurch, daß der sich ausdehnende kurze Lungenvenenstamm in sie
aufgenommen wird. — Diese Aufnahme oder Einbeziehung ist ent-
weder eine partielle, dann mündet auch im fertigen Zustand der ver-
kürzte Lungenvenenstamm in die Vorkammer, oder sie ist eine totale,
dann geht der Lungenvenenstamm ganz in der Vorkammer auf, und
es münden in die letztere seine primären Aeste, oder aber es wird
nicht nur der Lungenvenenstamm selbst, sondern auch seine primären
Aeste in die ^'orkammer einbezogen. — Das letztere ist beim Menschen
der Fall, wo schließlich nicht eine Lungenvene, wie ursprünglich,
sondern vier in den linken Vorhof münden (F. Schmidt 1870).
Ausgestaltung des H e r z i n n e r e n . Was die Ausgestaltung
des Herzinneren anbelangt, so soll mit der Schilderung der den Sinus
venosus und die A'orkammerabteilung betreffenden Veränderungen
begonnen werden. — So wie die Sonderung dieser beiden Herzab-
teilungen äußerlich zuerst durch eine von links her einschneidende
Furche eingeleitet wird, so schiebt sich im Inneren zuerst eine solide
Wandfalte von links her vor, die die Siuusmündung des Vorhofes
verengend, dieselbe schließlich ganz der rechten Vorhofsabteilung
zuweist.
Bildung der Sinusklappen und des Septum spurium.
Nun tritt auch an der rechten Umrandung der Sinusmüuclung eine
Wandfalte auf, die rasch plattenförmig vorwächst und ihr gesellt sich
von der linken Umrandung der Sinusmündung sich entwickelnd, eine
zweite ähnliche, aber nicht so stark vorspringende Falte zu. — Damit
sind die beiden Sinusklappen gebildet. — Sie vereinigen sich etwas
später an der dorsalen Wand der Vorkammer zu einer plattenförmigen
Leiste die auf die craniale Wand der Vorkammer übergreift. — Diese
zu einer Platte auswachsende Leiste ist das Septum spurium von
His. ~ Es entspricht dem Spannmuskel der Sinusklappen der Saurop-
siden (Rose 1889).
Bildung des Septum atriorum. Während sich aber die
Sinusklappen und das Septum spurium entwickeln und immer höher
werden, so daß die Sinusmündung immer mehr eine Spaltform annimmt
(Fig. 52), und sich bei der Erhebung der Vorkammerabteilung auf
deren Dorsalwand verschiebt, entsteht links von ihr, von der Dorsal-
wand der Vorkammer aus, entsprechend der früher erwähnten (p. 48)
rinnenförmigen Einziehung an ihrer äußeren Oberfläche, später auf
die craniale Wand übergreifend, eine Leiste, die allmähhch zur halb-
mondförmigen Platte des Septum atriorum (Septum I von Born)
auswächst. — Dasselbe entstellt also ganz ähnlich wie bei den Sauro-
psiden. — An seiner linken Seite findet sich, kaum daß es entstanden
ist, die Mündung der Lungenvene. — Der freie Rand des Septums.
der eine Endocardverdickung trägt, ist dabei zuerst gegen den rechten
Rand der Mündung des Ohrkanales gerichtet, an dessen Wand sich
inzwischen in derselben Lage wie bei den Sauropsiden die beiden Endo-
cardkissen entwickelt haben.
Verbindung d e s S e p t u m a t r i o r u m m i t d e n E n d o c a r d -
kissen des Auricularkanales. Indem nun das Septum atriorum
immer weiter vorwächst und sich gleichzeitig, infolge der früher ge-
schilderten Verschiebungen der einzelnen Herzteile gegeneinander.
Die Entwickelung des Blutgefäßsystems.
51
die Vorhofsmündung- des Ohrkanales verbreitert und nach rechts hin
verschoben hat, verbinden sich zuerst die beiden Ausläufer des Vor-
kammerseptums mit den Endocardkissen (Fig. 52) und hierauf ver-
schmelzen diese mit ihren einander zugekehrten Flächen miteinander
und in ihrer Mitte mit dem freien Rande des Septum atriorum. —
So wird also genau so wie bei den Sauropsiden eine Trennung der
beiden Voi^kammerabteilungen voneinander durchgeführt und zu-
gleich die Teilung des ursprünglich einheitlichen Ostium atrioventri-
culare in die beiden Ostia venosa erzielt.
f.S.m. S.i.s.v.
r.S.H.
r.S.Kl .
I.8.H.
pr.B. W.B.
pr.B.W.A. S.i.
Fig. 52. Durchschnitt durch das Herz eines Kaninchenembryo von 5,8 mm
Kopflänge. Höhleuansicht (nach Born), r., J.S.H. rechtes, linkes Sinushorn. r.J.S.Kl.
rechte, linke Sinusklappe. pr.B. W. A, B proximaler Bulbuswulst A, B. d.E.K. dor-
sales Endocardkissen. S.atr. Septum atriorum. S.i.s.v. Spatium intersepto-valvulare,
S.i. Septum interventriculare.
Bildung der Foramen ovale. Während aber das Septum
. atriorum herabwächst, und noch bevor es sich mit den Endocardkissen
verbunden hat, treten in ihm entweder wie bei den Monotremen
(HocHSTETTER A. 1896) uud Marsupialiern (Rose 1889) zahlreiche
Perforationslücken auf, oder es kommt an seiner Wurzel wie beim
Menschen, Kaninchen (Born) und wohl den meisten Placentaliern zur
Ausbildung einer einheitlichen größeren Oeflfnung, dem Foramen ovale
(F. ov. II Born), neben der übrigens (Born, Rose) auch noch kleinere
Oeffnungen vorkommen können.
Während sich aber bei den Monotremen und Marsupialiern die
zahlreichen Perforationsöffnungen wie bei den Sauropsiden durch
Endocardwucherungen (Rose 1889) schließen, erfolgt der Verschluß
des Foramen ovale beim Menschen und Kaninchen in anderer
Weise.
Bildung des Limbus Vieussenii und Abschluß des
Foramen ovale. Etwas rechts von der Stelle nämlich, an welcher
das Septum atriorum hervorgewachsen ist, entsteht eine sichelförmige
Leiste, die plattenartig vorwachsend das Foramen ovale einengt (Fig. 58).
Diese zweite Scheidewandbildung (S. II von Born) ^) schiebt sich nun
1) Von RÖSE Limbus Vieussenii genannt.
4*
52 HOCHSTETTER,
an der rechten Seite des das Foramen ovale begrenzenden Randes
des Septum atriorum (Valvnla foraminis ovalis der Autoreu) vor und
überdeckt so das Foramen ovale schließlich vollständig. — Nach der
Geburt verwächst sie dann in der Regel mit den ihr anliegenden
Teilen des Septum atriorum zur einheitlichen Vorkammerscheidewand
der ausgebildeten Form.
Das S p a t i u m i n t e r s e p t o - v a 1 v u 1 a r e. In der Zwischenzeit
sind nun in dem Maße, als sich das rechte Sinushorn immer mehr in
den rechten Vorhof hineinsenkt, die Sinusklappen und das Septum
spurium so mächtig vorgewachsen daß sie mit dem Septum atriorum
einen als Spatiumintersepto- valvuläre (Rose) bezeichneten Raum
(Fig. 52) des rechten Vorhofes, der auch äußerlich durch eine leichte
Wandausbuchtung (Fig. 50) sich kennzeichnet, abgrenzen. —
Bildung des S i n u s s e p t u m s. Im Sinus selbst hat sich dann
wie bei den Vögeln von links her das Sinusseptum entwickelt, welches,
indem es sich mit der rechten Sinusklappe verbindet, in dem nun von
den beiden Sinusklappen begrenzten, gewissermaßen in die rechte
Vorkammer eingestülpten Sinusraume, die Mündung des Sinusquer-
stückes vor der der hinteren Hohlvene scheidet. — Die Mündung des
rechten Ductus Cuvieri (V. cava superior dextra) entfernt sich nun
von derjenigen der hinteren Hohlvene, und das Spatium intersepto-
valvulare wird immer enger.
Rückbildung der Sinusklappen und des Septum
spurium. Die endgiltige Einbeziehung des Sinus venosus in den
rechten Vorhof erfolgt dann in ähnlicher Weise wie bei den Vögeln,
indem das Septum spurium und die Sinusklappen immer niedriger
werden und schließlich nahezu vollständig schwinden wie beim Kaninchen,
oder indem, wie beim Menschen, die niedrig gewordene linke Sinus-
klappe und das Septum spurium mit dem Septum atriorum ver-
schmelzen, während die rechte Sinusklappe in der Umgebung der
Mündung der oberen Hohlvene vollkommen schwindet, und sich
Reste ihres durch das Sinusseptum geteilten niedriger gewordenen
caudalen Abschnittes an der rechten Seite der Mündung des Sinus
corouarius cordis und der hinteren Hohlvene als Valvula Thebesii und
Eustachii erhalten.
Reste beider Sinusklaj^pen finden sich an der Mündnng aller 3 Venen
in dem rechten Vorhof bei den Monotremen (Rose 1890, Hochstbtteu
1896). — Reste beider Sinusklappen an der Mündung der hinteren
Hohlvene finden sich bei Edentaten (Born 1889, Rose 1890), bei lu-
sectivoren (Grosser 1896) und beim Biber (Born 1889).
Noch am ausgebildeten Herzen läßt sich übrigens die durch Ein-
beziehung des Sinus venosus entstandene Wandstrecke des Vorhofes
an ihrer blatten Beschaffenheit erkennen. — Ebenso fehlen im linken
Vorhofe an den diircli die Einbeziehung des Lungenvenusstammes ent-
standenen WandjDartieen die Musculi pectinati.
Bildung der Endocardkissen des Auricularkanales
und der Bulbu s wülste. Bei Kaninchenembryonen beginnt am
10. Tage die Bildung der beiden Endocardkissen des Auricularkanales.
am 11. die Entstehung von Muskeltrabekeln im absteigenden und
queren Schenkel der Ventrikelschleife. — Gleichzeitig legt sich in
diesen Kamnierteilen das Endocard an das Mj^ocard an. — Am auf-
steigenden Ventrikelschenkel dagegen ist am 11. Tage die Muskelwand
Die Entwickelung des Bkitgefäßsystems. 53
noch kompakt, und sein Entlocardrohr steht weit von ihr ab, doch be-
ginnen sich von ihm aus bereits subendocardiale Zelhxnhäufungen, als
erste Anlagen der Bulbuswülste zu entwickeln (Fig. 53) und den
Zwischenraum zwischen Endocard und Myocard auszufüllen. — Aehn-
liche Endocardwucheruugen haben wir früher als für den Bulbus
cordis der übrigen Vertebraten charakteristische Bildungen kennen
gelernt und müssen daher mit Greil den ganzen durch diese
Bildungen ausgezeichneten aufsteigenden Ventrikel-
schenkel als den dem Bulbus cordis niederer Verte-
braten entsprechenden Abschnitt des Säugerherzens
betrachten und bezeichnen, der freilich gewissermaßen
schon in statu nascendi in die Kammerabteilung auf-
genommen zu werden beginnt.
Fig. 53. Längsschnitt durch den aufsteigenden Ventrikel-
schenkel des Herzens eines Kaninchenenobryo vom 11. Tage.
Noch ist es nämlich im Bulbus cordis nicht zur Ausbildung vor-
tretender Bulbuswülste gekommen, und schon greift die Trabekelbildung
der Kammer auch gegen seine rechte Wand zu vor und trennt
so die an seiner ventralen und dorsalen Wand befindlichen
Endocardverdickungen von einander. — In diesen so voneinander
getrennten, am meisten gegen die Kammer zu vorgeschobenen Endo-
cardlagen sehen wir die den ähnlich gelagerten proximalen Bulbus-
wülsten A und B der Sauropsiden entsprechenden Bildungen.
Veränderungen im G e 1) i e t e des F o r a m e n i n t e r v e n -
triculare. Indem die Interventricularspalte immer seichter wird,
wird das die beiden Ventrikelschenkel verbindende Foramen inter-
ventriculare immer höher, wodurch seine craniale Umgrenzung der
Kammeröffnung des Auricularkanales, die sich inzwischen allmählich
nach rechts hin verschiebt, immer näher rückt und dieselbe schließlich
erreicht. — Die der Interventricularspalte entsprechende, gegen das
Foramen interventriculare zu vorspringende Leiste wird in demselben
Maße immer niedriger und bildet schließlich die Grenze zwischen der
Bulbuswand und der Wand des Canalis auricularis, sie kann dann als
Bulboauricularleiste bezeichnet werden, da sie mit Rücksicht auf ihre
nachbarlichen Beziehungen derselben Leiste der Sauropsiden entspricht
(Greil).
Anlage des Septum interventriculare. In dem Maße
aber, als das Foramen interventriculare an Höhe zunimmt, tritt ent-
sprechend der inzwischen aufgetretenen Interventricularfurche im
Innern der Kammer eine solide Muskelleiste auf, die das Foramen
interventriculare wieder einengt. — Es ist das die erste Anlage des
Kammerseptums. Neben ihr buchten sich die beiden Kammerhälften
caudalwärts immer mehr aus, wodurch das S. interventriculare so, wie
durch eignes Wachstum, rasch höher wird. — Sein ventraler Aus-
läufer steht von vornherein mit der Bulboauricularleiste in Verbin-
dung, während sein dorsaler in die dorsale Wand des Canalis auri-
cularis übergeht.
Inzwischen erleidet die Bulboauricularleiste eine weitere Höhen-
reduktion, während sich der Auricularkanal nach rechts hin stark aus-
weitet, und so kommt jetzt der craniale Teil der Kammermündung
des Bulbus bereits ins Gebiet des Ohrkanales selbst zu hegen.
54 HOCHSTETTER,
Bildung der distalen Bulbus willst e. Im distalen Bulbus-
abschuitte bildet die subendocardiale Zelhvuclierung zuerst eine allent-
halben gleich dicke, die innere Oberfläche des Bulbusrohres bedeckende
Schicht. — Später treten aus dieser Schicht zwei stärkere und zwei
schwächere, spiralig verlaufende Wülste (Fig. 54) deutlich hervor. —
Sie entsprechen den distalen Bulbuswülsten 1—4 der Amphibien und
Reptilien. — Die beiden stärkeren (1 und 3) setzen sich proximal-
wärts in die beiden früher als Anlagen der proximalen Bulbuswülste
A und B bezeichneten Endocardlagen fort, die nun auch allmählich
die Form von Wülsten annehmen (Fig. 56). Sie zeigen nahezu die-
selben Lagebeziehungen wie die proximalen Bulbuswülste A und B
beim Hühnchen.
Entwickelulng des Septum aortico-pulmonale. Ganz
ähnlich wie beim Hühnchen entwickelt sich nun im Truncus arteriosus
von der Umrandung der Mündung der Pulmonalisbogen aus das
-ß.ir.i.
- B. W.3.
Fig. 54. Fig. 55.
Fig. 54. Querschnitt darch den Bulbus cordis eines menschlichen Embryo
von]|27^Tagen.
Fig. 55. Schematische Darstellung der Scheidung des distalen Bulbusab-
schnittes in Aorta und Pulmonalis und der Eutwickelung der Semilunarklappen.
Septum aortico-pulmonale und wächst bis an den Beginn der beiden
distalen Bulbuswülste 1 und 3 vor (Langer 1895). — Diese legen
sich inzwischen mit ihren Firsten aneinander und verschmelzen, indem
das Gewebe des Septum aortico-pulmonale in sie vordringt, der Länge
nach miteinander (Fig. 55a und b). — So wird das ursprünglich ein-
heitliche Bulbusrohr in eine Aorten und eine Pulmonalisabteilung ge-
schieden. — Diese Scheidung ist der unmittelbare Vorläufer der
Teilung des distalen Bulbusabschnittes in Aorta und Pulmonalis, die
sich unter geweblicher Umwandlung seiner Wand in ähnlicher Weise
vollzieht wie beim Hühnchen (Fig. 55b und c), dabei bleiben jedoch
ebenso wie dort Aorta und Pulmonalis durch einen gemeinsamen
Pericardialüberzug mit einander verbunden.
Bildung der Semilunarklappen. Hat dieser Scheidungs-
prozeß einmal begonnen, so si»ringen an der Wand des Aorten- sowie
des Pulmonalisrohres 3 Bulbuswülste vor (Fig. 55b), indem die
B. W. 1 und 3 in zwei jedem Arterienrohre zugeteilte Hälften zer-
fallen sind und außerdem jedem Arterienrohre ein ganzer B.-W. ver-
blieben ist. — Und nun entstehen aus diesen Bulbuswülsten, durch
Aushöhlung von der distalen Seite her, die Semilunarklappen in ähn-
licher Weise wie bei den übrigen Vertebraten.
Einbeziehung des proximalen Bulbusabschnittes
in die K a m m e r a b t e i 1 u n g. Während sich aber die geschilderten
Die EntwickeluDg des Blutgefaßsystems.
55
Prozesse am distalen Abschnitte des Bulbus abspielen, dehnt sich die
rechte Kammei- immer mächtiger aus und dringen die Hohlräume
zwischen ihren Muskeltrabekeln immer weiter in die vorher kompakte
Wand des proximalen Bulbusabschnittes vor, so daß die letztere in
2 Lamellen gespalten wird (Fig. 56), die zunächst noch durch
Muskelbalken miteinander in Verbindung stehen. — Die innere von
diesen beiden Lamellen wird dann dort, wo sie keine Endocardver-
dickungen trägt, also zwischen den proximalen B.-W. A und B zer-
stört und so der Raum des proximalen Bulbusabschnittes immer mehr
und mehr in die rechte Kammer einbezogen (Fig. 57). Wenn sich
I.S.H.
S.i.s.v.
pr.B. W.B.
■i.s.n.
Fig. 56. Schnitt durch das Herz eines Katzenembryo von 6,5 mm Kopf-
länge. pr.B.W. A, B proximaler Bulbuswulst A, B. v.E.K. verschmolzene Endocard-
kissen. O.i.v. Ostium interventriculare. 8.i. Septum interventriculare. S.atr. Septum
atriorum. S.Kl. Sinusklappen. l.S.H. linkes Sinushorn.
Fig. 57. Schnitt durch das Herz eines Embryo von Erinaceus europaeus
von 5,8 mm Kopflänge. S.R. Sinusraum. S.i.s.v. Spatium intersepto - valvuläre.
Uebrige Bezeichnungen wie bei Fig. 56.
also die proximalen B.-W. A und B später in 'die rechte Kammer
hinein fortsetzen, so ist dies nicht eine Folge davon, daß sie in diesen
Kammerabschnitt herabgewachsen sind, sondern vielmehr eine Folge
davon, daß der proximale Bulbusabschnitt, dem sie ursprünglich an-
gehören, in die rechte Kammerabteilung einbezogen wurde (Greil). —
Dabei läuft der proximale B.-W. A, so wie beim Hühnchen, an der
rechten Seite des freien Randes des Septum interventriculare aus
(Fig. 56), da dieser Teil des Septums aus der Fortsetzung der Bulbo-
auricularleiste entstanden ist.
Unterm inier ung der Wand des Auricularkanales.
Auch die Wand des Auricularkanales wird, wie bei den Sauropsiden,
von der Kammerabteilung her unterwühlt und ragt so, mit der Kammer-
wand durch Muskeltrabekel in Verbindung bleibend, frei in die Kammer
hinein. — Dabei haben sich auch an der Innenfläche der Seiten-
wandung des Auricularkanales wie bei den Sauropsiden kleine sekun-
däre Endocardkissen entwickelt (Fig. 58 und 59).
Die definitive Scheidung der beiden Kammern und
die Bildung des Septum ventr iculorum. Die definitive
Scheidung der beiden Kammern voneinander erfolgt nun in ganz
ähnlicher Weise wie bei den Vögeln, indem das Septum interventri-
culare immer höher wird und von der Dorsalseite her, wo es ja schon
56
HOCHSTETTER,
früher mit der Wand des Canalis auricularis in Verbindung stand,
sich mit den rechten Randhöckern dei' nunmehr verschmolzenen
Endocardkissen verbindet (Fig. 58, 59), — Durch sein Vorwachsen
kommt es jedoch nie zu einem Abschhisse des Foramen interventri-
culare. — Die Oeffnung bleibt vielmehr zwischen dem freien Rande
des Septum interventriculare und dem vorderen Abschnitte der ver-
schmolzenen Endocardkissen erhalten (Fig. 56, 57), und durch sie
passiert das Blut aus der linken Kammer in die zunächst von dei-
Pulmonalisabteilung noch nicht geschiedene Aortenabteilung des pro-
ximalen Bulbusabschnittes (Fig. 56). — Nun verwachsen die beiden
proximalen B.-W. A und B in der Fortsetzung des Septum aortico-
pulmonale miteinander (Fig. 57) und schließlich mit dem Rande des
S. interventriculare, und damit ist dann die Trennung der beiden
Kammern endgiltig vollzogen. — Das Foramen interventriculare wird
somit auch bei den Säugern in die Wand des Conus arteriosus der
Aorta aufgenommen und bleibt daher zeitlebens bestehen (Born 1889).
L.V.
S.v
S.v.
Fig. 58. ^ Fig. 59.
Fig. 58. Schema der Entwickelung der Scheidewände des Herzens (etwas
modifiziert nach Born). V.d., s. rechte, linke Kammer. S.i.s.v. Spatium intersepto-
valvulare. F.o. Foramen ovale. l.E.K. laterales Endocardkissen. Uebrige Bezeich-
nungen wie bei Eig. 56 u. 57.J
Fig. 59. Schnitt durch das Herz eines Kaninchen embryo vom Beginne
des 15. Tages. L.V. Lungenvene. Uebrige Bezeichnungen wie bei Fig. 58.
Septum atrioventriculare. Da sich das Septum inter-
ventriculare mit den rechten Randhöckern der verschmolzenen Endo-
cardkissen verbindet, das Septum atriorum aber mit deren Mitte, so
grenzt jener von den Endocardkissen gebildete Teil der Wand des
Conus arteriosus der Aorta, der sich zwischen dem Ansätze des S.
interventriculare und des S. atriorum (Fig. 59*), befindet unmittelbar
an den rechten Vorhof (S. atrioventriculare Hochstetter 1898). —
In die aus dem proximalen B.-W. gebildeten, also ursi)rünglich endo-
cardialen Teile der Kammerscheidewand wächst später Muskulatur
ein, so daß sich diese Teile von
nicht mehr abgrenzen lassen.
Pars m e m b r a n a c e a s e p t i v e n t r i c u 1 o r u m. Beim Menschen
bleibt jedoch die Stelle, an welcher der Verschluß des letzten Restes
der Kommunikationsöfthung zwischen beiden Kammern erfolgte, als
häutige Stelle der Kammerscheidewand erhalten (Born 1889).
dem eigentlichen S. interventriculare
Die Entwickelung des Blutgefäßsystems. 57
Bildung der A trioveutriciilarkl appen. Die Atrioven-
tricularklappen entstehen zum Teile aus dem Materiale der ver-
schmolzenen Endocardkissen, die über den Ansatz des Septum inter-
ventriculare, nicht bloß gegen das linke, sondern auch gegen das rechte
Ostium atrioventriculare zu vorragen (Fig. 59), zum Teile aus der
unterwühlten mit der Kammervvand durch Muskelbalken in Verbindung
stehenden Muskel wand des Canalis auricularis. — Das erstere gilt
insbesondere für den septalen Zipfel der Valvula bicuspidalis, der zum
Teile rein endocardialen Ursprunges ist, während seine durch Chordae
tendineae und Papillarmuskeln mit der Kammerwand in Verbindung
stehenden Abschnitte, ebenso wie die marginalen Segel beider Ostien
aus der unterminierten, in die Kammer hineinragenden, nachträglich
bindegewebig sich umwandelnden Wand des Canalis auricularis ent-
stehen , wobei die Musculi papilläres und Chordae tendineae aus
Trabekelzügen hervorgehen , die diese Wand ursprünglich mit der
Kammerwand verbinden. — Kommt es nämlich zur bindegewebigen
Umwandlung der ursprünglichen, fleischigen Klappenteile, dann werden
auch. Teile der an sie herantretenden Muskelbalken bindegewebig um-
gewandelt und bilden so die Chordae tendineae , während die der
Kammerwand benachbarten Abschnitte derselben, muskulös bleibend,
die M. papilläres hervorgehen lassen (Bernays 187G, Born 1889). —
Die lateralen Endocardkissen scheinen eine wesentliche Rolle bei der
Bildung der marginalen Klappensegel nicht zu spielen.
Bei den Monotremen unterbleil3t, ähnlich wie bei den Vögeln die
Bildung eines septalen Klappenzipfels am Ostium atrioventriculare
dextrum (Hochstetter A. 1896). — Bei den übrigen Säugern aber,
bei denen ein solcher Klappenzipfel gebildet wird, soll er ähnlich ent-
stehen wie der septale Zipfel der Valvula bicuspidalis (Born 1889). —
Die Pericardialhölile und das Septum pericardiaco-peritoneale.
Nachdem sich die Verbindungen der Cölomhöhle mit den
Mesodermhöhlen des Kopfes geschlossen haben, liegt das Herz in dem
cranialsten Abschnitte der Leibeshöhle, den man deshalb passend als pri-
mitive Pericardialhöhle ^) bezeichnet. — Die letztere steht ursprünglich
bei sämtlichen Wirbeltieren in weiter Kommunikation mit der übrigen
Leibeshöhle. — Nur bei den Myxinoiden bleibt diese Kommunikation
zeitlebens erhalten, bei allen anderen Wirbeltieren kommt es zur Aus-
bildung einer Scheidewand zwischen Pericardial- und Peritonealhöhle,
die wir Septum pericardiaco-peritoneale nennen wollen.
Selachier.
Das Mesohepaticum anterius und die Mesocardia
1 a t e r a 1 i a. Bei den S e 1 a c h i e i- n sehen wir die erste Anlage dieser
Scheidewand in Form einer kurzen, die Darmwand caudal vom Herz-
schlauche mit der die craniale Cirknmferenz des Leibesnabels bildenden
Partie'der ventralen Leibeswand in Verbindung setzenden Mesoderm-
masse gebildet, welche später die Leberanlage mit der ventralen Bauch-
wand in Verbindung setzt uud deshalb als Mesohepaticum anterius
bezeichnet werden kann (Fig. 62 21. a). — Sie bildet ursprünglich
1) His 1881 nennt ilin Parietalhöhle.
58
HOCHSTETTER,
Fortsetzung
des Mesocardium anterius, das sich jedoch
die caudale
frühzeitig zurückbildet.
Bald tritt zu dieser ersten unpaaren Anlage noch eine zweite
paarige Anlage hinzu. — Indem nämlich der mesodermale Ueberzug
der V. omphalo-mesentericae dort, wo sie in den Herzschlauch münden,
mit der Somatopleura verwächst, entsteht jederseits eine Substanz-
brücke, durch welche die Ductus Cuvieri an die V. omphalo-mesen-
tericae herankommen und in sie einmünden können. — Diese Substanz-
brücke entspricht der seit Kölliker bei den höheren Vertebraten als
Mesocardium laterale bezeichneten Bildung. — Ventral und dorsal von
den Mesocardia lateralia kommuniziert die Pericardialhöhle noch durch
weite paarige Oeffnungen mit der übrigen Leibeshöhle. — Dorsal
werden die Oeffnungen der beiden Seiten durch das Gekröse des
Oesophagus (Fig. (30), ventral durch die Leberanlage und das Meso-
hepaticum anterius voneinander geschieden. — Wenn sich nun in der
Folge die Leber weiter entwickelt, bildet ihre craniale Fläche, ventral
von den Mesocardia lateralia, eine Art caudaler Wand der Pericardial-
höhle (Fig. 61), ohne jedoch ihre
ventralen Kommunikationen mit der ~^=^««;a:^ ^"^' ,^'tf^'^?:i^^
Peritonealhöhle vollkommen abzu- .^^r-^''^' -i'^^f^l:^i
schließen.
Mi
A.C.
Bu.co.
■ V.CO.
S.F.
Fig. 60. Querschnitt durch einen Embrj^o von Acanthias vulgaris von
12 mm Länge. A. Aorta. CD. Kanaldivertikel. D.C. Ductus Cuvieri. D.pc.p.
Ductus pericardiaco-peritoneahs. Pc.H. Pericardialhöhle. Oe. Oesophagus. S.v. Sinus
venosus. F.c.|*. V. cardinalis posterior. V.co. Herzkammer.
Fig. 61. Frontalschnitt durch Herz und Pericardialhöhle eines Acanthias-
Embryo von 20 mm Länge. A.C. Auricularkanal. Bu.co. Bulbus cordis. L. Leber.
V.CO. Herzkammer. S.F. Schlußfalte der Pericardialhöhle.
Bildung
Dem dorsalen
des frontalen Sinusgekröses.
Abschnitte der cranialen Leberfläche sitzt der Querschlauch des Sinus
venosus ursprünglich breit auf (Fig. 62). — Später schnürt er sich
von der Leber allmählich ab, so daß er
schließlich nur noch durch ein
annähernd frontal gestelltes, kurzes Gekröse (Fig. 63), welches wir im
folgenden als frontales Sinusgekröse bezeichnen, mit ihr im Zusammen-
hange bleibt.
Abschluß der ventralen Kommunikationsöffnungen
d e r P e r i c a r d i a 1 h ö h 1 e durch die s e i 1 1 i c h e n S c h 1 u ß f a 1 1 e n.
Die Entwickelung des Blutgefäßsystems.
59
Gleichzeitig aber kommt es zum Verschlusse der ventralen Komnnmi-
kationsöffnungen, indem, vom Mesocardium laterale ausgehend, ventral-
wärts mit dem Mesohepaticum anterius in Verbindung tretend, jederseits
eine Leiste an der Leibeswand auftritt (Fig. 61j, die, plattenförmig vor-
wachsend, als seitliche Schlußfalte
diese Kommunikationsöffnung ein-
engt und dieselbe schließlich voll-
ständig verschließt, indem sie sich
mit der cranialen Leberfläche, unter
deren Cölomepithelüberzug schon
früher eine beträchtliche Anhäufung
embryonalen Bindegewebes auf-
getreten war, verbindet. — Außer
denMesocardialateralia, dem Meso-
hepaticum anterius und den seit-
lichen Schlußfalten beteiligt sich so-
mit an der Bildung dieser Scheide-
wand auch noch ein Abschnitt der
cranialen Fläche der Leber.
A b s c h n ü r u n g d e r Leber
vom S e p t u m p e r i c a r d i a c o -
peritoneale. Später schnürt sich
dann das so gebildete Septum von
der ventralen und lateralen Seite
her von der Leber ab, mit der
es nur dorsal eine mächtige Binde-
Oe.
V.Pl.
■ D.ch.
D.
ihrer cranialen
Verbindung
Fig. 62. Sagittalschnitt durch die
Pericardialtiöhle und Leberanlage eines
Acanthias-Embryo von 13 mm
Länge (nach Hochstettee,). Oe. Oeso-
phagus. S.v. Sinus venosus. V.Pl. Ver-
bindungsplatte. M.a. Mesohepaticum an-
terius. G.Bl. Gallenblase. D. Darm. D.ch.
Ductus choledochus.
gewebslage an
Fläche bildend,
bleibt, und wird
pung (Fig. 63).
Abschluß der Ductus p er icardiaco- peritoneales
in
so
wenigstens
teilweise zu einer selbständigen Bil-
Die
V.Pl //_^_.
dorsalen Kommunikationsöffnungen,
diaco-peritoneales bezeich-
nen kann (Fig. 60), schlie-
ßen sich dagegen in anderer
Weise. — Ursprünglich
durchzieht der Oesophagus,
an seinem Gekröse frei auf-
gehängt, dorsal vom Herz-
schlauche die Pericardial-
höhle (Rabl). — Später
kommt es zu einer vom
cranialen Ende der Peri-
cardialhöhle ausgehenden,
caudalwärts fortschreiten-
den Verwachsung zuerst
seiner Seiten, dann aber
auch seiner Dorsalwand
mit der Leibeswand, wo-
durch der dorsale Ab-
schnitt der Pericardial-
höhle verschwindet und die
Dorsalwand dieser Höhle,
die man auch als Ductus pericar-
— Spc.}).
-•- O.a.t.
Fig. 63. Sagittalschnitt durch Pericardialhöhle
und Septum pericardiaco- peritoneale eines Acan-
thias-Embryo von 33 mm Länge (nach HoCH-
stetter). V.PL Verbindungsplatte. S.pc.p. Sejitum
pericardiaco-peritoneale. Uebrige Bezeichnungen
wie bei Fig. 62. ,
60 HOCHSTETTER,
nunmehr von der vertralen Wand des Oesophagus gebildet wird. —
Ist nun dieser Verwachsungsprozeß bis über die Ductus Cuvieri hinaus
vorgedrungen, um hier Halt zu machen, so sind auch die Ductus
pericardiaco-peritoneales verschlossen.
Bildung des C a n a 1 i s p e r i c a r d i a c o - p e r i t o n e a 1 i s. Wie
bekannt, kommuniziert jedoch die Pericardialhöhle bei den Selachiern
mit der übrigen Leibeshöhle durch einen in der Ventralwand des
Oesophagus unter dessen Serosa gelegenen, spaltförmigen, dorsal vom
Sinus venosus mit einer Ausbuchtung der Pericardialhöhle beginnenden
sich caudalwärts gabelnden Gang, der mit zwei Oeffnungen an der
Ventralwand des Oesophagus in die Peritonealhöhle mündet. Die Ent-
wickelung dieses Ganges beginnt nun schon sehr frühzeitig. - Seine
erste Anlage wird von einer spaltförmigen Ausbuchtung der Pericardial-
höhle gebildet, die sich blindsackartig zwischen Oesophagus und Sinus
venosus vorschiebt (Fig. 60 C.I).). — Indem dieselbe caudalwärts
immer weiter vorwächst, dringt sie in die ventrale Wand des Oeso-
phagus ein. — Dabei verbreitet sie sich nach beiden Seiten hin immer
mehr und löst so, indem sie seitlich mit den Ductus pericardiaco-
peritoneales zusammenfließt, den direkten Zusammenhang zwischen
Oesophagus einer- und Sinus venosus und Ductus Cuvieri anderer-
seits.
Da diese Pericardialbucht inzwischen in die Oesophaguswaud
immer weiter vorgedrungen ist, hat sie von derselben eine seitlich
freirandig begrenzte, ziemlich breite Mesodermplatte abgespalten, die
indirekt den Sinus venosus mit der Oesophaguswaud in Verbindung
setzt (Fig. 63). — Diese Verbindungsplatte steht zunächst noch durch
das ventrale Oesophagusgekröse, mit der Leber in Verbindung. —
A.v. ;^^,>^^j<rTr^^:^ 3f.d-
-Oe.
..Oe.
V.Pl.
Fig. 64. Fig. 65.
Fig. 64. Querschnitt durch Oesophagus und Umgebung eines Acanthias-
Embryo von 32 mm Länge (nach Hochstetter). Oe. Oesophagus. r.Pl. Ver-
bindungsplatte. M.d. Oesophagusgekröse. L.Y. Lebervene. A.v. A. vitellina.
Fig. 65. Querschnitt durch den Oesophagus mit den Ausläufern der Ver-
bindungsplatte eines A c a n t h i a s - E m b r y o von 32 mm Länge (nach Hochstetter).
Bezeichnungen wie bei Fig. 64.
Bald schwindet jedoch dieses Gekröse, und nun liegt die Verbindungs-
platte frei zwischen Oesophagus und Leber (Fig. 63 und (34). — In-
dem dann die Abspaltung der Verbindungsplatte von der Oesophagus-
wand in caudaler Richtung seitlich weiter fortschreitet als in der Mitte,
setzt sich der Spalt zwischen ihr und der Oesophaguswaud in 2 caudal-
wärts auslaufende, spaltförmige, ventral von den Ausläufern der Ver-
bindungsplatte begrenzte Pannen fort (Fig. 65).
Nun ist inzwischen die Anwachsung des in der Pericardialhöhle
gelegenen Oesophagusabschnittes mit der Leibeswand erfolgt und hat
Die Entwickelung des Blutgefäßsystems. 61
bis an das craniale Ende der Verbindungsplatte vorgegriffen. Und
nun verwachsen die Seiten ränder dieser Verbindungsplatte bis ins
Gebiet ihrer caudalen Ausläufer mit der Oesophaguswand, Avodurch
zwischen Verbindungsplatte und Oesophaguswand der Canalis peri-
cardiaco-peritonealis, wie er für die ausgebildete Form charakteristisch
ist, gebildet wird. — Dieser Kanal ist somit nicht der Rest einer ur-
sprünglich bestehenden Kommunikation zwischen den beiden in Be-
tracht kommenden Leibeshöhleuabschnitten, sondern eine sekundäre
Bildung (HocHSTETTER 1900).
Da bei den Selachiern das Herz während der Entwickelung keine
nennenswerte Verschiebung in caudaler Richtung erleidet, behält auch,
nachdem das Septum pericardiaco - peritoneale gebildet ist, die Peri-
cardialhöhle ihre ursprüngliche Lage cranial von der Peritoneal-
höhle bei.
Cyclostomen.
Unter den Cyclostomen persistiert, wie schon erwähnt, bei den
Myxinoiden (J. Müller) der ursprüngliche Zusammenhang zwischen
Pericardial- und Peritonealhöhle, — Bei Petromyzon ist dagegen eine
vollständige Scheidewand zwischen diesen beiden Leibeshöhlenab-
schnitten vorhanden. — Doch scheint dieselbe erst sehr spät (während
der Metamorphose) zu entstehen, da bei Ammocoetes die Kommuni-
kation noch vorhanden ist (J. Müller). — Wie sie aber entsteht, ist
nicht bekannt. — Daß wie bei anderen Wirbeltieren ein Mesohepati-
cum anterius angelegt wird und Mesocardia lateralia zur Entwicke-
lung kommen, wissen wir durch Goette (A. L. III, 2).
Ueber die Entstehung des Septum pericardiaco-peritoneale der Tele-
ostier, Ganoiden und Dipnoer ist nichts bekannt. — Nur kann als wahr-
scheinlich angenommen werden, daß bei diesen Formen dieses Septum
ähnlicli entstellt wie bei den Selachiern und daß bei den Ganoiden, von
denen einzelne (Accipenser) einen ähnlichen nur einfach mündenden
Canalis pericardiaco - jieritonealis besitzen wie die Selachier, dieser in
ähnlicher Weise sekundär aufti'itt wie dort.
Amphibien.
Bei den Amphibien sind es auch die Mesocardia lateralia, von
welchen die Scheidewandbildung zwischen Pericardial- und Peritoneal-
höhle ihren Ausgangspunkt nimmt (Goette A. L. III, 7, 1875; Mathes
1895). — Das Mesohepaticum anterius scheint sich jedoch, wenigstens
bei den Urodelen (Mathes 1895), nicht an dieser Bildung zu beteiligen,
da es frühzeitig schwindet. — Wie bei den Selachiern bildet die
craniale Leberfläche, der der Sinus venosus und seitlich die Mündungs-
stücke der Ductus Cuvieri aufsitzen, eine, wenn auch unvollkommene,
caudale Wand der primitiven Pericardialhöhle.
Abschluß der ventralen Kommunikationsöffnungen
der Pericardialhöhle. Indem nun, von den Mesocardia lateralia
ausgehend, die Leber jederseits entlang einer ventral und caudalwärts
verlaufenden Linie mit der Leibeswand verwächst, wird die ventral
von den Ductus Cuvieri befindliche Kommunikationsöffnung zwischen
Pericardial- und Peritonealhöhle abgeschlossen und so in diesem Gebiete
ein Septum zwischen diesen beiden Leibeshöhlenabschnitten gebildet.
62
HOCHSTETTER,
Dieses Septum wird dann dadurch selbständig, daß an dem nun
der Pericardialhülilenwand augeliörigen Oberflächenabschnitte der Leber
unter dem Cölomepithel eine Lage von Bindegewebe auftritt und sich
die Leber allmählich von der so entstandenen Bindegewebsplatte ab-
schnürt, mit der sie jedoch durch eine frontal gestellte Bindegewebs-
platte (Membrana hepato-pericardiaca), die außerdem auch noch an der
seitlichen Leibeswand haftet, ebenso wie durch das sekundär ent-
standene Ligamentum Suspensorium hepatis in Verbindung bleibt. —
Das so selbständig gewordene schief gestellte Septum zerfällt dabei
(Fig. 66) durch den Ansatz der Membrana hepato-pericardiaca in einen
ventralen und dorsalen Abschnitt. Der ventrale beteiligt sich, wie aus
dem folgenden hervorgehen wird, allein an der Bildung der definitiven
Scheidewand zwischen Pericardial- und Peritonealhöhle, er entspricht
dem Septum pericardiaco - peritoneale der Selachier. — Der dorsale
Teil, wir bezeichnen ihn als frontales Sinusgekröse, beherbergt in
seinem cranialen Rande den Sinus venosus mit den Mündungsstücken
der Ductus Cuvieri, und durch ihn verläuft die V. cava posterior von
der Leber zum Sinus (Fig. 67).
Selachier , das ja
dem
gleichnamigen
Gekröse der
Leber vom Sinus venosus entstanden
so ansehnlichen Dimensionen zeigt wie
Er entspricht
aiTch dui'ch die Abschnürung der
ist und nur in der Regel keine
bei den Uroclelen. — Lnmerhin hat es jedoch schon bei Raia eine Aus-
dehnimg, die der des gleichen Gebildes bei Salamandra kaum nachsteht. —
Auch läßt sich bei dieser Form eine Verwachsung der Herzkammer mit
dem Sinusgekröse nachweisen, die derjenigen ganz ähnlich ist, die sich bei
Urodelen später zwischen frontalem Sinusgekröse und der anliegenden
Wand der Herzkammer entwickelt
(Fig.
66, 67).
fr.S.G.
fr.S.G.
Fig. 6(3.
Fig. 66. Medianer Sagittalschnitt (Schema) durch die Pericardialhöhle eines
älteren Salamanderembryo. Atr. Vorkammer. B.co. Bulbus cordis. fr.S.G.
frontales Sinusgekröse.. M.h.p. Membrana hepato-pericardiaca. Oe. Oesophagus.
S.v. Sinus venosus. S.pc.p. Septum pericardiaco-peritoneale. Tr. Trachea. L. Leber.
Fig. 67. Querschnitt durch einen Embryo von Salamandra atra von
ca. 15 mm Länge. L(j. Lunge. L.h.e. Ligamentum hepato-entericum. V.c.p. V. cava
posterior. N.G. Nebengekröse. Uebrige Bezeichnungen wie bei Fig. 66.
Obliteration der Ductus pericardiaco-peritoneales.
Die dorsal von den Ductus Cuvieri befindlichen Ductus pericardiaco
peritoneales schließen sich, ähnlich wie bei den Selachiern, unter Ver-
mittelung von Obliterationsvorgängen, welche die den Oesophgus um-
Die Entwickelung des Blutgefäßsystems. 63
gebenden Leibeshöhlenabsclinitte betreffen. — Doch vollziehen sich die
dabei mitspielenden Verwachsungen wegen des Vorhandenseins der
Lungen in etwas anderer Weise als bei den Selachiern.
Das Ligamentum hepato-entericum und die Neben-
gekröse. Der Oesophagus steht bei Salamandra durch das Ligt.
hepato-entericum mit der dorsalen Wand des Sinus venosus und
weiter caudal mit der Leber in Verbindung, — In dem cranialen
freien Rande dieses Gekröses, das soweit es mit dem Sinus venosus
zusammenhängt, als ein Rest des Mesocardium posterius betrachtet
werden kann, verläuft später die Lungenvene zum Sinus venosus. —
Wenn sich nun die Lungen entwickeln, entstehen, ihnen in der Ent-
wickelung etwas vorauseilend, 2 Gekröseplatten, die von Mathes
(1895) wegen ihrer Beziehungen als Ligt. hepato-cavo-pulmonale (rechts)
und Ligt. hepato-pulmonale (links), von Brächet (1895) aber einfacher
als Neben gekröse bezeichnet wurden. — Dieselben entspringen in der
für uns in Betracht kommenden Gegend von der Seitenfläche des
Oesophagus und haften in ihrem cranialsten Abschnitte gemeinsam
mit dem Ligt. hepato-entericum, mit dem sie cranial verschmelzen, an
der Wand des Sinus venosus. — Weiter caudal trennt sich ihre
Insertion von der dieses Gekröses und übergeht auf die Leber oder
später, wenn sich die letztere vom Sinus venosus abgeschnürt hat, auf
das frontale Sinusgekröse (Fig. 67) und dann erst weiter caudal auf
die Leber. — In diese Gekröseplatten wachsen nun die Lungen ein
(Fig. 67 Lg.).
Inzwischen kommt es zu einer Verwachsung der Seitenwandungen
des Oesophagus, der ursprünglich in der Höhe des Sinus venosus
noch ringsum bis an sein dorsales Gekröse von der Leibeshöhle um-
geben ist, mit der seitlichen Leibeswand, und diese Verwachsung setzt
sich caudalwärts noch über das Gebiet der Ductus Cuvieri hinaus fort,
beschränkt sich aber hier nicht mehr auf die Seitenwandungen des
Oesophagus, sondern betrifft (Fig. 67) auch die Lungen und die dieselben
enthaltenden Nebengekröse, und die letzteren verwachsen schließlich
auch in der Nähe der Leber mit dem frontalen Sinusgekröse, wodurch
der endliche Verschluß der Pericardialhöhle gegen die Peritonealhöhle
zu herbeigeführt wird. — So ragt nun der an dieser Verwachsung
nicht beteiligte Abschnitt des frontalen Sinusgekröses in die Pericardial-
höhle vor (Fig. QiS), und dorsal von ihm, zwischen ihm und den mit
ihm zusammenhängenden cranialsten Teilen der Nebengekröse, die nun-
mehr einen Teil der Wand der Pericardialhöhle bilden, befinden sich
zwei caudal blind endigende Buchten (Fig. 67). — In dieselben
lagert sich die Vorkammerabteilung des Herzens hinein und weitet sie
allmählich aus, während die aus den cranial zusammenfließenden Neben-
gekrösen und dem Ligt. hepato-entericum gebildete Scheidewand
zwischen denselben immer niedriger wird (Mathes 1895).
Bildung des Septum pericardiaco-peritoneale bei
den Anuren. Bei den Anuren (Goette A. L. III, 7) ist es auch
die Leber, deren craniale Fläche die Pericardialhöhle in ihren ventralen
Abschnitten caudalwärts abschließt, indem sie von den Mesocardia
lateralia her mit einer Falte der Leibeswand, die wahrscheinlich der
seitlichen Schlußfalte der Selachier entspricht, verwächst. — Bezüglich
des Verschlusses der Ductus pericardiaco-peritoneales dürften ähnliche
Obliterationsprozesse wie bei den Urodelen eine Rolle spielen. —
Dieselben scheinen jedoch erst sehr spät diesen Verschluß herbei-
64
HOCHSTETTER.
zuführen, da nach Marshall und Bles (A. 1890) bei Rana tempo-
raria noch zu Beginn der Metamorphose diese Ductus pericardiaco-
peritoneales durchgängig sein sollen.
Sauropsideii.
Bei den Sauropsiden wurde die Entwickelung der Scheidewand
zwischen Pericardial- und Pleuroperitonealhöhle für Lacerta (Hoch-
STETTER 1892) und das Hühnchen (Hochstetter 1892, Ravn 1896,
Brouha 1898) genauer untersucht. — Sie erfolgt bei beiden Formen
in wesentlich übereinstimmender Weise. — Auch hier sind es die
Mesocardia lateralia und das Mesohepaticum anterius, die die ersten
Anlagen der Scheidewand biklen.
Bildung der Mesocardia lateralia. Das Mesocardium
laterale entsteht bei beiden Formen in ganz ähnlicher Weise wie bei
den Selachiern. Nur entwickelt sich dasselbe bei Lacerta (Ravn 1889)
zu einer Zeit, in welcher in der Höhe dieses Gebildes die embryonale
Leibeshöhle mit der außerembryonalen nicht mehr in Verbindung
steht, während beim Hühnchen noch eine geraume Zeit lang nach der
Entstehung des Mesocardium laterale diese beiden Cölomabschnitte,
sowohl cranial als caudal von demselben, miteinander kommunizieren.
Die dorsal von den Mesocardia lateralia zu beiden Seiten des
Oesophagus bestehenden Verbinduugsgänge zwischen Pericardial- und
Pleuroperitonealhöhle nennen wir hier Ductus pleuro-pericardiaci, weil
sie später zum Teil zur Bildung der Pleurahöhlen mit herbeigezogen
werden , jedenfalls aber die letzteren mit der Pericardialhöhle ver-
binden.
Beziehung der Leber zurPericardialhöhle in frühen
Ent Wickelungsstadien. Die ventrale Kommunikation der Peri-
cardialhöhle erfährt eine Ein-
schränkung durch das Vorhanden-
sein des Mesohepaticum anterius
und der Leberanlage, welch letz-
tere besonders in späteren Ent-
wickelungsstadien, wenn sie eine
bedeutendere Entfaltung erlangt
hat, eine, wenn auch unvollkom-
mene, caudale Wand der Peri-
cardialhöhle bildet. Ihr dabei
beteiligter Flächenabschnitt sieht,
wenn wir die Verhältnisse bei
Lacerta zunächst ins Auge fassen,
jedoch nicht mehr cranial, wie bei
den Selachiern, sondern nimmt
eine immer schiefere Stellung ein.
— Mit der mächtig vorgebuch-
teten Leibeswand begrenzt sie
dann den Pericardialhöhlenab-
schnitt, in den die Kammerab-
teilung des Herzens aufgenommen
ist (Fig. 68).
Verschiebung derPeri-
c a r d i a 1 h ö h 1 e in c a u d a 1 e r
- 3I.a.
- G.Bl.
Fig. 68. Medianer Sagittalschnitt durch
die Pericardialhöhle und die an sie an-
grenzenden Organe eines Embryo von
Lacerta agilis von 2 mm Kopflänge.
Atr. Vorkammer. A. Aorta. Buxo. Bulbus
cordis. G.Bl. Gallenblase. L. Leber. Bl.a.
Mesohepaticum anterius. Oe. Oesophagus.
Th. mittlere Schilddrüsenanlage. Tr. Tra-
chea. S.v. Sinus venosus.
Die EntwickeluDg des Blutgefäßsystems.
65
Richtung bei Lacerta. Dieses Verhältnis ist eine Folge der
mächtigen Ausdehnung der Pericardialhöhle in caudaler Richtung, die
mit der Caudalwärts- Wanderung des Herzens Hand in Hand geht und,
sehr frühzeitig beginnend, schon recht weit gediehen ist, bevor es zur
definitiven Ausbildung des Septum pericardiaco-peritoneale gekommen
ist. — So verschiebt sich also mit dem Herzen die Pericardialhöhle in
caudaler Richtung und kommt zum Teile ventral vor die Ductus
pleuro-pericardiaci und die an sie unmittelbar anschließenden Leibes-
höhlenabschnitte zu liegen (Fig. 69).
Abschluß der ventralen Kommunikationsöffnungen
der Pericardialhöhle. Der Abschluß der ventralen Kommuni-
kationsöflfnungen der Pericardialhöhle erfolgt nun bei Lacerta unter
Vermittelung ähnlicher Schlußfalten, wie wir sie bei den Selachiern
kennen gelernt haben. — Dieselben nehmen zum Ausgangspunkte
ihrer Entwickelung den wulstförmigen Vorsprung, den die V. umbili-
calis dort, wo sie in den Sinus venosus einmündet, an der Leibeswand
bildet. — Von hier aus gehen sie in bogenförmigem Verlaufe ventral-
wärts in das Mesohepaticum auterius über und verwachsen endlich, in-
dem sie immer höher werden, mit der Pericardialhöhlenfläche der Leber.
s.£.
S.p.pl.p.
9 W
Fig. 69. -f^ig- 70.
Fig. 69. Sagittalschnitt links von der Mittelebeue durch einen Embryo von
Lacert^a agilis von 2,8 mm Kopflänge. S.F. seitliche Schlußfalte, f^.- Lunge.
U.N. Urniere. fr.S.G. frontales Sinusgekröse. Uebrige Bezeichnungen wie bei 1^ ig. 68.
Fig 70. Medianer Sagittalschnitt durch die Pericardialhöhle eines Lac er ta-
Embryo, bei welchem sich die Leber bereits vom Septum pericardiaco-pleuro-
peritoneale abgeschnürt hat (Schema). S.B. Herzspitzenband. S.p.pl.p. S. peri-
cardiaco-pleuroperitoneale. Uebrige Bezeichnungen wie bei Fig. 68.
Beteiligung der Leber an der Bildung des Septum
pericardiaco-pleuroperitoneale. So beteiligt sich auch hier
die Leber an der Bildung der Scheidewand, die wir nach der Be-
zeichnung, die ihr Ravn (1889) für die ausgebildete Form g_egebeu hat,
Septum pericardiaco-pleuroperitoneale nennen können. — Ihr cranial-
wärts konkaver Rand wird vom Sinus venosus und den Endstucken
der beiden Ductus Cuvieri eingenommen. — Sie entspricht dem, was
Ravn (1896) und andere bei den Vögeln und Säugern als Septum
transversum bezeichnen.
Handbuch der Entwickelungslehre. III. 2,
m
HOCHSTETTER,
Das frontale Sinusgekröse. Noch bevor jedoch die seit-
lichen Schlußfalten mit der Leber verwachsen, kommt es, wie bei
niedrigeren Vertebraten. zu einer Abschnürung des Sinus venosus von
der Leber, die dazu führt, daß sich allmählich zwischen der cranialen
Leberkante und dem Sinus venosus, die beiden miteinander
verbindend, eine bindegewebige Platte entwickelt (Fig. 69), in der wir
ein Homologon des frontalen Sinusgekröses niederer Formen sehen. —
Diese Platte, welche rechterseits die V. cava posterior beherbergt, ist
wegen der Hufeisenform, die der Sinus venosus angenommen hat,
seitlich höher als in der Mitte. — Sie bildet natürlicherweise den am
meisten cranial gelegenen Teil des Septum pericardiaco- pleuroperi-
toneale und geht ohne scharfe Grenze, da eine Membrana hepato-
pericardiaca wie bei den Urodelen nicht besteht, in den aus den seit-
lichen Schlußfalten entstandenen Teil desselben über.
Abschnürung der Leber vom Septum pericardiaco-
peritoneale. Nun schnürt sich aber die Leber, die sich mit ihrem
cranialen Ende in caudaler Richtung gewissermaßen an dem Septum
herabschiebt, immer weiter von dem Septum pericardiaco-pleuro-
peritoneale ab, so daß dasselbe schließlich eine selbständige Platte dar-
stellt, die, in craniocaudaler und dorsoventraler Ptichtung schief ab-
steigend, die Pericardialhöhle von der Pleuroperitonealhöhle voll-
ständig sondert, nachdem sich die Mündungen der Ductus pleuro-
pericardiaci in die Pericardialhöhle geschlossen haben (Fig. 70).
u.]sr.
Pl.E..\
Fig. 72.
Fig. 71. Querschnitt durch einen Embryo von Lacerta agilis von 3,5 mm
Kopflänge in der Höhe der Pleurarinnen. D.O. Ductus Cuvieri. Oe. Oesophagus.
Pl.R. Pleurarinne. Tr. Trachea. U.JV. Urniere.
Fig. 72. Querschnitt durch einen Embryo von Lacerta agilis von 3,7 mm
Kopflänge in der Höhe des Querschnittes der Fig. 71. Bezeichnung wie bei Fig. 71.
Abschluß der Ductus pleuro-pericardiaci. Dieser Ver-
schluß erfolgt in ähnlicher Weise wie bei den Ami)hibien durch Yer-
wachsungsprozesse, die die Wand des Oesophagus und der Trachea
mit der seitlichen Leibeswand in Verbindung bringen. Der cranialste
Abschnitt des Darmrohres durchzieht nämlich bei jungen Lacerta-
embryonen, an seinem breiten Gekröse befestigt, den Dorsalteil der
Pericardialhöhle, indem seine mesodermale Wand einen in sie hinein-
ragenden mächtigen Längswulst bildet, der mit den Dorsalteilen der
Seitenwand der Pericardialhöhle dorsale Pinnen dieser Höhle begrenzt,
die, nachdem sie caudal in die Ductus pleuro-pericardiaci übergehen,
als Pleurarinnen der Pericardialhöhle bezeichnet werden können. —
Die Entwickelung des Blutgefäßsystems.
67
Später, wenn die Lungen entwickelt sind, verläuft in dem oben er-
wähnten Längswulste, ventral vom Oesophagus das Tracheairohr
(Fig. 71), in der seitlichen Leibeswand aber paralell dem letzteren die
Ductus Cuvieri, die infolge der Caudalwärts- Wanderung des Herzens
ihre ursprünglich quere Stellung aufgegeben und sich in die Längs-
richtung eingestellt haben.
Nun verwächst die Seitenfläche des ventralen, die Trachea be-
lierbergeuden Abschnittes des Längswulstes allmählich in craniocaudaler
Richtung mit der seitlichen Pericardialhöhlenwand im Bereiche der
beiden Ductus Cuvieri (Fig. 72) und es kommt so schließlich, indem
der Verwachsungsprozeß auch auf die dorsale Wand des Sinus venosus
übergreift, zum Abschlüsse der Ductus pleuro-pericardiaci gegen die
Pericardialhöhle. — Die dorsalen Teile der Pleurarinnen aber werden
durch diesen Verwachsungsprozeß zu cranial blind endigenden Buchten
der Pleurahöhlen umgewandelt, die, soweit sie später nicht obliterieren,
dazu bestimmt sind, die cranialsten Abschnitte der Pleurahöhlen zu bilden.
Ligamentum h e p a t o - e n t e r i c u m und N e b e n g e k r ö s e
von Lacerta. Wie bei den Urodelen stehen bei Lacerta Oesophagus,
Trachea und Lungen mit der Leber und, wenn das selbständige Septum
pericardiaco-pleuroperitoueale gebildet ist, auch mit dem letzteren sowie
mit dem Sinus venosus, aber außerdem noch mit der Vorkammer durch
Gekröseplatten in Verbindung. — Eine einfache massige Gekröse-
U.N.
N.G.
Lgt.li.e.
Fig. 73.
Lgt.h.e. : S.pc.pl.p.
N.G.
Fig. 74.
Fig. 73. Querschnitt durch einen Embryo von Lacerta agilis von 3,0 mm
Kopflänge in der Höhe des Sinus venosus. NM. Nebengekröse. Lgt.h.e. Lgt. hepato-
entericum. Pc.H. Pericardialhöhle. Uebrige Bezeichnungen wie in den vorhergehen-
den Figuren.
Fig. 74. Querschnitt durch einen Embryo von Lacerta agilis von 4,0mm
Kopflänge in der Höhe der Urnierenf alten (U.F.) und des Septum pericardiaco-
pleuroperitoneale. Bezeichnungen wie in den vorhergehenden Figuren.
platte stellt diese Verbindung zwischen Trachealanlage und Vorkammer
her. — In ihr verläuft die Lungen vene. — Sie setzt sich als Ligt.
hepato-entericum mit ihrem Ansätze auf den Sinus venosus (Fig. 73)
und die Leber, oder später, nachdem das selbständige Septum peri-
cardiaco-pleuroperitoueale gebildet ist, auf das letztere (Fig. 74) und
dann erst auf die Leber fort. — Mit ihr vereinigen sich cranial die
beiden Nebengekröse, die sich zum Sinus venosus (Fig. 73) und zur
Leber, sowie später zum Septum pericardiaco - pleuroperitoneale, was
o-^
68
HOCHSTETTER,
ilireu Ansatz anbelangt, ähnlich verhalten wie bei Salamandra zu Sinus,
Leber und frontalem Sinusgekröse.
Indem sich zwischen Ligt. hepato - entericum und Nebengekröse
eine paarige Fortsetzung der Peritonealhöhle cranialwärts erstreckt
(Fig. 73 und 74), die in ihrem cranialsten Abschnitte ventral von dem
Septum pericardiaco-pleuroperitoneale begrenzt wird, während dasselbe
seitlich vom Ansätze der Neben gekröse, dem cranialsten Abschnitte der
die Lungen beherbergenden Pleurahöhlen (Fig. 74), eine ventrale Wand
liefert, verdient es den ihm gegebenen Namen.
Membrana p 1 e u r o - p e r i c a r d i a c a. Der an der Bildung der
Pleurahöhle beteüigte Abschnitt des Septums kann auch als Mem-
brana pleuro-pericardiaca bezeichnet werden, doch entspricht der&elbe
nicht vollständig der Membrana pleuro-pericardiaca der Säuger.
Bildung des Septum pericardiaco-pleuroperitoneale
beim Hühnchen. Beim Hühnchen erfolgt der Abschluß der ven-
tralen Kommunikatiousöffuung der primitiven Pericardialhöhle mit der
Peritonealhöhle in ganz ähnlicher Weise wie bei Lacerta (Hoch-
STETTER 1892, Ravn 1896, Broüha 1898), und das Septum pericardiaco-
pleuroperitoneale entsteht aus ganz denselben Anlagen wie dort. —
Auch die Art und Weise, wie sich die Ductus pleuro-pericardiaci
gegen die Pericardialhöhle zu schließen, zeigt eine große Ähnlich-
keit mit den für Lacerta geschilderten Vorgängen. — Immerhin
bestehen jedoch gewisse Unterschiede, die hier erwähnt werden sollen.
Der Abschluß der Ductus pleuro-pericardiaci beim
Hühnchen. Vor allem beherbergt der die beiden Pleurarinnen der
Pericardialhöhle gegeneinander abgrenzende Längswulst beim Hühn-
chen, nachdem die Lungen entwickelt sind, nur in seinem cranialsten,
minder stark vorspringenden Teile ventral vom Oesophagus die Trachea,
weiter caudal, wo der Wulst sich von der dorsalen Pericardialhöhlenwand
immer mehr isoliert und nur durch das dorsale Gekröse mit ihr in Ver-
bindung steht, die Pleurarinnen sich also vertiefen, treten an die Stelle
der Trachea die beiden Bronchien (Fig. 75). — Indem nun der Längswulst
im Bereiche der letzteren in craniocaudaler Richtung mit der medialen
Wand der ähnlich wie bei Lacerta gelagerten Ductus Cuvieri bis auf
venosus herab verwächst, kommt es zum Verschlusse der
Ductus pleuro - pericardiaci. — Doch erfolgt
derselbe insofern asymmetrisch, als er rechter-
seits bereits durchgeführt ist, während linker-
seits noch längere Zeit eine spaltförmige Oeff-
nung zwischen Ductus Cuvieri und Längswulst
besteht, die aber schließlich auch durch Ver-
wachsung schwindet. — So werden also auch
hier die Pleurarinnen zu cranial blind endigen-
den Buchten abgeschlossen, die später zur Auf-
den Sinus
nähme der cranialsten
Lungenteile
dienen.
Fig. 75. Querschnitt durch einen 88 Stunden alten
Hühnerembryo in der Höhe der Pleurarinnen der
Pericardialhöhle. A. Aorta. Atr. Vorkammer. Br. Bron-
chus. D.C. Ductus Cuvieri. Oe. Oesophagus.
Bildung des selbständigen Septum pericardiaco-
pleuroperitoneale beim Hühnchen. Auch beim Hühnchen
kommt es zur Ausbildung eines selbständigen Septum pericardiaco-
Die Entwickelung des Blutgefäßsystems.
69
pleuroperitoneale , doch
sondern in ähnlicher Weise
erfolgt
dieselbe nicht so
bei den Selachiern.
wie bei Lacerta,
wie bei den Selachiern. — Es tritt näm-
lich, nachdem sich der Sinus venosus von der Leber abgeschnürt hat,
wie dort an der der Pericardialhöhle zugewendeten Fläche der Leber,
noch bevor der ventrale Abschluß der Pericardialhöhle vollzogen ist,
eine Ansammlung von Bindegewebe auf, und die so gebildete Binde-
gewebsplatte (Uskow) schnürt sich nach vollendetem Abschlüsse, indem
von der lateralen und ventralen Seite her die Peritonealhöhle zwischen
der Leber ab und wird so selb-
Leber und Septum vordringt, von
ständig (Fig. 76), bleibt jedoch in
der Medianebene indirekt durch
das Ligt. Suspensorium hepatis,
dorsal aber in der Umgebung der
hinteren Hohlvene (Fig. 76) und
der Umbilicalvene, die im An-
schlüsse an das Septum zur Leber
verläuft, direkt mit der letzteren
in Verbindung.
Bildung eines selbstän-
digen Pericardial Sackes
beim Hühnchen. Aber nicht
nur der durch das Septum peri-
cardiaco - pleuroperitoneale gebil-
dete Wandabschnitt der Pericar-
dialhöhle wird selbständig, sondern
auch ihre Seiten und Ventral-
waud, indem die Peritonealhöhle,
in den die Pericardialhöhle be-
grenzenden Teil der Leibeswand
vordringend von der letzteren eine dünne die Pericardialhöhle begrenzende
Schicht abspaltet und es so schließlich zur Bildung eines selb-
häutigeu Pericardialsackes kommt. — Nach Uskow (1883)
_...^.::-l — S.pc.pl.p.
Fig. 7G. Sagittalschnitt durcli die
Pericardialhöhle eines 8 Tage alten Hüh-
nerembryo (schematisiert). V.c.p. V.
Cava posterior, üebrige Bezeichnungen
wie in Fig. 70.
ständigen
or gange
Bildung
die Leber dieselbe Rolle spielen, wie die
des selbständigen Pericardialsackes der Säuge-
soll bei diesem
Lunge bei der
tiere.
Die Pleurahöhlen und die Entstehung eines Septum
p 1 e u r 0 - p e r i t 0 n e a 1 e bei den S a u r o p s i d e n. Abgeschlossene
Pleurahöhlen finden sich weder bei den Amphibien noch bei den
meisten Reptilien. — Allerdings ist es schon bei den Amphibien
der medial von den Nebengekrösen, ventral von der Leber und seit-
lich und dorsal von der Leibeswand abgegrenzte craniale Abschnitt
der Pleuroperitonealhöhle, der die Hauptmasse der Lunge beherbergt,
die nur mit ihrem caudalen Teil in die eigentliche Peritonealhöhle
frei hineinragt. — Immerhin kann man mit (Goette, A. L. III, 7)
schon bei den Amphibien in den sich entwickelnden Nebengekrösen,
die hier zum ersten Male in der Vertebratenreihe als die Lungen
tragende Mesenterialplatten auftreten, die erste Anlage einer Scheide-
wandbildung zwischen Pleura und Peritonealhöhle sehen.
Auch noch bei niederen Sauriern (Hatteria,
Lunge, die ähnliche
Beziehungen
den Nebengekrösen
Chamaeleo)
zeigt
die
wie bei
ragt
zu
den Urodelen, mit ihrem caudalen Ende mehr oder weniger weit in
die Peritonealhöhle hinein, aber trotzdem ist hier wenigstens schon
ein Teil der Pleuroperitonealhöhle ausschließlich zur Aufnahme der
70
HOCHSTETTER,
Lungen
bestimmt. —
Caudal bezeichnet die Grenze dieses Leibes-
hölilenabschnittes das von der dorsalen über die seitliche Leibeswand
Leber (Chamaeleo) sich erstreckende Gekröse des MüLLER'schen
zur
die
sogenannte
Ganges oder
1896, 1898).
Abgrenzung
Reptilie n formen,
Pleurahöhle bei einer
(Lacerta u. a.), und
aus, ohne in der Regel in die
dringen. — An der Abgrenzung
dann außer der Leibeswand (Fig.
Nebengekröse, welches ventral an
rechts meist in
Urnierenfalte (Ravn 1889, Bertelli
größerem
Umfange
der Pleurahöhlen bei ausgebildeten
Vollkommen abgegrenzt erscheint die primitive
Reihe anderer, etwas höher entwickelter Saurier
die Lungen füllen den ihnen gegebenen Raum
Peritonealhöhle caudalwärts vorzu-
dieser Pleurahöhlen beteiligt sich
77), medial das die Lunge tragende
der Leber haftet, ventral die Leber,
als links, caudal endlich die Ur-
nierenfalte (Fig. 77) und rechterseits auch noch bei einigen Formen
(Uroraastix u. a.) eine dem Hohlvenenabschnitte des Nebengekröses
aufsitzende, an der dorsalen Leibeswand haftende Gekrösefalte, die
mit dem rechten Nebengekröse eine craniahvärts offene Bucht bildet,
in welche das caudale Ende der Lunge hineinragt. — Diese caudale
Begrenzungsfalte der Pleurahöhle (Hochstetter 1898) kann jedoch
auch von einem Fortsatze der Leber ein-
genommen sein, wie bei Lacerta (Fig. 77),
der dann eine Nische für den caudalen
Lungenpol bildet. — Linkerseits fehlt eine
solche Begrenzungsfalte in der
Oe. Tr.
■3S.
PI.H.
N.G.
U.F.
L.
,>
\ PI.H.
. Lgt.h.e.
- N.G.
U.F.
Regel.
Fig. 77. Frontalschnitt durch die Pleura-
höhlen von Lacerta (Schema). L. Leberlappen
der caudalen Begrenzungsfalte. Lyt.h.e. Lgt. hepato-
entericum. Lg. Lunge. Mg. Magen. JV.G. Neben-
gekröse. Pl.If. Pleurahöhle. Oe. Oesophagus.
Tr. Trachea. U.F. Urnierenfalte. V.c.p. V. cava
posterior.
Bei einigen Sauriern (Agama) verbindet sich rechterseits die
Urnierenfalte mit dem Hohlvenenfortsatze der Leber, und es kommt
so wenigstens auf der einen Seite zu einem vollständigen Abschlüsse
der Pleurahöhle gegen die Peritonealhöhle. — Beiderseits abgeschlossene
Pleurahöhlen kommen bei den Crocodiliern vor (A. L. III, 2).
Bei anderen Reptilien , Varaniden , Schlangen (Buttler) und
Schildkröten kommt es durch Verwachsung der Lungenoberfläche mit
ihrer Umgebung zu einer mehr oder weniger ausgedehnten Verödung
der Pleurahöhlen, ohne daß wahrscheinlich vorher ein Abschluß dieser
Höhlen gegen die übrige Leibeshöhle erfolgt. — Ein selbständiges
Septum pleuroj)eritoneale kommt jedoch, soweit bis jetzt bekannt ist,
bei keiner Saurierform vor.
Die Entstehung der Urnieren falten beiLacerta und
ihre Beziehungen zu den Pleurahöhlen. Da die Urnieren-
falten auch bei den Säugetieren bei der Bildung der Scheidewand
zwischen Brust- und Bauchhöhle eine wichtige Rolle spielen, sollen
hier noch ein paar Bemerkungen über die Entstehung dieser Falten
bei Lacerta und über die Veränderungen, die sie bei dieser Form
während der Entwicklung erleiden, folgen. — Bekanntlich reicht bei
Die Entwickelung des Blutgefäßsystems. 71
Lacerta die Urniere crauialwärts noch über das Gebiet der Ductus
Cuvieri hinaus und kommt mit ihrem cranialsteu Abschnitte in die
Wand der Pericardialhöhle zu liegen (Fig. 71). — Mit den Ductus
Cuvieri hängt sie dabei durch eine breite Bindegewebsmasse zusammen,
die eine seitlich von ihr gelegene craniale Bucht der Peritonealhöhle
begrenzt. — Wenn dann die Urniere sich allmählich an ihren cranialen
Enden zurückbildet und retrahiert, entsteht aus dieser breiten Brücke
.eine Gekrösefalte, die an ihrem caudalwärts gerichteten freien Rande
das Ostium abdominale des MÜLLER'schen Ganges trägt (Bertelli
1896, 1898). — Die so entstandene Urnierenfalte gewinnt jedoch bald
selbständiges Wachstum. — Sie schiebt sich caudalwärts vor und er-
reicht mit ihrem ventralen Ansätze zuerst das frontale Sinusgekröse,
resp. das Septum pericardiaco-pleuroperitoneale (Fig. 74 U. F). und
später noch die seitliche Leberkante. — Da aber inzwischen die
Lungen zur Entwickelung gekommen sind, liegen die Urnierenfalten
zwischen ihnen und der Leibeswand (Fig. 74) und bilden also zu dieser
Zeit eine Strecke weit die seitliche Begrenzung der Pleurahöhlen. —
Ob nun die definitiven Verhältnisse dadurch hergestellt werden, daß
die Platte der Urnierenfalte zum größten Teile an die Leibeswand
anwächst und nur ihre caudalen Abschnitte frei bleiben, oder ob sich
ihr Ansatz allmählich an der Leibeswand caudalwärts verschiebt, ist
vorläufig noch nicht klargestellt, doch hat nach meinen Beobachtungen
der erstere Vorgang mehr Wahrscheinlichkeit für sich als der letztere.
Das Septum pleuroperitoneale der Vögel. Bei den
Vögeln kommt es stets zur Ausbildung eines kompletten selbständigen
Septum i)leuroperitoneale, das derjenigen Bildung entspricht, welche
die vergleichende Anatomie als Diaphragma pulmonale bezeichnet. —
Dieses Septum ist, wie dieses Buttler (1889) und Bertelli (1898)
gezeigt haben, nahezu ausschließlich ein Abkömmling der Neben-
gekröse. — Diese Bildungen zeigen beim Hühnchen ganz ähnliche Be-
ziehungen zum Sinus venosus und der Leber, später zum Septum
pericardiaco-pleuroperitoneale, wie bei Lacerta, nur sind sie gleich
bei ihrem Auftreten viel massiger als dort. — Sie erstrecken sich,
Fig. 78. Querschnitt durch die
Pleurahöhle und das Septum peri- '^i^'^^ Wy^^^^äfe
cardiaco-pleuroperitoneale eines Hüh- Z^^""*"^ //«^j\A_
nerembryo von 130 Stunden. A. J^ff vt"'ON? ^^^^v i ^^'
Aorta. Zgf. Lunge. iV.G. Nebengekröse. ^^ /t«||A_^.,^^jZ^ q^^
Oe. Oesophagus, S.p.pl.p. Septum >/'~>»-r ^^^^~•-
pericardiaco - pleuroperitoneale. S.v. /^^^!^^\^ i^^v^-^^ ~ ~" xV. (?.
Sinus venosus. l.S.H. linkes Sinus- .i*^ "^' 'mitltl^\ ]^ \^ ^ ' ^'
cranial mit dem Lgt. hepato-entericum zusammenfließend, caudal zu
beiden Seiten des Oesophagus bis ins Magengebiet und rechterseits
über dasselbe hinaus und finden ihren dorsalen Ansatz cranial an der
Oesophaguswand selbst, weiter caudal gemeinschaftlich mit dem dor-
salen Oesophagusgekröse an der dorsalen Leibeswand. — Ventral aber
haften sie am Sinus venosus und an den dorsalen Leberkanten, und
später, wenn sich der Sinus venosus von der Leber abgeschnürt hat,
haften sie auch an dem dorsalen Teile des Septum pericardiaco-pleuro-
peritoneale (Fig. 78). — In diesen cranialen Teilen sind die Nebeu-
gekröse annähernd sagittal gestellt und begrenzen mit dem Ligamentum
72
HOCHSTETTER,
hepto - entericiim die sogenannten Recessus pulmo -hepatici der Peri-
tonealhöhle. — In der Lebergegend (Fig. 79) bekommen sie eine
schiefe Stellung, indem ihre Ebenen miteinander einen ventralwärts
offenen stumpfen Winkel bilden. — Da nun während der weiteren
Entwickelung die Leber sich mächtig verbreitert (Bertelli 1896), wird
der Winkel ein immer stumpferer, und die Ansätze der beiden Neben-
gekröse kommen mit den dorsalen Leberkanten schließlich in die un-
mittelbare Nachbarschaft der seitlichen Leibeswand zu liegen,
bei sitzen ihnen die Lungen breit auf.
Da-
^V.G. --:
S.pl.p.-,
U.F.~
Z.B.
Fig. 79. Fig. 80.
Fig. 79. Querschnitt durch Lunge, Magen und Leber eines 130 Stunden ahen
Hühnerembryo. L. Leber. Lg. Lunge. i% Magen. N.G. Nebengekröse.
Fig. 80. Querschnitt durch die Pleurahöhlen und die ihnen benachbarten
Organe eines 8 Tage alten Hühnerembryo. A. Aorta. D.L.S. diaphragmaler
Luftsack. L. Leber. Lg. Lunge. 3Ig. Magen. Oe. Oesophagus. S.pl.p. Septum
pleuro-peritoneale. U.F. Ürnierenfalte. Z.B. Zwerchfellband der Leber.
Indem sich nun die seitlich von den Lungen befindlichen Teile
beider Nebengekröse in der Lebergegend abknicken und an der Ab-
knickungsstelle mit der Leibeswand verwachsen (Fig. 80), bilden sie
jederseits eine annähernd frontal gestellte Scheidewand zwischen
Pleurahöhle und Peritonealhöhle, die durch das Gewebe des dorsalen
Oesophagusgekröses zu einer einheitlichen Platte verbunden werden
(Fig. 80). — Der ventral von der Anwachsungsstelle übrig bleibende
Abschnitt der Nebengekröse wird zum Zwerchfellsbande der Leber
(Fig. 80).
Indem ferner die cranialsten schon früher spaltförmigen Abschnitte
der Recessus pulmo-hepatici obliterieren, gewinnen in diesem Gebiete
die Lungen direkten Anschluß an das Septum pericardiaco-pleuroperi-
toneale, mit dem sich dann das aus den Nebengekrösen hervorgegangene
Septum pleuroperitoneale cranial unter spitzem Winkel vereinigt.
Auch beim Hühnchen kommt es zur Bildung einer Ürnierenfalte. —
Dieselbe scheint aber bei der Bildung des Septum pleuroperitoneale
(Diaphragma pulmonale) keine wesentliche Rolle zu spielen. — Auch die
Leber beteiligt sich bei den Vögeln in keiner Weise an der Abgrenzung
der Pleurahöhlen. — Das Einwachsen von Muskelfasern aus der Leibes-
wand in das Sej)tum pleuroperitoneale beginnt nach Bertelli (1898)
beim Hühnchen am 10. Tage der Bebrütung.
Septum pericardiac o-p le uro peritoneale, Septum pleuro-
peritoneale und Zwerchfell der Säuger.
Ungleich verwickelter als bei den Vögeln liegen bei den Säugern
nicht nur die Verhältnisse der Bildung des Septum pericardiaco-pleuro-
peritoneale (Septum transversum der Autoren), sondern auch die im
Die Entwickelung des Blutgefäßsystems.
73
Anschlüsse an die erstere erfolgende Bildung eines Septum pleuro-
peritoneale, welches, vereint mit einem Anteile des ersteren, das Zwerch-
fell hervorgehen läßt. — Vor allem besteht ein Hauptunterschied
zwischen den Sauropsiden, Amphibien und Fischen einer- und den
Säugern andererseits in dem frühzeitigen und einheitlichen Auftreten
des Septum pericardiaco-pleuroperitoneale, welches wir der Einfach-
heit halber in der Folge als Septum transversum bezeichnen wollen.
— Dasselbe entsteht nämlich dort schon zu einer Zeit (Kaninchen,
Katze), in welcher der Herzschlauch in seinen caudalen Partieen noch
paarig ist.
Wie Ravn (1889) gezeigt hat, kommuniziert die primitive Peri-
cardialhöhle bei Kaninchenembryonen mit 8 — 9 ürsegmenten caudal-
wärts mit der übrigen Leibeshöhle noch vollkommen frei, und eine
Verbindung des splanchnischen Mesoblastes über der wulstartig in die
Leibeshöhle vorspringenden V. omphalo-mesenterica (Fig. 81) mit der
D.pl.}).
A. V.O.m.
Fig. 81. Fig. 82.
Fig. 81. Querschnitt durch die Keimscheibe eines Kaninchens mit 8 ür-
segmenten. A. Aorta. C Leibeshöhle. V.o.m. V. omphalo-mesenterica.
Fig. 82. Querschnitt durch eine Kaninchenkeim scheibe mit 11 — 12 ür-
segmenten. D.pl.p. Ductus pleuro-pericardiacus. A. Aorta. V.o.m V. omphalo-mes-
enterica.
Somatopleura besteht noch nicht. Erst bei Embryonen mit 10 — 11
Ürsegmenten tritt eine solche Verbindung ein, indem der Splanchno-
pleura-Ueberzug der V. omphalo-mesenterica zuerst dorsal, dann aber
auch seitlich mit der Somatopleura verschmilzt und so den Uebergang
von Gefäßen (^Ductus Cuvieri und V. umbilicalis) aus der Leibeswand
in die V. omphalo-mesenterica ermöglicht. — Dabei erstreckt sich
die Verw^achsung der dorsalen Wand der Vene etwas weiter cranial,
als die der lateralen. — Die primitive Pericardialhöhle kommuniziert
somit schon bei Kaninchenembryonen von 11 — 12 ürsegmenten nur
noch medial von den V. omphalo-mesentericae mit der übrigen Leibes-
höhle (Fig. 82).
Ravn (1880) meint, daß wenigstens kurze Zeit hindurch auch an der
lateralen Seite der V. omphalo-mesentericae eine solche Kommunikation
bestehe, die der ventralen Kommunikation der Pericardialhöhle mit der
Peritonealhöhle bei anderen Wirbeltieren entspräche, und diese Meinung
ist ja auch insofern richtig, als ziierst die dorsale Wand der V.
omphalo-mesenterica sich mit der Leibes\vand verbindet, eine Verbin-
dung, welche dem Mesocardium laterale anderer Wirbeltiere entspricht
und dann erst ihre laterale Wand anwächst. — Aber in der Regel er-
folo't diese Verwachsung so rasch, daß schon bei Kaninchenembrvonen
von 13 — 14 ürsegmenten keine Spur einer Kommunikation lateral von
den V. omphalo-mesentericae mehr nachweisbar ist Fig. (83). Es ist
diese Kommunikation schon vollkommen geschlossen, noch bevor in der
in Frage kommenden Region des Körpers die Darmrinne sich zum Rohre
geschlossen hat (Fig. 83).
74
HOCHSTETTER,
Ist dieser Verschluß schließlich erfolgt, der Herzschlauch seiner
ganzen Länge nach unpaar geworden und bildet infolge des Schwundes
des Mesocardiuni anterius und des größten Teiles des Mesocardium
posterius die primitive Pericardialhöhle einen einheitlichen Hohlraum,
so kommuniziert sie nur noch dorsomedial von den Uebergangsstellen
der Ductus Cuvieri in den aus den V. omphalo-mesentericae hervor-
gegangenen Abschnitt des Sinus venosus, jederseits durch einen relativ
engen Gang, den Ductus pleuro-pericardiacus ^), mit der übrigen Leibes-
höhle und besitzt ventral von dieser Uebergangsstelle eine aus dem
Mesoderm der vorderen Darmpforte gebildete caudale Wand (Fig. 84),
die allerdings von dem ihr aufsitzenden caudalen Abschnitte des Herz-
schlauches, aus dem später der Sinus venosus hervorgeht, eingenommen
wird und unmittelbar in die zu
dieser Zeit noch aus Mesoderm und Pr.A.
Entoderm gebildete provisorische \
Präcardialwand übergeht. — Diese
caudale Wand stellt die einheit-
liche Anlage des Septum trans-
versum dar.
R.H.
Pr. w.
K.D.
Clu
M.R.
r.o.vi. S.ir. V.D.Pf.
Fig. 83. Fig. 84.
83. Querschnitt durch eine Kaninchen keimscheibe mit 14
Bezeichnungen wie in Fig. 82.
84. Medianer Sagittalschnitt durch einen Kanin chenembryo
18 Ursegmenten. Ch. Chorda. //. Herzschlauch,
röhr. Pr.A. Proamnios. Pr.W. Präcardialwand.
versum. v.D.Pf. vordere Darmpforte.
Fig.
menten.
Fig.
K.D. Kopfdarm.
R.H. Rachenhaut.
Urseg-
mit
3I.R. Meduliar-
S.Tr. S. trans-
Bestandteile des Septum transversum. Hir mittlerer,
den Sinus venosus mit der Präcardialwand verbindender Abschnitt
entspricht dem Mesohepaticum anterius, ihr die Ductus Cuvieri be-
herbergender Teil den Mesocardia lateralia niederer Formen. — Die
Leber ist, da sie zu dieser Zeit noch gar nicht angelegt ist, bei den
Säugern ursprünglich an der Bildung der Scheidewand zwischen Peri-
cardial- und Pleuroperitonealhöhle gar nicht beteiligt.
Infolge der bedeutenden Volumszunahme der einzelnen Teile des
Herzschlauches kommt es nun allmählich zu einer beträchtlichen Aus-
weitung der primitiven Pericardialhöhle und Hand in Hand mit ihr
zu einer bedeutenden Vergrößerung der caudalen Wand dieser Höhle,
— Dabei nimmt die diese Wand bildende Mesodermmasse an Mächtig-
keit zu, und es kommt an der sie überkleidenden Schicht von Ento-
derm zur Ausbildung eigentümlicher Falten oder zottenartiger Bil-
dungen, die als Dottergangszotteu bezeichnet werden (Fig. 85). Schon
1) Eecessus parietalis dorsalis von His.
Die Entwickelung des Blutgefäßsystems.
75
in dieser frühen Periode der Entwickelung ist das Septiim trans-
versum schief gestellt, so daß es in craniocaudaier Richtung dorso-
ventral absteigt. — Seine die Ductus Cuvieri beherbergenden Ränder
bilden, leistenförmig vorspringend, die laterale Begrenzung (Fig. 86)
der Eingänge in die Ductus pleuro-pericardiaci, die ihrerseits durch
den die Vorkammer und den Sinus venosus mit dem Darm ver-
bindenden Rest des Mesocardium
posterius voneinander getrennt er-
scheinen (Fig. 86).
\
Ph
K.D.
Th.
Ch.
3I.c.p.
D.pl.p. ~
S.tr.
D.2)l.2).
"' D.C.
H.
Pc.H.
Fig.
Y.D.Pf. L.A. D.Z.
Fig. 85. Fig. 86.
85. Medianer feagittalschnitt durch die Pericardialhöhle eines 10 Tage alten
Kanin ebene mbryos. D.Z. Dottergangszotten. L.A. Leberanlage. Th. mittlere
Schilddrüsenanlage. Uebrige Bezeichnungen wie in Fig. 84.
Fig. 86. Höhlenansicht des caudaien Teiles der Pericardialhöhle eines Kanin-
chenembryo vom 9. Tage. (Nach Ravn.) A. Aorta. D.iyl.p. Ductus pleuro-peri-
cardiacus. D.C. Ductus Cuvieri. H. Herz. SIc.j). Mesocardium posterius. Ph. Pharynx.
Die weiteren Veränderun
versum vollziehen, sind vor
1) auf die Entwickelung der
Leber, 2) auf die Ausdehnung
der Pericardialhöhle selbst und
3) auf die Abschnürung des
Sinus venosus und seiner bei-
den Hörn er von dem Septum.
Beziehungen der
Leberanlage zum Sep-
tum trans versu ni. Schon
bei Kaninchenembryonen des
10. Tages ragt der Leber-
blindsack (Fig. 85 L. A) in das
Septum transversum hinein. —
Indem sich nun von ihm aus,
besonders in der Umgebung
der V. omphalo - mesentericae
und der Endstücke der V.
umbilicales, die Leberschläuche
entwickeln, dringen dieselben
immer weiter in den ventralen
Abschnitt der Bindegewebs-
masse des Septum transversum
gen, die sich nun am Septum trans-
allem auf 3 Prozesse zurückzuführen :
Fig. 87. Sagittalschnitt links von der
Medianebene durch die Pericardialhöhle und
die angrenzenden Organe eines 12 Tage alten
Kaninchenembryo. Atr. Vorkammer.
Z>.ji)Z.^). Ductus pleuro-pericardiacus. ^.Ä'.Endo-
cardkissen des Auricularkanals. L. Leber. Lg.
Lunge. 3Ig. Magen. S.Qm. Sinusquerstück.
V.c.o. Herzkammer. V.o.m. V. omphalo-mes-
enterica.
76 HOCHSTETTER,
vor und durchsetzen denselben schließlich vollständig, bis an die ven-
trale und seitliche Leibeswand, und lassen nur den die Ductus Cuvieri
beherbergenden Abschnitt des Septums, also seine dorsalsten und
cranialsten Teile frei. — So sehen wir also auch bei den Säugetieren,
allerdings erst sekundär, die craniale Leberfläche, die aber hier stets
von einer ansehnlichen Bindegewebslage bedeckt ist, die caudale
Wand der Pericardialhöhle bilden (Fig. 87).
Während sich das Lebergewebe im Septum transversum immer
weiter ausbreitet, kommt es ferner zur allmählichen Abschntirung des
Sinus venosus von demselben.
Bildung der Membrana pl eu r o-pe ri car dica. Diese
Abschnürung schreitet linkerseits rascher fort als rechts und führt zur
Bildung eines besonderen, rein bindegewebigen Abschnittes des Septum
transversum, der zum Teil die ventrale Wand des Ductus pleuro-
pericardiacus bildet (Fig. <S6), er wird als Membrana pleuro-pericardiaca
bezeichnet. — Li der Mitte steht diese noch ganz niedrige Membran
mit dem breiten ventralen Darmgekröse, welches hier die Verbindung
zwischen Lunge und Vorkammerabteilung des Herzens herstellt und
die Lungenvene beherbergt, in Verbindung und ist daher nur seitlich
von diesem Gebilde als selbständige Bildung nachweisbar. — Sie ent-
spricht wenigstens in ihrer ersten Anlage zweifellos dem frontalen
Sinusgekröse niederer Formen (vergl. Fig. 87 mit Fig. 69).
Die Entstehung der Membrana pleuro-pericardiaca ist jedoch nicht
bloß durch die Abschnürung des Sinus venosus vom Septum trans-
versum bedingt. — Vielmehr spielt bei derselben die Ausdehnung der
Pericardialhöhle, wie besonders Brächet (1897) gezeigt hat, eine nicht
unwesentliche Rolle, indem sich parallel mit derselben nicht nur das
ganze Septum transversum, sondern auch besonders die an die Ductus
Cuvieri anschließenden, rein bindegewebigen Partieen desselben ver-
größern. — Da sich ferner infolge der Verschiebung des Herzens und
mit ihm des Leberanteiles des Septum transversum in caudaler Rich-
tung, der Verlauf der Ductus Cuvieri in der Weise ändert, daß sie
aus der ursprünglich dorsoventralen Richtung allmählich eine schief
craniocaudale annehmen, bis sie sich schließlich fast parallel zur
Trachea einstellen, wobei sich die Entfernung zwischen ihnen und der
Leber besonders seitlich stetig vergrößert, werden besonders die late-
ralen Teile der Membrana pleuro-pericardiaca verhältnismäßig um-
fangreich.
Die Pleura rinnen derPericardialhöhle und der Ab-
schluß d e r D u c t u s p 1 e u r o-p e r i c a r d i a c i. Gleichzeitig verändern
sich aber auch die Mündungen der beiden Ductus pleuro-pericardiaci
zu schlitzförmigen Spalten, die cranialwärts rinnenförmig auslaufen. —
Diese Rinnen, Brächet (1897) hat sie Pleuro-i)ericardialrinnen ge-
nannt, werden medial (Fig. 88) von dem an der Dorsalwand der pri-
mitiven Pericardialhöhle vorspringenden, durch die mesodermale Wand
von Trachea und Oesophagus gebildeten mächtigen Längswulst und
seitlich von der medialen Wand des Ductus Cuvieri begrenzt. — Dabei
ist jedoch zu bemerken, daß die Ductus Cuvieri nicht, wie dies His
(1881), UsKOW (1883) und Ravn (1889) annehmen, aktiv aus der Wand
der Pericardialhöhle heraustretend, eine Konvergenzbewegung aus-
führen und so, die Membranae pleuro - pericardiacae gewissermaßen
nach sich ziehend, sie zur Entwickelung bringen, sondern daß, wie
dies Brächet (1897) richtig hervorhebt, die Ductus Cuvieri zwar
Die Entwickelung des Blutgefäßsystems.
77
ihre Stellung in dem oben angedeuteten Sinne ändern, die Ver-
größerung der Membranae pleuro-pericardiacae aber, sowie die des
ganzen Septum transversum nur als eine Folgeerscheinung der mäch-
tigen Ausdehnung der Pericardial- und der Pleuroperitonealhöhle zu
betrachten ist.
Der Abschluß der Pericardial- gegen die Pleurahöhle erfolgt nun,
wie ebenfalls Brächet (1897) mitgeteilt hat, dadurch, daß sich die
Ductus Cuvieri zunächst an die Vorkammer des Herzens anlegen (vergl.
Fig. 88) und allmählich in caudocranialer Richtung mit ihrer Wand
verschmelzen und daß dann weiter, einerseits der Trachealwulst der
dorsalen Pericardialhöhlenwand in der cranialen Fortsetzung des ven-
tralen (Lungen-)Gekröses mit der Vorkammerwand und beiderseits
auch mit den benachbarten Wandungen der Ductus Cuvieri verschmilzt.
— Durch diesen Prozeß werden
( Brächet) die Pleuro-pericardial-
rinnen zu engen Kanälen umge-
wandelt, die sich aber schließlich
j
i^-
.. Pl.p.R.
Lg.
N.G.
Vis. 88.
Fig. 89.
Fig. 88. Querschnitt durch die Gegend der Pleuro-pericardialrinnen eines
Meers chweinchenembryo von 5 mm Kopflänge. Atr.d., s. rechte, linke Vor-
kammer. A. Aorta. D.C. Ductus Cuvieri. P^.^.i'. Pleuro-pericardialrinnen. Tr. Trachea.
Fig. 89. Querschnitt durch die Lungengegend eines Katze nembryo von
7 mm Kopflänge. J.Aorta. A\G. Nebengekröse Z.Leber, ir/. Lunge. Oe. Oesophagus.
Pc.H. Pericardialhöhle. ^'.(^.p. Vena cardinalis posterioi'.
auch durch Verwachsung ihrer Wandungen schließen. — So erfolgt also
der Verschluß der Pericardialhöhlenmündungen der Ductus pleuro-peri-
cardiaci bei den Säugern auch durch Verwachsungsvorgänge im Be-
reiche der Pleurarinnen, aber doch in wesentlich anderer Weise als
bei den Sauropsiden.
Die primitiven Pleurahöhlen und ihre Begrenzung.
Schon geraume Zeit, bevor sich die endgiltige Scheidung der Peri-
cardial- von der Pleuroperitonealhöhle vollzieht, haben sich die beiden
Lungen entwickelt und springen in die dorsal von der Leber und dem
Sinus venosus gelegenen, paarigen Abschnitte der Pleuroperitoneal-
höhle vor, deren cranialste Abschnitte als Ductus pleuro-pericardiaci
bezeichnet wurden und die wir deshalb als primitive Pleurahöhlen be-
zeichnen können. — Dieselben sind gegeneinander dorsal vom Oeso-
phagus durch das kurze dorsale Oesophagusgekröse abgegrenzt, ven-
tral durch das ventrale Oesophagus- und das rechterseits neben ihm
gelegene Neben- oder Leberhohlvenengekröse. — In das letztere
schiebt sich ein kleiner Teil der rechten Lunge caudalwärts vor. Im
Bereiche des Sinus venosus haften ventrales Oesophagus- und Neben-
78
HOCHSTETTER,
gekröse gemeinschaftlich am Septiim transversiim, weiter caudal finden
sie ihren Ansatz an der dorsalen Fläche der Leber nebeneinander
(Fig. 89). Zwischen beiden befindet sich eine Peritonealhöhlenbucht,
die dem Recessus pulmo-hepaticus dexter der Sauropsiden und Am-
phibien entspricht und von His (A. L. III, 11, 1880 f) wegen ihrer
Beziehungen zum Netzbeutel als Recessus superior sacci-omenti be-
zeichnet wurde.
Ein linkes Nebengekröse kommt bei den Säugern zwar zur An-
lage, aber in der Regel nicht zur weiteren Entwickelung, so daß z. B.
bei Kaninchenembryonen vom Ende des 11. Tages an nur ein rechtes
Nebengekröse mehr besteht. — Indem sich nun die Lungen weiter
entwickeln, kommt es zu einer allmählichen Ausweitung der primitiven
Pleurahöhlen. — Gleichzeitig entwickeln sich aber auch jene Bil-
dungen, die schließlich den Abschluß der Pleurahöhlen gegen die
Peritonealhöhle und somit die Bildung des Septum pleuroperitoneale
herbeiführen.
Bildung d e r Ur n i e r e n f a 1 1 e n und d e r M e m b r a n a p 1 e u r o -
p e r i 1 0 n e a 1 i s. In erster Linie sind es auch bei den Säugern wie bei den
Sauriern die Urnierenfalten (Bertelli 1898), die dabei eine wichtige
Rolle spielen. Sie verhalten sich nicht bei allen Säugern, bei denen
ihre Entwickelung bis jetzt studiert ist, in gleicher Weise. — Beim
Meerschweinchen (Bertelli 1896) und der Katze (Hochstetter
1900) bildet die Urnierenfalte in ihrer ersten Anlage eine falten -
förmige, an der seitlichen Wand des cranialsten Abschnittes der Pleuro-
l)eritonealhöhle bis auf das Septum transversum auslaufende Fort-
setzung der Urnierenleiste. Die caudal konkavrandig begrenzte Falte
wächst rasch caudalwärts vor und bildet so eine Platte (Fig. 90),
Fig. 90. Querschnitt
durch die primitiven Pleu-
M.pc.j). / \ rahöhlen in der Höhe der
M. pleuroperitoneales eines
IMeerschweinchen-
e ni b r y o von 6 mm Kopf-
länge. .4. Aorta. Xgr. Lunge.
l.S.H. linkes Sinushorn.
M.pl.p. Membrana pleuro-
peritonealis. 3I.pl.pc. Mem-
brana pleuro-pericardiaca.
JI.pc.p. Membrana pericar-
diaco-peritonealis. Kp/i. N.
phrenicus. S.atr. Septum
atriorum. S.v. Sinus ve-
nosus. S.Kl. Sinusklappen.
V.c.p.Y. cardinalis posterior.
M.pl.pc.
S.Kl. S.atr.
welche die medial von ihr gelegene primitive Pleurahöhle von einer lateral
gelegenen Peritonealhöhlenbucht, dem R. cranio lateraHs (Fig. 90 R.c.l.)
Brachet's (1895), scheidet. — Brächet hat sie deshalb mit Recht
als Membrana pleuroi)eritonealis bezeichnet. — Da sie konkavrandig
begrenzt ist, besitzt sie einen dorsalen, in die Urnierenleiste und einen
ventralen, über das Septum transversum in die dorsale Leberkante
übergehenden Ausläufer, die ungefähr dem ents])rechen, was üskow
als die dorsalen und ventralen Pfeiler der dorsalen Zwerchfellsanlage
bezeichnet hat^). — Soweit nun die Membrana pleuroperitonealis au
1) Der ventrale Ausläufer entspricht auch wirklich vollständig dem ventralen
Pfeiler UsKOw's, der dorsale jedoch nicht, wie sich dies aus dem Folgenden er-
geben wird.
Die Entwickelung des Blutgefäßsystems.
79
jenem Abschnitte des Septum transversum, der früher als Membrana
pleuro - pericardiaca bezeichnet wurde, haftet, teilt sie dieselbe in
zwei Abschnitte, deren größerer, an der Abgrenzung der Pleurahöhle
nunmehr beteiligter, als eigentliche Membrana pleuro - pericardiaca,
deren kleinerer an der Begrenzung des Recessus craniolateralis An-
teil nehmender aber als Membrana pericardiaco-peritonealis (Brächet
1895) bezeichnet wird (Fig. 90). Daß die Membrana pleuro peri-
tonealis der Säuger der Ürnierenfalte der Sauropsiden homolog ist, be-
weist ihre Beziehung zum Ostium abdominale des MÜLLER'schen
Ganges, das, wie Bertelli (1896) gezeigt hat auch beim Meer-
schweinchen am Rande der Pleuroperitonealmembran ausläuft.
Bildung der caudalen Begrenzungsfalten der Pleu-
rahöhlen. Etwas später als die Pleuroperitonealmembranen treten
am caudalen Ende der primitiven
Pleurahöhlen bei Katze und Meer-
schweinchen die von mir (1899) so
genannten caudalen Begrenzungs-
falten dieser Höhle auf. — Die-
selben entwickeln sich auf den
beiden Seiten etwas verschieden.
— Rechterseits ist es die caudal-
wärts von der Lunge befindliche
verdickte, an der Leber haftende
Partie des Nebengekröses, an der
dieselbe als leistenförmiger, eine v.d
caudale Pleurahöhlenbucht begren-
zender, dorsalwärts am dorsalen
Gekröse bis zur Urniere auslaufen-
der Vorsprung entsteht (Fig. 91).
— Linkerseits, wo ja zu dieser Zeit
ein Nebengekröse nicht mehr vor-
kommt, ist es die mächtig ver-
M.pl.p.-frj
L,j.
c.B.F.
3I.pl. 2').
Lg.
'.B.F.
Fig. 91. Frontalschnitt durch den
cranialsten Abschnitt der Pleuroperi-
tonealhöhle eines Säuger embryos.
Schema, etwas modifiziert nach Brä-
chet. c.B.F. caudale Begrenzungsfalte.
Lg. Lunge. 3Lg. Magen, M.pl.p. Membrana
pleuro-peritonealis. V.c.i. V. cava posterior.
dickte mesodermale Wand des
Oesophagus am Uebergange in den Magen, und vor allem das Gekröse
dieses Darmabschnittes, welche einen ähnlichen leistenförmigen Vor-
sprung bilden (Fig. 91). — Ventral gehen diese caudalen Begrenzungs-
falten auf die dorsale Fläche der Leber über.
Beim Kaninchen, bei dem die Entwickelung der in Betracht
kommenden Teile am besten untersucht ist (Uskow 1883, Ravn 1889),
Brächet 1895), treten die caudalen Begrenzungsfalten der Pleura-
höhlen nur um weniges später als die Urniereufalten auf und hängen
sobald sie einmal deutlich entwickelt sind, mit den letzteren in der
Weise zusammen, daß (Fig. 92b) der ventrale Ausläufer der Begrenzungs-
falte jederseits an der dorsalen Fläche der Leber in den ventralen
Ausläufer der Membrana pleuroperitonealis übergeht, während der
dorsale Ausläufer dieser Falte, an der ventralen Fläche der Urniere
nahe dem Mesenterialansatze cranialwärts auslaufend 0, schließlich mit
der Urnierenleiste vereinigt, in die Membrana pleuroperitonealis über-
geht (Fig. 92a). — Auch bei Katze und Meerschweinchen kommt es
freiUch erst relativ spät zur Vereinigung der Ausläufer der Pleuro-
peritonealmembranen mit denen der caudalen Begrenzungsfalten.
1) Ihn hat Uskow eigentlich als dorsalen Pfeiler ;der Zwerchfellsanlage be-
schrieben.
80
HOCHSTETTER,
Abschluß der K o m ni u n i k a t i o n s ö f f n ii ii g z w i s c li e ii
Pleurahöhle und Peritonealhöhle. Die Kommunikations-
öflfnuug zwischen Pleura- und Peritonealhöhle wird dann durch die
ineinander übergehenden Ränder der caudalen P)egrenzungsfalte und
der Pleuroperitonealmembran
Lg.-
3I.pl.p.—
c.B.F. -
N.G.-
V.c.i. -
U.N. -
umgrenzt.
-Lg.
—3I.pl.2).
"V.G.
-c.B.F.
-Oe.
■M.G.
Fig.
Pc.H.
92a.
Atr. 3I.pl.pc.
B.C.
M.pl.p. -
BI.pl.p.
V.c.i.
Fig. 92b.
Fig. 92. Frontalschnitt durch einen Teil des
Rumpfes eines Ratte nembryo auf der Entwicke-
lungsstufe eines 15 Tage aUen Kaninchenembryo. (Nach
Ravn.) Höhlenpräj^arat. a Ansicht der dorsalen, b der
ventralen Hälfte. Atr. Vorkammer. c.B.F. caudale Be-
grenzungsfalte. L. Leber. Lg. Lunge. B.C. Ductus
Cuvieri. 3LG. Mesogastrium. M.pl.p. Membrana pleuro-
Ijeritonealis. M.pl.pc. Membrana pleuro-pericardiaca.
N.G. Nebengekröse. Pc.H. Pericardialhöhle. U.N. Ur-
niere. V.c.i. Vena cava posterior.
Lage
wird.
Indem sich in der Folge
die Begrenzungsränder
dieser Oeffnuug einan-
der immer mehr nähern,
wird die Oeffnung im-
mer kleiner und schließt
sich endlich vollständig,
und damit ist dann
der gänzliche Abschluß
der Pleurahöhlen gegen
die Peritonealhöhle
durchgeführt.
Da die ventralen mit-
einander in Verbindung
tretenden Ausläufer der
Pleuroperitonealmem-
branen und der cau-
dalen Begrenzungs-
falten an der Leber haf-
ten, ist es, wie schon
Ravn 1889 gezeigt hat,
klar, daß ein kleiner
Abschnitt der dorsalen
Leberlläche jederseits
sich an der Bildung der
Wand der Pleurahöhlen
beteiligt, ein Abschnitt,
dei" um so größer er-
scheinen wird, je mehr
die Leber an Masse zu-
nimmt und je stärker
sich die Pleurahöhlen
parallel mit der Ent-
wickelung der Lungen
ausdehnen. — Dieser
der Pleurahöhle zuge-
wendete Abschnitt der
Leberoberfläche zeich-
net sich nun so, wie
die dorsale Leberfläche
überhaupt dadurch aus,
daß er stets von einer
dicken Lage Bindege-
später zur Bildung des
webes bedeckt ist (Fig. 93), welche
definitiven Diaphragmas herbeigezogen
Veränderungen der Pleuroperitonealmembranen.
Bevor es jedoch zum endgiltigen Abschlüsse der Pleurahöhlen kommt,
des mächtigen Wachstumes der Leber einer- und der
zunehmenden Ausdehnung der Pleurahöhlen andererseits,
treten
immer mehr
infolge
Die Entwickelung des Blutgefäßsystems.
81
Veränderungen sowohl in der Stellung als auch in der Ausdehnung
der Pleuroperitonealmembranen auf. - Indem sich nämlich die Leber
auf Kosten dieser Membranen und ihrer ventralen Ausläufer i) ver-
größert, werden sie kürzer, und indem sich die Pleurahöhlen seitlich
ausdehnen, werden sie aus ihrer ursi)rünglichen, ventral divergierenden
(Fig. 90) in eine ventral konver-
gierende Stellung (Fig. 94) zu ein-
; ander gebracht.
- U.F.
R.p.h.
Fig. 93. Fig. 94.
Fig. 93. Sagittalschnitt durch den Rumpf eines 14 Tage alten Kaninchen-
embryo links von der Mittelebene. Atr. Vorkammer. D.C.s. Ductus Cuvieri
sinister. Lg. Lunge. M.pl.pr. Membrana pleuro-pericardiaca. Mg. Magen. W.B. Netz-
beutel. Pl.H. Pleurahöhle. U.F. Urnierenfalte. U.K Urniere! V.U. V. umbilicaHs.
V.c. Herzkammer.
Fig. 94. Querschnitt durch die Pleurahöhle eines 15 Tage alten Kanin eben-
em bryo. L. Leber. Lg. Lunge. M.pl.p. Membrana pleuro-peritonealis. Oe. Oeso-
phagus. R.p.h. Eecessus pulmo-hepaticus.
Ueber die Veränderungen welche die Pleiu'ajjeritonealmembranen
während der Entwickelung bei anderen Säugern als beim Kaninchen er-
leiden, liegen noch keinerlei genauere Angaben vor, nui- für eine Anzahl
menschlicher Embryonen hat Swaen (1896, 1897) sehr detaillierte An-
gaben gemacht, aus denen hervorgeht, daß sow^ohl in der Anlage, als auch
in der weiteren Entwickelung dieser Menibranen recht beträchtliche Ab-
weichungen von den für das Kaninchen festgestellten Verhältnissen bestehen,
daß aber doch im Prinzipe diese Membranen sich in ganz ähnlicher Weise
"wie dort an der Bildung des Zwerchfelles beteiligen, welches im übrigen aus
denselben Bestandteilen hervorgeht, wie bei allen übrigen Säugern.
Vereinigung der paarigen Anlagen des Septum
pleuroperitoneale. Die Anlage der die Pleurahöhlen gegen die
Peritonealhöhle zu abschließenden Scheidewand, die auch als dorsales
Diaphragma bezeichnet wird, ist somit vorerst paarig und besteht
beiderseits aus drei verschiedenen Teilen : aus einem Abschnitte der
Leber, aus der Pleuroperitonealmembran und aus der caudalen Be-
grenzungsfalte der Pleurahöhle. — Dorsal vom Oesophagus sind
die beiden Pleurahöhlen nur durch das dorsale Oesophagusgekröse
voneinander geschieden (Fig. 94), und da die caudalen Begrenzungs-
falten dorsal diesem Gekröse aufsitzen, vereinigt dasselbe die Scheide-
wandanlagen der beiden Seiten. — Ventral vom Oesophagus dagegen
und an seiner rechten Seite liegt, zwischen die beiden Pleurahöhlen
1) Brächet hat die dabei sich abspielenden, recht komplizierten Vorgänge in
sehr ausführlicher Weise geschildert.
Fandbnch der Entwickelungslehre. III. 2. Q
82 HOCHSTETTER,
vorgeschoben, der Recessus pulmo-hepaticus dexter (Fig. 92). — Von
der rechten Pleurahöhle trennt ihn das Nebengekröse, von der linken,
der Oesophagus und sein ventrales Gekröse (Fig. 89, 94). — Noch
bevor aber der endgiltige Abschluß der Pleurahöhlen gegen die Peri-
tonealhöhle zu erfolgt, obliteriert beim Kaninchen und allen einen
infracardialen Lungenlappen besitzenden Säugern dieser Recessus in
der Höhe der Cardia^) des Magens eine kurze Strecke weit, indem
an dieser Stelle das Nebengekröse mit dem ventralen Oesophagus-
gekröse und der Oesophaguswand verwächst. — Dadurch werden die
Scheidewandanlagen der beiden Seiten auch an der Seite des Oeso-
phagus und ventral von ihm miteinander vereinigt und hängen jetzt
an der dorsalen mit einer dicken Bindegewebslage überzogenen Leber-
fläche überall kontinuierlich miteinander zusammen.
Dorsales und ventrales Diaphragma. Diese die Pleura-
höhlenoberfläche der Leber überziehende Bindegewebslage hängt aber
auch, und zwar kontinuierlich, mit der die Pericardialhöhlenfläche dieses
Organes bedeckenden Bindegewebslage zusammen (Fig. 93). — Dadurch
steht die Anlage des Diaphragma dorsale in unmittelbarer Verbindung
mit der Anlage des Septum pericardiaco-peritoneale, welches auch als
ventrales Diaphragma bezeichnet wird. — Nur die Ansatzlinie der
Membrana pleuro - pericardiaca an der Leber markiert die Grenze
zwischen den an der Bildung dieser Scheidewände beteiligten Ober-
ttächenabschnitten dieses Organes (Fig. 93) und gestattet so die Ab-
grenzung eines ventralen, die caudale Wand der Pericardialhöhle
bildenden und eines dorsalen, die beiden Pleurahöhlen von der Peri-
tonealhöhle sondernden Abschnittes der Anlage des Zwerchfelles.
Abschnürung der Leber von der Zwerchfellsanlage
u n d B i 1 d u n g des m u s k u 1 ö s - s e h n i g e n Z w e r c h f e 1 1 e s. Wenn
es nun in ähnlicher Weise wie bei den Vögeln zu einer Abspaltung
der Leber von der sie bedeckenden Bindegewebsplatte kommt, an die
seitlich und caudal die aus den Pleuroperitonealmembranen und aus
den caudalen Begrenzungsfalten hervorgegangenen Teile der Zwerch-
fellsanlage anschließen, so wird die ganze Zwerchfellsanlage selbständig
und bildet eine gemeinsame kuppeiförmige Scheidewand zwischen
Pericardial- und Pleurahöhlen einer- und der Peritonealhöhle anderer-
seits. — Sie wird, indem von der Peripherie Muskulatur in sie ein-
wächst, zum muskulös-sehnigen Zwerchfell. — Die Abschnürung der
Leber von der Zwerchfellanlage ist jedoch keine vollständige, sie bleibt
vielmehr durch das Ligt. falciforme und das Ligt. coronarium, sowie im
Bereiche eines Teiles ihrer dorsalen Fläche dort, wo die hintere Hohl-
vene aus ihr hervorkommt, mit dem letzteren in Verbindung.
Zwerchfellsband der Urniere. Mit dem Dorsalteile des
Zwerchfelles steht bei den Embryonen vieler Säugetiere das craniale
Ende der Urniere durch eine faltenartige Bildung im Zusammenhange,
die sich in das Gekröse des MÜLLER'schen Ganges fortsetzt. —
KÖLLiKER hat diese Bildung als Zwerchfellsband der Urniere be-
schrieben. — Ihre Existenz ist verständlich aus dem ursprünglichen Zu-
sammenhange der Urnierenleiste mit der Membrana pleuroperitonealis,
1) Beim Menschen und wahrscheinlich allen Säugern, die einen infracardialen
Lungenlappen nicht besitzen, obliteriert der ganze Recessus. — Bei Säugern mit in-
fracardialen Lungenlappen dagegen erhält sich der von der Peritonealhöhle abge-
trennte Recessus an der Seite des Oesophagus zeitlebens (Hochstetter 1888).
Die Entvvickelung des Blutgefäßsystems.
83
ein Zusammenhang, der sich auch noch
eine Zeit lang erhalten
kann,
nachdem die Membrana i)leuroperitonealis im Zwerchfell aufgegangen ist.
Herstellung der definitiven Beziehungen zwischen
der Pericardial höhle und den Pleurahöhlen. Noch bevor
die Pleurahöhlen
ganz
ge-
schlossen sind, in rascherem
Tempo aber, nachdem dieser
Verschluß ijerfekt geworden
ist, dehnen sich die Pleura-
höhlen, die ursprünglich rein
dorsal von der Pericardial-
höhle liegen (Fig. 95), zuerst
Pl.H. -
M.2Ü.pc. —
rr"-^~ PLH.
3I.pl.pc.
lateral-, dann ventralwärts aus
und dringen so, gewisser-
maßen die Pericardialhöhle
umwachsend und die Leibes-
wand spaltend, ventralwärts
vor, so daß die Pericardial-
höhle, die, während ihre
ventrale Begrenzung von der
Leibeswand gebildet wurde, zuerst nur dorsal, in der Membrana pleuro-
pericardiaca eine selbständige Wand besaß, nun allmählich ringsum eine
solche erhält (Uskow) [Fig. 96j. — Während aber beim Menschen
und den Säugern, denen ein
Pe.H.
Fig. 95. Querschnitt durch die Brust-
region eines Kaninchenembryo vom 15. Tage.
Jl.pl.pe. Membrana pleuro-pericardiaca. Pdf.
Pericardialhöhle. Pl.H. Pleurahöhle.
selbständiger
infracardialer
Lungenlai)pen mangelt , die
caudale Wand der Pericardial-
höhle mit dem Zwerchfell in
Verbindung bleibt, dringt, wie
dies Uskow (1883) ausführ-
lich dargelegt hat, beim Ka-
ninchen und anderen einen
infracardialen Lungenlappen
besitzenden Säugern eine
diesen Lungenlappen beher-
bergende Pleurahöhlen bucht
zwischen Oesophagus und hin-
tere Hohlvene ventralwärts und
nach links hin vor (Fig. 96) und
führt eine fast vollständige Ab-
spaltung auch der caudalen
Oe.
V.c.i.-
Pc.H.
Fig. 96. Querschnitt durch die Brust-
region eines Katzenembryo von 25 mm
Länge. i.c.L. infracardialer Lungenlappen.
Oe. Oesophagus. Pc.H. Pericardialhöhle. Pl.H.
Pleurahöhle. B.p.h. Recessus pulmo-hepaticus.
V.c.i. V. Cava inferior.
Wand der Pericardialhöhle,
vom Zwerchfell herbei. — So
liegt jetzt die Pericardialhöhle
allenthalben eine selbständige membranöse Wand besitzend, zwischen den
beiden Pleurahöhlen drin, von ihnen umgeben. — Indem es nun in der
membranösen Pericardialwand zur Differenzierung einer fibrösen Mittel-
schicht kommt , wird der fibröse Pericardialsack gebildet , der , an
seiner Oberfläche von den Mediastinalplatten der Pleura überzogen,
durch dieselben und durch zwischen sie eingelagertes Bindegewebe
mit der vorderen Brustwand und dem Zwerchfelle in Verbindung steht.
6*
84 HOCHSTETTER,
L a g e V e r s c h i e b u n g e n der P e r i c a !• d i a 1 li ö h 1 e und der
Z w e r c li f e 1 1 s a n 1 a g e. lieber die Lageverschiebungen , welche die
Pericardialhöhle und mit ilir das Septum pericardiaco - pleuroperitoneale
bei den Amphibien und Sauropsiden erleidet, liegen keine genaueren An-
gaben vor. — Wir können nur die Thatsache verzeichnun, daß eine
solche Lageverschiebung erfolgt und daß dieselbe bei den Amphibien noch
relativ gering ist, daß sie dagegen bei den Reptilien im allgemeinen
schon viel beträchtlicher wird, und bei gewissen Eormen (Varanideu,
Crocodilier) so wie bei den Vögeln einen ziemlich hohen Grad erreicht,
so daß hier die Pericardialhöhle sehr weit caudalwärts vorgeschoben
erscheint.
Für die Säuger hat schon von Baer, A. L. I, darauf aufmerksam
gemacht, daß die erste Anlage des Zwerchfelles ^) bereits zu einer Zeit
nachweisbar ist, wo das Herz und die Pericardialhöhle noch weit cranial,
ventral von der Halswirbelsäule gelegen ist, und es damit in Zusammenhang
gebracht, daß das Zwerchfell von einem Cervicalnerven, dem N. phrenicus,
innerviert wird. — Uskow (1883) hat dann an Sagittalschnittserien nach-
gewiesen, welch beträchtliche Verschiebungen in caudaler Richtung die Pei'i-
cardialhöhle und mit ihr die Anlage des Zwerchfelles beim Kaninchen
wälu-end der Entwickelung erleidet. — Doch sind auch bei Säiigerembryonen
weder die Lageverschiebungen der einzelnen Leibeshöhlenabschnitte unter-
einander, noch die der in ihnen eingelagerten und zum Teile an der
Zwerchfellbildung beteiligten Organe, die bei den verschiedenen Species
erheblichere Verschiedenheiten darbieten dürften, genauer untersucht. —
Und das Wenige, was bis jetzt darüber vorliegt, genügt nicht, um ein nur
einigermaßen übersichtliches Bild von diesen Vorgängen zu entwerfen.
Entwickelung des Arterien-Systems.
Allgemeine lieber sieht. Bei den Embryonen sämtlicher
Wirbeltiere beginnt das Arteriensystem mit dem aus dem cranialen
Ende des Herzschlauches entspringenden Truncus arteriosus.
T r u n c u s arteriosus. Dieser ist in der Mitte vor der ventralen
Wand des Schlunddarmes gelegen und teilt sich in der Regel nach
kürzerem oder längerem Verlaufe in 2 nebeneinander kieferbogen-
wärts ziehende Aeste. — Aus dem Truncus arteriosus und seiner
paarigen Fortsetzung entspringen beiderseits, der Zahl der Visceral-
bogen entsprechend, Arterienstämme, die, in den Visceralbogen ver-
laufend, den Schlunddarm bogenförmig umgreifen.
Aortenbogen. Es sind die Kiemenbogenarterien oder die
Aortenbogen. — Sie treten nicht alle gleichzeitig auf. — Der erste,
der Zeit seines Auftretens nach, ist stets der Arterienbogen des
Mandibularbogens, der letzte der des letzten Brancliialbogens.
Primitive Aorten. Die Aortenbogen münden alle dorsalwärts
in 2 mächtige, zu beiden Seiten der Medianebene ventral von der
Chorda dorsalis gelegene Längsgefäße, die wir als primitive Aorten
bezeichen. — Dieselben verlaufen durch die ganze Länge des Körpers
von der Gegend der Hypophyseneinstülpung an bis, an das Schwanz-
ende. — Der paarige Zustand dieser Gefäße erhält sich jedoch stets
nur kurze Zeit. Bald verschmelzen nämlich die primitiven Aorten mit
1) Nämlich der ventrale Teil desselben.
Die Entwickelung des Blutgefäßsystems. 85
Ausnahme ihrer cranialen Anfangsabschnitte miteinander zur median
gelagerten Aorta dorsalis. — Ihre unverschmolzenen Stücke, die sich
noch über die Mündung des ersten Aortenbogens hinaus verlängern,
bilden dann, da sie sich caudalwärts zur unpaaren Aorta vereinigen,
die sogenannten dorsalen Aortenwurzeln.
Dorsale Aorten wurzeln. In jede von diesen münden, je
nachdem der die primitiven Aorten betreffende Verschmelzungsprozeß
weiter oder weniger weit vorgegriffen hatte, entweder nur die vordersten
oder sämtliche Aortenbogen ihrer Seite.
A e s t e der Aorta dorsalis. Schon aus den primitiven Aorten
entspringen 2 Arten von Arterienästen, die später, soweit sie nicht
den Aortenwurzeln angehören, von der Aorta dorsalis abgegeben
werden. — In der Folge gesellt sich ihnen noch eine dritte Art von
Aesten zu. So können wir bei jungen Wirbeltierembryonen dreierlei
Aeste der Aorta dorsalis unterscheiden.
Arterien der Leibeswand und der Extremitäten. Die
Aeste der ersten Art entspringen gewöhnlich aus dem dorsalen Umfange
der Aorta paarig, in regelmäßiger Aufeinanderfolge. — Sie sind, da sie
zwischen den Ursegmenten verlaufen, zunächst intersegmental an-
geordnet. — Ihr Verbreitungsgebiet umfaßt das Medullarrohr und die
Leibeswandungen. — Die im Gebiete der Extremitätenanlagen ab-
gehenden Arterienpaare sind stärker ausgebildet und werden später
zu den Arterien der Extremitäten.
Arterien des Darmkanales. Die Aeste der zweiten Art
sind für den Darm l)estimmt und entspringen aus dem ventralen
Umfange der Aorta. — Auch sie sind ursprünglich in der Regel paarig,
werden jedoch frühzeitig unpaar. — Einzelne von ihnen, die den Dottei'-
sack und (bei den Amnioten) die Allantois zu versorgen haben, zeigen
eine besonders mächtige Entwickelung.
Arterien des N i e r e n s y s t e m s und der Geschlechts-
drüsen. Die Aeste der dritten Art endlich versorgen das Nieren-
system und die Geschlechtsdrüsen mit Blut. — Auch sie sind paarig
und ents])ringen zumeist aus dem seitlichen Umfange der Aorta.
So zeigt das Arteriensystem bei allen Wirbeltieren in bestimmten
Entwickelungszuständen relativ einfache Verhältnisse, und ist bei allen
Formen ein einheitlicher Charakter seines Aufbaues nicht zu verkennen.
Bezüglich seiner weiteren Entwickelung ergeben sich dann freilich
selbst bei einander relativ nahestehenden Formen recht erhebliche
Differenzen.
Die Aorteiilbogen und die Arterien des Kopfes der Anamnier.
Selachier.
Bei den Selachiern kommt es in der Regel zur Ausbildung von 6
Aortenbogen auf jeder Seite (Fig. 97). — Nur bei den Notidaniden ist ihre
Anzahl entsprechend der Zahl der Kiemenbogen vermehrt.
Truncus arteriös us und Aortenbogen. Der unpaare
Abschnitt des Truncus arteriorus, der sich bei Acauthias in der Höhe
der 3., bei Torpedo und Pristiurus in der Höhe der 2. Aorten-
bogen gabelt, ist anfänglich verhältnismäßig kurz, und die 3 letzten
Aortenbogen entspringen jederseits, mittelst gemeinsamen Stammes
(Acanthias) aus ihm. Später verlängert er sich erheblich, wobei sich
86
HOCHSTETTER,
seine Teillingsstelle auch etwas cauclalwärts vorschieben kann (Acan-
thias) und die 4. Aortenbogen entspringen dann selbständig aus ihm,
während die 5. und 6. Bogen in der Regel jederseits einen kurzen
gemeinschaftlichen Ursprungsstamm behalten (Fig. 97).
Sinus c e p h a 1 i c u s. Noch bevor sich die primitiven Aorten im
Rumpfgebiete vollständig vereinigt haben, verschmelzen sie im Kopf-
gebiete unmittelbar caudal vor der Mündung der 1. Aortenbogen eine
kurze Strecke weit miteinander und bilden so einen verhältnismäßig weiten
Gefäßraum, den Kopfsinus von Rückert (A. 1888)
Aus diesem (Sinus cephahcus nach Raffaelle A
Arterienpaar, das an die Augenblasenstiele
zieht (J. Platt A. 1891), und ein zweites
Arterienpaar, welches nach Abgabe eines Astes
an das Vorderhirn in die Konkavität der Mittel-
hirukrümmung hineinbiegt (Fig. 8) und sich
später an der Ventralseite des Rautenhirnes
vorbei bis auf die Medulla spinalis fortsetzt.
[Fig. 97 S. c] 1).
1892) entsteht
ein
V.H.A.
Fig. 97.
Fig. 97. Arterien des Kopfes und der Kiemenbogenregion eines ca. 15 mm
langen Embryo von Acanthias vulgaris (halbschematisch). Ad. Aorta dorsalis.
S.c. Sinus cephalicus. Tr.a. Truncus arteriosus.
Fig. 98. Sinus cephalicus und Circulus arter. cephalicus eines ca. 17 mm langen
Embryo von Acanthias vulgaris (halbschematisch). A.o. A. ophthalmica. A.B.
Aortenbogen. S.c. Sinus cephalicus. V.H.A. Vorderhirnarterie.
A. basilaris. Dieses Arterienpaar verschmilzt noch später,
vom Mittelhirne an caudalwärts zu einem einheitlichen Gefäßstamme,
der A. basilaris, die sich in die A. medullae spinalis impar fortsetzt
und mit den das Rückenmark versorgenden segmentaleu Arterien
Verbindungen eingeht. Der Sinus cephalicus ist gleich nach seiner
Entstehung bei den Rajiden (Torpedo) [Rückert A. 1888, Raffaelle,
A. 1892] geräumiger, als bei den Squalideu (Acanthias) [J. Platt
A. 1891). — Später verringert sich sein Kaliber. Dabei hat er entweder
eine sehr beschränkte Längenausdehnung wie bei Torpedo, oder er
bildet, wie bei Acanthias, einen kurzen Längsstamm (Fig. 98), der sich
an der
Einmündungssteile
der ersten
Aortenbogen
säbelt. — Aber
auch bei Acanthias verkürzt er sich in späteren Entwickelungsstadien
so sehr, daß er als Läugsstamm zu bestehen aufhört.
Caudalwärts vom Kopfsinus bleiben die primitiven Aorten als
dorsale Aortenwurzeln eine Strecke weit voneinander getrennt, ja sie
entfernen sich in diesem Abschnitte sogar immer weiter voneinander
1) Der Sinus cephalicus hängt in frühen Entwickelungsstadien (J. Platt A. 1891)
durch weite Kommunikationsbahnen, die später zu bestehen aufhören, mit der An-
lage der V. cardinales anteriores zusammen.
Die Entwickelung des Blutgefäßsystems.
87
und bilden so, da sie sich caudalwärts wieder zur Aorta dorsalis ver-
einigen (P'ig. 98), den Circulus arteriosus cephalicus Hyrtl's.
Circulus arteriosus cephalicus. Derselbe erhält sich
jedoch nur bei den Squaliden in seiner unsprünglichen Form. — Bei
den Rochen kommt es nämlich schon frühzeitig (Dohrn 1889 — 91,
Raffaelle A. 1S92) zur Obliteration des schon bei den Squaliden
schwachen Abschnittes der dorsalen Aortenwurzeln (Fig. 98) zwischen
den Mündungen der 2. und 3. Aortenbogen.
Die Stelle, bis zu welcher die Verschmelzung der primitiven
Aorten zur Aorta dorsalis kopfwärts vorrückt, ist bei den einzelnen
Formen verschieden. — Bei Acanthias erreicht sie das Niveau der
Mündung der 4. Aortenbogen, bei Scyllium und Mustelus erfolgt die
Verschmelzung bis über das Gebiet der Mündung der 3. Aorten-
bogen hinaus. — Manchmal entwickelt sich in der cranialen Verlängerung
der Aorta dorsalis ein schwacher, median gelagerter Gefäßstamm
sekundär, der bis an die Hypophyse reichen kann (Chlamydoselachus)
[Ayers 1889J.
Entwickelung der zuführenden
Kiemenarterien,
zu einer Unterbre-
chung in der Strom-
bahn der
Indem sich die Kiemen
und abführenden
entwickeln, kommt es
A
ct.
bogen und zur
Aorten-
Aus-
bildung des Kie-
menkreislaufes, die
bei Pristiurus nach
Dohrn (1885—86)
in folgender Weise
vor sich geht. —
In den 4 Branchial-
bogen entwickeln
sich mit dem Auf-
treten der Kiemen-
blättchen und der
in die letzteren ein-
wachsenden Gefäß-
schlingen zunächst
caudal und dann
cranial von jedem
Aortenbogen rück-
führende Kiemen-
arterien, die (Fig. 99) im dorsalsten Teile des Kiemenbogens in den be-
treffenden Aortenbogen einmünden. — Sie stehen untereinander durch
2 Queranastomosen in Verbindung i). — In der Nähe der Einmündungs-
stelle dieser A. efferentes wird nun der Aortenbogen immer dünner und
obliterirt schließlich vollkommen. — Sein erhaltener ventraler Abschnitt
wird dadurch zur A. afferens des Kiemenbogens, während sein erhaltener
dorsaler den Stamm der A. efferentes bildet. — Indem nun die eme
der beiden Anastomosen zwischen den beiden A. efferentes jedes
Kiemenbogens sich erweitert, wird die vordere A. efferens stärker,
während die hintere ihre Mündung in den Stamm der A. efferens
Fig. 99. Die Arterien der Kiemenbogenregion eines
Pristiurusembryo nach Dohrn. A.a.h. A. afferens
hyoidea. A.c.i. A. carotis interna. A.tli.s. A. thyreo-spira-
culari.s. Z)..4.TF. dorsale Aortenwurzel. Tr.a. Truncus arter.
1) Bei Acanthias entwickeln sicli deren nach J. Platt (A. 1891) 4 bis 5.
88
HOCHSTETTER,
ihres Kiemenbogeus verliert, um sich
der Kiemeuspalte hinweg mit
Kiemenbogens in
Verbindung
dafür über das dorsale Ende
der A. efferens des nächstfolgenden
zu setzen. — So kommt es (Fig. 100).
dorsalen Abschnitten der Aortenbogen
communes ihr Blut aus den A. efferentes
daß schließlich die aus den
entstandenen A. eiferentes
zweier hintereinander
Im Hyoidbogen kommt es nur zur Eutwickelung einer hinteren
A. efierens (Fig. 99, 100), die sich aber durch eine mächtige Anastomose
gelegener Kiemenbogen beziehen.
zur Eutwickelung einer
mit der Arterie des Mandibularbogens in
Verbindung setzt.
— Diese
wieder löst sich in der Spritzlochkieme in ein Wundernetz auf, giebt
aber vorher noch einen Zweig an die Schilddrüse ab. Dohrn (1885 — 86)
bezeichnet sie deshalb als A. thyreo-spiracularis. — Diese Arterie ver-
liert jedoch bald, durch Obliteration ihres proximalen Anfangsabschnittes,
ihren Ursprung aus dem paarigen Abschnitte des Truncus arteriosus
und erhält nun, ebenso, wie das von ihr gebildete Wundernetz der
Spritzlochkieme, ihr Blut durch die oben beschriebene Anastomose
(Fig. 100) aus der A. efferens der Hyoidkieme zugeführt.
I Ä'.a.li.
Ä.th.s.
Fig. 100. Arterien der Kiemenbogenregion eines Embryo von öcylliuni
canicula nach Dohen. Buchstabenbez. wie bei Fig. 99.
A. carotis interna. Außerdem leitet aber auch die letztere
Arterie das Blut in den vordersten Abschnitt der Aorten wurzel, der
von der Einmündung der A. efferens des Hyoidbogens an hypophysen-
wärts als A. carotis interna (Hyrtl) bezeichnet wird. — Während aber
bei den Squaliden die A. carotis interna mit dem caudaleu Abschnitte
der Aortenwurzel in Verbindung bleibt, verliert sie diesen Zusammen-
hang bei den Rajiden ^). — Der Sinus cephalicus hat sich inzwischen
verengert und wie bei Acanthias verkürzt und stellt nun nur noch
eine Querverbindung zwischen den beiden Carotiden her, die den
Circulus arteriosus cephalicus nach vorn zu abschließt und bei der aus-
gebildeten Form von Hyrtl als Carotidenkreuzung bezeichnet wurde. —
1) Vergl.
Gesagte.
das oben p. 87 über den Circulus arteriosus cephalicus der Eochea
Die Eutwickelung des Blutgefäßsystems. 89
Schließlich setzt sich dann auch noch, wie J. Platt für Acanthias
augiebt, das ventrale Ende der A. thyreo-spiracularis mit dem ventralen
Ende der A. etferens des Hyoidbogens und dieses wieder mit dem
ventralen Ende der A. efferens des 1. Branchialbogens in Verbindung,
und an die so gebildete Anastomose schließen sich ähnliche Anastomosen
zwischen den ventralen Enden der A. efterentes der übrigen Branchial-
bogen an (Dohrn, 1886—87) ^).
Cyclostomen.
A m m 0 c 0 e t e s. Bei Ammocoetes Planeri gabelt sich nach
JuLiN (A. 1886) der Truncus arteriosus in der Höhe der 5. Kiemen-
platte. — Drei A. atferentes branchiales jeder Seite entspringen aus
dem ungeteilten Truncus, 5 aus seineu beiden Aesten. — Es be-
stehen hier somit 8 zuführende und ebensoviele abführende Kiemen-
arterienpaare, die der Anlage von 8 Aortenbogenpaaren entsprechen
würden. — Nach Dohrn (1888) sollen jedoch bei Ammocoetes
9 Aortenbogen jederseits angelegt, der erste aber, der dem im
Mandibularbogen der Selachier verlaufenden Aortenbogen entsprechen
würde, frühzeitig rückgebildet werden. — Die Aorta dorsalis erstreckt
sich über der Kiemenbogenregion sehr weit nach vorne, so daß sämt-
liche A. branchiales efferentes mit Ausnahme der aus den 2. Aorten-
bogen entstandeneu, ersten, direkt in sie einmünden. — Die dorsalen
Aortenwurzeln sind daher überaus kurz, setzen sich aber wie bei
anderen Yertebraten über die Mündung der 1. A. branchiales efferentes
als Carotides internae oder dorsales nach vorne zu fort.
Myxinoiden.
Bei gewissen Myxinoiden (Bdellostoma) , bei denen die Anzahl
der zur Anlage kommenden Kiemenspalten eine bedeutend größere
ist wie bei Petromyzon, dürfte auch die Anzahl der zur Anlage
kommenden Aortenbogen eine bedeutend größere sein.
Ganoiden. Lepidosteus.
Bei den Ganoiden (Lepidosteus, Amia) kommt es, so wie bei den
meisten Selachiern, zur Bildung von 6 Aortenbogen auf jeder Seite.
Nach F. W. MÜLLER (1897) sind von diesen, wenn die Larve von
Lepidosteus das Ei verläßt, erst die 4 vordersten gebildet, die jeder-
seits zu je zweien (Fig. 101a) mittelst gemeinsamer Stämme aus dem
Truncus arteriosus entspringen , um dorsal getrennt voneinander in
die dorsale Aortenwurzel zu münden. Die beiden ersten stehen mit-
einander durch eine Anastomose {Ä.) in Verbindung, die höchstwahr-
scheinlich der sekundär entstehenden Anastomose zwischen A. efferens
des Hyoidbogens und der A. thyreo-spiracularis der Selachier ent-
spricht. — Außerdem erscheint aber auch noch an der Arterie des
Hyoidbogens eine in den Opercularfortsatz eindringende Nebenbahn
entwickelt (0. B.), die Zweige an das Gewebe dieses Fortsatzes abgiebt.
— Während nun später die beiden letzten Aortenbogen auftreten und
die Kontinuität der Arterien der Branchialljogen, gleichzeitig mit dem
1) Hyrtl (1858, 1872) hat diese Anastomosen und die aus ihnen entstehenden
Aeste für eine Reihe ausgebildeter Formen beschrieben und abgebildet.
90
HOCHSTETTER,
A.B.I.A.B.Z.A.B.3.
Auftreten der Kiemen, sich zu lösen beginnt, kommt es zur Ob-
literation der ventralen Abschnitte der beiden ersten Aortenbogen
(Fig. 101b), und gleichzeitig löst sich auch die Nebenbahn des 2. Aorten-
bogens im Opercularfortsatze in ein Gefäßnetz auf^). — Diesem wird
jetzt das Blut durch den früheren, gemeinsamen Wurzelstamm für die
beiden ersten Aortenbogen, den wir nunmehr A. opercularis aflfereus
nennen können, zugeführt. — Als A. efferens des Opercularfortsatzes
fungiert der dorsale Abschnitt der Opercularnebenbahn, der einerseits
das Blut durch den dorsalen Abschnitt des 2. Aortenbogens in die
Aortenwurzel, andererseits durch die früher erwähnte Anastomose in
den 1. Aortenbogen ableitet (Fig. 101b).
Noch etwas später, wenn in sämtlichen Branchialbogen die Aorten-
bogen in A. afferentes und efferentes branchiales zerfallen sind, obli-
teriert auch der dorsale Abschnitt des 2. Aortenbogens (Fig. 101c),
und das aus dem Kiemendeckel rück-
strömende Blut gelangt nun ausschließlich
a- in den dorsalen Abschnitt des 1. Aorten-
bogens. — Der letztere ist aber in-
zwischen auch noch mit der ventralen
Fortsetzung der A. elferens des 1. Bran-
chialbogens in Verbindung getreten und
b. erhält also auch noch von daher Blut. —
Schließlich entwickelt sich, und zwar ver-
hältnismäßig si)ät, die Pseudobranchie und
die Opercularkieme. In der ersteren
(Fig. 101 d) zerfällt der dorsale Teil des
1. Aortenbogens in ein Kapillarnetz,
während das Kapillarnetz der Oper-
cularkieme aus dem im übrigen sich
rückbildenden Gefäßnetz des Opercular-
fortsatzes entsteht, wobei dann die A.
opercularis afferens zur A. afferens der
Opercularkieme wird, während die A.
efferens dieser Kieme als neu entstehende
Ä«.
A,Br
O.B.
ABz Aoe
A.aa.
A.o.e A.e.br i.
Fig. 101a — d. Umbildung der Aortenbogen
von Lepidosteus osseus, schematisch dar-
gestellt nach den Angaben von F. W. Müller.
A.B. Aortenbogen. A. Anastomose zwischen
A.B.l und 2. A.o.a. A. opercularis afferens. A.o.e.
A. opercularis efferens. A.c.br.l A. efferens bran-
chiali 1. O.B. operculare Nebenbahn von A.B.2
Pr.br. Gefäßnetz der Pseudobranchie. O.K. Gefäß-
netz der Opercularkieme.
Gefäßbahn in die A. aff'erens der Pseudobranchie mündet, nachdem
die. das Blut aus dem Opercularfortsatze sammelnde Anastomose {A.)
zu Grunde gegangen ist. — So erhält dann bei der ausgebildeten
Form die Pseudobranchie ihr Blut teils aus der Opercularkieme, teils
aus der ventralen Verlängerung der A. efferens des 1. Branchial-
bogens zugeführt.
A. carotis interna. Als A. carotis interna können wir hier
1) Dasselbe wurde in der Figur der Uebersichtlichkeit halber weggelassen.
Die Entwickelung des Blutgefäßsystems.
91
Fortsetzimg
der dorsalen
die
1.
Brancliialbogens
die
A. effereus des
Dabei ist noch zu bemerken
beiden Carotiden, die etwa der
sprechen würde
der primitiven Aorten zur Aorta dorsalis erstreckt sich
Form bis zwischen die Mündungsstellen der A. efferentes
2. Brauchialbogen nach vorne.
Mündung
Aortenwurzel über
hinaus nach vorne bezeichnen
daß eine sekundäre Verbindung
Carotidenkreuzung der Selachier
nicht zur Entwickelung kommt.
der
der
ent-
Die Verschmelzung
bei
der
dieser
1. und
Amia calva. Bei Amia calva (Phelps Allis 1900) erfolgt die
Entwickelung der Aortenbogen, sowie der Nebenbahn des 2. Aorten-
bogens in dem 02iercularfortsatze und der Anastomose zwischen 1. und
2. Aortenbogen, in ganz ähnlicher Weise wie bei Lepidosteus. — Auch
schwindet der ventrale Abschnitt des 2. Aortenbogens, und das ventrale
vom Truncus arteriosus abgelöste Ende des 1. Aortenbogens tritt sekundär
in Verbindung mit dem ventralen Ende der A. efferens des 1. Brancliial-
bogens.
unerhebliche Differenzen, indem der dorsale Abschnitt
Aber bezüglich der weiteren Entwickelung
ergeben
sich nicht
des 2. Aorten-
bogens als A. efferens opercularis erhalten bleibt und sich an Stelle der
vorher bestehenden A. afferens der Spritzlochkieme eine neue , aus
der ihren Ursprung aus der Carotis interna nehmenden Carotis externa
entwickelt und indem ferner der als A. efferens der Pseudobranchie
fungierende dorsale Abschnitt des 1. Aortenbogens zwar seine, wenn auch
verengte, Mündimg in die Carotis interna beibehält, die Hauptmasse seines
Blutes aber durch einen mächtigen Arterienast an die Orbitalgebilde
entsendet.
Teleostier.
Anlage und Schicksal der Aortenbogen. Bei den Embry-
onen der Teleostier (Esox,
Trutta) entspringen aus dem
ursprünglich seiner ganzen
Länge nach unpaaren
Truncus arteriosus (Fig. 102)
jederseits 6 Aortenbogen,
von denen die beiden letz-
ten einen gemeinsamen Ur-
sprungsstamm besitzen und
so wie bei Lepidosteus auch
wieder mittelst kurzen ge-
meinsamen Endstammes in
die Aorta dorsalis münden
(DoHRN 1886/87, Maurer
1888), während die 4. Aor-
tenbogen ihr Blut bereits in
die dorsalen Aortenwurzeln
ergießen (Fig. 103). — Der
1. Aortenbogen zerfällt in
Anlage
der Anlage der Pseudo-
branchie, so wie der gleiche
Bogen der Selachier in der
Spritzlochkieme, in ein Ge-
Fig. 102. Kopf eines 11 ram langen Fo-
rellenembryo. Ventralansicht des Truncus
arteriosus und der Aortenbogen nach DoHRN.
A.B. Aortenbogen. B.o. Bulbus oculi.
92
HOCHSTETTER,
fäßnetz ^). — Der 2. Aortenbogen unterscheidet sich von dem der
Selachier imd Ganoiden vor allem dadurch, daß er nicht wie dort in
die dorsale Aortenwurzel mündet, sondern sich mit dem 1. Aorten-
bogen unmittelbar vor der Stelle vereinigt, wo derselbe in die Pseudo-
branchie eintritt (Fig 103).
Dieses Verhalten ist deshalb besonders bemerkenswert, weil bei
allen Wirbeltieren, bei welchen der 2. Aortenbogen ziu^ Entwickelung
kommt, derselbe in den Carotidenabschnitt der dorsalen Aortenwiu-zel
mündet. — Nimmt man jedoch an, daß bei den Embryonen der Vor-
fahi-en der Teleostier eine ähnliche Verbindung zwischen dem 1. und 2.
Aortenbogen bestand, wie wii- sie bei den Embryonen von Lepidosteus
und Amia kennen gelernt haben, so wiixl man entschieden zu der Auf-
fassung kommen müssen, daß bei Trutta und Esox der ursprünglich
jenseits der Anastomose vorhandene dorsale Abschnitt des 2. Aorten-
bogens gar
nicht mehr
angelegt wird.
Ps.Br.
A. afferentes und efferentes branchiales werden nur aus den
Aortenbogen der kiementragenden Branchialbogen gebildet. — Die
A. efferens br. 1 verlängert
sich ventralwärts und ver-
bindet sich mit dem 1. Aor-
tenbogen an seiner Ur-
sprungsstelle aus dem
Truncus arteriosus. — Hier-
auf verengert sich der letz-
tere zwischen der Aus-
mündung der 2. Aorten-
bogen und der A. afterens
branchialis 1, und es kommt
schließlich zu einer Ab-
lösung der ersten beiden
Aortenbogen vom Truncus
arteriosus, so daß nunmehr
diese Arterienbogen ihr
Blnt durch die ventrale Ver-
längerung der A. eiferen s
br. 1 zugeführt erhalten.
— Aber auch die ventralen
Enden der o hinteren A.
branchiales efferentes ver-
längern sich ventralwärts
und treten durch Anasto-
mosen untereinander in Ver-
bindung. — Aus der so ge-
bildeten Anastomosenkette
entspringt dann später die
A. coronaria cordis (Dohrn
1886/87).
A. carotides interna. Auch bei den Teleostiern bezeichnen
wir die Fortsetzungen der dorsalen Aortenwurzeln über die Mündungen
Fig. 103. Dorsale Hälfte eines horizontal
durchsclinittenen Kopfes eines Forellen embryo
von 11 mm Länge. Ansicht der Aortenbogen und
-wurzeln, sowie der Aorta dorsalis nach Dohrn.
Hy. Hypophyse. Ad. Aorta dorsalis. Uebrige Be-
zeichnungen wie bei Fig. 102.
1) Dohrn bezeichnet ihn deshalb wie bei den Selachiern als A. thyreo-
spiracularis.
Die Entwickelung des Blutgefäßsystems. 93
der 3. Aortenbogen hinaus als A. carotides internae (s. dorsales); sie
finden ihre Verlängerung in Zweigen, welche das Auge und das Ge-
hirn versorgen. — Ursprünglich unabhängig voneinander treten sie
später in der Höhe der Mündung der 1. Aortenbogen in der Hypo-
physengegend durch eine Queranastomose in Verbindung miteinander.
— Diese Anastomose wird dann in der Folge in der Weise gespalten,
daß die aus den dorsalen Abschnitten der 1. Aortenbogen gebildeten
A. efferentes der Pseudobranchien, welche die zu der Chorioideal-
drüse ziehenden A. ophthalmicae magnae abgeben, nunmehr durch
eine Queranastomose miteinander in Verbindung stehen, während ihre
Verbindung mit den Carotiden zu bestehen aufgehört hat. —
Dagegen bleiben wieder die Carotiden durch eine vor der Hypophyse
gelegene Anastomose dauernd miteinander in Verbindung (Dohrn
1886/87).
Amphibien.
Bei Rana esculenta und Triton werden, wie Maurer (1883 *j an-
giebt, nur 5 Aortenbogen angelegt, indem der 2. dem Hyoidbogen
angehörige Aortenbogen gar nicht mehr zur Anlage kommt. Nach
Marshall und Bles (A, 1890) dagegen soll bei Rana temporaria
auch im Hyoidbogen ein freilich rudimentärer Aortenbogen angelegt
werden.
Urodelen,
Bei den Urodelen beteiligen sich, wie Maurer für Triton be-
schreibt, nur die 3., 4, und 5. Aortenliogen an der Bildung des Kiemen-
gefäßnetzes, indem sie schlingenartige Ausbuchtungen in die Kiemen-
fortsätze entsenden. Dabei bildet sich von dem dorsalen Schenkel
jeder solchen Schlinge, entsprechend
ihrer Basis, ein Ast (Fig. lU4a), der
sich mit ihrem ventralen Schenkel ver-
bindet (Fig. 104 b).
Fig. 104. Schema der Entwickelung der
Kiemengefäßsctilinge und der Anastomose zwi-
schen A. afferens und efferens branchialis bei
Triton nach Maurer.
Bildung der Kiemengefäße bei Triton. Wenn sich dann
aus der Kiemengefäßschlinge das Kapillarnetz der Kieme entwickelt,
wird ihr ventraler Schenkel zur A. afferens, ihr dorsaler aber zur
A. efferens branchialis, beide aber bleiben durch die oben beschriebene
Anastomose miteinander in Verbindung.
Der kurze Truncus arteriosus ist bei den Urodelen wie bei den
Teleostieren seiner ganzen Länge nach unpaar. Zuerst entspringen
die 3 letzten Aortenbogen jederseits mittelst eines gemeinsamen Stammes
aus ihm. — Später behalten einen solchen nur die 5. und 6. Bogen
Schicksal der I.Aortenbogen und Bildung der so-
genannten A, carotis externa. Bald verlängert sich auch der
distalste Abschnitt des Truncus zu einem dünnen, gemeinsamen
Wurzelstamm für die ersten Aortenbogen beider Seiten. — Diese ver-
lieren dann ihren Zusammenhang mit der dorsalen Aortenwurzel und
treten durch einen neugebildeten Zweig mit der Anastomose zwischen
94
HOCHSTETTER,
A. atterens und efferens branchialis der 1. Kieme in Verbindung,
worauf ihr ventraler Abschnitt, sowie ihr gemeinsamer Wurzelstamm
schwindet (Fig. 105). und der von ihnen übrig bleibende Rest zu-
sammen mit dem neugebildeten Verbindungsaste zur sogenannten
A. carotis externa der fertigen Form sich ausbildet. — Aus dem letzten
Aortenbogen entsteht auf jeder Seite ein Arterienzweig für die Lunge
(A. pulmonalis).
Veränderungen w ä h r e n d der L a r v e n m e t a m o r p h o s e
und Ausbildung der definitiven Verhältnisse. Auf diese
Weise stellen sich die Verhältnisse her, wie sie Boas (1882) für die
Larve von Salamandra maculata beschreibt (Fig. 105). Zu erwähnen
ist mir noch, daß die Fortsetzung der dorsalen Aortenwurzel über
die Mündung des 3. Aortenbogens hinaus als A. carotis interna zu
bezeichnen ist (Fig. 105 C, i).
Kommt es nun während der Metamorphose zum Schwunde der
Kiemen, so weiten sich die Anastomosen zwischen A. afferentes und
efferentes branchiales aus, während die Kiemengefäße zu Grunde gehen,
As brl-
A.e.bn:
A.ä.b.r.2
Ae.b.rz^
A.a.b.r3^
Aebr3^
106.
Fig. 105. Fig.
Fig. 105. Aortenbogen der Larve von Salamandra maculata. Schema etwas
abgeändert nach Boas. A.B. Aortenbogen. A.a.hr. A. afferens branchiaUs. A.e.hr. A.
efferens branchialis. A.p. A. pulmonalis. A.s. A. subclavia. C'.e. Carotis externa.
Cd. Carotis mterna. Tr.a. Truncus arteriosus.
Fig. 106. Aortenbogen mit den aus ihnen entspringenden Arterien der aus-
gebildeten Salamandra maculata. Buchstabenbez. wie bei Fig. 105.
es bilden sich so die definitiven Aortenbogen
der fertigen Form
Mündung des
Aortenbogen
und
aus, die bei Salamandra in der Vierzahl vorhanden sind (Fig. 106).
— Von diesen vieren verliert jedoch der 1. seine Abflußbahn in die
Aortenwurzel, indem das kurze Stück der letzteren zwischen der
3. und dem gemeinsamen Mündungsgefäße der 3 letzten
obliteriert. So kommt es, daß jetzt der 1. von den
erhalten gebliebenen Aortenbogen {^A. B. 6) sowohl der Carotis externa
als auch der Carotis interna das Blut zuführt, weshalb man ihn ge-
wöhnlich als Carotidenbogen bezeichnet. — Der 4. Aortenbogen erfährt
die stärkste Ausweitung, während der 5. bei Salamandra stets schwach
bleibt und bei vielen ürodelen (Triton u. a.) vollkommen schwindet.
Der 6. Aortenbogen erweitert sich nur bis zur Abgangsstelle der
den mau als
sehr
wegsam bleibt, doch
A. pulmonalis und wird in seinem dorsalen Abschnitte,
Ductus Botalli bezeichnet, wenn er auch
schwach.
Septenbildung im Truncus arteriosus. Der ursprüng-
lich einheitliche Hohlraum des Truncus arteriosus zerfällt, indem von
Die Entwickelung des Blutgefäßsystems.
95
der Umrandung der Aortenbogenmündungen und von seinem cranialen
Ende aus Septen in ihn hineinwachsen, in einzehie in die Aortenbogen
hineinleitende Kanäle (Fig. 106), und nur sein proximalster Abschnitt
bleibt ungeteilt (Greil) ^).
Anuren.
Bei Rana esculenta ist, wie dies aus der Beschreibung Maurer's
(1888*) hervorgeht, der Truncus arteriosus in seinem vordersten Ab-
schnitte paarig, und es entspringen aus diesem paarigen Abschnitte
die 3. und 1. Aortenbogen. Die letzteren sind viel schwächer ange-
legt als bei den Urodelen und verlieren frühzeitig ihren Zusammen-
hang mit dem Truncus arteriosus, indem ihre Ursprünge auf die aus
den 3. Aortenbogen entstehenden A. etferentes der 1. Kiemen über-
rücken. — Später sollen sich dann aus diesen 1. Bogen die Carotides
externae entwickeln '^).
Bildung der Kiem engefäße. Die Bildung der Kiemen-
gefäße erfolgt hier etwas anders als bei den Urodelen. — Neben den
3. — 6. Aortenbogen entstehen nämlich (Maurer 1888*), von ihren
ventralen Schenkeln ausgehend und in ihre dorsalen einmündend,
Fig.a,b,c 107. Schema
der Entwickelung der
Kiemengefäße bei Rana
esculenta (etwas modi-
fiziert) nach Maurer.
A.B. Aortenbogen.
JV.B. Nebenbahn. Ae.K.
Gefäße der äußeren
Kieme. J.Ä'. Gefäße der
inneren Kieme. Ä.a.br.
A. afferens branchialis.
A.e.br. A. efferens bran-
chialis.
b.
A e.bn
^e.M:
A.a.br.
d.h.
Nebenbahnen (Fig. Iü7a), welche im Gebiete der 3 ersten Branchial-
bogen schlingenförmig in die Anlagen der äußeren Kiemen hinein-
ragen. — Indem sich zwischen den beiden Schenkeln dieser Schlingen
neue Gefäßschlingen entwickeln (Fig. 107b), entsteht das Gefäßnetz
der äußeren Kiemen. Hierauf obliteriert der primäre Aortenbogen
über der Stelle, wo von seinem ventralen Abschnitte die A. afferens der
äußeren Kieme abgeht. — Wenn nun die inneren Kiemen entstehen,
verbindet sich der ventrale Abschnitt der A. afferens der äußeren
Kieme durch neue Gefäßschlingen mit der Strecke des primären Aorten-
bogens, die zwischen A. afferens und A. efferens der äußeren Kieme
gelegen ist, und indem sich so das Gefäßnetz der inneren Kiemen
entwickelt hat, bildet sich das der äußeren Kiemen zurück (Fig. 107 c).
— Am 4. Branchialbogen entsteht nur eine innere Kieme, deren Ge-
fäßnetz sich aus dem 6. Aortenbogen und seiner Nebenbahn bildet.
1) Boas läßt den durch Septen geteilten Abschnitt des Truncus sekundär
durch Verschmelzung der Anfangsabschnitte der Aortenbogen entstehen, eine Meinung,
der ich mich mit Geeil nicht anzuschließen vermag.
2) Nach jVIarshall und Bles soll bei Rana temporaria der 1. Aorten-
bogen nie mit dem Tr. arteriosus in Verbindung treten und als ein Ast der Carotis
interna erhalten bleiben , während die A. carotis externa (A. lingualis) sich als
selbständiger Zweig aus der A. efferens des 1. Branchialbogens bilden würde.
96 HOCHSTETTER,
A. pulmonalis und A. cutanea magna. Aus der A. efferens
dieser Kieme sproßt dann nahe ihrer Mündung in die dorsale Aorten-
wurzel' die A. pulmonalis und die A. cutanea magna hervor. — Der
Ursprung der A. afferentes br. 8 und 4 aus dem Tr. arteriosus er-
folgt mittelst gemeinsamen Stammes, ebenso wie die A. efferentes der
beiden letzten Kiemen sich vor ihrer Mündung in die dorsale Aorten-
wurzel zu einem gemeinsamen Stamme vereinigen.
A. carotis interna und A. b a s i 1 a r i s. Die Fortsetzungen der
dorsalen Aortenwurzeln über die Mündungen der A. etferentes branchiales
hinaus bilden die Carotides internae, die, indem sie dorsalwärts um-
biegen, sich vor und hinter der Hypophyse durch quere Anastomosen
verbinden (Marshall und Bles A. 1890), um sich, nachdem sie die
Konkavität der Mittelhirnkrümraung passiert haben, weiter in zwei an
der ventralen Fläche des Rautenhirns caudalwärts verlaufende Gefäße
fortzusetzen, die später, wie schon Goette (A. L. III, 7) für Bombinator
angiebt, zur A. basilaris verschmelzen. — Sie hängen an der caudalen
Grenze des Schädels mit der ersten segmentalen Arterie zusammen ^).
Ausbildung der bleibenden Aortenbogen. Zu Beginn
der Metamorphose (Maurer 1888 f, Boas 1882) verbindet sich das
ventrale Ende der A. efferens jeder Kieme mit ihrer A. aff'erens -),
und wenn dann die Kiemen atrophieren, wird aus der A. eff"erens und
dem Anfangsabschnitte der A. afferens der bleibende Aortenbogen. —
Wie bei den Urodelen obliteriert dann das zwischen den Mündungen
des 3. und 4, Aortenbogens gelegene Stück der dorsalen Aortenwurzel.
— Außerdem verschwindet aber auch der 5. Aortenbogen beider
Seiten, und es obliteriert die dorsalste Strecke des 6. Aortenbogens
(Ductus Botalli) zwischen Abgangsstelle der A. cutanea magna und
dorsaler Aortenwurzel.
Sekundäre Spaltung der Aorta dorsalis. Endlich er-
fahren die dorsalen Aortenwurzeln eine sekundäre Verlängerung da-
durch, daß von ihrem Vereinigungswinkel aus, der ursprünglich wie
bei den Urodelen sehr weit cranial gelegen ist, die Aorta dorsalis
eine Strecke weit der Länge nach gespalten wird, ein Vorgang, den
bereits Goette (A. L. III, 7) erkannt hatte und der zur Folge hat,
daß die A. subclaviae, die ursprünglich wie bei den Urodelen aus der
Rückenaorta entspringen , später ihren Ursprung aus den Aorten-
wurzeln nehmen.
S e p t u m a 0 r t i c 0 - p u 1 m 0 n a 1 e und S e p t u m a o r t i c u m
des Truncus arteriosus. Auch im Truncus arteriosus kommt es
wie bei den Urodelen zur Ausbildung von Scheidewänden, doch macht
dieselbe hier weitere Fortschritte, so daß bei der ausgebildeten Form
ein ungeteilter Truncusabschnitt nicht mehr besteht. — Eine von dem
Rande der Mündung der Pulmonalisbogen (6. A.-B.) aus sich ent-
wickelnde Scheidewand (Septum aortico-pulmonale) scheidet den Truncus
in eine Pulmonalis- und eine Aortenabteilung und verbindet sich mit
den drei distalen Klappen des Bulbus cordis, die so zu den Aorten-
und Pulmonalisklappen werden (Langer 1894), während ein weniger
weit vorwachsendes Septum, welches sich von dem Sporn zwischen
den Mündungen der 3. und 4. linken Aortenbogen aus bildet und eine
annähernd sagittale Stellung erhält (Septum aorticum), den gemein-
1) Nach Goette würden sie sogar aus dieser entstehen.
2) Nach Marsiiall und Bles ist diese Verbindung schon viel früher vorhanden.
Die Entwickelung des Blutgefäßsystems,
97
schaftlichen Aortenraiim des
denen der eine in den linken
übrigen
m
Aortenbogen
führt.
Truncus
4
in zwei Kanäle scheidet, von
der andere aber in alle
Aortenbogen,
Die Aortenl)Ogeii und die Arterien des Kopfes der Amnioten.
Allgemeines über die Aortenbogen. Rathke, dem wir
die ersten genaueren Angaben über die Aortenbogen und die Um-
wandlungen, welche dieselben bei den Embryonen der Amnioten er-
fahren, verdanken, beschrieb das Vorkommen von 5 Aortenbogen auf
jeder Seite. Van Bemmelen (1885, 1886, 1893) hat jedoch später nach-
gewiesen, daß bei den Embryonen der Sauropsiden zwischen dem 4.
und 5. Aortenbogen Rathke's noch ein (3. Aortenbogen angelegt wird
und Zimmermann (1889, 1890) hat diesen 6. Aortenbogen noch später
auch bei den Embryonen des Menschen und einiger Säugetiere auf-
gefunden. — So können wir also heute sagen, daß bei den Embryonen
sämtlicher Amnioten (Fig. 108) nacheinander jederseits 6 Aortenbogen
gebildet werden. — Von diesen ist allerdings der erste, im Mandibular-
bogen verlaufende, in der Regel bereits wieder verschwunden, wenn
der 6. in Bildung begriffen ist und auch der
2. und 5. ^) verfallen bei allen Amnioten früh-
zeitig der Rückbildung, so
daß dann auf jeder Seite
nur noch 3 Aortenbogen
erhalten sind. — Der 1.
von diesen 3, die sich bei
den verschiedenen For-
C.I. C.l.
Ce.C.e\
men kürzere oder längere
BA
B.S.
B.6.
Fig. 108.
Fig. 108.
Fig. 109.
Die Aortenbogen in ihrer Beziehung
Aorten-
Aorten -
externa.
A.s. A.
Zeit unverändert erhal-
ten, entspricht dem Caro-
tidenbogen der Amphi-
bien und wird auch bei
den Amnioten so ge-
nannt, der letzte aber, aus
dem so wie bei den Am-
phibien, schon frühzeitig
ein Arterienast für die
Lunge seiner Seite her-
vorgesproßt ist , wird
als Pulmonalisbogen be-
zeichnet.
A. carotides internae und externa e. Die dorsalen
Aortenwurzeln, die von der Mündung der Carotidenbogen an, Avie bei
den Amphibien, als A. carotides internae bezeichnet werden, setzen
sich schon frühzeitig vorderhirnwärts fort und finden ihre Verlängerung
in 2 Gefäßen, die, in der Konkavität der Mittelhirnkrümmung umbiegend,
an der ventralen Fläche des Rautenhirns caudalwärts verlaufen, um
mit den ersten segmentalen Arterien in Verbindung zu treten, während
zum Truncus arteriosus und den dorsalen
wurzeln bei den Sauropsiden (Schema). A.B
bogen. A.p. A. pulmonalis. C.c. Carotis
Cd. Carotis interna. Tr.a. Truncus arter.
subclavia.
Fig. 109. Die Aortenbogen der Säuger (Schema)
Buchstabenbezeichnung wie bei Fig. 108.
1) Bei den Säugern (Zimmermann, 1889, 1890) zeigt der 5, Aortenbogen
insofern etwas andere Verhältnisse wie bei den Sauropsiden, als er hier (Fig.
nut dem 4. Aortenbogen gemeinschaftlich aus dem Tr. arteriosus entspringt
auch wieder gemeinschaftlich mit ihm in die dorsale Aortenwurzel mündet
Handbuch der Eutwickelungslehre. III. 2. 7
nur
109)
und
98
HOCHSTETTER,
die paarige Fortsetzung des Tr. arteriosus über den 3. Aortenbogen
hinaus die Anlage der A. carotides externae (s. ventrales) bildet.
Reptilien.
Saurii.
Bei den meisten Sauriern erhält sich der geschilderte Zustand
der Aortenbogen nahezu unverändert während des ganzen Lebens
(Fig. 110), nur kommt es. sowie überhaupt bei allen Reptilien und
den Vögeln, gewöhnlich kurz nach der Geburt zu einer Obliteration der
als Ductus Botalli zu bezeichnenden Strecken der Pulmonalisbogen
zwischen Ursprung der Pulmonalarterie und dorsaler Aortenwurzel.
Veränderungen am Truneus arteriosus. Besonders be-
merkenswert sind dagegen die Veränderungen, die sich am Truneus
arteriosus und zwar bei sämtlichen Reptilien in
gleicher Weise abspielen und die zur Teilung des
ursprünglich einheitlichen Truncusrohres in die 3
im Truneus der ausgebildeten Form vereinigten,
durch Septen von ein-
ander getrennten Arte-
rienrohre führen. Sie
wurden bereits früher
(p. 33 und 34) geschildert.
^He. Cr
Fig.
P.B.
111.
Fig. 110. Aortenbogen
eines nahezu reifen Embryo
von Lacerta
igilis.
Pulmonalisbogen, übrige Bezeichnungen wie
(Schema). C.B. Carotidenbogen.
bei Fig. 108.
Fig. 111. Spaltung des Aortenstammes in die beiden Aortenwurzeln bei
Uacerta. (Schema.) a. Querschnitt des ungeteilten Aortenstammes. S.E. Spal-
tungsebene, b. Querschnitt durch die infolge der Spaltung verlängerten Aortenwurzeln.
wenn auch in ver-
dadurch erfahren,
der beiden Aorten-
einzelnen Formen
Sekundäre Spaltung der Aorta dorsalis. Andere Ver-
änderungen betreffen die dorsalen Aortenwurzeln, indem dieselben,
auch wieder bei allen Reptilien in gleicher Weise,
schiedenem Grade, eine sekundäre Verlängerung
daß die Aorta dorsalis von der Zusammenflußstelle
wurzeln aus, wie bei den Anuren, auf eine bei den
verschieden lange Strecke weit gespalten wird. — Diese Spaltung er-
folgt jedoch nicht symmetrisch wie bei den Anuren, sondern so, daß
sich die Spaltungsebene während der Spaltung nach links hin dreht,
was zur Folge hat, daß die im Spaltungsgebiete abgehenden, dorsalen
segmentaleu Arterienzweige (Fig. 111) der rechten, die ventralen
Zweige aber der linken Aortenwurzel zugeteilt werden. — So kommt
es auch, daß die A. subclaviae, die l)ei jungen Embryonen von Lacerta
symmetrisch aus dem Aortenstamme entspringen (Fig. 108), später
beide aus der rechten Aortenwurzel hervorgehen (Fig. 109) (Hoch-
STETTER, 1890).
Aortenbogen und Aorten würz ein von Chamaeleo.
Weitere Veränderungen im Gebiete der Aortenbogen und der dorsalen
Aortenwurzeln bilden sich bei einigen Sauriern (Chamaeleoniden,
Varaniden), sowie bei den Schlangen, Schildkröten und Krokodilen aus. —
Vor allem kommt es bei allen diesen Formen zur Obliteration der dor-
Die Entwickelung des Blutgefäßsystems.
99
salen Aortenwurzeln zwischen 3. und 4. Aortenbogen (Rathke, 1857),
— Dadurch wird der Carotidenbogeu, wie bei den Amphibien zum An-
fangsstücke der A. carotis interna und da jetzt der paarige Truncus-
abschnitt zwischen 3. und 4. Aortenbogen ausschheßlich den beiden
Carotiden seiner Seite Blut zuführt, nennen wir ihn A. carotis communis.
— In diesem Zustande persistieren die Verhältnisse beim Chamaeleon.
Aortenbogen der V a r a n i d e n. Bei den Varaniden kommt
€S aber außerdem noch, vielleicht mitbedingt durch das Längen-
wachstum des Halses, im Zusammenhange mit der caudalwärts Ver-
zu einer allmäMichen Entfernung der 4. und 5.
lagerung
des
Herzens
Aortenbogen von den
nicht nur die beiden
(Fig. 112), sondern daß sich auch
ihr bei anderen Sauriern ganz
kurz bleibender, gemeinsamer
Wurzelstamm (vergl. Fig. 110)
beträchtlich verlängert und so zur
Carotis primaria Rathke's (1857)
wird.
einer allmäMichen Entfernung
Carotidenbogeu, was zur Folge hat, daß sich
Carotides communes beträchtlich
verlängern
Fig. 112.
sich bei den
Aortenbogen
■wickeln. C.c.
Carotis primaria,
wie bei Fig. lOS
Schema der Arterien, die
Varaniden aus den
und Aortenwurzeln ent-
Carotis communis. C.p.
übrige Bezeichnungen
-110.
Fig.
bei
113. Schema der Arterien, die
sich bei der Ringelnatter aus den
Aortenbogen und Aorten wurzeln ent-
wickeln. A.b. A. basilaris, übrige Be-
zeichnungen wie bei Fig. llO und 112.
Fig. 113.
Ophidii.
Aehnliche Veränderungen wie bei den Varaniden vollziehen sich
in der Regel auch bei den Schlangen V) und kann der so geschaffene
Zustand entweder zeitlebens persistieren, oder aber es kommt zu einer
Verengerung oder gar zu einer fast vollständigen Rückbildung der
A. carotis communis dextra wie bei Tropidonotus (Rathke A. L. III,
8). — Diese Rückbildung wird dadurch ermöglicht, daß ein mit dem
1. Spinalnerven in den Wirbelkanal eintretender Zweig der A. carotis
interna jederseits mit der inzwischen gebildeten A. basilaris in Ver-
bindung tritt und auf diese Weise eine Anastomose zwischen den
beiden A. carotides internae hergestellt wird, die sich rasch erweitert
und (Fig. 113) das Blut der linken Carotis interna in die rechte Ca-
rotis interna und externa hinüberleitet, während die rechte Carotis
communis immer schwächer wird und schließlich, bis auf einen kleinen
proximalen, die Schilddrüse und Thymus mit Zweigen versehenden
Rest, verschwindet (Rathke A. L. III, 8). — Zu erwähnen ist ferner,
daß es bei denjenigen Schlangen, die im ausgebildeten Zustande nur eine
rechte Lunge besitzen, wahrscheinlich, wie dies Rathke für Tropi-
donotus angegeben hat, nie zur Ausbildung einer A. pulmonalis
1) Nur bleibt bei den meisten Schlangen die Carotis primaria in der Regel
ziemlich kurz, ja bei manchen, wie bei Boa constrictor u. a., fehlt sie vollständig,
und die beiden A. carotides communes entspringen nebeneinander aus dem rechten
Aortenbogen.
7*
100
HOCHSTETTER,
sinistra kommt, weshalb bei ihnen vor der Geburt der linke 6, Aorten-
bogen seiner ganzen Länge nach als Ductus Botalli funktioniert.
Chelonia Crokodilia.
Bei den Cheloniern und Crocodiliern wandern alle 3 Aorten-
bogenpaare zusammen mit dem Herzen caudalwärts, wodurch die A.
carotides externae und internae eine beträchtliche Verlängerung er-
fahren. — Wahrscheinlich kommt es dann zwischen diesen Gefäßen in
der Zungenbeingegend jederseits zur Bildung einer Anastomose, so
daß aus der Carotis interna dem Endgebiete der Carotis externa Blut
zuströmen kann. — Während nun aber bei den Krokodilen die
Carotis externa als ein verhältnismäßig weites Gefäß (A. collateralis
colli) [van Bemmelen, 1887; Mackay, 1889] persistiert (Fig. 114), wird
sie bei den Cheloniern zu einem überaus schwachen Artei'ienstamme
(A. cervicalis communis) [J. J. Mackay, 1889].
Während sich bei den Cheloniern an den Aortenbogen nichts mehr
weiter ändert, kommt es bei den Krokodilen weiterhin noch zur Rück-
bildung des Carotidenbogens. — Dieselbe wird dadurch eingeleitet,
daß sich die A. carotides internae beider
Seiten an der ventralen Fläche der
Halswirbelsäule aneinanderlegen und
miteinander verschmelzen (Fig. 114). Nun
erweitert sich das aus dem linken Caro-
tidenbogen entstandene Anfangsstück der
A. carotis interna sin., während gleich-
zeitig der gleiche Abschnitt der rechten
Carotis interna immer schwächer wird
und schließlich vollkommen schwindet
(Rathke, 1858).
Fig. 114. Schema der Arterien, welche sich
bei Krokodilen aus den Aortenbogen und
Aortenwurzeln entwickeln. Buchstubenbezeich-
nung wie bei Fig. 110 u. 112.
Ein wichtiger Unterschied zwischen den Arterienverhältnissen der
Saurier einer und denen der Chelonier und Krokodile andererseits
kommt nun noch dadurch zum Ausdrucke, daß A. subclaviae, wie sie
bei den Sauriern zur Entwickelung kommen, bei den Cheloniern und
Krokodilen zwar wahrscheinlich angelegt, später aber durch Arterien
ersetzt werden, die (so wie bei den Vögeln) von dem ventralen Ab-
schnitte der o. Aortenbogen oder den Anfangsteilen der Carotides
externae (Fig. 114) aus sich entwickeln und schließlich die vorderen
Extremitäten allein mit Blut
versorgen
(J. J. Mackay, 1889).
Vögel.
Umgestaltung der Aortenbogen. Die Umgestaltungen,
welche der uns hier interessierende AbscTmitt des Aortensystems bei
den Vögeln erleidet, erinnern in vieler Beziehung an die für Chelonier
und Krokodilier beschriebenen Verhältnisse. — Auch bei den Vögeln
verbleiben die Carotideubogen stets in der Nachbarschaft der 4. Aorten-
bogen und die Carotides internae setzen sich mit den Carotides externae
in der Zungenbeingegend in Verbindung, worauf die Stämme der letzteren
wie bei den Cheloniern bis auf unscheinbare Reste zurückgebildet werden.
Die Entwickelung des Blutgefäßsystems.
101
B i 1 d u n g d e s C a r 0 t i s s u b V e r t e b r a 1 i s. Ferner legen sich bei
den Vögehi die beiden Carotides internae eine Strecke weit an der Ven-
tralseite der Halswirbelsäule aneinander und verbleiben in diesem
Zustande entweder zeitlebens (Mehrzahl der Vögel) (Fig. 115) oder
sie verschmelzen im Bereiche dieser Strecke wie bei den Krokodilen
miteinander (Rathke, 1858) und bilden so eine zweiwurzelige, unpaare
Carotis subvertebralis (Botaurus stellaris, Ardea minuta u. a.), oder
aber es schwindet auch noch die eine, aus dem Carotidenbogen und
dem Anfangsabschnitte der Carotis Interna hervorgegangene Wurzel
dieser Carotis subvertebralis, wie dieses bei den Krokodilen regel-
mäßig der Fall ist. — Und zwar kann dieser Schwund entweder die
linke (Apteryx. Podiceps u. a.) oder die rechte Wurzel (Eupodotis)
dieses Gefäßstammes betreifen.
Bildung der A. subclaviae secundariae. Ferner kommt
es auch bei den Vögeln wie bei Cheloniern und Krokodiliern zur
Bildung einer A. subclavia (secundaria), die
aus dem ventralen Abschnitte des Carotiden-
bogens hervorwächst (Hochstetter 1890)^)
und an der Extremitätenwurzel sich mit der
schon früher bestehenden A. subalavia (pri-
maria), die so wie bei den Embryonen der
meisten Wirbeltiere aus einer aus der Aorta
dorsalis entspringenden segmentalen Leibes-
wandarterie entständen ist, verbindet (Hoch-
stetter), worauf die letztere zu Grunde geht,
während die A. subclavia secundaria allein be-
stehen bleibt.
Fig. 115. Schema der Arterien, welche bei den
Vögeln ans den Aortenbogen und den Aortenwurzeln
entstehen. Buchstabenbezeichnung wie bei den vor-
hergehenden Figuren.
e.i Ci
des 4. linken Aortenbogens. Einen wesentlichen
in der Ausbildung ihres Aortensystemes diesen Reptilien
zeigen jedoch die Vögel dadurch, daß bei ihnen sowohl
das an ihn anschließende Stück
Mündung des linken Pulmonalis-
und infolge dieses Ausfalles der
Ausfall
Fortschritt
gegenüber ^^.^^.. j^..^^.. ...^ , ^^
der linke 4. Aortenbogen, als auch
der dorsalen Aortenwurzel, bis zur
bogens, vollständig zu Grunde geht
Truncus arteriosus nur in 2 Arterienrohre (vergi. p. 31) und 40) zerfällt,
die sich vollständig von einander trennen und nur, da sie intrapericardial
gelegen sind, durch einen gemeinschaftlichen Pericardialüberzug zu-
sammengehalten werden. Dieser Ausfall des 4. Aortenbogens hat
aber auch zur Folge, daß die linke dorsale Aortenwurzel soweit sie
erhalten bleibt, die Fortsetzung- des linken Ductus arter. Botalli bildet.
welcher dadurch also eine sekundäre
Verlängerung erfährt
(Fig.
115).
ung
U m b i 1 d
bryonen der Säuger
den Vögeln,
infolge
Säuger.
der Aortenbogen. Auch bei den Em-
zerfällt der Tr. arteriosus. ganz ähnlich wie bei
der Entwickelung nur eines Truncusseptums
1) J. J. Mackay (1889), der die Entwickelung dieser Arterien zuerst beschrieben
hat, läßt sie aus den Wurzeln der A. carotides externae hervorwachsen.
102 HOCHSTETTER,
(vergl. p. 49 und 54) in zwei vollkommen von einander getrennte
und nur durch einen gemeinsamen Pericardialüberzug zusammen-
gehaltene Arterienrohre (Aorta und Pulmonalis). — Doch ist diese
Uebereiustimmung insofern keine ganz vollkommene, als die Aus-
bildung nur eines Truncusseptums bei den Vögeln mit dem Ausfalle
des linken 4, Aortenbogens zusammenzuhängen scheint^), während bei
den Säugern ein solcher Ausfall nicht erfolgt, da bei ihnen beide
4. Aortenbogen erhalten bleiben, — Dagegen stimmen die Säuger mit
den Vögeln darin vollkommen übereiu, daß auch bei ihnen die dor-
salen Aortenwurzeln zwischen den Carotidenbogen und den 4. Aorten-
bogen frühzeitig schwinden. — Dadurch werden
die Carotidenbogen zu den Anfangsabschuitten
der A. carotides internae, während die paarigen
Abschnitte des Tr. arteriosus zwischen Caro-
tidenbogen und 4 Aortenbogen, wie bei den
Schlangen, nunmehr als Carotides communes
funktionieren (Fig. 116)").
Fig. 116. Schema der Arterien, welche sich bei den
Säugetieren aus den Aortenbogen und den Aorten-
wurzeln entwickeln. D.B. Ductus Botalli, übrige Bezeich-
nungen wie bei den früheren Figuren.
Sekundäre Verlängerung der dorsalen A o r t e n w u r -
zeln. Was jedoch alle übrigen die Aortenbogen und Wurzeln be-
treffenden, sekundären Veränderungen anbetrifft, weichen die Säuger
von den Vögeln vollkommen ab. — Schon die sekundäre Spaltung,
welche auch hier der Aortenstamm von dem Zusammenflußwinkel der
Aortenwurzeln aus erleidet, erfolgt nicht mehr in der für die Sau-
ropsiden charakteristischen, asymmetrischen Weise, sondern symmetrisch,
wie bei den Anuren, was so wie dort zur Folge hat, daß nach-
dem die Spaltung vollzogen ist, die A. subclaviae, die früher aus der
Aorta dorsalis entsprangen, ihren Ursprung symmetrisch aus den
beiden sekundär verlängerten, dorsalen Aortenwurzeln nehmen (Hoch-
STETTER, 1890) (vergl. Fig. 109 und Fig. 116), — Bald kommt es
dann zu einem vollkommenen Schwund des rechten Pulmonalisbogen-
abschnittes zwischen A. pulmonalis dextra und rechter dorsaler
Aortenwurzel und schließlich obliteriert auch noch die letztere in
ihrem zwischen der Abgangsstelle der A. subclavia dextra und der
Aorta dorsalis befindlichen Abschnitte (Fig. 116). Damit sind dann
die Verhältnisse hergestellt, wie sie etwa beim Menschen, wenn wir
von den durch Wachstumsverschiebungen sich ergebenden Verände-
rungen ^) absehen, bis zur Zeit der Geburt persistieren.
Her stell ungder definitivenVerhältnisse desAorten-
bogens und seiner Aeste beim Menschen. Aus dem Aorten-
1) Bei den Vögeln kommt es nämlich nach Greil thatsächlich auch zur An-
lage eines dem Septum aorticum der Reptilien entsprechenden Septums, dessen wei-
tere Ausbildung jedoch mit dem Ausfalle des linken 4. Aortenbogens unterbleibt.
2) Bei den Vögeln, bei denen die A. subclaviae (secundariae) aus den Carotiden-
bogen hervorwachsen, entwickeln sich aus den gleichen Abschnitten des paarigen
Truncus die A. anonymae brachiocephalicae der ausgebildeten Form.
3) Zu diesen wären vor allem zu rechnen die Verschiebung der Ausmündung^
der A. subclavia sinistra an der Einmündungsstelle des Ductus arteriosus vorbei in
cranialer Richtung und die Verkürzung, welche der zum Anfangsabschnitt der
A. subclavia dextra gewordene rechte 4. Aortenbogen erleidet.
Die Entwickelung des Blutgefäßsystems. 103
röhre des Tr. arteriosus und seiner linken Fortsetzung bis zur Ab-
gangsstelle der A. carotis communis sinistra, sowie ferner aus dem
linken 4. Aortenbogen und dem Reste der linken dorsalen Aorten-
wurzel ist der Aortenbogen, aus der rechten Fortsetzung des Tr. ar-
teriosus bis zur Abgangsstelle der A. carotis communis ist der Truncus
anonymus brachiocephalicus und aus dem rechten 4. Aortenbogen und
einem kleinen, erhaltenen Stück der rechten dorsalen Aortenwurzel ist
das Anfangsstück der A. subclavia dextra entstanden (Fig. 116). Der
linke Pulmonalisbogeu endlich läßt außer einem ganz kurzen Anfangs-
stück der A. pulmonalis sinistra, den dieses Gefäß mit dem Aorten-
bogen verbindenden, nach der Geburt zum Ligamentum Botalli oblite-
rierenden Ductus Bostalli hervorgehen , während sich vom rechten
Pulmonalisbogeu nur ein ganz kleines Stück als Anfangsabschnitt der
A. pulmonalis dextra erhält.
Rathke (1843) war noch der Meinung, daß bei den Säugern ganz all-
gemein beide A. pulmonales mittelst gemeinsamen Ursprungsstammes aus
dem linken Pulmonalisbogen entspringen. — Doch hat His (A. L. Hill,
1885) später gezeigt, daß sich, bei menschlichen Embryonen die beiden A
pulmonales zu den Pulmonalisbogen ganz ähnlich verhalten, wie bei den
Sauriern und den Embryonen der Vögel, und ich konnte mich überzeugen,
daß die Dinge bei einer Heike anderer Säuger ähnlich liegen wie beim
Menschen. — Neuerdings hat jedoch Bremer (1902) gefunden, daß bei
Schweineembryonen die Verhältnisse der A. pulmonales zwar ursprünglich
auch so liegen wie beim Menschen und anderen Säugern, daß aber später
die beiden A. pulmonales bei dieser Form ventral von der Trachea auf eine
Strecke weit miteinander verschmelzen und hierauf die erste A. pulmonalis
vom Pulmonalisbogen an bis zu dieser Verschmelzungsstelle hin obliteriert,
so daß in späteren Entwickelungsstadien beim Schwein, wie dies Rathke
(1843) bereits beschrieben hatte, thatsächlich beide A. pulmonales mittelst
gemeinsamen Ursprungsstammmes aus dem linken Pulmonalisbogen ent-
springen.
Durch Wachstumsverschiebungen bedingte Sekun-
da r e V e r ä n d e r u n g e n d e r A e s t e d e s A o r t e n b o g e n s einiger
Säuger. Bei vielen Säugern kommt es dann aber, nachdem sich
menschenähnliche Verhältnisse des Aortenbogens und seiner Aeste
hergestellt haben, durch, namentlich mit der caudalwärts Wanderung
des Herzens zusammenhängende, sekundäre Wachstumsverschiebungen
noch zu weiteren Veränderungen, die darin bestehen, daß die Mündung
der Carotis communis sinistra und des Tr. anonymus einander näher
rücken und schließlich einen kürzeren oder längeren gemeinsamen
Ursprungsstamm erhalten (Carnivoren). Beim Schwein (Rathke, 1843)
verschiebt sich dann noch der Ursprung der A. carotis communis
sinistra an diesem Stamme weiter cranialwärts, bis er mit dem Ur-
sprünge der A. carotis communis dextra zusammenstößt, worauf dann
diese i3eiden Gefäße wieder zusammen einen gemeinsamen Ursprungs-
stamm ausbilden. Bei den Wiederkäuern (Rathke, 1843) und wohl
auch beim Pferde stellen sich zuerst Verhältnisse her. die denen der
Carnivoren entsprechen, dann schliesst sich aber auch noch der Ursprung
der A. subclavia sinistra an die Wurzel des Tr. anonymus an und es
gehen schließlich alle drei großen Arterienstämme, die beim Menschen
selbständig von einander aus dem Aortenbogen entspringen, von einem
gemeinsamen Stamme, der sogenannten Aorta anterior ab.
Entwickelung des C a r o t i d e n s y s t e m s der Säuger. Auch
was die Ausgestaltung ihres Carotidensystems anbelangt, unterscheiden
104 HOCHSTETTER,
sich die Säuger von den Vögeln und den höher entwickelten Reptilien
(Chelonier und Krokodilier) sehr erheblich. — Das Verbreitungsgebiet
der inneren sowohl, wie der äußeren Carotiden ist dabei ursprünglich
bei den Säugern ein ganz ähnliches wie bei den Vögeln. Die A. caro-
tides internae haben auch bei ihnen zuerst fast den ganzen Kopf mit
Blut zu versorgen. Sie setzen sich so wie bei den Embryonen wohl
aller Wirbeltiere, in der Mittelhirnbeuge caudalwärts umbiegend in
zwei an der Ventralseite des Rautenhirnes caudalwärts verlaufende
Arterien fort, die später zur A. basilaris miteinander verschmelzen
(His, A. L. III 11. 1885).
Dagegen sind die A. carotides externae in ihrem Verbreitungsgebiete
zunächst lediglich auf den Zungenbein- und Kieferbogen beschränkt.
Aenderungen im Verbreitungsgebiete der Carotiden.
Während aber nun bei den Chelonieren und Vögeln die A. carotides
internae das Endverbreitungsgebiet der A. carotides externae über-
nehmen und so schließlich allein den ganzen Kopf mit Blut ver-
sorgen, sehen wir bei den Säugern einen gerade umgekehrten Proceß
sich abspielen, indem sich die A. carotides externae mit ihren Aesten
allmählich über Gebiete verbreiten, die ursprünglich den A. caro-
tides internae angehören ^). — Ja im extremsten Falle, wie er z. B. bei
den Wiederkäuern eintritt, können die A. carotides externae das ganze
Verbreitungsgebiet der A. carotides internae übernehmen und die
Stämme dieser Arterien vollständig zu Grunde gehen (Beauregard, 1893).
Die dorsalen Aestc der Aorta und der Aortenwurzeln.
Wie bereits angegeben wurde, zeigen die dorsalen für die Leibes-
wandungen bestimmten Aeste der Aorta ursprünglich bei allen Wirbel-
tieren eine streng metamere Anordnung.
Selachier und Teleostier.
Bei den Selachiern läßt sich dieselbe nach Raffaele (A. 1892)
nur im Rumpfgebiete nachweisen, im Schwanzgebiete soll nur jedem
2. Segmente ein Arterienpaar entsprechen, während bei den Knochen-
fischen, nach den Angaben Vogt's (A. L. III 4. 1842) für Corregonus
palea auch im Schwanzgebiete für jedes Segment ein Arterienpaar ent-
wickelt ist.
Auch im Kopfgebiete kommen bei den Selachiern nach Dohrn
(1889/91) solche Arterien zur Entwickelung, die zum Teil aus den
Aortenwurzeln, zum Theil aus der Aorta dorsalis entspringen. Später
bilden sich dann einzelne dieser Arterien auch im Rumpfgebiete wieder
zurück, indem ihre Nachbarn ihr Verbreitungsgebiet an sich reißen
und so zeigen die Leibeswandarterien der ausgebildeten Form eine
recht unregelmäßige Anordnung.
A. subclaviae der Selachier. Dass die Arterien der vor-
deren Extremitäten der Selachier aus einem Paare segmentaler Leibes-
wandarterien hervorgehen, wird von Dohrn (1889/91) ausdrücklich her-
1) Einige Phasen dieses Prozesses konnte Grosser (A. 1901) bei Fledermaus-
embryonen beobachten und feststellen, daß die A. carotis externa bei jungen Em-
bryonen außer dem Mandibularbogengebiete auch den Oberkieferfortsatz versorgt,
daß aber sehr bald Aeste der Carotis interna dieses Gebiet übernehmen und erst
später wieder die Carotis externa, diese sowie benachbarte Gebiete (Orbitalgebilde)
mit Blut versorgt.
Die Entwickelung des Blutgefäßsystems. 105
vor gehoben, ähnliches dürfte aber auch für die Arterien der Hinter-
gliedmaßen Geltung haben.
Meist lassen sich an jeder segraentalen Leibeswandarterie schon
frühzeitig zwei Aeste unterscheiden, von denen der eine die von der
ventralen Rumpfmuskulatur beherrschten Teile der Leibeswand ver-
sorgt, während der andere für die dorsale Muskulatur, die Wirbelsäule
und das Medullarrohr bestimmt ist. Eine Längsanastomosenkette
zwischen den Medullarrohrästen bildet in späteren Entwickelungs-
stadien die A. medullae spinalis anterior.
Ob bei den Selachiern schon frühzeitig eine der segmentalen
Arterien des Kogpfgebietes mit der A. basilaris in Verbindung tritt,
wie dieses nach Ziegenhagen (1894) bei den Teleostierembryonen
geschieht, ist aus den Angaben Dohrn's nicht zu ersehen.
Amphibien.
A. V e r t e b r a 1 i s. Bei den Amphibien (Bombinator) ist nach Goette
(A. L. III 7. 1875.) schon frühzeitig eine solche Verbindung, welche von
der ersten segmentalen Arterie ausgeht und die er A. vertebralis primitiva
nennt, vorhanden. Diese Arterie soll jedoch später wieder verschwinden
und der bleibenden A. vertebralis (A. vertebro-occii)italis [Gaupp.]), die
sich ungefähr an der gleichen Stelle entwickelt, aber andere Beziehungen
zu den Muskeln zeigt wie die A. vertebralis primitiva, Platz machen.
Arterien der Gliedmaßen. Daß die Arterien der Glied-
maßen auch bei den Ami)hibien aus segmentalen Leibeswandarterien her-
vorgehen, unterliegt wohl keinem Zweifel. Wie sich aber insbesondere
bei den Anuren, die von den primitiven, recht abweichenden defini-
tiven Verhältnisse der Arterien der Leibeswandungen entwickeln,
darüber liegen nähere Angaben nicht vor.
Bildung der A. vertebralis dorsi bei Anuren. Wahr-
scheinlich erfolgt bei Rana die Rückbildung der meisten segmentalen
Arterien des Rumpfes, nachdem sich zwischen ihnen eine Anastomosen-
kette, die A. vertebralis dorsi entwickelt hat, die sich von der A.
lumbalis 4. bis zur A. occipito- vertebralis erstreckt und es bleiben
höchstens vier Lumbalarterienpaare erhalten.
Reptilien.
A. V er tebrales cerebrales. Auch bei allen Reptilien scheinen
ursprünglich die Leibeswandarterien eine rein metamere Anordnung zu
zeigen. Sicher ist dies der Fall bei Lacerta und Tropidonotus. Die erstere
Form besitzt auch, wie Van Bemmelen (1894) gezeigt hat, noch im Kopf-
gebiete drei segmentale Arterienpaare (Fig. 117), von denen die beiden
ersten frühzeitig verschwinden, während das dritte zwischen den Anlagen
des Atlas und des Hinterhauptes in die Schädelhöhle eindringt und sich
großhinwärts fortsetzt, um in der Konkavität der Mittelhirnbeuge in die
Carotides internae überzugehen (Fig. 117). Diese beiden Arterien i)
1) Zweifellos stellen diese Arterien in ihren caudalen Partien Längsanastomosen-
ketten zwischen den ersten drei segmentalen Arterien dar und scheint sich diese Längs-
anastoniosenbildung manchmal auch noch weiter caudalwärts auf die Rückenmarks-
zweige der ersten segmentalen Arterien der Cervicalregion erstrecken zu können,
doch hat sich Van Bemmelen, wie ich einer brieflichen Mitteilung dieses Autors
entnehme, neuerdings davon überzeugt, daß diese Anastomosenbildung niemals so
weit caudalwärts reicht, als er dieses früher (1894) geglaubt hatte.
106
HOCHSTETTER.
zur
richtig
können als A. vertebrales cerebrales bezeichnet werden
frühzeitig ventral vom Rautenhirn miteinander
Prozeß, den zuerst Rathke für die Natter
A. subclavia und A. vertebrales
Die A. subclavia von Lacerta entsteht jederseits
des 7. Cervicalsegmentes.
ihr gelegenen
Verlagerung
Sie verschmelzen
A. basilaris, ein
beschrieben hat.
cervicales.
aus der Arterie
In der Folge gehen dann die cranial von
Arterien, gleichzeitig mit der caudalwärts
der Aortenbogen und bedingt durch dieselbe, zu Grunde,
sich vorher ausgehend von der A. subclavia jederseits
ihnen eine Längsanastomosenkette ventral von der Wirbel-
segmentalen
segmentalen Arterien-
angelegt zu
nachdem
zwischen
Säule knapp neben der Mittellinie entwickelt hat, die wir A. verte-
bralis cervicalis ^) nennen. Dieselbe versorgt die Halswirbelsäule und die
an ihr haftenden Muskeln mit Blut und entsendet auch kleine Aeste
in den Wirbelkanal, tritt aber mit der A. basilaris in keine direkte
Verbindung. Bei der Natter ist, wie Rathke (A. L. III. 8. 1839) an-
giebt, die gleichnamige Arterie unpaar, doch scheint sie auch hier als
paarige Längsanastomosenkette, die von einem
paare in der Höhe des 14. — 18. Wirbels aus entsteht
werden ^), später aber dadurch unpaar zu werden,
daß einerseits das Arterienpaar, aus welchem
sie entspriugt, infolge der caudalwärts Ver-
lagerung der Aortenbogen und Wurzeln zu
einem median gelagerten Arterienstamme ^) aus-
gesponnen wird und andererseits gleichzeitig
die rechtsseitige Längsanastomosenkette zu
Grunde geht. So besteht dann die A. verte-
bralis der Natter aus einem centralen, median
gelagerten und einem peripheren links von
den ventralen Fortsätzen der Wirbel verlaufen-
den, von der Muskulatur bedeckten Stück.
Fia;. 117. Vorderer Abschnitt des Aortensystems
(linke Hälfte) eines Embryos von Lacerta muralis
von 5 mm Lunge nach einer bis jetzt noch nicht ver-
öffentlichten Zeichnung Van Bemmelen's. .1.5. Aorten-
bogen. A.v.c. A. vertebralis cerebralis. A.d. Aorta dor-
salis. C.e. Carotis externa. C.i. Carotis interna.
Arterien der Hinter gl ied maßen. Die hinteren Extremi-
täten der Saurier werden in der Regel von zwei unmittelbar aufein-
anderfolgenden, segmentalen Arterien mit Blut versorgt von denen die
eine mit dem N. ischiadicus verlaufende (A. ischiadica) als die Haupt-
arterie der Gliedmaße zu bezeichnen ist.
Vögel.
lieber die LTmbildungen, welche die metameren Leibeswandarterien
der Vögel erleiden, liegen nur sehr spärliche Angaben vor.
A. subclavia. Die primitive Arterie der vorderen Extremität
ist bei Hühnerembryonen von 100—115 Stunden die 15. segmentale
1) Dieses Gefäß entspricht jedoch in keiner Weise dem gleichbenannten Ab-
schnitte der A. vertebralis der Säuger.
2} Bei einigen Schlangen ist nach Rathke (1850) die A. vertebralis in ihren
peripheren Abschnitten thatsächlich paarig.
3) Die gleiche Ursache bewirkt auch, daß bei gewissen Sauriern (Varaniden)
ein gemeinsamer Ursprungsstamm für beide A, subclaviae entsteht.
Die Entwickelung des Blutgefäßsystems. 107
Arterie der Reihe (Hochstetter, 1890); sie bildet sich, nachdem die
A. subclavia secundaria (vergl. S. 101) gebildet ist und sich mit ihr
am Schultergürtel verbunden hat, in ihrem Anfangsstück ebenso zurück,
wie sämtliche segmentale Arterien cranial von ihr, was wieder auf
die Lageverschiebungen , welche die Aortenbogen und AYurzeln er-
leiden, zurückgeführt werden muß.
Arterien der H i n t e r g 1 i e d m a ß e n. Auf die Hintergliedmaßen
greifen wie bei den Saurieren jederseits zwei segmentale Arterien über,
die jedoch nicht aufeinanderfolgenden Segmenten angehören, dazwischen
ihnen noch eine oder zwei segmentale Arterien gelegen sind.
Säuger.
Bildung der A. vertebralis. Bei den Säugern bestehen in
frühen Entwickelungsstadien im Kopfgebiete jederseits zwei aus den
Aortenwurzelu entspringende segmentale Arterien. Die erste von diesen
beiden verläuft mit dem N. hypoglossus (Zimmermann A. L. III, 11. 1889 ;
HocHSTETTER, 1890; Piper, A. L. III, 11. 19(X)) und verschwindet
schon sehr früh. Die zweite bildet die Wurzel der A. vertebralis cere-
bralis. Sie verläuft ganz ähnlich wie die gleichnamige Arterie von
Lacerta, auch verschmilzt sie ebenso wie diese mit der Arterie der
Gegenseite zur A. basilaris (His, A. L. III, 11. 1885, vergk S. 103).
Mit dem Beginne der Caudalwärtsbewegung der Aortenbogen
bildet sich nun eine die Lücken zwischen den Rippenrudimenten und
den Querfortsätzen der sechs ersten Halswirbel passierende Längs-
anastomosenkette (A. vertebralis cervicalis) zwischen den segmentalen
Arterien des Cervicalgebietes.
A. subclavia. Dieselbe nimmt ihren Ausgangspunkt von der
A. subclavia (Fig. 118), die beim Menschen und beim Kaninchen aus
der Arterie des G. Cervicalsegmentes hervorgeht
und setzt sich cranial unmittelbar iij die A. verte-
bralis cerebralis fort. Nun bilden sich sämtliche
cranial von der A. subclavia gelegene segmentale
Arterien zurück und damit ist die Bildung der A.
vertebralis vollendet (Hochstetter 1890*).
Fig. 118. Entwickelung der A. vertebralis beim Ka-
ninchen nach einer Profilkonstruktion. C.B. Carotidenbogen.
A.B. Aortenbogen. P.E. Pulmonalisbogen. A.p. A. pulmonalis.
A.S. A. subclavia. A.v.ce. A. vertebralis cerebralis. A.x\c. A.
vertebralis cervicalis. C.e. Carotis externa. C.L Carotis interna.
Aber auch die Wurzeln der Arterien des 7. Cervical- und des 1.
und 2. Thoracalsegmentes bilden sich zurück (Mensch, Kaninchen),
nachdem sich aus der A. subclavia hervorsprossend die A. intercos-
talis suprema entwickelt hat. Dagegen bleiben die übrigen segmen-
talen Arterien der Thoracalregion (Mensch, Kaninchen) sowie in der
Regel die ersten (beim Menschen 4) segmentalen Arterien der Lenden-
region erhalten ^).
1) Doch kommt es bei anderen Säugern vielfach dazu, daß benachbarte seg-
mentale Arterien des Thoracal- und Lumbaigebietes durch Anastomosen miteinander
in Verbindung treten und dann einzelne Intercostal- und Lumbalarterienstämme
ausfallen, so daß im ausgebildeten Zustande mehrere Intercostal- oder Lumbaiarterien
108
HOCHSTETTER,
Die Arterien der Hintergliedmassen und die A. umbilicales.
Die ursprünglich einfache Arterie der Hintergliedmaße geht höchst
wahrscheinlich aus einer segmentalen Arterie des Lendengebietes her-
vor (HOCHSTETTER, 1890*).
Ursprünglich versorgt sie nur die Extremitätenanlage mit Blut,
bald wird sie jedoch auch zum Ursprungsstamm für die A. umbili-
calis. Die beiden A. umbilicales entspringen nämlich zuerst (Hoch-
als selbständige, ventrale Aeste aus der Aorta
dorsale Darmgekröse, um sich an den Seiten des
STETTER, 1890*)
und passieren das
Enddarmes vorbei
zur ventralen Leibeswand zu begeben und von hier
Frühzeitig
aus neben dem Allantoisgang zur Placentaranlage zu gelangen
jedoch schon bildet sich zwischen ihnen und den Wurzeln der Arterien
der Hintergliedmaßen eine, jederseits in der Leibeswand verlaufende
Anastomose aus (Fig. 119). ludem sich nun diese so gebildeten, secun-
dären Wurzelstämme der A. umbilicales rasch erweitern, verengern
sich die primären und schwinden schließlich vollständig. So kommt
es , daß dann die A. umbilicalis und die
Arterie der hinteren Gliedmaße auf jeder
Seite einen gemeinschaftlichen Ursprungs-
.AL
■Löt.
MR.
Fig. 119. Entwickelung der aus den Arterien der
hinteren Gliedmaßen entspringenden sekundären Wur-
zeln der A. umbilicales beim Kaninchen. (Schema.)
A. Aorta. A.E. Arterie des Extremitätenstunnnels.
A.G. Allantoisgang. ü Leibeshöhle. D Enddarm.
jE'./SV. Extremitälenstummel. A.u. A. umbilicalis. prAV.,
s.w. primäre, secundäre Wurzel der A. umbilicalis.
M.R. Medullarrohr. TJ.G. Urnierengang.
Stamm besitzen. Auch bei den Sauropsiden scheinen sich die Be-
ziehungen zwischen Hauptarterie der hinteren Gliedmaße und A. um-
bilicalis in ähnlicher Weise herzustellen wie bei den Säugern, denn
auch bei ihnen entspringen die Allantoisarterien
aus der Aorta, während sie später als
erscheinen.
Zweige
ursprünglich direkt
der A. ischiadicae
Die Arterien der vorderen Extremität.
Bei den Embr3'onen der Amphibien (Triton , Salamandra) und
sämtliclien Amnioten verläuft die einfache Arterie der Extremität ur-
sprünglich ziemlich genau in der Achse des Extremitätenstummels
(HOCHSTETTER, 1890, ZucKERKANDL, 1894 — 95). Am Oberarm be-
gleitet sie den N. medianus, am Vorderarm liegt sie zwischen den
Anlagen der beiden Vorderarmknochen und perforiert den Carpus im
Bereiche der proximalen Reihe seiner Elemente, wie dies Leboucq ^ )
für den Menschen, Zuckerkandl (1894—95) für Lacerta, das Hühnchen,
die Katze und das Kaninchen, Hochstetter (A. 1896) für Echidna
und Grosser (1901) für Rhinolophus nachgewiesen haben.
mittelst gemeinsamer Wurzelstämmc aus der Aorta entspringend gefunden werden
können.
Die A. mammaria interna und die A. epigastrica inferior sind nach Mall
(1898) durch die Bildung von Anastomosenketten zwischen den ventralen Aesten der
segmentalen Arterien der Thoracal- und Lumbairegion entstanden zu denken.
1) In der Diskussion gelegentlich des Vortrages von E. Zuckerkandl auf der
Anatomenversaramlung zu Göttingen 1893.
Die Entwickelung des Blutgefäßsystems. 109
Arterie des Oberarmes. Die Oberarinarterie bleibt wahr-
scheinlich bei den Amphibien und den meisten Amnioten in ihrer ur-
sprünglichen Verlaufsweise zeitlebens erhalten, nur bei Echidna geht
sie zu Grunde (Hochstetter A. 1896). nachdem sich aus ihrem
l)roximalen Abschnitte eine neue Arterienbahn entwickelt hat, welche
den N. radialis bei seinem Verlaufe um den Humerus herum begleitet
und zwischen M. brachialis internus und den Muskeln der Radial-
gruppe in die Ellbogenbeuge gelangt, um hier in die Fortsetzung der
ursprünglichen A. brachialis wieder einzumünden.
Arterien des Vorderarmes. Die Hauptarterie des Vorder-
armes erhält sich in ihrer ursprünglichen Verlaufsweise auch mit
Rücksicht darauf, daß sie beim Uebergange auf den Handrücken
zwischen den Elementen der proximalen Carpusreihe hindurch zieht,
bei allen Amphibien, unter den Reptilien bei Hatteria und Lacerta
agilis (ZucKERKANDL, 1894—95) und unter den Säugern bei Ornitho-
rhynchus (Hochstetter A. 1896). Bei den meisten Amnioten kommt
es jedoch zu einer mehr oder weniger weitgehenden Rückbildung des
Gefäßes, das aber stets als A. interossea erhalten bleibt. Bei den
meisten Reptilien tritt nur insofern eine Aenderung des ursprünglichen
Zustandes ein, als der den Carpus perforierende Abschnitt schwindet und
einem oberflächlich verlaufenden Handrückenast den Platz räumt.
Auch bei den Vögeln persistiert die ursprüngliche Arterie als A. inter-
ossea, doch entsteht neben ihr sekundär die A. ulnaris superficialis
(Zuckerkandl, 1894 — 95). Am stärksten wird die Arterie in der
Regel bei den Säugern zurückgebildet ^), bei denen sich sekundär eine
den N. medianus begleitende Arterie entwickelt (Katze, Kaninchen),
die dann die Hauptarterie des Vorderarmes bildet und bei einzelnen
als solche neben der A. interossea persistieren kann, wie bei den
Ungulaten und Chiropteren, während sie bei anderen Formen unter
gleichzeitiger Entwickelung tertiärer Arterienbahnen (A. ulnaris und
radialis) teilweise oder nahezu vollständig wieder schwindet (Zucker-
kandl, 1894 — 95).
Die Arterien der liiiiteren Extremität.
Bei den Embryonen der Amphibien und aller Amnioten hält sich
die ursprüngliche Hauptarterie der Hintergliedmaße in ihrem Verlaufe
zunächst an den N. ischiadicus, mit dem sie auch das Becken verläßt.
Am Unterschenkel verläuft sie zwischen den Anlagen der beiden Unter-
schenkelknochen und geht bei ihrem Uebertritt auf den Fußrücken,
zwischen den Anlagen der Elemente der proximalen Tarsalknochen-
reihe hindurch. Sie verhält sich also hier wie die entsprechende
Arterie des Vorderarmes.
Arterien des Oberschenkels. Eine kleine zweite Arterie,
die A. femoralis, greift, proximal vom Hüftgelenk vorbeiziehend, auf
die ventrale Fläche des Oberschenkels über. Sie sproßt entweder aus
dem Beckenstücke der A. ischiadica hervor, wie bei den Amphibien
und Säugern, oder sie entsteht, wie bei den meisten Sauropsiden 2), aus
1) Ausgenommen ist außer Ornithorliynchus auch der Delphin , bei dem nur
der den Carpus perforierende Abschnitt der Arterie verloren gegangen ist (Zucker-
kandl, 1894—95).
2) Nur bei Chamaeleo liegen die Verhältnisse ähnlich wie bei den Amphibien.
110
HOCHSTETTER.
a.
b.
einem selbständigen segmentalen Aste der Aorta. Bei den Amphibien
und Reptilien gewinnt die A. femoralis nie ein größeres Verbreitungs-
gebiet und so bleibt bei diesen Tieren die A. ischiadica zeitlebens die
Hauptarterie der hinteren Gliedmaße. Das gleiche gilt auch für die
A. ischiadica der meisten Vögel, doch gewinnt bei diesen die A. femo-
ralis bereits einen größeren Verbreitungsbezirk am Oberschenkel, und
bei einigen (Spheniscus u. a.) fehlt sogar die A. ischiadica im Gebiete
des Oberschenkels und die A. femoralis ist, indem sie die Unter-
schenkelverzweigungen der A. ischiadica an sich gerissen hat, zur
Hauptarterie der Hintergliedmaße geworden.
Bei den Säugern ist, wie schon erwähnt, die A. femoralis ursprüng-
lich (wahrscheinlich bei allen) ein Seitenast der Hauptarterie der Hinter-
gliedmaße, die wir bis zum Abgange der A. femoralis als A. iliaca com-
munis bezeichnen, ein Verhalten, welches bei vielen Säugern persistiert
(Mensch, Kaninchen u.a.). Bei denEm-
bryonen sehr vieler Säuger kommt es
jedoch sekundär, vom Teilungswinkel
derA. iliaca communis aus, zu einer
Spaltung dieses Gefäßes bis an die
Aorta heran (Fig. 31a, b), wie dieses
für die Embryonen der Katze von
HocHSTETTER (1890*) gezeigt
wurde ^). Es entspringen dann (Fig.
120 />, c) die A. femorales (iliacae ex-
ternae) beiderseits selbständig aus
der Aorta, während die durch diese
Spaltung entstandenen zweiten Ge-
fäße, die A. iliacae interuae, aus
denen, wie bekannt, die A. umbilicales entspringen und die sich in die
restierenden Al)schnitte der A. ischiadicae fortsetzen, mit der A. caudalis
zusammen den sogenannten Truncus hypogastrico-sacralis bilden.
Die A. femoralis greift, sobald sie einmal hervorgesproßt ist, sehr
rasch auf immer weiter distal gelegene Partien des Oberschenkels
über und dringt schließlich in die Kniekehle ein, wo sie sich mit der
A. ischiadica verbindet, die nun in ihrem Oberschenkelabschnitte rasch
Fig. 120 a — c. Bildung des Truncus
hypogastrico sacralis bei der Katze
(Schema). A. Aorta. A.i. A. iscbiadica.
A.i.e. A. iliaca externa. A.c. A. caudalis.
A.n. A. umbilicalis. Ch.ti. Chorda A.
umbilicalis.
Hintergliedmaße
teren persistiert
die A. ischiadica
zu Grunde geht, so daß die A. femoralis jetzt znr Hauptarterie der
wird (HocHSTETTER, 1890*). Nur bei den Chirop-
ganz allgemein der ursprüngliche Zustand, indem
neben der A. femoralis ihrer ganzen Länge nach er-
halten bleibt und sich als A. tibialis antica auf den Unterschenkel
fortsetzt (0. Grosser A. 1901).
Die ursi)rün gliche Hauptarterie des Unterschenkels, welche beim
Uebergange auf den Fuß zwischen den Elementen der ersten Reihe
des Tarsus hindurchläuft, geht wahrscheinlich bei allen Amphibien und
bei den meisten Reptilien, Zuckerkandl (1895 *) hat dieses für Rana
und Lacerta direkt nachgewiesen, ziemlich unverändert als A. inter-
ossea in den definitiven Zustand über. Auch beim Hühnchen erhält
sie sich, doch scheint sich hier, nach Zuckerkandl (1895*) ihre Durch-
bruchsstelle auf den Fußrücken zwischen den Unterschenkelknochen
proximalwärts zu verschieben.
1) Auch Grosser (1901) hat neuerdings bei Embryonen von Rhinolophus das
Vorhandensein von A. iliacae coramunes, die der ausgebildeten Form fehlen, nach-
weisen können.
Die Entwickelung des Blutgefäßsystems. Jll
Bei den Säugern erfolgt, wie derselbe Autor an Kaninchen- und
Katzenembryonen gesehen hat, eine mehr oder weniger weitgehende
Reduktion der primären Unterschenkelarterie, nachdem die sekundären
und tertiären Arterien dieses Gliedmaßenabschnittes, die als A. saphena,
tibialis antica, tibialis postica und peronea bezeichnet werden, auf-
getreten sind, wobei jedoch zu bemerken ist, daß wenigstens eine
Strecke der A. peronea aus der primären Unterschenkelarterie ent-
standen sein dürfte.
Die A. omphalo-meseiitericae und die Arterien des Darmkanals.
Selachier.
Von den hier in Betracht kommenden Arterien ist bei den
Selachiern nur die Bildung der A. omphalo-mesenterica genauer unter-
sucht (P. Mayer, PtücKERT, van Wijhe, C. K. Hoffmann, Rabl).
Diese Arterie kommt nur auf der rechten Seite zur Entwickelung und
entsteht zuerst mit mehreren Wurzeln (bei Pristiurus 3, bei Torpedo 4)
aus der Aorta, die wegen ihrer merkwürdigen Beziehungen zu den
Segmenten der Vorniere von Rückert und Rabl als Vornierenarterien
bezeichnet wurden. Doch kommen außer diesen Wurzelzweigen der
Dottersackarterie noch andere Vornierenarterien zur Anlage, auf
der rechten Seite bei Pristiurus noch eine, bei Torpedo zwei, die aber
mit den Wurzeln der Dottersackarterie nicht in Verbindung treten
und auch linkerseits werden solche Arterien als blind endigende Aus-
buchtungen der Aorta angelegt, die sich freilich frühzeitig wieder
zurückbilden. Nach Rabl verschmelzen dann zwei oder alle drei die
Wurzeln der Dottersackarterie bildenden Vornierenarterien ^) mit-
einander, während die übrigen spurlos verschwinden und es wird so
auch der W^urzelstamm der Dottersackarterie einfach. Diese Arterie
zieht nun frei durch die Leibeshöhle zum Nabel und verteilt sich mit
ihren Aesten zuerst nur auf dem Dottersack. Später geht in der
Pankreasgegend ein Ast aus ihr hervor (Rabl), der zur A. mesenterica
wird und jetzt kann man sie eigentlich erst als A. omphalo-mesenterica
bezeichnen.
Teleostier.
Bei den Knochenfischen, die einen rein venösen Dottersackkreis-
lauf besitzen, kommt es in der Regel zur Ausbildung von Dottersack-
arterien nicht. Dafür ist bei ihnen frühzeitig schon eine A. mesenterica
entwickelt, die interessante Beziehungen zum Glomerulus der Vor-
niere erkennen läßt. Wie Felix (A. 1897) gezeigt hat, erhält der in
seinen vorderen Abschnitten paarige (}lomerulus der Forelle jederseits
ein in seine cranialen Pole eindringendes, aus der Aorta entspringendes
Vas afferens und entläßt an seinem caudalen unpaaren Ende die an
die Dorsalseite des Darms herantretende A. mesenterica. Später ent-
wickeln sich dann noch einige kleinere aus der Aorta entspringende
und in den Glomerulus eindringende A. afferentes (Nebenafferentia)
und außerdem bildet sich caudal vom Glomerulus eine Anastomose
zwischen Aorta und A. mesenterica aus, die sich rasch erweitert
1) Nach EÜCKERT würde nur eine von den Wurzeln der Uottersackarterie er-
halten bleiben, während alle anderen zu Grunde gehen.
112 HOCHSTETTER,
und so die eigentliche Wurzel der A. mesenterica bildet (Fig. 121),
während das in die A. mesenterica übergehende V. efferens immer
schwächer wird. Auch bilden sich die Nebenafferentia zurück, so
daß zur Zeit des Ausschlüpfens der Larven nur noch das Haupt-
afferens des Glomerulus besteht. Mit dem Schwinden des Glomerulus
N 3
Fig. 121. Vornierenglomerulus eines Fo-
rellenembryos von 54 Tagen und seine
Beziehungen zur Aorta und der A. mesenterica
nach W. Felix. A. Aorta. A.e. A. efferens.
A.m. K. mesenterica. G^. Vornierenglomerulus.
H.a. Hauptafferens. N.a. Nebenafferentia.
vergehen dann natürlich auch seine Arterien. Aus der A. mesenterica
entstehen Zweige für die Leber und ein an der Dorsalseite des Darms
caudalwärts verlaufender Zweig. Außerdem bilden sich noch direkt
aus der Aorta, in der Gegend des Anus, ein oder mehi'ere Zweige
für den Enddarm (Ziegler, A. 1897).
Cyelostomen.
GoETTE (A. L. III, 2. 1890) beschreibt bei den Embryonen von
Petromyzon nur eine A. mesenterica ^). Sie entspringt zuerst aus der
Ventralseite der Aorta, doch scheint sich ihr Ursprung später dorsal-
wärts zu verschieben, da sie Jülin (A. 1886) bei Ammocoetes aus dem
dorsalen Umfange der Aorta entspringend fand.
Amphibien.
Unter den Amphibien besitzen die Urodelen eine große Zahl von
Darmarterien, über deren Entstehungsweise ebensowenig bekannt ist,
wie über die Entstehung der mächtigen A. intestinalis communis der
Anuren.
Reptilien.
Bei den Reptilien sehen wir ursprünglich eine größere Zahl von
aus der Aorta entspringenden Arterien beiderseits in die Dottersack-
wand übergehen (Clark, A. L. III, 8. 1857, Hoffmann, A. L. III, 8.
1890, Strahl, A. 1883). Diese Arterien gehen bei Lacerta (Hoch-
STETTER, 1898) zum Teil symmetrisch, zum Teil asymmetrisch aus der
Aorta hervor. Die symmetrisch abgehenden Stämme verschmelzen
nach der Entstehung des Darmgekröses zu unpaaren Stämmen mit-
einander, die erst, an der Darmwand angelangt, sich gabeln. Sie
treten untereinander zum Teil in der Darmwand selbst, zum Teil erst
in der Dottersackwand durch Anastomosen in Verbindung. In der
Folge dehnen sich dann einzelne von ihnen (meist zwei) stärker
aus, während die übrigen, schwächeren verschwinden und schließlich
bleibt nur ein einziger Stamm, die unpaare A. omphalo-mesenterica,
erhalten, die an der linken Seite des Darmes vorbei zur Dottersack-
wand zieht. Von dem Stamme der A. omphalo-mesenterica aus ent-
steht hierauf bei Lacerta die dem Mitteldarm zustrebende A. mesenterica
1) Dieselbe entspricht dem von anderen Autoren als A. coeliaca bezeichneten
Gefäße.
Die Entwickelung des Blutgefäßsystems.
113
selbständig
aus der Aorta ent-
ganz
und cranial von ihr findet sich ein
springender Zweig, die A. coeliaca, während ein oder ein paar
kleine, für den Enddarm bestimmte Arterienzweige weit caudal aus der
Aorta abdominalis hervorgehen.
Bildung der A. coeliaco-mesen terica beiLacerta. Bei
Hatteria und einigen anderen Sauriern erhält sich dieser Zustand der
Darmarterien zeitlebens. Bei den Embryonen von Lacerta kommt es
jedoch zur Bildung einer Anastomose zwischen A, omphalo-mesenterica
und A. coeliaca und im Anschlüsse daran zum Schwunde des Wurzel-
stückes der letzteren, so daß nach dem Zugrundegehen des Dottersack-
astes der A. omphalo-mesenterica dieses Gefäß zur A. coeliaco-
mesenterica der ausgebildeten Form wird.
Darmarterien anderer Saurier. Bei sehr vielen Sauriern
bestehen jedoch viel kompliziertere Verhältnisse der Stämme der
Darmarterien. Entweder kommen nämlich an Stelle der A. coeliaco-
mesenterica 3 selbständig aus der Aorta entspringende Arterien-
stämme vor, die sich bei ihrem Verlaufe durch das Gekröse über-
kreuzen (Tr. coeliacus, Mitteldarmarterie und A. coecalis), oder aber
es besteht eine A, coeliaca, wie bei jungen Lacerta-Embryonen, und an
Stelle einer einfachen A. mesenterica 2 in verkehrter Reihenfolge
aus der Aorta entspringende und im Gekröse sich überkreuzende
Arterien (A. coecalis und Mitteldarmarterie). — Für Anguis fragilis, bei
welcher Form im ausgebildeten Zustande die Verhältnisse des ersten
Falles vorliegen, hat Hochstetter (1898) gezeigt, daß bei jungen
Embryonen eine einfache A.
coeliaco-mesenterica besteht wie
bei Lacerta. Diese spaltet sich
dann sekundär von der Ab-
gangsstelle ihrer 3 Aeste aus
(Fig. 122) unter gleichzeitiger
Drehung der Spaltungsebenen,
so daß nun an Stelle der ein-
fachen A. coeliaco-mesenterica
3 Arterien aus der Aorta ent-
springen, die aber aus diesem
Gefäße in einer ihrem Ver-
breitungsgebiet nicht entspre-
chenden Reihenfolge hervor-
gehen und, indem ihre Ur-
sprünge später auseinanderrücken, sich im Gekröse überkreuzen. —
Derselbe Autor hat es ferner auf Grund vergleichend - anatomischer
Beobachtungen wahrscheinlich gemacht, daß sich alle die verschie-
denen Ursprungs- und Verlaufsverhältnisse der Darmarterien der
Saurier zum Teil unter Vermittelung ähnlicher Spaltungsprozesse, wie
sie bei Anguis fragilis beobachtet werden konnten,
entwickelt haben , wie sie entweder bei Hatteria
dauernd bestehen.
MA.-^I
Fig. 122. Schema der Entwickelung des
Tr. coeliacus der A. coecalis und der Mittel-
darmarterie aus der einfachen A. coeliaco
mesenterica bei Anguis fragilis. ^. Aorta.
A.c. A. coecalis. M.A. Mitteldarmarterie. Tr.c.
Truncus coeliacus.
aus Verhältnissen
oder bei Lacerta
Vögel.
Bei den Vögeln (Hühnchen) ist schon frühzeitig nur ein
Paar von A. omphalo-mesentericae vorhanden. Dasselbe
Handbuch der Eatwickelungslehre. III. 2. 8
mächtiges
emziges
114 HOCHSTETTER,
entspringt zuerst aus den primitiven Aorten, etwas später aus der
Aorta dorsalis und vereinigt sich, nachdem das dorsale Gekröse ge-
bildet ist, in demselben zu einem einheitlichen Arterienstamme, der sich
erst am Darme in einen rechten und linken Ast gabelt. — Aus diesem
Stamme wächst die A. mesenterica anterior hervor. Außerdem ent-
stehen selbständig aus der Aorta die A. coeliaca und die A. mesenterica
posterior. Da jedoch bei jungen Embrj^onen die primitiven Aorten
in ihren caudalen Abschnitten allenthalben mit dem Gefäßuetze des
Dottersackes zusammenhängen und nach Popoff (A. 1894) cranial
von der Stelle, an welcher sich später aus diesem Zusammenhange die
Dottersackarterien entwickeln, bis in die Nähe der vorderen Darm-
pforte eine größere Zahl von allerdings sehr zarten Verbindungszweigeu
zwischen Aorten und Dottersackgefäßnetz bestehen, so kann auch beim
Hühnchen von einer ursprünglichen Viellieit der Dottersackarterien
gesprochen werden.
Säuger.
Auch bei den Säugern existiert ursprünglich beiderseits eine
größere Zahl von Dottersackarterien. — Bischoff (A. L. III. 10, 1842)
hat dieses zuerst beim Kaninchen beobachtet, eine Beobachtung, die
Verfasser für die Katze bestätigen kann, und neuerdings hat Mall
(A. 1896) bei einem menschlichen Embryo aus der 2. Woche ebenfalls
eine größere Zahl von Dottersackarterien, die, wie er angiebt. seg-
mental angeordnet waren, aufgefunden. — Später treffen wir jedoch
auch bei den Säugern wie bei den Sauropsiden nur eine einfache
A. omphalo- mesenterica. Dieselbe verläuft durch das Darmgekröse
bis an den Darm und gabelt sich hier in zwei Aeste, die an der
Darmrinne vorbei zum Dottersack ziehen (Fig. 123a). — Wenn sich
dann der Darm an dieser Stelle zum Rohre
a. b. schheßt, verschmelzen diese Aeste ventral von
ihm ein kurzes Stück weit miteinander, und
indem der linke Schenkel der so gebildeten
Fig. 123a u. b. Die Herstellung der Beziehungen
der A. omphalo - mesenterica zum Darmrohr bei der
Katze (Schema). A. Aorta. A.o.m. A. omphalo-
mesenterica. D. Darmrohr. D.R. Darmrinne.
Arterieninsel schwindet (Fig. 123b), zieht die auch hier einfach
gewordene A. omphalo-mesenterica an der rechten Seite des Darm-
rohres vorbei, um sich, erst am Dottersacke angelangt, wieder zu
gabeln. — Wie sich der Zustand, in dem nur eine einfache A. omphalo-
mesenterica besteht, aus dem entwickelt, in dem zahlreiche Dotter-
sackarterien vorhanden sind, ist noch nicht untersucht worden.
Bei Ecliidna wurde ein Entwickelungsstadium der A. omphalo-
mesenterica beobachtet, in w^elchem dieses Gefäß mit mehreren Wurzeln
aus der Aorta entsprang (Hochstetter A. 1896).
Ganz eigenartig erweisen sich nach Ravn (1894) die Verhältnisse
dieser Arterie bei jungen Embryonen der Ratte und der Maus. Bei
diesen entspringt die ventral vom Darmrohr cranialwärts verlaufende
einfache A. omphalo-mesenterica aus jenen, ventral vom Darme sich
Die Entwickelung des Blutgefäßsystems. 115
vereinigenden Endästen der Aorta, ans denen später die A. nmbilicalis
(Flg. 124) hervorgeht, und gabelt sich erst in der Höhe, in der bei
anderen Säugern die A. omphalo-mesentericae aus der Aorta ent-
springen. — Später (Fig. 124) finden sich dann an dieser Stelle 2
größere Anastomosen zwischen ihr und der Aorta entwickelt , von
denen sich weiterhin nur die linke ausweitet, während die rechte, sowie
der ventral vom Darme gelegene ursprüngliche Anfangs-
abschnitt der Arterie, zu Grunde geht, so daß diese Tiere
in späteren Entwickelungsstadien ähnliche Verhältnisse
der A. omphalo-mesenterica darbieten wie andere Säuger.
-A.o.m
Fig. 124. Ursprungsverhältnisse der A. omplialo-inesenterica bei
einem Rattenembryo nach Ravn. J.Aorta. J.o.?». A. omphalo-
mesenterica. Am. A. umbilicalis.
Von der A. omphalo-mesenterica aus entwickelt sich in ähnlicher
Weise wie bei den Sauropsiden die A. mesenterica anterior. — Außer-
dem finden wir bei den Säugerembryonen noch selbständig aus der
Aorta entspringend eine A. coeliaca und eine A. mesenterica posterior.
— Bei Echidna geht jedoch die A. coeliaca (Hochstetter A. 1896)
als selbständig entspringender Stamm in ähnlicher Weise verloren
wie bei Lacerta, und es kommt bei dieser Form daher auch zur Aus-
bildung einer A. coeliaco-mesenterica.
Die Arterien des Exkretionssystenis und der Oeschleclitsdrüsen.
lieber die sogenannten Voruierenarterien der Selachier, sowie
über die Arterien des Voruierenglomerulus der Forelle wurden bereits
an anderer Stelle (p. 111 und 112) Angaben gemacht. Bezüglich der
Arterien des Mesonephros der Selachier giebt Dohrn (1889 — 91) an,
daß sie aus den segmentalen Leibeswandarterien entspringen.
Bei den Amphibien sind die Arterien des Voruierenglomerulus
eigene seitlich abgehende Zweige der Aorta. Sie sind nach Semon
(A. 1891) bei den Embryonen von Ichthyophis entsprechend der segmen-
talen Gliederung des Glomerulus segmental angeordnet i), ebenso wie
die gleichfalls seitlich von der Aorta abgehenden Arterien der
primären Urnierenglomeruli, — Ein ähnliches Verhältnis zeigen auch die
Urnierenarterien der Amnioten, bei denen ursprünglich wahrscheinlich
jeder Urniereuglomerulus seinen eigenen Zweig aus der Aorta zugeteilt
erhält. Allerdings erfährt später, mit der weiteren Entwickelung der
Urniere, die Zahl der Urnierenarterien eine erhebliche Reduktion.
Gleichzeitig treten Zweige bestimmter Urnierenarterien an die
Geschlechtsdrüsen heran. — Bildet sich dann die Urniere zurück, so
bleiben schließlich einige (Reptilien) oder nur eine von diesen Ur-
nierenarterien auf jeder Seite (Vögel, Säuger) als Arterien des Hodens
und Nebenhodens, oder des Ovariums und Eileiters erhalten. Zu
diesen Arterien kommen dann noch die Arterien der bleibenden Nieren
hinzu, die sich aus der Aorta oder aus Seitenzweigen derselben entwickeln,
wenn die Nieren einen bestimmten Entwickelungsgrad erreicht haben.
1) Nach Brauer (A. 1902) sind bei Hypogeophys die Arterienzweige des
Vornierenglomerulus und der Urnierenglomeruli intersegmental angeordnet.
8*
116
HOCHSTETTER,
Bei den Säugern entstehen die A. renales in der Regel direkt aus
der Aorta erst dann, wenn die Nieren bei ihrer Wanderung ihre definitive
Lage in der Lendengegend erreicht haben (Hochstetter A, 1891).
Entwickelung des Venensystems.
Selachier.
V. 0 m p h a 1 0 - m e s e n t e r i c a e und V. s u b i n t e s t i n a 11 s. Die
ersten bei den Selachiern auftretenden Venenstämme sind die ur-
sprünglich gleich starken V. omphalo - mesentericae (P. Mayer A.
1886 — 87, Rabl 1892). Sie wurzeln in der Dottersack- und Darmwand
und münden vereinigt in das caudale Ende des Herzschlauches (Fig. 125).
— Die linke Vene wird bald etwas stärker als die rechte und wächst an
Vom] \y„,
Fig. 125.
V'f.^
Vc p.
V.s.i.
\Vcau
Fig. 127.
V.oa.
Fig. 126.
I VcaU"
Fig. 128.
V.c.a..
iV.el.
V.rl
130.
Fig. 125-
der
-132. Schemata, die Entwicke-
lung der Hauptvenenstämme der Se-
lachier darstellendi^etwas modifiziert), nach
Rabl. V.o.m. V. omphalo mesenterica. V.v.
V. vitellina. ]'.s.i. V. subintestinalis. V.cau.
V. caudalivS. V.c.a. V. cardinalis anterior.
V.c/). V. cardinalis posterior. V..^]}. V. der
.c.p. V. caramaiis p
Spiralfalte. V.c.l. V.
V. subclavia. V.i.r
capitis lateralis.
V. interreualis.
t:
der Seite des Dotterstieles caudal-
wärts, bis sie an der hinteren Darm-
pforte vorbei in einen ventral vom
Darmrohre gelegenen weiten Venen-
sack übergeht, welcher die mächtige
linke Dottervene aufnimmt und der
sich dann noch weiter caudalwärts in
zwei ebenfalls ventral vom Darme
gelegene, schwächere Venen fort-
setzt, die mehrfach miteinander
Fig. 131
Die Entwickelung des Blutgefäßsj^stems. 117
anastoniosieren (Fi.g. 12(3)^). — Diese beiden Venen verschmelzen in
der Folge miteinander zn einem einfachen Venenstamme, der mit
dem Venensack zusammen die V. subintestinalis der Autoren bildet.
Nur in der Gegend der Kloake bleibt die Verschmelzung aus, so daß
hier die V. subintestinalis das Kloakendivertikel des Darmes mit zwei
Schenkeln umfaßt (Fig. 127).
Ringbildungen der V. omphalo!- mesentericae und
Entstehung des Pfortader System es der Leber. Nun ent-
wickelt sich zwischen den beiden V. omphalo-mesentericae zuerst
caudal von der Mündung des Leberganges in den Darm eine mäch-
tige, ventral vom Darme gelegene Anastomose und etwas später eine
zweite, aber schwächere dorsal vom Darme unmittelbar caudal von der
Pancreasanlage "-). — So kommt es zur Ausbildung eines von den V.
omphalo-mesentericae gebildeten Venenringes um den Darm (Fig.
128) , in dessen linken Schenkel die linke Dottersackvene mündet.
Dieser Venenring hat jedoch nur kurzen Bestand. Es obliteriert
nämlich sein linker Schenkel bis zur Mündung der linken (nunmehr
alleinigen) Dottersackvene, und es bildet jetzt sein allein erhalten ge-
bliebener caudaler und rechter Schenkel die Fortsetzung der V. sub-
intestinalis, die dort, wo sie an der Dorsalseite des Darmes vorüber-
zieht, die inzwischen zur Entwickelung gekommene Vene der Spiral-
falte ^) aufnimmt (Fig. 129) und von hier an nun als V. portae
bezeichnet werden kann. — Der craniale Schenkel des Venenringes aber
wird zu einer Anastomose zwischen V. portae und V. vitellina,
während die durch die Leber verlaufenden Abschnitte der beiden
V. omphalo-mesentericae in diesem Organe größtenteils in ein Venen-
netz zerfallen und nur in ihren distalen und proximalen Abschnitten
als V. hepaticae advehentes und revehentes erhalten bleiben (Fig. 129).
Auf diese Weise entsteht der Pfortaderkreislauf der Leber, welchem
Organe somit sowohl vom Darme her durch die V. portae, als auch vom
Dottersacke durch die V. vitellina Blut zugeführt wird.
V. cardinales. Noch bevor aber die geschilderten Verände-
rungen an dem Systeme der Darmdottersackvenen Platz gegriffen haben,
treten im Körper des Embryo selbst 2 neue Venenpaare auf, die
wir als V. cardinales bezeichnen und die in ähnlicher Weise, wie bei
den Selachiern, bei allen Wirbeltieren zur Entwickelung kommen.
D. Cu Vieri. Die V. cardinales anteriores, welche zuerst auf-
treten, sammeln das Blut aus dem Kopfe und vereinigen sich mit
den etwas später auftretenden V. cardinales posteriores, die das Blut
aus den Rumpfwandungen und aus den an die letzteren angeschlossenen
Organen abführen, zu den beiden Ductus Cuvieri (Fig. 128, 129), die
auf dem Wege des Mesocardium laterale den Sinus venosus erreichen
und diesem so das Körpervenenblut zuführen.
1) Eine caudale Fortsetzung der rechten V. omphalo-mesenterica bis zum
Venensack, wie sie P. Mayer (A. 1886—87) annimmt, kommt weder bei Pristiurus
(Rabl 1892) noch bei Acanthias (C. K. Hofmakn 1893) zur Entwickelung.
2) Die Bildung dieser Anastomose unterbleibt bei Pristiurus.
3) Diese Vene entsteht somit selbständig und nicht, wie dieses früher (Balfour
A. L. III. 3, 1878) angenommen wurde, aus der V. subintestinalis.
118 HOCHSTETTER,
Y. caudalis. Die Venae cardinales posteriores verlängern sich
sehr rasch candahvärts. — Gleichzeitig bildet sich der Schwanzdarm
zurück, und die V. subintestinalis wird nun in ihrem Schwanzabschnitte,
indem sie sich der Aorta caudalis anlegt, zur V. caudalis. Diese
setzt sich hierauf in der Gegend der Kloake durch 2 Anastomosen
mit den Enden der V. cardinales posteriores in A'erbindung (Fig. 130)
und verliert ihren Zusammenhang mit der \. subintestinalis, so daß
jetzt alles Blut aus dem Schwänze in die V. cardinales posteriores
abfließt. — Die Caudalvene wächst aber dann ventral vom Interrenal-
körper crauialwärts noch weiter fort, wobei, wie Rabl (1892) angiebt,
quere, ventral vom Interrenalkörper verlaufende Anastomosen zwischen
den caudalen Abschnitten der V. cardinales posteriores eine ver-
mittelnde Rolle zu spielen scheinen (Fig. 131).
V. in ter renalis. So entsteht als craniale Fortsetzung der V-
caudalis die Interrenalvene (Rabl (1892).Es erweitert sich nun das
caudalste Anastomosenpaar zwischen Caudalvene und V. cardinales
l»ost. und das cranialste zwischen Interrenalvene und diesen Venen,
während der caudalste Abschnitt der \. interrenalis immer schwächer
wird und ebenso schwindet, wie der unmittelbar caudal von dem vor-
dersten Anastomosenpaar befindliche Abschnitt der hinteren Cardinal-
venen.
Bildung des Pf or tader Systems der Nieren. So muß
nun alles aus der Caudalvene den hinteren nunmehr selbständig
gewordenen Abschnitten der V. cardinales p. zuströmende Blut das
aus den Anastomosen des früheren Entwickelungsstadiums ent-
standene Venennetz der Niere passieren, um in die Interrenalvene
und in die vorderen Abschnitte der hinteren Cardinalvene zu gelangen,
und es ist auf diese Weise das Pfortadernetz der Niere entstanden
(Fig. 132).
Car dinalvenen sinu s. Später verschmelzen dann noch die
beiden hinteren Cardinalveuen cranial von den Nieren miteinander und
bilden weiter, bevor sie in den D. Cuvieri münden, jederseits eine Er-
weiterung, den sogenannten Cardinalvenensinus, in dessen cranialsten
Abschnitt die V. subclavia mündet (Fig. 132).
Leberveuen sinus. Aehnliche sinusartige Eweiterungen ent-
wickeln sich auch, und zwar noch innerhalb der Leber, an den beiden
V. hepaticae revehentes.
Parietalvenen. Zu den Venen des Rumpfabschnittes zählen
auch noch die verhältnismäßig spät zur Entwickelung gelangenden
Parietal- oder Seitenvenen (Rabl 1892). Sie kommen aus der Gegend
der Bauchflossen und münden direkt in die D. Cuvieri.
Die V. cardinales anteriores und die V. capitis late-
rales. Die V. cardinales anteriores liegen kurz nach ihrem Auftreten an
der medialen Seite der Ganglien des Trigeminus, Acustico-facialis, der
Wurzeln der N. glossopharyngeus und vagus sowie des Gehörbläschens.
Weiter candahvärts verlaufen sie an der Seite der Chorda und der
Aorta. — Bald entwickelt sich jedoch neben ihnen, lateral und etwas
ventral vom Gehörbläschen jederseits eine zweite Vene, die sich noch
über dem Kiemendarm mit der vorderen Cardinalvene vereinigt. Diese
Vene (V. capitis lateralis), welche rasch an Mächtigkeit gewinnt, ver-
läuft dann lateral von den Ganglien und Wurzeln der Hirnnerven
Die Entwickelung des Blutgefäßsystems.
119
und wird schließlich zur Hauptvene des Kopfes, während die ursprüng-
liche Venenbahn größtenteils schwindet (Rabl 1892).
Die Entwickelung des D o 1 1 e r s a c k k r e i s 1 a u f e s der S e -
1 a c h i e r. Das erste Gefäß, welches auf dem Dottersacke der Selachier
sichtbar wird, ist nach Balfour die einfache Dottersackarterie ^j,
welche an der rechten Seite des Embryo aus dem Nabel hervorkommt,
geradeaus gegen den vorderen Pol des I31astoderms zieht, um sich nach
kurzem Verlauf in 2 Aeste zu gabeln, die nach rückwärts zu um-
biegen (Fig. 133). — Später, wenn das Blastoderm den Dotter bis auf
eine kleine Partie (Fig. 134*) umwachsen hat, haben sich diese beiden
Aeste nach rückwärts verlängert und einen Ring gebildet, von dem
zahlreiche, ein Netz bildende Zweige ausgehen , aus denen das Blut
q'
Fig. 133.
Fiff. 134.
Fig. 135.
Fig. 136.
Fig. 133—136. Schema, die Entwickelung des Dottersackkreislaufes bei den
S|e|lacliiern darstellend, nach Balfouk.
in die V. vitellina abströmt. Diese Vene bildet, indem sie sich nach
rückwärts zu gabelt, mit ihren beiden Aesten, entsprechend dem Um-
wachsungsrand, einen Ring (Fig. 134). Noch später verschwindet
dieser Ring, indem die beiden ihn bildenden Aeste der V. vitellina
verschmelzen (Fig. 135). Schließlich hört auch der arterielle Ringsinus
zu bestehen auf, und es wird der ganze Dottersack von einem reich-
maschigen Gefäßnetz überzogen, dem das Blut durch die einfache, gegen
den vorderen Dottersackpol zu ziehende, rasch sich verästelnde Dotter-
sackarterie zugeführt wird (Fig. 136), während die an der ventralen
Seite des Dottersackes entstehende einfache Dottersackvene das Blut
aus dem Gefäßnetze des Dottersackes wieder ableitet (Balfour A. L.
III 3, 1878).
Cyclostomen.
Die Darmlebervenen und die V. subintestinalis. Bei
Petromyzon fluviatilis sind die ersten auftretenden Venen die vom
Sinus venosus aus entstehenden Darmlebervenen (Goette A. L. III
2. 1890). Sie entsprechen den V. omphalo-mesentericae der Selachier.
Zunächst bilden sie rechts und links von den Leberschläuchen wan-
dungslose Lakunen und gehen, caudalwärts sich vereinigend, auf die
ventrale Fläche des Darmes über, wo sie einen mächtigen Venenstamm,
die V. subintestinaKs bilden (Fig. 137), die ebenso wie die Darmleber-
1) Nach H. ViRCHOw (A. 1895) ist diese Arterie zuerst paarig augelegt, und
verschmelzen die paarigen Anlagen erst sekundär zu einem unpaaren Stamme.
120
HOCHSTETTER,
veuen erst später eine epitheliale AVandiing erhält (Goette A. L. III
2, 1890). — Etwas später als diese Venen treten die V. cardinales anf.
V. cardinales nnd D. Cnvieri. Sie erscheinen als schwache
Zweige der cranialen Endstrecke der Darmlebervene nnd münden
znnächst noch unabhängig voneinander, durch das Mesocardium laterale
(Goette's Parietalgekröse) an die Darmlebervene herankommend, in
die letztere (Fig. 137). — Erst später rücken die Mündungen der vor-
deren und hinteren Cardinalvene zusammen und bilden, miteinander
verschmelzend, den anfänglich ganz kurzen Ductus Cuvieri (Fig. 138). —
In dieser Entwickelungsperiode durchströmt das Blut der V. cardinalis
anterior, bevor es in den D. Cuvieri gelangt, die Kopfniere. — Später
kommt es dazu, daß dieses Organ infolge eingetretener Wachstums-
verschiebungen in den D. Cuvieri hineinragt.
V. jugularis impar. Frühzeitig tritt auch die
impar auf, ein Gefäß, welches in der ventralen Leibeswand
und Herzgegend verläuft und den Sinus venosus durch
Lebergekröse erreicht.
Bildung des Pf or t ad er kr eislau f es der Leber
V. jugularis
der Kiemen-
das ventrale
Infolge
nun im weiteren Ver-
V.c.a
V.c.cu
V.c.p.
der Abschntirung der Leber vom Darme giebt
laufe der Entwickelung die linke Darmlebervene ihre Verbindung jnit der
V. subintestinalis auf, während
die rechte Vene innerhalb der
Leber in ein Venennetz zerfällt.
— Die proximalen Abschnitte der
Darmlebervenen werden hierauf
zu den V. hepaticae revehentes
(Fig. 138), denen sich später noch
eine dritte V. hepatica revehens
zugesellt, die, bevor sie in den
Sinus venosus mündet ,
jugularis impar aufnimmt
caudal von der Leber
bleibende Abschnitt der
Darmlebervene aber wird zur
Pfortader, deren Hauptwurzel die
V. subintestinalis bildet.
L a g e V e r ä n d e r u n g de r
V. subintestinalis. Diese
schnürt sich allmählich vom Darm
die V.
— Der
übrig
rechten
Fig. 137. Fig. 138.
Fig. 137. Schema des Verhaltens der
ersten Venenstämme zum Sinus venosus
bei Petromyzon nach Goette. Buchstaben-
bezeichnung wie bei den früheren Figuren.
Fig. 138. Schema des Verhaltens der
großen Venenstämme bei einem jungen
Ammocoetes, nachdem der Pfortader-
kreislauf der Leber gebildet ist , nach
Goette.
ab und wird zu gleicher Zeit mit
ihm so gedreht, daß sie ihre ursprüngliche, ventrale Lage aufgiebt und
an die rechte Seite des Darmes zu liegen kommt.
Venen der Spiralfalte. Außerdem bildet sich noch eine
zweite Wurzel der Pfortader in der Vene der Spiralfalte aus, die der
V. subintestinalis stets gegenüberliegt. Diese Vene ist somit ebenso-
wenig wie die gleichnamige der Selachier ein Derivat der V. sub-
intestinalis.
Rückbildung
des linken Ductus Cuvieri.
Auch die
Körpervenen behalten ihre ursprüngliche, symmetrische Anordnung
nicht vollständig bei. Vielmehr entsteht zwischen den beiden D. Cuvieri
eine breite, ventral von der Aorta gelagerte Anastomose, die das Blut
Die Eatwickelung des Blutgefäßsystems. 121
der linken Cardinalveuen dem rechten D. Cuvieri zuführt, während
sich gleichzeitig der linke D. Cuvieri vollständig zurückbildet.
Teleostier.
V. subintestinalis. Auch bei den Knochenfischen sind die
ersten auftretenden Venen die Darmdottersackvenen. Sie wurzeln in der
V. subintestinalis, die im Schwänze aus der an ihrem Ende ventral-
wärts umbiegenden Aorta caudalis beginnt und an der Kloake vorbei
eine kurze Strecke weit an der Ventralseite des Darmes verläuft, um
dann auf den Dottersack überzugehen.
V. vitellina media. Hier setzt sie sich entweder in ein median
über die Dotterkugel dem Herzen zustrebendes Gefäß, die V. vitellina
media, fort (Fig. 139), wie bei Belone (Wenckebach A. L. III 4, 18<S6*,
(Ziegler A. 1887, Ziegenhagen A. 1896), Esox, Syngnathus
Ziegler A. 1887), Gobius (Ziegler A. 1887, Ziegenhagen A. 1896),
Hippocampus (Ziegenhagen A. 189(3) u. a., oder es teilt sich, wie
bei Salmo, der Strom der V. subintestinalis in zwei Ströme (Ziegler
A. 1887, Hochstetter 1888), die seitlich vom Embryo im Bogen
dem caudalen Herzende zustreben ^).
Diese beiden Venen werden auch als
Randveuen bezeichnet, weil sie später '/'
durch längere Zeit den gefäßfreien Teil / /
des Dottersackes begrenzen.
Fig. 139. Gefäßsystem eines Gobius-
Embryo nach Wexckebach. .4. Aorta. R.
Herz. V.c.a. V. cardinalis anterior. V.s.i. V. sub-
intestinalis anterior. V.v.m. V. vitellina media. V.v.m.
D.a D. Cuvieri.
V. c a r d i n a 1 e s und S t a m m v e n e. Später als diese Venen
treten die Körpervenen auf. Die V. cardinales posteriores sind zwar
als paarige Zellstränge angelegt, verschmelzen aber (Ziegler A. 1887),
noch bevor sie hohl werden, zur einheitlichen Stammvene, die sich
erst caudal von den Kopfnieren in die beiden hinteren Cardinalveuen
gabelt. — Hier bleiben aber die paarigen Anlagen getrennt und zerfallen
in den A'ornieren in ein Gefäßnetz, aus dem sie wieder als einfache
Stämme hervorgehend sich mit den V. cardinales anteriores zu den
D. Cuvieri vereinigen, die ihrerseits wieder in die Sinusabteilung des
Herzens münden. Während diese Mündung bei den meisten Knochen-
fischembryonen unmittelbar erfolgt, setzen sich bei Belone, wegen der
eigentümlichen Lage, die das Herz in frühen Entwickelungsstadien bei
dieser Form einnimmt, indem es infolge der mächtigen Entwickelung
des Dotterorganes sein Venenende nach vorne kehrt, die beiden
D. Cuvieri 2) auf den Dottersack fort, um in flachem Bogen das ^'enen-
1) Doch kommt gelegenthch bei Salmo salvelinus und fario nur die linke Dottersack
venezur Entwickelung (Hochstetter 1888), während bei Corregonus palea nach Vogt
zwar beide Venen angelegt werden, aber die linke frühzeitig wieder schwindet.
2) Wenckebach (A. L. III 4, 1887) hat diese beiden Venen als Randvenen be-
zeichnet, und auch Ziegenhaüen hat diesen Namen für sie gebraucht. Ziegler
(1887) hat jedoch bereits das Wesen dieser Gefäße richtig erkannt und sie als
D. Cuvieri bezeichnet.
122 HOCHSTETTER,
ende des Herzens zu erreichen. Aehnlich liegen auch die Dinge bei
Gobius (Ziegenhagen A. 1806) [Fig. 139]. nur daß hier die Ductus
Cuvieri, da sich auf dem Dottersacke ein Gefäßnetz nicht entwickelt
und die V. vitellina media stets das einzige Dotter sackgefäß bleibt, in
keine Beziehung zur Entwickelung des Dottersack-Gefäßnetzes treten.
Weiterentwickeln ng der Dotter sackcirkulation bei
Salmo. Mit der weiteren Ausbildung des Schwanzes verlängert sich
die Wurzel der \. subintestinalis caudalwärts und kann bis zur Kloake
als V. caudalis bezeichnet werden. — Bei Salmo entwickelt sich dann
von der Stelle aus, an welcher die V. subintestinalis auf den Dotter-
sack übergeht, ein Gefäßnetz auf dem letzteren, welches sich an den
Randvenen begrenzt, und diese rücken auf dem Dottersack immer
weiter vor (Fig. 140, 141), überschreiten seinen Aequator und be-
grenzen schließlich nur noch ein kleines, ventral vom Kopfe gelegenes,
gefäßfreies Feld. — Hierauf bildet sich die rechte Raudvene zurück, in-
dem auch in dem früher gefäßfreien Felde Venenbahnen auftreten und
die linke Randvene bleibt nunmehr als alleinige abführende Dotter-
sackvene übrig und verlängert sich caudalwärts, indem bestimmte, sich
ausweitende A'enenreiserchen des Dottersackgefäßnetzes ihre caudale
Fortsetzung bilden (Ziegenhagen A. 1896).
Aenderungen in der Abfluß bahn der V. subintesti-
nalisund Entwickelung desPfortad er Systems der Leber.
Lange bevor jedoch die Ausbildung dieser einfachen abführenden
V. vitellina vollendet ist, stellen sich neue Beziehungen der V. sub-
intestinalis her. — Wie Ziegenhagen (A. 1894) gezeigt hat, mündet
nämlich ein Ast der A. raesenterica, welcher der Dorsalseite des
Darmes folgt, in die V. subintestinalis dort, wo sie auf den Dotter-
sack übergeht, während andere Aeste dieser Arterie zur Leber ziehen,
Fig. 140. Fig. 141. Fig. 142.
Fi s:. 140 — 142. Entwickelung der Dottersackcirkulation bei der Forelle.
(Schema.)
deren Blut von der Leber aus in mehreren Venenreiserchen dem Dotter-
sackgefäßnetz zuströmt. Nun kehrt sich in einem bestimmten Zeitpunkte
der Blutstrom in dieser in die V. subintestinalis mündenden Arterie um,
und es geht das Blut der V. subintestinalis nicht mehr ausschließlich direkt
auf den Dottersack über, sondern strömt auch der Leber zu und ge-
langt erst durch diese hindurch auf den Dottersack. — Schließlich ver-
liert die V. subintestinalis (Fig. 142) die direkte ^'erbindung mit dem
Dottersackgefäßnetze vollständig und verläuft von der ventralen Seite
des Darmes aus, an seiner linken und dorsalen vorbei zur Leber,
deren Gefäßnetz sie jetzt das Blut zuführt. Das Gefäßnetz des Dotter-
Die Entwickelung des Blutgefäßsj^stems, 123
sackes aber wird nun ausschließlich durch die aus der Leber hervor-
tretenden Venen mit Blut versorgt (Fig. 142).
Verbindung der V. caudalis mit der Stammvene.
Während sich die geschilderten Verhältnisse herstellen, tritt auch die
Caudalvene in Verbindung mit der Stammvene, deren Wurzel sie
nun bildet und verliert ihren Zusammenhang mit der V. subintesti-
nalis. — Darüber, wie bei Salmo mit der Rückbildung die Dottersack-
venen schwinden und wie sich dann die V. hepaticae revehentes der
fertigen Form entwickeln, ist bis jetzt nichts bekannt geworden.
Wesentlich anders als bei Salmo gestalten sich die Verhältnisse
bei allen jenen Knochenfischembryonen , die eine V. vitellina media
besitzen und bei denen sich ein Gefäßnetz auf dem Dottersack entwickelt.
Dotter sack cirkulation bei Per ca. Bei Perca (Ziegler
A. 1887) stellen sich ähnliche Verhältnisse der V. subintestinalis zur
Leber her wie bei Salmo. — Die V. vitellina media schwindet und das
aus der Leber in das nur linkerseits entwickelte Gefäßnetz des Dotter-
sackes strömende Blut sammelt sich in einer Vene, die der linken
Randvene von Salmo entspricht.
DottersackcirkulationbeiBelone. Bei Belone entwickelt
sich das Gefäßnetz auf dem Dottersacke (Ziegenhagen A. 1896) aus den
beiden D. Cuvieri , die in ein Gefäßnetz zerfallen , welches mit der
V. vitellina media in Verbindung tritt und den ganzen Dottersack
überzieht. — An dieses Netz schließen sich die aus der Leber hervor-
kommenden Venen an. Die V. subintestinalis scheint jedoch ihre Be-
ziehung zur V. vitellina media beizubehalten.
Bildung d e s P f 0 r t a d e r s y s t e m s b e i G o b i u s. Bei Gobius,
bei welchem die Leber an der hinteren Peripherie des Dottersackes
gelegen ist (Ziegenhagen A. 1896), senkt sich die V. subinte-
stinalis bei ihrem Uebergang auf den Dottersack in die Leber ein
und löst sich später in derselben in ein Gefäßnetz auf, dessen ab-
führende Vene in die V. vitellina media übergeht, die schließlich, nach-
dem der Dottersack geschwunden ist, zur V. hepatica revehens wird.
V. subintestinalis von H i p p o c a m p u s und S y n g n a t h u s.
Bei Hippocampus (Ziegenhagen A. 1896) und Syngnathus (Ziegler
A. 1872) steht die V. subintestinalis in gar keiner direkten Beziehung
zur Leber, und das aus diesem Organ abströmende Blut wird dem
Herzen durch eine kurze V. hepatica revehens zugeführt.
Die Gestaltung des Dottersackkreislaufes ist somit bei den ver-
schiedenen Knochenfischen eine recht verschiedene. Immer aber ist
dieser Kreislauf ein rein venöser und zeigt sich dadurch als wesent-
lich verschieden von dem Dottersackkreislauf der Selachier.
Bezüglich der Umgestaltungen, welche sich bei den Embryonen
der Teleostier im Gebiete der Körpervenen vollziehen, sind unsere
Kenntnisse noch recht mangelhafte, da wir weder wissen, ob, wie bei
den Selachiern und anderen Wirbeltieren , an Stelle der primären
Venenbahn des Kopfes eine sekundäre tritt, noch auch Kenntnis da-
von haljeii, wie sich das Pfortadersystem der Nieren entwickelt.
Amphibien.
Die D 0 1 1 e r d a r m V e n e n. Auch l)ei den Am[)hibien kommen
zwei Dottersackvenen zur Entwickelung (Goette A. L. III 7, 187(3,
124 HOCHSTETTER.
Brächet A. 1898, Choronshitzky 1900). Sie kommen von der
ventralen Fläche des Dottersackes her und verlaufen zu beiden Seiten
an der Leberausstülpung des Darmes vorbei zum Sinus venosus.
Urodelen,
E n t w i c k e 1 u n g d e s L e b e r - P f 0 r t a d e r k r e i s 1 a u f e s. Bei den
Urodelen ist die rechte Vene von vorne herein viel schwächer angelegt
als die linke und obliteriert frühzeitig (Choronshitzky A. 1900). So
bleibt nur die linke Dotterdarmvene erhalten. — Dieselbe liegt während
ihres Verlaufes über den Dottersack ziemlich genau in der Mitte und
kann in diesem Abschnitte ihres Verlaufes als ein Homologon der V.
subintestinalis der Fische betrachtet werden. — Cranial von der Mün-
dung des Leberganges in den Darm mündet in sie die schon früh-
zeitig auftretende V. mesenterica. Nun zerfällt in der Folge der
cranial von dieser Einmündungsstelle befindliche Abschnitt der Dotter-
darmvene zwischen den sich entwickelnden Leberbalken in ein Gefäß-
netz, und es entsteht so das Pfortadersystem der Leber. — Die V.
mesenterica gewinnt an Mächtigkeit, w^ährend die Dotterdarmvene nach
dem Schwinden des Dottermaterials zu der an der ventralen Wand
des Anfangsabschnittes des Dünndarms verlaufenden kleinen Rus-
coNi'schen Vene wird^).
Entwickelung des Leb er -Pfortader kr eislaufe s der
Anuren. Bei den Anuren (Goette A. L. III, 7, 1875) zerfallen beide
Dotterdarmvenen innerhalb der Leber in ein Gefäßnetz. Nur ihre
proximalsten Abschnitte erhalten sich als V. hepaticae revehentes und
verschmelzen erst spät zu einem einheitlichen Gefäßstamm , der als
Endabschnitt der V. cava posterior aus der Leber hervorkommt. — Der
caudal von der Leber befindliche Teil der rechten Dotterdarmvene
geht vollständig verloren, während sich aus dem der Leber zunächst
gelegenen Abschnitt der linken die V. portae entwickelt.
Entwickelung des L e 1) e r p f o r t a d e r k r e i s 1 a u f e s bei
den Gymnophionen. Nach Brauer (A. 1902) bestehen auch bei
Hypogeophis ursprünglich zwei Dotterdarmvenen, — Dieselben ver-
schmelzen vom Sinus venosus aus caudalwärts, bis an das caudale
Ende der Leber, zu einem unpaaren Stamme, der rechterseits an der
Oberfläche dieses Organes verläuft. — Am caudalen Ende der Leber
entstehen aus diesem Stamme zwei secundäre Aeste. — Der eine
von diesen tritt in Verbindung mit der rechten hinteren Cardinalvene,
während der andere, in die Leber eindringend, cranialwärts verläuft
und sich in der Leber verzweigt. — Dieser zweite Stamm bildet die
Anlage der Pfortader. — Seine Ausmündung verschiebt sich später
caudalwärts bis in die unmittelbare Nachbarschaft der Züsammen-
riußstelle der beiden Dotterdarmvenen. — Gleichzeitig wird die rechte
Dotterdarmvene immer schwächer und schwindet schließlich vollständig.
1) Nach Choronshitzky (A. 1900) sollen die beiden Dotterdarmvenen vor ihrer
Mündung in den Sinus venosus miteinander verschmelzen und so einen kurzen
Ductus venosus bilden, aus dem sich dann das Gefäßnetz der Leber entwickeln
würde. Die V. mesenterica soll dabei zunächst in die rechte Dotterdarmveiie
münden, nach Obliteration derselben aber mit der linken Dotterdarmvene zusammen den
Ductus venosus bilden. Verfasser konnte weder bei Triton noch bei Salamandra
die Existenz eines solchen D. venosus nachweisen.
Die Entwickelung des Blutgefäßsystems.
125
verengert
sich der durch die
Verschmelzimg
der beiden
— Nun
Dotterdarmveuen entstandene Veueustamm zwischen den Abgangs-
stelleu der Pfortader und des Verbindungsastes mit der rechten
hinteren Cardinalvene und indem so das Blut aus der nunmehr allein
erhaltenen linken Dotterdarmvene in die Pfortader ab- und durch diese
der Leber zuströmt, kommt es schließlich im Bereiche der verengerten
Stelle zu einer vollständigen Obliteration des Dotterdarmvenenstammes.
dessen proximaler Abschnitt jetzt als Leberabschnitt der hinteren
Hohlvene, nicht nur Blut aus der rechten hinteren Cardinalvene zu-
geführt erhält, sondern auch die inzwischen entstandenen V. hepaticae
revehentes aufnimmt. — So gestaltet sich also nach Brauer (A. 1902)
die Entwickelung des Leberpfortaderkreislaufes bei Hypogeophis in
wesentHch anderer Weise als bei den übrigen Amphibien.
V. Cardinal es posteriores. Die V. cardinales posteriores,
die in der V. caudalis wurzeln , um scheiden bei den Urodelen den
Vornierengang (Hochstetter 188!^) , während sie bei den Anuren
(GoETTE A. L. III, 7, 1875) an dessen medialer Seite verlaufen. — Ihr
Blut durchströmt bei Urodelen und Anuren bevor sie in die D. Cuvieri
münden, indem sie zwischen den Vornierenschläuchen in ein lacunäres
Gefäßnetz zerfallen , die Vorniere. — Bei den Urodelen erfolgt dann
während der weiteren Entwickelung im Ge-
biete der ürnierenanlage eine Längsteilung
der V. cardinales posteriores (Fig. 143), und
es werden, indem sich die Urnierenkanälchen
entwickeln, die so entstandenen medialen
Schenkel der V. cardinales p. gegeneinander
gedrängt, bis sie miteinander verschmelzen.
Vca
Fig. 143. Verhalten der Cardinalvenen vor dem
Auftreten der liinteren Hohlvene bei Salamandra.
(Schema.) Buchstabenbezeichnung wie bei den
Figuren 127 — 132.
Fig. 144. Verhalten der Hauptvenenstämme von
Salamandra nach dem Auftreten der hinteren
Hohlvene. V.ca.-p. V. cava posterior. V.r.a. V. renalis
advehens. V.i. V. ischiadica.
\.caA*.
Vc£up
Fig. 143.
Fig. 144.
Entwickelung der V. cava posterior der Urodelen.
Indem sich nun der zwischen den beiden Urnieren gelegene mediane
Venenstamm mit einem von der V. hepatica revehens durch die Leber
und den Hohlvenenabschnitt des rechten Nebengekröses herabwach-
senden Venenzweig verbindet, der sich rasch erweitert, entsteht die
V. cava posterior, deren Urnierenabschnitt nun seine Verbindung mit
der V. caudalis verliert, so daß das Blut aus dieser Vene nunmehr
ausschheßlich in den lateralen Schenkel der hinteren Cardinalvene
gelangt (Fig. 144) und erst von diesem aus durch das Venennetz der
V. cava posterior zugeführt werden kann. In den nun-
renalis advehens fungierenden lateralen Schenkel der
p. mündet nun auch außer einer Reihe von Venen der
Leibeswand die Hauptvene der Hintergliedmaße. — Die cranial von der
Urniere befindlichen Abschnitte der V. cardinales p. persistieren bei
Salamandra zeitlebens und stehen dann mit der hinteren Hohlvene
am cranialen Ende der Niere in Verbindung.
Urniere der
mehr als V.
V. cardinalis
126 HOCHSTETTER,
E 11 1 w i c k e 1 u n g der hinteren H o h 1 v e n e bei d e n A n u r e n.
Bei den Auuren vollzieht sich nach Goette (A. L. III. 7, 1875) und
Shore (1901) die Entwickelung der hinteren Hohlvene in ganz ähn-
licher Weise wie bei den Urodelen. — DieUrnierenabschnitte der hinteren
Cardinalvenen nähern sich einander und verzchmelzen schließlich bis
auf ihre caudalste Strecke miteinander, durch welchen Vorgang der
üruierenabschnitt der hinteren Hohlvene gebildet wird. Vorher schon
aber hat sich der selbständig entstehende Abschnitt der hinteren Hohl-
vene gebildet und mit der rechten hinteren Kardinalvene unmittelbar
cranial von der Stelle in Verbindung gesetzt, bis zu welcher die Ver-
schmelzung der Urnierenabschnitte der Cardinalvenen reicht. Dieser
selbständig entstehende Abschnitt der Hohlvene soll nach Goette bei
Bombinator vom Sinus venosus aus entstehen, und au seine Mündung
in den letzteren sollen sich erst später die Lebervenen anschließen. —
Nach Shore entwickelt er sich beim Frosch von der linken V. hepatica
revehens aus. Er wächst durch die Leber und das rechte Nebengekröse
gegen die Urniere herab.
Die Venen der Rumpfwand sollen dann bei Bombinator, nachdem
sie vorher direkt in die hinteren Cardinalvenen mündeten, nachdem
die Urnierenschläuche entwickelt sind, zwischen diesen in ein Gefäß-
netz zerfallen und am lateralen Rande der Urniere durch eine Längs-
anastomose untereinander in Verbindung treten, in die auch die V. iliaca
mündet und die sich caudal in den nicht verschmolzenen Abschnitt
der hinteren Cardinalvene fortsetzt. — Nach Shore sollen dagegen beim
Frosch die entstehenden Urnierenschläuche die lateralen Teile des
Urnierenabschnittes der hinteren Hohlvene gewissermaßen durch-
wachsen und auf diese Weise zwischen ihnen sinusartige Venenräume
entstehen, die am lateralen Rande der Urniereu mit einem Längs-
venenkanal, in den auch die V. iliaca einmündet, abschließen, aus dem
später die V. renalis advehens hervorgeht. — Mit dem Schwunde der
Caudalvene bilden sich schließlich die am cranialen und caudalen Pole
der Urnieren noch bestehenden Verbindungen zwischen den am late-
ralen Rande der Urnieren gelegenen Längsveneu (V. renales advehentes)
und der hinteren Hohlvene zurück, und es stellen sich so die definitiven
Verhältnisse her.
Die hinteren Cardinalvenen und die Bildung der
hinteren H o h 1 v e n e bei den G y m n o p h i o n e n. — Die hinteren
Cardinalvenen erscheinen bei Hypogeophis nach Brauer (A. 1902)
zuerst im Gebiete der Vornieren, wo sie dorsal vom Vornierengange
verlaufen. — Später verlängern sich diese Gefäße caudalwärts von
den Vornieren jederseits in zwei Gefäße, von denen das eine dorsal
vom Vornierengange gelegen ist und die Anlage der V. renalis
advehens bildet, während das andere, als eigentliche Fortsetzung der
hinteren Cardinalvene zu betrachtende, ventral von der Urnierenanlage
verläuft.
In der Vorniere zerfallen die hinteren Cardinalvenen nicht, wie
dies Semon (A. 1891) für Ichthyophis angegeben hat, in ein Venen-
netz , sondern sie nehmen aus diesem Organe nur segmental an-
geordnete Venenzweige auf. — Im Gebiete der Urnierenanlage
kommuniziert die Fortsetzung jeder V. cardinalis posterior mit der
Anlage der V. renalis advehens ihrer Seite durch quere, segmental
angeordnete, den Vornierengang an seiner Dorsalseite umgreifende
Anastomosen.
Die Entwickelung des Blutgefäßsystems. 127
In späteren Entwickelungsstadien verlängern sieb dann die hinteren
Cardinalvenen bis ins Scbwanzgebiet, wo sie in der einfachen V. caudabs
Avurzebi, — Und nocb etwas später treten auch die Anlagen der V.
renales advebentes in einiger Entfernung cranial von der Gabeluugs-
stelle der V. caudabs mit ihnen in Verbindung. — In der Folge
nähern sich nun im Urnierengebiete die beiden hinteren Cardinal-
venen einander und beginnen nahe der Stelle, an welcher die rechte
V. cardinalis mit dem Stamme der Dottervenen in Verbindung ge-
treten ist (vgl. p. 124, 125), miteinander zu verschmelzen, wie dies auch
Semon (A. 1891) für Ichthyophis angiebt, und diese Verschmelzung
erstreckt sich allmählich immer weiter caudalwärts. — Wie bei den
Urodelen löst sich später am caudalen Ende der Urnieren die Ver-
bindung zwischen den V. cardinales posteriores und den V. renales
advebentes und das Blut aus der Caudalvene strömt dann nur mehr
in die letzteren ab. — Aus den Anastomosen zwischen den V. renales
advebentes und den V. cardinales aber entwickelt sich das Venennetz
der Urnieren.
Es wurde früher bereits (p. 124) erwähnt, dass sich der Stamm
der verschmolzenen Dotterdarmvenen durch einen Venenast mit der
rechten hinteren Cardinalvene in Verbindung setzt. Dieser Ver-
bindungsast entspricht nun zweifellos dem selbständig entstehenden
Abschnitte der hinteren Hohlvene anderer Formen , während der
zwischen den Urnieren gelegene, durch Verschmelzung der hinteren
Cardinalvenen entstandene Venenstamm dem Urnierenabschnitte der
hinteren Hohlvene der Urodelen und Anuren zu vergleichen ist. —
Nun kommt es aber bei Hypogeophis, indem die Leber caudalwärts
auswächst, zu einer ganz beträchtbchen Verschiebung der Eiumündungs-
stelle des selbständig entstehenden Abschnittes der hinteren Hohl-
vene in den Urnierenabschnitt dieses Gefäßes in caudaler Richtung.
Dadui'ch erscheint dann der Urnierenabschnitt der hinteren Hohl-
vene über diese Einmündungssteile hinaus cranialwärts verlängert M
und diese craniale Verlängerung setzt sich noch später mit dem
cranialen Ende der rechten hinteren Cardinalvene in direkte Ver-
bindung, so dass aus ihr das Blut gegen den rechten D. Cuvieri ab-
strömen kann. — Auf diese Weise entsteht die vordere Nierenvene
der Gymnophionen, deren proximale Endstrecke somit aus der proxi-
malen Endstrecke der V. cardinalis posterior dextra entsteht. — Die
proximale Endstrecke der linken hinteren Cardinalvene aber verschwindet
mit der Rückbildung der Vornieren spurlos.
Entwickelung der Abdominal vene. Die Abdominalvene
entsteht bei Bombinator (Goette A. L. III 7, 1875) ihrer ganzen
Länge nach paarig und mündet zuerst in den Sinus venosus, während
sie caudalwärts mit den Venen der Hintergliedmaße zusammenhängt
und die Harnblasenvenen aufnimmt. — Später verschmelzen ihre An-
lagen zwischen Leber und Harnblase zu einem unpaaren Stamme,
während gleichzeitig der craniale Abschnitt der rechten Vene zu
Grunde geht. In die so unpaar gewordene Abdominalvene senkt sich
vor ihrer Mündung eine Herzvene ein. — Noch später bildet sich dann
eine Anastomose zwischen ihr und der V. portae aus, und es obliteriert
ihr Mündungsstück, so daß nun das Blut der Abdominalvene und der
in sie mündenden Herzvene der Pfortader zuströmt.
l)''Vorderer Ast der hinteren Hohlvene nach Brauer.
128 HOCHSTETTER,
Bei Salamandra (Hochstetter 1894) ist die Anlage der Ab-
dominalvene nur zwischen Leber und Becken paarig, ventral von der
Leber aber unpaar, und dieser unpaare Venenstamm scheint in den
linken D. Cuvieri zu münden. — Später verschmelzen auch hier die
beiden caudal mit den V. renales advehentes zusammenhängenden
Venen, und der so gebildete Venenstamm tritt in Verbindung mit der
Pfortader und verliert seine Mündung in den D. Cuvieri.
V. lateralis. Schon sehr frühzeitig tritt bei den Embryonen
der Urodelen (Field, Hochstetter 1893*) im Rumpf und Schwanz-
gebiet eine Vene auf, die dem R. lateralis n. vagi folgt und die in
das Vornierennetz der V. cardinalis p. mündet. Sie erhält sich als
dünner Venenstamm (V. lateralis) wenigstens eine Strecke weit auch
noch bei der ausgebildeten Form.
V. cardinales anteriores. Die V. cardinales anteriores zeigen
bei den Urodelen im Kopfgebiet eine ähnliche Lage, wie die gleichen
Venen der Selachier (Field A. 1893, Hochstetter 1893*). Bald tritt
jedoch wie dort in den vordersten Partieen des Kopfes an Stelle dieser
medial von den Hirnnervenwurzeln gelegenen Venen bahn eine lateral
von ihnen verlaufende (V. capitis lateralis), die caudal vom Facialis-
gangiion wieder in die ursprüngliche Venenbahn übergeht, die ihrer-
seits in der Gegend des Ganglion nodosum vagi einen vom Hinter-
hirn kommenden Venenzweig aufnimmt, um von da an als V. jugularis
interna zu persistieren.
Ob bei den Anuren die primäre Venenbahn des Kopfes sich ebenso
verhält wie bei den Urodelen, ist noch nicht sichergestellt. In späteren
Entwickelungsstadieu zeigt die Hauptvenenbahn des Kopfes eine ähn-
liche Lage wie die V. capitis lateralis der Urodelen. — Als sicher kann
es aber jedenfalls gelten, daß das von Goette (A. L. III 7, 1875)
als V. jugularis communis bezeichnete Gefäß aus dem proximalen Ab-
schnitt der V. cardinalis a. hervorgegangen ist.
V. jugularis inferior. Sowohl bei Urodelen (Field A. 1893)
als auch bei Anuren kommt es dann noch im Kopfgebiete zur Eut-
wickelung einer anderen paarigen Venenbahn, die Goette als V. jugu-
laris inferior bezeichnet und die möglicherweise der V. jugularis impar
der Cyclostomen entspricht. — Diese Vene sammelt das Blut aus der
Zunge und der Unterkiefergegend und mündet jederseits in das End-
stück des D. Cuvieri.
Entwickelung der Extremitätenveneu. Die Extremitäten-
venen werden an der vorderen und hinteren Extremität in über-
einstimmender Weise angelegt. — Die erste Venenbahn wird von dem
abführenden Schenkel der den Extremitätenstummel versorgenden Ge-
fäßschlinge (Allen Thomson A. 1831 — 33, Goette A. L. III 7,
1875), der ulnar resp. fibular ge-
legen ist, gebildet. — Sobald 2
Zehen gebildet sind, kommt bei
Triton zu dieser Nebenbahn noch
eine zweite dem radialen resp.
b tibialen Rande der Extremität
Fig. 145. a Vordere Extremität einer f?!g^"^^^ \^"f .^^"^^/^ . (Fig- 145).
Tritonlarve mit ihren Gefäßen, b Hin- Die SO gebildeten beiden Venen
tere Extremität einer älteren Triton- der vorderen Extremität münden
larve mit Gefäßen. in das Vomierennetz der V.
a.
Die Entwickelung des Blutgefäßsystems. 129
cardinalis p,, die der hinteren in die V. renalis advehens. — Später
verbinden sich die beiden Venen jeder Extremität durch eine
Queranastomose in der Gegend des Ellbogen- resp. Kniegelenkes
miteinander, und es bildet sich der Oberarmabschnitt der ulnaren
und der Oberschenkelabschuitt der tibialen Vene zurück (Hoch-
STETTER 1891).
Reptilien.
Den Dotterdarmvenen der Anamnier entsprechen die bei den
Reptilien sowie bei allen Amnioten als erste Venenstämme auftretenden
V. omphalo-mesentericae. — Bei Lacerta ist die rechte Vene wesentlich
schwächer als die linke, während bei Tropidonotus ein umgekehrtes
Verhalten nachweisbar ist. Diesen beiden in den Sinus venosus
mündenden Venen gesellen sich bald die aus der Vereinigung der
vorderen und hinteren Cardinalvenen gebildeten D. Cuvieri und die
allen Amnioten eigentümlichen, das Blut aus der Allantois durch die
Bauchwand abführenden V. umbilicales zu.
Entstehung der einfachen V. omphalo-raesenterica
und des Pfortader Systems der Leber. Bei Lacerta setzen sich
bald nach dem Auftreten der dorsalen Pankreasanlage die beiden
V. omphalo-mesentericae caifdal von dieser Anlage und dorsal vom
Darme durch eine quere Anastomose miteinander in
Verbindung, und kurze Zeit darauf verschmelzen sie
weiter caudal, auch ventral vom Darme miteinander,
so daß sie einen Venenring um den Darm bilden
(Fig. 146), während gleichzeitig ihre Leberabschnitte IflR^HF ^^■""
in der Leber in ein Venennetz zu zerfallen beginnen.
■"»^
Fig. 146. Bildung des Ringes der V. omphalo-mesentericae
um den Darm bei Lacerta. (Schema.) V.n. V. umbilicalis, a^^Voms
übrige Bezeichnungen wie in den früheren Figuren. ^'""' ■ ' '
Hierauf schwindet zuerst der rechte Schenkel des Venenringes, und
indem die Auflösung der beiden V. omphalo-mesentericae in der Leber
weitere Fortschritte macht und vorerst zu einem Zerfall der linken
Vene führt, bildet sich nicht nur ihr zwischen A'enenring und Leber-
gefäßnetz gelegenes, sondern auch ihr proximales, in den Sinus venosus
mündendes Endstück zurück. Noch etwas später zerfällt dann auch
die rechte Vene im Innern der Leber vollständig. — Durch diese Pro-
zesse ist nun eine in zwei vom Dottersack herkommenden Zweigen
wurzelnde, einfache V. omphalo-mesenterica gebildet, die in spiralem
Verlaufe den Darm umgreift (Fig. 151), dort, wo sie das dorsale Pankreas
passiert, die V. mesenterica aufnimmt und an der rechten Seite des
Darmes als V. portae in die Leber eindringt. — Die proximale End-
strecke der V. omphalo-mesenterica dextra aber erhält sich als V.
hepatica revehens und bildet später das Endstück der V. cava posterior
(HOCHSTETTER 1892).
Granz ähnlich wie bei Lacerta sind die Veränderungen, die sich an
den V. omphalo-mesentericae von Anguis fragilis ausbilden (Choronshitzkv
Handbuch der Entwickelungslehre. III. 2. 9
130
HOCHSTETTER,
A, 1900), und ein Gleiches gilt auch für Tropidonotus, bei welcher Form
(HocHSTETTER 1892) allerdings die V. omphalo-mes. sinistra in ihrem
an der Leberanlage vorbeiziehenden Abschnitt schon schwindet, bevor
noch der Ring der V. omphalo-mesentericae ventral geschlossen ist und
bevor die beiden Venen begonnen haben, sich zwischen den Leberbalkeu
in ein Gefäßnetz aufzulösen.
die Entwickeln 11 g
Die V. cardinales posteriores und
der hinteren Hohlvene. Die V. cardinales p. wurzeln bei den
Embryonen von Lacerta
I V'c».
iVc.c
V.ca
Vcau.
V.H
oap.
Fig. 147.
Fig. 148.
Fig. 149.
Fig. 147—149. Die Umwandlungen im öebiet
der V. cardinales und die Bildung der hinteren Hohl-
vene bei Lacerta. (Schemata.) V.a.U. zuführende
Urnierenvene. V.r.U.a.,p. vordere und hintere rück-
führende Urnierenvene. Die übrigen Bezeichnungen
wie in den vorhergehenden Figuren.
am caudalen Ende der
Urnieren und verlaufen
an der Dorsalseite dieser
Organe bis an ihr cra-
niales Ende, welches sie,
in mehrere Bahnen zer-
fallend (Fig. 147), durch-
ziehen, bevor sie in die
D. Cuvieri münden. Die
V. caudalis gabelt sich,
an den Urnieren an-
gelangt, und ihre beiden
Aeste folgen den me-
dialen Rändern dieser
Organe. Ihr Blut muß
somit, um in die hin-
teren Cardinalvenen zu
gelangen, vorerst die
Urnieren durchströmen.
Nun entwickelt sich von der V. hepatica revehens dextra aus,
während die beiden Aeste der Caudalvene zwischen den Urnieren in
der Nachbarschaft der Wurzel der A. omphalo-mesenterica, diese um-
fassend, auf eine kurze Strecke weit miteinander verschmelzen, eine
Vene, die, durch das rechte Nebengekröse caudalwärts absteigend, mit
dem zwischen den beiden Urnieren gelegenen Venenstamme in Ver-
bindung tritt. — Der letztere verliert dann seine früheren Beziehungen
zur Caudalvene, indem sich dieselbe jederseits durch eine Anastomose
mit der hinteren Cardinalvene in Verbindung setzt (Fig. 148, 140).
— So bildet sich bei Lacerta wie bei den Amphibien die hintere Hohl-
vene aus drei ihrer Genese nach ganz verschiedenen Abschnitten, die
wir als Urnierenabschnitt, selbständig entstandenen und aus der
omphalo-mesenterica hervorgegangenen
Bei Tropidonotus, wo die Caudalvene
vornherein in die V. cardinales p. über-
den Urnieren gelegene Teil der
proximalen Endstrecke der V
Abschnitt bezeichnen können
mit ihren beiden Aesten von
geht, entsteht auch der zwischen
hinteren Hohlvene selbständig.
Indem bei Lacerta in der Folge das Mündungsstück der V. car-
dinales p. schwindet, muß das Blut der Caudalvene und der in die
hinteren Kardinalvenen mündenden Venen der hinteren Extremitäten
und der Rumpfwand das Venennetz der Urniere passieren (Fig. 149),
um in die hintere Hohlvene zu gelangen. Dieses Gefäß hat inzwischen
im Gebiete der Urniere sein Verhalten geändert. An Stelle des
Die Entwickelung des Blutgefäßsystems.
131
unpaaren Venenstammes sind, durch Spaltung aus ihm eut-
2 Wurzelstämme getreten, die den medialen Rändern der
biegt nach Aufnahme
früheren
standen,
Urniere anlagern. Der linke von diesen beiden
einer V. rev. vom cranialen Teile der linken Urniere, unmittelbar
caudal von der Wurzel der A. omphalo-mesenterica, unter rechtem
Winkel um und vereinigt sich mit dem rechten zum unpaaren Hohl-
venenstamm, in den nahe dieser Stelle eine V. revehens, vom cranialen
Abschnitte der rechten Urniei'e kommend, einmündet (Fig. 149). Ent-
steht dann caudal von der Urniere die Niere, so kommen die V. car-
dinales p. zum Teil an deren laterale, zum
Fläche zu liegen und geben Zweige an sie ab
die beiden Wurzelzweige der hinteren Hohl-
vene, caudalwärts auf die Nieren übergreifend,
verlängern und zwischen diesen Organen mit-
einander verschmelzen (Fig. 150).
Bei Tropidonotus, wo sich die Verhältnisse
der hinteren Hohlvene ähnlich gestalten wie bei
Lacerta, bleibt jedoch diese Verschmelzung aus.
Fig. 150. Verhalten der hinteren Kardinalvenen und
der V. Cava posterior bei alten Lacertaembryonen.
(Schema.) JV. Niere. U. Urniere, übrige Bezeichnungen
wie in den vorhergehenden Figuren.
Teil
(Fig.
an deren ventrale
150), während sich
V. r.a.U
V.r.pu
V.cau .
V. verleb rales posteriores. Infolge der Rückbildung der
cranialen Abschnitte der Urnieren, kommt es jederseits, in dem in Be-
tracht kommenden Gebiete, zwischen den segmentalen Venen der Rumpf-
wand in unmittelbarer Nachbarschaft der Wirbelsäule zur Bildung einer
Längsanastomosenkette, die cranial in die V. subclavia mündet und als
V. vertebralis posterior bezeichnet wird. Dieselbe tritt rechterseits
durch ein oder zwei V. hepaticae advehentes vertebrales mit dem
Pfortadernetze der Leber in Verbindung. Auch bei Tropidonotus ent-
wickeln sich in ähnlicher Weise wie bei Lacerta die Vertebralvenen, doch
bleiben dieselben nicht als fortlaufende Stämme erhalten, da sich bald
zahlreiche Anastomosen zwischen ihnen einer- und der A\ portae,
den V. gastricae und V. oesophageae andererseits entwickeln, deren
Ausbildung den Zerfall der früher kontinuierlichen A'enenbahn zur
Folge hat.
Die V. umbilicales und die diese Venen betreffen-
den U m w a n d 1 u n gen. Die ursprünglich gleich starken V. umbilicales
münden bei Lacerta zuerst gemeinsam mit den \ . omphalo-mes. in den
Sinus venosus (Fig. 146). Bald erweitert sich jedoch die rechte ^'ene,
während die linke enger wird und durch einen Ast mit dem Venennetze
der Leber in ^"erbindung tritt. Dieser Ast und ein in seiner Fort-
setzung gelegener Venenast der Leber, der in die V. hepatica revehens
mündet, erweitern sich nun sehr rasch (Fig. 151), das Mündungsstück
der V. umbilicalis sinistra obliteriert und ebenso das in der Leibes-
wand gelegene Stück der rechten \. umbilicalis, die vorher schon am
Nabel mit der linken in Verbindung getreten war und es persistiert
nun bis zur Geburt nur mehr die letztere. Dieselbe verschiebt sich
später immer mehr medianwärts und kommt schließlich in das ventrale
Lebergekröse zu liegen. Inzwischen hat sich innerhalb der Leber in
der Fortsetzung der V. portae eine in den Leberabschnitt der V. um-
9*
132 HOCHSTETTER,
bilicalis leitende Venenbalin erweitert, so daß nun ein Theil des Pfort-
aderblutes , ohne das Capillarnetz der Leber passieren zu müssen,
direkt in die hintere Hohlvene abströmen kann. Diese direkte Ver-
bindung zwischen Pfortader und Leberabschnitt der Umbilicalvene ob-
literiert jedoch nach der Geburt ebenso wie
die Umbilicalvene selbst.
Bei der Natter vollziehen sich die Um-
Avandlungen im Gebiet der V. umbilicales in
ganz ähnlicher Weise wie bei Lacerta, nur
kommt bei dieser Form eine direkte Ver-
bindung zwischen V. portae und dem Leber-
v-»* abschnitte der V. umbilicalis nie zur Ent-
wickelung.
V.W
'ö-
Vc-ap. iM^yo.m
Fig. 151. Verbindung der V. umbilicalis sinistra
mit der V. bepatica revebens bei Lacerta. (Scbema.)
Bezeicbnungen wie bei Fig. 146 und 149.
Entwickelung der Abdominalvene. Die V. abdominalis
von Lacerta entsteht aus zwei in der Bauchwand verlaufenden Venen-
zweigen, die einerseits in der Beckengegend mit den V. cardinales p.
zusammenhängen, andererseits caudal vom Nabel in die V. umbilicahs
münden. Diese beiden Venenzweige verschmelzen später in der
Mittellinie miteinander und treten durch einen das ventrale Gekröse
passierenden Zweig mit der Pfortader in A'erbindung, worauf ihre
Mündung in die V. umbilicalis zu bestehen aufliört. Auch eine An-
zahl anderer Venen, die dem Gebiete der Bauchwand, ventral von der
Leber angehören und ursprünglich in die V. umbilicalis münden,
geben ihre Beziehungen zu dieser auf, nachdem sie mit dem Pfort-
adernetze der Leber in Verbindung getreten sind. Bei den Che-
loniern und Krokodiliern perstistiert die V. abdominalis als paariges
Gefäß 1).
Seitenrum pfvene. Auch eine der Seitenvene der Urodelen
vergleichbare Venenbahn kommt bei Lacerta zur Ausbildung. Sie er-
streckt sich fast über die ganze Länge des Rumpfes, zwischen den
Muskelsegmenten verlaufende Venenzweigchen aufnehmend. Caudal
hängt diese Seitenrumpfvene mit den Wurzeln der Abdominalveue zu-
sammen und mündet cranial in die Zusammenflußstelle der V. cardinalis
anterior und posterior.
Die V. cardinales anteriores und die V. capitis
laterales. Im Kopfgebiet zeigen auch bei den Reptilien die V.
cardinales anteriores ursprünglich dieselben Lagebeziehungen wie bei
den Selachiern und Amphibien. Doch auch hier w^erden sie bald ent-
weder teilweise (Lacerta) oder vollständig (Tropidonotus) durch neu-
entstehende, an der lateralen Seite des Gehörbläschens und der Hirn-
nervenwurzeln und Ganglien verlaufende Venenbahnen, die wir V. capitis
laterales nennen, ersetzt (Grosser und Brezina 1895). Diese Venen
entstehen jedoch nicht ihrer ganzen Länge nach auf einmal, sondern
in Teilstücken nach und nach. Ihr erstes Teilstück bildet sich bei
1) Früher glaubte man, daß die V. abdominalis direkt aus der V. umbilicalis
entstehe, doch hat Rathke (A. L. III, 8, 1866) bereits gezeigt, daß bei den Em-
bryonen der Krokodile die V. abdominales neben der V. umbilicalis bestehen.
Die Entwickelung des Blutgefäßsystems. 133
Tropidonotus lateral vom N. facialis und dem Labyrinthbläsclien, indem
um diese Gebilde herum eine Veneninsel entsteht, deren medialer
Schenkel zu Grunde geht, dann bildet sich in ähnlicher Weise ihr
zweites Teilstttck an der Seite des N. glossopharyngeus und ihr drittes
an der Seite des N. vagus. Inzwischen haben sich die Wurzelzweige
der V. cardinalis a., die V. orbitalis inferior
und die V. cerebralis anterior, welch letztere - .
in der Gegend der Epiphysis beginnt, be-
trächtlich erweitert und es sind noch zwei
weitere Wurzelgefäße, die V. cerebri media
und die V. cerebri posterior hinzugekommen.
Die erstere kommt von der Decke des Hinter-
hirns herab und mündet caudal vom Trige-
minus (Fig. 152), die letztere entspringt an
der Decke des Nachhirns und mündet caudal i w m-^-v.e.i.
vom Vagus. i i— tm
Fig. 152. Entwickelung der Venenbahnen des
Kopfes von Tropidonotus. (Schema.) Die in
den definitiven Zustand übergehenden Venen sind
dunkel gehalten (nach Grosser und Brezjna).
V.c.l. V. capitis lateralis. V.J. Vena jugularis.
V. N. trigeminus. VII. N. facialis. IX. N. glosso-
pharyngeus. X. N. Vagus. L.Bl. Labyrinthbläschen.
Noch später endlich entstehen die Teilstücke der V. capitis lateralis an
der Seite des 2. und 3. Trigeminusastes und des N. hypoglossus. In-
zwischen entwickelt sich an der Dorsalseite des Gehirns ein medianer
Längsvenenstamm, der die Wurzeln der drei Hirnvenenpaare miteinander
verbindet (Fig. 152) und an dem 3 Abschnitte als V. mediana prosen-
cephali, mesencephali und epencephali unterschieden werden können.
Hierauf verbindet sich die V. cerebri media durch zwei neuentstehende
Venenbahnen einerseits mit der V. cerebri anterior, andererseits mit
der V. capitis lateralis (Fig. 152). Die letztere A^enenbahn (V. cerebri
media secundaria), welche den Schädel mit dem Trigeminus verläßt,
bildet längere Zeit hindurch die Hauptabflußbahn für das venöse Blut
des Gehirns.
Der definitive Zustand wird schließlich in der Weise hergestellt,
daß die V. cerebri anterior in ihrem dorsal von der Einmündung der
Anastomose mit der V. cerebri media (Fig. 152) befindlichen Abschnitte
schwindet, daß ferner die V. cerebri media secundaria in ihren mittleren
Abschnitten schwächer wird und die V. cerebri posterior die den
Schädel durch das Hinterhauptsloch verläßt, sich bedeutend verstärkt.
Während so bei Tropidonotus der Kopfabschnitt der V. cardinalis
anterior vollständig schwindet und an seine Stelle die V. capitis
lateralis tritt, erhält sich der Halsabschnitt der V. cardinalis a, als
V. jugularis interna. In ihn mündet in späteren Entwickelungsstadien
ein Venenstamm, dessen zwei Aeste aus dem Ober- und Unterkiefer
ihr Blut beziehen.
Bei Lacerta vollziehen sich die Umwandlungen im Gebiete der
Venenstämme des Kopfes in ähnlicher Weise wie bei Tropidonotus.
Nur unterbleibt die Bildung der V. capitis lateralis im Gebiete des
2. und 3. Trigeminusastes, so daß also hier auch im Kopfgebiete ein
Stück der V. cardinalis a. persistiert (Fig. 153). Außerdem kommt
134
HOCHSTETTER,
nur zur
es nicht
zur
die V. cerebri
Yenenbahn
Rückbildung
vollständigen Obliteration der V
übrig
posterior
bleibt.
^-R-l
■vj.
als
Im
die V.
Neben
der V. cerebri anterior, sondern auch
cerebri media, so daß schließlich
das Blut vom Gehirn ableitende
persistiert auch bei Lacerta
cardinalis a. als V. jugularis interna.
ihr, in ihren proximalen Abschnitt
einzige
Halsgebiete
mündend, entwickelt sich auf beiden Seiten
eine Vene, die, das Blut aus der Zunge, dem
Kehlkopfe und der Gl. thja-eoidea sammelt
und an der Seite der Trachea herabläuft
(V. trachealis). Später obliteriert die linke
V. trachealis, nachdem sich vorher zwischen
ihr und der rechten eine dorsal von der
Trachea unter der Pharynxschleimhaut
legene Anastomose gebildet hat, die nun
Blut aus den Wurzeln der linken Vene
rechten zuleitet.
das
der
Fig. 153. Entwickelung der Venen des Kopf-
gebietes von Lacerta. (Schema.) (Nach Grosser und
Brezina.) Bezeichnungen wie bei Fig. 152.
Bei Testudo räumt, wie die Untersuchung der ausgebildeten Form
lehrt, die V. cardinalis anterior auch im Halsgebiete einer oberflächlich
gelegenen Venenbahn das Feld (Grosser und Brezina 1895).
Entwickelung der E x t r e in i t ä t e n v e u e n bei Lacerta.
In ganz frühen Entwickelungsstadien sollen bei Lacerta nach C. K.
Hofmann (A. L. III, 8, 1890) segraental angeordnete, zwischen je
2 Muskelknospen aus der Extremitätenanlage in den Rumpf über-
gehende Venenzweigchen bestehen. Später, wenn die Extremität
stummeiförmig erscheint und sich ihr terminales Endstück zu
diff"erenzieren beginnt, finden sich sowohl an der vorderen, als an der
hinteren Extremität 2 Venenbahnen, die dem radialen resp. tibialen
und dem ulnaren resp. fibularen Rande der Extremität folgen und
sich entlang dem Rande des terminalen Endgliedes der Extremität
miteinander verbinden (Fig. 154, 155). Wir nennen diese Venen radiale
resp. tibiale und ulnare resp. fibulare
Randvene der Extremität.
ssy.
Fie;. 154.
Fig. 155.
Fig. 154. Vordere Extremität eines
Lacertaembryo mit axialer Arterie
und Randvenen. S.R.V. Seitenrumpfvene.
Fig. 155. Hintere Extremität eines
Lacertaembryo mit axialer Arterie und
Randvenen.
Die radiale und ulnare Randvene mündet in die Seitenrumpfvene,
deren proximales Endstück somit als V. subclavia zu bezeichnen ist.
Die fibulare Randvene bildet eine Zeit lang die Wurzel der hinteren
Kardinalvene (Fig. 147 V.l.), während die tibiale Randvene in den
früher (p. 132) als Abdominalvenenanlage beschriebenen Zweig der
V. umbilicalis mündet. Bald schwindet jedoch der Oberarmabschnitt
der radialen und der Oberschenkelabschnitt der tibialen Randvene,
Die Entwickelung des Blutgefäßsystems. 135
nachdem diese Venen an der Dorsalseite der Extremität proximal
vom Ellbogengelenke und über dem Kniegelenke mit der ulnaren resp.
libulareu Kandvene in Verbindung getreten sind. Inzwischen sind
die Anlagen des Zehenskelettes aufgetreten und haben durch ihr
Vorwachsen die Strombahn in der Randvene der Hand und des
Fußes unterbrochen. Aus den Teilstücken derselben entstehen die
Digitalvenen, die ihr Blut in neuentwickelte Venenbahnen des Hand-
und Fußrückens , sowie der Palma und Planta abströmen lassen.
Diese neugebildeten Venen schließen sich an der vorderen Extremität
an die radiale Randvene des Vorderarmes an, während sie an den
Hintergliedmaßen in der Kniegelenksgegend in die fibulare Randvene
einmünden. Später nehmen dann die Hand- und Fußrückenvenen
an Mächtigkeit zu, Avährend die palmaren und plantaren Venen der
Rückbildung anheimfallen. An der vorderen Extremität geht die
ulnare Randvene ihrer ganzen Länge nach in den definitiven Zustand
über, während an der Hintergiiedmaße nur der Oberschenkelabschnitt
der fibularen Randvene als V. ischiadica erhalten bleibt, nachdem die
beiden Randvenen im Gebiete des Unterschenkels, infolge der mäch-
tigen Ausbildung der über die Dorsalseite dieses Gliedmaßenabschuittes
verlaufenden sekundär gebildeten Venenbahn vollständig zurückgebildet
wurden (Hochstetter 1891).
Vögel.
Die V. omphalo-m esente ricae und die an ihnen sich
abspielenden Veränderungen. Die V. omphalo-mesentericae
des Hühnchens unterscheiden sich bezüglich der an ihnen sich ab-
spielenden Eutwickelungsvorgänge dadurch von denen der Reptilien,
daß sie caudalwärts, vom Sinus venosus an bis über die Darm-
mündung des cranialen Leberganges hinaus, ventral vom Darme mit-
einander zu einem gemeinschaftlichen Stamme, dem sogenannten Ductus
venosus, verschmelzen. Im übrigen vollziehen sich aber an den beiden
Venen ungefähr dieselben Veränderungen wie bei den Reptilien. Sie
verbinden sich zuerst caudal von der dorsalen Pankreasanlage, dorsal
vom Darme durch eine quere Anastomose miteinander und es oblite-
riert, während gleichzeitig Leberbalken den Ductus venosus umwachsen
und von ihm aus zwischen ihnen ein Venenuetz entsteht, der linke
Schenkel dieses so entstandenen ersten, den Darm umfassenden Venen-
ringes. Hierauf verschmelzen die beiden V. omphalo-mesentericae
auch ventral vom Darm, dort, wo sie vom Dottersack kommend, an
ihn herantreten, miteinander, und es entsteht so ein ein zweiter Venen-
ring um den Darm, der aber, indem sein rechter Schenkel oblite-
riert, auch wieder bald zu bestehen aufhört. So bildet sich also wie
bei Lacerta aus den paarigen V. omphalo-mesentericae ein unpaarer,
den Darm spiralig umgreifender Venenstamm, der in der Nabelgegend,
wo sich die beiden V. omphalo-mesentericae vereinigen, beginnt (Fig. 156)
und an den sich später in der Pankreasgegend die V. mesenterica an-
schließt. Er findet im Ductus venosus seine Fortsetzung durch die
Leber hindurch (Hochstetter 1888 *, Choroshitzky A. 1900). Der-
selbe verhält sich verhältnismäßig lange Zeit als weites, die Leber
durchsetzendes Gefäßrohr (Fig. 156) und geht erst spät im Venennetze
dieses Organes unter.
136
HOCHSTETTER,
Die V. umbilicales münden zuerst jederseits in den D. Cuvieri^).
Später tritt die V. umbilicalis sinistra, wie bei Lacerta, mit dem Venen-
netze der Leber und eine Bahn desselben erweiternd, mit einem Aste
des D. venosus, der späteren linken Lebervene, in Verbindung und
verliert hierauf ihre Mündung in den D. Cuvieri (Fig. 156). Noch
etwas später geht dann auch die rechte V. umbilicalis und zwar voll-
ständig zu Grunde (Hochstetter l.SSs*). Die nunmehr allein übrige
linke Umbilicalvene persistiert jedoch nicht nur
bis zur Geburt, sondern erhält sich auch nach
derselben noch als eine
schwache, in der Bauch-
wand wurzelnde Vene.
.Vi
V.ca
Vca./j.
hm.d.
o.m.s.
Vcap
Alu.
Vc.p.
Fig. 156.
Fig. 157.
Fig. 158.
Fig. 156. Verhältnisse der zur Leber in Beziehung stehenden Venenbahnen
eines Hühnerembryo von ca. 110 Stunden. (Schema.) Die zu Grunde gegangeneu
Abschnitte der V. omphalo-mesentericae und der V. umbilicales sind punktiert dar-
gestellt. Buchstaben bezeichnungen wie bei Fig. 146.
Fig. 157. Verhalten der hinteren Kardinalvenen und der ersten Anlage der
hinteren Hohlvene beim Hühnchen. (Schema.) V.ca. V. cardinalis anterior. V.r.p. V.
cardinalis posterior. V.s. subclavia. D.v. Ductus venosus. V.i. V. ischiadica. A. Aorta.
A.i.ti. Wurzelstamm von A. ischiadica und A. umbilicalis. V.ca.p. V. cava posterior.
Fig. 158. Verhalten der hinteren Hohlvene und der V. cardinales p. des
Hühnchens, nachdem das Pfortadersystem der Urniere gebildet ist. (Schema.)
iV. Niere. Ur. Ureter, übrige Bezeichnungen wie bei Fig. 40.
Die V. cardinales posteriores und die Entwickelung
der hinteren H o h 1 v e n e. Die hinteren Kardinalvenen wurzeln
beim Hühnchen im Schwänze und verlaufen an der Dorsalseite der
Urniere, dorsal vom Urnierengange kopfwärts. Sie beziehen ihr Blut
aus den Caudalvenen, den V. ischiadicae, den segmentalen Venen
der Rumpfwand, den Venen der Urniere und aus den Venen der
Vordergliedmaßen , welch letztere nahe der Stelle, wo sich die V.
cardinales posteriores mit den V. cardinales anteriores zur Bildung
der D. Cuvieri vereinigen, in die ersteren einmünden. Mit dem
Auftreten der hinteren Hohlvene ändern sich jedoch diese Verhält-
nisse. Dieses Gefäß entsteht von dem
D. venosus aus (Fig. 156) und wächst
an die mediale Seite der rechten
eine Strecke weit caudalwärts.
gekröse
entlang
proximalen Abschnitte des
durch das rechte Neben-
Urniere herab und dieser
entsteht auch
Gleichzeitig
an der medialen Seite der linken Urniere eine schwache
Längs-
1) Die Details der Mündungsweise der V. umbilicales in die D. Cuvieri. sowie
der Vorgänge, welche der Obliteration der rechten V. umbilicalis vorhergehen, hat
neuerdings Brouha C. 1898 ausführlich geschildert.
Die Entwickelung des Blutgefäßsystems. 137
venenbahn unabhängig von der Hohlvene (Fig. 157); dieselbe ver-
schmilzt jedoch sehr bald auf eine Strecke weit mit der ihr gegen-
überliegenden Fortsetzung der hinteren Hohlvene (Fig. 158), und es
kann nun die Hauptmasse des Blutes der beiden Urnieren durch die
hintere Hohlvene abströmen. Weiterhin obliterieren dann die zwischen
den cranialen Polen der Urnieren und den Mündungen der V. subclaviae
befindlichen Abschnitte der V. cardinales p., was zur Folge hat, daß
jetzt alles Blut aus den caudal von den Obliterationsstellen gelegenen
Abschnitten des Körpers das Venennetz der Urnieren passieren muß,
um in die hintere Hohlvene zu gelangen. Das heißt, es hat sich, ähn-
lich wie bei den Embryonen der Reptilien, ein Pfortaderkreislauf der
Urnieren entwickelt (Fig. 158). Während aber früher die V. cardi-
nalis p. an der ventralen Seite des gemeinsamen Wurzelstammes von
A. ischiadica und A. umbilicalis vorbeizieht ^), hat ihre Strombahn jetzt
unter Vermittelung einer Inselbildung eine Verlagerung auf die Dorsal-
seite dieses Arterienstammes erfahren.
Weitere Veränderungen werden dann zum Teil durch die Ent-
wickelung der bleibenden Niere bedingt. Dieses Organ schiebt sich
zuerst an der medialen Seite der V. cardinalis p., in die jetzt auch
die V. iliaca externa s. femoralis mündet, vor und kommt schließlich
weiter cranial an deren Dorsalseite zu liegen. Später umwächst sie
dann dieses Gefäß streckenweise, nachdem sich gleichzeitig in ihrem
cranialen Abschnitte eine in die V. cardinalis mündende Venenbahn
(Fig. 159) entwickelt hat. Inzwischen hat sich das zwischen den beiden
Urnieren gelegene unpaare Stück der hinteren Hohlvene so sehr ver-
kürzt und verbreitert, daß es als ein die V. revehentes der Urnieren
vereinigender, querer Gefäßstamm erscheint, aus dem die unpaare
hintere Hohlvene hervorgeht (Fig. 159). Wenn nun die bleibenden
Nieren eine bestimmte Größe erlangt haben, greifen die als V. revehentes
posteriores der Urniere zu bezeichnenden Wurzelsäste der hinteren
Hohlvene auch auf die ventrale Fläche der Nieren über und können so
das diesen Organen durch die hinteren Kardinalvenen zugeführte Blut
gegen die hintere Hohlvene ableiten. So durch-
strömt also ein Teil des Blutes der hinteren Kar-
dinalvenen auch beim Hühnchen eine Zeit lang die
bleibende Niere pfortadermäßig, ein Zustand, der
bekanntermaßen bei den Reptilien zeitlebens per-
sistiert.
Fig. 159. Venenverhältnisse der Nieren und Urnieren
bei älteren Huhn er embryonen. (Schema.) V.i.e. V. iliaca
externa, übrige Bezeichnungen wie in Fig. 158.
Schließlich tritt dann aber die als V. renalis advehens fungierende
V. cardinalis p. in der Gegend, wo sie die V. iliaca externa aufnimmt,
mit dem als V. renalis revehens fungierenden Wurzelaste der hinteren
Hohlvene durch eine weite Anastomose in direkte Verbindung und es
stellen sich so die Verhältnisse der ausgebildeten Form her, bei welcher
ein Pfortadersystem der Niere nicht mehr besteht. — Mit dem Schwinden
der Urniere werden die rückftthrenden Venen dieses Organs immer
schwächer und es persistieren schließlich nur die hinteren, als Venen der
Geschlechtsdrüsen. — Schon zu der Zeit aber, in welcher sich das Pfort-
Vie
1) Bei den Reptihen behält der erhalten gebliebene Rest der V. cardinalis p.
diese ventrale Lage zeitlebens bei
138 HOCHSTETTER,
adersystem der bleibenden Nieren zu bilden beginnt, verbinden sich
die beiden hinteren Kardinalvenen durch eine kurze Queranastomose
miteinander und von dieser aus (Fig. 159) bildet sich dann jene für
die Vögel charakteristische, die Wurzel der V. mesenterica bildende
Venenbahn aus, die das System der hinteren Hohlvene mit dem
System der Pfortader in Verbindung setzt (Hochstetter 1888 *
und 1893*).
V. c a r d i n a 1 e s anteriores u n d V. c a p i t i s 1 a t e r a 1 i s. Das
Schicksal des Kopfabschnittes der vorderen Kardinalvenen scheint nach
den Angaben Kastschenko's (1887) ein ähnliches zu sein wie bei
den Reptilien. — Die medial von den Hirnvenenwurzeln und dem
Labyrinthbläschen gelegene V. cardinahs anterior schwiudet, während
an ihre Stelle eine seitlich von diesen Gebilden, der V. capitis late-
ralis der Reptilien entsprechende Venenbahn tritt ^). — Die Halsabschnitte
der V. cardinales anteriores persistieren jedoch als V. jugulares in-
ternae, ebenso wie sich die beiden D. Cuvieri als V. cavae anteriores
erhalten.
Entwickelung der Extr emitäten ven en. Die Venen der
Extremitätenstummel zeigen beim Hühnchen zuerst dieselbe Anord-
nung und ähnliche Mündungsverhältnisse wie bei den Embryonen von
Lacerta. — An der vorderen Extremität ist es dann die ulnare Rand-
vene des Vorder- und Oberarmes, die erhalten bleibt, während zuerst
die radiale Randvene und später mit dem Vorwachsen der Knorpel-
strahlen der Finger auch die Randvene der Hand zurückgebildet wird.
— Dabei spielt eine an der Wurzel der Extremität in die ulnare Rand-
veue mündende, über die Dorsalseite des Ober- und Vorderarms distal-
wärts vorwachsende Veneubahn (Fig. 160) eine vermittelnde Rolle,
indem sie das Blut aus den Venen der Interdigitalräume vorübergehend
ableitet. — Indem nämlich später die Venen des Handrückens Anschluß
an die ulnare Randvene finden, bildet sich diese
Venenbahn bis auf ihre proximalste Endstrecke
wieder zurück. — Mit der ulnaren Randvene ver-
einigt sich schon frühzeitig eine der Seiteurumpf-
vene von Lacerta (Fig. 160) entsprechende Venen-
bahn, um mit ihr den Stamm der V. subclavia zu
bilden. — Diese Seitenrumpfvene zeigt während
einer bestimmten Entwickelungsperiode eine sehr
• mächtige Entwickelung (vergl. weiter unten), wird
aber später wieder viel schwächer.
Fig. 160. Extremitätenvenen eines Huhn erembryo
von 144 Stunden.
An der hinteren Extremität erhält sich keine von den primären
Venenbahnen. — Zuerst schwindet nämlich die tibiale Randvene,
während die fibulare an Mächtigkeit zunimmt und als V. ischiadica
in die V. cardinalis mündet. — Dann entwickelt sich von der Wurzel
der Extremität aus eine sekundäre Venenbahn, die über die Dorsal-
seite des Ober- und Unterschenkels gegen den Fußrückeu vorwächst
(Fig. 160) und nach dem Zugrundegehen der Randvene des Fußes die
1) Detaillierte Angaben darüber, wie sich bei Vögeln die definitiven Verhält-
nisse des Venensystems des Kopfes herstellen, stehen jedoch vorläufig noch aus.
Die Entwickelung des Blutgefäßsystems. 139
Venen der Interdigitalräume und schließlich, nachdem auch die fibulare
Randvene bis auf einen kleinen proximalen Rest verschwunden ist,
fast das ganze Blut der Hintergliedmaße ableitet. - Diese Vene mündet
zuerst in die Umbilicalvene. ~ Später ergießt sie sich in die V.
cardinalis posterior und noch später verbindet sie sich mit der Seiten-
rumpfvene, die nun eine Zeit lang das ganze Blut der hinteren Ex-
tremität in die V. subclavia abführt. — Schließlich greift aber die aus
der V. cardinalis p. hervorwachsende V. femoralis auf immer weiter
distal gelegene Partien der hinteren Extremität über und wird so
zur definitiven Hauptvenenbahn derselben, während die andere Venen-
bahn, die also auch nur eine vorübergehende Rolle spielt, zu Grunde
geht (HOCHSTETTER 1891),
Säuger.
Die Anlage der großen Venenstämme der Säuger ist anfänglich,
auch was ihre Kaliberverhältnisse anbelangt, eine vollkommen sym-
metrische und ihr Verhalten zum Sinus venosus ist dem für junge
Lacertaembryonen geschilderten überaus ähnlich (Fig. 161). — Dieser
symmetrische Zustand des Venensystems wird jedoch bald gestört,
indem sich schon frühzeitig an den V. omphalo-mes-
entericae und den V. umbilicales ähnliche Umwand- r n^''*
hingen vollziehen, wie sie für die gleichen Venen der
Sauropsiden beschrieben wurden.
Fig. 161. Verhalten der großen Venenstämme zum Sinus
venosus bei jungen Säugerem br j^onen. (Schema.) T'.r.a. V.
cardinalis anterior. V.c.ji. V. cardinalis posterior. V.o.m. V. om-
phalo-mesenterica. V.u. V. umbilicalis. v.o.m.
Umwandlungen im Gebiete der V. omphalo- nies-
en t er icae. Zuerst verbinden sich die V. omphalo - mesentericae
caudal von der dorsalen Pankreasanlage. dorsal vom Darme durch eine
kurze Queranastomose miteinander, dann verschmelzen sie weiter
caudal, ventral vom Darme (Fig. 162) und treten schließlich in der
Leber selbst, unmitielbar cranial von der Darmmündung des Leber-
ganges, noch einmal ventral vom Darme durch eine Queranastomose in
Verbindung. — Auf diese Weise entstehen 2 Venenringe um den
Darm, die His (A. L. III, 11, 1885) zuerst für menschliche Embryonen
beschrieben hat. — Indem nun, wie ebenfalls His zuerst gezeigt hat,
der rechte Schenkel des caudalen und der linke Schenkel des cranialen
Venenringes schwindet, entsteht (Fig. 163) der aus zwei ventral vom
Darme zusammenfließenden Wurzelzweigen gebildete, den Darm in
spiraligem Verlaufe umgreifende einfache Stamm der V. omphalo-mes-
enterica. — An denselben schließt sich später in der Gegend des
Pankreas die V. mesenterica und die V. gasterolienalis an und von
hier aus kann er dann als V. portae bezeichnet werden.
Während sich jedoch die Venenringe der V. omphalo-mesentericae
bilden, beginnen diese Venen innerhalb der Leber in ein Gefäßnetz
zu zerfallen und es bilden sich, nachdem auch die V. umbilicales mit
diesem Gefäßnetz in Verbindung getreten sind, bei den verschiedenen
Säugern in nicht völlig übereinstimmender Weise schließlich Verhält-
nisse heraus, die von den bei den Sauropsiden gefundenen recht er-
heblich abweichen.
140 HOCHSTETTER,
Bildung des Ductus v e n o s u s A r a n z i i. Bei Kaninclien-
embryoneu entwickelt sich, noch bevor die den cranialen Venenring
abschließende Querverbindung zwischen den beiden V. omphalo-mes-
entericae gebildet ist, innerhalb der Leber eine Venenbahn, die von
der V. omphalo-niesenterica sinistra dort ausgeht, wo diese in die
Leber eindringt und sich mit den V. omphalo-mesenterica dextra dort
vereinigt, wo sie in den Sinus venosus mündet (Fig. 162). — Diese
Venenbahn bildet die Anlage des D. venosus Aranzii. — Beim Menschen
entsteht sie nach His (A. L. III, 11, 1885) erst, nachdem auch der
craniale Venenring um den Darm bereits geschlossen ist, von ihm aus.
Vera n d e r u n g e n im Gebiet de r V. u m b i 1 i c a 1 e s.
Die beträchtliche Ausweitung , welche der D. venosus nun in der
Folge erfährt, hängt mit den Veränderungen zusammen, die das
System der V. umbilicales erleidet. — Dieselben beginnen damit, daß
die V. umbilicahs dextra vorübergehend bedeutend mächtiger wird als
die sinistra, und daß sich die letztere mit dem Venennetz der Leber
durch einen rasch sich ausweitenden Zweig in Verbindung setzt
(Fig. 162), der sehr bald mit der V. omphalo-mesenterica dort kommuni-
ziert, wo aus ihr der D. venosus Aranzii hervorgeht, sodaß der letztere
nunmehr als Fortsetzung der V. umbilicalis durch die Leber hindurch
erscheint. — Und nun bildet sich auch durch Erweiterung einer schon
früher vorhandenen, aber sehr schwachen Venenbahn,
^,c.a die den cranialen Venenring abschließende Querver-
bindung zwischen den beiden V. omphalo-mesentericae
aus (HocHSTETTER 1893). — Beim Menschen hin-
gegen verbindet sich nach His die V. umbilicalis
sinistra mit dem schon fertig gebildeten cranialen
Venenring,
Fig. 162. Verhalten der V. omphalo-mesentericae und V.
umbilicales zu Darm und Leber bei einem Kanincheu-
embryo vom Beginne des 12. Tages. (Schema.) D.v.A. Ductus
venosus Aranzii. Uebrige Bezeichnungen wie in Fig. 44.
Das Placentarblut kann nun durch die V. umbilicalis sinistra und
den D. venosus Aranzii direkt gegen den Sinus venosus zu abströmen.
— Infolgedessen verengert sich die Endstrecke der V. umbilicalis
sinistra und obliteriert zum Teil, während ihr ursprüngliches Mündungs-
stück, von Leberschläuchen umwachsen, zu einer unbedeutenden V.
hepatica revehens umgewandelt wird (Born 1889). — Aber auch die
V. uml)ilicalis dextra setzt sich mit dem Lebervenennetze in Ver-
bindung. — Doch erlangt diese Verbindung keine bleibende Bedeutung,
da die V. umbilicalis dextra, weil das Placentarblut anscheinend
günstigere Abflußbedingungen durch die V. umbilicalis sinistra und
den D. venosus Aranzii findet, rasch schwächer wird und schließlich
bis auf ihr Mündungsstück, welches ebenfalls in eine V. hepatica
revehens umgewandelt wird, vollkommen zu Grunde geht. — Während
sich aber die eben geschilderten LTmwandlungen im Gebiet der V.
umbilicalis vollzogen haben, sind bei Kaninchenembryonen i) die V.
omphalo-mesentericae in der Leiter vollständig in ein Gefäßnetz auf-
gelöst worden und nur ihre Endstrecken sind als V. hepatica revehens
1) Nach His erfolgt dieser Zerfall beim Menschen, noch bevor der D. venosus
Aranzii gebildet ist.
Die Entwickelung des Blutgefäßsystems. 141
dextra und sinistra erhalten geblieben. — Aber auch die letztere ver-
Hert. bald ihre direkte Mündung in den Sinus venosus , indem sie
eine neue Abflußbahn in das proximale Endstück des D. venosus
Aranzii gewinnt, und so gelangt nun alles die Leberblutbahnen durch-
strömende Blut auf dem Wege einer mächtigen Venenbahn, die wir
V, hepatica revehens communis nennen (Fig. 163), in den Sinus venosus„
Verhältnisse des Lebervenensystems in späteren
Embryonalstadien. Jetzt haben die Venen der Leber (wenn wir
von der Entwickelung der hinteren Hohlvene absehen) jenen Zustand
erreicht, der bis zur Gelnirt persistiert. — Die V. portae (Fig. 163)
teilt sich, an der Leber angelangt, in einen
rechten schwächeren und einen linken stärkeren
Ast. — Der erstere ist aus der V. omphalo-
mesenterica dextra entstanden und fungiert als
V. hepatica advehens, der letztere, aus dem
cranialen Schenkel des cranialen Venenringes /<f^<mxT^sA._^ p^.A
hervorgegangen, verbindet die V. portae mit dem
Leberabschnitt der V. umbilicalis.
Fig. 163. Schema der Entwickelung des Lebervenen-
systems der Säuger. Die zu Grunde gegangenen Ab-
schnitte der V. omphalo-mesentericae und V. umbilicales
sind licht gehalten. Bezeichnungen wie in Fig. 44 und 45. ^ ^- '^Vom.
Veränderungen nach der Geburt. Nach der Geburt ob-
literiert sowohl der Ductus venosus Aranzii als auch die V. umbilicalis
bis an jene Stelle heran, w^o aus ihr eine Anzahl von V. hepaticae
advehentes, die beim Menschen für den Lohns sinister und quadratus
der Leber bestimmt sind , entspringen, und es wird dann die Ver-
bindung zwischen V. portae und V. umbilicalis, nebst dem kleinen
zwischen Lgt. venosum (obliteriertem D. venosus Aranzii) und dem
Lgt. teres hepatis (obliterierter V. umbilicalis) befindlichen, wegsam
bleibenden Teil des Leberabschnittes der V. umbilicalis zum linken
Aste der Pfortader, welches Gefäß somit nach der Geburt die Blut-
versorgung jener Leberteile übernimmt, die früher durch die V. um-
bilicalis Placentarblut zugeführt erhielten ^).
Bei Echidna scheint die Nabelvene nicht zu obliterieren, vielmehr
scheint sie sich hier mit Harnblasenvenen in Verbindung zu setzen
und zeitlebens als jenes Gefäß zu persistieren, das Beddard als V.
abdominalis bezeichnet hat.
V. cardinales posteriores und die Entwickelung der
hinteren Hohlvene. Die V. cardinales posteriores zeigen bei
Säugerembryonen im allgemeinen einen ganz ähnlichen Verlauf und
ähnliche Lagebeziehungen zur Urniere wie bei den Sauropsiden. Auch
ist bei jungen Embryonen von Echidna das Verhalten dieser Venen
zu den gemeinsamen Wurzelstämmen für A. ischiadicae und A. um-
bilicales das gleiche wie dort, ändert sich aber später in ähnlicher
1) Der periphere Abschnitt der V. omphalo-mesenterica fällt bis zu seiner
Mündung in die V. portae meist schon frühzeitig der Eückbilduug vollständig an-
heim. Bei gewissen Säugern (Allen A. 1883) erhält sich jedoch ein Best dieses
Gefäßabschnittes in Form eines frei durch die Bauchhöhle ziehenden Stranges bis
zur Zeit der Geburt und auch noch kurze Zeit nach der Geburt. — Ein Gleiches
gilt auch für den peripheren Abschnitt der A. omphalo-mesenterica.
142
HOCHSTETTER,
Weise wie bei den Vögeln. Bei allen anderen daraufhin untersuchten
Säugerembryonen aber findet man die V. cardinales p., sobald sie in
dieser Gegend gebildet sind, an der Dorsalseite dieser Wurzelstämme
vorbeiziehend. Ihre Aeste sowie die in sie einmündenden Venenzweige
sind dieselben wie bei den Vögeln, dies gilt insbesondere für die V.
subclaviae. die auch bei den Säugern ursprünglich in den proximalsten
Abschnitt der hinteren Cardinalvenen einmünden.
Die hintere Hohlvene entwickelt sich, so wie bei den Sauriern,
von den aus der Endstrecke der V. omphalo-mesenterica dextra ent-
standeneu V. hepatica revehens communis aus, die dadurch zur End-
strecke der V. Cava posterior wird. Sie bildet sich von hier aus durch
Ausweitung bestimmter Leberveneubahnen, die bald einen fortlaufenden
Stamm bilden, der sich weiterhin durch das rechte Nebengekröse hin-
durch bis an die mediale Seite der Urniere fortsetzt und hier eine
Strecke weit caudalwärts weiter wächst, während gleichzeitig auch an
der medialen Seite der linken Urniere ein Längsvenenstamm entsteht,
der sich mit ihr durch 2 — 3 caudal von der Abgangsstelle der A. om-
phalo-mesenterica befindliche quere Anastomosen in Verbindung setzt
(Fig. 164). So kann jetzt ein Teil des Urnierenblutes durch die als
yca p
M.N
Fig. 16(5
Fig. 167.
Fig. 164—168. Schemen, die Entwickelung der hinteren Hohlvene beim Ka-
ninchen darstellend. V.c.a. V. cardinalis anter. V.c.p. V. cardinalis post. V-ca-p.
Vena cava posterior. VA. V. ischiadica. Y.s. V. subclavia. D.v.A. Ductus venosus
Aranzii. V.r.V.a^p. vordere und hintere rückführende Urnierenvene. N, Niere.
N.N. Nebenniere. Ur. Ureter. V.Le. V. iliaca externa. V.sp.i. V. spermatica interna.
V. revehentes anteriores und posteriores der Urniere zu bezeichnenden
Wurzeläste der V. cava posterior in die letztere abströmen. Doch
kommt es bei den Säugern zur Ausbildung eines eigentlichen Pfort-
adersystems der Urniere, wie es sich bei den Sauropsiden entwickelt,
nicht. Denn sehr bald, nach dem Auftreten der V. revehentes der
Urniere, treten dieselben in der Gt "'^'mI ihrer Querverbindung, die
später zu einer einheitlichen wird (Fig. lbt>), du]'ch die Bildung einer
mächtigen Anastomose auf jeder Seite mit den hini^. i Cardinalvenen
in Ve/üindung^) (IIochstetter 1893).
Die Bildung dieser Anastomosen hat zur Folge, daß nun das Blut
der hinteren Cardinalvenen zum großen Teil durch die hintere Hohl-
1) Soweit scheinen sich die Verhältnisse bei den meisten Säugern in überein-
stimmender Weise zu entwickeln, nur soll es nach Zujistein (1807) beim Meer-
schweinchen nicht zur Ausbildung von V. revehentes posteriores der Urniere kommen.
Die Entwickelung des Blutgefäßsystems. 143
vene abströmen kann und dies führt weiterhin dazu, daß es zu einer
Obliteration der hinteren Cardinalvenen am cranialen Pol der Urnieren
kommt. Dadurch zerfallen dieselben in zwei getrennte Abschnitte,
deren Schicksal im folgenden gesondert besprochen werden soll.
Die Ur nie renabschnitte der hinteren Cardinalvenen
und ihr Schicksal. Die caudalen oder Urnierenabschnitte der
hinteren Cardinalvenen bilden in der Folgezeit die Hauptwurzeln der
hinteren Hohlvene , während ihre als V. revehentes der Urniere be-
zeichneten Wurzelzweige immer schwächer werden. Schließlich ver-
schwinden dann die V. revehentes posteriores der Urniere vollständig
(Fig. 167), während die V. revehentes anteriores, mit den Nebennieren
in Verbindung tretend, zu den Y. suprarenales der ausgebildeten Form
werden (Mensch, Kaninchen, Katze). Aber auch die an die hintere
Hohlvene angeschlossenen Urnierenabschnitte der hinteren Cardinal-
venen erleiden nun gewisse, durch die Entwickelung der bleibenden
Nieren bedingte Abänderungen ihres Verlaufes. Indem sich nämlich
die Anlagen dieser Organe, indem sie aus dem Becken aufgestiegen
sind, bei ihrer weiteren Wanderung zwischen Aorta und hintere
Cardinalvenen vorschieben, verdrängen sie die letztere ventral- und
lateralwärts und es entwickelt sich, caudal von diesen Venen ausgehend
und cranial wieder in sie einmündend, eine collaterale Venenbahn, die
beim Kaninchen (Hochstetter 189o) (Fig. 1(36) dorso-medial vom
Ureter, beim Menschen, der Katze (Hochstetter), dem Maulwurf
(ZuMSTEiN 1890) und den Mikrochiropteren (Grosser A. 1901), dorso-
medial von der Nierenanlage verläuft. So entsteht in der Bahn der
hinteren Cardinalvene eine Insel ^), die beim Kaninchen nur den Ureter,
bei Mensch, Katze, Mikrochiropteren und dem Maulwurf auch die
Nierenanlage umgreift. Indem sich in der Folge der dorsale Schenkel
dieser Insel rasch ausweitet und zur Hauptbahn des Urnierenabschnittes
der hinteren Cardinalvene wird, wird ihr ventraler Schenkel immer
schwächer und obliteriert schließlich auf eine Strecke weit vollständig 2).
Bildung der V. s p e r m a t i c a e. Soweit .er aber erhalten bleibt
sammelt er das Blut aus der Urniere und den Geschlechtsdrüsen
(Mensch, Katze, Kaninchen, Mikrochiropteren) und wird später zur
V. spermatica interna resp. ovarica.
Bildung der N i e r e n v e n e n. Haben die Nieren ihre definitive
Lage erreicht, so entwickeln sich auch die Nierenvenen. Ihre Mün-
dung erfolgt gewöhnlich ungefähr an der Stelle, an welcher in früheren
Entwickelungsstadien die hintere Hohlvene mit den hinteren Cardinal-
venen in Verbindung getreten ist.
Er halten bleiben des paarigen Zu Standes der hin-
teren Hohlvene bei gewissen Säugern. Jetzt erscheint also
die hintere Hohl vene bis in die Nieren gegend unpaar, von da an aber
paarig, ein Zustand, der sich bei einer Reihe von Säugetieren mehr
oder weniger unverändert zeitlebens erhält (Echidna, Edentaten, Ce-
taceen u. a.).
1) Beim Meerschweinchen bleibt die Bildung dieser Insel aus, da bei dieser
Form die Nierenanlage an der ventralen Seite der hinteren Cardinalvene vorbei
wandert (Zumstein 1887).
2) Bei Erinaceus europaeus bleibt auch der ventrale Schenkel der Insel häufig
zeitlebens erhalten (Hochstetter).
144 HOCHSTETTER,
Bei den meisten Säugern kommt es jedoch auch caudal von den
Nieren zur Ausbiklung eines unpaaren Hohlvenenstammes. Derselbe
kann hier in zweierlei Weise sur Ausbildung gelangen.
Herstellung des 1) e i der Mehrzahl der Säuger blei-
benden Zu st an des der hinteren Hohlvene. Entweder es
verschmelzen die paarigen Abschnitte der hinteren Hohlvene dorsal
(Ornithorhynchus) oder ventral von der Aorta (Mehrzahl der Marsu-
pialier) miteinander zu einem unpaaren Stamme^), oder aber es ob-
literiert ihr linker aus dem Urnierenabschnitte der hinteren Kardinal-
vene hervorgegangener Wurzelstamm bis zur Mündung der V. sper-
matica interna resp. ovarica '^), nachdem er sich vorher mit dem der
Gegenseite in der Beckengegend in Verbindung gesetzt hatte, so daß
der letztere nun alles Blut des Beckens und der hinteren Gliedmaßen
abzuleiten vermag (Fig. 168). — Diese Verbindung stellt sich beim
Menschen schon vor dem Auftreten der hinteren Hohlvene in Form
einer kurzen, breiten, ventral von der A. sacralis media gelegenen
Anastomose zwischen den Beckenabschnitten der hinteren Kardinal-
venen her (HocHSTETTER 1893), eine Anastomose, aus welcher nach
der Obliteration des linken Wurzelstammes der hinteren Hohlvene
die V. iliaca communis entsteht (Fig. 169). — Bei Talpa
sind es nach Zumstein (1898) 2 Querverbindungen, die
sich entwickeln. — Die eine schwächere von ihnen liegt
ventral von den A. sacralis media, die andere stärkere
dorsal von der Bifurcationsstelle der Aorta. — Beim
Kaninchen wieder legen sich die beiden Beckenstücke
der hinteren Kardinalvenen eine Strecke weit an-
Fig. 1(39. Schema der Entwickelung des einfachen Hohl-
venenstammes und der V. ihaca communis sinistra beim Men-
schen. V.i.i. V. ihaca interna. Uebrige Bezeichnungen wie in
den Figuren 47 — 51.
einander und l)ilden, indem sie miteinander verschmelzen, einen median
und ventral von der A. caudalis gelegenen unpaaren Stamm, die so-
genannte V. iliaca interna communis (Fig. 168) und ein ähnlicher
Vorgang findet auch bei den Mikrochiropteren statt (Grosser 1901).
Bei den Fledermäusen verbinden sich übrigens nach Grosser die
Urnierenabschnitte der hinteren Cardinalvenen, nachdem der selbständig
entstehende Abschnitt der hinteren Hohlvene mit der rechten hinteren
Cardinalvene in Verbindung getreten ist, dorsal von der Aorta in der
Nierengegend durch eine mächtige Queranastomose miteinander und diese
Queranastomose wird dann, wenn sich die Nierenvenen entwickelt haben
und der Urnierenabschnitt der linken hinteren Kardinalvene bis zm' Ein-
1) Daß bei Ornithorhynchus, der dorsal von der Aorta gelegene, von den Lum-
balarterien durchbohrte breite Hohlvenenstamm durch eine solche Längsverschmelzung,
wie sie auch bei der Katze während der Ontogenese vorübergehend beobachtet wurde
(HoCHSTETTER 1893) zur Entwickelung kommt, dürfte kaum bezweifelt werden
können. — Verfasser hält es aber auch, nach den von Mc. Clure (1900) über die
Varietäten der hinteren Hohlvene von Didelphys veröffentlichten Beobachtungen
entgegen einer früher (1803) geäußerten Meinung, für überaus wahrscheinhch, daß
bei allen jenen Marsupialiern, die zwischen Nieren und Becken einen ventral von
der Aorta gelagerten, unpaaren Hohlvenenstamm besitzen, dieser durch Längsver-
schmelzung der Urnierenabschnitte der hinteren Cardinalvenen entstanden ist.
2) Das Endstück dieses linken Wurzelstammes wird dadurch zum Endstück
der V. spermatica interna s. ovarica der ausbebildeten Form.
Die Entwickelung des Blutgefäßsystems.
145
mündungsstelle der V. spermatica interna sinistra obliteriert ist, zur
Fortsetzung der linken Nierenvene, die also bei diesen Tieren über die
Dorsalseite der Aorta hinweg gegen den Stamm der hinteren Hohlvene
verläuft.
eme
Folge
regioii
Entstehung der V. azygos und V. hemiazygos. Noch
bevor die früher erwähnte Unterbrechung der Strombahn der hinteren
Cardinalvenen erfolgt, erleidet ihre Zusammenflußstelle mit den vor-
deren Cardinalvenen infolge der Caudalwärtsverlagerung des Herzens
beträchtliche Lageverschiebung in caudaler Richtung, die zur
hat, daß nicht nur die letzten segmentalen Venen der Cervical-
Mündung in die hintere Cardinalvene verlieren, sondern
auch die V. subclavia mit ihrer Mündung auf die vordere Cardinal-
vene überrückt. — Hat dann die Unterbrechung in der Strombahn
der V. cardinales p. thatsächlich stattgefunden , so münden in ihre
vorderen Abschnitte nur noch die vor der Unterbrechungsstelle be-
findlichen segmentalen Venen der Brustregion. — Dabei zeigen diese
Cardinalvenenabschnitte ein vollkommen symmetrisches Verhalten (Fig.
166), welches sie bei manchen Säugern auch weiterhin beibehalten
können (Echidna u. a.), indem sie sich nur, nachdem sich die Urnieren
retrahiert haben, sekundär caudalwärts verlängern und schließlich als
V. azygos und V. hemiazygos entlang der Wirbelsäule bis an die
der Brusthöhle erstrecken und das Blut sämtlicher
sammeln.
vollziehen sich aber im Gebiet dieser
die in den extremsten Fällen dazu
V. azygos (Kaninchen, Katze) oder nur
caudale Grenze
Intercostalveneu
Bei den meisten Säugern
Venen weitere Veränderungei
führen, daß entweder nur die
nur
die V. hemiazygos (Schwein, Wiederkäuer)
sich beim Kaninchen zwischen den
vorderen Abschnitten der hinteren
Cardinalvenen, entsprechend den
einzelnen V. intercostales, zuerst
Queranastomosen aus. — Hierauf
schwindet der linke Venenstamm
vollständig und der rechte ver-
längert sich sekundär über das
persistiert. — So bilden
8. Thoracalsegment (Fig. 170*)
l'.h.a
hinaus, wo die Unterbrechung der
Strombahn der hinteren Cardinal-
venen erfolgt war, in caudaler
Richtung und bildet so die V.
azygos der ausgebildeten Form,
nachdem vorher noch auch die
ersten 4 Intercostalveneu ihre
Mündung in dieses Gefäß ver-
loren und sich zur Bildung der
V. intercostalis suprema jederseits
vereinigt haben. — Beim Schweine, bei dem sich die vorderen
Abschnitte der hinteren Kardinalvenen nach Parker und Tozier
(1898) in ähnlicher Weise sekundär caudalwärts verlängern wie beim
Kaninchen, kommt es ebenfalls zur Bildung von Queranastomosen
zwischen der V. azygos und hemiazygos und es bleibt, nachdem die
V. azygos geschwunden ist, die V. hemiazygos bestehen (Fig. 171).
Handbach der Entwickelungslehre. III. 2, 10
Fig. 170. Fig. 171.
Fig. 170. Entwickelung der V. azygos
des Kaninchens. (Schema.) t;/. V. jugu-
laris interna. V.s. V. subclavia. V.az.
V. azygos.
Fig. 171. Entwickelung der V. hemi-
azygos beim Schwein. (Schema.) V.a.s.
V.' anonyma sinistra. V.h.a. V. hemiazygos.
IJebrige' Bezeichnungen wie bei Fig. 170.
146
HOCHSTETTER,
Beim Menschen kommen alle möglichen Entwickelnnpisformen dieser
beiden Venen zur
V. azygos dadurch
die letztere durch
V.kaa..
Beobachtung 1). — Am häufigsten gewinnt die
das Uebergewicht über die V. hemiazygos, daß
eine Queranastomose mit ihr in Verbindung
tritt. — Die V. hemiazygos kann dann ihre
Mündung in den D. Cuvieri gänzlich verlieren
oder aber ihre Strombahn in der Weise unter-
brochen werden, wie dies in Fig. 172 dargestellt
ist. — Man bezeichnet dann den selbständig
gewordenen cranialen Abschnitt dieser Vene als
V. hemiazygos accessoria.
Fig. 172. Entwickelung der vorderen Hohlvene, der
V. azygos und V. hemiazygos des Menschen. (Schema. )
V.h.a.a. V. hemiazygos accessoria. Uebrige Bezeichnungen
wie in Fig. 54 und 55.
Entwickelung einer einfachen vorderen Hohlvene.
Ist die V. subclavia mit ihrer Mündung von der hinteren auf die
vordere Cardinalvene übergerückt, so bezeichnet man das jenseits
ihrer Mündungsstelle
unmittelbare Fortsetzung
befindliche Stück dieser
bildenden D.
Mündungen
gelegener
der V.
Abschnitt
Vene mehr dem ihre
Cuvieri als vordere Hohlvene.
— Ursprünglich besitzen alle Säuger, so wie die Sauropsiden. 2 vor-
dere Hohlvenen und dieser Zusand erhält sich bei einer Anzahl von
ihnen (Monotremen, Marsupialier, einige Nager, einige Insectivoren)
dauernd (Fig. 170). — Bei sehr vielen Säugern aber entwickelt sich
(Rathke 1838, Marshall 1850) zwischen den beiden vorderen Hohl-
venen eine von der linken zur rechten schief absteigende Anastomose,
die sich rasch ausweitet, worauf die linke vordere Hohlvene teilweise
schwindet. — Es leitet dann die Anastomose (Fig. 172), die man jetzt
V. anonyma sinistra nennt, das Blut der V. cardinalis anterior (V.
jugularis interna) und der V. subclavia in die nunmehr allein be-
stehende rechte Hohlvene, deren zwischen den
subclavia dextra und der V. anonyma sinistra
jetzt V. anonyma dextra genannt wird.
Bei jenen Säugerformen nun, bei denen die V. azygos allein vor-
handen ist, oder bei denen die neben der V. azygos bestehende V.
hemiazygos ihre Mündung in die linke vordere Hohlvene verloren
hat, obliteriert die V. cava superior sinistra zwischen V. anonyma
sinistra und linkem Atrium und es bleibt von ihr nur ihre Endstrecke
als V. atrii sinistri und als Sinus coronarius cordis erhalten. — Bei
Formen, bei denen es, wie manchmal beim Menschen, zur Bildung einer
V. hemiazygos accessoria kommt, erhält sich dagegen von dem aus dem
D. Cuvieri entstandenen Abschnitte der linken vorderen Hohlvene auch
nur, wie im früheren Falle, die Endstrecke, dafür persistiert aber der
aus der V. cardinalis anterior entstandene Abschnitt dieser Vene als
Endstück der V. hemiazygos accessoria (Fig. 172). Bei jenen Formen
endlich, bei denen nur die V. hemiazygos ausgebildet wird, obliteriert
der aus der V. cardinalis anterior gebildete Abschnitt der V. cava
superior sinistra und ihr D. Cuvieri-Abschnitt bleibt als
der V. hemiazygos erhalten (Fig. 173), das heißt, es mündet
Fortsetzung
diese
1) In den extremsten Fällen zeigt sich entweder ein Zustand erhalten wie bei
Echidna oder es persistiert nur die V. azygos wie beim Kaninchen.
Die Entwickeluug des Blutgefäßsystems.
147
Vene, nachdem sie die Venen der Herzwand aufgenommen hat, direkt in
den rechten Vorhof (Schwein, Wiederkäuer) |Marshall 1850].
Die V. c a r d i n a 1 e s anteriores und die E n t w i c k e 1 u n g
der V e n e n b a h n e n des Kopfes. Die V. cardinalis anterior zeigt
in ihrem Kopfabschnitte auch bei jungen Säugerembryonen dieselben
Lagebeziehungen und Verlaufsverhältnisse, wie sie für die gleiche
Vene der Embryonen niederer Vertebraten beschrieben wurde. —
Sehr früh tritt jedoch auch hier an ihre Stelle die lateral von den
Hirnnervenwurzeln und Ganglien sowie vom Labyrinthbläschen ver-
laufende V. capitis lateralis. — Dieselbe entsteht auch bei den
Säugern wieder in Teilstücken, deren erstes im Gebiete des Acustico-
facialis, des Labyrinthbläschens, des N. vagus und N. glossopharyn-
geus zur Entwickelung kommt (Fig. 173), während der vorderste
medial vom Trigeminus gelegene Abschnitt der V. cardinalis anterior
etwas länger erhalten bleibt. — In diesen münden, gewissermaßen
seine Wurzeln bildend, die Augenvene, die Vene des Vorderhirns so-
Zwischen- und Mittelhirns, während in die V. capitis
wo sie den N.
wie Venen des
lateralis dort.
vagus
kreutzt sich eine vom
Hinterhirn herabkommende
Vene einsenkt (Fig. 173).
L.B,L
^fc/v-.J/ \
Ss.s.
Vccc.
Fig. 173.
Yis. 174.
Fig.
173.
11 mm Länge
lateralis. S.s.s.
VII N. facialis.
Fig. 174.
länge (nach H.
V.o. V. ophthalmica
wie in Fig. 56.
Die Venen des Kopfes eines Meerschweinchenembryo von
(nach H. Salzer). V.c.a. V cardinalis anterior. V.c.l. V. capitis
Anlage des Sinus sagittalis superior. A. Auge. V. N. trigeminus.
XII N. hypoglossus.
Kopfvenen eines Meerschweinchenembryo von 77, mm Kopf-
SALZEß). V.j.i. V. jugularis interna. V.j.e. Vena juguläris externa.
S.t7\ Anlage des Sinus transversus, Uebrige Bezeichnungen
Um ein Beträchtliches später bilden sich die Teilstücke der V.
capitis lateralis lateral vom N. trigeminus und vom N. hypoglossus,
und es schwinden auch in diesen Gebieten die früher noch erhaltenen
Abschnitte der V. cardinalis anterior, deren Wurzelzweige gleichzeitig
zu den Wurzelzweigen der V. capitis lateralis werden (Fig. 174), —
Diese Vene bildet nun die Hauptabtiußbahn für das venöse Blut der
vorderen Hirnabschnitte. — Sie verläßt die Schädelkapsel zwischen
N. trigeminus und N. facialis und schließt sich dabei an den letzteren
eine Strecke weit an (Salzer 1S95). — Bei Echidna erhält sich dieser
Zustand dauernd (Hochstetter A. 1896), indem die V. capitis lateralis
dieser Form dort, wo sie dem N. facialis anhegt, mit ihm in einen
Knochenkanal eingeschlossen wird. — Aus demselben hervortretend,
sie in die V. jugularis interna über.
10*
geht
148 HOCHSTETTER,
Bei allen anderen Säugern treten jedoch noch eine Reihe weiterer
Veränderungen im Gebiete der Kopfvenen auf. — Vor allem bildet
sich zwischen der mit dem Vagus die Schädelkapsel verlassenden
Hinterhirnvene und der V. capitis lateraHs von der Stelle aus, wo die
letztere den Schädel verläßt, dorsal von der Labyrinthkapsel eine
Anastomose, die sich rasch erweitert, so daß jetzt ein Teil des Hirn-
venenblutes durch das Foramen jugulare, ein anderer Teil durch den
neben dem N. facialis gelegenen Venenkanal die Schädelhöhle verläßt
(Fig. 174). — Dieser Zustand persistiert wieder bei Ornithorrhynchus,
welche Form dadurch mit Rücksicht auf die Verhältnisse der Kopf-
venen ein Zwischenglied zwischen Echidna und den übrigen Säugern
bildet (HocHSTETTER A. 1896). — Bei den übrigen Säugern obliteriert
nämlich, nachdem die früher erwähnte Anastomose gebildet ist, der
zwischen N. trigeminus und N. vagus befindliche Abschnitt der V.
capitis lateralis. — Dadurch stellen sich Verhältnisse her, die bei
allen jenen Säugetieren, die eine vollentwickelte V. jugularis interna
besitzen, abgesehen von noch hinzukommenden Veränderungen, ziem-
lich unverändert in den bleibenden Zustand übergehen.
Bildung d e s S i n u s s a g i 1 1 a 1 i s s u p e r i o r und des Sinus
trän SV er SU s. Inzwischen sind nämlich die den Mantelkanten der
Hemisphären anliegenden Abschnitte der Vorderhirnvenen mitein-
ander zum unpaaren Sinus sagittalis superior verschmolzen (Fig. 174)
und setzen sich seitlich, dem hinteren Rande der Hemisphärenblasen
folgend, als Anfangsstücke des Sinus transversus fort. — Die Fort-
setzung dieses Sinus bildet dann zunächst das kurze, erhalten geblie-
bene Stück der V. capitis lateralis, welches ursprünglich an der late-
ralen Seite des N. trigeminus gelegen ist und in welches die V.
ophthalmica mündet, und sein Endstück endlich ist durch die vor-
erwähnte Anastomose zwischen V capitis lateralis und der Hinter-
hirnvene, sowie aus dem Endstücke der letzteren gebildet. — Durch
das Foramen jugulare geht der Sinus transversus in die V. jugularis
interna über , die im Bereiche des N. hypoglossus , also in ihrem,
dem Schädel zunächst gelegenen Abschnitte noch ein Derivat der V.
capitis lateralis ist, während sie herzwärts von diesem Nerven aus
dem erhalten gebliebenen Abschnitte der V. cardinalis anterior gebildet
wurde.
Bildung des Sinus p e t r o - b a s i 1 a r i s , des Sinus caver-
nosus und des Sinus petrosus superior. Beim Menschen
und einigen Säugern treten, wenn wir von den Lageverschiebungen
absehen , welche der Sinus transversus infolge der mächtigen Aus-
bildung der Großhirnhemisphären erleidet, rücksichtlich der geschil-
derten Verhältnisse nur insofern noch weitere Veränderungen ein,
als sich von der V. ophthalmica aus, medial vom N. trigeminus an
der Seite des Keilbeinkörpers und der Pars basilaris ossis occipitis,
eine Anastomose mit der V. jugularis interna, dort, wo dieselbe aus
dem Foramen jugulare hervortritt, ausbildet, die zum Sinus petro-
basilaris wird, während sich die V. ophthalmica an der Seite des
Türkensattels jederseits zum Sinus cavernosus erweitert und ihr ur-
sprünglich ganz kurzes, in den Sinus transversus mündendes Endstück
sich verlängert und so zu dem der Felsenbeinkante und dem Ansätze des
Gezeltes an der letzteren, folgenden Sinus petrosus superior um-
gestaltet (Salzer 1895). — Dazu kommt noch die Bildung der ober-
Die Entwickelung des Blutgefäßsystems. 149
fläclilichen Veneiibahnen des Kopfes und des Gesichtes und die Ent-
wickelung der V. jugularis externa im Gebiete des Halses.
Bildung der V. jugularis externa. Bei älteren Meer-
scliweincheuembryonen wird die nahe der Brustregion in die V. ju-
gularis interna mündende V. jugularis externa, durch den Zusammen-
fluß der V. facialis antica, die mit der V. ophthalmica in Verbindung
tritt und einer von der Ohrgegend herabziehenden Vene gebildet. —
Die letztere verbindet sich nun, und zwar relativ spät, durch eine
das sogenannte Foramen jugulare spurium des Schläfebeines passierende
Anastomose mit dem Sinus transversus. — Diese Anastomose weitet
sich rasch aus uud führt der V. jugularis externa immer mehr von
dem Blute des Sinus transversus zu, was zur Folge hat, daß die V.
jugularis interna immer schwächer wird uud schließlich gänzlich zu
Grunde geht. — So wird bei dieser und wahrscheinlich auch bei allen
anderen ein Foramen jugulare spurium besitzenden Säugerformen die
V. jugularis externa zur Hauptabflußbahn für das venöse Blut des
Kopfes (H. Salzer 1S95) i).
Entwickelung d e r V e n e n d e r E x t r e m i t ä t e n. Die ersten
Venen der Extremitäten der Säuger und des Menschen zeigen dieselben
Lagen- und Verlaufsverhältnisse (Hochstetter 1891, Grosser 1901),
wie sie für die gleichen Venen der Embryonen von Sauropsiden be-
schrieben wurden. — Nur sind hier die radiale und die tibiale Rand-
vene ^) von vorne herein viel schwächer als dort und gehen spurlos
verloren. — Beim Kaninchen (Hochstetter 1891) entwickelt sich
dann vom Handrücken aus die V. cephalica, die zuerst in der Ellen-
bogenbeuge in die ulnare Raudvene einmündet, sich später aber auch
auf den Oberarm fortsetzt und schließlich in die V. jugularis externa
mündet. — Die ulnare Randvene erhält sich nur in ihrem Oberarm-
abschnitte, und ihre Fortsetzung bildet die V. subclavia, in die sich eine
der Seitenrumpfvene der Sauropsiden entsprechende Vene ergießt. —
Zuerst zieht die V. subclavia an der Dorsalseite des Plexus brachialis
vorbei, später aber kommt sie unter Vermittelung einer Inselbildung
an seine ventrale Seite zu liegen.
An der hinteren Extremität erhält sich beim Kaninchen die fibu-
lare Randvene in ihrem Unterschenkelabschnitte als V. saphena parva,
in ihrem Oberschenkelabschnitte als V. ischiadica und gelangt mit dem
N. ischiadicus ins Becken. — Sekundären Ursprunges sind die vom
Fußrücken aus entstehende und in die fibulare Randvene in der Knie-
gegend mündende V. tibialis antica und die V. saphena magna. —
Verhältnismäßig spät endlich entwickelt sich als Hauptvenenbahn der
Extremität die V. femoralis. — Tertiären Ursprunges sind ferner,
sowohl an der vorderen, als an der hinteren Gliedmaße die Begleit-
venen der Arterien (Hochstetter 1891).
Entwickelung des Lymphgefässsystems.
Nach einer ziemlich allgemein verbreiteten Annahme sollen sich
die Lymphgefäße aus spaltförmigeu Hohlräumen im embryonalen Binde-
1) Bei den MikrocMropteren entwickeln sich die Venen des Kopfes und Halses
(nach Grosser A. 1901) in ganz ähnlicher Weise wie beim Meerschweinchen.
2) Nach Grosser (A. 1901) fehlt die tibiale Randvene bei den Embryonen der
Mikrochiropteren .
150 HOCHSTETTER,
gewebe entwickeln, die allmählich, durch Umwandlung der sie be-
grenzenden Bindegewebszelleu in Gefäßepithelien , eine selbständige
Wand erhalten. — Doch ist die Berechtigung dieser Annahme noch
keineswegs sicher erwiesen, da über die erste Anlage des Lymphgetaß-
systems der Wirbeltiere nur sehr spärliche, meist fragmentarische An-
gaben vorliegen.
Amphibien.
So wissen wir über die Entstehung der Lymphgefäße der Fische
und der urodelen Amphibien gar nichts, und über die Entwickelung
der Lymphgefäße der Anuren ist durch Jourdain nur so viel bekannt
geworden, daß bei fußlosen Larven der Kröte das Lymphgefäßsytem
dem bei ausgebildeten La-odelen sehr ähnlich gestaltet sei. — Nach
Jourdain (1883) findet sich bei solchen Larven um die Aorta herum
ein ausgedehntes Lymphgefäßnetz, welches zwischen Nieren und Herz
eine Ausdehnung geringen Grades aufweist. — An Stelle der mächtig
entwickelten Lymphsäcke der ausgebildeten Form, die noch vollkommen
fehlen, besteht ein ausgebildetes Netz von subcutanen Lymphgefäßen.
— Dabei ist die Mundöffnung von einem Lymphgefäßsinus umgeben,
der eine median gelegene, ventrale Erweiterung, die Anlage des späteren
Kehllymphsackes, besitzt.
Mit dem Auftreten der hinteren Extremitäten entwickelt sich jeder-
seits an der Schwanzwurzel das hintere Lym})hherz, aus dem die Lymphe
in einen Ast der V. cardinalis posterior abströmt, während ein anderer
Teil der Lymphe den vorderen Cardinalvenen zugeführt wird. — Die
vorderen Lymphherzen werden erst bemerkbar, wenn der Schulter-
gürtel entwickelt ist. — Die Lymphsäcke entwickeln sich nach und
nach, indem das subcutane Bindegewebe schwindet. — Zu den am
frühesten auftretenden Säcken gehören der periproctale und die Lymph-
säcke der hinteren Extremitäten, am spätesten, wenn der Schwanz der
Larve bereits größtenteils zurückgebildet ist, entsteht der dorso-
craniale Sack.
Auch über die Entstehung der Lymphgefäße der Reptilien ist
nichts Näheres bekannt.
Vögel.
Für das Hühnchen hat Sala (1900) nachgewiesen, daß die beiden
Ductus thoracici um die Mitte des 8. Brüttages in Form zweier Zell-
stränge angelegt werden, die sich von der Gegend der A. coeliaca an
bis in die Schilddrüsengegend cranialwärts erstrecken. — Diese beiden
Zellstränge beginnen allmählich sich auszuhöhlen, bis gegen das Ende
des 10, Brüttages die l)eiden Ductus thoracici vollkommen entwickelt
sind, nachdem sich vorher schon jeder von ihnen an mehreren Stellen
mit der V. cava superior seiner Seite in Verbindung gesetzt hat. —
Die Verbindung der D. thoracici mit den großen Lymphstämmen,
welche die A. caudalis und die Aorta abdominalis begleiten und in
welche sich auch die Lymphe aus den Lymphherzen und aus den die
Arterien der Allantois begleitenden Lymphgefäßen, deren Injektion
zuerst BuDGE (1887) gelungen ist, ergießt, ist erst am 12. Brüttage
hergestellt.
Die beiden Lymphherzen sind beim Hühnchen als embryonale
Organe zu betrachten, da sie sich bald nach dem Ausschlüpfen (am
Die Eutwickelung des Blutgefäßsystems. 151
30. — 35. Tage) wieder zurückbilden (Sala), während sie bei anderen
Vögeln zeitlebens erhalten bleiben. — Sie werden nach Sala (1900)
am 7. Brüttage in Form von spaltenförmigen Hohlräumen im Binde-
gewebe an der Seite der caudalen Myotome, in der Höhe der ersten
5 V. coccygeae, mit denen sie auch in Kommunikation stehen, ange-
legt. — Indem sich die embryonalen Bindegewebszellen in der Um-
gebung dieser Spalten dichter gruppieren , erhalten dieselben eine
eigene Wand, in der bald glatte Muskelfasern in größerer Menge auf-
treten. — Nun kann erst von eigentlichen Lymphherzen gesprochen
werden. — Jedes von ihnen kommuniziert jetzt nur noch mit 3 V.
coccygeae seiner Seite und ist am Ende des 10. Brüttages durch 1 oder
2 Lymphgefäße mit den Lymphräumen, welche die Arteria und V.
pudenda umgeben, in Verbindung getreten.
BuDGE (1877), welcher der erste war, der die Entstehung des Lymph-
gefäßsystems beim Hühnchen untersucht hat , beschreibt, außer diesem
soeben besprochenen spät auftretenden und in den definitiven Zustand
übergehenden, bei jungen Hühnerkeimen ein 1. Lvmphgefäßsystem, dessen
Injektion ihm durcli Einstich von der primitiven Pericardialhöhle aus
gelungen ist. — Es stellt ein im mittleren Keimblatte gelegenes, mit
Flüssigkeit gefülltes System von Spalten und Kanälen dar, welches sich
in der Area vasculosa bis an den Sinus terminalis hin erstreckt und hier
in einen ringförmigen, w^eiteren Kanal (Budge's terminalen Lymphsinus)
übergeht. — Dieses System von Spalten und Kanälen hat jedoch an-
scheinend mit dem Lymphgefäßsytem nichts zu thun. — Ich sehe in ihm
vielmehr das Hohlraumsystem des Cöloms , welches in seinen außer-
embryonalen Teilen beim Hühnchen nicht als ein einheitlicher durch-
greifender Spalt im Mesoderm auftritt, sondern als ein kompliziertes, mit
dem embryonalen Cölom an verschiedenen Stellen kommunizierendes
System von untereinander in Verbindung tretenden Sj^alten und blasen-
artigen Hohlräumen (Drasch).
Säuger.
Auch über die Eutwickelung der Lymphgefäße der Säuger liegen
nur spärliche Angaben vor. — Nach Gulland (1894) finden sich zuerst
Lymphgefäße im subcutanen Zellgewebe, später erst in der Nachbar-
schaft der größeren Gefäßstämme. — Saxer (1896) sieht deuthch
röhrenförmige Lymphgefäße zuerst am Halse bei einem 2^2 cii^ langen
Rindsembryo. — Wie diese Lymphgefäßstämme entstehen, wird jedoch
nicht angegeben. - Ran vier (1897 — 98), der die Lymphgefäße des
Mesenteriums von Schweineembryonen untersucht hat, kann über die
erste Anlage derselben auch nichts angeben und berichtet nur, daß die
Lymphgefäße, wenn sie einmal gebildet sind ^), bereits Klappen be-
sitzen und gegen den Darm zu blind endigen. ^ Ihre weitere Eut-
wickelung erfolgt dann in der Weise, daß aus den blinden Enden oder
aus den intervalvulären Strecken der Lymphgefäße solide Sprossen
auswachsen, die später hohl werden. — Jeder solcher neue Sproß
entspricht einem zwischen 2 Klappenpaaren gelegenen Lymphgefäß-
segment. — Die Lymphgefäße würden sich somit nach Ranvier vom
Centrum aus gegen die Peripherie hin entwickeln.
1) Schweineembryonen von 10 cm Länge.
152 HOCHSTETTER,
Die Lymphknoten, lieber die Entwickelung der Lymphknoten
lauten die Angaben der meisten Beobachter übereinstimmend dahin,
daß dieselben zuerst in Form von Lymi)hgefäßgeflechten auftreten. —
Das in den Maschen dieser Geflechte l)alkenartig angeordnete Binde-
gewebe ist von vornherein engmaschiger als das umgebende, und reich
an Blutgefäßen (Gulland 1894, Saxer 1896), auch sieht Saxer in
demselben zahlreiche, sehr feine Lymphgefäße^). — In diesem Binde-
gewebe treten dann frühzeitig Herde von dichtgedrängten kleinen
Zellen auf, die Zeichen reger Vermehrung erkennen lassen ^). — Der
ursprünglich vorhandene Lymphgefäßplexus bildet sich nun zu dem
äußeren Sinus des Lymphknotens um, die im Innern des Knotens be-
findlichen Lymphgefäße dagegen entstehen aus den früher erwähnten
feinen Lymphgefäßen des Bindegewebskernes der Anlage (Saxer 1896).
— Indem die kleinzellige Infiltration des Gewebes weiterschreitet und
so Verwölbungen gegen den Lymphsinus sich bilden, entstehen die
Follikel des Knotens. — Durch Fortsetzung der lymphoiden Infiltration
gegen die am Hilus des Knotens plexusartig angeordneten Lymph-
gefäße entstehen die Markstränge ^).
Entwickelung der Milz.
Ueberblickt man die schon recht zahlreichen über die Entwicke-
lung der Milz der Wirbeltiere in der Litteratur niedergelegten Angaben,
so ergiebt sich, wie dies aus dem folgenden hervorgehen wird, daß die
Meinungen über die Herkunft der an dem Aufbau dieses Organs be-
teüigten zelligen Elemente recht erheblich voneinander abweichen. —
Nur über den Ort, an welchem die Milz zur Entwickelung gelangt,
bestehen erhebliche Meinungsditferenzen nicht.
Selachier und Teleostier.
Bei den Selachiern (Acanthias) und den Teleostiern (Forelle)
tritt die Milz verhältnismäßig spät, nachdem Leber und Pankreas be-
reits angelegt sind, in der mesodermalen Wand des Duodenums, in
Form einer lokalen Zellverdichtung, unmittelbar links von dem Ansätze
des dorsalen Gekröses, im Anschlüsse
an die V. subintestinalis auf(LAGUESSE
1890). ■ — Dieser Anschluß ist besonders
bei der Forelle ein inniger, denn hier
umgiebt (Fig. 175) die Milzanlage, einen
gegen die Leibeshöhle zu vorspringen-
den Wulst bildend, diese Vene. --
Später, wenn sich das Mesogastrium
Fig. 175. Querschnitt durch die Milzan-
lage einer jungen Forelle (nach Laguesse).
3Ii. Milz. S.i.v. (Subintestinalvene. D. Darm.
Mes. Mesenterium.
1) Gulland findet solche erst verhältnismäßig spät.
2) Nach !Saxer (1S96) entstehen sie an Ort und Stelle, während Gulland
(1894) angiebt, daß sie aus den Blutgefäßen einwandern.
3) lieber die Entwickelung der lymphatischen Apparate des Darmsystems ver-
gleiche Bd. 2, Kapitel 2.
Die Entwickelung des Blutgefäßsystems. 153
entfaltet, wird dieser innige Zusammenhang mit der Darmvene allmäh-
lich aufgehoben, und die Milz kommt nun in das Mesogastrium zu
liegen, wo sie sich an die große Magenkurve anschließt. — Ihr caudales
Ende steht schon von vornherein in inniger nachbarlicher Beziehung
zum Pankreas.
An dem Aufbau der Milz beteiligen sich nur die Zellen der
mesodermalen Darmwand und des Gekröses. — Das Cölomepithel
über der Milzanlage ist an ihrer Entwickelung, wie LAGUESse (1898)
Phisalix (1885) gegenüber hervorhebt, ganz unbeteiligt, und auch
eine Beteiligung entodermaler Elemente bei der Bildung der Milz stellt
dieser Autor in Abrede. — Nach ihm besteht die Milzanlage zuerst
aus einer größeren Zahl verzweigter, untereinander zusammenhängender
und dadurch ein Netzwerk bildender Zellen, in dessen Maschen rund-
liche Zellen gelegen sind. - Indem nun die letzteren frei werden,
entstehen in dem Netzwerke Hohlräume, die, wie dies besonders bei
der Forelle beobachtet wurde, mit der V. subintestinalis in Verbindung
treten. So entwickelt sich im Innern der Milz ein Venennetz, indem
die frei werdenden Zellen ins Blut gelangen. — Arterieuzweige erhält
die Milz erst verhältnismäßig spät.
Ganoiden.
Vollkommen anders als bei den Selachiern und Telostiern würde
sich nach Kupffer (1892) die Bildung der Milz bei den Ganoiden
(Accipenser) vollziehen. — Der Stör besitzt nach diesem Autor zwei
dorsale Pankreasanlagen, von denen die etwas später auftretende und
cranialer gelegene der dorsalen Pankreasanlage aller übrigen Wirbel-
tiere entspricht, während die andere früher auftretende ^), weiter caudal
als Eutodermdivertikel am Uebergange des Mitteldarms in den Spiral-
darm entsteht. — Diese beiden Pankreasanlagen bilden nun nach rechts
sowohl, wie nach links seitliche Ausbuchtungen. — Die rechts gelegenen
setzen sich untereinander in Verbindung, während gleichzeitig die
caudale dorsale Pankreasanlage ihre Mündung in den Darm verliert,
und bilden den größten Teil der Bauchspeicheldrüse. — Die linken
Ausbuchtungen dagegen sollen, indem sie, wie Kupffer sagt, splenisiert
werden, die Anlagen der Milz hervorgehen lassen. — Sie sind zuerst
getrennt voneinander, so daß eine Zeit lang eine vordere und eine
hintere Milz besteht. — Später vereinigen sie sich aber miteinander zu
einem einheitlichen Organ.
Außer der hinteren Milz bildet aber auch die caudale dorsale
Pankreasanlage einen medianen, ins dorsale Gekröse einwachsenden
Fortsatz, der, nach Kupffer, das subchordale (perivasculäre und peri-
nephritische) Lymphgewebe liefern soll.
Cyolostomen.
Auch für junge Ammocöten beschreibt Kupffer (1893), daß aus
einer nach links auswachsenden Ausbuchtung der dorsalen Pankreas-
anlage lymphatisches Gewebe sich entwickle, welches in seiner Ge-
samtheit der vorderen Milz von Accipenser entsprechen würde.
1) Sie fehlt allen übrigen bis jetzt auf die Pankreasentwickelung untersuchten
Wirbeltieren.
154 HOCHSTETTER,
Amphibien.
Bei den Amphibien sollen nach Maurer (1890) die Milzzellen eben-
falls entodermaler Abknnft sein, aber ihre Quelle wäre nach diesem
Forscher eine vollkommen andere als bei Accipenser.
Anuren.
Bei den Anuren entsteht die Milz wie bereits Goette (A. L.
III 7, 1875) angiebt und wie alle späteren Beobachter bestätigen, im
Gekröse des Mitteldarmes an der linken Seite der Wurzeln der A.
coeliaco-mesenterica , als ein flaches Häufchen indifferenter rundlicher
Zellen, welches sich bald vergrößert, so daß dann die Milz als ein
kleines rundliches Knötchen über das Niveau des Gekröses vorspringt.
— Nach Maurer (1890) sollen nun die die Milzanlage bildenden Zellen
bei Rana temporaria aus dem Darmentoderm ausgewandert und ent-
lang den Gekrösarterien au die Stelle gelangt sein, an welcher sich
später die Milz entwickelt.
Kraatz (1897), der die Entstehung der Milz an Larven von Alytes
obstetricans und Rana temporaria untersuchte, konnte die Angaben
Maurer's nicht bestätigen, und auch Woit ( 1897) fand keine positiven
Beweise dafür, daß bei Rana, wie Maurer angiebt, die Milzzellen
aus dem Entoderm abstammen. — Choronshitzky (A. 1899 und 1900)
wieder meint, daß zwar ein Teil der Milzzellen entodermalen Ur-
sprunges sei, daß jedoch ein anderer Teil derselben von dem eigen-
artig gestalteten Cölomepithel über der Milzanlage geliefert werde.
RuFFiNi (1899) hingegen spricht sich ganz entschieden dahin aus,
daß bei Rana die Milz sich aus den mesodermalen Zellen des Gekröses
entwickle und daß weder Zellen des Darmeutoderms noch des Pankreas,
noch auch Zellen des Cölomepithels an ihrer Bildung beteiligt seien.
Urodelea.
Bei den Urodelen findet man nach Woit (1897) und Choron-
shitzky (A. 1900) die erste Anlage der Milz in Form einer Zellanhäufung
in der mesodermalen Wand des Magens unmittelbar nach links vom
Ansätze des Mesogastriums. — Etwas später sieht man sie dagegen
in der unmittelbaren Nachbarschaft der großen Magenkurve im Meso-
gastrium selbst gelegen. — Auch die Zellen der Urodelenmilz sollen
nach Maurer (1890) entodermalen Ursprungs sein; er giebt an, daß
sie bei Siredon und Triton aus dem Verbände des Magenepithels
auswandern. — Und ebenso läßt Choronshitzky (A. 1900) bei Sala-
maudra, Menobranchus und Siredon aus dem Darmentoderm stammende
Zellen an der Bildung der Milz beteiligt sein, leitet aber die meisten
freien, zwischen den fixen verzweigten Zellen liegenden Milzzellen vom
Cölomepithel über der Milzanlage ab. — Woit (1897) dagegen be-
hauptet, offenbar beeinflußt durch die Angaben Kupffer's und ge-
täuscht durch die nahen nachbarlichen Beziehungen zwischen Milz und
Pankreas, daß die Müz der Urodelen aus dem Pankreas dorsale sich
entwickle, eine genetische Beziehung, die Choronshitzky (A. 1900)
gewiß mit Recht in Abrede stellt. — Nach Kollmann (1900) beteiligt
sich bei Siredon weder das Entoderm des Darmes noch die Zellen des
Pankreas an der Bildung der Milz.
Die Entwickelung des Blutgefäßsystems. 155
Sauropsiden.
Bei den Sauropsiden findet sich die erste Anlage der Milz wieder
als eine Zellauliäufung unter dem an dieser Stelle verdickten Cölom-
epithelüberzuge des Mesoduodenums in unmittelbarer Nachbarschaft
der Anlage des dorsalen Pankreas und der V. omphalo-mesenterica.
Mit der Größenzunahme der Anlage springt sie wulstförmig gegen die
Leibeshöhle zu vor und erstreckt sich
allmählich immer weiter ins Meso- .^
gastrium hinein (Fig. 176). — Eine \^ — -Mea.g.
innigere nachbarliche Beziehung der ^^
Milz zum Pankreas erhält sich dabei ^oy^ .-»««fe^
nur bei den Schlangen. V*^*^"^^. ML
Auch für die Sauropsiden wurde, ' ^ ^^
ersichtlich unter dem Eindrucke der \" ^^•?-«c.^
Arbeiten Kupffer's und Maurer's, \
eine Beteiligung entodermaler Ele-
mente an dem Aufbau der Milz be-
hauptet. — So läßt Choronshitzky \ ^-" — — ^9
(A. 1900) bei Anguis fragilis Entoderm- \ '
Zellen aus den ersten Pankreasknospen \ /
in das Gekröse, welches den Mutter-
boden für die Milzanlage bildet, ein-
wandern und hält auch bei dieser . „ ^ n . , , ,•
Form ein Einwandern frei werdender .,., f;f-i^^;,?Tf mL^ pfni^
T-, , - ,, 1 TA • 1 JVlilzanlasre und den Magen eines
Eutodermzellen des Darmes m das Embryo von Anguis fragilis.' 3//.
Gekröse für wahrscheinlich, eine Ein- Milz. 3kj. Magen. Mes.<j. Meso-
wanderung, die er bei jungen Hühner- gastrium.
embryonen direkt beobachtet haben
will. — Dagegen leugnet derselbe Autor, Woit (1897) gegenüber, der
bei den Vögeln Pankreasknospen sich von ihrem Mutterboden abschnüren
und in Milzgewebe umwandeln läßt, auf das entschiedenste eine direkte
Beteiligung der Pankresanlage an der Bildung der Milz. — Nach
Choronshitzky (A. 1900) entsteht die Milz bei den Sauropsiden aus
den Zellen des Gekröses unter lebhafter Beteiligung der Zellen des
über der Milzanlage verdickten und Proliferationserscheinungen dar-
bietenden Cölomepithelüberzuges. — Eine besonders hervorragende
Beteiligung des Cölomepithels an dem Aufbau der Milz findet auch
Janosik (1895) bei den Embryonen von Lacerta.
ToNKOFF (1900) hat nun in allerneuester Zeit die Entwickelung
der Milz bei Lacerta und einigen Vögeln untersucht und kommt zu
dem Resultate, daß bei diesen Tieren eine Einwanderung von aus dem
Darmepithel stammenden Zellen ins Gekröse absolut nicht nachge-
wiesen werden könne und daß somit die das Gekröse aufbauenden
Zellen rein m esodermalen Ursprunges seien, — Die Milz entsteht
aber hauptsächlich aus diesen Zellen unter gleichzeitiger Beteiligung
des proliferierenden Cölomepithels über der Milzanlage, ohne daß
dabei diese Proliferation eine energischere wäre als über anderen Stellen
des Gekröses oder der mesodermalen Darmwand. — Eine Beteiligung
der Pankreasanlage an der Bildung der Milz konnte Tonkoff aus-
schließen. - Nach diesem Autor ist somit die Milz der Sauropsiden
ein Organ von rein mesodermaler Herkunft, eine Ansicht, der sich Ver-
fasser auf Grund eigener Beobachtungen ebenfalls anschließt.
156 HOCHSTETTER,
Mit dieser Ansicht stehen freilich die Angaben von Glas (1900),
der die Entwickeluug der Milz von Tropidonotus untersucht hat, nicht
im Einklang. — Glas will bei den Embryonen dieses Tieres gefunden
haben, daß sich die Milz, ähnlich wie dieses Kupffer (1892) für
Accipenser angegeben hat, durch Splenisation eines Teiles der dor-
salen Pankreasanlage entwickle. — Diese Angabe muß jedoch mit
der größten Reserve aufgenommen werden, weil schon durch die innigen
nachbarlichen Beziehungen, die bei Tropidonotus zwischen den An-
lagen der Milz und des Pankreas bestehen, eine Quelle für Beobachtuugs-
fehler gegeben scheint und weil bei anderen ReptiUenformen, wie bei
Lacerta und Anguis, eine direkte Beteiligung der Pankreasanlage an
der Bildung der Milz mit ziemlicher Sicherheit ausgeschlossen werden
kann.
Säuger.
Bei den Säugern entsteht die Milz in ähnlicher Weise wie
bei den Vögeln. ^ Sie erscheint hier als eine Zellanhäufung in
dem an das Mesoduodenum anschließenden Teile des Mesogastriums
in der Nachbarschaft des dorsalen Pankreas. — Auch zeigt sich das
Cöloniepithel über ihr wie bei den Vögeln verdickt und in Prolifera-
tion begriffen (Tonkoff 1900, Kollmann 1900). — Die Verdickung
des Cölomepithels ist jedoch keineswegs, wie Toldt (1889) angiebt,
als die Anlage den Milz selbst zu betrachten. — Vielmehr sind es
die dicht aneinander gelagerten Zellen
Mes.q. Mi ^^'^ Gekröses unter der Verdickung,
/ "^ / ' die die erste Anlage der Milz bilden
/'l-T'v (Tonkoff). — Jedenfalls beteiligen sich
\ " ' aber auch bei den Säugern zahlreiche
„j - '' N aus dem Verbände des Cölomepithels
austretende Zellen an dem Aufbau
/ des Organes (Choronshitzky A. 1900,
li v***^^ ^ Tonkoff 1900, Kollmann 1900),
\fi -^ — -.'■' — ^
If: \^.y ' Fig. 177. Querschnitt durch Milzanlage
^ und Magen eines 27 Tage alten menschlichen
"^ ' Embryo. Bezeichnungen wie in Fig. 176.
Schon kurze Zeit nach ihrem Auftreten sehen wir die Milz bei
den meisten Säugetieren einen dem Mesogastrium aufsitzenden wulst-
förmigen Vorsprung bilden (Fig. 177), der sich in der Folge bedeutend
vergrößert und allmählich bis auf die Stelle des späteren Hilus, wo
die Blutgefäße in das Organ eintreten , vom Magengekröse ab-
schnürt.
lieber die rein mesoderinale Plerkunft des Milzgewebes der
Säuger können wohl keine Zweifel bestehen. — Und wenn Choron-
shitzky (1900) auch für die Säuger ein Auswandern von entoder-
malen Elementen aus dem Epithelverbande des Darmes in das Ge-
kröse, in dem ja die Milz zur Entwickelung kommt, annimmt, so hat
er doch keinerlei Thatsachen beobachtet, welche eine solche Annahme
rechtfertigen würden. — Darüber aber, daß bei den Säugern die dor-
sale Pankreasanlage mit der Entwickelung der Milz nichts zu thun
habe, bestehen keinerlei Meinungsdifferenzen.
Die Entwickelung des Blutgefäßsystems. 157
Litteratur,.
A Arbeiten, welche die Entwickelung des G efäfssy stemes im allge-
meinen behandeln, oder welche, obwohl sie die Entwickelung anderer
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bei ihrer Erxoähnung im Texte durch ein der .Jahreszahl vorgesetztes A. gekennzeichnet.
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1) Die Arbeiten über die erste Anlage des Wirbeltierherzens sind bereits in der
Litteraturübersicht zu Kapitel 5, Bd. J, angeführt.
2) Der erste Teil ,, Reptilien" dieser im Innsbrucker anatom. Institute ausgeführten
Arbeit wird demnächst im morphologischen .lahrbuche veröffentlicht werden.
160 HOCHSTETTER,
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1
Fünftes Kapitel.
Die Entwickelung der Form der Extremitäten und des
Extremitätensi<eletts.
s
VOH
Hermann Braus (Heidelberg).
Einlcituni»-.
Die große Thatsacbenfülle , welche über die Entwickelung der
Extremitätenbildungen der Vertebraten bekannt ist, steht in einem ge-
^Yissen Mißverhältnis zu der Sicherheit der Schlüsse, welche in theoreti-
scher Hinsicht aus dem vorhandenen Material zu ziehen sind. Unter
den mannigfachen Beobachtungen über die Entwickelungsvorgänge
derselben oder ähnlicher Formzustände bei verschiedenen Objekten
betinden sich manchmal solche, welche sich scheinbar gegenseitig auf-
heben und doch hinreichend durch das Zeugnis gewissenhafter Forscher
beglaubigt sind. Wenn auch stets solche Fälle zu immer wieder er-
neuter Nachprüfung aneifern müssen, so ist es doch keineswegs genug,
die eine Thatsache zu vertreten und die Zuverlässigkeit der Beobachtung
■entgegengesetzter Fälle zu bezweifeln. Es ergiebt sich vielmehr mit
Notwendigkeit der Schluß, daß unsere morphologischen Beobachtungs-
mittel in verschiedener Beziehung unzureichende sind. Speciell in
<ler Entwickelungsgeschichte des Skelettes (aber auch bei anderen
Organen) stockt die kritische Abschätzung der Befunde häufig an dem
Punkt, daß die Frühanlage der Elemente, wie sie uns im Präparat
sichtbar wird, doch nicht als die Stätte der ersten Differen-
zierung strikte erwiesen ist. Es ist denkbar und erscheint nicht
aussichtslos, die histiogenetischen Bahnen nachzuweisen, welche das
skeletogene Material von seiner ersten Differenzierung an durchwandelt
(allerdings mit subtileren Methoden als den bisher gebräuchlichen),
und höchst wahrscheinlich dürfte sich dabei die jetzt als Stätte ersten
Auftauchens bekannte Lokalität durch die Embryonalanalyse in vielen
Fällen nur als ein späterer D urchgaugspunkt erweisen.
Ist also die Lösung der vielen auf dem Extremitätenkapitel zur
Zeit noch lastenden Probleme vielfach der Zukunft zugewiesen, so ist
es um so mehr die Aufgabe dieses Aufsatzes, den Schwerpunkt auf den
Bericht über die bisher bekannten Thatsache n und die kriti-
sche Sichtung derselben zu legen. Das Theoretische findet nur
insoweit Berücksicktigung, um zu zeigen, in welcher Art das vor-
168 H. Braus,
liandene Material für Schlußfolgerungen ver\Yendet wurde*) und ver-
wendbar ist. Gerade darin bestellt — trotz des oft fühlbaren Mangels
befriedigender Lösungen — ein ganz besonderer Reiz so viel um-
strittener, nie veralteter Gebiete, wie es dasjenige der Extremitäten
ist, daß jeweils das ganze Rüstzeug der Wissenschaft bei ihrer Be-
handlung versucht wurde, und daß somit dem Forscher Gelegenlieit
gegeben ist, auch das Gesamtdenken und -wollen moderner Embryologie
sich hier auf kleiner Fläche widerspiegeln zu sehen.
A. Die imi)aareii Extreiiiitäteii.
Als unpaare Extremitäten werden alle diejenigen, zur Aequili-
brierung oder Lokomotion des Tieres benutzten Auswüchse des Körpers
bezeichnet, welche in Form einfacher Zuschärfungen oder komplizierter
Lappenbildungen in der Körpermittellinie — dorsal oder ventral —
liegen und in der Richtung derselben verlaufen-')- Die Flossen,
welche hier wesentlich in Betracht kommen, heißen Pinna e (zum
Unterschied von den paarigen Flossen, den Pterygia).
I. Die Entwickelung der äußeren Form der Pinnae und die histo-
genetisehen Frühstadien der Differenzierung.
1) Der eiiilieitliehe unpaare Flossen säum. Eine einheit-
liche Pinna von maximaler Ausdehnung über die Rückenseite (Kopf.
Rumpf und Schwanz) und über w^eite Strecken der Unterseite des Tieres
ist nur bei Acranieren vorhanden.
Beim Amphioxus^) bildet sich die unpaare Flosse zuerst aus-
schließlich am Hinterende des Körpers (I (3 Fig. Im. p. 6; Fig. 1.
p. 7). Sie wuchert später dorsal und ventral kopfwärts und erreicht
den Anus gerade, wenn dieser durchbricht. Der ventrale Saum
wuchert später präanal weiter, indem die Kontinuität mit dem postanalen
Teil durch Verschiebung der Analöifnung auf die linke Körperseite
erhalten bleibt. Beim Schluß des Atrioporus endet er noch kaudal
von diesem, wuchert aber in später Entwickelung noch ein wenig
zwischen die Metapleuralfalten (Pterygia) vor, ohne sich mit diesen
zu verbinden^).
Auch die dorsale Flosse wächst allmählich kranialwärts. zu-
nächst nur als geringe Zuschärfung des Körpers, in späteren Stadien
zur deutlichen Flosse ausgestaltet, erreicht schließlich den Kopf und
1) Schon des Platzmangels wegen mußte ich davon Abstand nehmen, ein voll-
ständiges Referat über das Theoretische dieses Kajjitels zu geben (selbst in sachlicher
Hinsicht mußte häufig Beschränkung bloß auf Andeutungen stattfinden, wo mir
größere Ausführlichkeit willkommener gewesen wäre). Aber ich bin auch, abgesehen
von jedem äußeren Moment, der Ueberzeugung, daß der Sache und dem Leser am
besten gedient ist, wenn ich den mir am zuverlässigsten gestützt erscheinenden
Standpunkt ausführlicher in seiner sachlichen Unterlage und in seinem logischen
Aufbau referiere und dafür weniger plausible Versuche (ohne sie etwa totzuschweigen)
in der Breite der Behandlung zurücktreten lasse, anstatt sämtliche Meinungen iu
gleicher Kürze abzuthun.
2) Ueber die Berechtigung, sie unpaar zu bezeichnen, vgl. Schlußkapitel dieses
Abschnittes.
3i Ich folge Hatschek A. L. III', 1881, Kowalevsky A. L. III ', Lankester
und WiLLEY 1899 (II ', p. 3, 4). (Ueber fertige hier erwähnte Zustände vergl.
Lankester 1899, van Wijhe 1901.)
4) Bei Asymmetron lucayanum allerdings Zusammenhang zwischen rechtem
Pterygium uud Präanalflosse (Andrews cit. nach van Wijhe 1901).
Entw. d. Form d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts.
169
wurde beim fertigen Tier mit einer kontinuierlichen Fortsetzung sogar
selbst auf der Schnauze und rechten Wange des Tierchens gesehen.
Bei den Cranioten kommt die successive Ausbildung eines so
ausgedehnten Flossensaumes nicht vor ^). Wohl bilden sich große
Strecken noch als transitorische Einheit. Einzelpinnae treten mit fort-
schreitender Differenzierung an ihre Stelle.
Das flössen lose Larvenstadium des Amphioxiis v^^ird als Indif-
ferenzstadium der Entwickelung unpaarer Extremitäten und die successive
Entstehung derselben vom Kör per ende aus als Repetition phyletischer
Vorgänge aufgefaßt (Ryder 1885, arcbicerkes and lophocerkes Stadium).
Auch die funktionelle Verwendung der ünpaarflossen bei Fischen
überhaupt (Strasser 1882) macht dies wahrscheinlich. Die Verbreiterung
des Körperendes in der Medianebene erzeugte, wie^^h glaube, ein pri-
mitives lokomotorisches Organ (durch Verwendung hier entstehender me-
tamerer Muskelanlagen), welches dazu diente, den zunächst wenig beweg-
lichen Rumpf vorwärtszutreiben '^).
2) Histiog'enetisclie Differenzierungen bei komplett und
inkomplett angelegten P i n n a e. Der Entwickelungsprozeß setzt
bei den Finnae im E k t o d e r m ein. Beim Amphioxus äußert er sich
in einfachem Höher w erde u der Epithelzellen in der Medianlinie,
während sich im übrigen die Epidermiszellen abflachen. Bei Cranioten
dagegen iindet wesentlich vermehrte Zellteilung und dadurch bedingte
geringe Verdickung, kurz darauf eine Eiufaltung der durch diesen
Prozeß vergrößerten Epidermispartie statt (Fig. 179).
Es entsteht so ein provisorischer Epithelsaum, der je
nach dem Bau der übrigen Epidermis bei verschiedenen Gattungen
Fig. 178a.
R
'^ Fig. 178b.
R
Fig. 17Sa. Querschnitt durch den Eücken eines Embryos von Scyllium stellare
(ca. 12 mm Länge).
Fig. 178b. Dasselbe von einem äUeren Embryo. R Eückenmark. m Mesoderm
der Flosse. Kach P. Mayer.
1) Annähernd so ausgedehnte Formen allerdings bei hoch specialisierten Tele-
ostiern.
2) Wenn bei der Entwickelung der Pinna von Cranioten geschildert wird, daß
der dorsale Hautsaum in kraniokaudaler Richtung entsteht (s. u.), so bezieht
sich dies auf die Schwanz region und widerspricht infolgedessen nicht obiger
Auffassung. Denn der Schwanz wächst von dem primären Körperende als Neu-
bildung aus und sein Fiossensaum folgt dieser Richtung. Da, wo am Rumpf noch
unpaare Flossen vorkommen, entstehen sie wie beim Amphioxus kaudo-kranialwärts
(List 1887, A. L. III ^ Harrison 1895) und jedenfalls im frühesten Entwickelungs-
stadium'
p. 112).
am Körperende zuerst (z. B. bei Selachiern, H. ViRCHOW 1895.
170
H. Braus,
oder bei den Stadien ein und derselben Species, in welcher die Dif-
ferenzierung sich vollzieht, anfangs ein- oder m e h r schichtig gebaut
ist (z. B. einschichtig bei Selachiern, Fig. la; zweischichtig, und zwar
durch Thätigkeit
Später wird er
Es dringen
Vergrößerung
bloß der basalen Schicht, bei Teleostiern, Fig 2c).
hichtig (Fig. 178b).
in der weiteren Entwickelung unter gleichzeitiger
die
Anfangs
Blätter
ist
lagerten Zellen
des beteiligten Ektoderms Mesodermzellen zwischen
der Falte ein und di'ängen diese basal auseinander,
die Mesodermausammluns' noch gering: die locker ge-
erfahren aber eine immer stärker zunehmende Ver-
dichtung, ohne daß man über die Herkunft^) dieser Zellen etwas
Specielles anzugeben wüßte. Ein Rest des provisorischen Epithelsaumes
erhält sich anfangs noch auf der höchsten Kante der Pinnae, wird
aber schließlich auch durch Eindringen von Mesoderm auseinander-
gefaltet (Fig. 17.Sb). Die Mesodermverdichtuug erstreckt sich von der
ursprünglichen Basis der Flosse (bei den Rückenflossen in der
Nachbarschaft des Rückenmarkes, Fig. 178a) bis in die Spitze derselben
(Fig. 183, p. 180).
o) Entstehung diskontinuierlicher E i n z e 1 f 1 o s s e n
(P i n n a e). Die Rückbildung von Teilen einer einheitlich angelegten
Flosse (lophocerkes Amphioxusstadium) führt bei den meisten Fischen
zur Bildung gesonderter Pinnae. Bei Myxinoiden existiert eine ein-
heitliche Pinna nur in der Schwanzregion und bleibt hier auch zeit-
lebens bestehen (Bdellostoma I 6, Fig. 3 i, 1, p. 12). Auch bei Pe-
tromyzonten kann nur eine relative Rückbildung insofern embryologiscli
verfolgt werden, als die von der Mitte des Körpers dorsal bis zum
Schwanzende des Querders einheitlich verlaufende Pinna beim erwach-
senen Neunauge eine Sonderung in zwei Dorsalflossen erlitten hat.
welche aber noch durch einen niederen Hautsaum verbunden bleiben.
Selachier^). Bei Selachiern tritt zuerst ein wirkHcher, kom-
pletter Zerfall während der Ontogenie ein. Es legt sich allerdings
unter diesen, soweit wir wissen, nur
/( - ^— ^:^. bei Scyllüdeu (Pristiurus, Scyllium
stellare und canicula) und bei Ovi-
paren Rochen ein deutlich promi-
nenter und kontinuierlicher Flosseu-
Fig. 17Ua, b u. c. Drei verschiedene Sta-
dien der provisorischen Ektodermfalte bei Sal-
mo salar auf Querschnitten, m MALPiGHi'sche
Schicht des Ektoderms. /; Zellen der Horn-
schicht desselben. ./' beginnende Einfaltung
des Ektoderms. Nach K. G. Harrison.
saum als Grundlage für die späteren Einzelflossen an und beginnt
dort am hintersten Teil des Rückens, um sich gegen das Schwanz-
ende hin zu erstrecken. Kranialwärts von dieser Stelle beschreibt
1) Ob sie sich in situ vermehren oder von anderen Lokalitäten her Zuwachs
erhalten, ist ungewiß, auch ist als ursprünglicher Ausgangsort nichts Näheres als die
Quelle aller Mesodermzeüen, zu deren Kategorie diese gehören, bekannt. Ueber die
Bedeutung der Herkunft vgl. Entw. des Skelets der Pinnae.
2) Ich verweise vor allem auf P. Mayer 1885. Vgl. auch schon Joh. MIjller
1842, p. 64; ferner Balfour A. L. III ^ 1874, 1877
Entw. d. Form d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts. 171
Balfour wohl eine Verdickung des Epithels, welche mit dem Schwanz-
saum zusammenhängt und nach vorn bis in die Höhe des vorderen
Endes der Herzanlage reicht. Sie verschwindet jedoch, ehe sie zur
Falte hätte werden können. Da nun die 1. Dorsalis bei den genannten
Haien und; Rochen an der Grenze zwischen Rumpf und Schwanz oder
erst auf dem Schwanz selbst gebildet wird, so fällt ihre Anlage wie
die der übrigen Unpaarflossen (2. Dorsalis, Analis, epi- und hypo-
chordale Schwanzflosse, Fig. ISO) in den Bereich der einheitlichen An-
lage. Bei vielen Haien jedoch liegt die 1. Dorsalis weiter vorn am
Rumpf, und bei diesen (bei allen Familien, bei denen Unter-
suchungen vorliegen, außer den oben genannten) kommt sie
getrennt vom einheitlichen Flossen säum als von vorn-
herein separate Bildung zur Anlage. Man kann natürlich diese
Fälle nicht von den erst erwähnten ableiten, da ja bei jenen an der
betreffenden Stelle gar keine Flosse entsteht, muß vielmehr bei
Selachiern eine partiell bereits so hochgradige Rückbildung statuieren,
daß auf dem Rücken nur der Ansatz zur Faltenbildung (Ektoderm-
verdickung Balfour's) übrig blieb. Es scheint, daß bei manchen
Selachiern auch im Schwanzbereich von vornherein bereits separate
Sonderung der Einzelflossen erfolgt.
Ein präanaler Hautsaum existiert nicht. Dagegen ragen die An-
lagen der paarigen Bauchflossen manchmal ein wenig über den Anus
hinaus, so daß auf Querschnitten dicht hinter demselben 3 Flossen
getroffen sind (Rabl 1892, p. 214). Auch hier tritt ebensowenig wie
im präanalen Gebiet (Amphioxus) Konkrescenz zwischen paarigen und un-
paarigen Flossenanlagen ein.
Während sich die definitiven Pinnae, welche innerhalb des einheit-
lichen Saumes entstehen, aus dem Außenkontur desselben namentlich
mit ihrem kaudalen Ende steil emporheben (Fig. 180), leitet sich die
ep.C 2D ID
hyp.C A Ba Br
Fig. 180. Embryo von Scyllium canicula mit einheitlicher Saumflosse. 1 Dl. Dor-
salis (Rückenflosse). 2D 2. Dorsalis (Rückenflosse). ep.C epichordale Caudalis
(Schwanzflosse). hyp.C hypochordale Caudahs (Schwanzflosse). A Analis (After-
flosse). Br (Brustflosse) und Ba (Bauchflosse) sind die Anlagen der paarigen Flossen
(Pterygia). Nach P. Mayer.
Rückbildung der zwischen ihnen liegenden Partieen ein, Anfangs
ist dieselbe eine relative , indem alle Entwickelungsvorgänge hier
sistiert sind, dann kommen direkt regressive Prozesse hinzu, die
äußerlich sich an dem eigentümlich welligen Kontur der Zvvischen-
strecken verraten.
Die sich rückbildenden Teile des Saumes bei Scylliiden und oviparen
Rochen kommen in der progressiven Entfaltung nicht über das Stadium,
in welchem spärliches Mesoderm in ihnen angelegt ist, hinaus ^). Doch
1) Später entstehen in jener Gegend, nachdem bereits der Saum verschwunden
172 H. Braus,
ist es in Einzelfällen zu weiterer Differenzierung gekommen. Bei älteren
Rliinaembryonen finden sich zwischen den beiden Dorsales sowohl kranial
wie kaudal von ihnen abortive, aber unverkennbare Innenradien des ehe-
maligen Flossenskelettes ^). Dies (sowie das Vorkommen einer kontinuier-
lich fortlaufenden Einlage von Skelettstrahlen in der einheitlichen Unpaar-
flosse fossiler Xenacanthiden) giebt uns Gewähr, daß die abortiven Teile
des Saumes einst funktionstüchtige Extremitäten (mit Innenskelett und
Muskulatur) waren und nicht nur larvale Gebilde sind.
Die hypochordale Kaudalflosse vergrößert sich in der späteren
Entwickeluug, unter Umständen zu einem beträchtlichen ventralen
Lappen. Es bildet sich aus dem anfangs symmetrischen diphycerken
Schwanz auf solche Weise eine heterocerke Form (siehe Skelett-
entwickelung).
G a n 0 i d e n -). Der unpaare einheitliche Saum erscheint in der
Ontogenie manchmal noch in weiter Ausdehnung über Rumpf, Schwanz
und Bauch. Präanal erstreckt er sich bis auf den Dottersack (vergl.
Abb. I 6, p. 24, 28, 32). Die Stellen, an welchen sich später die
Einzelflossen sondern, sind bei Lepidosteus schon in relativ frühen
Entwickelungsstadien durch Pigmentanhäufungen gekennzeichnet (Fig. h
I 6, p. 28).
Ist die Sonderung vollzogen, so treten an der Schwanzflosse Ver-
größerungen des h y p 0 c h 0 r d a 1 e n A b s c h n i 1 1 e s ein, indem dieser
sich ganz nach Art einer separaten Flosse (der Analis vergleichbar)
läppe nförmig aus dem Niveau der übrigen Kaudalis erhebt (Fig. k^
I G, p. 28). Diese Partie vergrößert sich immer mehr und okkupiert
schließlich das ganze Schwanzende, da die ursprüngliche Spitze des
Schwanzes in der Entwickelung' stehen bleibt und zu einem schmalen,
von dem Rest der ursprünglichen Flosse umrandeten Faden verwandelt
wird (Fig. 1 ; 1. c). Derselbe verrät bei älteren Embryonen noch eine
Weile, daß die Körperachse dorsalwärts verdrängt ist (was am Skelett
natürlich stets kenntlich bleibt), und kommt dann ganz in Wegfall.
Der rein ventral entstandene, einer zweiten Analis vergleichbare
Schwanzlappen bildet dann den symmetrischen Abschluß der Kaudal-
flosse (Homocerkie).
T e 1 e 0 s t i e r •^). Aehnlich wie bei Ganoiden ist hier der einheit-
liche Flossensaum wohl entwickelt (im allgemeinen höher als bei
Selachiern, Harrison (1895), Salmo salar, Fig. 10, o I 6, p. 35) und
präanal bis auf den Dottersack fortgesetzt. Bei der Differenzierung
der Einzelpinnae entsteht zuerst die Schwanzflosse. Die Dorsal- und
ist, Mu sk el anlagen ähnlich denen, die im Gebiet der bleibenden Pinnae zum
Aufbau der Muskulatur derselben dienen. Doch gehen sie in den Zwischen strecken
bald zu Grunde (Abortivknospen, P. Mayer 1885). Bei Knochenfischen bleiben
übrigens an ähnlichen Stellen die Muskelanlagen nicht abortiv, sondern entwickeln
sich zu den sog. „muscles greles" (Cuvier, Vogt: Leptocephalus und Anguilla,
Conger u. a.)
1) Aehnliches ist bei ausgewachsenen Haien gefunden (außer bei Rhina noch
bei Acanthias americanus (Thacher), Centrophorus und Pristis (Mivart). Auch
Chimaera hat eine fast durchlaufende unpaare Flosse mit einer Einlage kontinuier-
lich aufeinander folgender Skelettstäbe.
2) Litteratur vergl. I 6, p. 22 u. f.
3) Bei Teleostierembryonen wurde die einheitliche Saumflosse zum erstenmal
gesehen. K. E. v. Baer entdeckte sie und beschrieb die einzelnen Teile (1837, p. 313).
Von späteren Autoren seien erwähnt: C. Vogt (A. L. III ^ 1842), A.Schneider
(1879), A. Agassiz (A. L. III*, 1877, 1878, 1882), A. Agassiz and Whitman (A.
L. III*, 1885, 1889), Cunnikgham (1883/84), Harrison (1895).
Entw. d. Form d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts. 173
Aiialriosse bilden sich ungefähr gleichzeitig, aber bei pelagischen jungen
Fischen meist die zweite Dorsalis vor der ersten Dorsalis. Nur wenn
die erste Dorsalis hohe Ditferenzierungsstufen zu erreichen hat (Lo-
pliius, Cyclopterus u. a.), so setzt ihre Bildung früher ein und geht
dann der zweiten Dorsalis voran. Bei den Salmoniden entsteht die
Analflosse nicht pari passu mit der Dorsalis, bei S. salar früher, bei
S. irideus später als letztere. Die Fettflosse differenziert sich stets
zuletzt.
Die Zwischenstrecken des Saumes verschwinden bei den meisten
Teleostiern vollständig, besonders die ganze präanale Partie ^).
Die hypochordale Caudalis besitzt wie bei Lepidosteus entweder
anfangs einen Lappen, der sich noch besonders gegen die ursprüng-
liche, aber rudimentäre Schwanzspitze absetzt (I 6, p. 40, Fig. 11 c),
oder die Grenze zwischen hypochordalem Lappen und Schwanzspitze
ist von vornherein verschwnnden, weil die letztere sofort von dem
ersteren okkupiert wird -) (Fig. 10 o, I 6, p. 35). Auf jeden Fall
bildet sich der h o m o c e r k e Typus aus (siehe Skelettentwickelungj.
Besonders charakteristisch ist die Aehnlichkeit des hypochordalen
Flossenlappens mit der Analis. Von A. Agassiz (A. L. III ^, 1877)
wird er als direktes Homodynam der letzteren aufgefaßt und von
DoLLO (1892) mit der zweiten Analis fossiler Xenacanthiden homo-
logisiert.
Nach dieser Ansicht hätte also bei Teleostiern eine zweite Analis
allmählicli Besitz von dem Territorium der eigentlichen Caudalis ge-
nommen und diese als Rudiment dorsalwärts verdrängt. Die Knochen-
fische mit besonders stark entwickelter Schwanzflosse besäßen in Wirk-
lichkeit keine Caudalis mehr, sondern eine besonders entfaltete zweite
Analis. Jedenfalls illustriert diese Anschauung die große Aehnlichkeit
zwischen hypochordaler Caudalis und Analis, die ihr zur Basis dient.
Doppelbildungen. Bei Doppelbildungen, die sich z. B. bei
Salmonidenembryonen bekanntlich relativ häufig finden, kommen auch
komplette oder inkomplette Verdoppelungen der unpaaren Saumflosse
vor, je nachdem die Doppelbildung der ganzen Keimanlage von Anfang
an oder in der weiteren Entwickelung mehr weniger hochgradig ist und
bleibt. Die Derivate der ventralen Saumflosse lenken mit allmählich
fortschreitendem Ausgleich dieser Art von Monstrositäten immer mehi-
in den Lauf ihrer normalen Bildungsgeschichte ein, während diejenigen
der dorsalen Partie am längsten verdoppelt bleiben •'').
Im Gegensatz dazu neigen Carassiusarten (bekannt als japanische
Schleierschwänze) zu Verdoppelungen der Abkömmlinge des ventralen
Flossensaumes, während der dorsale Teil ungeteilt bleibt (Watasb 1887,
1) Bei manchen jedoch (z. B. Aalen) ist im fertigen Zustand eine voll entwickelte
einheitliche Medianflosse vorhanden. Von Balfour and Parker (A. L. III % 1882)
wird sie als Atavismus bezeichnet. Vielleicht sind aber doch hier progressive An-
passungsvorgänge stark mitbeteiligt. Vergl. auch p. 171, Anm. 1.
2) Entweder ist innerlich an der Lage der Achsenorgane der heterocerke Typus
noch erhalten und auch bei äußerer Betrachtung mehr oder minder deutlich erkenn-
bar (Fig. 186, p. 185), oder es geht durch Rückbildung die ganze asymmetrische An-
ordnung verloren, so daß auf diesem Umweg larval oder postlarval wieder eine sym-
metrische Schwanzform entsteht: Gephyrocerkie (Ryder 1885, p. 91). Leptocephalus
behält die filamentöse Schwanzform und wurde u. a. auch deshalb schon früh als
Fischlarve bezeichnet (J. V. Carus 1861).
3) Franz Schmitt 1901, mit Referaten über die übrige, hierhin gehörige
Litteratur.
174
H. Braus,
CoRi 1896). Bei k ompletter Verdoppelung (Fig. 181) entwickeln sich je
zwei Anal- und hypochordale Kaudalflossen (auch doppelte Präanalsäume,
die aber später wieder verschwinden), bei ink omp letter Verdoppelung-
nur das eine oder das andere. Wichtig ist
das Ergebnis der ontogenetischen Untersuchung
dieser Mißbildung (Watase, 1. c. p. 259), welches
ergab, daß die Säume anfangs nahe beieinander
liegen und bei fortschreitender Entwickelung'
weiter a vi seinander rücken. Denn darin
tritt noch die Divergenz zu Tage, welche hier
von der einheitlichen Bildung aus durch eine Art
S p a 1 1 II n g zur Verdoppelung geführt haben
muß im Unterschied zii den oben bei Salmoniden
besprochenen Verdoppelungen, bei welchen aus
getrennten Doppelanlagen
k 0 n V e !• g i e •
Fig. 181. Embryo eines Schleierschwanzes (13 mm L
mit verdoppelten ventralen Unpaarflossen.
/ huks r rechts
Brustflosse ( paarige
Bauchflosse J Flossen
j im normalen Zu-
' "^""-^ • unpaare
Br
Ba
A Analflosse
C hyi^ochordale Kaudalflosse
Pr Präanalsaum
Nach S. Watase.
stand
Flossen.
rend endlich eine unpaare Bildung durch Konkrescenz zu stände
kommen kann. Ferner verdient hervorgehoben zu werden, daß präanal
die Anlagen verdoppelter Unpaai-säume verschwinden, ehe die Bauch-
flossen sich bilden, oder daß sie in inkompletter Verdoppelung (wie ge-
wöhnlich bei Teleostiererabryonen) gefunden wurden (Fig. 181). Nie sind
sie in Verbindung mit den Anlagen der paarigen Exti'e-
m i t ä t e n 1).
Dipnoer-). Die unpaare Saumflosse (Fig. 12 und 14 I 6, p. 44,.
51) dehnt sich bei Embryonen in stattlicher Entfaltung vom Kopf
über den Rücken bis zur Schwanzspitze und, ohne irgend welche-
1) Manche Forscher erblicken in Monstrositäten ähnlich den beschriebenen Be-
weise für ihre Annahme, die unpaaren teäume seien einst paarig gewesen
(üooDSiR, Watase, Eyder), ja es ist von der „unzweifelhaften Beweiskraft" jener
gedoppelten, normalerweise unpaaren Flossensäume für die Hypothese von der
serialen Homologie der paarigen und uni^aaren Extremitäten (die
von GooPSiR, HuMi'HRY, DoHRN u. a. vertreten wird) gesprochen worden. Es er-
scheint demgegenüber die vorsichtigere Auffassung CoRi's (1896) zutreffender, welcher
ausdrücklich hervorhebt, daß er die Verdoppelungen nicht als Rudimente einer
hypothetischen Doppelfalte ansehe , sondern nur als Beweis, daß ein theoretisch
postulierter Zustand thatsächlich vorkommen könne. Bedenkt man aber, daß in der
Entwickelung der Schleierschwänze die Doppelleisten sich voneinander allmählich
entfernen (s. o.) und daß Verbindungen mit den paarigen Extremitätenanlagen selbst
dann nicht beobachtet wurden, wenn die verdoppelte präanale Partie bis in die
Gegend der Bauchflossen hineinreichte (Fig. 181), so liegt kein Grund vor,
aus diesen Monstrositäten zu schHeßen, wie es jene Autoren thun, daß hier Ueber-
reste einer mit den paarigen Flossen einst kontinuierlichen Doppel-
falte vorlägen, aus welcher jene durch Beibehaltung des ursprünglich paarigen Cha-
rakters, die unpaaren aber durch sekundäre Konkrescenz entstanden seien. Bei
Salmoniden verbietet der Ausgangspunkt der Extremitätendoppelung, nämlich die Ver-
doppelung des ganzen Tieres, vollends die phylogenetische Verwertung der hier ge-
wonnenen Beobachtungen für das Gliedmaßenproblem.
2) Litteratur vergl. I G, p. 42 u. f.
Entw. d. Form d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts. 175
Unterbrecliimg, ventral bis auf den Dottersack aus. Es verschwindet
später nur der Dorsalsaum vom Kopf bis gegen die Mitte des Rückens
hin und die präanale Flosse. Dagegen verliert die ganze übrige
Partie ihre Kontinuität nie: die primäre diphycerke Flossen-
form erhält sich unverkennbar durchs ganze Leben^).
DiePräanalflosse. Bei Teleostiern hat diese Anlage die Deutuna:
erfahren, es handle sich um eine rein embryonale Faltenbildung, welche
durch Schwund des Dotters im Dottersack, auf welchen sie sich freilich
stets hinaufzieht, bedingt sei und dem Dottersack einen Kiel liefere
(P. Mayer 1885, p. 253). Hält man sie für eine bloße Runzelfalte, wie
es hier geschieht, so wäre sie (bei Teleostiern , Ganoiden, Dipnoern)
nicht mit der bei Amphioxus vorkommenden und dort allein im fertigen
Zustand erhaltenen Präanalflosse zu homologisieren. Es ist ja in der
That das völlige Fehlen derselben in der Entwickelung von Myxinoiden,
Petromyzonten und Selachiern dieser Anschauung günstig. Andererseits
ist aber im Präanalsaum von Teleostierembryonen die Anlage von Skelett-
teilen (Hornfäden, Harrison, 1893) beobachtet worden. Dies wäre bei
der Entstehung einer Runzelfalte unverständlich und deutet auf einstige
lokomotorische Funktionen, also auf die Homologie mit dem Zustand bei
Amphioxus hin.
Tetra 23 ode Wirbeltiere. Bei diesen vorkommende Hautsäume
werden entweder im larvalen Zustand während des Wasserlebens gebildet
und nachher auf dem Lande reduziert (Amphibien), oder sie erhalten
sich zeitlebens (Reptilien). Inwieweit bei allen diesen Bildungen Homo-
loga der unpaaren Fischflossen vorliegen ist zum Teil recht unsicher.
Jedenfalls kommen bei fossilen Reptilien Flossen vor, welche bei Fischen
fehlen, da hier die ursprüngliche Schwanzspitze durch die Entwickelung
einer epichordaleh Flosse ventralwärts verdrängt gefunden wurde
(Ichthyosaurus, Fraas 1892, Dollo 1892 ; bei Teleostiern umgekehrt
dorsal wärts gerichtete Verdrängung durch hypochordale Flosse, s. o. p. 173).
Bei Säugern (Cetaceen) ist die unpaare Schwanzflosse ebenfalls eine
Bildung sui generis. Ich verweise wegen der zahlreichen Details auf
die vergl.-anat. Litt.
Ursachen der Entstehung von Einzelpinnae aus der
ursprünglich kontinuierlichen Sa um flösse. Der Entwicke-
lung der äußeren Form nach könnte man schließen, daß aas dem Indiffe-
renzstadium gleichmäßiger Entwickelung infolge zunächst unbekannter
Ursachen bereits vorhandene Elemente an bestimmten Stellen
stärker auswuchsen (vergl. Fig. 180) und dadurch die Gesamtarbeit über-
nahmen, so daß die Zwischenstrecken abortiei'ten. Diese Ansicht vertritt
Ryder (1885). Ich glaube aber, daß sich hinter den äußerlich sichtbaren
Prozessen noch ein tieferer Grund verbirgt, nämlich der Neuerwerb,
1) Es sei hier bereits hervorgehoben, daß auf Grund theoretischer Vorstellungen
über die Entstehung des Skelettes der Unpaarflossen überhaupt von verschiedenen
Autoren die Annahme gemacht wurde, es sei entweder die Unpaarflosse der Dipnoer
in toto eine heterogenetische Biklung gegenüber den Unpaarflossen aller übrigen
Fische, und zwar nach Verlust der letzteren als völlige Neubildung entstanden
(Thacher 1876, p. 292), oder es sei die Schwanzpartie der Dipnoerflosse eine durch-
aus andere Bildung als die Kaudalflosse aller anderen Fische (Balfour and Parker,
A. L. III ^ 1882, p. 410, Dean 1894, Dollo 1895, Traquair 1900). Die Ent-
wickelungsgeschicnte der Dipnoer jedoch, welche damals noch nicht bekannt war,
hat diesen Ansichten keinerlei Stütze verliehen. Denn die primäre Kontinuität der
einheitlichen Flossenleiste geht ohne jede Regression in den definitiven Zustand über
(Kerr, A. L. III '-, 1900, p. 327j.
176 H. Braus,
den die bleibenden Tlossenpartieen seitens des einsjDrossenden inneren
Skeletes (Knorpelstäbe und -platten, s. Skelett) und der daraus entsprin-
genden starren Verbindung ihrer Basis mit dem Körper des Fisches
erfahren. Wenigstens entwickeln sich da, wo solche starren Stützen
wirklich in der freien Flosse gebildet werden (Selachier, Knorpel-
ganoiden) immer kleine separate Pinnae, während bei geschmeidigen
Skelettfäden (Myxinoiden, Petromyzonten, Weichstrahler unter den Tele-
ostiern) oder bei in besonderen Gelenken beweglichen Knochenstützen
(Außen strahlen vieler Teleostier, s. Skelett) einheitlichere Flossensäume
sich erhalten haben oder aufs neue formieren. Da wir durch Strasser's
Untersuchungen (1882) die Bedeutung der undulierenden Bewegungen
des Körpers für die Lokomotion kennen, so ist es begreiflich, daß die
Flossenstützen, welche (wohl infolge des Wassergegendruckes) nach
hinten wie die Schilfsmaste schräg gestellt sind, bei Entfaltung über weite
Strecken des Unpaarsaumes eine Beschränkung der Lokomotion her-
vorbringen würden i), obgleich sie auf der anderen Seite durch ihre
Festigkeit dieselbe begünstigen. Wir sehen deshalb die Pinnae, je höher
das Innenskelett in die Flosse hinein entfaltet und je fester die Ver-
bindung mit der Wirbelsäule entwickelt ist, um so mehr in ihrer lon-
gitadinalen Ausdehnung reduziert und auf Köri3erstellen topographisch
beschränkt, welche relativ unbeweglich sind (Unterdrückungen bestehender
Flossen, Verschiebungen von Pinnae etc. sind jedenfalls durch derartige
mechanische Momente beeinflußt).
4) Ausgestaltung d e r E i u z e 1 f 1 o s s e ii. Sind einmal einzelne
Pinnae entstanden, so kann sich jede derselben", entsprechend den
Specialaufgaben ihrer Lokalisation. in besonderer Richtung entwickeln.
Doch sind dies alles späte Ausgestaltungen der äußeren Form, die in
hohem Grade von den Skelettverhältnissen abhängig sind. Ich ver-
weise deshalb auf das folgende Kapitel 2).
II. Die Stützelemente der unpaaren Flossen.
Aus dem Mesoderm der Flossenanlagen können sich entwickeln
1) median liegende, u n p a a r e knorpelige (oder später ver-
knöchernde) Skelettteile: Iiineiistrahlen (und deren Derivate),
2) in beiden Antimeren entstehende, mehr der Peripherie
der Flosse entstammende, also paarige Skelettteile: Außeii-
strahleii (oder Hautstrahlen und deren Differenzierungen).
Da die Außenstrahlen in einer ihrer Formen (Hornfäden) sich
früher als die knorpeligen Innenstrahleu anlegen, auch bei fossilen
Pleuracaiithiden (denen ein Innenskelett in der freien Flosse noch
fehlt) bei'eits reich entwickelt waren, so sind sie wahrscheinlich die
phyletisch älteren Stützelemente ^). Ich stelle sie deshalb voran.
1) Strassee sah beispielsweise beim lebenden Karpfen, daß die starren, aber
im Gelenk beweglichen Knochenstrahlen der Flosse niedergelegt wurden, um
Auswärtsbiegungen zu ermöglichen. — Die Schrägstellung der starren, nicht ge-
lenkig befestigten Knorpelstützen ist deshalb hinderlich, weil die Achsen dieser Stäbe
die senkrechte Bewegungsachse bei undulierender Lokomotion überschneiden.
2) Die meisten Details fallen hier der beschreibenden Litteratur der äußeren
Körperform fertiger Tiere zu.
3) Fraglich ist hier die Stellung der Myxinoiden und Petromyzonten mit ihren
ungewöhnlich ausgedehnten unpaaren Flossenstützen (aus Knorpel von allerdings
eigenartiger Beschaffenheit), da sich bei diesen Klassen Außenstrahlen nicht anlegen.
Entw. d. Form d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts. 177
1 . D i e E 11 1 w i c k e 1 u n g d e r A u ß e n s t r a h 1 e u i) (H a u t s t r a li 1 e ii ).
Dieselben kommen bei Selachiern, Ganoiden, Teleostieru und
Dipnoern zur Anlage und zwar in zweierlei Form: a) Hornfäden
(Actinotrichia), b) Hautknochenstralilen '-). Die ersteren finden
sich bei allen erwähnten Fischen, die letzteren fehlen den Selachiern
und Dipnoern noch völlig.
a) Hornfäden. Das Detail ihrer Entwickelung ist am ge-
nauesten bei Teleostieru studiert worden (Harrison 1893). Sie ent-
stehen aus Körnchen, welche sich in Fortsätzen von Mesoderm-
z eilen 3) entwickeln und anfänglich im ganzen Innern des Flossen-
saumes verteilt sind. An der Oberfläche des letzteren ordnen sich
dann mit Körnchen beladene Zellfortsätze ungefähr der Lage der
späteren Hornfäden entsprechend an; die Körnchen in diesen ver-
schmelzen. Damit ist die Zahl der sich entwickelnden Elemente
wie es scheint, definitiv bestimmt. Die schließliche Ausgestaltung der
Einzelfäden vollzieht sich durch Anlagerung neuer Körnchen, welche
von besonderen, den jungen Hornstrahlen sich anschmiegenden Me-
sodermzellen (Pterygoblasten, Ryder) geliefert werden.
Selachier^). Die Hornfäden bilden sich bei ihnen zunächst in
einlacher Schicht und an verschiedenen Lokalitäten in verschiedener
Stärke (vergl. Eig. 186 p. 185), später auch vielfach in mehreren Schichten
und gewinnen konzentrisch geschichteten Bau. Mesodermzellen liegen
ihnen in Form einer epithelartigen Scheide an und bilden die einzige
für sie nachgewiesene Matrix. Die ursprüngliche Aufgabe und Beziehung
der Hornfäden äußert sich noch darin, daß die Muskulatur bei ihrer Ent-
wickelung ausschließlich an ihnen Insertionen gewinnt (mit Ausnahme
der hvpochordalen Caudalflosse, von welcher P. Mayer angiebt, es seien
nur Anheftungen am Innenskelett vorhanden) ^).
Teleostier. Am zahlreichsten sind bei ihnen die Hornfäden in
der Fettflosse vertreten, wo sie seit langem bekannt sind und zeitlebens
bestehen bleiben (Vogt 1842). Jedoch sind neuerdings embryologisch
als transitorische Gebilde auch in allen übrigen Flossen und selbst in
den abortiven Zwischenstrecken Hornfäden gefunden worden (R. G. Har-
rison II*, p. 457, 1893). Sie bilden sich in der Reihenfolge, in welcher
das Mesoderm zeitlich in die Flossenanlagen einwandert (p. 172).
b) Hautknochen strahlen. Sie entstehen bei Teleostieru")
in denselben Flossen [mit Ausnahme der Fettfiosse ^)], in welchen
1) Vergl. II \ p. 368.
2) Flossenstrahlen, Flossenradien d. Autoren.
3) Aeltere und neuere Angaben, welche die Entwickelung von Hornfäden aus
Ektodermzellen behaupten, haben sich nicht bestätigen lassen.
4) Litteratur bei O. Hertwig (II'', p. 457) 1876, Schneider 1879, Rabl 1892
u. s. w.
5) Bei ausgewachsenen Rochen sind Hornfäden nur auf einen ganz schmalen
Saum der Flossen beschränkt. Ob sie entwickelungsgeschichtlich stärker entwickelt
sind, ist noch unbekannt. Auch bei G an oi den flössen sind die Hornfäden reduziert,
indem zwischen den je einem Innenradius entsprechenden Gruppen Lücken bestehen,
in welchen Hornfäden fehlen.
6) Da die Hautknochenstrahlen bereits in einem früheren Kapitel besprochen
wurden, sei hier nur das Notwendigste erwähnt, um die Beziehung zu den Horn-
fäden und zum Innenskelett klarzustellen. Litteratur s. II' p. 368, 3(59.
7) Die Fettflosse ist nur von Hornfäden gestützt und repräsentiert infolge-
dessen einen primitiven Zustand. Sie findet sich auch nur bei manchen, der Wurzel
des Teleostierstamraes nahestehenden Physostoinenfamilien.
Handbuch dvT Entwickelungslehre. III. 2. 12
178
H. Braus,
bereits Hornfäden augelegt sind. Aber auch sie folgen zeitlich dem
Etappeugaug, welcher vom Flossenmesoderm überhaupt und deu ihnen
vorangehenden Hornfäden (s. o.) eingehalten wird. Besondere Osteo-
blasten, welche sich aus den Mesodermzellen an der Grenze gegen
das Ektoderm hin sondern, erzeugen die Strahlen. Charakteristisch
ist ein Zwischenstadium, in welchem die Osteoblasten durch den von
ihnen geleiteten Ossifikationsprozeß in kleine Plättcheu umgeluldet
werden, die später zu den Strahlen verschmelzen (s. II ^ p. 369). Sie
entstehen also von vornherein an denselben Lokalitäten wie die Horn-
fäden. Letztere werden von der Oberfläche der Flossen durch die
sich entwickelnden Hautknochenstrahlen abgedrängt, geraten aber
manchmal noch, wie Ryder zuerst sah.
z in d a s I n n e r e d e r K n o c h e n h i n -
ein. Dies findet (zwar nicht regelmäßig
und in sehr wechselnder Lokalisation) an
der Basis der Flossen statt : in den
peripheren Flossenteilen entwickelt sich
der Knochen so spät, daß durch die ein-
leitenden Prozesse bereits die Hornfäden
in das Innere der Pinnae verlagert sind
und ein Einschluß nie beobachtet werden
konnte.
A.Str
, '-A.Str
- M
Beziehungen d e i' H a u t k n o c h e n -
strahlen zu den Inn en s t r ahl e n.
Beide Gebilde stimmen bei Teleostiern in
ihrer Zahl überein, falls nicht Innenstrahlen
rückgebildet sind. Im letzteren Fall ( nament-
Fig. 182. Verbindung zweier antimerer Außen-
strahlen [A.Str.) mit einem Innenstrahl. Dorsal-
ilosse Pleuronectes (Längsschnitt). Ax basales, Bs
terminales Segment des Innenstrahls. Kn Knorpel-
belag der Gelenkflächen an den Gliedern des
Innenstrahls. L Ligament, welches die beiden
Außenstrahlen zu einer mechanischen Einheit ver-
bindet. L' Ligamente, welche den Innenstrahl
mit den Außenstrahlen verbinden. L" Ligamente,
welche den Innenstrahl an der Haut befestigen.
31 Musculusabductor. (Nach Cole and Johx-
STONE.)
lieh an den Rändern der Flossen) können dann einzelne Außenstrahlen
überschießen. Im übrigen aber bilden sich enge Beziehungen zwischen
je zwei antimeren Hautknochenstrahlen aus, so daß diese wie ein Strahl
funktionieren, und ferner Beziehungen zwischen je einem solchen dem
Hautskelett entstammenden Komplex und einem Innenstrahl, wie dies
Fig. 182 veranschaulicht 1). Letzterer verdient jetzt den oft gebrauchten
Namen Flossenstrahlträger.
1) Beim fertigen Tier existieren höchst komplizierte Ausgestaltungen dieses aus
heterogenetischen Elementen zusammengesetzten, aber mechanisch einheitlich wirken-
den Apparates. Die Flossenstrahlen artikulieren meist gelenkig auf dem Flossen-
strahlträger, besondere Sperrvorrichtungen können vorhanden sein und die höhere
Differenzierung endet in Weich- oder Stachel Strahlbildungen. Auch kommen
Verschiebungen der Außenstrahlen auf andere Innenstrahlen oder fiedrige Kom-
binationen zu Stande.
Entw. d. Form d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts. 179
Beziehungen der H a u t k n o c li e n s t r a h 1 e n zu den H o i- n -
fäden. Es ist eine oft behandelte Frage, in welchen genetischen Be-
ziehungen diese beiden Gebilde zu einander stehen. Viele Autoren leiten
die Hautknoclienstrahlen von den Hornfäden ab (Bruch 1862, Lotz II*
p. 459, 18621), SwiRSKi 1880, Balfour and Parker A. L. III ^^ 1882,
Ryder 1886), andere halten beide für voneinander unabhängige Bil-
dungen (GrEGENBAUR 1865, LA VALETTE 1880, R. G. HarRISOX II * 1893,
p. 457). Dazu bemerke ich Folgendes.
Da die Hautknochenstrahlen sich, wie oben gezeigt wurde, zu einer
höheren Modifikation der dermalen Skelettteile dadurch entwickeln, daß
sich etwa wie beim Schädel enge Beziehungen und schließlich feste
Wechselwirkungen zwischen Bestandteilen des Innen- und Außenskelettes
anbahnen, so unterscheiden sie sich von den Hornfäden, bei welchen
derartiges nicht entsteht, wesentlich durch die topographische und nume-
rische Uebereinstimmung mit den Innenstrahlen. Sollten sich solche Ein-
richtungen aus gleichmäßig unter sich angeordneten, aber zu den Innen-
radien in keinem festen numerischen Verhältnis stehenden Gebilden wie
den Hornfäden (Fig. 186 p. 185) entwickelt haben, wie es die eine der
beiden Hypothesen verlangt, so wäre zu erwarten, daß diejenigen Horn-
fäden, welche gerade günstig für den Anschluß an die Innenradien
situiert sind, weiter entwickelt, die übrigen aber zurückgebildet werden.
Beides ist aber, wie mir scheint, in der Teleostierentwickelung nach-
gewiesen. Denn an der Basis der Flosse sind häufig mehrere Hornfäden
von einem Knochenstrahl hülsenartig umschlossen (s. o.). Sie stellen
meines Erachtens die durch ihre günstige Lage zur Ausgestaltung höherer
Einheiten auserwählten Elemente dar, auf welche sich nun der Knochen
ablagert etwa wie ein dermaler Schädelknochen um eine Spange des
Primordialcranium 2). Die nicht qualifizierten Hornfäden aber gelangen
in das Innere der Flossen hinein und verschwinden hier (s. o.). Die
Hautknochenstrahlen sind also wohl höhere Einheiten als die Hornfäden
und von verschiedenartigem mesodermalen Material gegenübei'
ihnen gebildet, aber deshalb doch nicht als etwas völlig Neues ent-
standen zu denken.
2. Die E n t w i c k e 1 u n g der I n n e n s t r a h 1 e n der P i n n a e.
a) Die frühesten Eiitwickeluiigsstadieii.
Die unpaaren Skelettstäbe oder deren Derivate, welche sich in der
Medianebene der Pinnae entwickeln, bieten gerade in den frühesten
Stadien ihres Entstehens ein sehr wechselvolles Bihl, sei es daß man
verschiedene Familien der Fische embryologiscli miteinander vergleicht,
sei es daß man die verschiedenen Pinnae desselben Embryo für sich
betrachtet. Es empfiehlt sich deshalb, die Entwickelungsvorgänge in
bestimmte Gruppen zu sondern.
1) Nicht 18ß'2 erschienen, wie 1. c. angegeben, sondern 1864.
2) Gerade so wenig wie beim Schädel (um bei diesem zwar in den genetischen
Bedingungen sehr verschiedenen, aber anschaulichen Beispiel zu bleiben) die knor-
pehge Grundlage innerhalb eines jeden Deckknochens gefunden zu werden braucht,
ebensowenig ist es nötig, daß in allen Hautknochenstrahlen Hornfäden angelegt
sind, denn die letzteren sind ja ohnedies bei Teleostiern in voller Reduktion.
12*
180
H. Braus,
a) \^ 0 u (l e n A c li s e n g e b i 1 d e n räumlich g e t r e u u t e A n 1 a g e ii
(D 0 r s a 1 e s . A n a 1 i s , e p i c h o r d a 1 e C a u d a 1 i s b e i S e 1 a c h i e r n .
Ganoiden, Teleos tiern).
Selachier^). In den Dorsalflossen ordnet sich bei diesen
das Mesoderni so au , daß sich eine kontinuierliche Masse
dichtgedrängter Zellen von der ersten Stelle des Auftretens in
der Nälie des Rückenmarkes an (Fig. ITHb, p. 169) bis an die oberste
Kante der Flosse mit deren allmählichem Emporwachsen ausdehnt
(Fig. 183, Fig. 185, p. 183). Dieses dichtgedrängte zelleureiche Mesen-
E'
->
i.,n . I [ n . 1 1 1 u.mimJ 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 "^^
snrcniEniiiinn:
/■;
— ^rrmmz
C
Plg. 183. Mesoderraverdichtung in der ersten Dorsalis von Spinax niger (20,5 mm L.>
Sagittalschnitt. Der Pfeil zeigt kranialwärts. E gewöhnliches Ektoderm der Haut.
E' Rest des provisorischen Ektoderm säum es, etwas von der Unterlage abgehoben.
m Mesoderraverdichtung. R Rückenmark mit sagittal angeschnittenem Medullarkanal
C (vergl. Fig. 184 C). (Original. 1
chym ist aber von der Medulla deutlich getrennt, und Züge embryonalen
Bindegewebes schließen, wie auf Querschnitten deutlich ist (Spinax),
das Innere der Flosse gleichsam gegen die Achsengebilde zu ab, indem
sie von der einen Seite bogenförmig zur anderen verlaufen. Aus dem
dichten Mesenchym sondert sich später das Innenskelett der Flosse,
indem bei solchen Formen, wie den Scylliiden, bei welchen auch im
fertigen Zustand getrennte Knorpelstäbe dasselbe zusammensetzen,
separate vorknorpelige Streifen auftreten. Diese verwandeln sich bald
in Knorpel, und nachträglich gliedert sich ein jeder der anfänglich
einheitlichen Knorpelstäbe in 3 Abschnitte (basales, intermediäres,
terminales Segment). Bei den vordersten und hintersten Strahlen
einer Flosse können sich weniger Segmente abtrennen. Die Gliederung
der Radien ist also etwas Sekundäres.
Bei Flossen, welche im ausgebildeten Zustand keine isolierten
Innenradien, sondern statt derselben einheitliche Knorpelplatten be-
sitzen, läßt sich vortreftlich die Reihenfolge der Differenzierung beob-
achten. Es legen sich, wie ich bei Spinax finde, die Platten als solche
an 2j und zwar kommt im ersten Stadium in der einheitlichen \o\'-
1) Für Scylliiden (Pristiurus, Scyllium) besitzen wir gute Untersuchungen von
Balfoue (A. L. III'', 1878, 1881), Dohen (A. L. III-') und P. Mayee (1885). Ich
folge ihnen in den Angaben über die Entwickelung dieser Formen. Bei anderen
Familien fehlen Beobachtungen so gut wie ganz. Ich suchte diese Lücke durch
eigene Beobachtungen an Embryonen von Spinax niger Bonap. auszufüllen (Braus
1904).
2) Die zahlreichen von Thachee, Mivaet, Haswell u. a. abgebildeten Skelette
Entw.'d. Form d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts.
181
kuorpelanlage des Skelettes die basale Platte mit der Basis des Pulpa-
knorpels zum Vorschein, dann bildet sich im zweiten Stadium distal
von dieser eine zweite Skelettplatte aus, und im letzten Stadium
entstehen erst die den Radien anderer Selachierpinnae entsprechenden
Knorjjelfortsätze am oberen Rand des distalen Basale, von Avelcheu
nur der vorderste und in geringerem Maß der zweite ausgesprochene
Formen annehmen (auch bei der fertigen Flosse sind nicht mehr ent-
wickelt). Das zweite Stadium ist in Fig. 184 abgebildet.
Unabhängig von dieser bezüglich
der Richtung zum Achsenskelett
axifugalen'j Entwickelungsrichtung kommt in späteren Stadien
bd
Rf 22^
Rm - _
Ch
V G Rp A W K
Fig. 184. 1. Dorsalflosse und Wirbelsäule eines Spinax niger (ca. 30 mm L.).
Rekonstruktion (nach Kastschenko). Vorknorpel in dunkelgraueni Ton ; Knorpel
hell und punktiert, b proximales Basale, bd distales Basale. P Pulpaknorpel.
Ä' u. Ä? Vorknorpelanlagen der Radien, m Konturen der Musculi radiales. Rm
Rückenmark mit C (MeduUarkanal). Ch Chorda. V einheitliche Vorknorpelanlage
der Wirbelsäule, die den oberen Rand des Rückenmarkes noch nicht ganz erreicht
hat. Rp Rippenanlagen mit K Knorpel. W Knorpelanlagen der Wirbel (die hinteren
nur teilweise gezeichnet). Ganglien {G) mit hinteren und vorderen Nerven wurzeln,
Austrittspforten der Nerven, Arterie {Ä) sind stellenweise ganz oder partiell einge-
tragen. Der Pfeil zeigt kranialwärts. (Original.)
ausgebildeter Pinnae lassen wohl keinen Zweifel, daß die breiten Basalplatten, die
an Stelle der parallelen Stäbe bei Selachiern vorkommen inid durch eine große Fülle
von Uebergangsformen von letzteren abgeleitet werden können, aus ihnen durch
Konkreszenz entstanden sind. Auch die fossilen Xenacanthiden besitzen völlig ge-
trennte, pallisadenartig aufgestellte Innenradien, die bis an die Basis der Flosse
heranreichen. Bei Spinax kommt, soweit meine Beobachtungen reichen, diese Kon-
krescenz embryologisch in nichts mehr zum Ausdruck. Doch ist dieselbe hier be-
sonders hochgradig. An hierfür günstigeren Objekten würde sie sich vielleicht
in statu nascendi demonstrieren lassen. — Auch legen sich bei Spinax die Quer-
glieder ursprünglicher Strahlen, die Basalplatten, von vornherein als Knorpel getrennt
an, während bei Scylliiden nach Mayer (s. o.) erst sekundäre Segmentierung der
Radien eintritt.
1) P. Mayer hat allerdings angegeben, bei Scyllüden erfolge die Anlage von
vornherein centripetal. Jedoch vermisse ich völlig eine genauere Beschreibung
oder Abbildung nach diesbezüglichen Beobachtungen, so daß ich mich hier auf das
genau untersuchte und wegen der getrennten Anlage der Querglieder hierfür sehr
günstige Objekt (Spinax) stütze.
182 H. Braus.
allerdings auch eine geringe a x i p e t a 1 gerichtete Differenzierung
vor. Es rückt dann die proximale Basalplatte nicht nur mit ihrem
vorderen, den Pulpaknorpel und auf diesem den spitzen, starken
Stachel tragenden Teil an das Knorpelskelett der Achse heran, sondern
auch die kaudale Partie des proximalen Basale, welche schräg dorsal-
wärts von der Anlage des Achsenskelettes abstand (Fig. 184, übrigens
auch schon in Fig. 18.') erkennbar), senkt sich und befestigt sich mit einer
gabelförmigen Verbreiterung auf den Calar- und Intercalarknorpeln dei'
Wirbelsäule. Zu einer direkten Verwachsung kommt es jedoch nicht
und, wie es scheint, nirgends bei Squaliden (wohl ist bei der ersten
Dorsalis von Holocephalen und bei einzelnen Rochen, z. B. Pristis, ein
solcher Zusammenhang vorhanden).
Die Anlagen der Innenradien (oder der von ihnen übrigen Reste,
nämlich die Fortsätze des distalen Basale, Fig. 184) stehen von Anfang
an in keiner numerischen Korrespondenz m i t de n K n o r -
p e 1 a n 1 a g e n der Wirbel im Achsenskelett. Bei ausgebildeten
Tieren ist der Zustand meist so, daß einem Körpersegment (reprä-
sentiert durch einen Voll- oder zwei Halbwirbel, ein Myotom und
einen Spinalnerven) durchschnittlich ein Innenradius ganz und der
Bruchteil eines zweiten entspricht^).
Der Anschluß des Plossenskelettes an die knorpelige
Wirbelsäule in den Dorsalflossen von Spinax ist also der Entwicke-
lung nach ein sekundärer Prozeß ^). Es kommt dies auch in der histio-
genetischen und topographischen Entwickelung zum Ausdruck. Denn im
Skelett der Elosse ist immer die Differenzierung derjenigen der Wirbel-
säule des entsprechenden Körperabschnittes ein wenig voraus (P. Mayer)
und bei Spinax im zweiten Stadium z. B. die Vorknorpelanlage noch
nicht bis zur oberen Kante der MeduUa und der Knorpel wenig über
die ventralen Nervenlöcher vorgedrungen, während Vorknorpel und Knorpel
in der Flosse selbst schon weit gediehen sind (Fig. 184). Man wird also
die Verbindung der Skelettelemente der Dorsalflossen bei Haien mit der
Wirbelsäule nicht als Zeugen „für ihre vertebrale Abstammung" (Geuek-
BAUR 1898) verwenden können.
Innenradien und Muskeln. Die Muskulatur der Dorsalflossen
legt sich metamer in Form von Knospen an (P. Mayer). Dieselben
gleichen den Extremitätenknospen der Pter3^gien, sind aber in sen'aler
Beziehung von ihnen sehr verschieden, da bei den Pinnae in einer
Körperhälfte auf jedes Segment 4 (oder 3) 3), bei den Pterygien auf jedes
1) Bei Carchariiden sogar 2,5, bei Sphyrna (Analflosse) 3,5 Radien pro Metamer
(Thacher 1876, p. 285^.
2) Es entspricht dem die Thatsache. daß nur mit starken Basalplatten ver-
sehene, also sekundär sehr veränderte Flossenskeiette (vergl. p. 180, Anm. 2) m Ver-
bindung mit dem Achsenskelett treten (bei Spinaciden, Rhinlden, Pristiden, Pristio-
phoriden), während diejenigen Flossen, welche freie oder gering gradig verschmolzene
Innenstrahlen besitzen, auch größere Abstände zwischen Achsen- und Eigenskelett
aufweisen. Der sekundäre Zusammenschluß steht gewiß in naher Beziehung zur
Funktion, da in diesen Fällen die Flosse entweder zur Waffe mit benutzt wird
(Stachelstrahl) und deshalb einen Haltpunkt sucht oder vielleicht zur Balancierung
des Körpers besonderer Einrichtungen bedarf (bei Anwendung des Rostrums als Säge)
u. dergl. m.
3) Nach F. Mayer produziert anfangs jedes Myotom 2 Knospen (Fig. 185), und
diese teilen sich später wieder je in 2 Tochterknospen. Dieser Vorgang ist aber
durchaus nicht gleich der Teilung der Primärknospen bei den Pterygia in Sekundär-
knospen (DoHRN), da letztere zu je zweien verschiedenen Seiten der Flosse (der
Streck- und Beuge seite) zufallen. Bei den Pinnae bleiben alle 4 Knospen auf
Entw. d. Form d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts. 18IJ
2 Knospen kommen. Bei Spinax sehe ich, daß die metameren Muskel-
anlagen sich, sobald sie in die Flosse eingedrungen sind, sofort durch
Anastomosen zu dysmetameren Muskelbündeln verbinden (Musculi radiales
der Pinnae). Gleichzeitig bilden die Flossennerven Geflechte und folgen
darin den Umlagerungsprozessen des meta-
meren Materials in den Muskelanlagen. Alles '"[ >"-^
dies geschieht, bevor die peripheren Radien-
rudimente sichtbar werden, und ohne topo-
Fig. 185. 2. Dorsalis eines Pristiurusembryo. m
Mesoderm Verdichtung, k Ursegmente, von welchen
sich Muskelknospen teils gerade ablösen, teils abge-
löst sind. Nach P. Mayer. tf
graphische Beziehung zu diesen (Fig. 184). Die ihrer Genese nach
metameren Muskeln und Nerven sind also außer jeder Beziehung zu der
am Skelett vorhandenen Segmentierung in Radien, ebenso wie letztere
der Beziehung zur Metamerie der Wirbelsäule entbehrt (s. o.).
Bei der epichordaleu Schwanztiosse sowie bei der Analis ist die
Bildung der Innenstralileu ganz gleich der bei Dorsalflossen (Scylliiden).
Ganoiden. In den Dorsalflossen, in der epichordalen Caudalis
nnd Analis treten wie bei Selachiern die Anlagen der Strahlen ge-
trennt von der Wirbelsäule auf (Lepidosteus, Acipenser, Calamoichthys ;
Balfour and Parker A. L. III 5, 1882; ebenso bei Polypteruslarven,
BUDGETT 190,3) i).
Teleostier 2). Bei Salmoniden entstehen die Innenstralileu
{auch Flossenstrahlträger, s. p. 178, oder Interspinalia, s. Interliaemalia
genannt), als Vorknorpelstreifen in einem dichten Blastem. Dieses
setzt sich aus dem ursprünglichen Flossenmesoderm und aus Muskel-
gellen zusammen, welche aus Knospen der Ursegmente stammen.
So entstehen aus demselben Blastem zu jedem Knorpelstab gleich
die zugehörigen Muskeln (Mm, erectores). Anfangs liegen die Skelett-
stäbe ziemlicli senkrecht zur Wirbelsäule, um sich später immer
mehr kaudalwärts gegen dieselbe zu neigen. Eine Kontinuität oder
numerische Korrespondenz- mit den Anlagen der Wirbel besteht
■der gleichen Seite der Flosse, und das im anderen Körperantimer korrespondierende
Myotom produziert auch 4 Knospen, deren Derivate als Antagonisten jener 4 funk-
tionieren. Man darf also durchaus nicht von numerischer tJebereinstimmung der
Knospen bei paarigen und unj^aaren Flossen sprechen, wie das fast allgemein ge-
schieht.
1) Nach ausgebildeten Tieren zu schließen, ist bei Knorpelganoiden wie bei
Selachiern keine numerische Korrespondenz zwischen der Zahl der Innenstrahlen bei
Flossen und den Wirbeln derselben Körperregion vorhanden, bei Knochenganoiden
jedoch nahe, wenn nicht völlige Zahlenübereinstimmung (Mivart). Ebenso ist von
den niederen zu den höheren Formen zu eine allmähliche Abnahme der Querseg-
mente an den einzelneu Innenradien zu sehen (Reduktion des intermediären und
terminalen der 3 ursprünglichen Segmente auf kleine Körperchen oder völliger Ver-
lust des terminalen Gliedes). Endlich sind anfangs mangelnde, später deutliche
Zahlenübereinstimmungen zwischen Innen- und Außenstrahlen nachgewiesen (Bridge).
In allen diesen Punkten, in welchen die Ganoiden den Uebergang zu den Teleostiern
bilden, fehlen leider noch ontogenetische Untersuchungen. Büdgett l. c. hat jedoch
bei Polypterus neuerdings festgestellt, daß bei der Larve ein, zwei oder drei Innen-
strahlen zwischen je zwei Dornfortsätzen der epichordalen Caudalis liegen.
2) Ich folge wesentlich R. G. Harrison (II^ 1893, p. 457), s. auch Dücret
<1894).
184 H. Braus,
nicht. Es kommen bei Lachsembryonen (Dorsalis) auf 13 Innen-
strahlen 12 Wirbel V).
Die Innenstrahlen der Salmoniden bilden sich nicht wie bei
Knorpelfischen in rein kranio-kaudaler Reihenfolge, sondern sowohl
die kranialen wie kaiidalen Randstrahlen der Pinnae bleiben in der
Diiferenzierung etwas gegen die mittleren zurück. Den retardierten
Strahlen felilen auch manchmal distale Querglieder. Diese Verände-
rungen sind sekundärer Natur.
Die zuerst angelegten Skelettstäbe entsprechen lediglich den
basalen Segmenten (Flossenstrahlträger, axonost nach Cope). Die ter-
minalen (baseost Cope) legen sich später als kleine Knorpelkugeln an.
welche sich in dem indifferenten, am distalen Ende der Flossenstrahl-
träger liegenden Gewebe separat differenzieren. In die freie Flosse
wachsen sie nicht, vielmehr vereinigen sich die basalen Enden der
Außenstrahlen mit ihnen an der Stätte ihres ersten Auftauchens
(Fig. 182, p. 178).
Ueber die Anlage von intermediären Segmenten ist nichts bekannt.
Doch sind sie bei vielen ausgewachsenen Teleostiern gefunden (Bridge).
Wahrscheinlich differenzieren sie sich in späten, bisher wenig beachteten
Entwickelungsstadien separat wie die Terminalglieder in dem indifferenten.
Zwischengewebe zwischen basalem und terminalem Segment. Basales
und intermediäres Segment verknöchern regelmäßig, das terminale ver-
hält sich wechselnd.
Das Längenwachstum der Flossenstrahlträger erfolgt im Anschluß-
daran, daß die Rumpfmuskulatur sich verdickt und dadurch die Flossen-
leiste immer höher über das Achsenskelett emporhebt.
Es entsteht dabei der Anschein, als ob die Flossenstrahlträger mit
ihren basalen Enden auf die Wirbelsäule zu wüchsen, und Harrison (II \
1893) faßt den Prozeß auch als solchen auf. Es ist mir jedoch kaum
zweifelhaft, daß hier wie bei allen übrigen Tischen in Wirklichkeit a x i -
fugales Wachstum vorliegt, welches nur dadurch maskiert wird, daß
sich gleichzeitig die periphere Marke, d. h. der dorsale Kontur des
Rumpfes verschiebt.
ß) Mit den A c h s e n g e b i 1 d e n r ä u m 1 i c h z u s a m m e n-
hängende Anlagen (h y p o c h o r d a 1 e C a u d a 1 i s aller F i s cli e ^
P i n n a d e r D i p n 0 i).
Alle Autoren -) stimmen darin überein, daß die hypochordalen
Innenstrahlen der Caudalis bei allen Fischen in der Anlage kontinuier-
lich mit den Hämalbogen der Schwanzwirbel zusammenhängen. Sie
werden deshalb als verlängerte Hänialdoruen (Proc. spinosi) derselben
bezeichnet.
Selachier. Ehe sich die Knorpelanlagen der Hämalbogen
über den Gefäßen der Schwanzwirbelsäule knorpelig geschlossen
haben, bildet sich in kontinuierlichem Verband mit dem skeletogenen.
den Verschluß vorbereitenden Gewebe eine Reihe dunkler Streifen
1) Bei Amiurus (Mc MuRRiCH 1884) kommen bis zu 2, bei Pleuronectes (Cole.
1901) bis 9 (oder mehr) Flossenstrahlträger auf ein Körpersegment. Im letzteren
Fall ( Pleuronectes] fassen mehrere auf einem besonders großen Strahl Posto (fiedrige
Anordnung).
2) Mit einer Ausnahme, siehe unten unter Selachier.
Entw. d. Form d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts. 185
aus, welche aus dicht gelagerten Mesodermzellen bestehen und von
welchen je einer auf einen Halbwirbel kommt (Fig. 18(5). Es sind das
';'V ■ : - v.A->\x>K'-\v::\:\ ^v\; ,;v\ä'\v''
ep.C
jii-^v^a\ji.:^•.vx.. .-
N.B -T
- Ch
■^ H.B
h.C-
Fig. 186. Anlagen der Neural- imd Hänialbogen nebst Hämaldornen im Schwanz
eines Spinaxembryos (derselbe Embryo wie bei Fig. 7, Eekonstruktion nach Kast-
SCHENKO). e2i. C epichordale Kaudalflosse (mit dünnen, dicht stehenden Horn-
fäden). h.C hypochordale Kaudalflosse (mit fast doppelt so dicken, weniger zahl-
reichen Hornfädenj. R Rückenmark. Ch Chorda. NB Anlagen der Neuralbogen.
Es kommen je zwei Wirbelanlagen auf ein Segment, denn immer der zweite
Knorpelkern umwächst eine ventrale metamere Nerven wurzel. ILB Anlagen der
Hämalbogen. Sie umschUeßen die Art. und Vena caudalis. Es sitzen ihnen die kaum
als Vorknorpel zu bezeichnenden (dunkel getönten) Dornfortsätze auf. (Original.)
die Anlagen der Hämaldornen, die später länger terminalwärts aus-
wachsen, bis der ausgebildete Zustand erreicht ist. Eine Abgliederung
findet bei vielen Haien (auch bei Spinax, Fig. 186) nie statt.
Bei manchen Selachiern ist im fertigen Zustand eine Quergliederung
einiger Hämaldornen oder eine völlige Loslösung von den Hämalbogen
gefunden worden (Fig. 187). Es vollziehen sich solche Prozesse also wohl
sekundär.
Während Balfour and Parker (A. L. III 5, 1882, p. 406) ent-
wickelungsgeschichtlich die Kontinuität zwischen hypochordalen Innen-
radien und Hämalbogen behaupten, was ich bei Spinax niger bestätigen
kann, und die vergleichend-anatomischen Untersuchungen sämtlich für
diese eintreten (Thachbr, Mivart, Hasw^ell), behauptet P. Mayer (1885,
p. 242), „daß der Knorpel wie bei allen anderen Flossen erst sekundär
186
H. Braus,
mit der Wirbelsäule in Verbindung tritt". Vorläufig steht diese Be-
hauptung ganz vereinzelt da; füi- mein Objekt triift sie gewiß nicht zu ^).
G a u 0 i d e u. Bei Lepidosteus entwickelt sich das Inuenskelet der
hyi^ochordalen Schwanzflosse auch aus Hämaldornen (Balfour und
Parker A. L. III ^ 1<S82, p. 406). Dasselbe ist bei der Larve von
Polypterus gefunden worden (Budgett 1903).
Tel eo stier ^). Obgleich gerade der hypochordale Teil der
Schwanzflosse bei ihnen später starke Veränderungen eingeht, (Homo-
cerkie, s. diesen Abschnitt unter b).
so sind doch die frühesten Stadien
noch an den meisten Stellen in
Uebereiustimmung mit den Be-
funden bei niederen Fischen. Die
betreffenden Innenradien werden
hier Hypuralkno chen ge-
nannt.
Die meisten Strahlen legen
sich knorpelig als typische Hä-
maldornen an. Doch entstehen
immer einige (nach der Schwanz-
spitze zu liegende) isoliert von
den Hämalbogen (Fig. 188, der
kaudalste Strahl). Von den Au-
toren werden Radien wie die letz-
Fig. 187. Schwanzflosse von Lamna
coruubica (nach Mivaet). Die am wei-
testen rechts befindlichen Hämaldornen
sind von der Wirbelsäule durch einen
ziemlich breiten Zwischenraum getrennt.
teren entweder für etwas von den übrigen Dornen Verschiedenes er-
klärt und mit separat sich anlegenden Strahlen anderer Flossen (z. B.
des epichordalen Teiles der Caudalis) verglichen, oder für reduzierte
Hämaldornen gehalten, bei denen Wirbelkörper und -bogen verloren
gingen, und deshalb in späteren Stadien Konkrescenzen •^) mit anderen
serialen Elementen des Achsenskelettes möglich sind.
Dipuoi. Es kommen hier sämtliche Innenradien der ganzen
Pinna (sowohl der dorsalen wie ventralen Partie) in Betracht; denn
1) Die einzige Figur, welche nach der ganz allgemein gehaltenen Bezugnahme
P. Mayer's auf seine Tafeln und bei dem Mangel näherer Angaben über seine Be-
funde im Text zur Beurteilung in Frage kommen könnte, befindet sich Taf. 16,
Fig. 5 1. c; denn alle anderen seiner Abbildungen demonstrieren im Gegenteil die
Kontinuität der Hämaldornen mit den ventralen Bogen. Diese Figur bildet aber
einen reinen Querschnitt ab und ist deshalb nicht beweiskräftig für die Diskontinuität,
welche in ihr allerdings dargestellt ist; denn nach des Autors eigener, richtiger Be-
merkung sind „reine Querschnitte nicht zu brauchen, weil sie die schräg nach hinten
gerichtete Flosse (soll heißen : Flossenstrahlen) nicht in der richtigen Weise treffen".
2) Litteratur: Aug. Müller 1853, Lotz 1864 (H", p. 459), Balfour u. Parker
1882 (A. L. ni-^ p. 78), Dücret 1894, F. Schmitt 19U1.
3) Bei ausgebildeten Teleostiern finden sich die mannigfachsten Variationen in
dem Verhalten der verknöcherten Innenradien sowohl zu den Wirbeln wie untereinander.
Es sind manchmal Knochenplatten vorhanden, welche offenbar durch Konkrescenz
entstanden sind und nicht mehr mit der Wirbelsäule zusammenhängen. Alle diese
Befunde sind vergleichend-anatomisch mit den einfachen Zuständen bei Knochen-
ganoiden leicht verknüpfbar (Balfour u. Parker).
Entw. d. Form d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts. 187
alle verhalten sich ganz gleich, indem sie von der Achse des Körpers
aus axifugal auswachsen.
epichordaler e^^!?^95v"*'_
Fraecaiidalsaum 't>'^~
Fettflosse \
,Ä
,<.*«>«
Afterflosse hypochorda er c^oV^""
^ ^ Pi'aecaudalsauni
Fig. 188. Schwanz eines Bachforellenembryos (Rekonstruktion). Von rechts nach
links folgen unter den eingetragenen Knorpeln (schwarz) aufeinander : a) in der epi-
chordalen Schwanzflosse: die Neuralbogen des sechst-, fünft- und viertletzten Wirbels
und der zum drittletzten Wirbel gehörige epichordale Flossenträger, b) in der hypo-
chordalen Schwanzflosse : die Hämalbogen des sechst-, fünft-, viert- und drittletzten
Wirbels, die zwei hypochordalen Flossenträger des zweitletzten und die beiden des
letzten Wirbels und der erste freie hypochordale Flossenträger. Nach F. Schmitt.
„Die unpaare Flosse von Lepidosiren wird gestützt durch Elemente,
Avelche als wahre Dornfortsätze zur Wirbelsäule gehören.
Die Innenstrahlen der dorsalen und ventralen Teile derselben sind
wirklich homologe Gebilde. Es existiert keine Spur von irgend-
welchen Innenradien, welche zwischen den Dornfortsätzen der Wirbel-
säule und unabhängig von Neuraldornen entständen" (G. Kerr 1902) ^).
Wie bei Selachiern (Scylliiden) legen sich die Radien als einheit-
liche Knorpel an und zerfallen nachträglich in die typischen 3 Quer-
glieder.
Das terminale Längenwachstum der Innenradien führt dieselben
nicht über die Basis der Flosse hinaus, denn die freie Flosse ist
lediglich von Elementen des Außenskelettes gestützt.
y) Beurteilung der verschiedenartigen Anlagen von
Innenradien der Pinna e.
Da die unpaaren Einzelflossen sich einerseits aus einer einheit-
lichen Saumflosse ontogenetisch dilferenzieren, andererseits ihr Skelett
sich in zwei verschiedenen Arten anlegt, befinden wir uns der
Ontogenese gegenüber in dem Konflikt, welcher dieser beiden That-
sachengruppen wir für die phylogenetische Beurteilung die größere Be-
weiskraft zuerkennen sollen. Denn die erstere führt dazu, alle Pinnae für
1) Da in der Litteratur noch keine Angaben über die Entwicklung dieser Teile
bekannt gemacht sind, hatte mein Freund Herr Professor Kerr (Glasgow) die Liebens-
würdigkeit, mir brieflich diese Beobachtungen mitzuteilen.
188 H. Braus,
serial homologe Bildungen von korrespondierendem Bau ^) zu halten :
letztere dagegen legt eine primäre Trennung in verschieden ent-
standene Extremitäten (vom Achsenskelett abhängige und von ihm un-
abhängige Bildungen) nahe.
In der That gehen die Auffassungen bei den verschiedenen Autoren
sehr auseinander. Es giebt verschiedene Möglichkeiten der Deutung, die
sämtlich ihre Vertreter gefunden haben :
1) Alle Unpaarflossen sind serial homolog. Ihr Skelett ist von der
Wirbelsäule aus entstanden. Die separaten Anlagen beruhen auf Caeno-
genese. Gegenbaur, 1874, 1S98.
2) Alle Unj^aarflossen sind serial homolog. Ihr Skelett ist frei in
denselben entstanden. Alle in Kontinuität mit der Wirbelsäule auf-
tauchenden Skelettteile (soweit überhaupt solche Anlagen zugegeben
werden) entwickeln sich cäuogenetisch. Thacher 1877, Mivart 1879,
DoHRx 1884 (A. L. 3, p. 76). P. Mayer 1886.
3) Die Unpaarflossen sind nicht homolog. Es gehören diejenigen
zusammen, deren Skelett unabhängig von der Wirbelsäule entsteht
(Gruppe «, p. 180), und diejenigen, deren Skelett sich als Hämaldornen
entwickelt (einziger Vertreter ist die hypochordale Schwanzflosse). Die
Pinna der Dipnoi gehört nicht hierher, da sie als sekundäre Neubildung
gedeutet wird. A. Schneider 1879, Balfour and Parker 1882 (A. L.
III 5. p. 78).
Die Entscheidung für die Auffassung der Skeletogenese bei den
Pinnae liegt bei den Dipnoern. Denn bei ihnen findet sich eine
einheitliche Flossenanlage zusammen mit einer einheit-
lichen Anlage des Innenskelettes in allen Teilen der
Flosse. Da dort das Skelett als wahre Dornfortsätze-) von Neural-
und Hämalbogen entsteht (p. 187), so ist damit der hypothetisch
postulierte Vorgang thatsächlich demonstriert.
Bei den Pinnae der Selachier, Ganoiden und Teleostier ist der
gleiche Vorgang im allgemeinen nur an der hypochordalen Caudalis
beobachtet. Doch kommt auch hier ausnahmsweise die Separation von
Anlagen ■^) (Selachier, Fig. 10, p. 20) oder sogar eine v o n v o r n -
herein separate Entstehung von Strahlen vor (Teleostier, p. 186).
1) Besonders klar ist dies bei der Analflosse und hypochordalen Schwanzflosse
der Ganoiden und Teleostier. Denn letztere ist ersterer in der Entwickelung so ähnlich,
daß sie als seriales Homodynam derselben ihrer Genese nach aufgefaßt wird (2. Analis,
A. Agassiz, s. p. 173). Trotzdem gehört bei jeder von ihnen die Skelettentwickelung
einem anderen Typus an.
2) l^s sei hier besonders hervorgehoben, daß es dabei gar nicht so sehr auf
einen direkten Zusammenhang der auswachsenden Innenradien mit den Neural-
oder Hämalbogen ankommt. Die örtliche Lokalisation der ersten An-
lagen im skeletogenen Bezirk der Körperachse und die mit der
Metamerie der letzteren übereinstimmende Gliederung sind viel-
mehr das Bestimmende. Es kann sehr wohl dabei die Chondrifikation in den
Innenradien der Flosse früher auftreten, als die Knorpel der Wirbelsäulenbogen sich
über der Medulla oder den Kaudalgefäßen geschlossen haben. Es fließen dann erst
in den folgenden Stadien, wenn die Radien terminalwärts (also axifugal) schon aus-
gewachsen sind, die Basalportionen mit den Kuppen der Bogen zusammen (so ist es
nach G. Kerr's Mitteilungen auch bei Lepidosiren). Solche territoriale Gliederungen
einheitlich entstandener Skelettanlagen in der histiogenetischen Differenzierung (z. B.
auch bei den Wirbelanlagen selbst) sind aber nichts Besonderes. Wir werden ihnen
bei den paarigen Extremitäten noch häufig begegnen. Ich verweise deshalb auf spätere
Kapitel.
3) Auch bei Protopterus findet Jacquet in der hypochordalen Caudalis einzelne
separate Innenstrahlen.
Entw. d. Form d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts. 189
F—
Andererseits ist zwar bei den Dorsalflossen, der Analis und e
dalen Caudalis dieser Fische im Allgemeinen eine separate
beobachtet, ausnahmsweise scheint aber im ersten Sta-
dium bereits ein Anschluß von Inuenradien an die [
Neuralbogeu zu bestehen. Wenigstens bildet P. Mayer
(1885) einen solchen Fall aus dem hintersten Teil der
Schwanzwirbelsäule bei Selachiern ab (Fig. 189) ^). Bei
aller Verschiedenheit in der Entwickelung fehlt es also
doch nicht an Uebergängen (Beginn örtlich von der
Wirbelsäule getrennter Anlagen in der Gruppe ß, Reste
örtlich mit dem Achsenskelett zusammenhängender An-
lagen in der Gruppe a), welche die Kluft zwischen den
beiden verschiedenen Typen als keine primäre er-
scheinen lassen. Es kommt hinzu, daß bei Dipnoern
kein Anhaltspunkt für die Ansicht gegeben ist, es
könnten dort anstatt primärer Entwickelungsvorgänge
Fig. 189. Schrägschnitt durch die Schwanzflosse eines Em-
bryos von Scyllium canicula (parallel zu den epichordalen Innen-
radien geführt). N Neuralbogen. H Hämalbogen. R epichordaler
Innenstrahl, längs getroffen. R' hypochordaler Innenstrahl (schräg
getroffen). F epichordale Hornfäden (im Längsschnitt). F' hypo-
chordale Hornfäden (im Querschnitt). Rm Rückenmark. S Seiten-
linie. Nach P. Mayer.
pichor-
Anlage
Rm
H--
sekuudäre eingetreten sein (p. 175, Anm. 1). Besonders wichtig er-
scheint mir endlich die Thatsache, daß auch die örtlich vom Achsen-
skelett entfernt auftretenden Innenstrahlen ebenso wie die primär von
ihm aus sich entwickelnden axi f ugal wachsen (Selachier, p. 181). Da-
durch wird noch auf die allen gleiche Entwickelungsstätte hinge-
wiesen.
Die Fälle, in w^elchen axipetal es Wachstum vorkommt (Dorsal-
flossen mancher Selachier, hypochordale Caudalis mancher Teleostier) sind
späte Neubildungen.
Phylogenetische Schlüsse: Aus mechanischen Gründen,
welche auf p. 176 besprochen sind, muß das Bestreben bestehen, wenn
das starre Innenskelett sich vergrößert und in die freie Flosse selbst
hineinwächst, eine basale Lösung der Radien von der Körperachse herbei-
zuführen. Da aus den gleichen Gründen eine Auflösung der Gesamt-
pinna in Einzelflossen zu stände kam , so wurde auch die Konstanz
der serialen Topographie zu der Wirbelsäule nicht immer gewahrt.
Denn Verschiebungen von Pinnae an weniger bewegte Stellen des
Rumpfes waren nicht mehr gehindert, seitdem die Innenradien zu separaten
Strahlen geworden waren. In der Ontogenie wird offenbar dieser ganze
komplizierte Vorgang^ wie er durch Kombination der Einzelbefunde er-
schlossen werden kann, nicht mehr in seiner. Totalität rekapituliert, sondern
das Skelett wird für unsere Beobachtungsmittel gleich an der Stelle
sichtbar, an welcher es beim ausgebildeten Tier zu finden ist. Da in-
1) Auch hat R. Semon (1898, p. 107, allerdings ohne nähere Beschreibung) an-
gegeben, solche Zusammenhänge in der Ontogenie gesehen zu haben. — Bei ausge-
bildeten Tieren (z. B. Carcharodon, T. J. Parker 1887) ist beobachtet worden, daß
an der Schvvanzspitze eine einheitliche Knorpelplatte bestand, die aus Wirbeln
samt Hämal- und Neuraldornen zusammengesetzt war. Dabei entsprachen die letzteren
serial völlig den separaten Innenstrahlen, die kranialwärts von ihnen lagen.
190
H. Braus,
folgedessen die örtlichen Beziehungen zu den ausgang-
gebenden Metameren nicht mehr bestehen, kann auch
keine Kontinuität der Anlage mit den Segmenten der
Wirbelsäule zum Aiisdruck kommen. Ist eine solche vorhanden,
so haben sich neuerdings Verbindungen dysmetamerer Natur a\is be-
sonderen Gründen gebildet (axipetales Wachstum, p. 182) i).
o) Anhang: Entwickelang des Innenskelettes derPinnae
bei Petromyzonten (Myxinoiden, Acranier).
Das Skelettgewebe in den Pinnae bei Querdern ^) besteht aus
einer eigenartigen, diesen Gebilden sowie Teilen des Achsenskelettes
und Kiemenkorbes jener Tiere eigentümlichen Art von Knorpelgewebe.
Die Formentwickelung verläuft so, daß anfangs ein longitudinaler
Verdichtungsstreifen im Mesoderm auftritt (Chondrodermis, Schaffer).
Avelcher dicht über der epaxialen Achsenhülle liegt, dann aber mit
zunehmender Erhebung des unpaaren Flossensaumes der Kuppe des
letzteren folgt und sich entsprechend von der Körperachse entfernt
(Fig. 190). An der Schwanzspitze jedoch bleibt der ursprüngliche
Zusammenhang mit der skeletogenen, Chorda und Ptückenmark um-
hüllenden Scheide nocli lange erhalten (Fig. 191). Mit dem Empor-
_^. E
ch -■
Fig. 190. Medianer Längt^-
schnitt durch die Rückenflosse
eines Amniocoetes (3 cm L.). ch
Chondrodermis mit Anfängen der
Htrahlenbiklung. A arachnoidea-
les Füllgewebe oberhalb des
Rückenmarkes. e.a epaxiales Ge-
webe. E Epidermis. Nach J.
Schaffee.
A
1) Der Mangel von Beziehungen zur Körpermetamerie kommt bei den Dorsal -
flössen auch an den ontogeneti sehen Verhältnissen zwischen den Innenstrahlen und
Muskelanlagen (Nerven) zum Ausdruck. Beträchtliche Discrepanzen bestehen hier
gleich von der ersten Formierung der Mm. radiales an (j). 183). Untersuchungen dar-
über, ob diese aus primär konkordanten Lagerungen der Skelettstäbe luid Muskel-
knospen sich entwickelten, bestehen nicht. Der bloße Nachweis von Plexus bildimgen
der Nerven (P. Mayer) sagt nichts aus über die Genese und den Verlauf der Ver-
schiebungen bei den zugehörigen Muskelelementen. Es sei nur darauf hingedeutet,
daß primär konkordante Teile, die discrepant geworden sind, unter Umständen in
denselben Zwischenstadien angetroffen werden können, wie primär discrepante
Teile, welche im Begriff sind, sich in konkordante umzuwandeln. Aufschluß giebt
also nur der Nachweis der Entwickelungs rieht ung, nicht ein einziges, selbst
durch längere ontogenetische Etappen stillstehendes Entwickelungss tadium.
Immerhin ist es möglich, daß die Discrepanz zwischen Innenradien und Mus-
kulatur phyletisch sehr alt und für die jetzigen Skelettstäbe sogar primär wäre.
Bei Holocephalen ist nämlich keine ausgeprägte Achsenskelettgliederung in diskrete
Wirbel vorhanden (denn die vorkommende Segmentierung entspricht nicht der Körper-
metamerie) und trotzdem besitzen die Pinnae bereits Radien, von denen mehrere auf
ein Körpermetamer kommen (vgl. auch PetromyzonLcn und Myxinoiden). Hätte sich
die metamer angelegte Muskulatur in ähnlichen phylogenetischen Urzuständen bereits
zu höheren, polyneuren Muskelindividuen entwickelt und mit den polymeren Radien
verbunden, so wäre bei nachträglicher Auswahl je eines Radius pro Körper- und
Wirbelsegment (und Verlust der überschüssigen) von vornherein Diskrepanz zwischen
Mm. radiales und definitiven Strahlen vorhanden gewesen.
2) Litteratur bei A. Schneider 187Ü, p. 58 (A. L. HI-), Vogt-Young 1880
—1894, BuJOR 1891 (II', p. 34), Schaffer 1901. Ich folge im wesentlichen der
.sorgfältigen Untersuchung Schaffer's.
Entw. d. Form d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts. 191
rücken der Chondrodermis bleiben an segmental wiederkehrenden,
zahlreichen Stelleu Teile des verdichteten Gewebsstreifens zurück, die
sich gleichsam aus der ersten Anlage bei der Fortbewegung vom
ch'
eil
Entstehungsort ausspinnen (Fig. 190, 191). Indem die Matrix weiter
Fig. 191. Schwanz- R
ende eines Ammocoetes
(5 cm L., Total präparat).
A Achsenstrang mit auf-
liegender metaraerer
Muskulatur (Inscriptio-
nes tendineae: hell). In
demselben t^erborgen die
Chorda und dasRücken-
mark mit seinem arach-
noidealen Füllgewebe.
ch Chondrodermis mit
den Radien R. ch' Stelle,
an welcher die Chondro-
dermis dem freien Ende
des Rückenmarkes (e?i)
unmittelbar aufliegt. G
Gefäße. Nach J. ScHAF-
FER.
und weiter peripherwärts der Kante des höher emporwachsenden
Flossensaumes folgt, verlängern sich die von ihr sich ausspinnenden
Strahlen successive und wandeln sich dabei langsam in Knorpel um.
Wachstumsrichtung. Die dem Achsenskelett zunächst liegenden
Teile der ßadien sind die ältesten (auch im histiologischen Aufbau ist
dies daran kenntlich, daß sich hier zuerst Knorpelgrundsubstanz bildet),
die apikalen die jüngsten. Das Wachstum ist also axifugaH) ge-
richtet wie bei den Innenradien der Fische ; der einzige Unterschied der
Formentwickelung der Einzelradien besteht darin, daß ihre Spitze vom
ersten Beginn bis zum Abschluß des relativen Wachstums mit denen der
Nachbarn verbunden ist und so eine einheitliche Matrix (Chondrodermis)
bildet. Außerdem aber verlängern sich die Knorpelstrahlen bis an den
Außenrand der Pinnae, während bei Fischen nie eine so weite Aus-
dehnung in die freie Flosse hinein stattfindet, in vielen Fällen sogar die
Innenradien bereits an der Basis der freien Flosse enden.
Im allgemeinen entstehen auf die geschilderte Weise zuerst die
dorsalen Strahlen im ganzen Bereich der Rücken- und Schwanzflosse
und zwar kranio-kaudalwärts einer nach dem anderen. Doch können
ausnahmsweise ventrale Radien bereits angelegt werden, ehe alle oder
sogar ehe die ersten dorsalen Strahlen vorhanden sind. Die Zahl
der angelegten Radien ist sehr beträchtlich und viel größer als die
Zahl der Metameren, denen die Flosse entspricht (Fig. 191, bei Petro-
myzon marinus bis zu 4 Strahlen pro Metamer). Auch bewahren
die Radien nicht immer ihre Selbständigkeit. Verschmelzungen, Spal-
tungen, Anastomosen treten häufig während des Auswachsens ein
(Fig. 191) und geben Anlaß zu zweizipfligen Formen und dergl. unter
den fertigen Strahlen. Trennen sich Teile der Matrix als kleine
Inseln ab, wie es auch vorkommt (Fig. 192 J), so tritt keine Weiter-
entwickelung derselben ein.
1) Nimmt man die Chondrodermis als Fixpunkt, so entsteht allerdings der
Anschein, als ob die Radien axipetal entständen (Schaffer).
192
H. Braus,
In späteren Stadien der Entwickelung wachsen die proximalen
Enden der Strahlen mit den Zellen der skelettogenen Scheide, die
das Rückenmark nebst seinem epaxialen Fettgewebe, sowie die Chorda
und hypaxialen Blutgefäße umgiebt, zusammen (Fig. 192). Sie biegen
sich dabei basal um und nä-
^ Y hern sich dadurch den Nach-
\ /' barstrahlen. Durch Apposition
von neuem, aus dem skele-
togenen Gew^ebe entstehenden
Fig. 192. Medianer Längsschnitt
durch das hypochordale Gewebe
und die basalen Enden der Schwanz-
flossenstrahlen eines Ammocoetes
(4,5 cm). E Elastica chordae. ha
hyijochordales Gewebe. U Ueber-
gang von Zellen des hypochordalen
Gewebes in Vorknorpel. K Kadien,
aus Vorknorpel bestehend. J Vor-
-S" knorpelinsel. (Nach J. Schaffer.)
Knorpel bilden sich schließlich Knorpelleisten, von denen je eine lon-
gitudinal , epaxonisch und hypaxonisch, verläuft. Es sind dies Ge-
bilde, welche mit oberen und unteren Bogen bei Fischen vergleichbar
sind und manchmal auch schon eine Gliederung, entsprechend diesen,
erkennen lassen.
Während so in der Caudalflosse ein Konnex zwischen Strahlen
der Pinna und axialen Skelettteilen besteht, bilden sich in der Gegend
der Dorsalilosse die oberen Bogen räumlich getrennt von den Radien.
Phylogenetische Schlußfolgerungen. Thacher (1876) hat
darin, daß die Zahl der Radien in den Pinnae der Petromyzonten in
keiner direkten Relation zu der Metamerie des Körpers steht, einen
Grund gesehen, der gegen die Ableitung dieser Gebilde vom Achsen-
skelett zeuge. Doch sind die erst in Anfängen vorhandenen knorpeligen
Elemente der Wirbelsäule selbst bei Petromyzon nicht streng an die
Körpermetamerie gebunden i). Und doch wird niemand leugnen, daß sie
zum Achsenskelett gehören.
Es scheint andererseits eine Kontinuität des Zellenmateriales,
aus welchem die Matrix der Knorpelstrahlen (Chondrodermis) und die
Knorpelbogen der Wirbelsäule hervorgehen, bei der Schwanzflosse zu
bestehen -). Dies zeugt dafür, daß das skelettogene Gewebe der
Körperachse der Entstehungsort ist, von dem die Radien
ausgehen. Die axifugale Wachstumsrichtung ist ein weiteres Zeugnis.
1) Es fallen durchschnittlich mehrere auf ein Segment. Ebenso wie bei höheren
Vertebraten sich hier eine mit der Körpermetamerie korrespondierende Gliederung
(Wirbel) herausbildet, kann dies auch bei den Radien der Pinnae geschehen.
2) Schaffer schildert, wie oben beschrieben, die Lokalität, an weicher die
Chondrodermis anfänglich entsteht und an welcher sich die skeletogenen Zellen für
die Knorpel des Achsenskelettes selbst sondern, wenn ich ihn richtig verstehe, als
dieselbe. Seine Auffassung, daß die Radien mit ihren basalen Enden in das vesiculöse
Gewebe mit seinen indifferenten Zellen „einwachsen", ist damit nicht im Einklang. Das
„Wachsen" findet ja gerade am anderen apicalen Ende der Strahlen statt! Viel-
mehr scheint mir hier ein ganz ähnlicher Fall zeitlicher Differenzen in der Son-
derung von Knorpelgewebe innerhalb einer einheitlichen Skelettanlage vorzu-
liegen, wie manchmal bei Fischen (vergl. p. 188 Anm. 2). Die Zeitfolge und Lokali-
sation der ersten Chondrifikationen l)esitzt keine besondere phylogenetische Beweis-
kraft (siehe auch Kapitel über Schultergürtel der Tetrapoden etc.).
Eutw. d. Form d. Extremitäten n. d. Extremitätenskeletts. 193
Wenn andererseits in den Rückenflossen sich die Radien der Pinna und
die Neuralbogen örtlich getrennt ausbilden, so ist daran zu erinnern,
daß bei Eischen Aehnliches (in der Gruppe a p. 180) auch vorkommt,
ohne daß daraus der Schluß gezogen werden dürfte, daß gerade diese Dis-
kontinuität das Primäre sei. Auch bei den Dorsalflossen ist die Wachs-
tumsrichtung noch die axifugale.
M y X i n o i d e n und A c r a n i e r. Bei Myxinoiden stehen embryo-
logische Untersuchungen über die Skelettverhältnisse der Pinnae noch
aus. Doch haben neuere Untersuchungen an Bdellostoma Dombeyi
(Ayers u. Jackson 1901) größere Uebereinstimmung der ausgebildeten
Zustände mit denen von Petromyzon ergeben, als dies nach den älteren
Angaben der Fall zu sein schien ^). Es verläuft deshalb wahrscheinlich
auch die Entwickelung ähnlich wie bei diesen.
Beim Amphioxus ist die Frage ungelöst, ob überhaupt Gebilde
existieren, welche als Vorläufer der Radien höherer Vertebraten gelten
können. Es sind sowohl die Flosse nkästchen seiner einheitlichen
Pinnae, wie auch die Gallert papillen, die in jenen liegen, ver-
mutungsweise als solche bezeichnet worden 2).
b ) Das Innenskelett der Pinnae iu der späteren Ent-
wickeln n g.
Schwanzflosse. Sie macht von allen Pinnae die größten
Veränderungen durch. Bei Selachiern wachsen die hypochordalen
Innenradien besonders stark aus, vor allem aber bildet die Haut meist
einen, von starken und langen Hornfäden gestützten hypochordalen
Lappen (Fig. 187 p. 1S6, weiße Partie). Es entwickelt sich so sekundär
die Heterocerkie des Schwanzes'^). Bei Ganoiden findet sich
dasselbe ; bei Knochenganoiden kommen aber schon sekundäre Rück-
bildungen hinzu, da die in jungen Stadien vorhandene primäre Schwanz-
spitze zu einem fadenähnlichen Anhängsel wird und schließlich ver-
loren geht (Lepidosteus, Balfour und Parker, A. L. III ■', 1882).
Bei Teleostiern legt sich häufig noch das ursprüngliche Schwanz-
ende der Wirbelsäule als ein Skelettstück an, welches schräg dor-
salwärts aus der Anlage der definitiven Flosse herausragt und
auch noch mit rudimentären Hämaldornen besetzt ist. Meistens je-
1) Anlagen von Bogen der Wirbelsäule sind auch bei Bdellostoma schon vor-
handen (am Schwanz sogar ein vollständiger Bogen) und stehen auch hier in Konnex
mit den Strahlen der Pinnae. Die im kranialen Teil der ßücken- und Schwanz-
flosse liegenden Radien sind nicht wie die weiter kaudalwärts auf sie folgenden basal
mit einer ep- oder hypaxialen Längsleiste verbunden und ungefähr metamer an-
geordnet. Flossenmuskulatur soll bei Myxinoiden fehlen.
2) Die erstere Hypothese stammt von Thacher 1877, die letztere von Lan-
CESTER und WiLLEY 1890. Die Kästchen sind Hohlräume, von denen in der
Dorsalflosse 4 — 5, im Präanalsaum 3 — 4 auf jedes Myomer fallen. Im letzteren
beginnen sie zu einem Längskanal zu verschmelzen (ebenso in bestimmten Teilen
der Caudal flösse). Manche Autoren (Schneider 1879, van Wijhe 1901) vermuten,
daß die Zwischenwände der Kästchen mit Muskelelementen belegt sind. — Die
Gallertpapillen sind kegelförmige Erhebungen auf dem Boden der Kästchen.
In manchen Teilen der Flosse (vorderster Teil der Dorsalflosse, Präanalsaura) sind
sie paarig, in den übrigen unpaar, und in den aus Kästchen entstandenen Kanälen
abortiv. Ob das paarige Vorkommen aus dem unpaareu Zustand abgeleitet werden
soll oder umgekehrt, unterliegt noch Kontroversen.
3) Es sei kurz erwähnt, daß manche Paläontologen umgekehrt die Diphycerkie
von der Heterocerkie abzuleiten versuchen (Dollo, Traquair). In der Ontogenie
findet diese Ansicht keine Bestätigung.
Handbuch der Kntwickelungslehie. III. 2. 23
194 H. Braus,
doch ist von vornherein die Chorda stark nach oben gekrümmt und das
Ende der Wirbelsäule reduziert. Dadurch wird der Platz ausgespart,
in welchem sich besonders lange Hämaldornen entwickeln (Fig. 188
p. 187), Auf diese Weise ist die äußere Form des Schwanzes wieder
symmetrisch (homocerk) geworden. Aber selbst in den extremsten
Fällen zeigt die Ontogenese noch heterocerken Typus der Skelett-
entwickelung ^).
Die Dorsal- und Analflossen sind bei Selachiern und
Knorpelganoiden durch die oft beträchtliche Ausdehnung ihres Innen-
skeletts, bei Knochenganoiden und Teleostiern durch noch weiter
gehende Spezialisierungen des Außenskeletts ausgezeichnet. Es sei
hier wegen des Details auf die Beschreibungen fertiger Formen ver-
wiesen, lieber besondere Stachelbilduugen bei den I)orsalflossen der
Selachier vergl, II ", p, 365,
Schluß.
Wenn wir, das Kapitel der Un paar flössen überblickend, zum
Schluß die Frage berühren, ob der Name dieser Organe auch sicher
berechtigt, oder ob eine paarige Entstehung der Pinnae begründet
ist (GooDSiR etc, p. 174, Anm. 1), so haben sich aus der Ontogenese
der Flossen nur Argumente ergeben, welche für die primär un-
paare Natur derselben zeugen. Es steht also die Genese der paarigen
Extremitäten in sofern schon in einem fundamentalen Gegensatz zu
derjenigen der Pinnae, w^eil erstere von vornherein paarig an-
gelegt werden. Speziell die Versuche, ontogenetisch einen Zu-
sammenhang zwischen der Anlage paariger und derjenigen unpaarer
Gliedmaßen aufzusuchen, sind nicht von Erfolg gewesen.
Eine Kontinuität der Säume existiert selbst dann nicht, wenn
monströser Weise eine Fortsetzung der gedoppelten Unpaarflossen in das
Präanalgebiet stattfindet (p. 174). Die seriale Kontinuität der
Muskelanlagen der paarigen Abdominal- und unpaaren Analflosse,
welche von Dohrn (A. L. III ^ 1884) als Beweis für den ehemaligen
Zusammenhang angeführt wurde, ist bald darauf von P. Mayer (1885)
als irrtümlich nachgewiesen worden. Denn alle in Betracht kommenden
Muskelknospen gehen nachträglich in die Bauchflosse oder atrophieren,
die Analflosse erhält ihre besondere Muskulatur.
Schließlich ist der Nachweis, daß sich das Innenskelett der
Pinnae vom Achsen s k elett aus differenziert hat, welcher
der vergleichenden Embryologie entnommen werden konnte (p. 188),
jedem Versuch, die Skelette der Pinnae und Pterygia zu homologi-
sieren -) und auf diesem Wege die Paarigkeit der Pinnae zu begründen,
feindlich.
1) Z. B. bei Pleuronectiden A. Agassiz, A. L. III ^, 1877, Cole und Johnston
1901. — Daß hinter der Homocerkie der äußeren Form bei Teleostiern eine Hetero-
cerkie des {Skeletts verborgen sein kann, erkannte bei Embryonen K. E. v. Baer
(A. L. III ^ 1835). HuxLEY (1859) wies bei ausgebildeten Teleostiern noch Reste
heterocerker Skelettbildung nach. A. Agassiz' großes Verdienst besteht darin, den
Parallelismus zwischen Ontogenie vmd Paläontologie in der Entwickelung der Caudal-
flosse bei Teleostiern nachgewiesen zu haben. — Solche Fälle, wo das ganze heterocerk
veränderte SchwanzwirbeTsäulenende beim ausgebildeten Tier fehlt, (z. B. Hippo-
campus, Gambusia, Anguilla) und dadurch eine Art sekundärer Diphycerkie (sog.
Gephyrocerkie) zu stände gekommen ist, sind embryologisch noch nicht untersucht,
und es ist deshalb nicht bekannt, ob auch hier die einzelnen Etappen noch erhalten sind.
2) Siehe darüber das Schlußwort des nächsten Abschnittes (Paarige J^lossen).
Entw. d. Form d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts. 195
Aber auch direkt ist bei der impaaren Beschaffenheit dieser
Matrix, eben des Achseuskelettes, und der Lokalisatiou der Skeletto-
genese der Innenstrahleu in der Medianebene von Anbeginn an eine
ehemalige Duplizität unbegründet.
Litteratur ' ).
Braus, H. Thaisächliches aus der Entwickelung des Extremitiitenskelettes hei den
niedersten Formen. Zugleich ein Beitrag zur Entwickelungsgeschichte der Pinnae
und der Visceralbogen. Häckelfestschriß. [Jenaer Denkschriften XI.) Jena 1904.
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La Valette, St. G. von. Ueber den Bau der „Fettflosse". Arch. mikr. A. Bd. XVII.
Bonn. 1880.
l) Es sind hier nur die Titel der wichtigeren Abhandlungen aufgezählt (auch
<iiese nur, soweit nicht im Text selbst Bezug auf die Litteraturzusammenstellungen
anderer Kapitf dieses Handbuches Bezug genommen werden konnte). Um die Litte-
raturverzeichnisse dieses Kapitels nicht zu sehr auszudehnen, verweise ich wegen der
hier nicht angeführten, aber doch im Text zitierten Autoren auf die betreffenden
Jahrgänge der referierenden Jahresberichte.
13*
196
H. Braus,
Virclioic, H, Schwanzbüdnng bei Selachiern. Sitz.-Ber. Ges. nahirf. Freunde. Berlin.
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B. Paarige Extremitäten.
I. Bei Tetrapterygiern (Fischen).
1. Die Flossenlei s teil ^).
A 1 1 g e in e i 11 e Entstehung und L o k a 1 i s a t i o n. Die früheste
Entwickelung der paarigen Extremitäten äußert sich bei allen Fischen
in der Bildung von Leisten, welche ungefähr oder ganz der Rich-
tung der Körperachse folgen (horizontal liegen). Im allgemeinen
entspricht dies der Anheftung der Flossen an die Körperwand bei
ausgebildeten Tieren. Aber auch in solchen Fällen, in welchen die
Flossen später mit ihrer Fläche und auch ganz oder partiell mit
ihrer Anheftung am Rumpf vertikal orientiert sind (Ceratodus,
manche Ganoiden und Teleostier), ist. soweit die Entwickelung unter-
sucht wurde, eine völlige Horizontalstellung oder doch eine der Hori-
zontalen nahe kommende Position in den ontogenetischen Anfaugs-
stadien gefunden worden. Aus ihr entwickelt sich dann später durch
Drehung erst die definitive Lage. Die erstere der beiden Stellungen
ist also die ursprüngliche.
Histioge netisch er Aufbau. Bei allen Fischen tritt zuerst
innerhalb der Somatopleura-^) eine Wucherung ein (1. Sta-
Fig. 193. Verschiedene Stadien der Brustflossenleiste auf Querschnitten (a und
d von Pristiurus, b und c von Scyllium ; Stad. a bei erheblich stärkerer Vergrößerung
als die übrigen gezeichnet). Nach C Eabl.
1) Daß die Flossen in Form von Leisten oder Lappen entstehen, wurde zuerst
bei Teleostierembryonen entdeckt (Fokchhammer 1819, Rathke 1833, v. Baer
u.a.). Bei Selachiern fand dasselbe Balfour (A. L. III''). Seiner Arbeit folgte bald
die Entdeckung bei allen anderen Fischklassen.
2) Nachgewiesen hauptsächhch durch Boyer 1892 (Teleostier, auch Oei.-
LACHER 1879) und Eabl 1893, Mollier 1894 (Selachier) u. a. Die Grundlage
unserer Kenntnisse über die Histiogenese legte Balfour (A. L. III ^, 1878). Der
Entw. d. Porm d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts. 197
dium), welche durch vermehrte Zellteilungen des ursprünglich ein-
heitlichen Epithels eingeleitet wird. Bei Selachiern sind manchmal
spaltförmige Fortsetzungen des Cöloms (Fig. 193a bei *) in die Ver-
dickungen der Somatopleura zu beobachten (Rabl 1892), so daß an
eine ursprüngliche Faltenbildung gedacht werden könnte. Doch ist
in vielen Fällen diese Beziehung nicht gefunden worden (Ganoiden,
Teleostier, Dipnoer und häufig auch bei Selachiern nicht). Wenn die
Mesodermleiste eine gewisse Stärke erreicht hat, beginnt sich das
Ektoderm über derselben zu verdicken (2. Stadium. Fig. 193b).
Später erhebt sich das Ektoderm auf der Spitze des beträchtlich ver-
größerten Mesodermwulstes in Form einer Fal te (3. Stadium, Fig. 193c,
Scheitelleiste, L). Die Ektodermfalte wird schließlich aus einer basalen,
aus hohen Cylinderzellen bestehenden Schicht gebildet, auf welcher eine
dünne Plattenepithelschicht liegt (Fig. 193d). Als mesodermfreies plattes
Band zieht sie rund um die Peripherie der Flossenleiste herum. Nach-
träghch wächst das Mesoderm der Flosse auch in die Ektodermfalte
hinein und füllt sie allmählich aus. Sie ist dann verstrichen (4. Sta-
dium). Bei Ceratodus fehlt die Ektodermfalte von vornherein.
Kontinuität und Diskontinuität der vorderen ( t h o -
rakalen) und hinteren (abdominalen) paarigen Leisten.
Bei Selachiern entsteht die Leiste, welche der vorderen, und die-
jenige, welche der hinteren Extremität Ausgang giebt, getrennt für
sich (Fig. 180, p. 171). Es ist nur eine Ausnahme bekannt (Tor-
pedo s. u.). Es kommt zwar bei separaten Anlagen vor, daß die an-
fängliche Mesodermverdickung über die Grenzen der sonstigen An-
lagen der Extremität und über das spätere Territorium des Flossen-
mesoderms hinausragt, aber auch bei ihr kommt es nicht zu einer
Verbindung der thorakalen und abdominalen Anlage ^).
Wie bei Selachiern verhalten sich sämtliche Anlagen paariger
Extremitäten bei allen übrigen Fischen.
Es ist zwar von Ryder für eine Anzahl von Teleostiern ein Zu-
sammenhang der ersten Anlagen beschrieben worden, doch konnten durch
BoYBR u. a. diese Angaben nicht bestätigt werden. Es steht heute
fest, daß bei Teleostiern vordere und hintere Extremitäten getrennt ent-
stehen.
Ebenso sind bei Squaliden alle Autoren (Balfour 1881 etc.) über
die Diskontinuität der Anlagen einig. Dagegen ist bei Torpedo (T. ocel-
lata und marmorata) ein kontinuierlicher Zusammenhang zwischen dem
ektodermalen Teil der thorakalen und abdominalen Leiste gefunden und
zeitliche Zwischenraum, welcher zwischen dem Beginn der Mesoderm- und Ektoderm-
wucherung liegt, scheint verschieden und beispielsweise bei manchen Teleostiern
länger als bei Selachiern zu sein. Bei Ceratodus spielen sich beide Vorgänge gleich-
zeitig ab (Semon 1898), ebenso bei Torpedo (Ziegler 1888). Vergl. auch Braus
(1899, p. 504).
1) Denkt man sich die Anlage der Vorderflossen bei Squaliden so weit nach
hinten verlängert, daß sie bis in die Gegend der Hinterflosse reichen würde, so
könnte doch keine Kontinuität zwischen beiden entstehen. Denn die thorakale und
abdominale Anlage liegen nicht in einer Fluchtlinie (Balfour, Mollier).
— Bei Torpedo kommt die Kontinuität doch zu stände, weil hier die Brustflosse
eine andere Lage als bei Squaliden hat. Die verschiedene Stellung der Leisten bei
Squaliden und Batoiden halte ich für eine Folge von Unterschieden in der Skelett-
entwickelung (Besitz postaxialer Radien bei ersteren, Verlust solcher bei letzteren
s. Skelettentwickelung) und deshalb von den beiden Arten der Position die der
Squalidenembryonen für die primitivere.
198 H. Braus,
allgemein bestätigt worden i). Dieses Stadium einer kontinuier-
lichen Ektoderm leiste (Scliei teileiste) für vordere und
hintere Extremitäten ist deshalb besonders bekannt geworden, weil
der Entdecker desselben, Balfour (A. L. III ^, 1874), es als die Ausgangs-
form der paarigen Gliedmaßen überhaupt bezeichnete (Lateralfaltenhypo-
these), und bedarf deshalb einer besonderen Betrachtung. Zunächst wissen
wir, daß sich das Stadium der Kontinuität thorakaler und abdominaler
Extremitätenleisten bei Torpedo nicht primär in der Ontogenie ent-
wickelt, sondern anfänglich separate Leisten nachträglich
verbindet (Rabl 1893). Von den 4 Stadien, welche oben bei der
histogenetischen Differenzierung unterschieden wurden, werden bei Torpedo
marmorata die beiden ersten (Mesoderm- und Ektodermwucherung) von
den Anlagen der vorderen und hinteren Extremität völlig selbständig
zurückgelegt. Im 3. Stadium entsteht die Verbindung anfänglich in der
Weise, daß im Zwischenflossenraum die Mesodermwucherung und kurz
darauf die Ektodermverdickung auftritt. Die Ektoderm falten also
bilden sich in diesem Stadiiim anfänglich auch separat auf jeder dei-
beiden Flossenleisten, und äußerlich ist von einer Verbindung der
Leisten noch nichts zu sehen. Dann aber entsteht (im zweiten Teil des
3. Stadiums) im Zwischenflossenraum eine Ektodermfalte in Kontinuität
mit den bereits vorhandenen Falten der vorderen und hinteren
Leisten. So existiert für kurze Zeit ein Zustand, in welchem ein kon-
tinuierlicher Ektodermsaum vom Kopf bis zum After längs der Bauch-
wand hinzieht (das Stadium, welches Balpour sah und irrtümlich für den
Anfang der Differenzierung hielt). Bald verschwindet die Verbindungs-
strecke, und die Anlagen beider Flossen bleiben fortab gesondert.
Die Kontinuität der beiden Extremitätenleisten bei Torpedo entsteht
aber nicht nur sekundär in der Entwickelung, sondern sie ist auch ihrer
ganzen Ausbildungsweise nach nichts als eine Teilerscheinung von Ver-
schiebungsvorgängen am kaudalen Rand der Brustflosse und dem ihm be-
nachbarten rostralen Rand der Bauchflosse des Embrj^os (Braus 1899).
Bei der ersteren wird successive eine Vergrößerung nach hinten in der On-
togenie herbeigeführt (vor welcher die hintere Extremität durch Schwund
ihrer rostralen Partie zurückweicht) und damit schließlich die enorme
Flächenausdehnung der charakteristischen Rochenbrustflosse zu Ende ge-
führt. Die Verschiebung tritt besonders darin zu Tage, daß die Verbindungs-
strecke beider Extremitäten nicht fest am Rumpf lokalisiert ist,
sondern einer beständigen serialen Umgestaltung unterliegt, solange sie
existiert. Es assimiliert also die Brustflossenanlage Teile, welche eben
noch territorial zur Beckenflossenanlage gehörten, und setzt sich infolge-
dessen in Verbindung mit der letzteren, solange diese Austauschprozesse
dauern. Dann verschwindet die Verbindung sofort. Die Ektodermleiste
ist nur das äußere Zeichen der im Mesoderm verlaufenden sekundären
Entwickelungsvorgänge ^).
1) Bei anderen Rochen ist von dem Vorhandensein einer kontinuierlichen em-
bryonalen Ektodermleiste nichts bekannt.
2) Die Ektodermleiste selbst wird wohl allgemein nur als eine besondere Wachs-
tumsform der relativ schmalen und dünnen Extremitätenplatten angesehen (U. a.:
Peter 1902). Es ist dabei vielleicht von Bedeutung, daß das Ektoderm sich beim
Wachstum der Leiste im Quadrat, das Mesoderm aber im Kubus vergrößern muß.
Bei gleichem oder ähnlichem Tempo der Zellvermehrung würde also ersteres
zu groß im Verhältnis zu letzterem sein und die Faltenbildung plausibel werden. —
Die Flossenleiste selbst verlängert sich bei Torpedo ocellata bei der Brustflossenanlage
so, daß segmentale Elemente (Muskel- und Nervenanlagen) vom 28., 29., 80. und 31.
Entw. d. Form d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts. 199
Das Vorkommen einer einheitlichen Extremitätenleiste für beide
Flössen bei Torpedo berechtigt bei genauerer Analyse nicht dazu,
etwas Primäres in ihr zu erblicken, das ein Erbteil ursprünglich allen Se-
lachiern zukommender Verhältnisse wäre i), wie dies Balfour annahm.
Es fehlt auch allen anderen Fischen, außer den Rochen, die beträchtliche
Ausdehnung der Brustflosse nach hinten, die in ihren letzten Etappen
als successiver Erwerb bei Torpedo noch in der Ontogenie erweislich
ist und die Ursache für die Entstehung der Kontinuität beider Flossen-
anlagen bei diesen Fischen abgiebt.
^^ e r g 1 e i c h d e r p a a r i g e n u n d u n p a a r e n F 1 o s s e n I e i s t e n.
Auch hier stoßen wir direkt auf dasselbe Problem. Denn ist eine
gesetzmäßige Beziehung zwischen den Bildungsprozessen bei paarigen
und unpaaren Extremitätenleisten der Fische vorhanden, so liegt der
Schluß nahe, daß, so gut wie die Pinnae sich aus einer einheitlichen
Saumflosse differenziert haben, so auch die Pterygia aus einer solchen
entstanden seien ^). Es lohnt sich also, nachzusehen, worin die Aehn-
lichkeit der Frühanlagen von paarigen und unpaaren Anlagen besteht.
Wichtig ist es, daß alle Versuche, einen ursprünglichen Zusammen-
h a n g von paarigen und unpaaren Flossen und die ehemalige Dupli-
zität der letzteren nachzuweisen, fehlgeschlagen sind (p. 174 u. 194).
Denn nur in dem Falle, daß Thoracal-, Abdominal-, Anal-, Kaudalflossen
etc. sich aus zwei kontinuierlichen Saumflossen durch Verlust der Zwischen-
strecken gesondert hätten, könnte von einer ursprünglichen H o m o -
dj'namie jetziger Pinnae und Pterygia geredet werden (dabei auch
zwischen dorsalen und ventralen Bildungen nur in besonderem Sinne).
Zwischen primär paarigen und primär unpaarigen Gebilden, um die es
sich doch nach allen positiven Kenntnissen handelt, ist aber keine Ho-
modynamie, geschweige denn Homologie möglich. Eine beträchtliche
Unsicherheit aller phjdogenetischen Spekulationen auf dem Gebiet des
Vergleichs unpaarer und paariger Extremitäten liegt also von vornherein
darin, daß wirklich verwandtschaftliche Beziehungen zwischen beiden
Gebilden nicht bestehen.
Die Extremitätenleisten, welche zu Pinnae und Pterygia auswachsen,
stimmen gemäß ihrer Form und Lage (in der Richtung der Körper-
Metamer successive in sie euitreten. Bei der Beckenfiosse kommen am Vorderrand
der Leiste dagegen successive Elemente des 27. — 31. Metamers in Wegfall. Die
Verschiebung des Hinterrandes der Brustflossen an läge um 4 Myo-
tomienlängen nach hinten ist unmittelbar beobachtet (ebenso die
entsprechende Verschiebung des Vorderrandes der Beckenflosse). Da gleichzeitig mit
diesen serialen Umbildungen die Mesodermverdichtung in der jeweiligen Verbmdungs-
strecke beider Flossenanlagen auftaucht und mit dem Abschluß der Materialver-
schiebung wieder verschwindet, betrachte ich sie als die Brücke, welche den Trans-
port des (natürlich indifferenten) Bildungsmaterials von hinten nach vorn vermittelt.
1) Auch von paläontologischen P\uidstücken wird gesprochen, die „historische
Urkunden" einst vorhandener kontinuierlicher Seitenfalten seien (Dean 1902). Die
eine dieser „Urkunden" (Cladoselachiden) hat aber völlig getrennte Brust- und
Bauchflossen, die nach jenes Autors eigenem Zeugnis nicht größer sind als etwa
die von recenten Scylliiden. Die andere „Urkunde" (Acanthodier, besonders Clima-
tius) besitzt Knochenstacheln (also sekundäre H a u tgebildelj, die im Zwischenraum
zwischen den auf den Fundstücken völlig getrennten paarigen Flossen auf-
gereiht sind (siehe übrigens Braus 1898, p. 436). Eigentümliche „Urkunden" für
eine kontinuierliche Seitenfalte! — Bei keinem fossilen Fisch ist in
Wahrheit eine durchlauf ende E x trem it ät statt zweier separater
Flossen gefunden worden.
2) Diese Art der Betrachtung inaugurierten unabhängig voneinander Thacher
1877 (UI^ p. 195) und Balfour (A. L. I^^ 1877).
200 H. Braus,
achse) miteinander völlig überein. Die histogenetische Differenzierung
bietet allerdings Verschiedenheiten insofern, als bei den unpaaren An-
lagen das Ektoderm, soweit wir wissen, die Differenzierung einleitet^
während bei den paarigen der Regel nach das Mesoderm den Vor-
tritt hat. Doch kommen bei letzterem auch Abweichungen vor (Syn-
chronismus bei Ceratodus, Torpedo, p. 107), so daß ein prinzipieller
Gegensatz nicht vorliegen dürfte. In der späteren Differenzierung
freilich (Herkunft des Skeletts, s. dieses) bilden sich beträchtliche
Unterschiede heraus. Die Frühentwickelung jedoch scheint mir, so-
weit sich mit den angewandten Beobachtungsmitteln ein Resultat erzielen
ließ, den Wahrscheinlichkeitsschluß zu gestatten, daß ein ähnliches
Bildungsgesetz bei den paarigen wie bei den unpaaren waltete. Ich
halte also auch die Entstehung aus einer primären einheitlichen Leiste
für möglich, betone aber nachdrücklich, daß diese nicht der Lateral-
falte im Sinne der Autoren (Thacher, Balfour, Mivart u. a.) ent-
sprechen würde ^).
2. Die Lokalisation der Flossenanlagen.
Verschiebungen in t o t o. Die Bestimmung der Position von
Flossenleisten zu den Rumpfmetameren (Myotonien) ist nicht immer
leicht. Es existieren deshalb noch i-elativ wenig Untersuchungen über
den ontogenetischen Ortswechsel der Gliedmaßenanlagen. Messungen,
welche die Lage der Flossen zu der Gesamtlänge des Embryos be-
stimmen, haben deshalb keinen entscheidenden Wert, weil die Ver-
kürzungsprozesse an der Grenze von Kopf und Rumpf sowie am
Schwanzende und andere Veränderungen des Körpers dabei nicht
auszuschalten sind.
1) Wirkliche Bedeutung erhält dieses Problem erst, wenn positiv nachzuweisen
wäre, daß für die paarigen Flossen ein direkter Vorläufer bestände, bei dem statt
zweier Flossen nur eine Leiste oder Falte existiert. Der Amphioxus hat bekanntlich
in seinen Metapleural falten (Il\ Fig. 8, p. 8) Gebilde, welche eine nähere
Prüfung nach dieser Richtung hin verdienen (Thacher 1877, van Wijhe 1889,
1901, Hatschek 1892 u. a. homologisierten sie mit Pterygia; Balfour 1881
A. L. II), Rabl 1901 u. a. lehnen diese Homologie ausdrücklich ab). 8ie entwickeln
sich so, daß bis dahin platte Ektodermzellen cylindrisch werden und eine Ver-
dickung bilden. Ein wucherndes Mesoderm drängt dann die Leiste vor und höhlt sich
nachträglich aus (Pterygocöl: vielleicht eine Abspaltung des Cöloms und vergleich-
bar den Beziehungen des letzteren zum Mesoderm der Selachierflosse Fig. 193a). Die
Muskulatur besteht aus Fortsetzungen des Subatrlalmuskels (der von Spinalnerven
versorgt wird) und vermag höchst wahrscheinlich die Falten zu bewegen, um da-
durch zur Balanzierung des Tieres beizutragen. Die Lokalisation der Falten beschränkt
sich auf diejenigen Körperstellen, denen die Unpaar flösse fehlt. Nur der Präanal-
saum dringt ein wenig vor den Atrioporus, an welchem die P^alten enden, vor, ohne
sich aber mit ihm zu verbinden. — Es bestehen also mancherlei Uebereinstimmuugen
zwischen den MetapleuralfaUen bei Acraniern und paarigen Frühanlagen der Extremi-
tätenleisten bei Cranioten. Denke ich an die mutmaßliche Herkunft des Skelettes
der letzteren (siehe dort), so ergiebt sich ein weiteres Vergleichsmoment darin, daß
auch die Pterygia wahrscheinlich in der Kiemenregion ursprünglich lokalisiert waren
und darin mit den Metapleuralfalten des Amphioxus übereinstimmten. Wenn ich
also der Homologisierung beider als einem bestehenden Problem das Wort rede, so
halte ich doch den Zusammenhang der thorakalen und abdominalen Leiste für einen
phyletisch sehr weit zurückliegenden Zustand, der jedenfalls verloren ging
oder verloren war, als das Skelett sich entfaltete. Es unterscheidet sich also meine
Vorstellung völlig von der Idee Balfour's (u. v. a.), dessen Lateralfalte noch relativ
hoch entwickelten Tieren wie den Selachiern zukommen sollte, oder Thacher's, der
sogar die Ansicht von der Entstehung des Skelettes aus isolierten Stäben für un-
trennbar von seiner Lateralfaltenhypothese erklärte.
Entw. d. Form d. Extremitäten n. d. Extremitätenskeletts. 201
Bei Sei ach lern wurde gefunden, daß die abdominale Extre-
niitätenanlage (Spinax niger, Braus 1899) anfangs vom 21.— 31. Ur-
segment reicht und sich successive soweit kaudalwärts verschiebt, daß
sie später im Bereich des 81.-39. Myotoms liegt. Die Brustflosse
zeigt keine so ausgesprochene Verschiebung.
Auch Dean (1902) findet bei Heterodontus japonicus eine beträcht-
liche Verschiebung der Bauchflosse ^). Da aber das Verhältnis zur
Körperlänge der gemessenen Embryonen bei ihm den Maßstab für die
Verschiebungen bildet, ist das Resultat nicht einwandsfrei (s. o.).
Bei Tele 0 stiem ist besonders die Verschiebung der ..Kehl-
flossen"anlagen untersucht. Es sind Abdominalleisten, welche sich wie
gewöhnlich kaudal von den thoracalen ausbilden und auch hier
ihre Nerven erhalten, später aber sich kranial wärts vor die Brustflossen
vorschieben. Bei Lophius piscatorius z. B. kann man durch eine Serie
passender Entwickelungsstadien den Wanderungsprozeß illustrieren
(NUSSBAUM 1898, Paul 1902). Die Nerven begeben sich dann schließ-
lich im weiten, geschwungenen Bogen von ihrem Ursprung hinter den
Brustflossennerven um die Thoracalflossen herum in's „Kehr'gebiet.
Letzterer Befund war bei ausgewachsenen Teleostiern lange bekannt
und schon für ältere Autoren der Grund, eine Wanderung nach vorn an-
zunehmen.
An einzelnen Teilen der Elossenanlagen (wie hier an den Nerven)
lassen sich häufig die Verschiebungen der Leisten leichter erkennen, als
an der Gesamtanlage selbst 2). Es kommt auch vor, daß die Leiste von
vornherein ihre definitive Lage ganz oder annähernd einnimmt (wobei
wir freilich die Materialverschiebungen nicht kennen, die bei ihrem Auf-
bau stattfinden), daß aber noch spätere Bestandteile derselben einen Orts-
wechsel durchmachen, um ihre definitive Lage zu erreichen. Bei Selachiern
z. B. gehen die im Zwischenflossenraum sich abschnürenden Muskelknospen
(Dohrn's Abortivknospen) nicht wirklich alle zu Grunde, sondern ein Teil
von ihnen (bei Spinax 4 Knospen von 7 Stück) bildet nachträglich in der
Becken flösse Muskulatur (Braus 1899). Dies kommt auch an den
Anlagen der Spinalnerven zum Ausdruck. Es begeben sich nicht nur
diejenigen in die Beckenflosse, welche der Lage derselben zum Rumpf
in irgend einem Entwickelungsstadium entsprechen, sondern solche, deren
Ursprungsgebiet oft über den Bereich der Flosse weit hinausragt. Letz-
tere bilden dann infolge ihrer immermehr einander sich nähernden (anfangs
schrägen, später longuitudinalen) Lage die Nervenplexus. Daß es
sich hier um alte Beziehungen handelt, geht daraus hervor, daß solche
Muskel- und Nervenanlagen rudimentär sind und manchmal nachträglich
noch ganz zu Grunde gehen, oft ohne ihren Bestimmungsort wie die
1) Nach Dean's Diagramm verschiebt sich die abdominale Leiste anfangs um
ihre ganze Länge nach vorn, in späteren Stadien wieder successive kaudalwärts, bis
der Kranialrand ungefähr die Ausgangsstellung wieder erreicht hat. Der Kaudalrand
der Flosse reicht weiter nach hinten wie in den Anfangsstadien, da inzwischen eine
Vergrößerung der ganzen Anlage eingetreten ist. Jedenfalls zeigen solche Messungen,
welche beträchtlichen Verschiebungen generell im embryonalen Körper vorkommen.
2) Die Extremitätengürtel besitzen bei Fischen Löcher, in welche die Extre-
mitätennerven zum Teil eingeschlossen sind. Diese Lage ist in der üntogenie keine
fixierte, sondern es wechselt sowohl der Einschluß an serlalen Nerven wie auch die
Lage mancher Nervenlöcher selbst. Hier besteht eine Art Skala, an welcher man die
successiven Verschiebungen des Skelettes an den Nerven in der Ontogenese ablesen
kann.
202 H. Braus,
anderen ganz erreicht zu haben. Punnet [1900] fand z. B. im kranialen
Plexus der embr^^onalen Beckenflosse von Mustelus 9,4 Proz. serialer
Nerven mehr als beim erwachsenen Tier.
Die verschiedene Lokalisation der Flossen am Rumpf erweist sich
nach diesen Befunden als eine Folge des Ortswechsels der Glied-
maßen. Ueberträgt man dies auf die fertigen Zustände^), so ergiebt
sich mit großer Wahrscheinlichkeit, daß die in den verschiedensten
Stellungen am Rumpf gefundenen Extremitäten doch alle in kontinuier-
liche Entwickelungsreihen gehören, in welchen durch allmähliche Ver-
schiebungen eine Etappe nach der anderen erreicht wurde. Bei genauerer
Kenntnis eines größeren embryologischen Materiales würden die Ueber-
gänge hier sich gewiß demonstrieren lassen. Denn die Nervenverhältnisse
in den fertigen Einrichtungen deuten noch auf die Zustände hin, welche
voraussichtlich embryonal bestanden haben. Bei den Rochen beispiels-
weise ist für die vordere Extremität eine kontinuierliche Verschiebungs-
reihe zu konstatieren, welche kaudalwärts gerichtet ist und an deren
Ende die Extremität in einer Position gefunden wird, welche derjenigen
der Becken flösse bei Squaliden entspricht. — Die Verschiebungen
sind nicht immer einheitliche. Es können sich z. B. an kaudalwärts
gerichtete retrograde anschließen, welche wieder kranialwärts führen.
Vergrößerungen und Verkleinerungen der Flossen-
anlagen. Diese sind bislang fast ausschließlich bei Selachiern studiert
worden. Die wesentlichsten Veränderungen sind nachträgliche Ver-
größerungen der Flosseuaulagen. Durch Messungen fand Dean
(1902) bei Heterondontus japonicus, daß bei der ersten Anlage der
Brustflosse das Längenverhältnis zur Körp erlange 6 Proz. beträgt,
daß dasselbe aber später successive anschwillt bis auf ca. 24 Proz.
(bei der Bauchflosse von 6 Proz. auf 12 Proz.). Auch hier sind be-
sonders zuverlässig solche Maßbestimmungen, welche die Größe nach
der Zahl der Ursegmente bemessen, in deren Bereich die Extremitäten-
basis fällt. Bei der Brustflosse von Torpedo fand sich eine Vergröße-
rung der letzteren um 3 ( — 4) Urwirbelläugen. von Pristiurus um 3
solcher Maßeinheiten (Braus 1899) Doch kommen auch nachträgliche
Verkleinerungen vor. Die Brustflosse von Spinax niger wird um
ca. 3 Urwirbelläugen kleiner.
Es sei nur darauf hingewiesen , daß diese nachträglichen Ver-
größerungen der Haiflossen gerade entgegengesetzt der Annahme Thachbr's,
Balpour's u. a. nicht die g r ö ß t e n Flossenfoi^men als die iirsprünglichen
und die kleinere.n als sekundäre Formen erweisen, sondern umgekehrt
demonstrieren, wie die großen aus den kleinen entstanden
sind. Regressionen (namentlich bei rudimentären Flossen) in Form von
Verkleinerungen sind natürlich nicht ausgeschlossen. — Die Muskel- und
Nervenanlagen, welche außerhalb des serialen Territorialbereiches der
1) Für die verschiedene Lokalisierung der Extremitäten (bei Fischen und
Vertebraten überhaupt) wird von manchen Autoren eine ursächHche Beteiligung des
Ortswechsels geleugnet. Entweder wird die topographische Verschiedenheit als Folge
inkompleter oder kompleter Heterogenie bezeicnnet (sodaß also die Brustflosse des
einen Fisches in keiner verwandtschaftlichen Beziehung zu der eines anderen gedacht
werden kann) Ryder 1887 (III ^ p. 195), Waite 1897 u. a. oder es werden die
paarigen Flossen zwar für homolog untereinander, die verschiedenen Positionen aber
nicht für Folgen von Eigenbowegungen derselben, sondern von Inter- und Ex-
calationen von Wirbeln im Achsenskelett gehalten. Beide Ansichten halte ich durch
den ontogenetischen Nachweis des Ortswechsels der Gliedmaßen für widerlegbar.
Entw. d. Form d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts. 203
Extremitätenleisten entstehen und doch in dieselben hineinwachsen (s.
p. 201), wurden vielfach für Beweise einst größerer Elächenausdehnung
der letzteren angesehen und daraus eine nachträgliche Verkleinerung der
Extremitäten abgeleitet ' ). Es zeigt sich aber direkt in der Ontogenese,
daß eine Vergrößerung der Anlagen stattfindet und trotzdem jene
extraterritorialen Muskel- und Nervenanlagen vorhanden sind. Jene
beiden Vorgänge stehen also in keinem ursächlichen
Zusammenhang.
Drehungen der Flossen anlagen. Es kommen liier (im
Gegensatz zu den Extremitäten der Tetrapoden, welche verschieden-
artigere Aenderungen eingehen) nur solche Drehungen in Betracht,
welche die freie Flosse in tote in eine andere Stellung zum Rumpfe
bringen. Es wird aus der anfänglich horizontalen eine schräge oder
senkrechte Stellung der Flossenfläche. Entsprechend dreht sich die
Anheftuugslinie am Rumpf.
Nicht zu verwechseln hiermit sind embryonale Stellungsänderungen
der Flossen ohne Stellungswechsel der Anheftungslinie. Da wo der
Darm lange durch Dottermassen aufgebläht bleibt, wird auch die Lagerung
der Extremitätenleisten beeinflußt (Ganoiden, Teleostier). Liegen die-
selben oberhalb des Dotters, so sind sie vertikal in die Höhe ge-
richtet (z. B. Eig. 95 I •*, p. 32). Sind sie unterhalb desselben gelegen
(wie das bei dem geblähten Bauch von Anurenlarven der Fall ist), so
stehen sie auch vertikal, aber nach unten gerichtet. Diese rein se-
kundäre, durch die Bauchform bedingte Stellungsänderung der Extremität
macht oft die wirkliche Rotation schwer ei'kennbar.
Fig. 194. Ceratodus Forsten, a Anlage der Brustflosse, b Anlage der Becken-
flosse. Nach R. Semon.
1) Balfour (1881, p. 662, A. L. II) stellte diese Ansicht als möglich hin.
DoHKN 1884, p. 64, A. L. III •' suchte ihr absolute Geltung zu verschaffen und be-
zeichnete den postulierten Vorgang als Konzentration der Flossenanlagen.
DoHRN, Rabl, Mollier u. a. leiteten aus den angenommenen Konzentrationen ein
Argument für die Lateralfaltenhypothese ab. Es liegt dieser Vorstellung die An-
nahme zu Grunde, daß die .Muskel- und Nervenanlagen, welche als voll entwickelte
imd als rudimentäre Bildungen in den Extremitäten gefunden werden, einmal alle
gleichzeitig voll entwickelt waren. Gerade dies aber ist unerwiesen. Es führt
auch zu unhaltbaren Konsequenzen. In der Muskulatur der Bauch flösse eines
Rhinaembrvo konnte ich 29 Spinalnerven (in sehr verschieden entwickeltem Zustand*
nachweisen! Die Brustflosse eines jungen Torpedoembryo erstreckt sich über
26 Metameren. Hätte sich also einmal die Beckenflosse der Vorfahren von Rhina
mit 29 vollwertigen segmentalen Bestandteilen gleichzeitig über ebensoviele
Metameren ausgedehnt, so wäre sie größer gewesen als die höchstspezialisierten Brust-
flossen, die wir kennen. Beckenflossen sind aber stets (auch ontogenetisch und pa-
läontologisch) relativ kleine Gebilde, die fast stets kleiner sind als die Brustflossen der
Squalidenform.
204 H. Braus,
Bei der Brustflosse der Teleostier wurde eine Drehung gegen
die Ausgangsstellung bis zu einem Winkel von 45", bei der Becken-
flosse von 60 ^ beobachtet (Salmo salar, R. G. Harrison 1895, III ^
p. 195). Hier wie bei Ganoiden legt sich der ursprünglich vordere
Rand dorsalwärts um, sodaß die obere Fläche der in Horizontal-
stellung gedachten Flosse zur medialen, der Körperwand anliegenden
wird. Bei Ceratodus steht die Flossenleiste bei beiden Extremitäten-
anlagen gleich anfangs ein wenig schräg, die Anheftungslinie aber noch
annähernd horizontal. Die Vor d er flösse wächst immer deutlicher in
die für Ganoiden- und Teleostierembryonen beschriebene Vertikal-
stellung hinein. Die hintere Extremität aber wendet sich umgekehrt
mit dem Vorderrand ventralwärts, sodaß die ursprüngliche Dorsal-
fläche nach außen (lateral), also vom Körper abgewendet liegt (Fig. 194).
Es bilden hier die Dipnoer (vgl. auch Lepidosiren, Fig. 14 1, 1 2, p. 51)
die einzige bekannte Ausnahme in der Embryologie der Fische ; denn
überall sonst wird die Vertikalstellung durch Drehung nach oben (dor-
salwärts) eingenommen (Semon 1898, III ^ p. 195).
Funktionell ist die Extremstellung in möglichst steilerhobener Lage
für schwimmende Tiere ein sehr zweckmäßiger Ausgangsjjunkt für kräf-
tige Bewegungen bei der Aequilibrierung und Steuerung des Körpers,
weil von ihr aus sehr kräftige Bewegungen nach abwärts ausgeführt
werden können. Wie diese bewerkstelligt werden, ist namentlich bei
plötzlicher Sistierung schneller Vorwärtsbewegungen an Knochenfischen
(Macropoden etc.) zu beobachten. Die Ruhelage in der dorsal gerichteten
Extremstellung erhöht also die Aktionsbereitschaft der Gliedmaßen beim
Schwimmen. Andererseits ist die ventral gerichtete Extremstellung von
Nutzen beim Aufstützen des Körpers auf den Boden, die bei Dipnoern
(auch sekundär bei einigen Teleostiern) beobachtet ist (Sbmom 1. c,
Kathriner 1899, Braus 1900, p. 174). Hier finden sich Anknüpfungen
an die Drehungen der tetrapoden Gliedmaßen.
II. Die Entwickelung des Gliedmaßenskelettes.
Das äußere Skelett der paarigen Flossen ist gerade so gebaut
und besitzt dieselbe Entwickelung wie dasjenige der Pinnae. Es
braucht deshalb die Entwickelung der beiden Unterabteilungen des-
selben, der Hornfäden und Hautknochen strahlen hier nicht
nochmals geschildert zu werden (vgl. p. 177). Diejenigen Bestandteile,
welche bei den höher entwickelten Pterygia als dermale Knochen mit
dem inneren Skelett in Connex treten, werde ich bei den einzelnen
Familien im Zusammenhang mit dem letzteren besprechen.
Das innere Skelett, welches bei ausgebildeten Fischen als Knorpel
oder Ersatzknochen ^) in mannigfaltiger Gliederung gefunden wird,
legt sich bei allen Fischen anfänglich in jeder Körperhälfte als ein-
heitliche Mesenchym- oder V orkno rpelplatte an. Ich be-
zeichne an dieser mit Rücksicht auf die folgenden Entwickelungsstufen
denjenigen Teil, welcher in der Rumpfvvand liegt, als Gürtel an-
läge oder Zonoskelett und denjenigen Teil, welcher sich in die
freie Flossenleiste erstreckt, als Basiptery giu m ^).
1) Einem Vorschlag Gaupp's folgend, bezeichne ich so die enchondral und
perichondral entstehenden Ossifikationen. Dermale oder Belegknochen
sind bekanntlich die frei im Bindegewebe auftretenden Verknöcherungen.
2) Balfour (A. L. III) entdeckte (bei Selachiern) die einheitliche Anlage des
Entw. d. rorm d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts. 205
a) Zono Skelett.
a) Entwickeluiig- des Schultergürtels.
Selacliier. Der Scliultergürtel entsteht als zwei links und
rechts in der Körperwand, dicht unter der Haut liegende Spangen,
welche voneinander völlig unabhängig, in sich aber völlig einheitlich
sind. In einem Stadium, in welchem die Anlage aus dicht gedrängt
stehenden Mesodermzellen. noch nicht aus eigentlichem Vorknorpel
besteht, findet sich bei Spinax niger ^) eine dünne Platte, deren Form
und Lage zur Extremitätenleiste und zum Kiemenkorb in Fig. 195
abgebildet ist. In einem kurz darauf folgenden Stadium ist die
Platte bereits zu einer [Spange von dem gleichen histogenetischen
<!--.
Fig. 195. Visceralskelett und vordere Extremität von Spinax, 20,5 mm. Re-
konstruktion. Sch.g Schultergürteianlage. EL Extremitätenleiste. Kb I—V Kiemen-
bogen. H, M.II Hyoidbogen. 31, Q, P Mandibularbogen. L Lippen knorpel. Md Ein-
gang in die Mundhöhle. (Original.)
Zustand ausgewachsen, welche ventral beinahe bis zur Bauchmittel-
linie, dorsal bis fast in Aortenhöhe reicht, und welche jetzt beginnt,
in die Extremitätenleiste einen kurzen Fortsatz hinein-
zusenden (Fig. 196). Von vornherein sind dabei die vordersten Spinal-
nerven,welche zur Flosse gehen, in die Schultergürtelanlage eingeschlossen
(diazonale Nerven) und zwar an der Stelle, wo nach außen hin der
Fortsatz auswächst. Dieser liefert das B asipterygium, für dessen
weiteres Wachstum der Nervenkanal eine sehr wichtige Marke ab-
giebt. Die Spange selbst wächst noch als Vorknorpel mit derjenigen
der anderen Seite zusammen und verlängert sich dorsal etwas über
die Höhe der Medulla, also zu ungefähr ihrer endgültigen Länge. Bei
anderen Selachiern (Mustelus, Torpedo, Mollier 1894) wurden ähn-
liche Vorknorpelanlagen gefunden, nur war der Fortsatz in der freien
Skelettes und führte für den distalen Teil das Wort ,,Basipterygium" ein. Die Be-
zeichnung „Zonoskelett" entlehne ich Häckel. — Von einigen Autoren wurde eine
diskontinuierliche Anlage des Skelettes angegeben (von Dohrn bei Selachiern
getrennte Anlage von Scliultergürtel und Basipterygium, von Salensky dasselbe bei
Acipenser ruthenus). Doch stehen diesen Angaben die übereinstimmenden Ergebnisse
der Arbeiten von Balfour, Wiedersheim, Mollier, Braus, E. Rüge entgegen,
welche alle Kontinuität der Gesamtanlage fanden. Wegen des Details verweise ich
auf die folgenden Kapitel.
1) In der Darstellung der Skelettentwickeking von Spinax niger folge ich den
Untersuchungen von E. Rüge (1902), welche ich leitete und neuerdings an neuem
Material vervollständigte (Braus 1904, III", p. 195).
206
H. Braus,
Extremitätenleiste (Basipterygium) bereits in den frühesten beobach-
teten Stadien vorhanden und zwar zu einem einfachen, kaudalwärts
gerichteten Stab entfaltet. Bei Torpedo ist derselbe im frühesten Sta-
dium von derselben Form, aber beträchtlich länger als bei Mustelus,
die Anlage des Zonoskelettes dagegen ventral weniger weit ausgedehnt
und schmächtiger als bei letzterem.
Bei der Verknorpelung entstehen bei Spinax zunächst in
jedem Antimer separate Anlagen, welche auf den Schultergürtel
beschränkt sind (denn das Basi-
pterygium chondrifiziertfür sich) und
in der Bauchmittellinie nicht zu-
sammenhängen. Im nächsten Sta-
dium tritt der Zusammenschluß in
der Medianlinie ein. Bei Mustelus
und Torpedo erfolgt die Chondri-
tikation in derselben Weise, nur fand
sich hier bereits die Vereinigung der
Knorpel in der Medianlinie im frü-
hesten beobachteten Stadium voll-
zogen.
Der Vorkuorpelstreifen. welcher
zwischen dem Schultergürtel- und
dem Basipterygiumknorpel übrig
bleibt, wandelt sich später in Knor-
Fig. 196. Anlage des Schultergürtels
von Spinax, 23 mm. fechrägschnitt, welcher
der Längsrichtung der Anlage folgt und
sie voll getroffen hat. G Schultergürtel.
b Basipterygium. n Flossennerv. Nach E.
Rüge.
pel mit faseriger, zum Teil elastischer Grundsubstanz um und
lockert sich durch Auftreten von Spalten in dem Gewebe nachträglich
auf. Es entstellt eine besondere Art von Gelenkhöhle (primitive
Periarthrose, Schultergelenk). Trotz der inkompletten Ausbil-
dung eines Hohlraumes ist die Form der hyalinknorpeligen Be-
grenzungsflächen eine den Kugelgelenken höherer Tiere ähnliche, nur
bildet sich der Kopf des Gelenkes auf der Schultergürtelanlage, die
Pfanne an den Teilen des Basipterygium aus. Die peripheren Teile
des Faserknorpels, welcher das Schultergelenk ausfüllt, sind spalten-
frei und stellen die Kapsel des Gelenkes dar. Eine komplette
Auflösung der genetischen Kontinuität z w i s c h e n Z o n o-
skelett und Basipterygium findet also nicht statt (Se-
MON 1898, III^ p. 195, auch Bernays 1878, E. Buge 1902).
Auf Grund vergleichend-anatomischer Betrachtungen über das Skelett
der paarigen und unpaarigen Flossen der Selachier wurde die Hj^pothese
gebildet, daß die Extremitätengürtel aus dem Basipterygium durch
sekundäres, ax ip etale s Wachstum desselben in die ßumpfwand hinein
entstanden seien (Thacher, Mivabt). Als embryologischen Beweis für
diese Meinung gaben Douun (für das Becken der Selachier [1884,
A. L. IIJS] und WiEDEKSHEiM [für beide Gürtel, 1892]) an, daß in der That
in der Ontogenese bei Selachiern das successive Aussprossen des Zono-
skelettes vom Basipterygium aus zu beobachten sei. Diese Angaben
Entw. d. Form d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts. 207
haben sicli nicht bestätigt. Eine Zeit lang schien es, als sei wenigstens
relativ die Anlage des Basipterygium derjenigen des Gürtels an Größe
voraus und daraus — trotz gleichzeitigen Vorhandenseins im frühesten
Stadium — die Ableitung des Zonoskelettes aus dem Basipterygium zu
folgern. Die Differenz in der Ausbildung an Masse wurde
als Argument für die phylogenetische Succession in der
Zeit aufgestellt (Balfour 1881, A. L. III, Mollieu 1894). Nun
ist aber in der Entwickelung von Spinax zu sehen, daß sich der Schulter-
gürtel zuerst anlegt, und daß erst in einem späteren Stadium das
Basipterygium aussproß t (E. Rüge). Also auch die gleichzeitige
Anlage ist hier nicht vorhanden. Wo sie vorkommt (Mustelus, Torpedo
Mollier) ist, entgegengesetzt jener Schlußfolgerung, die Ausbildung des
Gürtels früher komplett als die des Basipterygium, weil bei letzterem
große Partieen (besonders das Propterygium) in der Anlage noch völlig
fehlen (M. Pürbringer 1902). Vielleicht sind auch bei diesen Objekten
die jüngsten Stadien noch nicht bekannt. Jedenfalls hat die Ontogenie
der Selachier die Hy^Dothese Thachers und Miyarts nicht bestätigt.
Fig. 197. Entwickelung des Skelettes der vorderen Extremität von Acipenser
sturio. Stadium a) 137 Stunden, b) 280 Stunden, c) 18 Tage alt, d) ausgewachsen,
linke Flosse. Z Schultergürtel. I Metapterygium. (J primäres Basale, 1' Stamm-
radius, /" Endglieder des Stammradius). 1—6 Seitenradien, zum Teil am primären
Basale, zum Teil direkt am Schultergürtel befestigt, a— c nach S. Mollier, d nach
Gegenbaue..
Ganoiden. Der Schultergürtel entsteht bei Acipenser sturio
im ersten Stadium gleichzeitig mit dem Basipterygium als einheit-
liche Vorknorpelplatte (Fig. 197a). Sie umschließt mit dem in der
Rumpfwand liegenden kranialen Teil von vornherein Nerven, welche
zur Flosse verlaufen, und erweist auch dadurch, abgesehen von ihrer
Lage, daß die Anlage des Schultergürtels in ihr enthalten ist ^).
1) In der Darstellung folge ich im wesentlichen S. Mollier (1897), schHeße
mich aber in der Deutung C. Rabl (1901, p. 543) an, welcher den proximalen Teil
der einheitlichen Platte (Basale nach Mollier) als Schultergürtel erkannte.
Außerdem aber erblicke ich in einem Teil der einheitlichen Platte noch ein be-
sonderes Stück, das primäre Basale (I, vgl. Basipterygium). Salexsky (1879, 1898),
V. Rautenfeld (1882), Wiedersheim (1892) haben beim Sterlet eine in mancher
Beziehung abweichende Darstellung von derjenigen Molliers gegeben, differieren
aber wieder untereinander. Wiedersheim bestätigt die kontinuierliche Anlage mit
208 H. Braus,
Später wächst das Zouoskelett in der Rumpfwand dorsal- und ventral-
wärts aus. Doch kommt es nicht zur Verwachsung der antimeren
Spangen in der Medianlinie (auch beim Erwachsenen fehlt sie), da-
gegen wohl zu einer ligamentösen Verbindung zwischen dem ska-
pularen Fortsatz und dem Schädel. Noch im Vorknorpelstadium
schnüren sich das primäre Basale (I, Fig. 197) des Basipterygium.
welches zwei Strahlen trägt, und drei weitere isolierte Strahlen von
der Anlage des Schultergürtels ab. Nachträglich werden dann zwei
Nerven, welche anfangs frei kaudal vom Schultergürtel liegen, von
der Anlage umwachsen und in einen zweiten Kanal aufgenommen.
(Der erste Nervenkanal ist oben erwähnt.) Bei der V e r k n o r p e 1 u n g
bleibt das Zouoskelett separat. Später erweitert sich das zweite
Nervenloch, indem Muskelursprünge sich hineinschieben, zu weiten,
für Acipenseriden charakteristischen Kanälen (Gegenbaur 1864).
Die Ossifikation (Wiedersheim 1892) tritt zuerst dorsal
dicht unter der Haut auf. Mehrere dünne Knochenlamellen verbinden
sich untereinander und schließen da und dort Markräume ein. Sie
liegen dem Perichoudrium des Schultergürtels von außen fest auf.
Teleo stier. Die Entwickelung des Schultergürtels verläuft im
wesentlichen wie bei Ganoiden. Auch hier ist anfangs eine einheit-
liche Vorknorpelplatte vorhanden, welche mit ihrem proximalen Ende
unmittelbar an die Somatopleura anstößt ('Swirski 1880, Wieders-
heim 1892) ^). Dieser Teil der Platte , durch seine Lage als der
spätere Schultergürtel gekennzeichnet, ist in der Differenzierung der
distalen Partie, dem späteren Basipterygium stets voraus ('Swirski 1. c.
Ducret 1894, III^ p. 195). Der ventrale und dorsale Fortsatz bilden
sich allerdings erst später und zwar in raschem Tempo nach Auf-
treten des Knorpelkerns in der Schultergürtelanlage. Der dorsale
Fortsatz differenziert sich nicht über das vorknorpelige Stadium
hinaus, soll aber in späteren Stadien noch die Grundlage zum Auf-
treten von Ersatzknochen darstellen (Wiedersheim, Ducret 1. c).
Die Abgliederung des Schultergürtels vom Basipterygium erfolgt bei
Salmoniden erst nach beendigter Chondrifikation (Ducret).
Das Spangenstück, eine Knorpelbrücke, welche die überaus
weiten Kanäle des Schultergürtels überspannt (vgl. Acipenseriden), dif-
ferenziert sich nach den Autoren in sehr verschiedener Weise. Bei
Cyprinoiden geben 'Swirski (1. c.) und Emery und Simoni (1886) Auf-
treten je eines Fortsatzes am ventralen und dorsalen Abschnitt
des Zonoskelettes an, die sich nachträglich vereinigen. Ducket findet
dem Basipterygium beim Stör und beschreibt einen Vorknorpelstreifen in der dor-
salen Verlängerung des Schultergürtels, welcher als Grundlage für die Verknöche-
rung dient. Knorpelig wird dieses Gewebe jedoch nicht. Die Beobachtungen über
die Entstehung des knöchernen Schultergürtels sind ganz fragmentarisch (Göldi 1884,
Wiedersheim 1892). Sie beschränken sich zu sehr auf die früheste Genese des
Knochens. Ob derselbe als Dermal- oder Ersatzknochen entsteht, ist noch fraglich
(vgl. auch Gegenbaur 1898, p. 475).
1) Die einheitliche Anlage sahen bereits Eathke 1833, C. Vogt 1842 (A. L.
III*), Mettenheimer 1847. Wiedersheim 1892 setzt sich allen anderen Autoren
gegenüber in Widerspruch, indem er eine Entwickelung des Skelettes von außen nach
innen (axipetal) angiebt. Harrison 1895 (UV; p. 195) schildert die früheste Anlage
als eine Zellansammlung, welche central in der Mitte der Flossenleiste sich bilde.
'Swirski glaubte beim Hecht zwei getrennte Anlagen an Stelle des Schultergürtels
zu sehen, die nachträglich verschmelzen. Eine gründliche Neuuntersuchung ist bei
diesen mannigfachen Kontroversen, namentlich auch bezüglich der Osteogenese,
Desiderat.
Entw. d. Form d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts. 209
bei Salmoniden nur eine ventrale Anlage, die sich später mit dem dor-
salen Fortsatz des Schultergürtels vereinigt. Wiedersheim (1892) giebt
an, daß das Spangenstück bei verschiedenen Teleostiern in inkonstanter
Weise entsteht, findet aber unter anderem, daß rein dorsale Anlage
und sekundäre Vereinigung mit dem ventralen Abschnitt des Schulter-
gürtels vorkommt. Dieselbe verknöchert mit separatem Kern.
Ein ventraler Fortsatz des primären Schultergürtels, welcher
in späteren Stadien kaudalwärts in fast horizontaler Lage aussproßt,
unterliegt noch Kontroversen in der Deutung. 'Swirski hält ihn für
das wahre Coracoid, den ausganggebenden Teil für das Procoracoid ;
"Wiedersheim dagegen (auch Ducrbt) deutet das letztere Stück als
Coracoid, den Auswuchs als eine progressive, den Teleostiern eigene
Bildung.
Die Ossifikation soll nach Swirski beim Hecht anfänglich
unabhängig vom Perichondrium des Knorpels erfolgen. Wieders-
heim und Ducret finden dagegen bei Salmoniden die Ossifikation
anfangs auf letzterem („exoperichondral") lokalisiert. In der Deutung
stehen sich dieselben Ansichten gegenüber wie bei Ganoiden ^). Auch
der Knorpel selbst ossifiziert (von 2 Punkten aus: Scapula und
Coracoid).
Phylogenetisches. Bei Ganoiden und Teleostiern tritt zwar
in den Anfangsstadien die Anlage des Schultergürtels bereits auf und
behält in der histiogenetischen Diiferenzierung vor den peripheren Teilen
den Vorrang, aber gegenüber den Selachiern ist doch eine Differenz
darin gegeben, daß namentlich der v e n t r a 1 e Foi'tsatz erst relativ spät
entsteht. Es ist zu bedenken, daß die Aufhäufung von Dotter im Bauch
der Embryonen nicht nur die Stellung der Vorderflosse (s. p. 203), sondern
auch das Zustandekommen des Gürtels beeinflussen muß. Würde sich der-
selbe vor Aufzehrung des Dotters komplett anlegen, so wäre er für die
definitive Bauchwand zu groß und müßte nachträglich wieder resorbiert
werden. Dies wird durch die verspätete Anlage vermieden. Im übrigen
herrscht Uebereinstimmung mit Selachiern.
Dipnoer. Bei Ceratodus -) legt sich das Innenskelett einheitlich
an. Der Schultergürtel geht in der Differenzierung den peripheren
Skelettteilen der Flosse voraus. Eine komplette Trennung im Scliulter-
gelenk tritt so wenig ein wie bei Selachiern, denen die Frühentwicke-
lung völlig zu entsprechen scheint. Doch kommt später Ossifikation
hinzu, die in Form zw^eier Platten „unmittelbar über dem Knochen''
erfolgt. Auch hier stehen sich die Deutungen, ob Dermal- oder Er-
satzknochen, noch unvermittelt gegenüber.
[3. Entwiekelung- des Beckens.
Selachier''). Das Zonoskelett der abdominalen Gliedmaßen
bildet sich in analoger Weise wie bei den thorakalen. Jederseits ent-
steht in der Rumpfwand ein isoliertes vorknorpeliges Spangen-
1) Wiedersheim und Ducret verwerten ihren Befund für die Ansicht, der
Knochen sei ein Ersatzknochen (auch Göldi 1884, Götte 1877). Gegenbaur (1898)
widerspricht dem und homologisiert ihn mit dem Cleithrum, einem rein der-
malen Knochen.
2) Nach R. Semon 1898 (III', p. 29).
3) Siehe Arbeiten von Balfour 1881, Dohrn 1884, A. Thompson 1885,
MoLTJER 1894, Braus 1904. Ich folge im wesentlichen Mollier und meinen eigenen
ün tersuchun gen .
Handliuch der Entivicke'ungslehTe. III. 2. 14:
210
H. Braus,
stück, in welchem Nerven eingeschlossen sind. Der ventrale Fortsatz
reicht bis in die Nähe der Mittellinie, der dorsale über die Nerven-
kanäle hinaus (Fig. 198). Später bahnt sich vom ventralen Teil der
Anlage aus ein Zusammenschluß des vorknorpeligen Gewebes in der
Medianlinie an (s Fig. 199). Inzwischen hat sich der Knorpel an-
m
vereinigt sich aber nicht mit der anderen Seite.")
Abschnittes. P. ^^r. Processus praepubicus. n Borste
ginal.)
Fig. 198. 1. Anlage des Skelettes
in der ßeckenflosse von Torpedo, Quer-
schnitt. P Becken (Vorknorpel). P'
Beckenanlage des anderen Antimers.
d dorsaler Fortsatz des Beckens (Ileum).
A^Nerv; teilt sich in dorsalen und ven-
tralen Ast, von welchen jeder separat
den Vorknorpel durchsetzt, m Musku-
latur der Flosse. 3f Rumpfmuskulatur.
Nach MoLLiER.
Flg. 199. Skelettanlage der Hinter-
gliedmaße von Spinax niger. (Plastische
Rekonstruktion von vorne gesehen.) Die
rechte Beckenhälfte in etwas anderer
Stellung als die linke. Die Kuorpel-
anlagen sind punktiert, die
Vorknorpelanlage im Halbton
wiedergegeben. P Becken-
knorpel. Pp Propterygium.
S Zusammenhang zwischen
den Antimeren (oberhalb der
schmalen Brücke trennt ein
schmaler Spalt die Anlagen
noch völlig ; ein vorspringender
Fortsatz des linken Bogens
schiebt sich vor den Spalt,
d höchster Punkt des dorsalen
im Nervenkanal steckend. (Ori-
gelegt, welcher separat im Becken (P) und distalen Skelett (Pj)) auf-
tritt und (wenigstens bei Spinax) anfangs von dem des anderen Anti-
mers in der Medianlinie ziemlich weit entfernt ist. Später kommt es
zu kompletter vorknorpeliger und dann knorpeliger Konkrescenz in
der Mitte des Bauches, so daß von der ursprüngliclien Trennung nichts
mehr zu sehen ist. Dagegen können noch kleine mediane Fortsätze
aus der einheitlichen Beckenflosse auswachsen, die gerade da ent-
stehen, wo die Verwachsung erfolgte {Pr. i. a. u. p., Fig. 200).
Während anfänglich die Bogenform des Zonoskelettes deuthch
ist (Fig. 198, 199), bildet sich später der dorsale Teil (Ileum, d) zu-
rück ; es tritt außerdem eine erhebliche A b p 1 a 1 1 u n g des ventrale n
Teiles ein (Fig. 200). Die beim ausgebildeten Tier vorhandene ebene
Platte, an welche ungefähr in gleicher Flucht seitlich das
Skelett der freien Flosse anstößt, ist also eine reduzierte Bil-
dung.
Phylogenese. Die Ontogenie beweist, daß die Becken mit deut-
lichem dorsalen Fortsatz i) iind von charakteristischer Bogenform,
1) v. Davidoff hielt den mit P. pr. Fig. 200 bezeichneten Fortsatz für den
Rest des dorsalen Abschnittes des Beckens und nannte ihn Proc. iliacus. Er besteht
jedoch ontogenetisch neben der wirklichen Spitze des Dorsalfortsatzes [d, P'ig. 199).
Während sich die dorsale Partie zurückbildet, wächst der fragliche Fortsatz weiter
aus. Es ist der Processus praepubicus (nach J. Pakker, A. Thompson, Wiedees-
Entw. d. Form d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts. 211
wie sie bei Holoceplialen zeitlebens besteht, die phylogenetisch ältere,
die Platte der recenten Squaliden und Batoiden eine davon abgeleitete
Ausbildung vorstellt. Die Homodynamie des Beckenbogens mit dem
Schulterbogen ist also in der Ontogenie deutlich (vergl. Fig. 198 und 195,
p. 205), im ausgebildeten Zustand aber verwischt. Dadurch ist die An-
Fig. 200. Beckeiiplatte mt
und ■ peripheres Skelett
■eines ausgewachsenen tSpi-
nax niger. Ansicht von
vorn. Während beim em-
bryonalen Becken in der-
selben Stellung das distale
Skelett nur in seinem vor-
deren Eand [Pp. Fig. 199)
sichtbar, im übrigen aber p ^ Pr.i.p d
durch den dorsalen Ab- ■' "
schnitt verdeckt ist, ist dasselbe hier (in starker Verkürzung) zu sehen. Bezeichnung
wie bei Fig. 199. Pr.i.a. Proc. impar anterior (am Vorderrand, hell beleuchtet). P)\i.i).
Proc. impar post. (am Hinterrand, im Schatten). Mt Metapterygium. R Radien.
{Original.)
nähme Dohrn's (A. L. III 3, 1884) hinfällig, welche in der Ontogenese von
Schultergürtel und Becken der Haie einen Beweis sah, daß beide ihrer
Entstehung nach ohne jede Aehnlichkeit (heterogenetisch) seien.
Thacher und Mivart vertraten aus vergleichend anatomischen
■Gründen (vergl. auch p. 206) die Ansicht, daß die Beckenplatte ausge-
wachsener Haie der Urform des Zonoskelettes näher stehe als die
Bogenform, wie sie nur bei Holocephalen im Beckengürtel, sonst im
.Schultergürtel fertiger Tiere vorliegt. Es gehört diese Meinung in den
Vorstellungskreis hinein, daß das Zonoskelett als axipetaler Auswuchs
aus dem Basipterygium entstanden sei, wozu die geringe Größe des
Beckens und seine Lage (mit dem Basipterj^gium in einer Flucht,
Fig. 200) eine Illustration bilden sollte. Gerade die Plattenform und die
in Betracht kommende Lage des Beckens ist aber der Ontogenie nach
etwas spät Erworbenes. Der Schultergürtel darf also nicht mit dem
reduzierten, ausgebildeten Becken bei Selachiern verglichen werden, son-
dern nur mit dem ontogenetischen Anfangsstadium des-
selben. In diesem Stadium ist die Bogenform kaum weniger ausge-
sprochen als beim Schultergürtel. Denn d erseht sich über dem Nerven-
loch ungefähr so hoch, wie dieses über dem tiefsten Punkt des Beckens
S (Fig. 199). Beim Schultergürtel verhält sich die Höhe der Scapula zu
derjenigen des ganzen Gürtels auf der gleichen Entwickelungsstufe wie
4 : 7, beim Becken wie 4 : 8, also fast ebenso. Freilich ist die Gesamt-
höhe des Beckenbogens kleiner als diejenige des Schulterbogens, wie bei
der geringen Entfaltung der hinteren Extremität gegenüber der vorderen
zu erwarten ist.
Dipuoer. Die Anlage des Beckens erfolgt nach Semon 1898,
(III °, p. 195) bei Ceratodus in continuo mit dem distalen Skelett. An-
fangs sind die antimeren Anlagen wie bei Selachiern separiert, später
fließen sie in der Medianebene zusammen. Von der Symphyse aus
bildet sich erst sekundär der Processus impar, der aber hier zu einem
HEiMi. Im fertigen Zustand wäre die Stelle der ursprünglichen dorsalen Spitze an
dem mit d bezeichneten Punkt zu lokalisieren (Fig. 200). — Bei vielen Eochen wächst
der Proc. praepubicus sekundär weit stärker aus (Torpedo, Mollier).
14*
212 H. Braus,
langen Fortsatz auswäclist. Die späteren Stadien, besonders die Ossi-
fikation, sind noch unbekannt.
Ganoiden und Teleo stier. Beide Familien behandle ich
hier zusammen, weil ihnen eine separate Stellung gegenüber Selachiern
und Dipnoern bezüglich des Beckens zukommt. Daß bei ihnen ur-
sprünglich ein wahres Zonoskelett vorhanden war, dafür zeugen fos-
sile Ueberreste von Crossopterygiern (Eusthenopteron). Inwieweit in
der Ontogenese der recenten Vertreter noch Reste davon vorkommen.
ist zur Zeit noch unbekannt (die Frühentvvickelung des Beckens von
Polypterus oder Calamoichthys würde Aufschluß versprechen). In der
Ontogenese der genauer bekannten Formen (Acipenseriden, Teleo-
stier) ist die typische Entwickelung eines Beckens nicht vorhanden,
der Prozeß vielmehr durch andere Vorgänge ersetzt. Denn die Top o-
graphie und E n twickel ungsfolge der Skelettanlagen ist eine
ganz andere als bei dem Brustgürtel derselben Embryonen (oder Se-
lachier), ein ganz anderer auch als bei dem Becken der Selachier
und Dipnoer. Es bildet sich nämlich die Skelettanlage zu erst peri-
pher in der Basis der freien Flossenleiste aus und wächst erst nach-
träglich (axipetal) in die Rumpfwand vor
^' ^ (Fig. 201). In dieser findet sich dann später eine
^^:rj ' Platte, die freilich äußerlich einer Beckenplatte
::-.-;J-— — --•' >^ ^l^g fertigen Zustaudes von Selachiern manch-
mal gleicht, von der embryonalen Form des
Selachierbeckens ganz verschieden und auch
ihrer centripetalen Entstehung nach nicht mit der-
^r^
Fig. 201. Frühanlage des Skelettes der Bauchflosse von
Acipenser sturio : weiß, der Kontur mit ausgezogenen Linien.
In punktierter Darstellung ist ein späteres Stadium auf die
Figur aufgepaust, um zu zeigen, daß sich die Platte B' axi-
jietal als Auswuchs von B ausbildet. Frei nach Molliek.
selben zu vergleichen ist^). Sie wird bei dem Basipterygium, zu dem
sie gehört, Besprechung finden.
Die axipetale Vorwanderung wiesen bei Acipenseriden Mollier 1897,
bei Polypterus Budgett 1903 (III ^, p. 195), beiT el e os t iern v. Rau-
TENFELD (Hecht 1882), Harrisox 1895, Ducket 1894 (beide bei Salmo-
niden, III ^, p. 195) nach. Beim Hecht schiebt sich in späteren Stadien
die gesamte Anlage des Innenskelettes der Beckenflosse soweit axipetal,
daß nur noch das terminale Ende in die Basis der freien Flosse hinein-
ragt. Da im frühesten Entwickelungsstadium der basale Rand der
Anlage erst jenseits dieser Stelle, also bereits in der freien Flosse b e -
ginnt, so ist die Verschiebung größer als die relative Breite
der ganzen Skelettanlage. Anfangs sind deshalb auch die anti-
meren Anlagen weit voneinander entfernt, später nähern sie sich bis zur
Berührung oder Verschmelzung.
b) Basipterygium und dessen Derivate,
a. Brustflosse der Selachier und Dipnoer.
Das primäre Basale und seine Radien (Metapterygium),
Die erste Anlage des Basipterygium 2) der Selachierbrustflosse wurde
1) Diejenigen Autoren, welche aus vergleichend-anatomischen Gründen eine
axipetale Entwickelung des Zonoskelettes vom Basipterygium aus annehmen, stützen
sich vornehmlich auf die Beckenflosse der Ganoiden (Thacher, Mivart, vergl. p. 206).
2) Balfour (1881) entdeckte die einheithche Entstehung des Basipterygium
Entw. d. Form d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts. 213
bereits bei der Entstehung des Schultergürtels beschrieben. Bei
Spinax entwickelt sich aus dem Zonoskelett ein kleiner Fortsatz,
welcher in die Flosse hineinwächst. Bei Mustelus ist derselbe im frühesten
Stadium länger als bei Spinax ; bei Torpedo
wurde er am längsten gefunden. In allen
Fällen hat der Zapfen das Gemeinsame, daß
er eine Zeitlang glatte Konturen, keine Fort-
sätze hat. Ich nenne ihn das „primäre
Basale" (Fig. 202). Es fangen nun — bei
dem einen Objekt etwas früher als bei dem
anderen — aus diesem primären Basale
Fortsätze an auszuwachsen: die Radien.
Dieselben entstehen zunächst am late-
Fig. 202. Anlage des Basipterygium bei Torpedo,
Brustflosse. Horizontalschnitt. Das primäre Basale
(Vorknorpel) zieht als glatt konturierter Streifen in
der Flosse kaiidalwärts. Nerven schwarz. G Gefäße.
Nach S. MoLLiER.
G ::
— B
Fig. 203. Anlage des Basipterygium bei Spinax niger in den frühesten Bildungs-
stadien (Vorknorpel). Bei derselben Vergrößerung gezeichnet. Die Linie AA geht bei
allen 4 Stadien durch den Nervenkanal der Schultergürtelanlage (welche kontinuier-
lich ins Basipterygium übergeht). Die Linie BB ist von dem zuerst entstandenen prä-
axialen Seilenradius aus parallel zu AA gezogen. Stad. a, b und c von 27 mm langen
Embryonen, Stad. d von 31 mm 1. Embryo, Pp Anlage des Propterygiums. Nach
E. Rüge.
ralen (präaxialen) ^) Rand der Flosse. Bei Spinax ließ sich ver-
folgen, in welcher Reihenfolge diese Sprossen successivej entstehen,
und schilderte die Differenzierung des Metapterygium bei Scyllium. Er hielt die
Radien für inkomplette Sonderungen aus einer einheitlichen Anlage, die terminal
noch im Knorpelstadium zusammenhängen sollten. Mollier (1894) wies dagegen
bei Torpedo ein Stadium nach, in welchem noch keine Radien bestehen und das
Basipterygium ganz schmal ist. Er stellte damit zuerst fest, daß die Radien als
Seitensprossen auftauchen. Ich folge vornehmlich Mollier (Mustelus, Torpedo), E.
Rüge 1902 (Spinax) und eigenen Untersuchungen 1904 (III ", p. 195).
1) Der laterale Rand der Flosse wird von Nerven (motorisch und sensibel)
versorgt, welche weiter kranialwärts entspringen, als diejenigen, welche den
medialen Rand innervieren. Denkt man sich also eine Achse durch die Flosse von
ihrer Basis zur Spitze gelegt, so ist die laterale Partie pr ä-, die mediale postaxial
zu ihr orientiert. Diese Ausdrücke sind von Huxley (1876, p. 47) geprägt worden,
dem sie viele Autoren, so auch ich (1900, p. 102), entlehnten, weil sie dieselben für
vortrefflich halten. C. Rabl's Angaben (1901, p. 542, Anm. 11) bezüglich derselben
sind irrtümlich.
214
H. Braus.
indem der Nervenkanal in der Schultergürtelanlage als Marke benutzt,
und von da aus die Länge des primären Basale und der Abstand der
Radien in den verschiedenen Stadien gemessen wurde (Fig. 203). An-
fangs (Stad. a, b, c) entstehen die Radien in kranio-kaudaler Rich-
tung einer nach dem anderen. Später (Stad. d) setzt sich diese Art
der Entwickelung unter beständig fortwachsendem Längenwachstum
des primären Basale auch noch fort; es treten aber außerdem vor
dem zuerst entstandenen Radius kranialwärts neue Sprossen auf.
Denn bei zunehmendem Wachstum der Strecke zwischen den Linien
ÄÄ und BB müßte ja der zuerst gebildete Radius von dem Nerven-
kanal weiter abrücken. Statt dessen entstehen an einer vorher schon
erkennbaren diffusen Randzone neue Radien näher an Linie AA.
Diese sollen vorläufig nicht weiter verfolgt werden. Ich behandle sie
später zusammen mit den sekundären Basalia, zu denen sie ge-
hören.
Bisher bestand die ganze Anlage des Basipterygium, d. h. die
Gesamt anläge des Skelettes der freien Gbedmaße. aus einer
zusammenhängenden Vorknorpelmasse. Die V e r k n o r p e 1 u n g
(Fig. 209 a b, p. 223) setzt in den primären Basalia und kurz darauf in
den Radien mit separaten Centren ein (indem gleichzeitig auch
zwischen Schultergürtel und Basipterygium die Abgrenzung erfolgt).
Die Radien chondrifizieren in derselben Reihenfolge, wie sie ent-
standen. Bei Spinax legen sich die Querglieder der Einzelstrahlen
so an, daß der zuerst entstehende Knorpelkern das Basalglied liefert.
Fig. 204.
Fig. 204. Briistflossenskelett eines ausgewachsenen Embryos von Centrophorus
granulosus (Original).
Fig. 205. Spitze des Brustflossenskelettes eines Heptanchusembryo 103 mm L.
(plastische Rekonstruktion, Original).
Entw. d. Form d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts, 215
Separat von ihm entwickelt sich darauf an der Spitze der Vorknorpel-
sprosse ein zweiter Knorpelkern, das zweite Glied, und endlich
ebenso das Endglied. Bei Mustelus und Torpedo wurde eine zu-
sammenhängende Knorpelanlage für die ganzen Radien und un-
mittelbar nach dem Auftauchen derselben Zerfall in die Querglieder
beobachtet. Das vorknorpelige Zwischengewebe zwischen den Knorpel-
centren verhält sich wie dasjenige in der Schultergelenkgegend (p. 206).
Nur tritt in dem elastischen Faserknorpel keine Spaltbildung wie dort
auf. Die Bewegung zwischen den Teilen ist hier in der freien Flosse
nicht so ausgiebig, so daß die faserigen Zwischenplatten der Funktion
genügen.
Das primäre Basale verknorpelt in einem Guß. In ihm treten
nachträglich Gliederungen auf, indem bereits angelegte hyaline Grund-
substanz sich wieder auflöst. Bei Spinax gliedert sich ein terminales
Stück, der Stammradius, von der Basalplatte ab (Fig. 209c bei T)\
in späteren Stadien entsteht wahrscheinlich ebenso ein E n d r a d i u s
<Fig. 207e).
Das terminale Ende des primären Basale wächst während der
Verknorpelungsperiode weiter fort, indem sich ständig neues Vor-
knorpelgewebe an ihm bildet und neue präaxiale Seitensprossen
erzeugt werden. Wenn ungefähr alle Radien angelegt sind, entsteht
jedoch bei Spinax auch am postaxialen Rande des Stammstrahles
ein Auswuchs ^), in welchem sich später ein Knorpelplättchen diffe-
renziert (Fig. 207 e bei x). Bei Centrophorusembryonen findet sich an
Stelle desselben eine reiche Gliederung (Fig. 204). Drei freie Radien
1^ — 5* und eine Platte mit 4 ihr aufsitzenden Strahlen {h:p und 4*
— 7*) reihen sich aneinander. Da beim ausgebildeten Tier die hier
noch freien Radien mit der Platte h.p verschmolzen sind, so ist an-
zunehmen, daß die Platte überhaupt durch eine Konkrescenz der
Basalglieder getrennter Strahlen (i*— 7* oder mehr) entstand. Beim
Embryo von Heptanchus sind noch komplette oder inkomplette Glie-
derungen in 5 Teile nachgewiesen (Fig. 205 i*— 5*), die beim fertigen
Tier völlig verschwunden sein können. Ich nenne das einheitliche
Konkrescenzprodukt Basale postaxiale. Bei Spinax verschwindet
das Basale postaxiale in älteren Entwickelungsstaclien wieder, es ist
also absortiv ^j.
Während das primäre Basale anfangs ein wenig schräg zur
Rumpfwand steht (bei Spinax in einem Winkel von ca. 15 — 20*^),
legt es sich in späteren Stadien der Rumpfwand an ^) und biegt sich
1) Die postaxialen Radien können natürlich erst in späteren Entwickelungs-
stadien auftauchen, weil sie terminal allein erhalten sind. Sie differenzieren sich
gleichzeitig mit der Spitze und ihren Vis-Ti-vis auf der präaxialen Seite. Biseriale
Anordnung von Muskelanlagen in viel früheren Stadien (Mollier) sind vielleicht
Reste einer ähnlichen Topographie des Skelettes, die an letzterem selbst der späteren
Anlage wegen nicht mehr zur Anlage kommt.
2) Bei fossilen Xenacanthiden ist dieser postaxiale Radienbesatz viel reich-
licher entwickelt gewesen (Goldfuss, Fritsch, Brogniart, Döderlein, s. Fig. 207 d).
Auch bei fossilen Crossopterygiern, bei welchen schon aus der Form der Flossen
Aehnliches vermutet wurde, sind neuerdings biseriale Skelettformen beschrieben
worden (Eusthenopteron nach Sm. Woodward, Goodrich). — Ueber Reste von
solchen Strahlen bei recenten Haien siehe Gegenbaur 1873, Bunge 1874.
3) Balfour (1881) hielt die Existenz postaxialer Radien bei Selachiern für
unmögiieh, weil er glaubte, daß bei Scyllium das Basale anfangs dem Rumpfe an-
liege (keinen Raum für diese Gebilde lasse) und sich erst später durch Ro-
tation im Schultergelenk schräg stellen könne. Dagegen ist einmal der positive
216
H. Braus,
manchmal sogar auf dieselbe zu, so daß die Endpartie mit den ])ost-
axialen Radien Platz hat, sich unter dem Bauch nach der Mittellinie
des Körpers zu auszudehnen (Fig. 20o u. 209).
Die bisher geschilderten Skelettteile, welche sich aus dem pri-
mären Basale heraus entwickeln, nenne ich insgesamt Metaptery-
gium (Gegenbaur). Dasselbe umfaßt also einmal die Seitenradien,
welche aus dem primären Basale heraussprossen (präaxial und post-
axial) und ferner die Gliederungen des primären Basale selbst (Basale
metapterygii, Stammradius und Endradius). Ebenso wird als Meso-
pterygium und Propterygium (Gegenbaur) je ein sekundäres
Basale mit den zugehörigen Seitenradien bezeichnet. Ehe ich mich
diesen und anderen Formen des Metapterygium zuwende, gebe ich
einen Ueberblick über die Einteilung des Selachopterygium und die
hier verwendete Nomenclatur.
Basipterygium (Balfour) = Gesamtskelettanlage in der freien Flosse
zerfällt in
Bas ali a
Seitenradien
primäres Ba-
sale
dessen Quer-
glieder :
Basale metapte-
rygii
(I, l\. 204 u. a.)
Staramradius(II)
Endradius (III)
sekundäre Basalia
präaxial jjostaxial
präaxiale postaxiale
(1,2,3 etc. in Figg.) (l*,2*,3*inFigg.>
Seitenradien am Seitenradien
primären Basale am primären
Basale mesopte-
rygii
Basale propte-
rygii
(vgl. Fig. 209 u.a.)
Basale post-
axiale
(Vgl. Fig. 204)
Seitenradien an
den sekundären
Basalia
Basale
von
Ehe ich die weiteren Derivate des Basipterygium (sekundäre
Basalia) bei Selachiern bespreche, ist es zweckmäßig, die Ent Wicke-
lung bei Dipnoern zu schildern, weil bei diesen nur das Meta-
pterygium zu Stande kommt.
Bei Ceratodus-Embryonen (Semon 1898, III \ p. 195) wächst
der Anlage des Schultergürtels aus ein Auswuchs vorknorpeligen
Gewebes in die junge Flosse hinein: das primäre
Basale (Fig. 206). Kurz nachdem im Zonoskelett die
Verknorpehmg begonnen hat, treten in proximo-distaler
Reihefolge Chondrifikationscentren im primären Ba-
sale der freien Flosse auf. Aus der zwischen den
Centren übrig bleibenden Zwischenschicht aus Vor-
knorpel sprossen fernerhin, nachdem etwa 6 — 7 Cen-
tren im primären Basale aufgetreten sind, Seiten-
Fig. 206. Frühe Anlage des Skelettes der freien Brust-
flosse bei Ceratodus. Das j^rimäre Basale als Vorknorpelstreifen
in kontinuierlichem Zusammenhang mit der Schultergürtelanlage
(letztere nur teilweise gezeichnet). Z Knorpelcentrum im Schulter-
gürtel. / Knorpel für das basale Achsenglied. // Knorpel für
das zweite Achsenglied. Nach R. Semon.
strahlen hervor. Dieselben entstehen , wie . bei der Selachierflosse.
zuerst präaxial und verknorj)elu bald, indem sich für jedes Quer-
Befund des Auftretens solcher Radien bei Centrophorusembryonen etc. geltend zu
machen und andererseits der Nachweis, daß umgekehrt die schräge Lage die ur-
sprüngliche, die anliegende Position die spätere ist.
Entw. d. Form cl. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts. 217
glied ein besonderes Chondrifikatiouscentrum bildet (Fig. 207a). Aeltere
Eutwickelnngsstadien als das in Fig. 207 abgebildete sind zwar nicht
bekannt (die Semon 'sehen Serien gehen nicht über dieses Stadium
hinaus). Da aber bei der fertigen Form zahlreiche prä- und post-
axiale Radien sich finden (Fig. 207b), ist es gewiß, daß nach dem
ersten präaxialen Radius entsprechende in den Winkeln zwischen den
Gliedern des primären Basale sich bilden werden, an Stelleu, welche
in Fig. 207a bereits durch Vorknorpelauswiichse kenntlich sind. An
der Spitze ausgebildeter Flossen sind noch immer Bildungsprozesse
3 2 1
B.m
Fig. 207. a Brustflossen skelett eines Ceratodusembryo. Nach K. Semox.
b Aus dena Brustflossenskelett eines ausgewachsenen Ceratodus. Nach Bräus.
c Aus dem Bauchflossenskelett eines ausgewachsenen Ceratodus. Nach Braus.
d ßrustflossenskelett von Xenacanthus. Nach Fritsch. e Brustflossenskelett
eines Embryo von Spinax niger. Nach E. Rüge. SämtUche Figuren stehen über-
einstimmend so, daß die präaxiale Seite nach rechts, die postaxiale Seite. nach links
gewendet ist. Einander entsprechende Teile sind mit denselben Ziffern bezeichnet.
Z Schultergürtel. B.m Basale metapterygii. St Stammradius, er Endradius. Die
übrigen Buchstaben siehe Text.
218 H. Braus,
neuer Seitenstrahlen im Gange. Nach Analogie mit solchen entstehen
die zahlreichen präaxialen Seitenradien zum Teil durch Sprossen.
die sich von der vorknorpeligen Randzone der Knorpelcentren
(bei V Fig. 207 a) aus entwickeln.
Nachträglich treten bei Ceratodus Verluste an Seitenstrahlen ein.
Bei der Brustflosse des ausgebildeten Tieres fehlt der erste prä-
axiale Radius (l) regelmäßig (Fig. 207b). Im Beckenflossenskelett ist er
zwar distal noch vorhanden, basal jedoch nicht zu sehen, und zwar
wahrscheinlich mit dem zweiten Achsenglied verschmolzen (Fig. 207 c 1,
die vermutliche Konkrescenzlinie gestrichelt, Braus 1900, p. 256).
Auch beim postaxialen Radienbesatz kommen Reduktionen vor. Zwar
ist es bei den bekannten Embryonalstadieu fraglich, ob an der mit P
bezeichneten Stelle der Skelettaulage in Fig. 207a überhaupt knorpe-
lige Strahlen zu stände kommen, doch finden sich beim ausgebildeten
Tier Reste von Radien, welche wahrscheinlich von solchen herstammen
(Fig. 207b 1*). Andererseits fehlen sie und die zu II gehörigen
Postaxialradien, die in der Regel reich entfaltet sind, gelegenthch bis
auf geringe Ueberreste (Fig. 207 c). Auf diese Weise wird bei
Ceratodus das erste Quersegment des primären Basale (I) nachträg-
lich von Seitenradien entblößt und liefert das „Zwischenstück", ein
sekundäres Gebilde.
Die vorknorpeligen Zwischenzonen zwischen den Knorpelcentren
wandeln sich wie bei Selachiern nachträglich noch in Faserknorpel
um. Es entsteht bei Ceratodus außer im Schultergelenk noch
in dem zwischen erstem und zweitem Achsenglied be-
findlichen Zwischenknorpel ein System von Spalten
(primitive P eriar throse). Alle übrigen bleiben wie bei Se-
lachiern solid (Synarthrosen).
Phylogenese. Vergleicht man das lang ausgedehnte primäre
Basale von Selachierembryonen (besonders Fig. 202, p. 213) mit dem
hier ebenso benannten Gebilde bei Ceratodus, so ist die Aehnlichkeit
der Form und der Genese so komplett, daß ich die Homologisierung
beider für gerechtfertigt halte ^). Auch die Entstehung der prä- und
postaxialen Radien und die Ausbildung der Gliederung ist in allem
Wesentlichen die gleiche. Die postaxialen Radien, welche bei Ceratodus
bereits in Rückbildung begriffen sind (Fig. 207 a, b, c), erleiden noch
höhere Reduktionen bei Selachiern, wo sie zwar bei fossilen und embryo-
nalen Formen auftreten (Fig. 207d, e Fig. 204), schließlich im entwickelten
recenten Zustand häufig ganz fehlen. Die präaxialen Radien hingegen
bilden sich bei Ceratodus ebenfalls successive zurück, entwickeln jedoch
bei Selachiern progressiv die sekundären Basalia, auf die unten zurück-
zukommen sein wird.
Es wird jedoch von vielen Autoren bestritten, daß das primäre
Basale der Selachier wirklich, wie es in der Ontogenie der Fall ist,
phylogenetisch einheitlich gewesen sei. Dasselbe soll durch die
1) Versuche, das Basale meso- oder propterygli der Selachier mit der Achse
des Ceratodusskelettes vergleichend-anatomisch zu homologisieren (Huxley, Mivart)
sind mit der Ontogenie der Formen unvereinbar.
2) Auch bei Dipnoern wurde eine Entstehung der Achse durch Konkrescenz
von Radien, allerdings in ganz anderer Richtung als bei Selachiern, angenommen
(Haswell u. a.). MOLLIER, vpelcher diese Meinung eine Zeitlang teilte, hat sie in-
zwischen wieder aufgegeben. Semon, Braus, Rabl, FtJRBRi:NGER u. a. halten die
Anlage bei Ceratodus für primär einheitlich.
Entw. d. rorm d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts. 219
Konkrescenz der basalen Enden ursprünglich separater Radien
nachträglicli entstanden zu denken sein. Wenn das ihm äußerlich ähn-
liche und ontogenetisch gleich entstehende Skelettstück der Dipnoer
phylogenetisch gerade so wie on to gen etis ch als Einheit gebildet
wurde, so wäre es allerdings unmöglich, beide zu homologisieren -). Da
dieses Problem zwar viel umstritten ist, aber die Entstehung des ge-
samten Gliedmaßenskelettes der Vertebraten betrifft, kann ich nicht an
demselben vorbeigehen, sondern will in kurzen Zügen die logischen
Schlußfolgerungen skizzieren, welche an das vorhandene Material ge-
knüpft wurden i).
Es besteht ohne Zweifel die Möglichkeit, daß ein anfänglich in der
Phylogenese aus freien Stäben bestehendes Skelett, welches nachträg-
lich partiell oder auch total zu einer Einheit verschmolzen ist, onto-
genetisch direkt als Continuum angelegt wird. Man bezeichnet
ganz allgemein eine solche Abkürzung der Entwickelung durch Fortfall
der frühesten Stadien als C ä n o g e n e s e. Bei den Extremitäten-
bildungen selbst sind derartige Cänogenesen höchst wahrscheinlich ein-
getreten z. B. bei den Skelettstäben der unpaaren Flossen (p. 180j und
bei den sekundären Basalia der jDaarigen Flossen (p. 222). Wenn es also
auf der Hand liegt, daß im primären Basale der Selachier trotz seiner
individuellen Entwickelung als Einheit eine Vielheit versteckt liegen
könnte, so ist dieselbe doch dadurch nicht bewiesen. Denn der Beweis
bei den vorhin genannten Beispielen besteht darin, daß bei homologen
Gebilden niederer Zustände wirklich getrennte Skelettstäbe
beobachtet sind. Der Atavus, auf welchen die cänogenetisch-einheit-
lichen Basalia zurückgeführt werden, ist also bekannt. Für das
primäre Basale der Selachierflossen ist aber ein Atavus mit getrennten
Skelettstäben anstatt der Einheit nicht bekannt. Es ist bisher
keine Form mit metameren Sk eletts tu cken an Stelle des
kontinuierlichen Basale m e t ap t er j^gi i gefunden worden^).
Aber es giebt eine Anzahl von Argumenten, welche das ursprüng-
liche Vorhandensein einer solchen Form indirekt erweisen sollen.
Dieselben haben den Bau der Weich teile der Flossen (Muskeln
und Nerven) zum Gegenstand. Diese sind von metamerer Her-
kunft (wie für die Nerven und damit indirekt für die Muskeln bei
Selachiern A. Mokro 1785 nachwies, ein Befund, der auch ontogenetisch
durch die Entdeckung metamerer Muskel- und Nerven a nlagen durch
Balfour 1881 [A. L. II] und Dohrn 1884 [A. L. III 3] Bestätigung
1) Historisch ist zuerst Thacher und kurz darauf Mivart für die Entstehung
des Gliedmaßenskelettes aus isolierten Stäben eingetreten. Der Vergleich mit den
separaten Radien mancher Pinnae und der Beckenflossen bei Ganoiden war der
Ausgangspunkt bei ihnen. Ontogenetisch müßte, bei getreuer Rekapitiüation eines
derartigen phylogenetischen Prozesses, verlangt werden, daß zuerst getrennte Radien
auftreten und daß diese sich nachträglich verbänden. In der That glaubten auch
Dohrn und Wiedersheim, dies gesehen zu haben. Rabl, Mollier, Braus und
E. Rüge stimmen aber darin überein, daß die ältere Angabe Balfour's von der
einheitlichen Anlage des Skelettes richtig sei. Die separate Anlage von Radien
ist also nicht bestätigt. Während Thacher, Mivart, Mollier u. a. von dem
durch Konkrescenz entstandenen Basale aus nachträglich das Zonoskelett in die
Rurapfwand hineinwachsend sich dachten, ist embryologisch umgekehrt zuerst die
Anlage des Schultergürtels gefunden und von diesem aus das Aussprossen des
Basipterygium beobachtet worden (^s. p. 206).
2) Die fossilen Funde, welche als solche gedeutet werden (Cladoselache,
Dean 1894 — 1902), haben vielleicht doch eine Basale besessen, wie nahe verwandte
Fossilien auch (Cladodus, Symmorium); vgl. Jäkel 1892, Sm. Woodward 1898,
Braus 1901, 1904. Sie sind also keine Beweise.
220 H. Braus,
fand). Es wird nun der Beweis für die Metamerie des Skelettes darin
gefunden i), daß die Metamerie der Muskel- und Nervenanlagen 1) nume-
risch und 2) topographisch mit der partiellen Gliederung des Ske-
lettes (d. h. also den Radien) koincidiere. Daraus wird eine völlig
metamere Struktur der gesamten Tlossen anläge erschlossen
(Rabl, Mollier), die das allein Wichtige, Primäre sei. Sie gilt als Be-
weis für die ursprüngliche Metamerie des jetzt cäuogenetisch , kon-
zentriert als Einheit gebildeten Basale metapterjgii.
Numerische Beziehungen der Metamerie von Muskeln
und Nerven zur Anlage desExtremitätenskeletteis
(Radien). „Die Zahl der Strahlen ist gleich der doppelten Zahl der
Wirbel, die sich an der Bildung der Flossen beteiligen. Dieser Satz
gilt in gleicher Weise für die Squaliden wie für die Rajiden." So
lautet die Basis für die numerische Relation bei Rabl (1892, p. 203).
Es ist damit behauptet, daß jeder in die Plossenanlage einwachsenden
Muskelknospe ein Skelettradius entspräche. Da von jedem Myotom
ausnahmslos, wie Rabl glaubt, zwei DoHRx'sche Primitivknospen in die
Plossenanlagen einsprossen (soweit überhaupt die betreffenden Myotome
an der Muskularisierung einer bestimmten Plosse beteiligt sind), so muß
als Konsequenz daraus gefolgert werden, daß je zwei Strahlen einem
Myotom, alle Strahlen also der doj)pelten Zahl aller beteiligten
■p
Myotome entsprechen (oder -— = W, wenn R die Anzahl der Radien und
W die Anzahl der Urwirbel bezeichnet) 2). Es hat sich aber heraus-
gestellt, daß die Zahl der Muskelknospen nicht immer mit der Zahl der Ra-
dien übereinstimmt. Bei Spinax finden sich beispielsweise statt 20 Kospen
bei 20 Radien, wie man erwarten müßte, deren 3 7 (Braus 1898, 1904).
Eine ausgedehnte Prüfung der nimierischen Relation ermöglicht die
Zahl der metameren Nerven, welche die Flossen der verschieden-
sten Selachier versorgen. Anstatt der Formel -— = W, prüfte ich
also die Formel -— - = N, indem von der allgemein als richtig aner-
kannten Annahme ausgegangen wurde, daß die Zahl der metameren
Extremitätennerven (N) gleich der Zahl der Material liefernden Ur-
segmente (W) sei. Es ergab sich bei 20 daraufhin untersuchten Species
(Squaliden, Rajiden, Holocephalen) nie Uebereinstimmung von -— mit
Li
N (W), dagegen kamen Abweichungen bis zu 17 im positiven und bis
■p
zu 6 im negativen Sinn auf Seite der Radien zur Beobachtung, -- — |- 17
Li
"p
= N und — 6 -= N bezeichnen die Extreme. Auch embr3^ologisch
Li
1) Es ist klar, daß die metamere Anlage der Weichteile schlechthiu keiu Be-
weis für die segmentale Urstruktur des Skelettes sein kann, ebensowenig wie
jemand sich würde einfallen lassen, aus der metameren Anlage der Augenmuskulatur
etwa die segmentale Herkunft des Bulbus herzuleiten (Semon). Trotzdem ist viel-
fach die Ansicht verbreitet (z. B. auch von Dohrn 1902 wieder vertreten), daß die
spinalen Muskelknospen an sich verböten, eine andere als metamere Entstehung des
Skelettes anzunehmen.
2) Die RABL'sche Formel (s. I*^, p. 166) ist eine weitere Ableitung dieser
Folgerungen. Rabl prüfte dieselben an zwei Species (Torpedo und Eaja) und hielt
sie daraufhin bei Rajiden für richtig. Sie ist jedoch weiler für Rajiden mi allge-
meinen, noch für Raja und Tor2)edo zutreffend, noch sind die theoretischen Voraus-
setzungen erwiesen (s. oben im Text).
Entw. d. Form d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts. 221
wurden ähnliche Abweichungen bei einzelnen Species beobachtet (Pux-
XETT 1901). Die numerische Relation im Rabl' sehen Sinne
besteht also nicht, wenn alle Knospen- und Muskelanlagen in
Betracht gezogen werden. Nur, wenn — ganz willkürlich — ein Teil
aus denselben (die der Extremitätenleiste zunächst liegenden) ausgewählt
wird, ist eine Zahlenüberstimmung mit den Radien vorhanden. *)
Topographische Beziehungen, metamer er Muskel- und
Nerven anlagen zum Extremitätenskelett. Die topographische
Relation gilt für besonders überzeugend und hat — abstrahiert man
zunächst von der Frage nach der Metamerie — etwas Bestechendes. Faßt
man nämlich solche Fälle in's Auge, in welchen getrennte Muskelstreifen
junger Flossen, die Musculi radiales, so orientiert sind, daß ein dorsaler
und ein ventraler Streifen einen Radius der Skelettanlage genau zwischen
sich faßt, so liegt die Vermutung nahe , daß die Lage der früh vor-
handenen Muskeln die Entstehung der später auftretenden Skelettstäbe
leite, und daß deshalb letztere wie erster ursprünglich getrennt gewesen
seien. Bei einem solchen genetischen Verhältnis kommt es also natürlich
auf genaueste Konkordanz der Teile an. Denn selbst geringe Ab-
weichungen, namentlich in den Achsenstellungen der Muskel- und Skelett-
streifeu (Discrepanz der Lage) widerstreben der Annahme genetischer
Wechselwirkungen. Für mich ist deshalb die Beobachtung bei Spinax
niger, bei welchem in der jüngsten Anlage der Flosse Discrepanzen
zwischen Skelett und Muskulatur bestehen, die beim ausgebildeten Tier
in Konkordanzen übergeführt sind der Beweis , daß die letzteren
nichts Primitives und auch nichts Notwendiges in der Ent-
wickelang sind (Braus 1899, 1904).
Auch bilden sich bei Selachierembryonen die engen Lagebeziehungen
zwischen Musculi radiales und Radienanlagen erst insofern allmählich
heraus, als anfänglich ein ziemlicher Zwischenraum zwischen Muskel- und
Skelettanlagen und beispielsweise keinerlei Berührung zwischen ihnen
besteht. Erst später heften sich die Ursprünge der Muskeln an die
'Skelettanlagen an. Die Insertionen thun dies bei Selachiern nur an
ganz beschränkten Stellen, da sie im übrigen an den Hornfäden, also am
Litegumentalskelett befestigt sind (v. Davidoff, Mollier, Braus).
Man müßte also schon in den Frühstadien eine Einwirkung per distans
annehmen, wenn die Muskelanlagen dirigierend auf die später entstehenden
Skelettanlagen wirken sollen.
Das Hauptargument schließlich beruht darin, daß die Metamerie
— welche wir vorläufig beiseite ließen und die doch die Hauptsache ist
— gar nicht mehr in den Muskelanlagen existiert, wenn
sich zwischen ihnen die Skelettradien anleg-en. Wie
o
1) Diese ßelation bezieht sich übrigens nur auf die Radien, nicht oder
mir indirekt auf die Körpermetamerie. Zieht man alle Extremitätenknospen bei
Fischen in Betracht, die bekannt sind, so schwanken die Zahlen zwischen 1—4 pro
Myotom (bei den Pterygia von Ganoiden, Teleostiern, manchmal bei Selachiern 1; im
allgemeinen bei letzteren 2; bei den Pinnae der Selachier 3 oder 4). Es erklärt sich
die verschieden große Zahl aus der verschiedenen Dicke der Skelettstäbe im Verhältnis
zur Länge der Urwirbel. Am übersichtlichsten ist dies bei den Dorsales der Scylliiden.
Die -. Dorsalis liegt ganz im Bereich der Halbwirbel. Diese sind nicht merklich
kürzer als die Vollwirbel, entsprechen also der Dicke von je 2 Radien der Flossen.
Da aber auf 2 Halbwirbel erst ein Myotom kommt, liefert dasselbe hier 4 Knospen.
Bei demselben Embryo steht die 1. Dorsalis auf der Grenze zwischen Halb- und
Ganzwirbeln: es entstehen dort 3 Knospen. Die Pterygia liegen gänzlich im Be-
reich von Vollwirbeln: sie haben 2 Knospen. Die Metamerie bei einem solchen
Embryo ist natürlich überall dieselbe.
222
H. Braus,
MoT.LiER (1894) nachwies , verbinden sich die Muskelknospen durch
Anastomosen und verlieren dadurch ihren segmentalen ^ haploneuren
Charakter. Dies äußert sich auch in den Entwickelungsprozessen der
Extremitätennerven (Braus 1890).
Ich halte deshalb die metamere Struktur der Haiflossen nicht für
erwiesen und ebensowenig die Einheit der Skelettanlage für eine Cäno-
genese. Vielmehr macht die Ableitung des primären Basale der Selachier
von dipnoerähnlichen Zuständen, also von doppelt gefiederten
Skeletten, wie sie oben nachgewiesen wurde, es sehr wahrscheinlich, daß
die Einheit desselben nicht durch Konkrescenzen innerhalb der Pterygia
entstand.
Die sekundären B a s a 11 a (E n t w i c k e 1 u n g des P r o p t e r y -
g i u m und M e s o p t e r y g i u m).
Im V orknorp elstadiu m entsteht bei Spinax uiger ein
Fortsatz des Basipterygium, welcher kranialwärts gerichtet ist und sich
dann abschnürt (Fig. 203 d P^?, p. 21?)). Noch deutlicher ist die se-
kundäre kranialwärts gerichtete Entstehung bei Torpedo, da dort
der Fortsatz beträchtlich größer wird und schließlich sogar das pri-
märe Basale an Länge übertriff't. Bringt man die Skelette junger
Entwickelungsstadien in entsprechende Lage (Fig. 208), so sieht man
unmittelbar, daß in dem jüngeren Stadium (a) von dem gewaltigen
G -
Pp
mK
R
Fig. 208. Zwei Stadien der Entwickelung des Basipterygium in der Brustflosse
von Torpedo. Horizontalschnitte. Die Figuren stehen so, daß der Nervenkanal
der Schultergürtelanlage (in Fig. a durch die dicht zusammengedrängten Nerveii
gekennzeichnet) bei beiden auf derselben Horizontalen liegt. G Gefäße. N Nerv (in
Fig. a sind die Nerven mit schwarzen Strichen wiedergegeben). A' Nervenkanal im
Schultergürtel. 3It Basale metapterygii. 3fs B. mesopterygii. Pp B. propterygii.
Nach S. MoLLiER.
Entw. d. Form d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts. 223
Fortsatz Fp des Stadiums b noch nichts vorhanden ist (Fürbringer
1902). Derselbe ist in den zwischen a und b liegenden Stadien succes-
sive ausgewachsen.
zeitig
Bei der V e r k n o r p e 1 u n g
mit den anderen Basalia)
besonderes Kuorpelcentrum an,
pterygii auswächst (Fig. 209).
dralen Entwickelung nach zu den
des Basipterygium legt sich (gleich-
in diesem sekundären Fortsatz ein
das allmählich zum Basale pro-
Dasselbe rechne ich seiner prochon-
sekundären Basalia.
Vei'gleicht man bei Spinax niger die Formen des Basipterygium
in frühen Stadien mit einander, so zeigt sich, daß die anfangs schlanke
Platte kurz nach ihrer Entstehung an dem stielartigen proximalen Teil
verbreitert wird. Schon im Stadium d der Fig. 203 ist jenseits der Linie
(r, welche ungefähr der ursprünglichen lateralen Kante der Stadien a
bis c entspricht, eine neue Partie des Basipterygium entstanden, die
den Stiel zu einem gerade so breiten Stück umgestaltet, wie es ur-
sprünglich nur. die apicale Partie des Basipterygium war. Bei der
Verkno rpelung bildet sich (jenseits der ursprünglichen Lateral-
kante, siehe Linie G, Fig. 209a) ein separater Knorpelkern: das Ba-
sale mesopterygii. Dasselbe entsteht also auch in einem se-
kundär im Basipterygium gebildeten Teil, der jedoch innigere
Beziehungen zum primären Basale bewahrt als die
Anlage
des Pro-
Fig. 209. 3 Stadien des Basipterygium von Spinax während der Verknorpelung.
Buchstabenbezeichnung wie bei Fig. 28 (s. auch im Text). Nach E. Rüge.
pterygium, da er sich als Vorknorpel nicht wie letzteres selbständig
maciit (E. Buge). Bei T o r p e d o ist letzteres, wenigstens partiell,
wohl eingetreten. Dort entsteht der Vorknorpel für das Basale me-
sopterygii {Ms Fig. 208b) auch sekundär, lateral vom Rayon des ur-
sprünglichen Basipterygium. Bei der Verknorpelung ist auch hier das
Centrum in Ms ein separates.
Ueberblickt man die Differenzierungen des Basipterygium
der Selachier, so sieht man 3 einheitliche Knorpelplatten in ihm auf-
treten (Basalia). Eine bildet sich in dem zuerst allein bestehenden
Abschnitt des Basipterygium, dem primären Basale (s. p. 216).
Sie stellt sich dadurch in Gegensatz zu den beiden anderen Platten,
die in sekundär auftretenden Partien des Basipterygium lokalisiert
224 H. Braus,
sind, den sekundären Basalia. Von diesen ist das Basale
propterygii durch sekundäre Differenzierung der Matrix in rostra-
1er Richtung (nach dem Kopf des Embryos zu) entstanden, das Basale
mesopterygii dagegen durch nachträgliches lateralwärts ge-
richtetes Wachstum derselben (Fig. 213c, Pfeile) ^).
Auch in dem späteren Bereich der sekundären Basalia liefert das
vorknorpelige Basipterygium Sprossen, die R a d i e n. Ihre Entwickelung
dauert noch an. wenn bereits die Verknorpelung eingesetzt hat (Fig. 209).
Bei Spinax niger bilden sich die Radien der sekundären Basalia
successiv in kaudo- kranialer Reihenfolge, also gerade in
umgekehrter Richtung wie die Radien des Metapterygium, die kranio-
rostralwärts aussprossen (E. Rüge 1902, vgl. Fig. 2Ö3 und 207). Auch
bei Torpedo ist am Propterygium die kaudo-rostral gerichtete Ent-
stehungsfolge der Radien beobachtet worden (Mollier 1894, s.
Fig. 29b).
Sind die Radien verknorpelt, ein Prozeß, der sich. in der für alle
typischen Weise, aber hier auch kaudo-kranialwärts, abspielt
(Fig. 209c), so besteht das Basipterygium der Brustflosse aus M e t a - ,
Meso- und Propterygium.
Die frühe Genese zeigt also auch die Radien der sekundären
Basalia als etwas Verschiedenes gegenüber denen des primären Basale.
Die kaudo-kraniale Richtung ihres Entstehens entspricht der Succes-
sion, welche beim Auswachsen der Matrix für die sekundären Basalia
selbst konstatiert wurde.
Phylogenese. Vergleicht man die Entstehung des Pro- und
Mesopteiygium bei Selachiern mit den Differenzierungen des primären
Basale bei Ceratodus, so zeigt sich, daß der Unterschied ein nicht un-
beträchtlicher ist. Während im p o s t axialen Bereich des primären Basale
bei Dipnoern und Selachiern in gleicher Weise Rückbildungen auftreten,
sind im präaxialen Gebiet bei Dipnoern auch regressive, bei Se-
lachiern dagegen pr ogressive Differenzierungen (eben die Bildung von
Meso- und Proptervgium) zu verzeichnen (Fig. 207).
Da bei fossilen Vorläufern der Selachier manchmal nur ein schmales,
radienähnliches Propterygium und noch kein Mesopterygium vorhanden ist
(Fig. 207 d) und da bei den recenten Brustflossen entwickelungsgeschichtlich
noch ein allmähliches Auswachsen der sekundären Basalia
mit ihren Radien von eben derselben Stelle aus kenntlich
ist, erweist sich die Differenz zwischen Dipnoern und Selachiern als eine
historisch begründete. Beide Gruppen sind in verschiedener Ausbildungs-
richtung begriffen, welche jedoch von einer gemeinsamen Grund-
form mit gieicllllläßigeill prä- und postaxialen Radienbe-
satz abgeleitet werden kann. Bei den Dipnoern ist die allmähliche
E i n s c h m e 1 z u n g prä axialer Teile, bei den Selachiern die allmähliche
Vermehrung von solchen ontogenetisch verfolgt worden. Es sei hier
schon erwähnt, daß das Skelett der Tetrapoden (Chiridium) an keine
dieser beiden divergierenden Richtungen angeschlossen werden kann, wohl
1) Bälfour (1881) gab an, daß im Basipterygium die Anlage des Basale meso-
und propterygii stecke. Doch hielt er beide noch im knorpeligen Zustand für eins
(ein geraeinsames Centrum für beide). Rabl (1892), Mollier (1892, 1894) und E.
Rüge fanden alle 3 Basalia als separate Knorpelkerne im Basipterygium. E.
Rüge (1902, auch M. FtiRBKiNGER 1902) haben besonders die Succession der Aus-
bildung betont
Entw. d. Form d. Extremitäten u, d. Extremitätenskeletts. 225
aber mit Wahrscheinlichkeit an die beiden zu Grunde liegende, ent-
wickelungs ges chich tlich noch erkennbare Grundform ^j.
ß. Brustflossoiiskelett der Ganoiden und Teleostier.
Die jüngste, bei Acipeuser beobachtete Anlage des Basiptei\y-
gium besitzt bereits Radien (über den Zusammenhang mit dem
Schultergürtel siehe p. 207, Fig. 197a). In welcher Reihenfolge die-
selben entstanden, ist also nicht bekannt"^). Noch im Vorknorpel-
stadium gliedert sich von der Schultergürtelanlage derjenige Teil ab,
mit welchem die beiden terminalen Radien zusammenhängen (Fig. 197b,
I). Es ist dies das primäre Basale, dessen erster Seitenradius
der Strahl 4 ist und dessen 2. Seitenradius (5) sich erst in einem
späteren Stadium entwickelt (s. Fig. 197c). Vielleicht ist der Strahl 6
der fertigen Form (Fig. 197d) noch ein dritter entstehender Seiten-
strahl, welcher sich bildet, wenn sich mit dem Auswachsen von I die Ur-
sprünge der Seitenradien verschieben. Doch sind die Zwischenstadien
zwischen dem letzten Stadium der Entwickelungsserie (c) und dem
ausgebildeten Tier (d) noch unbekannt. Auch wissen wir nicht, wie
sich die Längsspaltuugen mancher terminaler Querglieder der fertigen
Form im speciellen bilden.
Die Abgliederung der Radien aus der gemeinsamen Anlage er-
folgt, ehe die Verknorpelung einsetzt. Es bilden sich die knorpligen
Strahlen also von vornherein separat.
Von der reichen Entfaltung des Metapterygium wie bei Selachiern
ist freilich bei Acipenser auch in der Ontogenese nichts zu sehen. Ob
andere Ganoiden in ihrer Entwickelung mehr davon aufweisen, wissen wir
noch nicht. Immerhin sei darauf hingewiesen, daß bei fossilen Crosso-
pterygiern (Eusthenopteron, Sm. Woodward) ein doppeltgefiedertes Meta-
l^terygium gefunden wurde. Die von Budgett (III 5, p. 195) untersuchte
ältere Polypteruslarve zeigt eine bemerkenswerte Aehnlichkeit des Brust-
flossenskeletts mit dem der Selachier. Speziell findet sich auch an der
Stelle des post axialen Basale von Heptanchus eine knorplige Fort-
setzung des medialen Flossenrandes, welche beim ausgewachsenen Fisch
verloren gegangen ist. — Alle Radien der Störflosse für einander
gleichwertig zu halten, geht nicht an ; denn die Ontogenese zeigt
1) Gegenbaur (1870) hat daraus, daß an Stelle der sekundären Basalia bei
manchen ausgewachsenen Formen nur einzelne Radien vorkommen, vergleichend-
anatomisch geschlossen, daß dieselben aus isolierten Radien durch Concrescenz ent-
standen seien. Die Paläontologie hat eine glänzende Bestätigung der Schluß-
folgerungen Gegenbaur's geliefert, da bei primitiven fossilen Selachiern an Steile der
einheitlichen sekundären Basaha zahlreiche isolierte Stäbe vorhanden sind
(Cladodus Traqüar und Symmorium Cope). Der mutmaßliche Atavus ist
also bekannt (Braus 1901). Die Formen besitzen ein einheitliches primäres
Basale. Freilich ist in der Ontogenie von separaten Anlagen von Radien an Stelle
der sekundären Basalia nichts zu sehen. Wohl aber bestätigt die Entwickelungs-
geschichte noch die kaudo-kraniale Differenzierungsrichtung der sekundären Teile,
welche Gegenbaur (1876) vergleichend-anatomisch postulierte, nachdem er seine
ältere Anschauung (von der Differenzierung derselben in loco [1870J) aufgegeben
hatte. — Die von Thacher u. a. vertretene Meinung, daß die 3 Basalia des Basi-
pterygium gleichwertige Homodyname seien, widerstreitet der ontogeneti-
sche Entwickelung derselben.
2) Die kranialsten (1 u. 2 Fig. 197a) sind viel kleiner als die übrigen, möglicher-
weise also später angelegt. Entwickelung in kaudo-kranialer Reihenfolge würde der
Auffassung Gegenbaur's entsprechen, welche in den frei am Schultergürtel be-
festigten Radien der Ganoiden Homologa der sekundären Basaha der Haie er-
blickt.
Handbuch der EiitwiclieUingslehre. III. 2. 15
226
H. Braus,
deutlich I in Beziehung zu zwei und später zu drei Radien. Es
ist aber charakteristisch für Basalia, daß sie, wie hier die Pai'tie I, die
gemeinsame Matrix für allmählich an Zahl zunehmende
Radien in der Ontogenese bilden. Die geringe Zahl der Seiten-
sprossen gegenüber Selachiern und Dipnoern scheint mir nichts daran
zu ändern, daß das Prinzip doch deutlich dasselbe ist. Der Lage nach
kommt nur das primäre Basale als Homologen in Betracht ^).
Bei Teleostiern entstellt eine Vorknorpelplatte, welche einheit-
lich ist und, wie es scheint, das Innenskelett der Brustflosse von
vornherein in toto in sich birgt. Denn in späteren Entvvickelungs-
stadien wird durch partielle Entwickelungshemmung und Auflösung
des Vorknorpels ('Swirski 1880, Wiedersheim 1892) oder gar
schon verknorpelter Partien (Ducret III ^, p, 195) aus der Platte
(einmal der Scliultergürtel und ferner) ein System isolierter Radien
(I — V Fig. 210a) erzeugt. Letztere entstehen also wesentlich anders
als bei den bisher besprochenen Fischen (etwa so, wie Balfour früher
auch bei Selachiern die Entstehung der Radien gefunden zu haben
glaubte, aber nicht durch Sprossung, wie sie in Wirklichkeit bei jenen
sich anlegen).
Etwas später bilden sich distal von diesen Radien zalilreiche
kleine, separate Knorpelherde (beim Hecht 12, Fig. 210a, beim Gold-
Fig. 210. a Brustflossenskelett eines Hechtembryos (Korabination zweier Figuren
von 'SwiRSKi). b [Skelett der fertigen Hechtflosse. (Nach Gegenbaur.) z Schulter-
gürtel.
liegen. Zwischen ihnen und den Radien
('SwiRSKi) noch intermediäre Knorpel-
die mit den distalen durch Vorknorpel
den basalen stets
fisch 10), die in einer Reihe
wurden dann beim Hecht
inseln (a, ß, y) angegeben,
zusammenhängen, aber von
sind.
Es ossifiziert endlich ein Teil der Radien (II — V Fig. 210b,
punktierte Partien). Auch kommt es vor, daß dermale Knochenstrahlen
einzelne Knorpel umwachsen, so bei Salmo salar der kräftige „Rand-
biudegewebig getrennt
1) Wegen der Litteratur verweise ich auf Wiedersheim (1892), Salensky
(1892, 1898), Mollier (1897), Kabl (1902). Ich folge speciell der Schilderung
Mollier's, deute aber mit Rabl das „Basale" Mollier's anders (s. p. 207, Anm. l].
Doch kann ich auch Rabl nicht ganz beipflichten, da dieser das ganze „Basale" MoL-
eier's für die Anlage des Schultergürtels hält. Denn aus dem im Text angeführten
Gründen ist für mich das mit I bezeichnete Stück der Fig. 197 wirkUch ein Basale,
also die durch die punktierte Linie von mir in Fig. 197a abgegrenzte terminale Partie
des „Basale" Mollier's nicht zum Schultergürtel gehörig. — S-^lensky's Dar-
stellung (Sterlet) ist sehr abweichend von derjenigen der übrigen Autoren. Er be-
hauptet z. B. isolierte Anlage der Radien und frühere Differenzierung bei diesen als
bei den proximalen Partien.
Entw. d. Form d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts. 227
strahl" den äußersten Knorpelradius (Gegenbaur 1864). Es bleiben
dann nur 4 Radien übrig.
Da der radialste Strahl in der frühesten Entwickelung eine Ein-
kerbung zeigt (Eig. 210a, V), welche an die Anlage des Metapterygium
bei Acipenser (Fig. 197b, I) erinnert, könnte an eine Homologie beider
gedacht werden. Bei den übrigen Differenzen der Ontogenese der Te-
leostierflosse gegenüber den anderen Pterygia gemäß den bisherigen Er-
fahrungen, kann dies aber nicht mehr als eine Vermutung sein.
y. Entwickelung des Basipterj giuni der Beckenflosse.
Selacliier. Wie bei der Brustflosse entwickelt sich zuerst das
primäre Basale (Fig. 211a, Mollier 1894). Bei Torpedo ist es,
ebenfalls wie beim thorakalen Basipterygium, in dem jüngsten beob-
achteten Stadium bereits von ziemlicher Länge. Es produziert seit-
lich Radien und wächst dabei weiter terminalwärts aus (Fig. 211a
und b). Auch die kranio-kaudale Successiou ist also vorhanden.
' ' V ; ■ '. r,:r'-/i-;A»'-*-' _,^
^^; :-;■:■ ...:«:vK«-SSSi''
pr.B
Fig. 211. Zwei Stadien der vorknorpeligen Anlage des Basipterygium (und
Beckens) bei Torpedo. Nach Mollier.
Das primäre Basale mit seinen Radien ist homodynam
dem Metapterygium der Brustflosse.
Auch ein sekundäres Basale bildet sich. Es entsteht am
kranialen Rand der Brustflosse eine schmale Skelettplatte (Fig. 211b,
Pp), welche anfangs 2, später 3 Seitenradien (Fig. 212) produziert,
also völlig einem Basale entspricht. Auch sie bildet sich, wie die
sekundären Basalia der Brustflosse, erst nachträglich (in Fig. 211a
ist dieselbe noch nicht vorhanden). Bei der Verknorpelung der
Skelettanlage sondern sich die Basalia vom Beckenknorpel und die
Radien von den Basalia (Fig. 212).
Da das sekundäre Basale der Beckenflosse das einzige ist seiner
Art, hat Gegenbaur (1870) dasselbe dem auch bei der Brustflosse manch-
mal allein vorhandenen Basale propterygii verglichen. In der Ent-
15*
228
H. Braus,
Wickelung bildet sich dasselbe melir in der Richtung des Basale meso-
pterj^gii der Brustflosse. Es ist jedoch möglich, daß auch in der
Brustflosse sich das Propterygium bei Formen, welche kein Mesopterj^-
gium besitzen, in etwas anderer Art entwickelt als gewöhnlich. Es
harren beim abdominalen Basipterj^gium noch manche entwickelungs-
geschichtliche Detailfragen der Bearbeitung ' ).
Einer befriedigenden ontogenetischen Durcharbeitung harrt auch
noch der Kopulationsapparat (Mixiptery gium) der Sel^chier. Der-
selbe besteht aus primären, sich knorpelig anlegenden Teilen, die zum
Innenskelett der Flosse gehören, und aus d erm alen krallenartigen
Gebilden (meist 5, aber bis zu 11 Stück). Letztere differenzieren sich
im Mesoderm von Hautfalten oder direkt im Innern des Begattungsfort-
satzes (Petri 1877). Sie bestehen aus einer eigentümlichen, harten
Substanz (Chondrodentin, Hubeii 1901). Eine Drüse, welche zwischen
den Gliedern des Innenskelettes im Mixipterygium liegt, entwickelt sich
aus dem Ektoderm der Haut (Petri, Huber). Am wenigsten wissen
wir über die Ableitung der Knorpelstrahlen aus dem Basipterygium.
MoLLiER (1894) findet bei Torpedo ein einheitliches Blastem am ter-
minalen Ende des letzteren. Aus
diesem differenzieren sich 2 Strahlen
(Fig. 212 mx\ welche das fragliche
Skelett bilden. Ein dritter soll nach
MoLLiER frühzeitig abortiv werden, bei
Mustelus aber nicht verloren gehen.
Dafür, daß diese Strahlen zusammen
das Ende des Stammstrahles re-
präsentieren (von dem die einzelnen
Teile durch Längsspaltung entstanden
wären) sind aus vergleichend-anato-
mischen Gründen Gegenbaur, Junger-
SEN, Rabl eingetreten. Andere halten
außer dem Stammstrahl noch Seiten-
radien für mitbeteiligt am Aufbau des
Skelettes. Nach Huber sind es aus-
schließlich präaxiale ; ich glaube bei
Chlamydoselachus einen postaxialen^)
Radius zu erkennen.
Fig. 212. Basipterygium (und Becken)
bei Torpedo nach der Verknorpelung. Nach
MOLLIER.
D i p n 0 e r. Die früheste Anlage des primären Basale bei Cera-
todus ist dieselbe wie in der Vorderflosse (Semon, 1898, III ^ p. 195).
1) Es ist jedoch der ontogenetischen Entstehung nach unzweifelhaft, daß nur
die primären BasaUa beider paariger Flossen miteinander verglichen werden können
und ebenso nur unter den sekundären Basalia Homodyname zu finden sind. C. Rabl
(1901) vergleicht dagegen das primäre Basale der Brustflosse mit dem sekundären
der Beckenflosse und umgekehrt. Darauf baut sich sein Versuch auf, aus der
Skelettanordnung der Pterygia die Abstammung der letzteren von einer einheitlichen
Lateralflosse nachzuweisen.
2) Es wäre dies ein Beispiel des Vorkommens postaxialer Reste im abdomi-
nalen Basipterygium, von denen auch in der Ontogenie sonst bisher noch nichts ge-
funden wurde.
Entw. d. Form d. Exti-emitäten ii. d. Extremitätenskeletts. 229
Spätere Stadien sind noch nicht bekannt. Beim ausgebildeten Tier
ist jedoch zu sehen, daß der präaxiale Seitenstrahl des 1. Quergliedes
nicht völlig verloren geht, wie meist bei der Brustflosse (Fig. 207c).
Auch stehen im fertigen Zustand die präaxialen Radien ven-
tralwärt s, die postaxialen dorsal wärts, während bei der
thorakalen Flosse gerade das Umgekehrte der Fall ist (A. Schneider).
Aus d e r E n t w i c k e 1 u n g der ä u ß e r e n F o r m d e r F 1 o s s e n
des Ceratodus ergiebt sich mitEvidenz, daß diese \'er-
s c h i e d e n h e i t durch entgegengesetzte Drehungen der
Flossen (also auch der S k e 1 e 1 1 a n 1 a g e n) um je 90" zu
Stande gekommen ist^) (Fig. 194, p. 203). Die fertigen Flossen
sind also um 180^ gegeneinander gestellt, wie auch aus ihrer ganzen
Struktur, besonders der Topographie des Nervensystems hervorgeht
(A. Schneider, Hatschek, Semon, Braus). Infolgedessen müssen
sie sich in ihrer Ruhelage spiegelbildlich zu einander verhalten.
Ein Mixipterygium fehlt bei Dipnoern auch in der Entwickelung.
Lepidosiren hat ein eigentümliches, der Respiration dienendes Anliangs-
gebilde an der Bauchflosse, welches aus der Haut in Form großer Büschel
hervorsproßt (Ehler 1894, Kerr A. L. III c, 1900).
G a n 0 i d e n. Beim Stör entsteht das Skelett der Bauchflosse als
einheitlicher Gewebsstreifen, welcher lateralwärts in Seitenradien
fortgesetzt ist (Mollier 1897). In dem kontinuierlichen Streifen sind
jedoch dichtere Gewebssäulen an ihrem dunklen Aussehen zu er-
kennen, welche Fortsetzungen der Radien in ihn hineinbilden (Fig. 213).
Zwischen denselben ist das Gewebe nur lockerer, nicht unterbrochen.
Später, bei der Vorknorpelung, tritt im k a u d a 1 e n Teil der Flosse
völlige Isolierung der Radien ein, indem die Verbindungsstreifen
zwischen den dichten Gewebssäulen sich auflösen und letztere zu-
sammen mit den von Anfang an vorhandenen Radien einheitliche
Knorpelstäbe bilden. Im hintersten Flossengebiet treten häufig nach-
trägliche Einschmelzungen ein, indem Radien nicht fertig ausgebildet
werden. Im kranialen Teil der Extremität dagegen unterbleibt
die Sonderun g in einzelne Stäbe stets. Es entsteht hier
eine breitere Platte, die später dorsal und ventral an die Stelle vor-
wächst, an welcher bei den bisher behandelten Fischen das Becken
liegt. In Fig. 201 p. 212 sind in die mit ausgezogenen Linien reprodu-
zierte Vorknorpelanlage die definitiven Knorpel mit punktierten Linien
eingetragen.
Die Deutung des einheitlichen Vorknorpelstreifens 2) ist noch zweifel-
haft. Mollier (1897) hält denselben für ein Homologon des Beckens -)-
1) HowES (1887) vertrat dagegen die Ansicht, die spiegelbildliche Ausbildung sei
nicht durch Drehung entstanden, sondern durch konvergente Entwickelung der ent-
gegengesetzten Ränder beider Flossen. Diese Meinung muß als widerlegt gelten.
Rabl (1901) hat sie jedoch wieder aufgenommen, indem auch erden Vorderrand
des Skelettes der Brustflosse dem Hinter ran d des Skelettes der ßauchflosse (und
umgekehrt) bei Ceratodus gleich setzt (vergl. auch p. 228, Anm. 1).
2) V. Rautenfeld (1882) hatte für den Sterlet und Wiedersheim (1892) für
den Stör angegeben, daß die Radien von vornherein isoliert aufträten. Mollier
(1897) zeigte jedoch, daß in einem früheren, dem von jenem Autor beobachteten vor-
ausgehenden Stadium statt der Diskontinuität eine ei nheitliche Anlage vor-
handen ist. Besonders abweichend ist Mollier's Befund von den früheren darin,
daß das einheitliche Basale (B' Fig. 35) von Anfang an kontinuierlich ist
und seine Kontinuität nie verliert, während nach Rauteneeld und Wie-
dersheim auch dieses aus separaten Stäben entstände.
230
H. Braus,
primären Basale und glaubt, da nach ihm ursprünglich diese beiden
Skelettteile aus isolierten Stäben durch Konkrescenz entstanden sein
sollen, es liege eine cänogenetische Verschmelzung der Radien im ersten
Moment ihres Entstehens vor. Ich würde eher glauben, daß keine
Cänogenese vorliegt, sondern daß die einheitliche Grewebsplatte mit ihren
Radien (Fig. 213) ein typisches Bas ip t ery gium darstellt, wie es
Fiff. 213.
Fig. 214.
Fig. 213. Frühanlage des Skelettes der Beckenflosse voo Acipeaser sturio.
Nach MoLLiER.
Fig. 214. Bauchflossen sklett von Polyodon foliura. Die Grenzen der Skelett-
teile mit ausgezogenen Linien, die Grenzen der daraufliegenden Muskelindividueu
mit gestrichelten Linien wiedergegeben. Nach Braus 190ü.
überall bei niederen Fischen auftritt. Die axipetal gerichtete Ver-
größerung der Radien würde schon bei diesem ersten uns bekannten
Entwickelungsstadium eingesetzt haben, so daß die Radien in Form
der dichten Gewebssäulen sich in das Basale fortsetzen, um in
späteren Stadien zum Teil weiter in die Rumpfwand in derselben Rich-
tung vorzudringen und in dem vorderen Teil als größere Platte die Baucli-
mittellinie zu erreichen. Besonders deutlich lassen sich noch die hier
waltenden Prozesse an den Nervenverhältnissen gewisser ausgewachsener
Knorpelganoiden (Polyodon) ablesen. Denn die axipetal vorwachsende
Platte B' (Fig. 201 p. 212) umwächst Nerven, die ihr in den Weg
kommen und besitzt deshalb Löcher. Bei Polyodon kommen bis zu neun
Nervenlöcher vor, die auf den Interradialgrenzen (oder auf den ihnen
entsprechen Muskelgrenzen) liegen (Fig. 214) also nur so entstanden
sein können, daß isolierte Skelettstäbe zwischen den Nerven hindurch
vorwuchsen und sich dann verbanden ^).
Teleo stier. Bei ihnen tritt in der Beckenflosse ein einheitliches
Basale wie bei Ganoiden auf, welches wie dort erst sekundär in
1) Die zahlreichen kleinen Basalia des Polyodon sind natürlich auch ein Argu-
ment gegen die Homologisierung dieser neuen tstandeneu Teile mit dem phylogene-
tisch allen Becken.
Entw. d. Eorm d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts. 231
die Baucliwand vordringt. Aus dem distalen Rand der einheit-
lichen Platte differenzieren sich später kleine Strahlen (Wieders-
HEiM 1892, Ducket III -^ 1894, p. 195). Diese bilden diskrete ver-
schieden gestaltete Knorpelchen, die sich in der an den ursprüng-
lichen Rand der primär gebildeten Platte anschließenden Zone ver-
schiedenartig lagern.
Die Autoren sind darüber einig, daß die Verhältnisse im allgemeinen
auf diejenigen bei Ganoiden beziehbar sind. Doch sieht v. Rautenfbld
(1882) in der Platte der Teleostier ein Homologon einzig der sekun-
dären Basalplatte des Störs (B' Eig. 201), während Wiedbrsheim glaubt,
daß auch Homologa der freien Radien mit in dieselbe eingetreten seien.
Die distalen Knorpelchen hält Wiedersheim für Homologe der Radien
der Ganoiden, während v. Rautenfeld auch die Möglichkeit anei'kennt,
daß in ihnen Neubildungen vorliegen könnten.
Schluß.
D a s A b s t a m m u n g s p r 0 b 1 e m des G 1 i e d m a ß e n s k e 1 e 1 1 e s.
Es giebt im wesentlichen zwei einander scharf gegenüberstehende
Hypothesen, die zu einer Lösung desselben führen sollen. Die eine
geht von der freien Flosse aus und findet ein Vergleichsobjekt
für diese in den unpaaren Flossen (Lateralfaltenhypothese). In
dieser allgemeinen Fassung wurde sie bereits von Gervais (1856),
Maclise, Humphrey u. a. vertreten. Andere Autoren legten den
Schwerpunkt der Vergleichung in das Zonoskelett und fanden in
Rippen oder Visceralbogen etwas diesem Entsprechendes. Von diesen
letzteren Annahmen hat sich allein die Kiemenbogenhypothese Ge-
oenbaur's (1870, 1873) lebensfähig erwiesen.
Die Schwierigkeit zu einem Resultat zu kommen, liegt namentlich
in der ungemeinen Plastizität der peripheren Teile, die sich verän-
derten Funktionen entsprechend offenbar leicht umformen. Davon
giebt z. B. einen Begriff' die Nebeueinauderstellung dreier einfiedriger
Skelettformen (Monostichopterygia, Fig. 215), von denen das erste
einer unpaaren Flosse, das zweite dem Radienbesatz eines Visceral-
bogens und das dritte einer paarigen Flosse entnommen ist. Es wäre
leicht, Zwischenformeu zwischen diese 3 Bilder aus den bekannten
Objekten einzureihen und so das Pterygium sowohl zum Visceral-
skelett wie zu den Pinnae in Beziehung zu bringen (auch doppel-
fiedrige Skelette, Distichopterygia, mit vielerlei Zwischenformen aus
allen drei Lokalitäten sind bekannt). Die äußere Aehnlichkeit genügt
also nicht, bestimmte Lösungen zu finden. Ließe sich dagegen die
Genese der scheinbar gleichen oder ähnlichen Bildungen feststellen,
so wäre zu entscheiden, was von ihnen durch nachträgliche Konvergenz
aus verschiedener Ausgangsform, was aus gleichem Boden un-
mittelbar in verwandtschaftlicher Aehnlichkeit entstanden ist.
Die Entwickelungsgeschichte scheint mir, als Ausgangspunkt aller
Skelettbildung (Innenskelett) die proximale (trunkale) Partie
derselben zu erweisen. Bei den paarigen Extremitäten entsteht bei den
niedersten Entwickelungsformen das gesamte Pterygium als ein Aus-
wuchs des Zonoskelettes (p. 206). Damit stehen die Ergebnisse der
Vergleichung fertiger Formen in gutem Einklang. Bei den Pinnae
ist ebenfalls sicher eine axifugale Entwickelung erwiesen und der
Ausgangspunkt der ganzen Entwickelung höchst wahrscheinlich im
232
H. Braus,
Achsen Skelett selbst gelegen. Wenn wir also die genetische Methode
befolgen, so müssen wir die proximalen (triinkalen) Teile der paarigen
und unpaaren Extremitäten vergleichen, nicht die peripheren, den freien
Flossen eingelagerten Skelettteile. Gerade bei diesen bestehen aber
so große Verschiedenheiten in der Form, Lage und Genese,
daß jede Vergleichbarkeit ausgeschlossen ist ^).
Andererseits hat das Zonoskelett der vorderen paarigen Flossen
mit den Kiemenbogen in der Form und Lage eine solche Aehnlichkeit
(Fig. 195, p. 205), daß auch solche Forscher, welche im übrigen die
Ableitung des Extremitätenskelettes (Basipterygium) von Kiemenradien
verwerfen, die Homodynamie des S c h u 1 1 e r b o g e n s mit den V i s -
ceralbogen zugaben (Dohrn, Jäkel, Kerr u. a., auch Rabl be-
dingungsweise). Die Versuche, hier die Genese wirklich zu begründen,
stützen sich auf Befunde an fertigen Formen -) (Nachweis der Ver-
sorgung des Zonoskelettes selbst und einzelner Muskeln durch den vis-
ceralen Nervus vagus). Die Schwierigkeiten negativer Art, welche beim
Fig. 215. i Drei Monostichopterygia. a Pinna von Raja (nach Thacher). b Kie-
menradius von Isistius (nach Garman). c Pterygium Torpedoembryo (Mollier).
Becken in der großen Entfernung vom Kiemenkorb erblickt wurden,
können auch ontogenetisch als behoben gelten, da Verschiebungen
beträchtlicher Art beobachtet, also möglich sind und speziell auch
kaudalwärts gerichtete Wanderungen vorkommen. Positiv hat die
Ontogenie hier ebenfalls Aufklärung geschaffen, da sie noch die Bogen-
form des Beckens bei Formen erkennen läßt, die im fertigen Zustand
eine solche vermissen lassen und deshalb Veranlassung für manche Au-
toren gaben, an der Homodynamie von Schulter- und Beckenbogen
zu zweifeln. Das also kann als gesichert gelten, daß die Ableitung
des Schulterbogens von Visceralbogen auch die des Beckenbogens
von solchen eo ipso bedeuten muß.
So kühn die Visceralbogenhypothese auf den ersten Blick er-
scheint und so oft sie auch angefochten und selbst totgesagt
worden ist, so scheint sie mir doch — immer nur im Rahmen einer
1) Nur wenn man solche Pterygia zum Vergleich auswählt, bei welchen wie bei
den Bauchflossen der Ganoiden — aber auch in der Ontogenese nachweislich se-
kundär! — eine Entwickelung von außen nach innen stattfindet, und damit Pinnae
vergleicht, bei welchen gleichfalls nachträglich Konkrescenzen und axipetale Wachs-
tumsprozesse eingetreten sind, dann — aber nur dann ist eine äußere Aehnlichkeit
der Entwickelungsprozesse vorhanden, die aber natürlich hier nicht in Rechnung ge-
setzt werden kann. (Vergl. Braus 1904.)
2) Ich registriere hier vorläufig nur die neue Mitteilung Dohrn's (1902), daß
das Kiemenskelett ektodermaler Herkunft sei und infolgedessen ektodermale Visceral-
und mesodermale Gliedmaßenbogen nicht in Beziehung gebracht werden könnten.
(Vergl. auch A. Brauer, Zool. Jahrb. 1904. p. 394.)
Entw. d. Form d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts. 233
Hypothese — in gutem Einklang mit den zur Zeit bekannten mor-
phologischen Thatsachen zu stehen und für weitere Untersuchungen
großen heuristischen Wert zu besitzen. Die Lateralfaltenhypothese
in ihrer historischen Form hat jedenfalls kein Recht, sich speziell auf
ontogeuetische Fakta zu berufen ; denn diese sind ihr in fast allen
Punkten ungünstig.
Es wurde jedoch schon früher erwähnt (p. 200, Anm 1), daß mög-
licherweise die äußeren Leisten, welche in der frühen Embryonalent-
wickelung die Entstehung der paarigen Extremitäten bei Fischen ein-
leiten, auf einen Vorfahren der jetzt lebenden Tetrapterygier zurück-
weisen, bei welchem, ähnlich etwa den Metapleuralfalten des Amphioxus
im Bereich des Kiemenkorbes, zu jeder Seite des Tieres ein einheitlicher
kurzer Saum bestand, der noch kein Innenskelett aufwies. Ob ein
solcher Saum von dermalen Elementen gestützt war (Hornfäden). ent-
zieht sich der Vermutung. Doch wäre er ähnlich der unpaaren Saum-
bildung in der Medianlinie des Körpers zu denken, der er entwicke-
hmgsgeschichtlich so ähnlich ist. Erst mit dem Einwuchern des Innen-
skelettes im Sinne der Visceralbogenhypothese, also mit dem Einsprossen
von knorpeligen Abgliederungen disponibel gewordener Kiemenbogen,
leitete sich dann die eigentliche Bildung paariger Ex-
tremitäten ein.
Daß nur zwei und nicht mehr Gliedmaßenpaare bei Fischen und
Tetrapoden sich ausbildeten, ist zweifellos eine Folge der mechanischen
Bedürfnisse der Lokomotion und bei Land tieren im allgemeinen nicht
wunderbarer, als daß wir Tischen und Stühlen 4 Beine geben. Bei
schwimmenden Formen ist die Beschränkung in der Ausbildung
von Extremitätenpaaren jedenfalls plausibler, wenn jedesmal eine neue
transformatorische Kombination verschiedener Kompo-
nenten nötig war, um, der Kiemenbogenhypothese gemäß, aus einem
Visceralbogenpaar Material für das Knorpelskelett eines Flossenpaares
zu gewinnen. Die Bildung beruhte auf einem Kompromiß zwischen den
funktionellen Bedürfnissen und der vorhandenen Matrix, nämlich succes-
sive verfügbar werdenden Kiemenbogen. Glaubt man dagegen, daß alle
Rumpfmetameren gleichmäßig im Besitz kompletten Materiales für die
Bildung paariger Extremitäten waren, so wäre es viel wunderbarer, warum
nicht bei Wassertieren und hier und da bei Landtieren mehr Glied-
maßenpaare als gerade zwei entstanden.
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V\ Vergl. p. 195, Anm. 1. — Eine Anzahl der Abhandlungen, welche über die
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beschäftigen. Ich habe auf dieselben im Text durch den Zusatz III", p. 195 ver-
wiesen.
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II. Die paarigen Extremitäten der tetrapoden Wirbeltiere.
1. Die äußere Form der Gliedmaßenanlagen und die
histogenetisclien Früh Stadien der Differenzierung.
a. Die Formentfaltung'.
Die pentadaktylen Extremitäten entstehen bei den verschiedenen
Klassen als Formen, welche beträchtlich voneinander abweichen. Bei
Amphibien bilden sich anfänglich warzenförmige Höckerchen, bei den
Amuioten dagegen ausgedehnte Längsleisten zu Seiten des Körpers.
Bei ersteren findet infolgedessen eine andauernd progressive Ent-
faltung mit fortschreitender Entwickelung statt, bei letzteren dagegen
zunächst eine relative Einschränkung auf den dem späteren Ex-
tremitätenstiel entsprechenden Umfang. Die späteren Prozesse, die
236
H. Braus,
Bildimg der scbaufelförmigen Endplatte und des Extremitätenstieles,
besitzen bei allen Pentadaktyliern eine große Aehnlicbkeit. Die Ent-
stehung der Finger (Zehen) weist dagegen mannigfache Differenzen
in der Art und Reihenfolge der Entwickeluug auf.
Im allgemeinen ^\h\\ die vordere Extremität ein wenig früher
als die hintere angelegt; sie behält auch diesen Vorsprung während
der späteren Ausgestaltung.
Im einzelneu ist folgendes beobachtet worden :
Amphibien. Beim Triton (Fig. 216) entsteht zuerst ein kleines, rund-
liches Höckerchen, dessen Durchmesser an der Basis anfänglich kaum
die Länge eines einzigen Ursegmentes überschreitet. Später wächst das
Höckerchen zu einem kurzen Stummel aus und gleichzeitig verlängert
sich die Basis ein wenig in der Horizontalebene, in welcher sie liegt,
ohne aber die Länge eines Ursegmentes beträchtlich zu überschreiten.
Fig. 216.
2 3 4 5
M a! y. 0 i>
Fig. 217.
Fig. 21G. 10 Stadien der Entwickelung der vorderen Gliedmaße bei Triton
taeniatus. Nach Strasser.
Fig. 217. 8 Stadien der Entwiclcelung der hinteren Ghedmaße bei Triton
taeniatus. Nach Strasser.
Nun sprossen am Ende desselben zwei Knötchen, a und b, hervor,
von welchen das ulnar liegende b etwas größer ist als das radiale a.
Es folgen in späteren Stadien noch zwei Knötchen, c und d, welche
ulnarwärts von den beiden primären inzwischen vergrößerten Knötchen
successive aus einer Anschwellung, dem „Randhöcker", hervorsprossen.
Bei der vorderen Extremität ist damit die für Urodelen endgültige Zahl
von Fingern (4) erreicht. Bei der Fußanlage (Fig. 217) entstehen im
ganzen 5 Sprossen (a — e). Hier erfolgt die Anlage der ersten Zehe (a)
und des Randhöckers, welche bei der vorderen Extremität zeitlich dif-
ferieren, synchron ^).
1) Die Sprossung der Extremitäten und Finger schildern im wesenthchen über-
einstimmend bei Triton RuscoNi (A. L. III'), Götte 1879, Strasser 1879, Rabl
1901 (111% p. 195) ; bei Amblystoma HoY 1871 ; bei Necturus Baur 1891, Rabl 1901 1. c.
— Während nach Strasser die Spitze des ursprünglichen Höckers zur Zehe b
wird und a etwas später als b aussproßt, bilden sich nach Rabl die Zehen a und b
Entw. d. Form d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts. 237
Bei Perennibranchiaten ist von Proteus anguineus (Zeller
1889 (L. 16, p. 176), WiEDERSHEiM 1890 (A. L. III ^) bekannt, daß die
Entwickelung der äußeren Form ähnlich verläuft wie bei Salamandrinen.
Doch bilden sich an der Hand zunächst nur 2 Fingeranlagen. Bei aus-
geschlüpften Larven wurde neben dem kleineren ulnaren Zipfel noch
ein dritter gefunden. Beim Fuß bleibt es bei den beiden primären
Anlagen; eine dritte fehlt. Messungen über das Verhältnis der Breite
der vorderen Extremität von Proteus im Vergleich zum Dickendurch-
messer der Larve in den entsprechenden Stadien (Fürbringer 1902,
III ^, p. 234) ergaben, daß mit zunehmender Entwickelung eine Einengung
aus dem ursprünglichen Stummel durch Spaltung, nur Zehe c und d sprossen
aus. Es erhebt sich sofort die Frage, ob bei den Fingeranlagen der vorderen Ex-
tremität diejenige, welche beim Fuß als letzte sich anlegt, e, ausbleibt (also der 5.
Finger) oder ob eine der 4 radialen Fingeranlagen ausgelassen oder übersprungen wird?
Von der letzteren Möglichkeit erscheint ein Ausfall innerhalb der Reihe (z. B.. von
Perrijt 1896 für den 4. Finger als Möglichiieit behauptet) deshalb a priori als sehr
unwahrscheinlich, weil die Fingeranlagen ohne erkennbare Störung des Gleich-
maßes in der Succession aufeinanderfolgen und weil auch sonst im Bau der
Extremitäten keine Anzeichen eines deutlichen Ausfalles zu entdecken sind. Be-
züglich der beiden übrig bleibenden Möglichkeiten (Existenz des 1., 2., 3., 4. oder
des 2. 3., 4., 5. Fingers) sind die Ansichten der Autoren sehr geteilt. Da die Be-
weisgründe für die eine oder andere Auffassung meistens den Skelettverhältnissen
entnommen sind, ist dort dieses Problem zu behandeln. Hier sei nur hervorgehoben,
daß die Ontogenie der äußeren Form keinen Aufschluß üljer die schwierige Frage
giebt. Denn es ist kein äußeres Kennzeichen der einzelnen Finger bekannt, welches
konstant genug wäre, um für uns dieselben Finger für Finger zu markieren.
Mehnert (1897, p. 56) freilich ist der Ansicht, daß das spätere Aussprossen der
Finger c und li ein Zeichen von Reduktion sei und schließt daraus, daß c rück-
gebiideter als a und h, d noch abortiver als c, schließlich daß e, also der 5. Finger,
gänzlich verschwunden sei. Doch ist dieser Schluß keineswegs zwingend, da einmal
das successive Aussprossen nicht als Reduktionserscheinung erwiesen, ferner das
Auftreten von Reduktionen nicht notwendig auf einer Seite der Hand lokalisiert ist.
Es t;ei auf die Thatsache hingewiesen, daß bei manchen Säugern, bei welchen nach-
weislich der 1. Finger abortiv geworden ist, auch ontogenetisch ein komplettes Aus-
bleiben der Anlage desselben konstatiert wurde (z. B. beim Schaf). Die äußere
Forment Wickelung bestätigt also bei Urodelen nur den Maugel eines 5., der
fertigen Form fehlenden Fingers, nicht denjenigen eines bestimmten (etwa das
Fehlen des 5. Fingers).
Eine weitere Streitfrage ist die, ob ein 5. Finger deshalb nicht angelegt wird,
weil bei den Vorfahren keiner bestand oder ob es sich um den sekundären Fortfall
eines phylogenetisch einst vorhandenen Fingers handelt. Auch hier sind die Argu-
mente wesentlich den Skelettverhältnissen entlehnt und werden später besprochen
werden. Bei regenerierenden Gliedmaßen von Urodelen (Salamandra und Triton),
die im allgemeinen dieselben Entwickelungsvorgänge der äußeren Form darbieten
wie die normale Ontogenese (Fraisse 1885, Tai II, Fig. 13, 14), sind jedoch manch-
mal 5 Finger statt 4 auch bei der vorderen Extremität beobachtet worden. Aeltere An-
gaben darüber (Platteretti, J. Fr. Meckel, Darwin) wurden neuerdings durch eine
Beobachtung von Barfurth (1900) bei Triton taeniatus vermehrt und als Atavismus
gedeutet. (Falls es sieh nicht doch um eine Mißbildung wie sie bei Vermehrung
der gewöhnlichen Zehenzahl beim Schwein, Pferd etc. beobachtet wurde, handeln
sollte, würde eine genaue Analyse des Skelettes solcher Mißbildungen am ehesten
erkennen lassen, ob der überzählige Finger der 1. oder 5. in der Reihe ist und
dieses Problem der Lösung näher bringen.) 5 Finger haben auch die fossilen
Ueberreste mancher kleiner und besonders primitiver Stegocephalen (Lepospondylu,
Jäkel 1896), während die meisten Stegocephalen bereits 4-fingrig waren. Es ist
deshalb kaum zweifelhaft, daß die 4-fingrige Form auf nachträglicher Reduktion
beruht, zumal auch beim Fuß der Urodelen der Verlust einer Zehe vorkommt,
und gelegentlich bei der Hand und beim Fuß stärkere Reduktionen bis zum
völligen Schwund führen [s. besonders M. FÜRBRESTGER 1902 (IIP, p. 234);
Baur 1888 und Rabl 1901 (III^ p. 235) halten dagegen das successive Aussprossen
der Finger und den Mangel eines 5. Fingers an der Urodelenhand m der Onto-
genese für den Beweis, daß hier primäre Oligodaktylie bestehe.]
238 H. Braus,
der Extreniitätenanlage (von 27 Proz. auf 16 Proz. des Dickendurch-
messers) stattfindet. Es ist dies ein Ausdruck für die Reduktion,
welche aus einer anfänglich voluminösen Anlage eine relativ kleine
fertige Extremität hervorgehen läßt (s. Anm. 1, p. 236).
Bei Cöciliern, welche im ausgebildeten Zustand bekanntlich fuß-
los sind, legen sich in der Entwickelung noch vordere Extremitäten als
kleine Verdickungen an der typischen Stelle an, um bald zu verschwinden.
(Hypogeophis, Brauer 1899, A. L. III''). Ein wenig nach dem Auf-
treten der vorderen Gliedmaßen und während letztere noch bestehen, ent-
wickeln sich auch hintere Extremitäten als Verdickungen , welche bei
Hypogeopsis kurze Zeit (Brauer 1. c), bei Ichthyophis dagegen länger be-
stehen und im letzteren Eall zu ziemlich großen Höckerchen auswachsen
(P. und F. Sarasin [A. L. III '']. Schließlich gehen auch sie spurlos
verloren. Durch die Ontogenie erweist sich also hier dies Eehlen als
komplette Reduktion (s. Anm. 1, p. 236).
Die Entwickelung der Gliedmaßen bei den Anuren unterscheidet
sich zunächst von allen bisher besprochenen Prozessen durch das zeit-
liche Verhalten zwischen Auftreten der vorderen und hinteren Extremi-
täten. Es hat sich zwar nicht die umgekehrte Folge im Vergleich zu
Urodelen bestätigt (hintere Extremität zuerst, vordere Extremität zuletzt,
wie manche Autoren, so Wiedersheim 1892 [III ^, p. 235] und Mehnert 1897
angaben), aber die vordere Extremität ist doch der hinteren nicht voraus ;
beide entstehen synchron (außer älteren Angaben bei v. Baer und Rathke
siehe besonders Jordan 1888, Lignitz 1897). Die vordere Extremität
entwickelt sich außerdem bei den meisten Anuren innerhalb der Kiemen-
höhle, wo sie neben der Vorniere liegt. Sie beginnt dort zu prominieren,
wenn die Kiemendeckelbildung bereits abgeschlossen ist (bei Larven von
Dactylethra ist sie dagegen nicht unter dem Kiemendeckel versteckt) und
bricht bei Rana erst durch den Kiemendeckel hindurch, wenn die einzelnen
Teile der Extremität (Hand, Untei-- und Oberarm) fertig differenziert
sind. Es wird dabei die Stelle des Kiemendeckels resorbiert, an welcher
die Extremität zuerst sichtbar wird. (Ich folge darin Rösel vom Rosen-
hof [A. L. I], Steixheim 1820, Barfurth 1887, Jordan 1888, Wieders-
heim [L. III 5, p. 235], Lignitz 1897 und eigenen Beobachtungen ; andere
Autoren geben an, daß die Extremität durch Häutung der Larve sicht-
bar werde : v. Baer, Balfour, Claus, C. K. Hoffmann.)
Die weiteren Vorgänge vollziehen sich als Sprossungen wie bei
Urodelen. Jedoch wächst die Spitze des Stummelchens hier zu Einger e
aus (DuGEs 1834). Der Vorsprung in der Entwickelung bleibt diesem
Finger auch weiterhin gewahrt. Er erhält zuerst von allen Pigmentein-
lagerungen, die Cutis wird bei ihm zuerst mehrschichtig, auch treten bei ihm
die ersten Gefäßanlagen auf und er ist stets der längste unter den Finger-
anlagen (Fig. 218). Eine bauchige Vorwölbung, welche die radiale Seite
der meißelartig verbreiteten Endpartie des Stummels schon in Stadium 1
einnimmt, entwickelt sich später zu den Fingern a und b. Finger d
entsteht aus einer Vorwölbung am ulnaren Rand. Beim Fuß folgt noch
ein 5. Finger (e) auf diesen. Ueber die genaue Reihenfolge existieren
jedoch nicht so eingehende Beobachtungen wie bei Urodelen. Nur so viel
steht fest, daß dieselbe von der bei letzteren beobachteten Succession
namentlich durch Bevorzugung von Finger c anstatt a und b sehr auf-
fällig abweicht. Da bei der Skelettentwickelung die Reihenfolge der
Ausbildung von Metacarpus und Phalangen bei Anuren noch stärker zu
Gunsten der ulnaren Seite der Extremität verschoben ist, so ist stets
Entw. d. Eorm d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts.
23&
dieser Differenz zwischen Urodelen fzeitliche Prävalenz radial gelegener
Teile) gegenüber Anuren (zeitliche Prävalenz ulnar gelegener Teile) bei
Hand und Fuß Bedeutung beigemessen worden. (Auch wird der Be-
ginn der Fingerbildung bei Anuren nicht als reine Sprossung be-
Fig. 218.
1 ' 2
Fig. 218. 6 Stadien der Entwickekmg
der vorderea Extremität bei Rana esculenta.
Nach Jordan.
Fig. 219. Stadien der Entwickelung
der vorderen Extremität von Emys lutaria
taurica. H Herz. All Allantois. Nach
Mehnert.
schrieben. Es sollen vielmehr Furchen
zuerst von der Ober-, dann von der
Unterseite in die abgeplattete distale
Partie des Stummels einschneiden
und schließlich die Fingeranlagen von-
einander trennen. Es erinnert dies
an den Vorgang, der bei Amnioten
die Regel ist.)
In der vorstehenden Schilderung
folgte ich im wesentlichen Jordan
1888. Auch Mehnert 1897 und C.
E-ABL 1903 geben einige Daten.
Amnioten 1). Gegenüber den Amphibien besteht bei allen Am-
nioten das Gemeinsame in der Entwickelung der Gliedmaßen, daß von
Anfang an eine größere Entfaltung in der Horizontalen beobachtet wird.
Die Form der Extremitäten ist infolgedessen mehr scheibenförmig ; eine
Dorsal- und Ventralseite ist gleich beim ersten Auftreten der Anlagen
besonders ausgeprägt. Dabei entstehen die vorderen und hinteren Glied-
maßen auf einer manchmal sehr deutlichen Längsleiste, der WoLFF'schen
8 S
1) Fast in allen Extremitätenarbeiten über Amnioten finden sich naturgemäß
Angaben über die äußere Formentwickelung. Besonders eingehend beschäftigen sich
von neueren Autoren mit derselben Mehnert 1898, Bardeen und Lewis 1901,
Voeltzkow 1902, 1903, Peter 1903.
240 H. Braus,
Leiste 1), welche, vom Branchialfeld ausgehend, längs der ganzen
Seitenwand des Körpers bis zum Ende des Bauches jederseits verläuft
(Fig. 219, 1 W), später aber zwischen den beiden Gliedmaßen verschwindet.
Aus der anfangs leistenförmigen Erhebung der Extremität wird bald ein
platter Zapfen („palette" der französischen Autoren) mit kolbenförmig
ano'eschwollenem Ende. Letzteres wandelt sich in ein Scheiben-
förmiges Plättchen um (Fig. 219, 4), dessen äußerer Rand von einer nur
aus Ektoderm gebildeten Falte umsäumt wird (Ektodermkappe
V. KöLLiKER [Fig. 221a, p. 248]). So hebt sich die Anlage der Hand
resp. des Fußes zuerst aus dem anfangs einheitlichen Gfebilde ab. Sie ist
manchmal ein wenig gegen den Stiel abgeknickt (Fig. 221b). Etwas später
beginntin dem Stiel, welcher die Handscheibe trägt, eine zweite Knickung
sich auszubilden, welche mit dem stärkeren Längenwachstum des Stieles
deutlicher wird (Fig. 219, 5, 7 u. S; Fig. 221c) und jetzt als Ellenbogen-
(resp. Knie-)beuge die äußerliche Abgrenzung von Ober- und Unterarm (resp.
Schenkel) gegeneinander ermöglicht. In der Handscheibe machen sich
bald nach deren Auftreten Einkerbungen bemerkbar (Fig. 219, 6'), nach-
dem bereits etwas früher in ihr bei durchfallendem Licht die An-
lagen des Fingerskelettes als isolierte Säulen sichtbar geworden sind
Beim Menschen speciell entstehen diese Einkerbungen zuerst auf der
dorsalen Fläche der Scheibe, dann am freien Rande selbst. Endlich
wachsen aus dem Rand der Handplatte die einzelnen Finger aus. Dabei
ist eine besondere Reihenfolge in der Sonderung und Entwickelung der
einzelnen Finger bei Amnioten nicht vorhanden, alle entfalten sich
synchron ^). Wenn dagegen im ausgebildeten Zustand weniger als
1) C. E. V. Baer (1887, A. L. I) beschreibt die WoLFF'sche Leiste beim Hühn-
chen als einheitliche Grundlage, auf welcher am 3. Brüttag die vordere und hintere
Extremität entstehen und durch welche beide zusammenhängen. Er sagt (p. 100):
„Wir bemerkten auch, daß nachdem man eine ganz kurze Zeit hindurch auf jeder
Seite einen Wulst in der ganzen Länge des Rumpfes beobachtet hat, jeder Wulst
sich in zwei getrennte Leisten, eine vordere und eine hintere, sammelt, indem die
Mitte undeutlich wird." Von den Säugern sagt v. Baer, daß bei ihnen ebenfalls
eine lange allgemeine Leiste als Basis für die Entwickelung der Extremitäten be-
stehe und daß die Extremitäten in früher Zeit denen der Vögel völlig gleich seien
(p. 209). Diese Beobachtung hat fast allgemein Bestätigung gefunden. Insbesondere
hat Mehnert 1897, p. 9 bei Reptilien (Emys taurica) eine keineswegs nur kurz vor-
übergehende, sondern mehrere Tage hindurch in der Entwickelung bestehende ein-
heitliche WoLFF'sche Leiste beobachtet. Sie wächst in den ersten Tagen nach ihrem
Auftauchen progressiv zu einer relativ breiten Platte aus (Fig. 219, 1 W), in welcher
die Ghedmaßen an zwei Stellen als diffuse Anschwellungen entstehen. Später bildet
sich dann die Zwischenstrecke zurück. — Voeltzkow (1902, 1903) findet bei Rep-
tilien (Crocodilus, Chelone) keine derartige Leiste.
2) Ob die Finger (Zehen) aus dem Rand der Extremitätenplatte durch die Ein-
kerbungen ausgeschnitten werden oder ob sie durch Sprossung aus demselben ganz
oder teilweise hervorwachsen, hat man dadurch festzustellen versucht, daß man prüfte,
welche Teile des Fingerskelettes sich etwa in der Platte selbst bilden, v. Baer
(1828, A. L. I) kam beim Hühnchen zu der Ansicht, daß die Fingeranlagen in toto
in der einheitlichen Endplatte der Extremitäten vorhanden seien. Da die Endplatte
allen Amnioten gleichmäßig zukommt, wurde daraus der Schluß gezogen, daß sich die
Finger bei allen wie beim Hühnchen entwickeln (Chr. Vogt 1884, Thilenius 1897,
Leboticq 1899). W.Nagel (1878) Retterer (1874, 1885, 1902), Hagen (1900) finden
dagegen bei Säugern nur Metacarpus-(tarsus-)Anlagen und Basalphalangen innerhalb
der Platte selbst entwickelt. Daraus, daß die folgenden Phalangen (2., 3.) erst in den
freien Zehen entstehen, zieht Retterer den Schluß, daß diese selbständig hervor-
sprossen und steht so im Gegensatz zu der allgemein geltenden Vorstellung. Das
Problem, welches hier vorliegt, ist anzuerkennen, aber die bisher zur Lösung ver-
wendeten Mittel sind unzulänglich, da selbst die Befunde der letzterwähnten Autoren
die Ansicht v. Baer's nicht aufheben. — Nach Rabl (1904) entwickeln sich bei
Reptilien nicht alle Fingeranlagen synchron; diejenige des 4. Fingers geht vielmehr
den übrigen voran.
Entw. d. Form d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts. 241
5 Finger vorhanden sind, so kann in der frühesten Entwickelnng noch
eine äußere Anlage für einige derselben sich finden. Dieselbe kann im
ersten Entstehen völlig ähnlich den später komplett auswachsenden An-
lagen sein oder wird von Anfang an reduziert gefunden (sie ist kleiner
als die übrigen, tritt später auf und verschwindet bald wieder ganz).
Häufiger sind die Fälle, wo überhaupt keine äußere Anlage solcher
Finger mehr gesehen wird.
Unter den reduzierten Extremitäten liefern die Vögel (besonders der
afrikanische Strauß) das beste Beispiel für den abgeänderten Typus der
Entwickelnng (Mehnert 1897). Beim Fuß legen sich noch 3 Zehen-
anlagen synchron an (Fig. 220, 1 a, b, c), doch bleibt Zehenanlage c bald
zurück und verkümmert endlich völlig. Der
ausgebildete Lauf hat nur 2 Zehen. Bei der 1 2
Flügelanlage des Straußes kommt ebenfalls ein
Höcker mehr zur Anlage, als die Zahl der
späteren fertigen Finger beträgt. Nachdem sich
nämlich dort die Höcker a, b und c entwickelt
haben, entsteht etwas später noch ein ulnar ge-
legenes Höckerchen (d), welches später wieder
Fig. 220. Zwei Stadien aus der Entwickelung des
Fußes von Struthio camelus. Nach Mehnert. ,
0
verschwindet. Obgleich in der Skelettentwickelung noch Reste des 5.
Fingers sich bilden, also kein Zweifel sein kann, daß er einst vorhanden
war, ist auch in den frühesten Stadien äußerlich von einer solchen An-
lage nichts zu bemerken. Aehnliches ist bei Säugern mit reduzierten
Extremitäten beobachtet. Je nach der späteren Form des Fußes legen
sich die Finger- und Zehenanlagen in ihrer Zahl und Lage komplett
oder abweichend vom Primitivstadium an, befinden sich in einer Ebene
oder in einer gebogenen Platte oder schließlich hintereinander gestellt
(Retterer 1902).
Gänzlich rudimentäre Extremitäten legen sich bei Amnioten
manchmal noch als kleine Höckerchen an. So ist bei der extremitäten-
losen Auguis fragilis von Born (1883, I^, p. 174) noch eine niedrige
Platte als Anlage einer vorderen Extremität gefunden worden. Dieselbe
entwickelt sich ein wenig weiter, verschwindet aber schnell völlig (I ^,
Fig. 32 c?, e, f, p. 88). Die bei erwachsenen Cetaceen und Sirenen fehlende
Hintergliedmaße ist wenigstens in jungen Entwickelungsstadien bei ersteren
noch nachgewiesen worden (Guldberu 1894 A. L. 10, 1894* 1899 i),
13, p. 174).
Bei Fledermäusen bilden sich die Extremitäten wie gewöhnlich als
lappenförmige Anlagen. Nach diesem freien Stadium entsteht nach-
träglich eine Hautfalte, welche die vordere und hintere Extremität
verbindet und später die Flughaut bildet. Sie ist am ulnaren Rand
der vorderen und tibialen Rand der hinteren Extremität befestigt. Zu-
letzt geraten auch Hand- und Fußplatte, die anfänglich noch frei bleiben,
in die Anlage der Flughaut hinein und zwar die erstere komplet, die
letztere partiell (Leboucq 1899).
1>) Histiogenese der pentadaktylen Extremitäten beim ersten Entstehen.
Die Reihenfolge, in welcher Ekto- und Mesoderm in die Extre-
mitätenbildung eintreten, scheint nach den Angaben der Autoren eine
1) Entgegen der älteren Auffassung von Ryder (1887j und den Beschreibungen
und Einwendungen von KtJKENTHAL 1893 A. L. 10, 1895).
Handbuch der Entwickelungslehre. Hl. 2. 16
242 H. Braus,
wechselnde zu sein. Bei Amphibien biklet sich nach Wiedersheim
(1892, p. 88 III ^ p. 235) zuerst eine Ektodermverdickung, welcher
dann eine Wucherung des Mesoderms nachfolgt. Bei Amnioten (Lacerta
nach MoLLiER 1894, 1895) geht das Mesoderm voran, die Ektoderm-
verdickung folgt später. Letztere verhält sich ganz ähnlich wie bei
den Pterygia.
Peter (1902) hat neuerdings bei Eidechsenembr3'onen Bilder der
vom Ektoderm gebildeten Scheitelleiste gegeben, welche denen bei niederen
Tischen (Fig. 193 L, p. 207) zum Verwechseln ähnlich sehen. Beim
Hühnchen fand er Aehnliches, bei Säugern bildet sich dagegen keine
eigentliche Palte, vielmehr eine dilFuse Verdickung des ihr entsprechenden
Epithelbezirkes. Der große Unterschied in der weiteren Entwickelung
gegenüber der gleichen Bildung bei den Fischen beruht darin, daß bei
Amnioten nie Mesoderm in die Ektodermleiste eindringt und daher bei
der späteren Reduktion ein völliger Verlust des Gebildes eintritt, während
bei Pischen derjenige Teil, in welchen das Mesoderm einwuchert, be-
kanntlich in die Gliedmaße aufgenommen wird und an ihrem Aufbau teil-
nimmt.
Die histiogenetischen Prozesse bestehen in Wucherungen, welche
durch Zellvermehrungeu in der Somatopleura und dem sie bedeckenden
Ektoderm hervorgerufen werden. Auf diese Weise werden die Ver-
dickungen erzeugt, welche äußerlich sichtbar werden und oben be-
schrieben wurden. Aber auch außerhalb der Grenzen der makrosko-
pisch sichtbaren Formveränderuugen, welche zur Extremitätenbildung
offensichtlich gehören, sind manchmal noch Fortsetzungen derselben
histiogenetischen Prozesse zu erkennen, welche innerhalb dieser Grenzen
die Gliedmaßenbildung einleiten. Nur bilden sich diese Ditferenzierungen
später zurück ^).
Bei Amnioten besteht kein Zweifel, daß eine Ausdehnung der An-
lage über weite Strecken stattfindet. Besonders genau ist bei Lacerta
durch MoLLiER (1894. 1895) beschrieben worden, daß die Mesoderm-
und nachfolgende Ektodermverdickung über die ersten 8 Rumpfsegmente,
den Rayon der vorderen Extremität, hinaus sich deutlich kaudalwärts
über fast alle vorhandenen Urwirbel verfolgen läßt. Ehe sie die Stelle,
an welcher sich die hintere Extremität bildet, erreicht, ist allerdings der
Zusammenhang mit der vorderen Extremität wieder durch Reduktion
verschwunden. Bei Betrachtung eines einzelnen Entwickelungsstadiums
ist also n i e eine kontinuierliche Verbindung der beiden Extremitäten-
anlagen durch die Differenzierungen in der Zwischenstrecke zu beobachten,
wohl ist aber eine solche vorhanden, wenn man den Entwickelungsgang
als Ganzes ins Auge faßt.
1) Manche dieser Angaben sind unsicher. So beschreibt Wiedersheim (1892,
1. c. p. 88 — 188) bei Urodelen eine Epidermisiciste (Embryonen von Triton und
Salamandra), welche horizontal liege imd als sehr schmale lineare Zone über das
Gebiet der vorderen Extremität kaudalwärts, ebenso über das der hinteren Glied-
maße kranialwärts hinausreiche. Eine gegenseitige Berührung beider sah er nicht,
vermißte auch bei Anuren diese Bildungen in der Zwischenstrecke zwischen den
Extremitäten gänzlich. Während Wiedersheim andererseits betont, daß die Meso-
derm Verdickung zapfenförmig sei, sieht Field (1894), ebenfalls bei Amphibien, seitens
der Somatopleurawucherung ein Ueberschreiten der von der Extremitätenanlage selbst
innegehaltenen Grenzen. Dagegen sagt dieser Autor nichts von der ausgedehnten
Epithelleiste, die Wiedersheim sah. Eabl (1895, 1901) betont, daß die Anlage der
Extremität bei Triton sich nur über eine Ursegmentlänge erstrecke, und daß hier die
Beteiligung anderer Segmente an der ersten Entstehung der Gliedmaße auszu-
schließen sei.
Entw. d. Form d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts. 243
c) Das Problem der Bezielmiig'eu der äußeren Formgestaltung' bei den Tetra-
podeu zu derjenigen bei den tetrapterygialen Wirbeltieren.
V. Baer, welcher die Anlage der tetrapoden Extremitäten bei
Amnioten auf einer einheitlichen Grundlage, der WoLFF'schen Leiste,
zuerst genauer studierte (s. o. p. 240), suchte nach einem ähnlichen
Prozeß bei Fischen, weil er in dem Vorgang etwas allgemein Giltiges
zu erblicken glaubte. Aber er fand bei den paarigen Flossen nichts
dergleichen. Thacher (1877 III s, p. 235) und Mivart (1879 III ^
p. 234), welche von den Fischen ausgingen und bei diesen auf Grund
theoretischer Annahmen eine einheitliche Anlage für beide Flossen
postulierten, sahen in der WoLFp'schen Leiste der Amnioten deren
Homologon. Balfour schließlich fand zwar die kontinuierliche Seiten-
falte bei Torpedo (p. 198), war aber zurückhaltend gegenüber den
Homologisierungsversuchen Thacher's und Mivart's. So schwanken
die Ansichten über die Vergieichsobjekte und -berechtigungen hin
und her^).
Bei einer Anlage wie der WoLFF'schen Leiste, die aus indifferentem
Gewebe besteht, solange sie überhaupt existiert, kann die Lokalisation
der Extremitäten innerhalb derselben eine Folge ursprünglich geneti-
scher Beziehungen sein, es muß aber ein solcher Znsammenhang
nicht postuliert werden. In der That hat man in der WoLFF'schen
Leiste auch eine Anlage erblickt, welche am Aufbau anderer Teile
des Körpers, z. B. bei Homo an der Ausbildung der Bauchwand, noch
jetzt beteiligt sei (Bardeen and Lewis 1901). Wenn nun die
Leiste zu früh verschwindet, als daß bisher mit unseren Methoden
hätte sichergestellt werden können, welche Fähigkeiten in dem
Material derselben vorhanden sind, so sind wir zur Entscheidung der
Frage, was sie in frühereu phylogenetischen Zuständen hervorzubringen
vermochte, auf zwei Auskunftsmöglichkeiten angewiesen. Wir fragen
1) Existieren Tiere, welche eine ausgebildete Seitenfalte haben? Es
könnte auf diese die WoLFF'sche Leiste eventuell als Rudiment be-
zogen werden. Und 2) Ist bei primitiveren Tierforraen als den Amnioten
ein stärkeres oder schwächeres Auftreten der Leiste in der
Ontogenie als bei Amnioten zu beobachten? Im ersteren Fall wäre
ein größeres, im letzteren ein geringeres phyletisches Alter derselben
zu folgern.
Daß wir keine Tiere mit Seitenfalten kennen, ist ausführlich bei
den paarigen Flossen der Fische erörtert worden (p. 199). Es fehlt
also der Atavus, auf welchen die WoLFF'sche Leiste als Extremitäten-
rudiment zu beziehen wäre. In der Ontogenie niederer Formen ist
außerdem gerade bei den primitivsten Tetrapoden, den Amphibien,
eine ausgebildete Leiste nicht vorhanden, ja die Leiste fehlt nach den
zuverlässigeren Angaben bei ihnen völlig; bei Fischen ist nur bei
Torpedo eine Leiste gefunden, so daß man unvermittelt die Amnioten
an die Torpediniden zu reihen hätte, wenn nicht selbst dies
durch den rein sekundären Charakter der Kontinuität bei Torpedo
1) Von der» neueren Autoren, welche auf dem Boden der BALFOUR'schen Seiten-
faltenhypothese stehen, haben sich nur wenige bestimmt für die Homologie der
WoLFF'schen Leiste mit einer primitiven hypothetischen Lateralfalte erklärt : Fraisse
1885, Mehnert 1897 (letzterer nennt dieselbe direkt „Extremitätenleiste"). Die
meisten Autoren halten mit ihrer Ansicht zurück oder betonen, wie Mollier (1897,
III'', p. 234) ausdrücklich, daß Schlüsse bezüglich der Homologisierung nicht ge-
zogen werden könnten,
16*
244 H. Braus,
von vornherein unmöglich wäre ^). Selbstverstäncüich ist dadurch nur
die Unzulänglichkeit der bisherigen Erklärungsversuche der Wolff-
schen Leiste als Extremitätenrudiment hervorgehoben. Für eine sichere
positive Deutung fehlt noch das Material -).
Vergleichen wir jedoch die Extremitätenanlagen der Tetrapoden
als solche (ohne Beachtung der WoLFF'schen Leiste, auf welcher sie
bei Amnioten entstehen) mit den Flossenanlagen der Fische, so besteht
zwar ein mannigfacher Wechsel im einzelnen, der aber doch nicht
die auffallende allgemeine U e b e r e i n s t i m m u n g zwischen
beiderlei Bildungen verdecken kann. Die Ontogenie zeigt bei Tetra-
poden keine anderen Schwankungen in der Frühanlage der Form als
solche, welche auch bei Fischen vorkommen. Warzenförmige Anlagen
wie bei Amphibien sind auch bei Dipnoern beobachtet. Extremitäten
mit langausgedehnter Basis kommen in gleicher Weise den Amnioten
und Squaliden zu. Die Ektodermleiste auf der lateralen Kante der
Gliedmaßenanlage ist tetrapterygialen und -poden Gliedmaßenanlagen
gemeinsam und bei Amnioten, bei denen sie keine Verwendung beim
Aufbau der Extremität findet, nur als Ueberrest früherer Zustände
verständlich, bei denen sie, nämlich bei Fischen, noch mit bei der
Bildung der Gliedmaße beteiligt ist (Peter 1902). Auch die frühe
Ausbildung der Hand-(Fuß-)Platte bei Tetrapoden bewahrt der Früh-
anlage eine viel größere Aehnlichkeit mit der Fischflosse als dies in
späteren Stadien, nachdem sich der Extremitätenstiel des Chiridiums
herausgebildet hat, der Fall ist. Denn letzterer fehlt dem Pterygium.
Endlich sind in den Anfängen der Entwickelung noch nicht die zahl-
reichen Stellungs- und Formveränderungen vorhanden, welche sich
namentlich bei terrestren Gliedmaßen später einstellen (siehe auch
nächster Abschnitt). Es ist die ontogenetische Entstehung von Höckern
mit horizontal gestellter Basis und dorso-ventral orien-
tierten Oberflächen allen Vertebraten gemeinsam (Huxley 187ß III ^
p. 234). Die Ontogenie der äußeren Form bei den paarigen Ghed-
maßen dokumentiert also die Homologie der Pterygia und Chiridia.
Die kurzen warzenförmigen Höckerchen sind Fi-ühstadien solcher
Gliedmaßen, welche wie bei Amphibien in allen Bestandteilen sehr dürftig-
entwickelt sind. Es entsteht gerade bei Amphibien beispielsweise die
Gliedmaßenmuskulatur aus einer geringeren Anzahl von Segmenten,
als sich bei der rudimentärsten uns bekannten Form der Glied-
maßen bei Reptilien manchmal noch beteiligt finden 3). Da die Muskulatur
sich sehr früh bildet und auf die eine oder andere Weise ihr Material
1) Abortive Muskelanlagen oder Bildungen, die mit solchen nur entfernt ver-
glichen werden können, fehlen in der Zwischenstrecke zwischen den beiden Glied-
maßen bei Amnioten. Gerade bei Erhaltung eines Rudimentes der ,, Extremitäten-
leiste" würde man jedoch nach allgemeinen Gesetzen eher das Vorhandensein von
Muskelrudimenten erwarten müssen, als etwa bei Squaliden, wo keine Leiste im
Zwischenflossenraum vorhanden ist und die dort befindlichen Abortivknospen doch,
als Ueberreste der einheitlichen Gliedmaßen gedeutet wurden. Auch darin be-
stehen unvereinbare Gegensätze zwischen den Verhältnissen bei niederen Fischen
und Amnioten.
2) Mit großer Wahrscheinlichkeit ist die WoLFF'sche Leiste als jüngere Bildung
anzusehen. Da sie erst bei Tieren auftaucht, welche ein Amnion besitzen, und da sie
mit der Anheftung desselben in Beziehung steht, ist vielleicht durch die Ent-
wickelung dieses Gebildes aus Teilen der Bauchwand ihre Entstehung im Zusammen-
hang.
3) Bei Schlangen, welche noch Rudimente hinterer Extremitäten besitzen
(Caelsson 1886).
Entw. d. Form d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts. 245
aus ihrer Matrix, in der Rumpf wand, bezieht, so ist es nicht auffällig,
daß die Eintrittspforte für dieselbe, nämlich die basale Verbindungs-
stelle der Extremität mit dem Rumpfe, bald eingeengt, bald erweitert
angelegt wird, je nachdem mehr oder weniger segmentales Material
in der Extremität Verwendung finden soll. Bei den niederen Fischen be-
ruht die Länge der Extremitätenbasis auf denselben Korrelationen.
Die spätere Ausgestaltung der tetrapoden Gliedmaßen ist nur bei
Berücksichtigung der inneren Organisation mit den Fischflossen in
Vergleich zu stellen. Es wird bei Besprechung der Skelettverhältnisse
darauf zurückzukommen sein.
2. Verschiebungen und Drehungen der Gliedmaßen-
anlagen im ganzen und einzelner Teile derselben.
Die metamere Position der Gliedmaßen längs des
Rumpfes. Dieselbe ist bei den Tetrapoden wie auch bei den Fischen
eine sehr verschiedene. Auch hier erhebt sich die Frage, ob in der
Entwickelungsgeschichte ein Ortswechsel der Extremitäten zu be-
obachten sei und ob durch einen solchen die Extremitäten aus an-
fänglich identischen Stellungen phylogenetisch in die jetzt bei fertigen
Tieren so verschiedenen Positionen allmählich einrückten, oder ob
andererseits Unabhängigkeit der Extremitätenstellung von historischen
Faktoren oder von den Bedingungen der speciellen Entwickelungs-
geschichte zu konstatieren sei.
Es ist freilich nur wenig von Verschiebungserscheinungen an den
frühesten Gesamtanlagen (Gliedmaßenhöcker und -leisten) bei
Tetrapoden bekannt. Doch liegt dies, wie es scheint, daran, daß bis-
her wenig darauf geachtet wurde. Da, wo genaue Untersuchungen
vorliegen, wie beispielsweise bei Lacerta (Mollier 1895, p. 466), ist
die Verschiebung deutlich zu verfolgen.
Bei Lacerta liegt anfangs die s tärks te Promin enz der Leiste i),
welche später zur vorderen Extremität auswächst, über dem 6. Rumpf-
segment. Sie fällt ein wenig kranialwärts vor die Mitte des serialen
Muskelterritoriums der Gliedmaße. Denn das 4. — 9. Segment steuert
nur (an Stelle der vielen Segmente, über welche die WoLFF'sche Leiste
dahinzieht) zu der Muskularisierung des Extremitätenlappens bei. Doch
hat das 4. Metamer meistens keine Extremitätenknospe mehr, und wenn
sie ausnahmsweise vorkommt, ist sie rudimentär. Wenn die Nerven
sichtbar werden, beschränken sich dieselben regelmäßig auf Aeste,
welche dem 5. — 9. Ursegment angehören, und zwar sind diejenigen aus
dem 7. — 9. Metamer die stärksten. Auch der 5. Rumpfnerv geht aus
dem Plexus brachialis nachträglich noch durch Reduktion verloren. Ein
Ast des 6. Nerven persistiert, aber als schwächster Ast von allen Plexus-
bestandteilen (v. Ihering 1877, M. Pürbringer 1901). Es hat sich also
die Extremität zum Schluß ihrer Ausbildung soweit kaudalwärts verschoben,
daß das 6. Metamer, in dessen Territorium anfänglich die stärkste
Entwickelung beobachtet wurde und welches lange ungefähr die Mitte
1) Eine genaue Abgrenzung derselben ist wegen der Beziehungen zur Wulff '-
sehen Leiste nicht zu geben. — Die Angaben Mollier's über die serialen Ziffern
der Ursegraente habe ich auf die übliche Bezeichnungsweise beim fertigen Tier um-
gerechnet, um einheitliche und ohne weiteres vergleichbare Bezeichnungen zu erhalten.
Ich lege dabei die Angabe von van Bemmelen (die Mollier bestätigt) zu Grunde,
daß die Kopf -Eumpf grenze zwischen 4. und 5. Urwirbel entsteht.
246 H. Braus,
der Extremitätenanlage bildete, zum Schluß mit seinen Derivaten nur
noch am vorderen Rand der Gliedmaße und am schwächsten von allen
anderen beteiligten Segmenten vertreten ist.
Zahlreicher sind bereits Beobachtungen über die ontogenetischen
Verschiebungen von Skelett anlagen. Am frühesten wurden die-
selben am Becken konstatiert. Da letzteres bei Tetrapoden mit der
Wirbelsäule verbunden ist, so besitzen wir hier gleichsam eine Skala
in der metameren Gliederung des Achsenskelettes, welche die Ver-
schiebung von Wirbel zu Wirbel abzulesen gestattet. E. Rosenberg
(1875, p. 32) hat beim menschlichen Sacrum in der Ontogenie eine
successive Aufnahme von lumbalen Wirbeln (mit kostalen Anhängen)
am kranialen Ende und eine entsprechende Abgabe von Sakralwirbeln
an das Os coccygis gradatim verfolgt. In der Umgestaltung dieses
Teiles der Wirbelsäule liegt, da das Becken an ihm befestigt ist, die
kranial war ts gerichtete Verschiebung der hinteren Extremität zu
Tage 1).
Beim Schultergürtel des Menschen ist ebenfalls neuerdings eine
ontogenetische Verschiebung nachgewiesen worden (Lewis 1902, p. 182).
Die Anlage der Scapula reicht anfangs (4Y2 Wochen alte Embryonen)
vom 4. Cervicalwirbel bis 1. Brustwirbel, wird aber später (am An-
fang der 6. Woche) so angetroffen, daß die größere Partie der Sca-
pula am Anfang der 1. Rippe liegt, und der hintere Winkel sich bis
zur 5. Rippe ausdehnt. Noch spätere Lageveränderungen sind wegen
der dann eintretenden Senkung der Rippen nicht mehr rein bestimmbar.
Mit der Verschiebung des Schultergürtels kaudalwärts ändert sich
die Lage des Plexus brachialis. Anfangs sind die Nerven senkrecht zur
Richtung der Wirbelsäule gestellt. Erst später bildet sich der spitze
Winkel aus, welchen die Nerven bekanntlich auch beim Erwachsenen
mit der Körperlängsachse bilden.
Aehnliche Befunde bei Amphibien liegen in den Beobachtungen von
Jordan (1888) vor 2).
1) Der ancestrale Typus der Befestigung des Beckens um einen Wirbel weiter
kaudalwärts als gewöhnlich (d. h. das Bestehen von 6 Lendenwirbeln) erhält sich in
seltenen Fällen beim Erwachsenen. — Von vielen Autoren (Paterson 1891, Eisler
1895, BoLK 1899, Lubsen 1903) wird aus der Nerven Versorgung der Extremität bei
liöheren Säugern (auch bei Homo) geschlossen, daß die Hintergliedraaße kaudal-
wärts gewandert sei. Bardeen and Lewis (1901) sahen beim menschlichen Em-
bryo die früheste Anlage, die Extremitätenknospe, in verschiedenen Stadien in ver-
schiedener Position und zwar bei älteren weiter kaudalwärts verschoben als bei
jüngeren. Es scheint mir also, daß der von E. Rosenberg und G. Rüge konsta-
tierten kranialwärts gerichteten Verschiebung eine kaudalwärts verlaufende vorausging
und an diesen Anzeichen noch erkennbar ist. (Aufeinanderfolgende, entgegengesetzt
gerichtete Verschiebungen kommen bereits bei Fischen vor. Es heben sich also nicht
Anzeichen entgegengesetzt verlaufender Bewegungen auf, und E. Rosenberg's Be-
funde sind nicht widerlegt durch die Beobachtungen der oben genannten Autoren).
2) Credner beschreibt eine Reihe fossiler Stegocephalen derselben Art, aber
verschiedener Größe, und glaubt aus ihnen eine ontogenetische Entwickelungs-
reihe dieser Fossilien rekonstruieren zu können, nach welcher das Becken um 6 — 7
Segmente kaudalwärts rückte. — An die relativ spärlichen ontogenetischen Erfah-
rungen über die Verschiebungen von tetrapoden Gliedmaßen reihen sich zahlreiche
an fertigen Formen aus allen Klassen der Tetrapoden gewonnene Erfahrungen an,
welche die mannigfachen Positionen der Extremitäten überall durch üebergänge bei
verwandten Tieren verknüpft zeigen. Vor allem ist auch hier die seriale Befestigung
des Beckens und Stellung des Sacrum als im Flusse befindlich erwiesen (v. Ihering
1878, M. Fürbringer 1879, Baur 1897, Adolphi 1898, Cole 1901), aber auch eine
Verschiebung des Schultergürtels erschlossen worden. Seriale Veränderungen des
Plexus brachialis wurden auch ontogeaetisch als successive Stadien eines Verschie-
bungsprozesses erwiesen (Fürbringer 1879).
Entw. d. rorm d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts. 247
Die ontogenetische, in Einzelfällen erwiesene Thatsache des Orts-
wechsels beider Extremitäten znsanimen mit den vergleichend-anato-
mischen Befunden von Relikten solcher Verschiebungen in der Orga-
nisation der fertigen P'orm bei allen Tetrapoden lehren auch hier, wie
bei Fischen, die Fähigkeit zur Wanderung als all gemeines Me rk-
m a 1 d e r G 1 i e d m a ß e n kennen. Es darf daraus geschlossen werden,
daß die verschiedenen serialen Stellungen der Extremitäten durch
diese entstanden sind, wenn wir auch im einzelnen noch nicht immer
den zurückgelegten Weg verfolgen können.
Achs en dreh un gen. Bei Tetrapoden sind in ganz besonderem
Maße nachträgliche Drehungen der Extremitätenanlagen zu beobachten,
welche aus der allen Vertebraten einheitlichen Ausgangsstellung Hux-
ley's allmählich ein kompliziert angeordnetes Hebelsystem hervor-
gehen lassen, wie es die höheren Amnioteu in ihren Gliedmaßen be-
sitzen.
Es sind zu unterscheiden:
1) Drehungen der ganzen Extremität zur Körperachse (dorsal-, ventral-,
kranial- oder kaudalwärts). Diese Bewegungen können sich mit
oder ohne Beteiligung des Extremitätengürtels abspielen.
2) Drehungen innerhalb der freien Gliedmaße selbst:
a)in den Gelenken und zwar entweder durch specialistische Aus-
bildung derselben, so daß eine bestimmte Stellung und Be-
wegungsform durch deren Konfiguration erzielt wird (z. B. Knie-
und Ellenbogengelenk) oder durch allmähliche Umlagerung der
am Gelenk beteiligten Knochen (z. B. Pronationsstellung von
Radius und Ulna) ;
b) z w i s c h e n den Gelenken durch Torsionen der Skelettstücke und
angelagerten W^eichteile um die Längsachse des Gliedmaßenab-
schuittes.
Ich beginne die specielle Darstellung i) mit der vorderen Ex-
tremität. Im frühesten Stadium ist die Anlage bei allen Tetra-
poden so orientiert, daß der spätere radiale Rand kranialwärts, der
spätere ulnare Rand kaudalwärts liegt. Es geht dies beim Hervor-
treten der Nerven daraus hervor, daß die den radialen Rand der Ex-
tremität versorgenden Stämme (welche im Rückenmark mehr kranial-
wärts als die übrigen Extremitätennerven entspringen) in den vor-
deren (kranialen) Rand der Anlage vorwachseu, die den ulnaren
Rand versorgenden Plexusbestandteile (welche im Rückenmark
mehr kaudalwärts entspringen) an dem hinteren (kau dalen) Rand
derselben erscheinen. Mit Huxley (187(3) bezeichne ich deshalb den
vorderen (radialen) Rand als präaxiale, den hinteren (ulnaren)
1) Die successive aufeinander folgenden wichtigsten Stelluugsänderungen in der
Ontogenie verlaufen meist sehr rasch in den frühen Anfängen der Skelettentwicke-
lung. Dieselben bedürfen einer viel ausgiebigeren Erforschung und namenthch einer
anschaulicheren Darstellung als wir sie bisher in der Litteratur besitzen. Es liegt
hier ein ergiebiges Feld für Eekonstruktionen in plastischer Form vor. Die spär-
lichen auf den Menschen beschränkten, aber ergebnisreichen Erstlingsversuche auf
diesem Gebiet (Hagen 1900, Baedeen and Lewis 1901, Lewis 1902) ermuntern
hoffentlich recht bald andere Forscher zu planmäßig angestellten Untersuchungen
ähnlicher Art bei allen Wirbeltierklassen. — Die von mir in Fig. 221 und 222 gege-
benen Abbildungen sind nach Modellen angefertigt worden, die ich zum Teil nach
den besten zur Zeit vorliegenden Zeichnungen und nach den Objekten selbst als Vor-
lage frei formte, zum Teil Reproduktionen nach den Modellen der genannten ameri-
kanischen Forscher.
248
jH. Braus,
als postaxiale Seite der Extremität (s. p. 213). Diese Bezeichnimgs-
weise bietet für die folgende Darstellung den Vorteil, daß sie bei allen
Stellungsänderungen der Extremitätenanlagen beibehalten werden kann,
während Bezeichnungen wie kranial, kaudal etc. natürlich nach der
jeweiligen Lage umgeformt werden müssen.
Anfänglich schaut die Spitze der Extremität kaudalwärts und bei
Amphibien und Sauropsiden ein wenig dorsalwärts (Fig. 221a). Gleich-
zeitig erhebt sich die Extremitätenplatte ein wenig dorsalwärts. Ver-
folgen wir zunächst die weiteren Umwandlungen der Stellung bei
Lacerta^). Während bis dahin der prä- und jtostaxiale Rand noch
Fig. 221a— c. Rechte vordere Extremität von Lacerta in drei Stadien der
Drehung.
ungefähr in einer Horizontalebene lag, tritt im folgendem Sta-
dium (Fig. 221b) eine Drehung ein, welche den präaxialen Rand ven-
tralwärts, den postaxialen Rand dorsalwärts führt. Die ehemals dor-
sale Fläche der Extremitätenplatte ist nun kranialwärts. die ehemals
ventrale Fläche kaudalwärts gewendet. Im folgenden Stadium (Fig. 221c)
kommt noch die Beugung in der Ellenbogengegend dazu. Es liegen
prä- und postaxialer Rand jetzt nicht mehr übereinander (ventral
und dorsal), sondern hintereinander (kranial und kaudal). Die Volar-
fläche der Hand des Tieres schaut nunmehr nach dessen Bauchwand hin.
Da mit der Drehung der Extremität im Stadium b eine Torsion der
Weichteile verbunden ist (durch die spiralige, punktierte Linie ange-
deutet, welche den Verlauf der dorsalen Nerven schematisch wiedergiebt),
so liegt hier vermutlich eine Torsion des ganzen Extremitäten-
stieles vor. Am Skelett ist dieselbe in diesen Stadien nicht zu er-
kennen, da dasselbe erst in der frühen Anlage begriffen ist.
Die Ellenbeuge in Stadium c ist wesentlich eine Biegung an der
Stelle des hier später entstehenden Gelenkes, welches sich dann so spe-
cialisiert, daß die Oeffnung des Gelenkwinkels auf der ursprünglich ven-
1) In der Darstellung der thatsächlichen Vorgänge in der Entwickelung von
Lacerta folge ich hauptsächlich Mollier (1895) und Peter (1902). Beim Menschen
verwerte ich außer den Angaben von Henke und Reyher (1876), Kölliker (A. L.
II, 1879), HoLL (1891) und Hultkrantz (1897) hauptsächlich die Rekonstruktionen von
Bardeen and Lewis (1901) und Lewis (1902) (vergl. auch p. 247, Anm. 1). Da an diesen
beiden Objekten die wesenthchen Veränderungen der Stellung hei niederen und höheren
Amnioten zu verfolgen sind, beschränke ich mich auf die Schilderung derselben.
Entw. d. Form d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts. 249
tralen Extremitätenfläche liegt. Es kommt aber zu dieser Biegung noch eine
Stellungsänderung des Unterarms gegen den Oberann hinzu; denn
bei einer gewöhnlichen Knickung des in Fig. 221b abgebildeten Stieles
würde ja die Stellung der Handfläche und des prä- und postaxialen
Randes unverändert bestehen bleiben müssen. Das ist nicht der Fall
(Fig. 221c). Die Ursache der an der Ellenbogenbeuge zu Tage tretenden
Stellungsänderung liegt hier, wie auch bei menschlichen Embryonen (bei
welchen der Vorgang unten genau geschildert ist) daran, daß die Anlage
des Radius mit ihrem proximalen Ende (Radiusköpfchen) nicht ventral
von derjenigen der Ulna stehen bleibt (wie dies in Fig. 221b der Fall
sein müßte, falls dort schon Skelettanlagen beständen), sondern daß das
Radiusköpfchen sich kranial stellt, das proximale Ende der Ulna dagegen
kaudalwärts davon gefunden wird. Ich nenne dies eine zirkumduktorische
Bewegung ^ ).
In der Entwickelung des Menschen entsteht die Extremitätenan-
lage gleich so, daß die dorsale Fläche allein frei ist und lateralwärts
c b
Fig. 222. Rechte vordere Extremität menschlicher Embryonen in drei verschie-
denen Stadien, a äußere Form, h mit teilweLser Entblößung des Skelettes, c Skelett.
1) Bei Amphibien und Sauropsiden bilden sich in verschiedenem, bei den
höher entwickelten Formen (besonders bei den meisten karinaten Vögeln) in immer
mehr vervollkommnetem Maß besondere Einrichtungen der Trochlea ulnaris et
radialis humeri heraus, welche eine Längsverschiebung des Radius gegen die
Ulna und gegenseitige Annäherung beider Skeletteile ermöglichen. Die Tiere können
durch diesen Mechanismus rein automatisch Bewegungen im Ellenbogengelenk auf
das Handgelenk übertragen. Ich habe dieser eigenartigen Komijlikation wegen im
Text nur die Frühstadien von Lacerta benutzt und wende nn'ch wegen der höheren
Entwickelung direkt zum Menschen, bei welchem nichts Analoges zur Anlage kommt.
250 H. Braus,
schaut, während die ventrale Fläche der Baiichwand zugewendet ist
(Fig. 222a). Es ist hier die Torsion, welche bei Lacerta sich erst suc-
cessive entwickelt (Fig. 221b und c), von vornherein schon größtenteils
vollzogen. Denn sobald Nerven auftauchen, besitzen sie die spiralige
Krümmung, welche den vollzogenen Vorgang verrät (Fig. 222b, Nervus
radialis.)
Gegenbaur (1864) fand durch Winkelmessungen an den Humeri
einer kontinuierlichen Reihe menschlicher Föten, daß eine successive Ver-
schiebung der Knochencristae nach Art einer Torsion stattfindet, welche
in gleichem Sinne wie die soeben beschriebene Torsion der Weichteile
verläuft^). Die Differenz des Torsionswinkels zwischen Embryonen aus
der 16. und solchen aus der 33. Schwangerschaftswoche beziffert sich
nach Geoenbaur auf durchschnittlich 30 ^. Le Damany (1903) bestätigt dies
durch zahlreiche Messungen an menschlichen Embryonen vom 3. Monat
ab. Da aber die Weichteile schon längst in der Entwickelung die spiralige
Lage besitzen, ehe sich die hier konstatierte Torsion abspielt, so kann die
letztere höchstens als Endphase des ganz früh einsetzenden Prozesses an-
gesehen werden. Wahrscheinlicher ist es mir, daß ihr keine Torsion des
ganzen Skelettteils zu Gnmde liegt, sondern daß es sich bloß um eine
Verschiebung des oberflächlichen Reliefs des Humerus als Folge der
Muskelwirkung handelt und daß also die Torsion nur indirekt (in der
Wirkung der Muskeln, deren Lage durch sie beherrscht ist) eine Rolle
spielt.
Außerdem tritt beim Menschen sehr früh die circumduktorische
Bewegung des Radiusköpfchens an der Elleubeuge auf. Denn gleich-
zeitig mit der ventralwärts gerichteten Einknickuug an der Stelle des
späteren Ellenbogengelenkes beginnt das proximale Ende des Radius
sich so zu verschieben, daß der präaxiale Rand nicht mehr rein
kranialwärts sieht (wie etwa noch bei Lacerta, Stadium c, Fig. 221),
sondern daß er schräg lateral von dem postaxialen Rand (Ulna)
sich befindet (Fig. 222b). In späteren Stadien (Fig. 222c) ist dies soweit
fortgeschritten, daß das Radiusköpfchen schon fast rein lateral neben
dem proximalen Ende der Ulna liegt. Im fertigen Zustand ist ja die
Lage von Ulna und Radius am Ellenbogen eine rein medio-laterale.
In kurzen Zügen kann man also für die Gesamtentwickelung der
vorderen Extremität folgende mehr oder weniger ineinander greifende
Stellungsphasen bis zu der bisher besprochenen Ausbildung der
Drehung unterscheiden :
1) primäre Pr onation s stell ung des Unterarms und der
Hand infolge von Torsion des Extremitätenstieles ;
2) Knickung in der Ellenbeuge nach der ursprünglich ventralen
Seite hin ;
3) sekundäre Prouationsstellung des Unterarms infolge
von Ueberkreuzung der Unterarmknochen durch ventro-laterale Cir-
cumduktion des Radiusköpfchens um das proximale Ende der Ulna.
Bei Primaten schließt sich als Endglied der langen Reihe von
Drehungen eine Supinationsbewegung der gekreuzten Vorderarm-
knochen an die sekundäre Pronationsstelluug an, welche den prä-
axialen Rand von Unterarm und Hand vollends lateral, den post-
1) Gegenbaur trat daraufhin der bei Maclise (1840) bereits andeutungs-
weise erwähnten, von Martins (1857) vergleichend-anatomisch ausgebauten Torsions-
hypothese bei.
Entw. d. Form d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts, 251
axialen medial verlagert. Es liegen dann Radius und Ulna wieder
parallel. Doch ist diese Stellung gegenüber der ursprünglichen
Parallellagerung beider eine hoch differenzierte ^).
Bei den Hinterglied maßen der Tetrapoden treten Circum-
duktionen wie bei der sekundären Pronationsstellung der vorderen
Extremität nicht auf. Unterschenkel und Fuß stehen in primärer
Pronation. Der Oberschenkel ist jedoch nicht torquiert, da er auch mit
seinem proximalen Ende dieselbe Drehung vollzieht, welche am
Humerus nur das distale Ende ausführt. Während sich der
Humerus kaudalwärts dem Rumpf anlegt, ist umgekehrt das Femur
kranialwärts demselben angeschmiegt. Es kommen darin die ver-
schiedenen Aufgaben der beiden Gliedmaßen (vordere Extremität
zum Ziehen, hintere Extremität zum Schieben) zum Ausdruck ^j.
Alle Verschiedenheiten der Endstellung bei der vorderen und hinteren
Extremität sind also um so ausgeprägter, je mehr man sich dem
proximalen Ende der Gliedmaßen nähert; am distalen Ende
(Hand und Fuß) besteht völlige Uebereinstimmung bis auf die erst
ganz sekundär zu stände kommende Supination der Hand der Pri-
maten, welche sich natürlich am Fuß nicht ausbilden kann.
Die mechanischen Ursachen der geschilderten Drehungen erblicke
ich im wesentlichen in den von Cuenod 1888 und Mollier 1895 gege-
benen Darlegungen. Von den zum Schwimmen bestimmten Platten der
Fische erhalten sich die Teile, welche zum Aufstützen auf dem Boden
dienen (Palma und Planta) in gleicher Stellung (auch schon nach
KöLLiKER 1879 (A. L. II) und besonders Hatschek 1889, III 5,
p. 234). Die Verschiedenheiten, welche sich am sekundär sich ver-
längei'nden Extremitätenstiel ausbilden, beruhen auf der Inanspruchnahme
der Skelettteile bei der Adduktion an den Körper, welche die Fort-
bewegung auf dem Trockenen erfordert. Es läßt sich dabei die Cir-
kumduktion der Unterarmknochen aus dem Ineinandergreifen der Ad-
duktion der Extremität an den Rumpf und der primären Pronations-
stellung mechanisch ableiten ^).
1) HoLL 1891 erschließt aus den Verhältnissen des Plexus brachialis beim
Menschen (Torquierung der Nerven) eine postembryonale Drehung der Scapula.
Nach den Rekonstruktionen von Lewis 1902 scheint mir schon embryonal eine
solche einzusetzen.
2; Nach der Geburt tritt beim Menschen nach Holl 1891 noch eine stärkere
Drehung des Oberschenkels im Hüftgelenk hinzu, welche die ursprüngliche Dorsal-
fläche ganz nach vorn (kranialwärts) bringt und sich in Torquierung der Bänder
des Hüftgelenkes äußert. — Le Damany 1903 beschreibt bei menschlichen Embry-
onen eine Torsion des Femurkopfes, welche vor der Geburt rückläufig wird, aber
nicht ganz in die Ausgangsstellung zurückführt. — Ueber die Entwickelung des Nei-
gungswinkels beim menschlichen Becken berichten Petersen 1893, F. Merkel 1894.
3) Die Litteratur über die Drehungen der Ghedmaßeu ist eine außerordent-
lich große und die Divergenz der Meinungen beträchtlich. Da die Argumente meist
nicht der Ontogenie entnommen sind, fehlt hier der Raum für eine Aufzählung
derselben (neuere kritische Litteraturberichte findet man bei Holl 1891, Eisler
1898, L. Stieda 1898). Die primäre Pronationsstellung beider Extremitäten ist
schon bei Fischen manchmal vorhanden und speciell diejenige der Hinterflossen des
Ceratodus von Hatschek 1889 zuerst mit der Stellung der Extremitäten bei Tetra-
Soden homologisiert worden. Hatschek sprach sich nicht näher über den Sitz
ieser Bewegung aus (während Semon 1898 [III '', p. 195] dieselbe bei Ceratodus
im zweiten Gelenk, d. h. also im Kniegelenk lokalisiert), dachte aber wohl an eine
Torsion im Estremitätenstiel (1. c. p. 88 Anm.) Für mich spricht die Torsion der
Weichleile an der vorderen Extremität der Tetrapoden, namentlich der spiralige
Verlauf des Nervus radialis während des Voi-knorpelstadiums des Skelettes (be-
sonders in den Rekonstruktionen von Lewis 1902) entschieden für die letztere An-
252 H. Braus,
3. Die Entwickelung des Extremitätenskelettes.
a) Zoiioskelett.
a) E n t w i c k e 1 u n g des S c h u 1 1 e r g ü r t e 1 s. Da maimigfache
Schwierigkeiten in der Auffassung der Entwickelungsprozesse beim
Sclmltergürtel bestehen, welche namentlich auch die anzuwendende
Nomenklatur beeintiusseu, wird es zunächst notwendig sein, vom ent-
wickelungsgeschichtlichen Standpunkt aus möglichst klare Präcisionen
aufzustellen, um nicht mit der Benennung von vornherein Hypothesen
zu verquicken. Die hauptsächlichsten Meinungsverschiedenheiten der
Autoren betreffen die Histiogenese und die Lokalisation der
einzelnen Skelettteile.
Das histiogene tische Problem besteht darin, daß ergründet
werden soll, ob alle Teile des Schultergürtels eine gleichartige
Anlage haben oder ob sich Elemente aus ungleichartigen
Quellen im Zonoskelett kombinieren. Die Vertreter beider Ansichten
stimmen darin überein, daß es vorknorpelige und knorpelige Anlagen
giebt, welche in Ersatzknochen ^) en- oder perichondraler Art
umgebildet werden. Als solche stehen außer Frage: das Cora-
00 id und die Scapula. Die für die Gleichartigkeit der histio-
genetischen Prozesse eintretenden Autoren (Götte u. a.) geben nur
diese Art der Osteogenese zu. Die Ansicht dagegen, welche eine
Ungleich artigkeit derselben behauptet (Gegenbaur u. a.), sieht
in manchen Skelettteilen keine Ersatzknochen , sondern solche Ele-
mente, welche unabhängig vom Vorknorpel- und Knorpelskelett im
Mesoderm als Beleg knocken entstehen. Das Problem ist also
wesentlich ein osteogenetisches. Als Belegknochen kommen in
schauung. Die Aehnlichkeit meiner Ansicht mit der Torsionshypothese von Mar-
tins ist dabei nur eine oberflächliche (s. p. 250, Aum. 1). — Hatschek leitete nun
aus der primären Pronationsstellung die Position der vorderen Gliedmaße durch
eine auf jene folgende entgegengesetzte Drehung des Ellenbogengelenkes nach
hinten ab. Bei der hinteren Gliedraaße aber nahm er eine gleichsinnige Drehung
nach vorn an. Beim Arm kommt nach ihm durch die Gegensätzlichkeit der Prozesse
die Ueberkreuzung von Radius und Ulna zu stände. Ich folge Hatschek in dieser
Auffassung; während aber jener hier die Drehbewegungen in die Gelenke verlegt
(Schulter- und Hüftgelenksrotationen), scheint mir diese Annahme nicht zutreffend,
da durch einen soicnen Supinationsvorgang am Oberarm alle durch die primäre
Pronationsstellung hervorgerufeneu Torsionserscheinungen wieder rückläufig werden
müßten. Dagegen spricht die Entwickelung. Auch sieht man in letzterer deutlich
die Circumductio des Eadius um die Ulna. Eine ähnliche Bewegung, aber mit er-
hebhcher Divergenz der Gesamtauffassung der Gliedmaßenstellung, postulierte bereits
auf Grund vergleichend-anatomischer Argumente Albrecht 1875. Da bei der hin-
teren Extremität die Circumductio nicht auftritt, unterbleibt bei ihr die Gegen-
drehung zwischen dem proximalen und distalen Extremitätenabschnitt.
Die Ausgangsstellung der Gliedmaßen, welche Huxley 1876 zuerst nachwies,
kann als primäre Supinationsstellun g bezeichnet werden. Indem später viel-
fach die sekundäre Supin ationsstellung der Primaten, sjJecieU des Menschen,
mit jener primitiven Ausgangsstellung irrtümlich identifiziert und die primäre und
sekundäre Pronatious Stellung übersehen wurden, entstanden mannigfache
Verwechselungen. Ontogenie und vergleichende Anatomie erweisen jedoch gleich
deutlich die Supination des Unterarms beim Menschen als End Stadium eines langen,
verwickelten Ausbildungsprozesses.
Den wesentlich auf die Annahme von Flexionen in entgegengesetzter Richtung
sich beschränkenden Erklärungsversuchen (z. B. Stieda u. a.) und allen Hypothesen,
welche die Großzehe und den 5. Finger (anstatt Pollex und Hallux) homo-
dynamisieren (Antitropie, B. Wilder, Eisler u. a.) kann ich nicht beistimmen (vergl.
dazu C. Rabl 1903).
1) Ich folge der von Gaupp 1001, p. !)28 vorgeschlagenen Benennung.
Entw. d. Form d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts. 253
Frage die C 1 a v i c u 1 a und das E p i s t e r ii u m. Diese werden also von
GÖTTE wie alle anderen Schnltergürtelbestandteile zu denErsatzknoclien
gerechnet.
Betrachten wir beispielsweise die frühe Schnltergürtelanlage einer
Amphibienlarve (Fig. 223), so erkennen wir eine einheitliche Platte,
welche doi-sal von der Schultergelenkgrube (O) in einen Fortsatz,
ventral in zwei Fortsätze ausläuft. Während der ventro-kaudale all-
gemein als Coracoid (Co) und der dorsale als Scapula (S) bezeichnet
werden, ist der ventro-kraniale je nach den über seine späteren Schick-
sale bestehenden Hypothesen verschieden benannt worden. Götte
glaubt, daß aus ihm hier und bei höheren Vertebraten als Ersatz-
k u 0 c h e u die Clavicula (und das Episternum) hervorgingen und be-
zeichnet ihn deshalb als Clavicula. Gegenbaur faßt Clavi-
cula und Episternum als Belegknochen auf, die sich anfänglich
in der Umgegend des ventro-kranialen Fortsatzes
(Pr) bilden und höchstens sekundär mit ihm ver- ■■'""'^\
schmelzen ; er bezeichnet deshalb den Fortsatz Pr { \ g
zum Unterschied von diesen als P r o c o r a c o i d.
Bezüglich der Entstehung des Fortsatzes Pr selbst
besteht also gar keine Meinungsverschiedenheit;
dieselbe betrifft lediglich die Osteogenese und die ^"
an diese gebundene Nomenklatur. Vlf^ L Pr
Fig. 'J23. Schultergürtelanlage von Rana. Nach Götte.
Der punktierte Kontur der Scapula ist frei ergänzt.
Co-\
Da nun aber so übersichtliche Verhältnisse wie hier bei Am-
phibien unter den höheren Tetrapoden meistens nicht vorkommen, so
erhebt sich die weitere Frage, ob dieselben Teile des in Fig. 223 dar-
gestellten primären Schultergürtels, speziell der Fortsatz Pr, vor-
handen und wo sie zu suchen seien. Es ist das ein topographi-
sches Problem. Indem dasselbe meistens mit dem histiogenetischen
verquickt wurde ^), ergaben sich je nach der Auffassung die ver-
schiedensten Benennungen oft für dasselbe Skelettstück.
Ich werde deshalb den Ausdruck „Procoracoid" rein topo-
graphisch gebrauchen und damit den ventro-kranialen Fortsatz der
primären Knorpelanlage (Fig. 233, P?-) bezeichnen, unbeschadet der
osteogenetischen Frage, ob fernerhin die Clavicula auf und in ihm
als Ersatzknochen oder neben ihm als Belegknochen entsteht. Eine
knorpelige Clavicula giebt es nach dieser Bezeichnungsweise
nicht-^) (im Sinne Götte's würde vielmehr der Procoracoidknorpel als
Grundlage der Clavicula zu bezeichnen sein).
1) Die Verquickung beider Probleme ist wesentlich dadurch bedingt worden, daß
nach Götte's Ansicht die Anlage des Fortsatzes Pr und diejenige der Clavicula
identisch sein müssen, da ja letztere in ersterem entstehen soll. Ein Auftreten des
Fortsatzes Pr und der Clavicula an getrennten Oertlichkeiten, was nach Gegen-
baitr's Hypothese möglich wäre, ist nach Götte ausgeschlossen. So wurde die Topo-
graphie als Kriterium der Histiogenese verwertet.
2) Ich betone ausdrücklich,' daß durch diese Anwendung des Wortes „Pro-
coracoid" keine Stellung zu den beiden Problemen (topographisches und osteo-
genetisches Problem) bezeichnet ist. Ich würde der größeren Klarheit wegen
sogar vorschlagen, den Namen Clavicula nur dem fertigen Skelettteil zu be-
lassen , onto genetisch dagegen ein knorpeliges Procoracoid und
knöchernes Cleidium als Bausteine der Clavicula zu unterscheiden, wenn
nicht diese Aenderung bei der althergebrachten Anwendung des Wortes Clavicula
254
H. Braus,
Ich behandle im
anlagen
folgenden zinu
die Genese der Fiüh-
des Schultergülteis und seiner Teile (topographisches
Problem) und in einem folgenden Kapitel die V e r k n ö c h e r u n g
des Schultergürtels (osteogenetisches Problem).
Primäre Anlage des S c h u 1 1 e r g ü r t e 1 s und seiner
Teile (Vorknorpel und Knorpel). Bei allen Tetrapoden legt
sich der Schultergürtel als ein einheitliches verdichtetes Blastem
in dem Mesenchym der Bauchwand an und zwar an der Stelle, wo
letzterer die Wurzel der freien Extremitäteuaulage aufsitzt. Die
erste Anlage steht in kontinuierlicher V e r b i n d u n g mit der
Skelettanlage in der freien Gliedmaße. Die Einheitlichkeit bleibt im
ganzen Vorknorpelstadium bestehen.
Bei Amnioten^) beginnt sich die Mesenchymverdickung in der
glenoidalen Partie des späteren Gürtels auszubilden und faßt dabei
die proximale Partie des späteren Humerus gleich in sich. Da es
schwierig ist, in so frühen Stadien genau
zu lokalisieren, so ist der Einschluß von
Nerven und Gefäßen in die früheste Anlage
von Wichtigkeit (Fig. 224). Derselbe ist für
den S c h u 1 1 e r g ü r t e 1 an der betreffenden
Stelle charakteristisch.
dm
Fio- 224
vm
Extremitätenanlage von Lacerta muralis
(60 Somiten). Nach Mollier. Ske Skelettanlage.
A Arterie, vsj) ventraler Sproß eines Somiten. dm
dorsale, i^m ventrale Extremitätenmuskulatur, n Nerv.
Für Amphibien giebt es verschiedene Angaben. Nach Götte
187.5 (A. L. III') sproßt das Skelett der freien Extremität aus der
Schultergürtelanlage hervor , letztere wäre also zeitlich früher vor-
handen. Strassbr (1879) findet im jüngsten Stadium von Triton die
Gürtelanlage und den Beginn des Humerus nebeneinander vorhanden.
WaEDERSHEiM endlich (1 890 [A. L. III ', 1892]) sagt, daß bei Proteus und
Triton sich die Verdichtung für den Humerus etwas früher als diejenige
im Schultergürtelbereich bilde.
Bei der Verknorpeln ng wiederholt sich bei Amnioten dieselbe
Reihenfolge (Köi.liker 1879 [A. L. II], Mollier 1895). Bei Amphibien
bestehen Differenzen in den Angaben 2)^ doch scheint bei ihnen meistens
der Humerus dem Schultergürtel in der Chondrifikation voranzugehen.
eine so eingreifende wäre. Es wäre das Problem bei dieser Bezeichnungsweise so zu
formulieren, daß festzustellen sei, ob das Cleidium sich als ein Ersatz- oder Beleg-
knochen des Procoracoid bilde und ferner, wo das Procoracoid und wo das Cleidium
in der Ontogenese entstehe. Verwechselungen durch die Verwendung desselben
Namens für Dinge, von denen es nicht sicher steht, ob sie dasselbe oder ver-
schiedenes sind (Procoracoid und Clavicula nach der üblichen Benennung), wären
bei dieser Nomenklatur unmöglich. Bei der Genese des Skelettteiles beispielsweise,
den wir im fertigen Zustand Mandibula nennen, unterscheiden wir ja auch nach
der üblichen Auffassung den MECKEL'sehen Knorpel imd das knöcherne Dentale.
1) Ich folge hier den Angaben von Mollier 1895 für Reptilien (Lacerta) und
von Bardeen and Lewis 1902 für Säuger (Homo).
2) Bei Amphibien giebt für Triton in einzelnen Fällen Wjedersheim (1892,
p. 190), gleichzeitiges Auftreten von Knorpel in Schultergürtel und Humerus
an. In den meisten Fällen bei Urodelen imd stets bei Auuren geht nach ihm der
Humerus voran. Lignitz 1897 sah dasselbe beim Frosch und finde ich bei Bom-
binator. — WiEDERSHEiM (1. c.) giebt für Krokodile an, daß zuerst Humerus und
An tebrächiu m , dann erst die Scapula verknoriiele.
Entw. d. Form d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts. 255
Aus dem einlieitlicheu Vorknorpel wachsen Fortsätze innerhalb
der Bauchwand dorsal- und ventralwärts aus. So bildet sich die
Gürtelform der Anlage allmählich von der glenoidalen Partie aus
(Fig. 225). Es entsteht bei Amnioten der Coracoidfortsatz eher etwas
früher als der Scapularfortsatz, der Pro-
coracoidfortsatz jedenfalls, soweit ein solcher *"'
bekannt ist, später als die beiden anderen.
Bei anuren Anii)hibien ^) entwickelt
sich jedoch der Scapularteil früher als die
übrigen (Jordan 1888, AViedersheim 1892,
LiGNiTZ 1897). Erst nach Rückbildung des
anfangs aufgeblähten Darmes bei der Larve 1 N^ivJ^^^^" ~ ' #- -s^e
Fig. 225. Extremitätenanlage von Lacerta mu-
ralis, etwas älter als in Fig. 224. Bezeichnung wie
dort. Nach Mollier.
V m.
wächst der ventrale Teil der Schultergürtelanlage aus. Es ist zu be-
denken, daß eine frühere Anlage (in der geblähten Bauchwand) eine
nachträgliche Verkürzung des Skelettes im Gefolge haben müßte. Die
Anlage erfolgt dagegen, sowie die Bauchwand in eine den späteren
Zuständen ausganggebende Entwickelungsphase getreten ist.
Innerhalb des Schultergürtels erfolgt meistens die Verkorpelung i n
einem Guß. Jedoch bildet sich in diesem Stadium keine Kontinuität
mit der knorpeligen Humerusanlage aus. Es bleibt vielmehr anfänglich
eine Vorknorpelzone an der Stelle des späteren Schultergelenkes be-
stehen, welche sich nachträglich in das Gelenk (Kapsel und Höhle)
umwandelt. Der Knorpel des Schulterbogens selbst entsteht in der-
selben Reihenfolge wie der Vorknorpel -■).
Die einzelnen Fortsätze der Schultergürtelanlage differen-
zieren sich in mannigfach variierender Weise. Scapula und Coracoid
verhalten sich am konstantesten. Das Procoracoid kann jedoch so
starke Differenzen seines Auftretens zeigen, daß an der Stelle eines
regulär vorknorpelig und später knorpelig sich entwickelnden Skelett-
teiles nur eine mesenchymatische Verdichtung beobachtet wird, welche
von den einen Autoren als Rudiment eines Procoracoides, von den
anderen als eine nur angelagerte, rein bindegewebige Bildung be-
trachtet wird. Oder aber es fehlt jede Spur eines Procoracoidfort-
satzes.
Amphibien. Hier liegen in den Frühstadien der Skelettent-
wickelung die Verhältnisse sehr übersichtlich. Bei Triton (Götte 1877)
ist das Procoracoid noch ein kurzer Fortsatz in einem Stadium, in
welchem das Coracoid schon eine beträchtliche Länge erreicht hat.
Es entspringt an der glenoidalen Partie des Schultergürtels, speciell
von der Basis des Scapularfortsatzes. und schiebt sich mit fort-
schreitendem Wachstum allmählich ventralwärts neben dem kranialen
1) WiEDERSHElM 1892 glaubt, daß allgemein bei Wirbeltieren die Scapula
vorangehe. Doch trifft dies, wie er übrigens für die Chelonier selbst angiebt,
nicht zu.
2) Bei Amnioten verknorpelt zuerst das Coracoid, dann die Scapula, endlich, wo
vorhanden, das Procoracoid. Bei Amphibien geht die Scapula voran, dann folgt das
Coracoid, schließlich auch hier das Procoracoid als letztes. — Wiedersheim (1892)
giebt für Amphibien an, daß diskontinuierliche Knorpelcentren im vorknorpeligen
Schulterbogen auftreten. Ich finde dasselbe bei Bombinator (je einen Knorpelkern
für Scapula, Coracoid und Procoracoid).
25G
H. Braus,
Rand des Coracoides herunter. Es entstellt so ein Bild ähnlich dem,
wie es p. 253, Fig. 223 für Rana gegeben ist. Bei den meisten
Urodelen^) ist damit die Entwickelung der Form abgeschlossen.
Nach vollzogener Verknorpeliing bilden Procoracoid und Coracoid zwei
distal (ventral) völlig getrennte Spangen. Die Incisur zwischen ihnen
ist jedoch von einer Membran verschlossen (Membrana obturatoria).
Bei Auuren [Götte 1877, p. 571 -)j schließt sich regelmäßig an
das vorknorpelige Zangenstadium zuni
ohne wesentliche Formveränderung an
längern sich die frei endenden Spangen
coracoides ; dann aber tritt in einem späteren Stadium eine Verschmelzung
der ventralen Enden bei den genannten Fortsätzen ein, indem das
Coracoid sich distal verbreitert bis zur Vereinigung mit dem Pro-
coracoid. Die Verschmelzungsstelle heißt Epicoracoid (Fig. 22(3b E).
Dasselbe entsteht also zuletzt von allen Teilen des Schultergürtels.
Schon bevor seine Entwickelung erfolgt ist, berühren sich übrigens
bereits die ventralen Teile des Zonoskelettes der einen Körperseite
mit denjenigen der anderen in der Medianlinie. Sobald die Epicoracoide
die Verknorpeln ng
(Fig. 226 a). Wohl ver-
des Coracoides und PrO-
Co.
- Co
Fig. 226. Zwei Entwickelungsstadien des Schultergürtels von Rana esculenta
(Knoriielstadium). Die Scapula ist nur in ihrem basalen Teil gezeichnet. G Pars
glenoidalis. S Scapula. P Coracoid. Pr Procoracoid. E Epicoracoid. F o Incisur
resp. Foramen obturatorium. Nach Götte.
Fig. 227. Vordere Brustwand einer Larve von Rana esculenta. Frontalschnitt.
Co Coracoid. Pr Procoracoid. P. a kranialer Fortsatz des Procoracoides. Prost Pro-
sternum. Nach Lignitz.
1) Bei Menopoma (Götte, Wiedersheim), Siren (Wiedersheim, Gegex-
BATJR) u. a. sind jedoch beim ausgewachsenen Tier die sonst freien Enden des Pro-
coracoides und Coracoides durch eine Knorpelspange (Epicoracoid, s. u. Text) verbunden.
Es besteht dann keine Incisur, sondern eio geräumiges Loch im ventralen Teil des
Schultergürtels, ähnlich wie bei Anuren (Fig. 226b F o\. Dasselbe ist von einer
Membrana obturaroria verschlossen und manchmal (Cryptobranchus, Osawa 1902)
so eng, daß der ganze ventrale Abschnitt des Schultergürtels (Coracoid + Pro- -f
Epicoracoid) beim ersten Anblick aus einer dünnen Knorpelplatte zu be-
stehen scheint. Leider ist die Entwickelungsgeschichte dieser Formen noch unbe-
kannt. — Häufig wachsen nachträglich die ventralen Fortsätze soweit aus , daß
sie über die Medianlinie hinaus in das andere Körperantimer hmein ragen. Der linke
Schultergürtel schiebt sich dabei über den rechten (so wie man einen Rock über der
Brust zuzuknöpfen pflegt). Dies kommt sowohl bei Urodelen wie auch bei Anuren vor.
2) DuGES (1834) beschrieb bereits die erste Anlage des Schultergürtels bei
Kaulquappen und die Bildung des Loches im ventralen Teil desselben durch Um-
wachsung. Doch stammt die erste detaillierte Untersuchung nach neueren Gesichts-
punkten von A. Götte (1875, 1877).
Entw. d. Form d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts. 257
gebildet sind, tritt Yerschmelzuiiff ^) der autimeren Teile in der Brust-
fe'-
mittellinie ein.
Prostern um. Wibdershbim (1892) und Lignitz (1897) beschreiben
bei Rana paarige Knorpelinseln , welche isoliert kranialwärts vom
Procoracoid entstehen (Fig. 227 Pr.st) und nachträglich zu einem un-
paaren Skelettstück verschmelzen. Wiedersheim vergleicht es seiner
Entstehung nach mit dem Sternum der Anuren. Es wäre also hier ein
P r 0 s t e r n u m 2 ) in der Anlage vorhanden.
*»^
Reptilien. Ein ganz paralleles Verhalten der Schnltergürtel-
anlage zu dem bei Amphibien beschriebenen ist bei älteren Em-
bryonen von Schildkröten beobachtet worden (Rathke 1848
A. L. III ^). Es existiert hier ein einheitlicher
Knorpel, welcher vom glenoidalen Centrum aus
einen scapularen Fortsatz dorsalwärts und einen
coracoidalen sowie procoracoidalen Processus
veutralwärts entsendet (Fig. 228). Außerdem
aber biegt das Coracoid an seinem terminalen
Ende hackenförmig um, zeigt sich hier ligamentös
mit dem nahen Procoracoid verbunden und er-
innert darin an die Zustände bei Anuren (Götte). (-^ ^^-''^•''
G - -
Fig. 228. Schultergiirtelknorpel eines Schildkrötenem-
Ijryo (wahrscheinlich Podocnemis). Alle Stücke in einer
Ebene dargestellt. Bezeichnung wie bei Fig. 226. Lig
Ligament. Nach Götte.
Freilich wissen wir nicht , ob dieses entwickelungsgeschichtliche
Einzelbild (Fig. 228) auch in derselben Weise entsteht wie bei Amphibien,
1) In einzelnen Fällen kann eine Verschmelzung ausbleiben [(Microps), auch
kann das Epicoracoid ganz fehlen oder durch ein Ligament ersetzt sein (Dactylethra).
Es sind das urodelenartige Zustände bei Anuren, die ebenfalls noch der Klärung
durch die ontogenetische Untersuchung harren wie die wichtigen an arenähnlichen
Befunde bei Urodelen (s. p. 256, Anm. 1).
2) Wiedersheim behält für den Knorpel den Xaraen Episternum bei, trotz
der von ihm betonten Ahomologie mit dem gleichnamigen Element etwa der Saurier
(s. w. u. Text). Es entsteht dadurch eine weitere Komplikation in der Nomenklatur,
welcher ich (wie bei Procoracoid und Clavicula) mit dem Vorschlag begegnen möchte,
jede knorpelige, nicht mit dem primären Schultergürtel genetisch zu-
sammenhängende Anlage an dieser Stehe als Prosternum zu bezeichnen.
— Episternum nenne ich allein das Ossifikationsprodukt, gleichgiltig ob
dasselbe als Ersatzknochen, wie die einen meinen, oder als Belegknochen, wie die anderen
glauben, entsteht. Allerdings kommt bei der Episternumfrage noch die Schwierigkeit
hinzu, daß auch das Substrat, auf welchem die Ossifikation sich aufbaut, je nach den
verschiedenen Auffassungen schwankt, da die einen Autoren diesen Knochen zum
Sternalapparat rechnen (aus Prosternum entstanden), die anderen zum ventralen Teil
des primären Schultergürtels (Praeclavium, Gegexbaur 1898). Ich werde die Wörter
Episternum und Interclavicula rein topographisch und zwar proraiscue ge-
brauchen (manche Autoren bezeichnen mit Episternum die prosternalen, mit Inter-
clavicula die zonalen Knochen, s. Abschnitt „Episternum"). — Götte (1877) hatte für
ßana angegeben , daß sich von einem Teil der vorknorpeligen Procoracoidanlage aus
{bei * Fig. 226b) ein Knorpel bilde, der später als Kiel des Sternum erhalten bleibe
(ursprünglich hatte er sogar, im Anschluß an W. K. Parker, eine direkte Abgliederung
vom knorpeligen Procoracoid behauptet [1875]). Ligxitz (1897, p. 43) zeigte jedoch,
daß zwar ein Knorpelfortsatz vom Procoracoid aus sich bildet (P. o Fig. 227), daß
dieser aber nichts zu thun hat mit dem isoliert entstehenden Prosternum iPrst.).
Andererseits fanden er sowie vor ihm Wiedersheim ( 1892 ) , daß der Kiel des
Sternum vom letzteren aus im Anschluß an die erhöhte Funktion des Muse, pectoralis
entsteht.
Handbuch der Entwickelungslehre. III. 2. 17
258
H. Braus,
ob also das Epicoracoid durch progressive Aussprossung vom Coracoid
zu stände kommt oder ob nicht eine Reduktion einer einst kompletten
Knorpelverbindung zwischen den beiden ventralen Spangen in dem
Ligament {Lig) vorliegt. Denn eine kontinuierliche Reihe von Embryonen
derselben Species ist bisher auf diesen Punkt hin noch nicht untei'-
Fig. 230.
S
F.spc
Lese
Ep
b
F.cor.a Cl
Pr.Ggb \ i
F.c.sc
F.cor.a «,;; Cl
F.c.sc : F.cor.p \
F.cor.p
- F.spc
Fig. 229. Entwickelung des Schulter-
gürtelapparates von Sphenocion, a, b von
Embryonen, c vom eben ausgeschlüpften
Tier. Nach Bchauinsland. Bezeichnungen
wie bei den vorigen, cl Clavicula (Clei-
dium). F.spc. Foramen supracoracoideum.
Lese Incisura coraco-scapularis. Ep Epi-
sternum. St Sternura. 0 Ossifikationen.
Fig. 230. Entwickelung des Schultergürtelapparates von Cnemidophorus. Nach
GöTTE, Bezeichnung wie bei den vorigen. Proc Ggb. Procoracoid GtEGENBAUr's.
F.c.sc Foramen coraco-scapulare. F.cor.a und jj Foramen coracoideum anterius und
posterius. * siehe Text.
Entw. d. Form d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts. 259
sucht. GröTTE (1877), welcher den ersteren Standpunkt vertritt, stützt
sich dabei auf den Vergleich verschieden alter Embryonen von ver-
schiedenen Schildkrötenspecies. Es kommen aber auch in der
fertigen Form mannigfache Differenzen bei den verschiedenen Schild-
kröten an dieser Stelle vor. So sind hier und auch bei älteren Enibi'vonen
Bildungen bekannt, bei welchen das Epicoracoid nur durch einen ganz
geringen Zwischenraum vom völligen Zusammenhang mit dem Procoracoid
getrennt ist (Götte, Sabatier, Füebringer). Procoracoid, Epicoracoid
und Coracoid erscheinen dann als fast völlig einheitliche Platte, welche
central durchbohrt ist. Gegenbaur (1864, 1898) und FCrbringbr (1901j
gehen von diesen Befunden mit langem Epicoracoid aus und leiten die
anderen durch Rückbildung des Epicoracoides von ihnen ab, indem sie
das Ligament als Rest der einst kompletten Bildung auffassen (Lig. epi-
coracoideum). Es ist das genau der umgekehrte Weg als der von Gtötte
postulierte und in der Ontogenese von Amphibien thatsächlich nachge-
wiesene 1). Siehe auch w. u.
Bei L a c e r t i 1 i e r 11 und R h y n c li o c e p h a 1 i e r u besteht nur inso-
fern eine klare Uebereinstimmung der Schultergttrtelanlage mit der-
jenigen bei Chelouiern, als auch hier eine einheitliche Kuorpelspange
entsteht. Es fehlt jedoch die Teilung der ventralen Partie in Coracoid
und Procoracoid beim frühen Auswachsen derselben. Bei Sphenodon
hat Schauinsland 1900, 1903 eine von Anfang an einheitliche (nur
von einem kleinen Nervenloch, F. spc.) durchbohrte Platte gefunden
(Fig. 229a). Dieselbe besitzt einen acromialen P'ortsatz, au welchen sich
eine rein bindegewebige Anlage (cl) anschließt. Dieselbe ver-
knorpelt nicht. (Erst durch die spätere Ossifikation entwickelt sich
aus ihr ein Skelettteil, siehe Clavicula [Cleidiumj.) Eine klare Homo-
logie mit den Bildungsprozessen bei Cheloniern oder Amphibien liegt
also nicht vor. Andererseits weisen die Saurier Durchbrechungen
der ventralen Platte des Schultergürtels auf. Wie aber Götte 1877
zeigte, entstehen dieselben so, daß auch hier anfänglich der ventrale
Teil im Vorknorpelzustand völlig einheitlich ist (abgesehen von dem
kleinen Nervenloch F. spc, Fig. 230a), und daß erst beim Uebergang vom
vorknorpeligen in den knorpeligen Zustand bestimmte Stelleu ausge-
spart bleiben, au welchem sich das Prochondralgewebe in Bindegewebe
umwandelt (Fig. 230b, c). Es entstehen auf diese Weise Löcher im
Knorpel, welche aber durch die gemeinsame Umhüllung des ganzen
Skelettteiles (Perichondrium) verschlossen sind (Membranae obtura-
toriae). Bei Cnemidophorusembryonen finden sich schließlich drei
solcher Perforationen (zwei im ventralen, eine im dorsalen Teil der
Gürtelaulage, Fig. 230c).
An den acromialen Abschnitt der Scapula schließt sich wie bei
Sphenodon ein Mesenchymstreifen an, der nie verknorpelt, aber später
verknöchert (Clavicula [Cleidium] s. u.).
1) Es giebt noch eme andere, allerdings nicht auf entwickelungsgeschichthchen
Argumenten basierende Auffassung des vorderen ventralen Schenkels im Schildkröten-
schultergürtel, welche in demselben kein Procoracoid, sondern ein verlängertes A c r o-
m i 0 n erblickt d. h. einen Auswuchs der Scapula, welcher beim Ausbleiben oder nach
Verlust des Procoracoides als Neubildung entsteht (von neueren Autoren vertreten
von Baur 1891, 1896, Seeley 1892—1895, Koken 1893, Andrews 1895.
Genaues Litteraturverzeichnis und kritische Widerlegung dieser Ansicht besonders bei
FÜRBRiNGER 1901, p. 313—316). — Alle übrigen Arbeiten halten an der Homologie
des vorderen ventralen Schenkels bei Schildkröten und Amphibien fest, allerdings
schwankt die Bezeichnung desselben, je nachdem der sich hier entwickelnde Knochen
aufgefaßt wird (Procoracoid oder Clavicula genannt).
17*
260 H. Braus,
Es bestehen tiefgreifende Meinungsverschiedenheiten darüber, wo das
Homologon des Procoracoides der Amphibien und Chelonier bei diesen
Formen zu suchen sei. Gegenbaur (1864 — 1898) vergleicht unter den
Foramiiia des Schultergürtels das konstanteste bei den verschiedenen
Formen (Hauptloch, Fig. 230 F.spc) mit der Incisur resp. dem mehr
oder minder komplett durch das Epicoracoid abgeschlossenen Loch jener
anderen Tieren (Fig. 223, 226, 228). Nach dieser Ansicht wäre die vor
diesem Loch liegende Spange der ventralen Schultergürtelhälfte alsPro-
coracoid zu bezeichnen (Fig. 230 b Pr. Ggb.). Andere Autoren
halten dagegen den ganzen ventralen Teil des Schultergürtels lediglich
für homolog dem Coracoid und glauben entweder, daß das Procoracoid
ganz fehlt, oder daß ein Rudiment desselben in dem Mesenchymstreifen
vorliegt (cl Fig. 229 und 230), welcher sich vom Acromion aus ventral-
wärts fortsetzt und bei der Ossifikation zur Clavicula wird. Namentlich
die letztere Ansicht hat viele Anhänger gewonnen, nachdem sie von
GöTTE (1877) aufgestellt und besonders intensiv vertreten wurde. Nach
ihr wäre der Spalt zwischen der knorpeligen Anlage des ventralen
Schultergürtels und dem Mesenchymstreifen, in welchem die Clavicula
entsteht (* Fig. 230a), homolog der Incisur zwischen Procoracoid und
Coracoid (Fig. 226a F.o). Es liegt hier ein noch ungelöstes Problem
vori).
1) Eine große Rolle hat gerade die ontogenetische Beweisführung in diesen
Kontroversen gespielt. Götte (1877, p. 573) erblickt einen fundamentalen Gegensatz
darin, daß bei Amphibien (Anuren) Coracoid und Procoracoid zangenförmig aus-
wachsen, das Foramen zwischen ihnen also primär ausgespart bleibt, während bei
Lacertiliern die Foramina, falls solche vorhanden sind, als sekundäre Durchbrechungen
des anfangs einheitlichen Vorknorpels auftreten. Der Einwand Gegexbaur's [18G8,
p. 458], daß die Verknorpelung in beiden Fällen den gleichen Etappengang ein-
halte, entkräftet diese Gegensätzlichkeit der frühesten Anlage nicht. Es ist jedoch
fraglich, ob solche Entwickelungsvorgänge phylogenetischen Wert beanspruchen dürfen
und ob also die Differenz eine fundamentale ist. Die Ontogenie des Schädels hat
eine Reihe von Beispielen kennen gelehrt, bei welchen das ursprünglich einheitliche
Cranium inTrabekel aufgelöst ist und nun diese successive von einem einheitlichen Pnnkte
aussprossen (Gaupp, Peter), ähnlich wie dies bei Amphibien mit den ventralen Fortsätzen
des Schultergürtels der Fall ist. Die primäre Durchlochung eines einheitlichen Skelett-
teiles kann also zweifellos ontogenetisch so zur Anlage kommen, daß von vornherein die
Löcher ausgespart bleiben, indem die Skeletogenese von einem Punkt aus fortschreitend
die betreffende Lokalität successive umgreift. Damit verliert das Argument Cötte's
seine bindende Kraft. — Andererseits sind diejenigen ontogenetischen Argumente wenig
beweisend, welche für das Vorkommen einer rudimentären Procoracoidanlage außer-
halb des knorpeligen Schultergürtels angeführt wurden. Es handelt sich hier um den
Mesenchymstreifen rl (Fig. 229, 230). Götte, Hoffmann, Wiedersheim u. a. betrachten
ihn als Homologon eines Procoracoides (nach meiner Fassung des Wortes, p. 253),
1) weil das Gewebe bei der Ossifikation halbrinnen förmig vom Knochen um-
faßt wird (Fig. 231), ähnlich wie dies beim echten Procoracoid der Amphibien seitens
der Knochenanlage geschieht (Fig. 233). Gerade bei niederen Reistilien, wie Sphenodon,
hat sich aber von der Rinuenform nichts gefunden. Die Clavicula (Cleidium) wird
als solider cylindrischer Stab angelegt, in welchem der Markraum erst später durch
sekundäre Aushöhlung entsteht (Schauinsland 1903). Auch ist bei Lacertiliern
die Rinnenform wenig verbreitet (übrigens dort, wo sie Götte selbst vermißte — bei
Anguis — neuerdings von MÜLLER [1900] angegeben) und, wenn sie vorkommt,
auf das costale Ende der Anlage beschränkt, gerade am seapularen Teil aber nicht vor-
handen. — 2) wird für die Deutung des Mesenchynistreifens cl als Procoracoidrudiment
der Zusammenhang mit der Scajiula beim ersten Auftauchen u. a. (Rathke)
angeführt. Gelegentliche Zusammenhänge von Clavicula und Acromion im fertigen
Zustand erscheinen nach dieser Auffassnng als Reste der primordialen Kontinuität.
Jedoch fehlt hier den ontogenetischen Beobachtungen das entscheidende Moment: der
Nachweis knorpeligen Zusammenhanges. Die Behauptung, das betreffende Gewebe
sei „Vorknorpel", kann nicht genügen, da dasselbe sich nicht zu Knorpel, sondern
Entw. d. Form d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts. 261
Bei K roko dilembrjonen wurde von Wiedersheim 1892, p. 234,
ein Fortsatz der Scai)ula gefunden, welcher wesentlich aus indifferentem
Mesenchym besteht (punktierte Partie Fig. 232b), aber mit knorpeliger
Basis kontinuierlich in den Schultergürtelknorpel übergeht. Wegen
diesei- topographischen und geweblichen Beziehung zu letzterem ist
der Fortsatz mit dem Procoracoid der Chelonier (Fig. 228) vergleichbar.
WiEDER.sHEiji selbst, Welcher die Clavicula als Ersatzknochen aus
dem Procoracoid hervorgehen läßt, nennt infolgedessen den Fortsatz
Clavicula, während Gegenbaur und Eürbringer ihn wegen ihrer ab-
weichenden Auffassung der Clavicula als Processus procoracoideus be-
zeichnen. Das ist für unsere Frage hier natürlich belanglos. Dagegen
ist nicht erwiesen, daß der Fortsatz der Clavicular(Cleidium)anIage der
Lacertilier homolog sei, wie Wiedersheim behauptet, wenn schon dieser
Befund bei Crocodiliern die Ansicht Götte's von einer allmählichen
Fig. 231.
Fig. 232.
7
Fr
-s
Fig. 231. Querschnitte durch die Claviculaanlage eines jüngeren und älteren
Embryo von Cnemidophorus. s Zusammenschluß der Knochenspange nach Götte.
m Anlage des Knochenmarkes, p Periost. Nach Götte.
Fig. 232. Scapula und Procoracoidrudiment eines Krokodilembryo. Aus zwei
anfeinander folgenden Schnitten einer Serie, welche die Scapula {S) flach getroffen hat.
P»' Procoracoid. Br Brücke zwischen beiden. Nach Wiedersheim.
zu ossifizierendem Bindegewebe ausgestaltet. Vorknorpel ist aber histologisch ein so
wenig bestimmtes Gewebe, daß ohne die sonst an dieser Stelle übliche spätere Um-
wandlung in Knorpel zur Zeit seine Diagnose in der Luft hängt.
Die neuesten Autoren treten auf Grund ontogenetischer Beobachtungen dafür
ein, daß der Mesenschymstreifen c? eine bloße Anlagerung an den primären Schulter-
giirtel, kein ihm genetisch verbundenes Element darstelle (Schauinsland [1903] für
Sphenodon, Müller [1900] für Anguis fragilis).
Die vergleichende Anatomie (Gegenbaur) sieht in den Trabekeln des Schulter-
gürtels der Lacertilier (Coracoid , Procoracoid , Epicoracoid) zusammen mit den
von ihnen umrandeten Löchern und Incisuren in summa die ursprünglich einheit-
liche ventrale Schulterplatte. Die Membranen, welche die Löcher bei Amphibien
und Reptilien verschließen, werden als Reste der einstigen Einheitlichkeit aufgefaßt.
Verschiedenen Deutungen unterliegen dabei wieder die imperforierten Schulter-
gürtel , bei denen es zweifelhaft ist , ob die primäre Urform vorliegt, so daß also
eine Durchlochung nie vorhanden war, oder ob einst vorhandene Perforationen
nachträglich verschwanden. Die Ontogenie von Sphenodon zeigt von Anbe-
ginn an einen imperforierten Schultergürtel, scheint aber die Annahme FÜR-
BRINGERS (1901, p. 531) zu Stützen, daß eine Emargination eines Loches stattgefunden
habe, indem dasselbe (wie sich Cope diesen Prozeß denkt) an den Rand des Schulter-
gürtels rückte, zur Incisur umgestaltet wurde und schließlich verschwand. Denn an-
fänglich ist eine Incisura coraco-scapularis im embryonalen Schultergürtel von
Sphenodon vorhanden (Fig. 229a, b 1. c. sc). Nachträglich wird dieselbe häufig durch
Knorpel ausgefüllt (Fig. 229c).
262 H. Braus,
Reduktion des Procoracoidknorpels bis zum völligen Verlust desselben
bei Lacertiliern wohl zu illustrieren vermag (vgl. Anm. 1, p. 260).
E p i s t e r n a 1 k n 0 r p e 1. Alle Angaben, welche als Grundlage des Epi-
sternum bei Reptilien K n o r p e 1 r u d i m e n t e betreffen, sind ebenso zweifel-
haft wie die Behauptung, daß die Frühanlage der Clavicula (Cleidinm) bei
Lacertiliern Vorknorpel sei (siehe Anm 1, p. 260). Wirklicher
Knorpel ist nie gefunden worden, wie alle Untersucher (auch Götte,
Hoffmann, Wiedershbim) erklären. Allein Sabatier (1897) behauptet
die enchondrale Natur des Episternum. Vergl. weiter unten die Schilderung
der Ossifikation.
Vögel. Die Coracoscapula legt sich einheitlich wie bei Reptilien
au. Fenstei'bildungen, welche bei fertigen Schultergürteln vorkommeu
(z. B. Struthio, Apteryx individuell) sind in ihrei' Genese noch nicht
geuügeud bekannt.
C. K. Hopfmann (1879) untersuchte fast ausgewachsene Struthio-
embryonen. Meist besteht statt des Loches eine Incisur im Schulter-
gürtel, welche von einem Fortsatz flankiert wird. Bei Embryoneu von
Apter3'x (T. J. Parker) und Opisthocomus (W. K. Parker) besitzt dieser
eine beträchtliche Länge, bildet sich aber in älteren Stadien und bei
ausgeschlüpften Tieren beträchtlich zurück. Fürbringer (1902, p. 303)
nennt ihn Processus procoracoideus.
Der vor dem Foramen perforierter Schultergürtel liegende Skelett-
abschuitt (resp. der Processus procoracoideus) wird von Gegenbaur
und FÜRBRINGER als Homologen des Procoracoides der Amphibien
und Schildkröten aufgefaßt. Ebenso werden von diesen Autoreu
Knorpelinseln, welche als Grundlage der Bildung einer Clavicula
(Cleidium) angegeben werden, auf das Procoracoid zurückgeführt.
Doch ist es eine noch strittige Frage, ob überhaupt solche Kuorpel-
herde vorkommen ^).
Episternalknorpel. Eine wirklich knorpelige Grundlage bei der
Anlage des Episternum ist bei Vögeln noch ungewiß. W. K. Parker hat eine
Knoqjelverbindung der Furculae als Interclavicula beschrieben. Es könnte
also hier ein Rest des sternalen Endes des Procoracoides (Praeclavium,
s. Hypocleidium) vorliegen. — Die Deutung indifferenter Anlagen
als rudimentäre Knorpel beurteile ich wie bei Reptilien, s. o.
Säuger. Die Coracoscapula legt sich wohl einheitlich an, ist
aber (abgesehen von den Monotremeu) hier in ihrem coracoidalen
Abschnitt von vornherein reduziert. Immerhin ist letzterer beim ersten
Auftreten ontogenetisch relativ beträchtlich größer an Länge und Vo-
lumen, als der Fortsatz im ausgebildeten Zustand erscheint (z. B. bei
Homo, Fig. 222c Co). Andererseits entwickelt sich an der Scapula
das A c r 0 m i 0 n , welches bereits bei Reptilien auftaucht (Fig. 229a),
regelmäßig zu einem großen, später das Coracoidrudiment an Größe
übertreffenden Fortsatz.
Die Scapula erhält eine an ihrer Außenseite vorspringende Leiste,
Spina scapulae. Angaben von Broom (1899, 1902), daß sich diese
1) Litteratur ausführlich bei Fürbringer (1902). Gegenbaur, Fürbringer,
Parker, 8abatier, Lindsay fanden einen Knorpelherd ; dagegen leugnen ihn
Bruch, Rathke, Götte, C. K. Hoffmann, Zehnter, Kulczyki. Der letzte von
diesen (Kulczyki 1901) hält es für nicht unwahrscheiuhch, daß die Verschiedenheit
der Angaben sich aus der Verschiedenheit der untersuchten Species erkläre, daß
also beides vorkomme.
Entw. d. rorm d. Exti-emitäteu u. d. Extremitätenskeletts. 26o
lind Teile der Scapula selbst bei Marsupialiern nicht auf knorpeliger
Orundlage, sondern als membranöse, direkt ossifizierende Bildungen ent-
wickeln, erscheinen mir noch unsicher und rechtfertigen nicht den Ver-
gleich der Spina mit dem Cleithrum, welchen der Autor darauf gründet.
Ein Procoracoid ist nicht mit Sicherheit nachgewiesen').
Die Clavicula des Menschen hat bekanntlich eine knorpelige Grrund-
lage in der Entwickelung (Gegenbaur 1864, 1865). Während bei Mar-
supialiern ein rein bindegewebiges Substrat der Clavicula (Cleidium)
gefunden wurde (Broom 1899), haben Götte (1877) und C. K. Hoffmann
(1879) bei zahlreichen Placentaliern namentlich im sternalen Teil des
Gebildes einen Knorpelstreifen beobachtet und beim Menschen die An-
gaben Gegenbaur's bestätigt. Auch Lewis (1902, p. 176) beschreibt bei
menschlichen Embryonen eine Choudrifikation der Stelle, wo die Clavi-
■cula entsteht, und giebt an, daß der Knorpel etwas später auftauche als
die Anlage der Coracoscapula und histologisch etwas anders aussehe als
letztere.
(Jb es sich in diesen Knorpelinseln um den Rest eines Procoracoides
handelt, ist deshalb zweifelhaft, weil ein kontinuierlicher Zusammenhang
mit der Coracoscapula nicht sichergestellt ist '^).
Episternalknorpel. Die knorpelige Grundlage, welche in der
Anlage des Episternura gelegentlich beobachtet wird (Götte), ist ihrer Be-
deutung nach trotz der großen ihr gewidmeten Litteratur noch unklar. Sie
könnte einerseits auf das primäre Skelett bezogen werden, wobei entweder
der primäre Schultergürtel oder das Sternum in Betracht kämen, anderer-
seits eine Neubildung darstellen. Die Cartilago interarticularis des
■Sterno-claviculargelenkes wird entweder als Teil dieser Anlage oder als
selbständige Bildung angesehen. Götte (1877) und C. K. Hoffmann
(1879) halten außerdem einen Teil des Manubrium sterni wegen des Zu-
sammenhanges mit dem Knorpelkern der Clavicula für ein Derivat des
1) Bei Monotremen besteht vor dem Coracoid ein knorpeUges Skelettstück,
welches vielfach als Procoracoid angesehen wird. Leider ist dasselbe noch nicht
ontogenetisch untersucht. — Broom (1902) hält die Anlage des Ligamentum coraco-
claviculare bei Beuteljungen der Marsupialier für ein Rudiment des Procoracoid.
2) Es existieren wohl Angaben über eine Kontinuität der indifferenten Anlagen
(Rathke, Götte, Hoffmann), aber nicht über Kontinuität des Knorj^els, auf
welche es allein ankommt. Es besteht deshalb die Möglichkeit, daß der Knorpel
in den frühen Clavicularan lagen bei Mammalia(und Vögeln) rein sekundärer Natur
sei, wie etwa die Knorpelkerne an solchen Stellen des Schädelskelettes, an welchen
nach unseren Kenntnissen in der phylogenetischen Vorgeschichte kein Teil des Pri-
mordialcranium oder der Visceralbogen vorhanden gewesen ist (Knorpelkerne im auf-
steigenden Ast des Unterkiefers der Säuger, Knorpel der Schläfenschuppe, des Stirn-
beines namentlich bei Bildung der Geweihe und Stirnzapfen, Verwachsungsnaht des
•Gaumens u. a., auch Knorpel im Callus experimentell erzeugter Frakturen an Deck-
knochen, ferner Knorpelherde im Herzen etc.). Mit manchen dieser progredienten
Knorpelinseln besteht auch insofern Aehnlichkeit als die Ossifikation hier wie dort
in besonderer Art (metaplastischer Typus, s. u.) verläuft. Eine Entscheidung untei'
diesen verschiedenen Möslichkeiten zu treffen, ist Sache der Zukunft. Heute ist
jedenfalls das bloße Vorhandensein von Knorpel in der Anlage eines Skelettteiles
isolango unterstützende Momente topographischer Art oder dergl. fehlen) kein ge-
nügendes differentialdiagnostisches Merkmal für die Ableitung
desselben vom primären Skelettgerüst. Es wird uns dies auch noch bei
den überzähligen P^/lementen des Carpus und Tarsus beschäftigen.
Außer dem Knorpel in der Clavicularanlage wurden noch andere Elemente für
Homologa des Procoracoides angesehen, so eine selbständig ossifizierende Knorpelpartie
an der Basis des Processus coracoideus (Howes 1893, auch Sabatier's (1897) etwas
abweichende Auffassung rechnet mit diesem Kern), ferner Bindegewebsmem brauen
zwischen Clavicula und Coracoid (BROOit 1899).
264 H. Braus,
primären Schiiltergürtels. Derartige vermutliche Abgiiederungen desi
primären Schultergürtels wären unter dem Namen Praeclavium
(Gkgbnbaur, Om. oster num W. K. Parker) zusammenzufassen. Da-
gegen wären Abgiiederungen des Sternum als P r o s t e r n u m zu be-
zeichnen. Beim Menschen sollen die Ossa suprasternalia, welche sich
knorpelig anlegen (Gr. Rüge 1880, Paterson 1901, 1902), Resten eines
Prosternum, die Menisci des Sterno-claviculargelenkes Resten eines Prä-
clavium entsprechen (Eggeling 1903; vergl. auch Paterson 1902).
E n t w i c k e 1 u n g von Ersatz- und D e c k k n o c h e n des
S c h u 1 1 e r g ü r t e 1 s.
Ossifikationen der Cor acoscapula. Sie gehören zweifel-
los zu den Ersatzknochen (perl- und enchondrale Ossifikationen). Bei
Amphibien verknöchert regelmäßig der scapulare Teil von einem
isolierten Kuochenkern aus, welcher als erster Kern überhaupt im
Schultergürtel auftritt und sich von der Glenoidalgegend aus dorsal-
wärts vorschiebt, aber bei Urodelen immer noch einen meist beträcht-
lichen Teil der Scapula freiläßt. Letzterer wird dann als S u p r a -
scapula von der Scapula unterschieden, obgleich es sich, wie die
Entwickelung zeigt, um morphogenetisch durchaus zusammenhängende
Teile handelt. Bei Anuren kann allerdings die Suprascapula für sich
verkalken oder verknöchern und frei gegen die Scapula beweglich
werden.
Im Coracoidteil des Schultergürtels tritt bei den meisten Urodelen
keine Ossifikation auf, wohl aber bei Anuren, welche dort einen selb-
ständigen Knochenkeru erhalten. Das Procoracoid ist bei Urodelen
stets unverknöchert (bezügl. der Anuren siehe Clavicula bezw. Clei-
dium w. u.)
Da bei fossilen Amphibien (Stegocephalen) das Coracoid verknöchert
war und bei manchen recenten Urodelen in demselben Ossifikationen ae-
funden werden (bei Siren ganz ähnliche wie bei Stegocephalen etc.), so
beruht der Mangel des Coracoidknochens bei den meisten recenten Uro-
delen höchst wahrscheinlich auf Rückbildung.
Die Amnioten besitzen sämtlich Ossifikationen des Coracoides
und der Scapula. Dieselben treten getrennt auf und bleiben es ent-
weder zeitlebens oder verschmelzen später^). Reste des Knor])el&
erhalten sich bei manchen Lacertiliern noch im vorderen (kranialen)
Teil des Coracoides (Gegenbaur's Procoracoid, z. B. bei Anguis
fragilis).
Die Ossifikation dieser Partie kann vom Knochenkern des Coracoides
ausgehen (Götte), bei anderen Formen jedoch von einem isolierten
Knochenkern aus erfolgen (Gegenbaur). Der erstere Fall ist als Be-
weismittel für die Zugehörigkeit der betreffenden Zone zum Coracoid,
der letztere für seine selbständige Bedeutung als Procoracoid angeführt
worden. Das Auftreten von Knochenkernen ist aber im allgemeinen so
1) Im ersteren Fall besitzt die fertige Form eine Synchondrose (bei Fossilien
scheinbare Trennung an dieser Stelle), im letzteren eine Synostose in der glenoidak^n
Zone. Namentlicti bei Vögeln werden funktionelle Verschiedenheiten der mehr
federnden Synchondrose und starren Synostose in Beziehung zum Flugvermögen
ausgestaltet (erstere bei guten Fliegern, letztere bei Rückbildung des Flugvermögens).
Die Rückbildung des Coracoides bei Mammaliern führt bei diesen regelmäßig zur
Synostose.
Entw. d. Form d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts. 265
schwankend, daß bindende phylogenetische Schlüsse nicht auf dasselbe zu
gründen sind.
Eine knorpelige Suprascapula bleibt bei den Rei)tilien meistens
nocli ausgespart, bei Säugern jedoch nur in wenigen Ausnahmefällen
(Monotremen, Ungulaten). An Stelle echter Verknöcherungen können
Verkalkungen der Schulterblattränder zu einer nachträglichen Verbreite-
rung der Platte führen (z. B. Schwein). Treten starke Rückbildungen
ein wie bei den schlangenartigen Sauriern, so bleibt schließlich die
Ossitikation in der Ontogenese ganz aus. Es erhält sich dann nui-
ein knorpeliges Coracoid.
Die höhere Ausgestaltung der Scapula bei Amnioten äußert sich
in der Ontogenese oft durch Vermehrung der Knochenkerne. Beim
Menschen kommen zu den kanonischen Kernen des Coracoides (offenbar
infolge der Reduktion verspätet und zwar erst im ersten Lebensjahr an-
gelegt) und der Scapula (perichondral in der Nähe des Collum im 3. Eötal-
monat auftauchend) noch mehrere Centren in der Gelenkpfannengegend,
am inneren Rand der Scapula, Spina scapulae etc. hinzu (siehe Lehr-
bücher d. Entw. des Menschen und Speciallitteratur bei Schwegel 1858,
Rambaud et Renault 1864, Bade 1899, Lambbrtz 1900 etc.)
Verspätetes Auftreten (die meisten zur Zeit der Pubertät), Variabi-
lität und Beschränkung auf die höchsten Extremitätenformen charakteri-
sieren die epiphysären Knochencentren als accessorische Bildungen, welche
keinen tieferen historischen Wert besitzen ^).
C 1 a V i c u 1 a (C 1 e i d i u m). Diese Ossifikation kann hier nur kurz
behandelt werden, weil das histiogenetische Problem wohl formuliert,
aber m. E. mit den vorliegenden ontogenetischen Materialien nicht
gelöst werden kann. Dasselbe ist deshalb wesentlich zur Zeit Gegen-
stand vergleichend-anatomischer Argumentation, welche hier nur ge-
streift werden soll.
Es handelt sich darum, ob die Clavicula (Cleidium) in der Um-
gebung des Procoracoides als D eckknochen oder in der Peripherie
des genannten Knorpels selbst als Ersatzknochen (perichondral)
entsteht. Entwickelungsgeschichtlich könnte man von vornherein ver-
sucht sein, gegen die Ersatzknochenhypothese einzuwenden, daß bei zahl-
reichen Tieren keine knorpelige Anlage des Procoracoides existiert
und sich dej' Knochen doch bildet. Es ist jedoch von anderen Stellen
des Wirbeltierkörpers her bekannt (z. B, von der Schädelverknöche-
rung, Gaupp 1901, p. 909), daß periostale Verknöcherungen manchmal
in der individuellen Entwickeluugsgeschichte keine knorpelige
Grundlage erkennen lassen an Stellen, wo aus vergleichend-ana-
tomischen Gründen ein knorpeliges Substrat in der Vorgeschichte
einst vorhanden gewesen sein muß (z. B. das Chondrocranium). So
läßt sich denn immer der Ausweg finden, daß da, wo der sup]ionierte
1) Auch rückgebildete Ossifikationen, wie der Coracoidkern, können nachträg-
lich unter besonderer funktioneller Beanspruchung wieder stärker auswachsen. So
verlängert sich bei Fledermäusen das Coracoid zu einem Knochen von fast derselben
Vollkommenheit wie das bei Vögeln bestehende ursprünghche Coracoid, offenbar
eine Folge ähnlicher Benutzung beim Fhige. Der differenzierte Ausgangspunkt ist
jedoch am frühen synostotischen Zusammenhang mit der Scapula in der Ontogenese
zu erkennen (Eimer 1901, p. 223). — Besondere Fortsatzbildungen wie das Acro-
coracoid der Vögel, Uebergreifen von Ossifikationen auf benachbarte Bandapparate
(Lig. coraco-acromiale etc.) und Besonderheiten des Acromion entstehen so spät, daß
sie aus der eigentlichen Entwickelungsgeschichte ausscheiden und der Beschreibung
fertiger Formen überlassen bleiben müssen.
266
H. Braus,
Oiitogenie
fehlt, eine totale
Rückbildung
desselben
Knorpel in dei
anzunehmen sei ^).
Die ausganggebenden Objekte sind aber naturgemäß solche, be.
welchen die für den Knochen in Betracht kommende Grundlage, das-
Procoracoid, als wohlentwickelter Knorpel außer Frage steht. Es
sind das in erster Reihe die anuren Amphibien. Während sich
hier bei der Verknöcherung des C o r a c o i d e s der gewöhnliche Typus
peri- und enchoudraler Knochenbildung lindet (Fig. 23oa), zeigt sich
.p
/iii
Fig. 233. Querschnitte durch die ventralen Spangen des Schultergürtels einer
älteren Froschlarve (Rana esculenta). Nach Götte. a Coracoid. b Procoracoid.
bei dem benachbarten Proco racoid [(von Rana und Bufo). eine
rinuenf örmige Knochenschale (Fig. 2o8b), welche einen auch im
fertigen Zustand in dieser Form persistierenden Knochen liefert^).
Der Knorpel, welcher also nur partiell von Knochen bedeckt ist,
verkalkt später, verknöchert aber nicht. Zwischen ihm und der rinnen-
förmigen Knochenschale befindet sich eine Zwischenschicht von in-
differentem Mesenchym {m Fig. 23ob), welches bei typischen Ersatz-
knochen, wie etwa beim Coracoid desselben Stadiums (Fig. 23oa), völlig
fehlt. Außerdem sind Knorpel und Knochen von einer gemeinsamen
bindegewebigen Hülle umgeben {p). Bei anderen Anuren umschließt
die Clavicula (Cleidiumj das Procoracoid ganz und dringt später auch
in den Knorpel selbst als Ersatzknochen ein. Es findet sich dann
beim ausgebildeten Tier an Stelle des Knorpels eine Markhfihle. Histo-
logisch ist das hier entstandene Knochengebilde vom Coracoid nicht
mehr zu unterscheiden.
Dieser Entwickelungsprozeß wird von Götte (1877) so gedeutet,
daß die gemeinsame Hüllschicht von Knorpel und Knochen bei Rana
(Fig. 223b p) das einheitliche Periost (Perichondrium) darstelle und
1) Ueber die Versuche, thatsächlich Rudimente des Procoracoides nachzu-
weisen, vergl. die kritische Darstellung p. 260, Anni. 1.
2) Schon Gegenbaur (18(J4) hatte den Knochen unabhängig vom Procoracoid
entstehen sehen und giebt sogar an, daß anfänglich eine gewisse Entfernung zwischen
beiden bestehe, welche sich mit fortschreitender Entwickelung verringere. Genauere
Angaben machte dann Götte (1877, p. 535 f.), denen ich hier folge.
Entw. d. Form d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts. 2(37
die genetische Zusammengehörigkeit beider Elemente darthue. Es
ist das Götte's Beweis für die Ersatz knochennatur (perichondrale
Ossifikation) der Clavicula (Cleidium)
Auf die Zwischenschicht p wird dabei kein AVert gelegt und über-
all da, wo der Knorpel nicht erhalten ist oder eine ungewöhnliche Art
der Verknöckerung (Metaplasie) statthndet, dies durch eine Abkürzung
der chondrostotischen Prozesse erklärt.
Gegenbaur (1898) legt dagegen auf die gemeinsame Bindegewebs-
hülle p keinen besonderen Wert, da es vorkomme, daß auch hetero-
genetische Anlagen, die sich sekundär zusammengefunden haben, von
einer solchen umschlossen werden. Dagegen vindiziert er der Zwischen-
schicht m die größte Bedeutung. Sie ist für ihn ein ontogenetischer
Beweis dafür, daß die Clavicula (Cleidium) in frühester Anlage mit
dem Procoracoid nichts zu thun hat, vielmehr ein dermaler Beleg-
knochen ist, welcher nur topographisch dem Knorpel nahe rückte ^).
Gerade umgekehrt wie bei Götte sind für Gegenbaur die Fälle,
in w^elchen die Clavicula (Cleidium) in das Procoracoid eindringt und
dasselbe durch peri- und enchondrale Ossifikation ersetzt (manche Anuren,
vielleicht manche Vögel, gewisse Säuger, s. u.) weitere Fort-
bildungen des Prozesses, welche • einen allmählichen Ersatz des Pro-
coracoides durch den ursprünglichen Belegknochen herbeiführen. Doch
gelten ihm gewisse Eigentümlichkeiten dieser höher entwickelten Formen
(frühes Auftreten der Ossifikation [7. Woche Homo] , metaplastischer
Typus) als Kennzeichen der besonderen Stellung der Ossifikation der
Clavicula gegenüber derjenigen der Coracoscapula.
Wenngleich Gegenbaur's Auffassung keine bindende ist, so ist
1) Götte fand auch zwischen dem Knorpel der Suprascapula und einem ihr
aufliegenden Knochenbelag eine ähnliche Zwischenschicht wie beim Procoracoid
(m Fig. 233b). Es ist daraus jedoch kein zwingender Einwand gegen Gege:nbauii's
Auffassung abzuleiten, da auch bei der isolierten Knochenbildung an der Supra-
scapula ein Belegknochen beteiligt sein könnte (Cleithrum oder Supracleithrale).
Jedenfalls steht fest, daß die dem Procoracoid m Lage und Entstehung nächst
stehende Partie des primären Schultergürtels, das Coracoid, die betreffende Zwischen-
schicht nicht besitzt.
Gegenbaur stützt seine Argumentation übrigens wesentlich auf die Ver-
gleichung der höheren Tiere mit den Fischen. Bei letzteren kommen in der Nach-
barschaft des Schultergürtels Belegknochen vor (Clavicula, Cleithrura, Supraclavicuiare,
Supracleithrale) , welche zum Teil zweifellose Integuraentalverknöcherungen sind.
Auch fossile Amphibien besaßen einen Hautpanzer (Stegocephalen), in welchem diese
Deckknochen wieder zu erkennen sind. Schließlich hat die Ansicht mehrerer Autoren
(Oken, Anonymus, Owen, Stannius, Rütimeyer, Huxley, W. Parker, Bou-
LENGER u. a.) Wahrscheinlichkeit, daß sie nämlich in dem Bauchschild der Schild-
kröten wiederkehren. (Bei diesen ist übrigens neben den Knochen des Bauchschildes
Ossifikation des Procoracoides vorhanden.) So ergiebt sich für Gegenbaur, Für-
bringer u. a. eine vergleichend-anatomische Reihe, welche aus successiven Stadien
eines fortschreitenden Ersatzes von Teilen des primären Schultergürtels durch
solche des sekundären besteht. Die Clavicula ersetzt zunächst das Procoracoid
und schließlich durch funktionelle Ausschaltung auch das Coracoid.
Der Versuch ontogenetischen Nachweises dieser Anschauung hat mit der
anderen Annahme zu rechnen, daß auch die übrigen Ossifikationen des Skelett-
systeras von Gegenbaur, Vrolik, Sagemehl u. a. in letzter Linie als ehemalige
Belegknochen angesprochen werden. Der Unterschied gegenüber Knochenbildungen
wie dem sekundären Schultergürtel, der hier in Frage steht, würde danach nur auf
einer graduellen zeitlichen Abstufung beruhen , indem jene primären Knochen in
weiter zurückliegenden Zeiten sich m Ersatzknochen umgewandelt haben als die
sekundären. Feine Unterschiede, wie diese, ontogenetisch zu erkennen, dazu reichen
gegebenen Falles unsere Beobachtungsmittel meist nicht aus, wie auch die Genese
der Schädelknochen vielfach erwiesen hat.
268 H. Braus,
doch eine wesentliche Stütze für dieselbe in der Yergleichiing ent-
wickelter Formen gegeben, so daß ihr die größere Wahrscheinlichkeit
zukommt (p. 207 Anm.).
Ich füge noch einige specielle Notizen über die Anlage der Clavi-
cula (Cleidium) bei A m n i o t e n hier bei.
Reptilien. Der Knochen legt sich entweder rinnenförmig an
(manche Saurier nach Gtöttk 1877, Wiedersheim 1892, Mülleu 11)00)
oder als cylindrischer Stab (Anguis nach Götte 1877, Lacerta nach
Wiedersheim 1892 , Sphenodon nach Schauinsland 1900). Er ver-
knöchert von allen Teilen des Schultergürtels zuerst. Grotte beschreibt
eine von dem Markraum aus erfolgende sekundäre Apposition von Knochen
und deutet diese als eine rudimentäre Art enchondraler Verknöcherung
(Hinweis auf ein Procoracoid als Grrundlage des Knochens vgl. p. 260).
Doch wird von Schauinsland bei Sphenodon diese Apposition vom Mark-
raum aus gänzlich in Abrede gestellt. — Obgleich fossile Krokodiliei-
eine Clavicula besaßen, ist bei recenten auch ontogeuetisch kein Rudi-
ment einer solchen gefunden worden.
Vögel. Auch hier wurde angegeben (Götte , C. K. Hoffmanx),
dal» die Anlage der Clavicula rinnenförmig sei. Neuerdings wird dies
in Abrede gestellt (Kulczvcki 1901). Es tindet sich außerdem im
mittleren Verbindungsstück der Claviculae jüngerer Tiere ein separater
Apophysenkern. Ob derselbe enchondral oder aus der rein binde-
gewebigen Clavicularanlage entsteht, ist noch nicht sicher, und ebenso-
wenig steht die Deutung dieses Knochenkernes fest ^).
Säuger. Das größte Postulat ist hier eine mit modernen Hilfs-
mitteln dui'chzuführende vergleichende Untersuchung des histiogenetischen
Aufbaues der Clavicula. Gegexbaur (1864, 1865) fand eine Metaplasie
des Knorpels in Knochen an der Clavicularanlage von Homo. G<)tti<:
(1877) und C. K. Hoffmaxx (1879) trafen bei anderen Säugern (Lepus,
Mus, Talpa etc.) viel mehr Knorpelgewebe als beim Menschen an,
leugnen jedoch für diese Tiere eine Metaplasie.
Bei Säugern mit rein pendeiförmiger Bewegung der vorderen Ex-
tremität ist meist die Clavicula rückgebildet. Auch beim Menschen
kommen angeborene, manchmal erbliche Defekte vor.
E pistern um. Es bestellt hier ein im einzelnen noch vielfach
ungelöstes Problem , bei welchem uns derselbe Widerstreit dej-
Meinungen wie bei dem Thema der Clavicula entgegentritt, Götte
faßt die Ossifikation als Ersatz knochen auf rudimentärer knorpe-
liger Basis, Gegenbaur als Belegknochen auf. Beiden sind viele
andere Autoren gefolgt ^),
1) Er wurde von Huxley u. a. Hypocleidium genannt. W. K. Parker be-
trachtet ihn als Homologon des Episternum. Doch erheben Lindsay, Gadow,
Gegenbaur, Fürbringer, Kulczycki u. a. dagegen Einspruch. Die letzteren
Autoren sehen in dem spat auftretenden , variablen Knochenkern eine sekun-
däre, accessurische Ossifikation.
2) Götte und mit ihm C. K. Hoffmann, Wiedersheim u. a. leiten die von
ihnen als Knorpelrudiinent betrachteten paarigen Mesenchymstreifen (Fig. 2S0c **)
von den sternalen Enden der Clavicularanlagen ab und erblicken deshalb im späteren
unpaaren Kpisternalknochen ein abgegliedertes Konkrescenzprodukt beider pri-
märer Öchultergürtel. Für Gegenbaur, FtJiiBRiNGER u. a. ist das Episternum
das Homologon eines unpaaren Hautknochens gewisser Fische (Ganoiden, Crosso-
pterygier), fossiler Amphibien (Stegocephalen) und Reptilien (z. B. Palaeohatteriai
und der recenten Schildkröten (Entoplastron des Bauchschildes), welches sich als
„dermales" Sternum der dermalen Clavicula hinzugesellt hat. Clavicula und Epi-
sternum bilden nach ihnen den dermalen Brustschulterapparat und entstehen
Entw. d. Form d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts. 289
Es erscheint aber eine noch weitere, dem Episternumprobleni
eigentümliche Schwierigkeit, welche in den Beziehungen zu gelegent-
lich vorkommenden knorpeligen Grundlagen besteht. Götte und
C. K. Hoffmann glaubten allerdings, daß diese sämtlich Abgliede-
rungen der knorpeligen Grundlage der Clavicula, also des Procora-
coides seien (Praeclavium). Es ist jedoch höchst wahrscheinlich,
daß außer solchen (deren Vorkommen als Knorpel nicht ein-
mal völlig sicher ist) weitere Knorpelanlagen (bei Amphibien und
Mammaliern) vorkommen, welche zum primären Sternum gehören
(Prosternum). Es fi'agt sich, ob trotzdem das Episternum ein ein-
heitlicher Knochen ist, welcher bei den einen Vertebraten Beziehungen
zu Abgliederungen des Procoracoides, bei anderen zu solchen des
Sternum gewonnen hätte. Dies wäre nach Gegenbaur's Hypothese
ebenso gut möglich, wie ein völliges Fernbleiben des Belegknochens
von allen Knorpelbildungen, Es könnte sich aber auch um ver-
schiedene Belegknochen handeln. Nach Götte's Ansicht müßten
in allen Fällen gänzlich verschiedene- Ossifikationen vorliegen.
Es erscheint mir deshalb zweckmäßig, das Wort Episternum
(s. Interclavicula, vgl. p. 257, Anm. 2) in solchen Fällen, in welchen
eine bestimmte lokale Beziehung zu Knorpelanlagen nachgewiesen
ist oder angenommen wird, mit Beiwörtern zu versehen, mit diesen
jedoch keine histiogenetische Bedeutung zu verbinden. So
nenne ich die Episternalanlage, welche in lokaler Beziehung zu
knorpeligen Schultergürtelteilen getroffen wird , zonales Epi-
sternum; diejenige, welche dem knorpeligen Sternalapparat als
Abkömmling der Rippen vergesellschaftet ist, costales Epi-
steinum; Episternum schlechthin bleibt dann reserviert für
solche Anlagen, welche isoliert für sich auftreten.
Ich wende mich zu den einzelnen Befunden ' ).
Reptilien. Bei Spheuodon wurde keinerlei Beziehung des Epi-
sternum zu Knorpelanlagen gefunden (Schauii^sland 190Ü. 1903,
HowES and Swinnerton 1902). Es entwickelt sich in einem
Mesenchjmstreifen, welcher vom Acromialfortsatz der einen Scapula
zu demjenigen der anderen zieht (Fig. 229a c/, p. 258), und in
welchem seitlich jederseits die Ossifikation der Clavicula (Clei-
dium) erfolgt, etwas später als diese ein völlig isolierter, median
liegender Knochenherd, welcher kaudalwärts in der Medianlinie aus-
wächst. Es ist dies die Anlage des Episternum (Fig. 2,-Ua Ep).
Schauinsland (1. c.) giebt an. daß trotz der Einheitlichkeit der An-
lage Spuren einer Bilateralität zu bemerken seien, die später noch in
einer medianen Rinne des Knochens sich erhielten. Doch ist eine
solche Bedeutung derartiger Merkmale allemal zweifelhaft "-). Kurz
nach dem Auftreten des Episternum wachsen vom kranialen Ende
outogenetisch als Belegknochen ; Coracoscapula (mit Procoracoid) und Sternum da-
gegen sind Teile des knor2:)elig präformlcrten, also primären Brustschulterapparates
und treten infolgedessen als Ersatzknochen auf.
1) Bei anuren Amphibien (Rana) verwachsen die beiden knorpeligen
Prosternalia (vgl. p. 257). Die Ossifikation, welche sich bildet, ist ein costales
Episternum. Nach Wiedersheim (1892) und Lignitz (1897) ist es ein Ersatz-
knochen.
2)_ Götte (1877, p. 51;")), Wiedersheim (1892, p. 227) und Müller (1900), p. 7
beschreiben bei iSauriern eine völlig getrennte paarige Anlage des Episternum
(entgegen älteren Befunden von Rathke 1850, p. 23). Bei fossilen Sauriern ist das
dermale Episternum stets unpaar.
270
H. Braus,
Fortsätze auf die Clavicularkiiochen (Cleidia) zu. ludem sich auch
letztere in der Richtung auf jene verlängern, kommt es zur Be-
rühiiing (Fig. 2o4b) und bei erwachsenen Tieren auch manchmal zui-
Csc -
E
Fig. 234. Zwei mittlere Stadien der Entwickelung des Schulterapparates von
Sphenodon. esc Coracoscapula. cl Clavicula. ep Episternum. St Sternum. R Rippen,
Nach Schauinsland.
Synostose dieser Knochen. Die Konkrescenz ist also hier in der
Ontogenese etwas Sekundäres.
iSiacli diesen Beobachtungen haben wir es bei Sphenodon mit einem
Episternum schlechthin 7a\ thun. Bei Eidechsen haben jedoch
GöTTE, C. K. Hoffmann und Wiedehsheim ein indifferentes Mesen-
chym, um welches sich der Knochen rinnenförmig anlegt, beschrieben
und dies als Knorpelrudiment gedeutet. Da der betreifende Mesenchym-
streifen (Eig. 230c **, p. 258) mit der ebenfalls als Knorpelrudiment
bezeichneten Mesenchymleiste der Clavicula zusammenhängt, wird von
jenen Aiitoren weiterhin behauptet, daß das Episternum der Reptilien
der Ersatzknochen eines Schultergürtelabkömmlings sei. Müllek (^1900)
findet jedoch bei Anguis, daß hier das Episternum viel früher auftritt,
als G(')TTE angab, und zwar b ev o r die Clavicidaranlagen bis zur Median-
linie des Körjjers vorgedrungen sind. Auch W. K. Parker (18G8, p. 09)
und Leydkj (1872, p. 35) hielten die Episternalanlagen für selbständig.
Vögel. Von W. K. Parker ist ein zonales Episternum angegeben
worden. Doch ist dieses sehr zweifelhaft (vgl. p. 262)
Säuger. Bei Monotremen scheinen zonale und costale Episterna
nebeneinander vorzukommen. Unsere entwickelungsgeschichtlichen Kennt-
nisse sind jedoch hier noch lückenhaft (vgl. p. 263).
ß. Die Entwickelung des Beckens.
Die Entwickelung des Beckens veidäuft Ijei allen Wirbeltieren in
einfacher, übersichtlicher Weise. Es bestehen deshalb auf diesem
Gebiet keine so einschneidenden Kontroversen wie bei dem vorher-
gehenden Abschnitt. Vielmehr sind gerade durch die ontogenetisclie
' Behandlung einige früher strittige Fundamentalfragen (Pubis der ^'ögel
etc. betreffend) zu einer glücklichen Lösung geführt worden. Im
Detail bedarf freilich noch manches genauerer Durcharbeitung.
F rü beste Anlagen (Vorknorpel und Knorpel). Wie
beim Schultergürtel erfolgt die vorknori)elige Anlage des Beckens in
der rechten und linken Körperhälfte in einem Guß und zwar in cou-
tinuo mit dem Skelett der freien (iliedmaße. Erst später wachsen
n
Entw. d. Form d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts. 271
die Fortsätze, welche vom glenoidalen Teil des Elementes dorsal- und
ventralwärts fortschreiten (Fig. 235, //., Isch., Pub.), soweit ans, daß
es in der ventralen Medianlinie zur Symphysenbilduug kommt (sofern
eine solche nicht ausbleibt wie z. B. fast stets bei Vögeln) und daß
später Verbindung mit dem Achsenskelett und dessen Anhängen
(Rippen. Wirbelfortsätzen oder Sacral wirbeln selbst) gewonnen wird.
Die erste Sonderung erinnert insofern an die Erühdifferenzierung
des Beckenbogens bei Eischen, als die Ausgestaltung des dorsalen
Teiles (Ileum) mit all seinen Besonderheiten erst spät auftritt, die Früh-
form dagegen übereinstimmt mit dem einfachen dorsalen Fortsatz des
pterygialen Beckens. Da letzterer bei Knorpelfischen fast stets reduziert
wird, sind die ausgebildeten Formen des Beckens bei Land- und Wasser-
tieren auf entgegengesetzten Entwickelungsbahnen fixiert. Bei terrestren
Tieren speciell ist die Verbindung des Ileum mit dem Sacrum wohl eine
Folge der erhöhten Inanspruchnahme der Ex-
tremität als Stützorgan, da sie in erster Linie
beim Vorw^ärtsschieben des Körpers Verwen- )ii^.
düng findet. — Die ventrale Vereinigung der l^^^i.
Beckenplatten bei Fischen ist viel ausgeprägter ^l^s^Ppi Puh
Fig. 235. Vorknorpelige Beckenanlage eines Vogel- hch_i^0 \ ■'"^j;
embryos (Podiceps cornutus). 11 Proc. iliacus. Isch ' 'i^^
Proc. ischiadicus. Pub Proc. pubicus. Cd Canalis dia- C'.c/
zonalis. Nach Mehnert.
als bei Tetrapoden. Bei letzteren findet dagegen eine Spaltung dieser
Zone statt (Fig. 235, Pub. und Isch.). Ueber diese s. w. u.
Die Chondrifikation setzt mit separaten Centren innerhalb
des einheitlichen Vorknorpelstratums ein. In weitaus den meisten
Fällen ^) wird für jedes Beckenantimer eine gesonderte Anlage ange-
geben, so daß symphysäre Synchondrosen erst sekundär zu stände
kommen (wenn überhaupt solche sich bilden). Innerhalb einer jeden
Körperhälfte selbst herrscht noch Unsicherheit über die Lokalisation
der frühen Knorpelcentren. Bei Amphibien und Reptilien werden
von verscliiedenen Autoren "-) entweder e in einheitliches Centrum oder
1) Gelegentlich, wie in dem von Mehnert (1897, p. 70) beschriebenen Fall von
Emys lutaria taurica, kann auch der Knorpel (und selbst der Vorknorpel) beider
Beckenhälften von vornherein als eine Einheit auftreten. Die Symphysen konkrescenz
ist dann in der Ontogenie übersprungen (Konnascenz); denn bei nah verwandten
Tieren findet sich der übliche Gang, bei welchem anfänglich getrennte Anlagen erst
sekundär verschmelzen.
2) Einen einheitlichen Beckenknorpel fanden jederseits bei Amphibien (Triton)
Bunge (1880), bei ßhynchocephaliern (Sphenodonj Bchauinsland (1!)00, 1903), Ho-
wes and Swinnerton (1901,1902) bei Chelnniern und Crocodiliern Kathke (A. L.
III^ 1848), bei Lacertiliern Bttnge (1880). A.Johnson (1884, p. 13) hat auch beim
Hühnchen eine einheitliche Anlage gesehen. Wiedersheim (1892) giebt dagegen für
Urodelen (Species?) an, daß successive zwei getrennte Knori^elcentren auftreten, das
erste im ventralen Teil(Puboischium), das zweite im dorsalen Teil (Ileum) der Becken-
anlagp. Mehnert (1890) fand bei Emys eine separate Anlage des Ileumknorpels.
Aber auch Ischium- und JPubisknorpel waren an ihrem acetabularen Ende voneinander
isoliert (über die Konkrescenz in der Bauchmittellinie siehe Anm. 1). Wiedersheim
(1889, 1892) wiederum hat bei anderen Schildkröten (Chelone imbr.) drei völlig isolierte
Knorpel gesehen. Dasselbe fand dieser Autor bei Lacertilier- und Crocodilembryonen. —
Bei Vögeln ist das Hühnchen besonders lehrreich. Es scheinen hier alle 3 Möglichkeiten
vorzukommen: 1) einheitliche Anlage, A. Johnson (1884), siehe oben ; 2) zwei Centren
(eines im Pubis, eines für Ischium + Ileum), A. Bunge (1880), Mehnert (1888)
(letzterer für die Mehrzahl der Fälle); 3) drei separate Centren (für Ischium, Pubis
272 H. Braus,
mehrere separate Kuorpelpimkte beschrieben. Bezüglich der V ö gel
und Säuger herrscht in der Litteratur -) ziemliche Uebereinstimmmung
darin, daß mehrere frühe Centren diskontinuierlich auftreten.
Doch schwanken die Angaben über Zahl und Lage derselben je nach
der untersuchten Species (und sogar individuell) oft beträchtlich, wie
namentlich bei Vögeln durch Mehnert (1888) nachgewiesen wurde.
Es fragt sich, ob nicht auch bei Amphibien und Reptilien derartige
Schwankungen vorkommen und die Ditferenzen der Befunde zum Teil
erklären. Jedenfalls kann ich den Avechselnden Centrierungen des
Knorpels hier ebensowenig wie anderswo eine besondere phylogene-
tische Bedeutung beimessen.
lieber die zeitliche Differenz zwischen der Anlage des Beckens und der-
jenigen des Femur existieren auch recht verschiedene (und dabei in der
Litteratur sehr verstreute) Angaben. Ich hebe hervor, daß Wiedersheiji
(1892) sowohl für das Vorknorpel- wie das Knorpelstadium betont, es lege
sich allemale das distale Extremitätenskelett früher an als das Becken, daß er
bei der Chondrifikation sogar in einigen Fällen (Anuren, Crocodilier) im
Unterschenkel früher hyaline Grundsubstanz beschreibt als im Becken.
Im Einzelfall stimmen andere Autoren (z. B. Mehnert) damit überein.
Strasser (1879, p. 296) dagegen sah bei Urodelen den Beckenknorpel
früher auftreten als den Femurknorpel. Vielfach wird auch die Früh-
anlage von Becken und distalen Skelettteilen als synchron beschi-ieben.
Jedenfalls scheint das zeitliche V^orangehen distaler Teile in der Diffe-
renzierung, welches bei der vorderen Extremität selten ist, bei der hin-
teren häufiger aufzutreten.
Forment Wickel u ng des Beckens. Amphibien. Anfangs
bildet sich eine einheitliche, ventral gelegene Platte. Bei Urodelen
schließt dieselbe später beim Herabwachsen nach der Bauchmittellinie
hin den Nervus diazonalis (obturatorius) ein ^), während sie bei Anuren
und IJeura), Mehnert (1888) (iu einem Falle). Bei allen untersuchten wildlebenden
Vögeln fand Mehnert 1. c. drei isolierte Centren ; dasselbe gaben W. K. Parker
(1868) und Wiedersheim (18!)2) an. Zehnter (1890, p. 30) findet bei Cypselus
einen einheitlichen Knorpelkern für Pubis -f Ischium. — Bei Manimaliern ist in
vielen Fällen die Anlage dreier isolierter Centren gefunden worden [Schaf, Katze,
Kaninchen und Maus, s. Mehnert (1889), Wiedersheim (1892)], beim Menschen da-
gegen ein separater Knorpelkern für das Pubis und ein zweiter für Ileum -f Ischiuni
(E. Rosenberg 187(3, A. Bunge 1880). Petersen 1893 fand auch bei Homo drei
separate Centren.
Bei separaten Knorpelkernen erfolgt später regelmäßig eine Verwachsung zu
einem einheitlichen Ganzen. Dabei sind die mannigfachsten Variationen beobachtet,
sei es, daß die Konkrescenz synchron erfolgt oder bald dieser, bald jener Chondri-
fikationspunkt sich zuerst mit seinem Nachbar verbindet.
Die Bedeutung, welche Mehnert (1889, p. 108) dem isolierten Auftreten
dreier sejDarater Knorpelkerne bei so versclüedenen Tiergruppen wie Vögeln und
Säugern zuschrieb, kann ich angesichts dieser großen Variabilität nicht anerkennen
und seinen Schluß nicht teilen, daß diese Dreiteilung von der Staninigruppe der
Amnioten herrühre und sich aus Zusammensetzung des Beckens derselben aus drei
Strahlen herleite. Mit ähnlichem Rechte könnten alle diskreten Knorpelcentren der
Querglieder in den Radien der Fischflossen, die einzelnen Chondrifikationspunkte des
Schädels u. dergl. m. phyletisches Bürgerrecht beanspruchen. Die Einheitlichkeit der
Knorpelanlage, welche Mehnert irriger Weise als caenogenetische Konnascenz deutet,
ist für mich, entsprechend dem einheitlichen v or knorp eligen Stadium bei
allen Vertebraten und entsprechend dem einheitlichen knorpeligen Stadium
bei den Fischen das primitive Ausgangsstadium. Die separierte Verteilung des Knorpels
tritt um so regelmäßiger in der Üntogenie auf, je differenzierter die Bestandteile des
Beckens sich gestalten (höhere Amnioten). Auch dies deutet auf das Sekundäre dieses
Prozesses.
1) A. Bunge 1880, Mehnert 1890, Wiedersheim 1892, A.
Entw. d. Form d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts. 27^)
eiiilieitlich bleibt (die Nerven verlaufen hier sämtlich prä- oder post-
zonal). Die Vereinigung der beiderseitigen Beckenanlagen in der
Medianlinie erfolgt manchmal inkomplett oder gar nicht, in den meisten
Phallen jedoch wohl und zwar bei Urodelen kranio-kaudalwärts fort-
schreitend, bei Anuren gerade in umgekehrter Richtung. Die ein-
heitliche Knorpelplatte wächst nach oben in einen dorsalen, an einer
Sacralrippe Befestigung gewinnenden Fortsatz, die Pars iliaca, aus.
Bei der Ossifikation kommt ein separater Knochenherd im
Ileum und ebenfalls nur ein einziger in der ventralen Platte, speciell
im kaudalen Teil derselben zur Anlage. Die ganze vordere (kraniale)
Partie der letzteren erhält sich in den meisten Fällen als hyaliner
Knorpel. Bei Urodelen ist der Nerv von solchem umgeben. Alle
Ossifikationen sind reine Ersatzknochen. Belegknochen wurden nicht
beobachtet.
Man betrachtet jetzt wohl allgemein die einheitliche ventrale Partie
des Amphibienbeckens als Homologon der Pars pubica + Pars ischi-
adica des Beckens höherer Formen und den konstanten Knochenkern im
kaudalen Teil als Beginn der Differenzierung eines Ischium ^).
Reptilien-). Die Formentwickelung verläuft in derselben Weise
wie bei Amphibien. Statt eines ventralen Fortsatzes entstehen jedoch
von vornherein deren zwei, ein kranialer Processus pubicus und ein
kaudaler Proc. ischiadicus. Sie sind durch die Incisura pubo-ischi-
adica voneinander getrennt (Fig. 236a). Bei Lacertiliern bleibt die
^\oht ' " ^
Pub
\ \ \ \ '
-/-- Pub
Isch Jpf
Isc/i Jpi
Fig. 236. Zwei Stadien der Beckenentwickelung von Lacerta vivipara. Zeicheu-
erkl. siehe Fig. 235. N.obt. Nervus obturatorius. Ipi. Incisura pubo-ischiadica. fein
Femur. Nach Bunge.
Incisur als solche zeitlebens bestehen. Doch ändert das Pubis seine
anfangs transversale Stellung (Fig. 2o6a) derart, daß es später schräg
kranialwärts mit dem freien ventralen Ende verschoben ist (Fig. 2o(3b).
Die Incisura pubo-ischiadica wird dadurch erweitert. Zwischen den
gleichnamigen Beckenbestandteilen der beiden Körperhälften tritt zu-
letzt eine symphysäre Synchondrose hinzu. Bei Sphenodon schließt
sich an die Symphysenbildung das Ausw^achsen medianer Fortsätze an.
welche in der Incisur einander zugewendet sind (Fig. 237). Schließlich
treten sie nach Schauinsland durch ein Ligament miteinander in
Verbindung. Bei Landschildkröten geht der Prozeß noch weiter. Im
1) Aeltere Auffassungen, welche in der ventralen Beckenpartie lediglich ein
Ischium erblicken wollten, sind auch von ihren ursprünglichen Vertretern verlassen.
2) Ich folge A. Bunge (1880) für Lacertilier, Schauinsland (1900, 1903) und
HowES and Swinnerton (1901, 1902) für Sphenodon, Mehnert (1890) für Schild-
kröten.
Handbuch der lintwickelungslehre. III. 2. 18
274
H. Braus,
Anschluß an ein freies getrenntes Herabwachsen von Pubis und Ischiuni
(Fig. 2:58a) erfolgt ein Zusammenschluß beider Teile in der Median -
oss
Fig. 238.
Pub
R.ac
Isch
oss
Fig. 287. Drei ältere Ent-
wickelungsstadien des Beckens
von Sphenodon. Das Ileuni
künstlich nach abwärts ge-
bogen. Zeichenerkl. wie bei
den vorigen, b Bindegewebige
Zwischenstücke zwischen Pu-
bes und Ischia. fpi Foramen
pubo-ischiadicum. oxs Ossi-
fikationscentren. tri Tren-
nungslinie zwischen Pubis und
Ischium. tre dasselbe zwischen
Ileuni und Puboischium. hi Hypoischium, Imjy Ligamentum medianum pelvis. Nach
Schauinsland.
Fig. 238. Anfangs- und Endstadium der Beckenentwickelung von Emys lutaria.
Zeichenerkl. siehe vorige Figg. unrl Text. E. ac Regio acetabuli (noch aus Vor-
knorpel bestehend). Nach Mehnert.
linie durch eine breite, hyalinknorpelige Spange ^) (Fig. 2oSb, Sept.
med.). Dasselbe ist nach Howes and Swinnerton (1901) auch bei
Sphenodonembryonen der Fall.
In der späteren Entwickelung treten bei Reptilien allgemein drei
Ossifikationsherde auf, je einer im Ischium, Pubis und Ileuni. Sie
entwickeln sich als typische Ersatzknochen. Belegknochen linden sich
nicht.
Der Nervus diazonalis (s. obturatorius) wird bei Lacerta von dem
herabwachsenden Processus pubicus umschlossen und liegt hier (auch
1) Bei Seeschildkröten bleibt die Incisura puboischiadica zeitlebens bestehen. —
Bei Crocodiliern lös^t sich sekundär der Processus pubicus am acctabularen Ende aus
dem gemeinsamen Beckenknorpel heraus, so daß nach erfolgter Ossifikation llenm
und Ischium allein die Pfanne l)ilden.
Entw. d. Form d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts. 275
bei Sphenoclon) iu einem besonderen Canalis diazonalis^) (Fig. 236, 237).
Bei Scliildki'öten dagegen liegt der Nerv von vornherein in der In-
cisnra (bezw. Foramen) pubo-ischiadica. Ein besonderer Canalis
diazonalis kommt hier nicht zur Anlage. Es ist bisher kein onto-
genetisches Faktum bekannt, aus Melchem zu ersehen wäre, ob der
Canalis diazonalis sich ursprünglich von der Incisura pubo-ischiadica
ablöste und dadurch selbständig wurde (Lacertilier, Rhynchocephalier.
Krokodile), oder ob umgekehrt ein anfänglich selbständiger Canalis
diazonalis sich nachträglich mit der Incisur vereinigte (Schildkröten).
Da eine Verschiebung von Nervenkanälen im Extremitätengürtel der
Fische ontogenetisch bekannt ist (p. 201, Anm. 2) und bei ReptiHen der
fragliche Nerv in verschiedenen Entwickelungsphasen eine differente Lage
zum Becken einnimmt (Fig. 236a, b), so ist durchaus die Möglichkei t
einer Beziehung zwischen Canalis diazonalis und Incisura puboischiadica
vorhanden. Ich halte es für verfehlt, wie Bunue (1880) u. v. a. thun,
aus dem ontogenetischen Faktum, daß bei Lacerta der Kanal außerhalb
der Incisura puboischiadica entsteht, den Schluß zu ziehen, daß auch
phylogenetisch keine Beziehung bestanden haben könne. Das Gleiche gilt
für die weiteren, darauf fußenden Ableitungen, daß nämlich der Canalis
diazonalis ausschließlich homolog dem Nervenkanal der Urodelen, die Incisura
puboisch. dagegen eine den Amnioten eigene Neubildung sei. Ebensogut
wäre es möglich, daß sich das Nervenloch der Urodelen, welches übrigens
gerade so wie das For. puboisch. durch Herab wachsen des Skelettes
zu Seiten des Nei'venstammes und nachträgliches Umschließen desselben
entsteht, in dieser Eutwickelungsphase von vornherein erweitert und sich
dadurch zur Incisura puboisch. und später zum gleichnamigen Foramen
umgestaltet hätte. Der Nerv selbst könnte dann bei anderen Reptilien
seine eigene Bahn eingeschlagen haben. Die Ontogenese läßt das zur
Zeit im Dunkeln: sie entscheidet speciell die Frage nicht im Sinne der
ersteren Annahme ^).
Vögel. Auch hier ist. wie bei Reptilien, der dreistrahlige Typus
(Proc. iliacus, pubicus und ischiadicus) der Frühanlage des Beckens
sehr deutlich. Während der Verknorpelung erleidet jedoch das
Pubis eine Drehung um sein acetabulares Ende, so daß der Fort-
1) Da es sich um ein durchgängiges Nervenloch handelt, vermeide ich den oft
gebrauchten Ausdruck Canalis obturatorius.
2) Der eigentümliche Befund beim Pubis der ausgebildeten Crocodilier, welches
dort als separater Knochen besteht, hat eine Zeit lang viele Autoren veranlaßt,
das oben als Ischium bezeichnete Skelettstück als Pubis oder Pubo-Ischium zu
deuten, den isolierten Knochenstab jedoch als ein den Reptilien eigentümliches
Gebilde aufzufassen (GoRSKi, M. Fürbringer, Leydig, Seeley, Baur). Das
letztere wurde wieder in verschiedener Weise abgeleitet (als Fortsatz des Ileum,
Os pyramidale etc). Die von Cuvier bereits vertretene, dann von C. K. Hoffmann,
Bunge, Mehnert, neuerdings auch von Wiedersheim und Gegenbaur acceptierte
Auffassung, welcher ich oben gefolgt bin, sieht bei allen Reptilien in den fraghchen
Teilen ein Pubis und Ischuuu. Denn in der frühesten Anlage verhalten sie sich völlig
gleich. — Bei fossilen Reptilien (Dinosauriern) ist ein dritter ventraler Fortsatz des
Beckens vorhanden, welcher wegen der auch bei Vögeln vorkommenden Dreizahl be-
sondere Beachtung gefunden hat. Er wird als Auswuchs der Pubis gedeutet und, je
nachdem der vorderste oder mittlere der drei Fortsätze als ursprüngliches Pubis auf-
gefaßt wird, Postpubis iMarsh 1878, 1881, 1894 B etc.) oder Präpubis is. Proc
pubis anterior, s. Proc. pectineus, Hiixley 1888, Dames 1897) genannt. Die onto-
genetischen Verhältnisse der Vögel haben gelehrt, daß der 3. ventrale Beckonfort-
satz der letzteren nicht auf die Organisation bei Dinosauriern, wie man diese auch
deuten möge, zurückführbar ist, da sich bei Vögeln der dritte Fortsatz vom Ileuni
aus entwickelt.
18*
276
H. Braus,
satz später kaudal wärts gerichtet ist. In Fig. 239 ist aus dem ur-
sprünglich (wie in Fig. 235) nach vorn kraniahvärts verhiufenden Stal)
Fab bereits ein transversal liegender, in Fig. 240c ein kaudalwärts ge-
richteter [c] geworden. Es kann schließlich das Pubis mit dem Ischium
partiell verschmelzen und dadurch zwischen ihnen ein Foramen pubo-
ischiadicum (wie bei den Reptilien) entstehen.
In der späteren Entwickehmg bildet sich noch ein ventraler Fort-
satz des Ileum (eine Spina ilei), welcher vielfach für das eigentliche
Pubis gehalten wurde. Doch redet hier die Entwickelung eine un-
zweideutige Sprache. Es ist ein zunächst vor kn or p el iger Aus-
Fig. 239.
11
■■■■■■■-%.
Fem - - '4
Isch
Fig. 239. Becken von Larus ridibun-
dus mit Knorpelcentren. Nach Mehxert.
Fig. 240. Beckenskelett eines Vogel-
embryos (a), emes fossilen Dinosauriers (b)
lind eines ausgewachsenen Vogels (c).
Zeichenerklärung s. Anm. 1 (a und c nach
Mehnert, h nach Marsh)').
wuchs des Ileum. der auch vom Ile-
um aus V e r k n 0 r p e 1 1. Schließlich
geht auch die Ossifikation, wie übri-
gens schon lange bekannt war, vom
Ileum aus. Verbindungen mit dem
Pubis bei Carinaten kommen in der
Entwickelung erst nachträglich zu
Stande.
Dagegen kommt bei Ratiten
außer dem Fortsatz des Ileum noch
ein solcher des Pubis vor (Mivart
1880, Sab ATIER 1880, Mehnert 1888).
1) Die äußere Aehnlichkeit des Beckens der Dinosaurier und ausgewachsenen
Vögel brachte viele Autoren (Hulke, Marsh, Huxley u. a.) dazu, den Fortsatz c
mit y' (Fig. 240b und c) zu liomologisieren und in der kleinen Spina d einen Rest des
bei Dinosauriern wohlentwickelten Fortsatzes y zu sehen. Marsh, der y als Pubis,
y' als Postpubis bezeichnet (s. Anm. 2, p. 275), glaubt deshalb, daß bei recenten Reptilien
(Fig. 240a) das Postpubis rudimentär und lediglich das Pubis entwickelt sei, daß bei
Vögeln andererseits (Fig. 240c) das Pubis bis auf den kleinen Fortsatz d unterdrückt und
hauptsächlich das Postpubis ausgebildet sei. Diese Hypothese ist widerlegt durch den
Nachweis von Bunge (1880) und Mehnert (1888) (mit welchen in der thatsächlichen
Beobachtung auch A. Johnson 1883 übereinstimmt), daß in der Ontogenese anfäng-
lich das Pubis in der Lage von C wie bei Reptilien (Fig. 24Üa) auswächst, dann aber
nach hinten rotiert und dadurch in den Fortsatz c (Fig. 240c) successive verwandelt
wird. Ich folgte deshalb oben der Darstellung der letztgenannten Autoreu, insbe-
sondere Mehnert, welche die ältere Auffassung von Meckel (1825) und Cuvier (1835)
wieder herstellte.
Entw. d. rorm d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts.
1>77
Es ist noch nicht ontogenetisch
Auswuchs des Ileum vereinigt einen
bildet. Bai-r (1885, p. 614) hat es aus
untersucht, ob
vorderen
einer
dieser etwa
Fortsatz des
Trennungslinie
Fortsatzes beim Carinaten-
sichten derjenigen Autoren,
des Pubis an dem Aufbau
mit dem
Beckens
in dem
fraglichen Gebilde eines jungen Kasuar geschlossen, Mehxert (1888,
p. 282) ist dagegen mehr für eine komplette Homologie des vorderen
und Ratitenbecken eingetreten. Auf die An-
welche auch bei Carinaten eine Beteiligung
des vorderen Fortsatzes behaupten oder in
letzterem einen selbständigen vierten Beckenbestandteil erblicken, gehe
ich nicht ein, da mir die genealogische Ableitung durch die Ontogenie
in der oben dargelegten Weise hinreichend geklärt erscheint.
Sekundär vergrößert sich das Ileum der Vögel außerordentlich
und gewinnt, um den aufrechten Gang zu ermöglichen, eine sehr
breite, prä- und postacetabulare Verbindung mit der Wirbelsäule. Die
mit den einheitlichen Ilea beiderseits zusammenhängenden Wirbel
verschmelzen, sobald sie durch diesen Zusammenhang die Möglichkeit,
sich gegeneinander zu bewegen, verloren haben. Die ausgewachsene
Form zeigt hier noch mannigfaltige andere hohe
Differenzierungen.
Fig. 241.
Fig. 242.
R.un '
II
R.ac
Isdi
N.obt
Pub
R.hif
Pub
Fig. 241. Zwei Stadien der ßeckenentwickelung beim Schaf. Nach Mehnert.
11 Ileuni^. R.sup und inf.pub auf- und absteigender Schambeinast. R.un.isch Ramus
imiens ischii. R.ac Regio acetabuli.
Fig. 242. Beckenanlage eines Kaninchenembryos. Nach Mehnert.
Säuger. Wie bei allen Amnioten entsendet die Beckenanlage
einen dorsalen Fortsatz (Ileum) und zwei ventrale (Ischium und Pubis
[Fig. 241a]). Die beiden ventralen vereinigen sich nachträglich in der
Art, daß vom ventralen Ende des Ischium ein Fortsatz auf das von
Anfang an kaudalwärts gebogene Pubis auswächst und mit ihm (häutig
nur inkomplett) verschmilzt (Fig. 241b). Mehnert (1898), dem ich
in der Beschreibung folge, nannte den Auswuchs Ramus uniens ischii.
Bei Vögeln und Säugern ist der Nervus diazonalis (s. obturatorius)
von vornherein in der Incisura pubo-ischiadica (bezw. in dem gleich-
namigen Foramen) gelegen.
Die Vereinigung der drei Knorpelstrahlen im Acetabulum erfolgt
mit besonderen Fortsätzen, welche teils dünne Platten sind und den
Boden der späteren Pfanne bilden, teils dickere Wülste darstellen und
sich zum Pfannenrand ausgestalten. Während bei Vögeln auch zwischen
Pubis und Ischium Wülste auftreten, fehlen sie hier bei Säugern.
278 H. Braus,
Der Ausfall bewirkt die Incisur. welche das Ligamentum teres in sich
einschließt (bei Monotremen jedoch kompletter Pfannenrand).
Von Welckek ist bekanntlich die Entstehung der Incisur im Pfannen-
rand und die Einwanderung des Ligamentum teres in das Acetabulnm als
Folge der veränderten Körperstellung bezeichnet worden. Die onto-
genetischen Thatsachen verraten zur Zeit von einem solchen Kausal-
nexus nichts, da im wesentlichen der fertige Zustand von vornherein
zur Anlage kommt.
Beim Kaninchen ist das Pubis schon in der ersten Anlage vom
Hüftgelenk ausgeschlossen (Fig. 242). Die Selbständigkeit erinnert an
ähnliche Verhältnisse bei Krokodilen (s. o.), ohne daß deshalb eine
genetische Beziehung anzunehmen wäre (Geoenbaur dachte an eine solche,
hält aber neuerdings [1898, p. 561] die Uebereinstimmung für eine
Konvergenzerscheinung).
Die Ossifikation des Beckens liefert, wie bei allen übrigen Amnioten,
den typischen Ersatzknochen, der an '^ Punkten (Os ilei, ischii, pubis)
separat auftritt. Ueber die zeitliche Folge beim Menschen und die
zahlreichen sekundären Ossifikationen vergl. Lehrbücher d. Entw. des
Menschen und Röntgenlitt. (z. B. Lambertz 1900, Bade 11»00).
Bei Reduktionen des Beckens bleiben die ventralen Teile (Pubis
und Ischium) am längsten erhalten (Cetaceen, Sirenen), wohl als Folge
von Beziehungen zum Genitalapparat ^).
Vergleich der Becken- und S c h u 1 1 e r g ü r t e 1 e n t -
Wickelung. Wenn wir einen kurzen Rückblick auf die wesentlichen,
in den vorhei'geheuden Kapiteln mitgeteilten Thatsachen werfen (ohne
hier auf die kritische Beurteilung des einzelnen zurückzukommen), so
ergiebt sich eine sehr ausgesprochene Parallelität zwischen der Ent-
wickelung des Schultergürtels und Beckens. Die vorkuorpelige Anlage
ist bei beiden eine einheitliche, und von der primären glenoidalen
Partie wird dorsalwärts e i n Fortsatz (Scapula-Ileum), ventralwärts
deren zwei (Coracoid-Ischium, Procoracoid-Pubis) entsendet. Die
ventralen Fortsätze einer Körperseite können bei beiden Gürteln ent-
weder in der Medianlinie mit einander verwachsen und dadurch aus
der zwischen ihnen liegenden Incisur ein Foramen erzeugen -) oder
1) Bei vielen Säugern übernimmt das Pubis allein die Symphysenbildung; die
Symphysis ischii kommt nicht mehr zur Ausbildung. Auch die Symphysis pubis
kann rückgängig werden (Insectivoren, Leche ISSO). Doch erhält sich bei Talpa-
embryonen ein Knorpelstreit' als Verbindung der knöchernen Piibes. Bei Mono-
tremen und einigen Marsupialiern bleibt die Verwachsung der 3 kanonischen Becken-
bestandteile in der Pfannengegend inkorafilctt. Daraus resultiert ein Loch im Aceta-
bnlum. Es kommt dies übrigens gelegentlich auch bei Amphibien (Necturus) und
Ueptiüern (Crocodilier) vor.
2) Auch beim Beckcngürtel der Amnioten ist aus der ontogenetischen Entstehung
des Foramen pubo-ischiadicum durch allmähliche Umschließung einer Lokalität durch
zwei von einem Punkt aus zangenförinigum sie herum auswachsende Fortsätze die Vor-
stellung abgeleitet worden, das Fenster könne unmöglich phyletisch aus einer einheit-
lichen Platte durch nachträglichen Durchbruch entstanden sein (Mehnert 18Si), 1800).
Ich bestreite auch hier das Zwingende eines solchen Schlusses, indem ich auf die
gleichen principiellen Erörterungen beim Schultergürtel der Lacertilier (p. 2(30, Anm. 1 )
und auf die Konsequenz für das Amphibienbecken verweise, dessen auch ontotienetisch
einheitliche ventrale Beckenplatte als etwas sekundäres im Lichte dieser Auffassung
erscheinen müßte (durch fast völligen oder komjjletten Verschluß des Fensters). Die
von A. Bunge (1880) besonders vertretene Fensterungshypothese erscheint aus ver-
gleichend-anatomischen Gründen besser fundiert, ist aber freilich embryologisch nicht
bewiesen. Weiterhin wurde aber bereits entgegen A. Bunge hervorgehoben, daß auch
Entw. d. Form d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts. 279
Ständig getrennt bleiben. Die in definitiven Zuständen meist so ver-
schieden großen Skeletteile (wie Ileum und Scapula) sind ontogenetisch
auch ihrer Größe und Form nach anfänglich noch einander sehr ähn-
lich (selbst bei Homo, Merkel 1(S94, Hagen 1900). Auch die späteren
Vorgänge der Ossifikation sind ganz ähnliche, insofern Ersatz-
kn 0 ch e n in den knorpelig präformierten Anlagen in Betracht kommen.
Deckknochen dagegen, deren Vorkommen von mir beim Schulter-
gürtel als Problem behandelt wurde, sind beim Beckengürtel zweifel-
los ausgeschlossen.
Die höhere Ausgestaltung des Beckens bei Säugern ist ebenfalls mit
■den späteren Differenzierungen des primären Schultergürtels verglichen
Avorden (Homodj^namie der Spina scapulae und Crista ilei nach Huxley
1864 oder der Spina scap. mit der Linea ileo-pectinea Mivart 1866 u.
dergl.). Siehe auch vergl.-anat. Litt. (Lubsek 1904).
S e k u n d ä r e F 0 r t s a t z b i 1 d u n g e n d e s B e c k e n s in der
Bauchmittellinie (Epipubis, Hypois chium). Unter den
Amphibien ist besonders das Urodelenbecken durch knorpelige
Anhänge ausgezeichnet, welche sich in der Linea alba vom Vorder-
rand des Beckens kranialwärts erstrecken. Dieselben entwickeln sich
viel später als die Anlage des Beckens und zwar in continuo mit dem
Pe r ichondrium der beiden zur Pubissymph3^se sich vereinigenden
Beckenknorpel (Bunge ISSO). Bei eintretender Verknorpelung ist
«in Zusammenhang zwischen der Cartilago ypsiloides ') in der Linea
alba und dem Puboischiadicum vorhanden. Die Knorpelzellen an der
Grenze zwischen beiden besitzen jedoch von vornherein eine besondere
Anordnung, welche von Mehnert 1890 als Beginn der bald folgenden
sekundären Abgliederung aufgefaßt wird. Die Zinken am kranialen
Ende der Cartilago ypsiloides sprossen zuletzt aus der einheitlichen
Anlage aus.
Hiernach gehört der Knorpel in der Linea alba bei den Urodelen
zum Becken. Er ist dem unpaaren Fortsatz vergleichbar, welcher
bereits bei Fischen in späteren Entwickelungsstadien das Becken in
der Bauchmittelliuie verlängert (Fig. 200. p. 211).
Baur 1891, p. 356 giebt jedoch auf Grund von ontogenetischen
Untersuchungen bei Necturus an , daß die Cartilago ypsiloides separat
entstehe. Wiedersheim 1892, p. 102 findet bei Triton alpestris dasselbe,
jedoch bei anderen Urodelen eine von Anfang an völlig einheitliche
Knorpelverbindung zwischen den fraglichen Teilen.
Eine paarige Anlage ist in keinem Fall beobachtet worden. Aus
vergleichend-morphologischen Gründen nehmen eine solche Mehnert 1890,
Baur 1891, Wiedersheim 1892 u. a. an.
eine direkte Umwandlung des Canalis diazonalis der Amphibien in die Incisura
pubo-ischiadica der Amnioten durch nachträgliche Erweiterung durch die Ontogenie
keineswegs widerlegt wird. Paläontologisch ist dies wahrscheinlich gemacht durch den
Befund bei Paläohatteria, wo das Loch nicht größer als beispielsweise bei Necturus
war (Baur 1891, p. 858).
1) Cartilago ypsiloides wird der Knorpel deshalb genannt, weil er meist am
kranialen Ende gegabelt ist. In den meisten Fällen ist der Knorpel beim ausgebildeten
Tier mit dem Becken bindegewebig verbunden. Selten ist der Zusammenhang knorpelig
(Tylotnton, üiese 1891). Bei Anuren hat nur Dactylethra einen solchen Anhang. —
C. K. HoFFMAXX und Mehnert betrachten ein von Hyrtl bei Menopoma abge-
bildetes Knöchelchen hinter dem Becken als Os cloacae (siehe Reptilien, s. o.). Es
fehlt allen übrigen Amphibien.
280
H. Braus,
Unter den Sauropsiden besitzen nur die Reptilien in der
Medianlinie Skelettanlagen (Gastrale, Baur 1S91). Besonders bei
Schildkröten und Lacertiliern treten am kranialen Rand der Becken-
anlage unpaare Knorpelstücke auf, von welchen Mehnert 1891 nach-
wies, daß sie in continuo mit dem Pubis entstehen (Fig. 243. Ep),
Sie werden Epigastroid (Baur) oder Epipubis (Wiedersheim.
Mehnert) genannt. Bei Lacerta beginnen die aus Vorknorpel be-
stehenden Anlagen sich zu bilden, ehe die Schamfuge konsolidiert
ist. Dabei zeigt sich, daß beide Pubes in gleicher Weise Material
für das Skelettstück liefern. Denn es besteht auch eine inkom])lette
Trennung in der Bildungszoue des Epipubis (Fig. 24.'>). Weiter kranial-
wärts ist die Anlage
Fig. 244. einheitlich und spä-
ter wii'd in den
meisten Fällen das
ganze Skelettstück
Fig. 243.
Pub
Isch
KL
Isch.
Isch
Hyp
ein Continuum (vgl.
auch die von An-
fang an unpaare
Anlage bei Hatteria.
Fig. 237). Bei der
Verkn()cherung,
welche rein nach
dem Typus der Er
Fig. 243. Horizontalschnitt durch die Linea alba
eines Embryos von Lacerta vivipara. Ep Epipubis. Kl
Kloake. Nach Mehnert.
P'ig. 244. Horizontalschnitt durch das hintere
Beckenende eines Embryo von Lacerta vivipara. Hy2>
Hypoischium. Isch die Ischia der beiden Becken-
hälften angeschnitten. Nach Mehnebt.
satzknochen auftritt, entwickeln sich in manchen Fällen zwei Knochen-
kerne nebeneinander, in den meisten freilich nur einer.
Mehnert 1. c. und Wiedersheim 1. c. halten den paarigen Zustand
für den primitiven, den unpaaren für den abgeleiteten. Mir scheint
jedoch nach diesen Beobachtungen nur das festzustehen, daß das Material
für die Bildung des dauernd unpaaren Epipiibis jmarig entsteht, was
übrigens bei der paarigen Anlage des Beckens überhaupt a priori er-
wartet werden muß. Wird also das Epipubis (vielleicht infolge steigen-
der funktioneller Bedeutung früher als gewöhnlich) in einer Epoche der
Ontogenese angelegt, wo die Beckenanlagen noch nicht in der S_ymphyse
vereinigt sind, so kann dadurch ein phjdetisch unpaarer Skelettteil seiner
geweblichen Rekrutierung nach in zwei paarige Anlagen sekundär auf-
gelöst werden ^). — Auch bei Struthio entsteht sekundär aus der knor-
peligen Beckensymphyse ein Epipubis (Mehnert 1902).
Am kaudalen Rand des Beckens der Lacertilier entwickelt sich
in ganz ähnlicher Weise ein Hypogastroid (Baur) oder Hypoischium
1) Phyletisch wäre also dieser Auffassung nach das Epipubis nach Vereinigung
der Pubes in der Symphyse aus letzterer entstanden. Es entspricht dem, daß den
Vögeln, welche (abgesehen von seltenen Ausnahmen), keine Symphyse haben, auch
ein Epipubis fehlt.
Entw. d. Form d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts. 281
(C. K. Hoffmann). Nur entsteht dasselbe ein wenig später als das
Epigastroid und kommt deshalb nie paarig zur Anlage, da die Sitz-
beinfuge bereits gebildet ist (Fig. 244). Später löst sich der unpaare
Knori)el ab und liegt nach der enchondral erfolgenden Ossifikation
häufig, aber nicht immer, der Kloakenwand an (Os cloacae. Für-
bringer). Immer verbindet ein Bindegewebsstrang den Knochen
noch mit dem Ausgangspunkt am Ischium ^).
Bei manchen Landschildkröten bleibt zwischen der Pubis- und
Ischium-Symphyse ein Rest der einheitlichen knorpeligen Schoßfuge
übrig und bildet dann einen zwischen den verknöcherten Teilen ein-
geschalteten Knorpelkern (Mesogastroid, Baur). Nach Back 1891 kann
an Stelle desselben ein hbröses Band treten. Bei Sphenodon läßt sich
ontogenetisch die allmähliche Umwandlung des medianen Knorpels in
ein Ligamentum median um pelvis verfolgen (Howes u. Swinnerton 1900).
Die Säugetiere weisen zum Teil (Monotremen, viele Mar-
supialier) paarige Skelettstücke kranial vom Becken in der Ihxuch-
wand auf (Ossa marsupialia -). Ihre Ontogenie ist noch nicht ganz
geklärt. Leche 1S91 und Wiedersheim 1892* beschreiben bei älteren
Embryonen und jungen Tieren einen kontinuierlichen knorpeligen
Zusammenhang zwischen ihnen und dem Pubis (Didelphys, Macropus).
Aeltere Autoren gaben an, daß die Ossa marsupialia separat in der
Linea alba entstehen.
Bei Ornithorhynchus kommt im Pubis ein zweiter Knochenkern zur
Anlage, der entweder auf eine hier stattfindende Verbindung des Os
marsupiale mit dem Pubis bezogen wurde (Wiedersheim) oder auf ein
Os acetabulare (Howes).
Die ähnliche Entstehung der Schamfugenabkömmlinge bei Am-
phibien und Amnioten, besonders derjenigen am kranialen Becken-
rand, berechtigt dazu, eine einheitliche Abstammung für sie anzunehmen.
Cuvier 1836, HuxLEY 1879, Leche 1880, Wiedersheim 1892 leiten
alle genealogisch von einem Epipubis ab. Daß sie teils unpaar, teils
paarig entstehen, bietet kein Hindernis für die Homologisierung mehr,
seitdem bei Lacertiliern die oben beschriebenen Uebergänge zwischen
unpaareu und paarigen Anlagen gefunden sind. Doch ist die Stel-
lung der Ossa marsupialia zu dieser Reihe noch zweifelhaft.
Sucht man in der Genese des Schultergürtels nach horaodj-namen
Elementen, so kommt nur das Hypocleidium (Praeclavium), si^eciell der
in ihm nach den Angaben mancher Autoren sich bildende Knochen
(zonales Episternum) in Betracht. Mit einem Beleg knochen oder einem
vom primären Schultergürtel genetisch unabhängigen Skelettteil kann
jedenfalls nie Parallelität bestehen. Es ist in dieser Beziehung sehr
charakteristisch, daß bei Reptilien nie eine wirkliche knorpelige Grundlage
des Epistei'num gefunden wurde, während das Epipubis bei denselben Tieren
rein knorpelig auftritt und meistens gar nicht verknöchert. Die topo-
1) Wegen der oft weiten Entfernung vom Ischium im ausgebikleten Zustand
hielt C. K. Hoffmann das Os cloacae für eine Verknöcherung in diesem Bande.
M. FtJRBEiNGfEE, (1869, p. 39) wies die knorpelige Genese nach, Mehnf.rt (1891,
p. 123) zeigte den Zusammenhang der ersten Anlage mit dem Ischium.
2) Bei höheren Säugern fehlen solche. Es werden allerdings Ligamente, welche
an derselben Stelle sich finden (Huxley) oder sekundäre Knochenkerne in der
Schambeinfuge (Albrecht, Wiedersheim, Anderson) als Beste von solchen oder
als Pelvisternum gedeutet. — Bei einigen Beuteltieren (z. B. Didelphys) soll auch
ein Hypoischium vorkommen (Mehnert 1891, p. 132).
282 H. Braus,
graphischen Differenzen sind ebenso scharfe. Das Becken geht also
hier gegenüber dem Brustschulterapparat seine eigenen Wege.
Mit Mehnert 1891, p. 42 sind alle Differenzierungen von Skelett-
teilen am Becken gürtel in der Linea alba für sekundäre Spätbildungen
anzusehen.
b) Die Entwickelung- des Skelettes der freien Extremität (Cheiropteryginm '),
Chiridium).
Die vorderen und hinteren freien Gliedmaßen der Tetrapodeu
besitzen in den verschiedenen Wirbeltierklassen eine große Aehnlich-
keit der Entwickelung innerhalb der homodynamen Abschnitte. Sie
äußert sich auch in der Histiogenese. So fällt hier der Grund fort,
welcher beim Zonoskelett eine gesonderte Besprechung der Vorder-
und Hintergliedmaße (namentlich wegen des Problems der Ei'satz-
und Belegknochenbildungen) nötig machte. Ich leite deshalb diesen
Abschnitt mit einer beide Gliedmaßen betreffenden Darstellung der
Histiogenese und frühesten Formgestaltung des Skelettes ein und
gliedere die specielle Darstellung der Differenzierungen des Skelettes
nach den einzelnen Abschnitten desselben. Man hat zu diesem Be-
hufe für die einzelnen Abschnitte Bezeichnungen nötig, welche all-
gemein für beide Gliedmaßen gelten. Ich wähle folgende ^) :
1) Stylopodium (oder Stelepodium) = Oberarm- bezw. Ober-
schenkelskelett ;
2) Zeugopodium = Unterarm- bezw. Unterschenkelskelett;
3) Autopodium = Hand- bezw. Fußskelett:
a) Basipodium = Carpus bezw. Tarsus ;
b) Metapodium = Metacarpus bezw. Metatarsus ;
c) Acropodium = Phalanges.
a. Allgemeine Histiogenese und Formgestaltung.
V orknorpelstadium. Bei sämtlichen Tetrapodeu entsteht
die früheste Anlage des Skelettes als eine einheitliche Mesenchym-
verdickung, welche ohne Unterbrechung von der Anlage des Ex-
tremitätengürtels aus in dem Gliedmaßenstummelcheu des Embryo
terminalwärts zieht. Während der ganzen Vorknorpelperiode bleibt
die Kontinuität der Anlage gewahrt. Jedoch werden schon früh
partielle Durchbrechungen und Einschnitte dieser Skelettplatte be-
merkbar, welche zur späteren Ausbildung diskreter Skelettteile in Be-
ziehung stehen. Die basale Partie der Platte ist in allen Fällen
stielförmig gestaltet. Weiter distal verhalten sich die Extremitäten-
anlagen bei den verschiedenen Wirbeltierklassen etwas verschieden.
Unter den Amphibien zeigen die Urodelen (Triton) •^) anschließend
an den Stiel eine Zweiteilung (Fig. 245a); die beiden Spangen umgreifen
1) Mit diesen Termini bezeichne ich nach Huxley (1876) das Skelett der
ganzen freien Gliedmaße. Manche Autoren beschränken den Ausdruck auf Teile
desselben (Unterarm und Hand oder Hand allein).
2) Dieselben sind von Häckel (1895, p. 93) angewendet worden. Doch be-
vorzuge ich statt Stelepodium das gleichbedeutende, aber bereits früher (Emery
1894) eingeführte Stylopodium. Emery bezeichnet übrigens mit Basipodium etwas
ganz anderes als Häckel (nämlich dessen Zeugopodium). Diese Bezeichnung, sowie
die übrigen von Emery vorgeschlagenen Ausdrücke kann ich wegen der innigen
Verknüpfung derselben mit den theoretischen Voraussetzungen dieses Autors nicht
acccptieren. Die Nomenklatur Häckel's ist rein descriptiver Natur.
3) Ich folge den genauen Beschreibungen von Strasser (1878) und C. Rabl(1901).
Entw. d. Form d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts.
283
das Ende der Arteria iuterossea. Später vereinigen sie sich distal von dem
letzteren und bilden so eine Masche, von deren distaler Begren-
zung zwei Strahlen auswachsen. Während in den basalen Teilen
der Skelettanlage bereits Verknorpeluug eintritt (bei H, Fig. 24ö
b), schieben die beiden distalwärts auswachsenden \'orknori)el-
b
H
^/- J
u -
- R
- R
~a
Fig.
taeniatus.
245. Drei Stadien der Entwickelung der vorderen Extremität von Triton
Nach Rabl.
Zeichenerklärung siehe Text.
streifen a und ß die Haut des Extremitätenstummels gleichsam vor
sich her. So entstehen die Höckerchen der Fingeranlagen a und b
(vgl. p. 236). Eine geringe Verdickung am postaxialen Rand der
Gliedmaße wächst in der Folge und zwar je nach der Species bald
etwas früher, bald etwas später zum Strahl y aus (Fig. 245c), und
endlich entsteht an der gleichen Stelle ein vierter Zacken (Strahl o).
Nur bei der hinteren Extremität schließt sich in derselben Weise
noch die Bildung eines Strahles (s) an.
Bei Amnioten ^) bildet sich zunächst wie bei Amphibien ein Stiel,
der sich distal verbreitert, spaltet und ein Gefäß umschließt, welches
bei der späteren Ausgestaltung die Skelettplatte im Basipodium per-
foriert. Während die proximalen Teile bereits verknorpeln, bildet
sich nun aber bei Amnioten distalwärts eine breite Platte aus, das
Basipodium, kenntlich an der bald darauf in ihm erfolgenden Dif-
ferenzierung der Carpalia resp. Tarsalia. Es ist die für alle Amnioten
charakteristische „Paddelform" des Skelettes. Von der Platte wachsen
meist gleichzeitig fünf Strahlen divergierend aus (Fig. 240). Sie
erzeugen Vorbuchtungen der Haut, welche äußerlich sichtl)ar sind,
die Fingeranlagen. Die Druckwirkung der auswachsenden Vorknorpel-
streifen konnte Hochstetter 1891 an der Einengung peripherer
Blutsinus durch dieselben abschätzen.
Auf den Synchronismus der 5 Radienanlagen bei Amnioten wurde
von Mehnert (1897) besonders nachdrücklich hingewiesen. Er iand
1) Ich folge MoLLiER (1895), Mehnert (1897) u. a. (siehe Text).
2S4 H. Braus,
denselben selbst noch bei stark reduzierten Extremitäten, wie denen des
afrikanischen Straußes, wo von den anfänglich kompletten Anlagen sich
schließlich nur 3 (Flügel) resp. 2 (Fuß) fertig ausgestalten. Auch bei Säugern
mit reduzierten Extremitäten (Katze, Rind)
fand Mehxekt den Synchronismus von 5
primären Anlagen erhalten. Thilenius (1896,
Fem .
p. 531) macht dagegen mit Ausnahmen be-
kannt. So tauchen beim Fuß von Cavia co-
baya anfänglich nur 3 Strahlen synchron auf.
Die beiden rudimentären bilden sich später.
Nach C. Rabl (1903*) gehen bei allen Rep-
tilien die in der Richtung der 4. Zehe liegen-
den Elemente in der Entwickelung allen
anderen vora.n.
Fig. 24(3. Anlage des Basipodium mit seinen
fünf Radien. Fuß eines Embryo von Emys lutaria.
Nach Mehnert.
Der Versuch Mehxert's, auch für Amphibien eine Synchronie der
Radienentstehung nach den Angaben der älteren Autoren (Götte,
Stras8er) zu konstruieren, war nicht glücklich. Die von jenen voll-
kommen deutlich geschilderte Succession wurde neuerdings bestätigt
durch die Beobachtungen von Zwick (1898) und C. Rabl (1901). (Vgl.
den späteren Abschnitt über Vergleich der tetrapoden und tetraptery-
gialen Formen.)
Verknor peliing. Dieselbe tritt in Form separater Cen-
tren auf, von denen im allgemeinen ein jedes je einem der späteren
Skelettteile der Extremität entspricht.. Mit der Chondritikation erlischt
also die volle Einheitlichkeit des Skelettes. An ihre Stelle tritt ein
Mosaik zahlreicher knorpeliger Einzelindividuen, die in verschiedener
Weise bei den einzelnen Gliedmaßenformen auswachsen.
Gegenüber Götte (1877), welcher infolge unvollkommener Unter-
suchungsmethoden noch das Auswachsen eines einheitlichen Knorpelbaumes
bei der Tritonextremität beschrieb, liegt der entscheidende Fortschritt
der Arbeit Strasser's (1878) darin, daß hier die multiple Centrierung der
Chondritikation bei Triton festgestellt wurde. Dadurch wurde die gleiche
bei höheren Amnioten (Homo) bereits von Bruch (1852) u. a. vertretene
Beobachtung als etwas auch den primitiven pentadactylen Extremitäten
Zukommendes erwiesen. Alle neueren Arbeiten haben dies hier und bei
höheren Tetrapoden bestätigt.
Nachträglich kommt bei Amphibien (Strasser 1. c.) doch noch eine
knorpelige Verbindung der einzelnen Elemente zustande, so daß auf die
Diskontinuität wieder eine Kontinuität der Anlage folgt. Dieselbe er-
streckt sich auch auf die Schulter- und Hüftgelenkgegend. Aus den
nachträglichen Verbindungsstrecken bilden sich dann die Gelenke (s. u.).
Bei Reptilien entstehen nachträglich noch Knorpelbrücken zwischen
allen Carpalia und Tarsalia (Mehnert 1897), bei Säugern an diesen
Lokalitäten solche nur hier und da (Leboucq 1884, p. 89).
Der Verknorpelungsprozeß erinnert ganz an das beim Ichthyopter}--
gium bekannte diskontinuierliche Auftreten der Knorpelcentren für die
einzelnen Skelettteile. Ohne weitere Begründung darauf phylogenetische
• Entw. d. Form cl. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts. 285
Schlüsse zu bauen 1), erscheint mir unstatthaft (vergl. das beim Becken
übe]- Chondrifikationscentren Erörterte p. 271, Anm. 2).
Die Kuorpelcentren für die verschiedensten Skelettstücke besitzen
bei ihrem ersten Auftreten ungefähr gleiche Größe. Mehnert
(1897) hat dies z.B. bei Emys sehr anschaulich illustriert, indem er
die jeweilig jüngste Anlage eines jeden Knorpelkerns aus den ver-
schiedenen Stadien in einem Schema vereinigte und dabei die topo-
graphischen Verhältnisse möglichst naturgetreu wiedergab (Fig. 247).
Selbst die Anlage des Humerus ist danach
nur unwesentlich größer als diejenige der ^
l)eripheren Skelettteile im Autopodium. Die ^ '" vj
Differenz in der Länge, welche bei vielen f" /7 Ov p
Extremitätenknochen so sehr in die Augen „. /_yry^ ' ,' '■
springt, kommt also erst nachträglich zur c -i.^oQ*^' ^
Entfaltung. Zehnter (1890. p. 22) hat ,„,y'-^ }?'oO<^ %.' 2^/
die letztere zahlenmäßig in der Entwicke- '"^ " 0 fV O
°ö ÖQ^
Fijj;. 24<. Kombinationsbild aus verschiedenen ö- n ^^
ytadien der Handskelettanlage von Emys Intaria. " ■() "0
Nach Mehnert. ^ 0 q c
lung eines Vogels (Cypselus alba) verfolgt. Seine Messungen zeigen,
daß der Humerus anfangs relativ schneller wächst als das Zeugo-
podium. dieses schneller als das Autoj)odium. In der w^eiteren Ent-
wickelung erfolgt aber dann eine völlige Umkehr. Die Hand wächst
schneller als der Unterarm, dieser schneller als der Oberarm und hier-
durch wird (besonders noch nach dem Ausschlüpfen) der „cypseloide"
Typus der betreffenden Extremität hervorgebracht. Die Frühstadien sind
also in hohem Maß unabhängig vom schließlichen Endprodukt und
nur als altes Erbteil der Vertebi'aten verständlich -).
Die zeitliche Entstehung der Knorpelcentren ist im allgemeinen
derart, daß successive die Anlagen für das Stylopodium, dann die-
jenigen des Zeugopodium und, mit Ueberspringung des Basipodium,
an dritter Stelle die Elemente des Meta- und Acropodium auftauchen.
Die basipodialen Teile verknorpeln nachträglich, zugleich mit oder
nach denen des Acropodium ^).
Innerhalb der einzelnen Gliedmaßenabschnitte kommen wieder zeit-
liche Differenzen im Auftreten der einzelnen Knorpelkerne vor (besonders
im Carpus und Tarsus). Sie sind so vei'schiedenartig, daß erst im spe-
ciellen Kapitel über die Entwickelung dieser Elemente berichtet werden
kann und der Bedeutung, welche ihr seitens mancher Autoren beigelegt
\vird, Rechnung getragen werden soll. Es können übrigens so starke
zeitliche Verschiebungen innerhalb eines Abschnittes vorkommen, daß die
Reihenfolge der Hauptabschnitte dadurch gestört wird. So fand z. B.
1| Pfitzner (1892, p. 529) hat solche in dem Sinne angeregt, daß ein Mosaik
getrennter Ökelettteile den Urzustand der pentadactylen Extremität gebildet habe.
2) Der ursprüngliche Zustand annähernd gleich großer Skelettelemente findet
sich — als Rest früherer Einrichtungen oder Rückschlag auf solche — l)ei wasser-
lebenden Tetrapoden (fossilen Ichthyo- und Sauropterygiern, recenten Cetaceen) und
hat seine Parallele im Ichthyopterygium (Dipnoer).
3) Nur bei der Hand' von Emys lutaria wurde angegeben (Mehnert 1897,
p. 15), daß sich die Carpalia entsprechend ihrer Lage zwischen die Chondrifikation
des Zeugo- und Metapodium chronologisch einschalten.
286 H. Braus,
Strasser bei Triton taeniatus den Knorpelkern für die UIna erst aiif-
treten, als sich bereits im Metapodium und in der distalen Carpalreihe
Chondrifikationen zeigten.
Eine besondere zeitliche Bevorzugung einer Seite der Gliedmaße
vor der anderen ist nicht selten. Doch ist es bald, wie bei Urodelen.
bei der hinteren Extremität von Emys (nach Mehnert) und vom Hühn-
chen die präaxiale Seite, bald, wie bei Anuren, dem Carpus und Tar-
sus von Reptilien (C. E,abl) und dem Carpus des Menschen die p o s t a x i -
a 1 e Seite. Häufig erfolgt auch die Verknorpelung der Glieder einer Quer-
reihe ganz oder annähernd synchi'on (vordere Extremitäten von Emys,
Säuger mit nicht reduzierten Extremitäten) oder die mittleren Strahlen
verknorpeln zuerst (4. Zehe bei Reptilien C. Rabl) i).
Unbeschadet aller Differenzen im einzelnen besteht das allgemeine
Gesetz, daß die proximalen Knorpel früher angelegt werden als die
distalen. Beschleunigungen oder Verlangsamungen des Entstehens
der Einzelelemeute richten sich nach dem zu erreichenden Endstadium
und beeinflussen die Entwickelung so sehr, daß für phylogenetische
Spekulationen zeitliche Momente nach dem Stand unserer jetzigen
Kenntnisse kaum Verwendung finden können (vergl. Abschnitt : Basi-
podium p. 308).
Gelenke. Zwischen den Hauptabschnitten der Gliedmaßen und
meist auch zv/ischen den einzelnen Bestandteilen dieser Abschnitte
(soweit dieselben nicht durch Konkrescenz zu einem Element ver-
schmelzen, s. unten) kommen in der weiteren Entwickelung Gelenke
zur Ausbildung. Bei den niedersten Formen, den Synarthrosen,
findet einfach eine Umwandlung der Knorpelbrücken in Faserknorpel
statt. Trotzdem also eine Gelenkhöhle fehlt, gestalten sich doch die
Grenzflächen des hyalinen Knorpels zu Gelenkflächen aus (Semon
1899) -). Bei solchen Formen, welche später eine Gelenkhöhle er-
halten, differenzieren sich ebenfalls die Gelenkflächen ontogenetisch
früher als der Gelenkspalt (Bernays 1878, Schulin 1879, Hult-
KRANTZ 1897). Sie entsprechen in ihrer Form von vornherein den
Ebenen, in welchen Stäbe sich gegeneinander abschleifen, wenn sie
durch Kräfte an den Angriffspunkten der vorhandenen Muskeln und
in der Richtung des Zuges dieser Muskeln bewegt werden (Experi-
mente von R. Fick). Die Thätigkeit der Muskeln kann in jenen
Entwickelungsstadien keine direkte, jedesmal in der Ontogenie aufs
neue durch Druckwirkung die Gelenkflächen erzeugende Kraft sein.
Denn eine solche Thätigkeit ist noch nicht in Funktion. Es ist viel-
mehr ein durch lange Zeiträume wirkender und durch Vererbung über-
tragener funktioneller Einfluß der Muskeltliätigkeit anzunehmen.
Bei den höheren Geleukformen •^), welche überall bei Tetrapoden
1) Vergl. Gegenbaur (1864, p. 126), E. Rosenberg 1876, Götte 1879, Stras-
ser 1879, Baur 1883, Leboucq 1884, .Jordan 1888, Zehnter 1890, Mehnert
1897, Zwick 1898, Rabl 1901, 1908*.
2) Der histologische Unterschied zwischen hyalinem und faserigem Knorpel
repräsentiert offenbar genügende Unterschiede in der Festigkeit, um eine Adaptation
der widerstandsfähigeren hyalinknorpeligen Skelettteile zu ermöglichen. Durch die
faserige Struktur wird vermehrte Geschwindigkeit in den Bewegungen erzielt.
3) Bei manchen Synarthrosen (namentlich des Carpus und Tarsus der Urodelen)
tritt nachträglich in dem Gelenkknorpel ein Spalt auf, welcher den Charakter einer
Gelenkhöhle annimmt, aber von der echten Diarthrose (s. o.) dadurch unterschieden
ist, daß er nach außen nicht durch eine Gelenkkapsel, sondern durch einen breiten,
stehenbleibenden Knorpelring abgeschlossen ist. Der Knorpelring zusammen mit
Entw. d. Torm d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts. 287
(außer im Autopodium der Urodelenj eutwickelt sind, entsteht ent-
weder durch AuHösung der Knorpelbrücken, soweit solche vorhanden
sind, oder aus dem dichten Mesenchym der Skelettanlage, welches
zwischen den Knorpelcentren übrig bleibt, eine weite Gelenkhöhle.
Diese ist nur von dem Perichondrium, der späteren Gelenkkapsel,
nach außen abgeschlossen. Diese Form der Gelenke wird als Diar-
throse bezeichnet. Nach Retterer (1902) entwickelt sich bei Säuge-
tieren eine Art schleimigen Bindegewebes (ähnlich dem Gewebe in
den perilymphatischen Eäumen des sich entwickelnden Ohres), welches
sich später autlöst und die Synovia bildet^), (lieber die mannigfachen
Specialisierungen der Gelenke, welche manchmal schon früh in der
Entwickelung einsetzen, vergi. Henke u. Reyher 1875).
Ossifikation. Die Yerknöcherungen treten stets nur als Er-
satzknochen auf. Deckknocheubildungen kommen nirgends in Frage.
Die Ossifikation der Skelettteile bleibt [außer im Basipodium ge-
wisser Urodelen -)] nur selten und zwar nur bei rudimentären Ele-
menten aus. Bei den niederen Formen des Chiridium ist die Ver-
knöcherung wesentlich perichondraler Natur. Der Kuorpelkern bleibt
auch im fertigen Zustand in den Röhrenknochen erhalten (Amphibien).
In den kurzen Elementen (Carpalia, Tarsalia) tritt am ehesten bei
Beginn der Verknöcherung eine enchondrale Ossifikation hinzu. Die
perichondrale Verknöcherung bleibt bei Vögeln stets und meist auch
bei Säugetieren der Prozeß, welcher die Ossifikation einleitet; der
enchondrale Typus setzt erst etwas später ein.
Die Knochenbildung folgt im allgemeinen dem Etappengang,
welchen die Chondrifikation eingeschlagen hat. Das Stylopodium ossi-
fiziert also zuerst, dann das Zeugo-, schließlich das Autopodium. Doch
werden in letzterem die Elemente des Basipodium (Carpalia und Tar-
salia), wie auch bei der Verknorpelung, zunächst überschlagen, um
zuletzt an die Reihe zu kommen.
Bei den niederen Tetrapoden l)ildet sich für jeden Knochen ein
einziger Ossifikationspunkt. Auch bei den höheren Formen ist i m
Anfang der Ossifikation nur ein solcher vorhanden. Wenn jedoch
Konkrescenzen von Knorpelcentren zu einer Einheit eingetreten sind,
können 2 oder mehr Knochenkerne zugleich auftreten. Diese repe-
tieren dann die ursprüngliche Polymerie. Ganz anderer Art sind
sekundäre Knochenkerne, welche namentlich bei den langen Knochen
(im Stylo-, Zeugo-, Meta- und Acropodium) auftauchen und dem pri-
mären Knochenkern in der Diaphyse gleichsam einen Teil seines Os-
sifikationsgebietes abnehmen. Sie entstehen zeitlich später als
der primäre Diaphysenkern.
dem Perichondrium bildet eine synarthrosenartige Verbindungsscheibe der beiden
Skelettteile. Semon (18!)9) nennt solche Uebergangsgelenke Per iar thros en. In
der Entwickelung der Diarthrosen bei höheren Vertebraten kommt ein derartiges
Zwischenstadium nicht zur Ausbildung, es wird übersprungen. — Nach Semon 1. c.
ist bei Amphibien am Aufbau der Gelenkkapsel auch eine schmale periphere Schicht
von Knorpel beteiligt, welche sich nachträglich in Bindegewebe umwandelt. Da-
nach wäre also die Diarthrose nur eine P'orm der Periarthrose, bei welcher der syn-
arthrotische Knorpelring von vornherein extrem dünn ist, nicht mehr funktioniert und
nachträglich histologisch umgeformt wird.
1) Die Bindegewebszellen in den Gelenkhöhlen differenzieren sich, wie allgemein
angegeben wird, zu platten Epithelien, welche die Wand der Höhle austapezieren;
doch soll nach manchen Autoren ein solcher Belag fehlen (Hüter 1866, 1870, Hagen-
ToRX 1882, Hammar 1894).
2) Im Basipodium aller Perennibranchiaten, von Geotriton.
288 H. Braus,
Nach einer ansprechenden H3'pothese Mehxert's (1897, p. 114) ent-
stehen die Ossifikationspunkte als Stemmwirkung gegen den Zug der
Muskeln und treten infolge der frühen Beanspruchung der langen Knochen
an den Enden besonders an diesen auf. Da die Länge der Skelettteile
etwas sekundäres ist (p. 285), tritt in dieser Betrachtung die vicariierende
Natur der Epiphysenkerne für den Diai^hysenkern (der nicht schnell ge-
nug bis zu den Enden des Skelettteiles vorwachsen kann) zu Tage^).
Auch Reduktionen der Epiph3'senkerne kommen vor (besonders im
Autopodium), indem statt an beiden Enden eines Röhrenknochens, nur
an einem Ende sich ein solcher findet. An alle diese Ossilikations-
verhältnisse knüpfen sich mannigfache Detailfragen und -probleme für
die Greschichte der einzelnen Skelettteile, welche zum Teil bei diesen Be-
sprechung finden werden.
Reduktionen. Bei allmählichem Verlust der freien Glied-
maßen verlaufen die Rückbildungen am Skelett meist so ab, daß von
der distalen Spitze nach dem Zonoskelett zu ein Abschnitt nach dem
anderen verschwindet, bis schließlich auch der Extremitätengürtel selbst
in Fortfall kommt. In der Ontogenie können noch Anlagen von Skelett-
teilen auftreten, die weiter distal liegen als diejenigen, welche im
endgültigen Zustand erhalten bleiben. In den speciellen Kapiteln
soll im einzelnen darüber berichtet werden.
Bei Mißbildungen kaun außer totalen äußerlichen Defekten
(Ektromelie), welche vielfach an die normalen Reduktionen erinnern (Er-
haltung von Rudimenten proximaler Skelettteile) auch eine Verkleinerung
in toto eintreten. Es ist dies z. B. in Fällen von Hemimelie
der Fall, in welchen einem kurzen Stumpf Fingerrudimente aufsitzen;
ferner bei der Phocomelie welche ein unmittelbar dem Rumpf auf-
sitzendendes Autopodium zeigt u. dergl. Inwieweit dabei in der Ent-
wickelung eine Verkürzung proximaler Abschnitte oder ein Ausfall von
solchen stattfindet, ist nicht hinreichend bekannt.
Regeneration. Manche Gliedmaßen (besonders bei Amphibien)
sind im hohen Maße einer solchen fähig. (Spallanzani A. L. I,
GÖTTE 1879, Fraisse 1883, Barfurth 1894, Tornier 1896, 1897,
Semon 1899, G. WoLFF 1902). Sie verläuft in vielen wesentlichen
Punkten nach dem Typus der normalen Eutwickelung (vgl. Kap. III ^
p. 63).
ß. S p e c i e 1 1 e E n t w i c k e 1 u n g der S k e l e 1 1 e l e m e n t e
des Chiridiu m.
Stylopodium. Humerus und Femur entwickeln sich überall
bei den Tetrapoden in gleicher, einander ganz ähnlicher Weise. Aus-
nahmslos wurden sie als die ersten in der Gliedmaße auftretenden
Skelettstücke (Fig. 245b) gefunden. Alle Verschiedenartigkeiten sind
späte Specialisierungen (Krümmungen , Verlängerungen oder Ver-
kürzungen, Verbreiterungen, Abplattungen, Cristae, Apophysen etc.),
die im einzelnen in der Litteratur der fertigen Formen behandelt
werden.
1) Außer den Epiphysenkernen können noch separate Ossifikationspunkte iu
besonderen Fortsatzbildungen der Skelettteile hinzukommen. Handelt es sich um
Muskelapophyscn, so ist die Beziehung zur Muskelwirkung besonders deutlich.
Nach Pfitzner (1892) bilden sich im Alter beim Menschen manchmal noch
besondere Knochenschalen dicht unter dem hyalinen Knorpelbelag der Gelenkfläche.
Entw. d. Form d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts. 2^9
Ueber die Torsion sfiage vgl. p. 250. Eine kurze Besprechung er-
fordert die Genese der Kanäle im Humerus ^). Häufig bilden sich
solche schon im Vorknorpelstadium, indem von vornherein ein Gefäß im
skeletogenen Gewebe eingebettet liegt [z. B. Mollier 1895 : Humerus
von Lacerta 2] ; frühe Anlage auch bei Sphenodon nach Howes und
Savixxerton 1901]. M. Eürbrixger (1886, p. 486) giebt an, daß bei Säuge-
tierembryonen eine radiale Incisur mit wenig hervorragenden Bändern
am Humerus zu beobachten sei ; die Bänder werden später höher und
schließen dann sekundär den zwischen ihnen eingebetteten Nerven ein ^).
Mit G. Buge (1884), Eürbrixoer (1901), Eimer (1901) u. a. halte
ich deshalb diese Kanäle, welche übrigens auch bei Amphibien in
der Entwickelung fehlen, für Späterwerbungen des Stylopodium, die mit
der starken Verbreiterung des distalen Humerasendes und der besonderen
Entwickelung der Beugemuskulatur bei grabender Lebensweise (um
welche es sich in diesen Fällen handelt), zusammenhängt. Infolge der
frühen Differenzierung der Nerven können die Umschließungen, wie bei
den Kanälen des Zonoskelettes, in der Ontogenese gleich beim Auf-
tauchen des skeletogenen Gewebes vorhanden sein , anstatt daß sie
successive entstehen. Jedenfalls kann ich weitgehende Schlüsse, wie sie
WiEDERSHEiM (1892) und ihm folgend Osawa (1898) an die Kanäle ge-
knüpft haben, indem sie dieselben als Zeugen einer ehemaligen K o n -
krescenz des Humerus aus mehreren getrennten Strahlen hinstellten,
nicht für gerechtfertigt halten. Im Gegenteil haben alle neueren Unter-
suchungen Froriep's Angabe (1888) bestätigt, daß von einer ehemaligen
metameren Lä,ngsgliederung am Cheiropterygium, speciell auch am Stiel
desselben, nichts nachzuweisen sei.
Die Angabe Strasser's (1879, p. 279), daß die Frühanlage des Humerus
bei Triton distalwärts zwischen Badius und Ulna weit hineinrage und
sich erst nachträglich zurückziehe, hat bei Babl (1901) keine Bestätigung-
erfahren.
Bei Bediiktionen der Extremität legt sich manchmal (Angiiis fra-
gilis, Born 1883, I*', p. 174) die freie Gliedmaße noch als Stumniel-
chen an, das sich bald zurückbildet. Bei anderen Reptilien (Pseu-
dopus Pallasii) erhält sich von einer solchen Oberarmanlage ein kleines
Knorpelchen, welches als freies Kügelchen in der Pfanne des Schulter-
gelenkes liegt. FÜRBRiNGER (1870) bezeichnet dasselbe als Rest
eines Humerus.
Müller (1900) bestreitet die knorpelige Beschaffenheit dieses
Elementes. — Ueber Ossifikationscentren siehe Lehrbücher der Ent-
wickelung des Menschen.
1) Dieselben finden sich bei Eeptilien und Säugern im distalen Ende des
Humerus. Sie schheßen Nerven mit Gefäßen ein. Es giebt einen Canahs nervi
radiahs s. ectepicondyloideus und einen Canalis nervi mediani s. entepicondyloideiis.
Bei Sphenodon finden sich beide gleichzeitig (Bayer 1884, Dollo 1881, Für-
bringer 188(j, Batjr 1887, Credner u. a.). Bei anderen Reptilien und bei Säugern
kommt in der Regel nur ein Kanal, bei letzteren speciell der Medianuskanal (als
Varietät auch bei Homo) vor.
2) Mollier (1895, p. 504) bezeichnet das Gefäß als A. brachialis. Bei aus-
gewachsenen Lacertiliern kommt nur ein Canalis nervi radialis vor. Es fragt sich
also, ob hier vorübergehend in der Ontogenese ein Canalis n. mediani besteht ?
3) Die Angaben (Sutton, Dollo), daß der Canalis entepicondyloideus bei
Mammaliern in der Epiphysenlinie entstehe, sind bereits von Baur (1887, p. 305)
als irrtümlich zurückgewiesen worden.
Handbuch der Entwickelungslehre. III. 2. 19
290 H. Braus,
Zeugopodium. In diesem Abschnitt differenzieren sich zwei
Skelettelemente ungefähr gleichzeitig: Ulna und Radius im Unterarm,
Fibula und Tibia im Unterschenkel. Ihrer Orientierung nach bei der
ersten Entstehung sind Ulna und Fibula Homodyname und ebenso
Radius und Tibia. Beide Elemente stoßen an das distale Ende des
Stylopodium an. Die Grenze gegen letzteres ist immer scharf (Ellen-
bogen- oder Kniegelenk: über die Patella s. u.). Nicht so einfach
ist die Abgrenzung gegen das Autopodium. Am distalen Ende ist
nämlich das Intermedium manchmal von vornherein in das Zeugo-
podium eingeschaltet, manchmal ganz im Autopodium gelegen. Es
entsteht daraus das Problem, zu welchem Abschnitt das Intermedium
phylogenetisch zu rechnen sei (s. u.). Auch Konkrescenzen von ein-
zelnen Carpalia oder Tarsalia mit Elementen des Zeugopodium kommen
gelegentlich vor (s. nächsten Abschnitt) und beteiligen sich an der
A^erwischung der distalen Grenze.
Von den beiden Hauptelementen des Zeugopodium kann nach-
träglich eines in der Entwickelung zurückbleil)en ^). Doch ist in
Fällen, wo im fertigen Zustand die Fibula oder Ulna inkomplett erhalten
sind, ontogenetisch manchmal noch eine komplette, dem Nachbar-
kuocheu ähnliche Anlage zu beobachten -).
Bei Sängern ist manchmal in der Entwickelung des an Größenentfal-
tung später zurückbleibenden Elementes von vornherein eine gelinge Ver-
spätung der Chondrifikation und Ossifikation beobachtet worden. Auch
können die histiogenetischen Prozesse anfänglich inkomplett lokalisiert
sein und erst nachträgiich den richtigen Umfang gewinnen (Mehxekt
1897). Es sind dies Retardationen, welche als sekundäre Folgeer-
scheinungen durch die endliche Formverschiedenheit der zeugopodialen
Elemente bedingt sind. — Die Membrana interossea zwischen den Unter-
arm- bezw. Unterschenkelknochen wird meistens für einen Abkömmling
des skeletogenen Blastems gehalten, welches ursprünglich mit diesen
Anlagen eine Einheit bildet. Doch geben Gallois und Cade 1903 für
menschliche Embryonen (Ende des 3. Monates) an, daß dieselbe viel
später als Neubildung nach Art von Muskelfascien entstehe (v. Baude-
LBBEN 1881).
Eine besondere Besprechung erfordert das I n t e r m e d i u m
wegen des mit ihm verknüpften Problems (s. o.) und der Mannig-
faltigkeit der Einzelbefunde, welche bei ihm erhoben wurden. Um
ein Urteil darüber zu gewinnen, ob das Intermedium ursprünglich
im Zeugopodium entstand und ins Autopodium verlagert wurde, oder
ob der umgekehrte Prozeß stattfand, bedarf es zunächst einer Zu-
1) Besonders die Fibula und zwar bei Tieren mit aufrechtem Gang (Vögel,
Homo). Auch manchmal die Uhia, wenn sie am Handgelenk nicht mehr direkt
beteiligt ist.
2) Bei Vögeln ist dies ontogenetisch selten (Baur 1885, Shufeldt 1894), von
manchen Autoren sogar gänzlich geleugnet (Gadow 189:3); bei Säugern ist es für
Schaf und Pferd von C. Bruch (LSfö), A. Rosenberg (1872), für Chiropteren
von Leche (1879), für Homo von Mehnert (1897), Hagen (1900), Lewis (1902)
angegeben worden. Dasselbe kommt bei der vorderen Extremität an der Ulna gelegent-
lich vor (bei Fledermäusen Gervais 1853, Leche 1879, Leboucq 1884; beim
Pferd A. Rosenberg 1872). — Bei Anuren sind Ulna und Radius als Knorpel-
anlagen noch getrennt. Bei der Ossifikation verschmelzen sie zu einem Knochenstab,
der nur noch eine Winkelbewegung im Ellonbogengelenk ausführen kann. Aehnliches
kommt bei Vögeln zwischen Tibia und Fibula sehr häufig, aber nicht regelmäßig vor.
Auch bei Talpa ontogenetisch getrennte Anlagen letzterer.
/
Entw. cl. Porm d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts. 2U1
saininenstellung
der Lagen, in welchen das betreffende Element
in
der Genese der verschiedenen Tierformen angetroffen wird. Seinen
Namen erhielt es dnrch Gegenbaur (1S64) deswegen, weil es manch-
mal bei ausgebildeten niederen Formen ganz oder partiell zwischen
Ulna und Radius resp. Tibia und Fibula liegt.
Bei Urodelen ist besonders wichtig die Entwickelung von Iso-
dactylium (s. Salamandrella). Nach Shitkov (1899) entsteht hier
das Intermedium als selbständiger Knorpel völlig zwischen den
Anlagen der Ulna und des Radius (Fig. 248a, b) und zwar
H
-' R
-R
d-
mc C'
H
u —
CI+II
CII
mc D
mcÄ
mc C I '
mc B mc A
Fig. 248. Entwickelung der vorderen Extremität von Isodactylium. a und
b Larven, c ausgewachsenes Exemplar. H Humerus. R Radius. U Ulna. i Inter-
medium. u Ulnare, r Radiale. C'y Centrale I. Cn Centrale II. mc A—D Metacar-
palia. a — 8 Fingeranlagen. Nach Shitkov.
ungefähr
Es
gleichzeitig mit letzteren (1. c. p. 254). Dasselbe
ist im Zeugopodium der hinteren Extremität der Fall. Eine direkte
Berührung mit dem Stylopodium besteht seitens des Intermedium
füllen vielmehr Mesodermzellen der primären
den Zwischenraum zwischen Stylopodium und
späteren Stadien rückt das Intermedium, indem
resp. Fibula (Fig. 249) anschließt, immer mehr
des Zeugopodium heraus. Bei der vorderen
schließlich fast völlig distal von der Verbindungs-
Ulna-Radiusenden, während es doch anfänglich
Anlage
nicht (s. Figur)
skeletogeneu
Intermedium aus. In
es sich eng der Ulna
aus dem Territorium
Extremität liegt es
linie der apicalen
völlig proximal von dieser Linie lag (punktierte Linie * * in Fig. 248b
und c): so verschiebt sich die Anlage aus dem Zeugo- ins Auto-
podium. Bei der hinteren Extremität bleibt zeitlebens ein mittleres
Stadium dieses Vorganges bestehen , indem dort auch beim aus-
gebildeten Tier das proximale Ende des Intermedium noch zwischen
Tibia und Fibula gefunden wird (entsprechend dem Embryonalstadium.
Fig. 249).
Schon Gegenbaur (1864) fand bei Salamandralarven, daß das Inter-
medium in frühen Stadien zur Hälfte zwischen Ulna und Radius
sowie
19=^
292
H. Braus,
der
podium
.{■■■•
Tibia und Fibula) hineinrage , daß aber beim ausgebildeten Tier
außerhalb des Basipodium liegende Abschnitt zurückgebildet sei.
Bei Tritonen ^j legt sich das Skelettstück von vornherein im Basi-
an (oft von vornherein mit proximalen Carpalia oder Tarsalia
verschmolzen) und verändert seine Lage dann
nicht mehr. Auch hier besteht eine innige An-
lagerung an die Ulna (besonders deutlich bei
der regenerierten vorderen Extremität). Auch
die zeitliche Entwickelung koincidiert hier mit
den Elementen des Basipodium.
Bei Anuren ist wegen der Konkressenz
zwischen Radius und Ulna höchstwahrscheinlich
kein Intermedium vorhanden (Geuenüal'r 1864).
Doch glaubt Emekv (1894) bei Pelobateslarven
ein separates Centrum für dasselbe entdeckt zu
Fib
^
Flg.
249. Hintere Extremität eines Embryos von
Isodactylium (30 mm Länge). Bezeichn. wie in Fig. 248.
Nach Shitkov.
haben. Trotz der hier bestehenden Meinungsverschiedenheiten 2) stimmen
doch alle Untersucher darin überein, daß auch ontogenetisch im Zeugo-
podium keine Intermedium anläge vorkommt.
Unter den Reptilien besitzen die Schildkrötenembryonen (Emys,
Mehnert LS97) ein Intermedium, welches in der frühesten Anlage,
ähnlich wie das von Salamandra, zwischen Ulna und Radius liegt,
hier aber zeitlebens verharrt (Gegenbaur LS64). Zeitlich entwickelt
es sich vor den Elementen des Basipodium. Auch bei Sphenodon-
embryonen fand Schauinsland (1900, 1903) ein dem Zeugopodium
mit einem kleinen Abschnitt eingelagertes Intermedium bei beiden
Gliedmaßen ^).
Bei Lacertaembryonen beschreiben Born (1877) und Baur (1885) ein
zwischen den distalen Enden von Radius und Ulna liegendes Knorpel-
centrum, welches sich auch beim erwachsenen Tier erhält und sogar ver-
knöchern kann^).
1) Litteratur bei Gütte (1879), Strasser (1879), Zwick (1898), Semon (1899).
Eabl (1901).
2) Gegenbaur (1864) dachte an eine Konnascenz des Intermedium mit dem
Ulnare. Doch ist dagegen einzuwenden, daß das Loch der Arteria carpi perforans,
welches stets zwischen jenen beiden Centren gefunden wird, sich zwischen den beiden
proximalen Elementen des Basipodium anlegt (Born 1890). Es kann also in dem
ulnar von dem Gefäßloch liegenden proximalen Element außer dem Ulnare kein
radial von dem Gefäßloch zu suchender Skelettteil stecken. Dagegen sind von
Emery (1894) bei Pelobateslarven an Stelle des Radiale Gegenbaur's zwei Knorpel-
ceutren gefunden worden, welche später miteinander (und mit noch einem 3. Bestand-
teil, einem Centrale nach Emery) verschmelzen. Von diesen deutet Emery das neben
der Arteria perforans liegende Stück als Intermedium, das andere als Radiale. Doch
leugnet Perrin (1896) diese Konkrescenz und deutet das Radiale als Intermedium.
Zwick (1898) konnte das Intermedium Emery's bei Ranalarven nicht finden.
3) Gewisse fossile Reptilien, welche im Wasser lebten (Baptanodon, Ichthyosaurus )
hatten ein Intermedium, das völlig zwischen den beiden kanonischen Bestandteilen
des Zeugopodium innerhalb dessen Bezirk lag. Es stößt hier proximal sogar an
das Stylopodium.
4) Bei erwachsenen Sauriern auch von Kehrer (1886) beschrieben. Gegenbaur
(1864, 1898) vermißte bei Lacertaembryonen eine dem Intermedium entsprechende
Anlage, ebenso Baur (1885) bei Krokodilen.
Entw. d. Form d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts. 293
Bei Vögein konnten die meisten Autoren i) ein isoliert entstehendes
Intermedium nicht finden. Umso zahlreicher sind die Hypothesen darüber,
in welchem Element des Basipodium ein Intermedinm konnascent enthalten
sei. Sicher steht, daß sich im Zeugopodium selbst kein Intermedium
anlegt, und daß auch keine zeitliche Koincidenz irgend einer Anlage mit
denjenigen von Ulna und Radius (bezw. Tib. und Eib.) bisher beobachtet
wurde.
Die meisten Säiigetierembrj'onen besitzen ein isoliertes Inter-
medium in der vorderen Extremität. Es liegt im proximalen Teil
des Carpus sowohl bei der ersten Anlage wie auch später und ver-
schmilzt bei manchen Säugern mit dem Radiale ; bei anderen behält
es seine separate Natur (auch bei Homo : Os lunatum). Der Zeit
nach entsteht es später als die übrigen Carpalia (Leboucq 1S84,
1886) und also sicher erst weit nach dem Auftauchen des Zeugopodium '^).
Es ist mit der Anlage der Ulna durch eine Bindegewebsbrücke ver-
bunden.
Bei der hinteren Extremität der Säugetiere halten 'die meisten
Autoren ^) das Intermedium für konnascent mit einem Tarsale proximale
(mit dem Tibiale im Astragalus enthalten, nach Ctegenbavr 1864 u. v. a).
Bei Marsupialiern wird jedoch von Baur (1886) ein ihm entsprechendes
separates Knorpelcentrum angegeben.
Ueberblickt man die mannigfaltigen Befunde der Embryonalanlage
des Intermedium, so ist für isoliert auftretende, unzweideutig ihm
entsprechende Centren ein mehr oder minder tiefes Hineinragen in
das Zeugopodium und Synchronismus mit den kanonischen Bestand-
teilen desselben bei beiden Extremitätenpaaren charakteristisch (ge-
wisse Urodelen, Schildkröten, Rhynchocephalier). Nur bei den hoch-
stehenden Mammalia kommt eine isolierte Intermediumanlage vor,
von welcher bis jetzt ein Hineinragen ins Zeugopodium in keinem
Fall beobachtet wurde und welche auch zeitlich mit den Elementen
des Autopodium zusammen auftritt. Dagegen ist bei den niederen
Formen während der Ontogenese eine Verschiebung des Inter-
medium aus dem Zeugo- in's Autopodium nachzuweisen, welche bei
Isodactylium nach Shitkov's Darstellung sogar eine komplette ist.
1) GrECiENBAUR uiid A.. ßosENBERG Vermuten das Intermedium im Ulnare.
Studer (A. L. IIU') im Centrale, W. K. Parker (1888) im Radiale. Dagegen fand
Zehnter (A. L. III'', 1890) ein isoliertes Knorpelcentrum (bei Embryonen vou
Cypselus im proximalen Teil des Basipodium), welches er als Intermedium bezeichnet.
Es verschmilzt später mit dem Ulnare. Aehnliches sah Morse (1880) bei Wasser-
vögelembryonen. Nassonov (1896) und Mehnert (1897) beschreiben beim Strauß
als Intermedium ein Knorpelcentrum, das partiell zwischen Radius und Ulna auftritt.
Der erstere giebt an, daß es ungefähr gleichzeitig mit den Carpalia entstehe und
sich später mit dem Radiale vereinigt. Nach Mehnert taucht es viel später als die
Carpalia auf, ossifiziert nicht selbständig und fehlt manchmal völlig.
2) Bei ausgewachsenen Delphinen ragt das Intermedium in das Zeugopodium
hinein (Gegexbaur 1864, p. 44).
3) Namentlich v. Bardelebex hat ein bei Flacentaliern schon früher bekanntes
Ökelettstück (Trigonum tarsi, als Varietät auch bei Homo), welches isoliert auftritt
und dem Talus anliegt, für ein Intermedium erklärt. Doch ist diese Deutung
unsicher. Denn die Behauptung v. Bardeleben's (1883), daß bei Homo der Astra-
galus aus zwei isoUerten Knorpelcentren entstehe (eines gleich Intermedium, das
andere gleich Tibiale), wurde nicht bestätigt (Baur 1880, p. 477, auch nicht bei anderen
Placentaliern). Hasselwander(1903) leugnet gleichfalls (auf Grund der Ossifikation),
daß bei Homo der Talus aus zwei getrennten Elementen entstehe. Der Knochenkern
deb Trigonum entsteht separat erst im 9. Lebensjahr (vergl. auch Gruber 1864).
294 H. Braus,
Es ist deshalb an einer Homologie der zengopodial und basipodial
lokalisierten Elemente nicht zu zweifeln ''-) und der Weg erkennbar, auf
welchem das Interinedium ins Basipodium auch bei höheren Tetra-
poden hineingelangt sein kann, wenn diese Verschiebung auch bei letz-
teren selbst nicht direkt erkannt worden ist. So ist nach dem jetzigen
Stand unserer Kenntnisse die Anschauung gerechtfertigt -), daß das
1 u t e r m e d i u m genetisch zum Z e u g o p o d i u m g e h ö r t.
. Wie man sich im Detail die genealogische Abstammung zu denken
hat, ist sehr unsicher. Die ontogenetischen Thatsachen deuten darauf
hin, daß das Intermedium im distalen Abschnitt des Zeugopodium
entstanden ist , nicht aber , daß wir ein den beiden Hauptbestand-
teilen gleichwertiges Element in ihm vor uns haben 3). Besondere Be-
ziehungen zum postaxialen Komponenten der letzteren (Ulna, Fibula)
werden durch den so oft wiederkehrenden Befund nahe gelegt, daß die
früheste Anlage bereits diesen fest angeschlossen ist und später in dieser
Lage zeitlebens verharren kann. Freilich ist eine direkte Abstammung
(Abspaltung) aus der Anlage des postaxialen Bandknochens nicht nach-
gewiesen.
Bei Säugetieren (außer bei Monotremen) kommt an der Grenze
von Stylo- und Zeugopodium der hinteren Extremität die Patella
zur Entwickelung. Sie entsteht knorpelig, jedoch viel später als die
Elemente des benachbarten Zeugo- und Autoi)odiuni (Bernays 1878).
Ich rechne sie deshalb zu den sekundären Elementen, welche beim
Autopodium eine zusammenfassende Besprechung finden werden. Die
Anlage der Patella liegt außerhalb der Quadricepssehne.
In der Gegend des Kniegelenkes wurden beim Menschen noch
2 tibiale, 2 fibulare sowie ein interartikuläres Ossiculum sesamoideum
gefunden, die sich knorpelig, aber sehr verspätet anlegen (W. Grurer
1875, Retterer 1884, 1885). Vielleicht verhält sich die Patella olecrani
ontogenetisch gerade so. Thilenius (1895) rechnet daraufhin diese Elemente
zu den primären Bestandteilen , doch halte ich dies für unbegründet
(vergl. folg. Abschnitt).
A u 1 0 p 0 d i u m. Die Elemente, welche sich in diesem Extremitäten-
abschnitt finden, bedürfen (besonders die Carpalia und Tarsalia) be-
sonderer einheitlicher Bezeichnungen, da die beim Menschen seit
früher Zeit üblichen nicht für alle Tetrapoden genügen. Ich acceptiere
das Schema Gegenbaur's (siehe p. 295) :
Die hier genannten Elemente sind die konstantesten. Ich nenne
sie die kanonischen ^) Bestandteile des Autopodium. Es giebt
1) Thilenius (1895. 1897) unterscheidet bei Menschen ein besonderes Inter-
medium antebrachii [La Fig. 250) und ein davon verschiedenes Intermedium carpi.
Zu ersterem rechnet er allein das bei Baptonodon im Zeugopodium liegende Inter-
medium (vergl. p. 292, Anm. 3).
2) Sie wird vertreten von Marsh (1880), Thompson (1886), Pollard (1892),
Klaatsch (189G), Mehnert (1897), Shitkov (1899).
3) Aus dem Anschhiß des Intermedium an das Stylopodium, welches nur bei
Baptonodon wirklich beobachtet ist, kann deshalb kein lAylogenetischer Schluß ge-
zogen werden, wie dies viele thun. Denn sekundäre Verkürzungen der Knochen bei
jenen Fossilien sind sehr wahrscheinlich; sie können nachträglich das Inter-
medium dem Stylopodium genähert haben (VoGT 1881, Seeley 1882, Baur 1886,
1887).
4) Den oft angewendeten Ausdruck , .primär" möchte ich zunächst vermeiden,
weil unter den als „accessorisch" bezeichneten Elementen vielleicht auch noch primäre
Bestandteile vorhanden sind.
Entw. d. Form d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts, 295
vordere Extremität
hintere Extremität
ßasi-
podium
Meta-
podium
Homo:
Scaphoid . .
Lunatum . .
Triquetrum .
Centrale (nur
ontogenetisch)
Trapezium
Trapezoides .
Capitatuni
Haraatum
allgemeine Bezeichnung
Radiale (r) Tibiale (t) \
Intermedium (i)^) Intermedium (/)(
Ulnare (vt) Fibulare (f) . .
Centrale (C) Centrale (C)
Carpale 1 (ci) Tarsale 1 (^, )
. Carpale 2 (c,) Tarsale 2
. Carpale 3 (Cg) Tarsale 3
I Carpale 4 (c^) Tarsale 4
\ Carpale 5 (cg) Tarsale 5
Metacarpalia I — V
{3Ic I—V)
. ,. f Phalanges
Acropoclium ^ ^^^^ jj^^j^ ^^^^j^ gpj^^e zu mit ph^, ph
(t,) .
Homo:
AstragaUis
Calcaneus
Naviculare
Cuneiforme I
Cuneiforrae II
Cuneiforme III
Cuboides
Metacarpalia I — V
{3It I—V)
bezeichnet).
große
aiil^erdem aber noch eine
inkonstant auftreten, große Verschiedenheiten
verschiedenen Tetrapoden besitzen und auch
Elementen differente Beziehungen aufweisen,
noch zweifelhaft, wie sie sich
den kanonischen u^
Zahl von Skelettanlagen, welche
untereinander bei den
zu den kanonischen
Es ist infolgedessen
genetisch
zu
Bestandteilen verhalten,
werden überzählige oder
Sie
acces-
Fig. 250. Schema der selbständigen
Anlagen accessorischer Elemente des
jnenschlichen Carpus. (Die Carpo-meta-
carpalia 2, 5 und 6 sind bisher nur beim
Erwachsenen selbständig gefunden —
mit Kreuzchen bezeichnet.) Die dor-
salen Elemente mit Konturlinie, die
volaren ohne eine solche. Nach Thi-
LENIUS.
r.e
sorische Elemente des Autopodium (auch Sesambeine, Ossicula se-
samoidea) genannt. Einen Begriff von der Zahl derselben und von
ihren Lagebeziehungen zu den kanonischen Teilen giebt Fig. 250 für
die menschliche Hand. In dieser sind schematisch alle bei den ver-
schiedensten Individuen embryonal und im fertigen Zustand gefundenen
Bestandteile des Handwurzelskelettes vereinigt (Thilenius 1896 nach
dem Vorgang Pfitzner's 1893).
Es erscheint mir wichtiger bei der Behandlung dieser Elemente
eine kritische Uebersicht über die Versuche und Möglichkeiten zu
geben, dieselben von dem primären Extre nii täten skelett ab-
zuleiten oder ihre autochthone Natur nachzuweisen als für alle in
«ine gleich ausführliche Detailbeschreibung einzutreten. Denn nur
die ersteren, primären Bestandteile des Extremitätenskelettes be-
sitzen für eine historische Untersuchung große Wichtigkeit ; die letzteren
als sekundäre Neubildungen können eine solche nicht beanspruchen.
Es wird sich deshalb nur für die sicher primären Bestandteile dieser
Vorfrage ein specieller Teil anschließen.
Das Problem de r p r i m ä r e n u n d s e k u n d ä r e n B e -
1) i ist hier nochmals angeführt wegen der (sekundären) Einlagerung in das
Autopodium bei vielen Tetrapoden.
296 H. Braus,
stand teile des Aiitopodium ^). Die ontogenetische Behaiulluiig-
hat ergeben, daß gerade so wie im Stylo- und Zeugopodinm auch im
Autopodium innerhalb der Vorknorpelplatte Chondrifikatiouscentren,
nur in viel größerer Zahl, auftreten. Es ist dabei von größter
Wichtigkeit, daß bei niederen Tetrapoden aus diesen Frühanlagen
wohlentwickelte und funktionierende Bestandteile des fertigen Glied-
maßenskelettes hervorgehen, und daß bei höheren Wirbeltieren sich
zweifellose Homologa dieser Elemente nachweisen lassen. Es ist dies
z. B. bei allen oben als kanonische Bestandteile des Autopodium auf-
geführten Centren der Fall. Es kann allerdings bei höheren Tetra-
poden eine Rückbildung im fertigen Zustand eingetreten sein (z. B.
beim Centrale der vorderen Extremitäten). Diese kann aber meistens
in der Ontogenie noch gradatim verfolgt werden. Vor allem steht die
Homologie mit den vollentwickelten entsprechenden Elementen bei
niederen Vertebraten fest-).
Viel schwieriger ist es bei solchen Skelettelementen, deren An-
lagen von diesen Merkmalen wohl einiges, aber nicht alles besitzen,
die Frage zu entscheiden, ob sie sich zu den primären Bestandteilen
heterogenetisch verhalten (d. h. ob sie ihre mehr oder minder
große Uebereinstimmung mit letzteren einer konvergenten Entwickelung
verdanken) oder ob das Verhältnis ein homoiogenetisches ist
(d. h. ob sie nicht ursprünglich einander gleich und nur nachträglich
einander unähnlicher geworden sind). Das erstere nimmt die [> r o -
gr essivistische, das letztere die atavistische Hypothese
an. Unter diese Frage fallen alle accessorischen Elemente des
Gliedmaßenskelettes.
Trotz der großen Untersuchungs- und Geistesarbeit, welche auf dieses
Problem verwendet wurde, ist es nicht gelöst. Doch offenbart sich hier
dem kritischen Beobachter ein Hebelpunkt, an welchem fast alle Rich-
tungen der Morphologie ihre ganze Kraft angesetzt haben und ihre
methodische Eigenart bekunden. Ich kann nur das Charakteristischste
der ontogenetischen Versuche hier anführen, ohne auf Vollständigkeit
der Berichterstattung bei der Fülle des Materiales ausgehen zu können.
Anderes berühre ich nur kurz da, wo die kritische Abwertung es verlangt.
Die Argumente, welche zur Lösung der Frage, ob und welche
accessorischen Elemente primärer Natur seien, verwendet wurden, sind
zunächst histiogen etischer Natur. Die meisten Accessoria ent-
stehen in der Ontogenie knorpelig'^). Dies allein wurde schon als
Beweis für ihre Abstammung vom primären Skelett angesehen (vor
allem von Thilenius n. v. a.) Doch sind uns mancherlei Stellen
des Körpers bekannt, wo Knorpel auftritt, ohne daß an einen direkten
1) Manche Autoren reservieren die Bezeichnung Chiridium (und natürlich
damit alle dessen Teile) ausschließlich für die primären Elemente. Doch fasse ich
den Begriff nicht so enge, weil gerade die Grenze zwischen primären und sekundären
Bestandteilen des Gliedmaßenskelettes zur Zeit nicht scharf gezogen werden kann.
2) Einen völlig anderen Standpunkt nimmt neuerdings Strasser (^1902) ein.
Vorläufig liegt nur ein kurzes Referat über den Vortrag vor.
3) Nesbitt (1736), W. Gruber (1875), Born (1876), Leche (1879), Retterer
(1884, 1885), Baur (1888), E. Rosenberg (1892), Pfitzner (1892), Mehnert
(1897), Nassonow (1896), Thilenius (1896, 1897), E. Fischer (1903) u. a. — Auch
im fertigen Zustand ist die ehemals knorpelige Anlage noch an den restierenden
hyalin-knorpeligen Gelenkflächeu zu erkennen.
Entw. d. Form. d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts. 2\)1
Zusammenhang mit primären Skelettanlagen gedacht werden kann.
Es ist dieses Argument also allein nicht stichhaltig').
Bei den der Clavicala höherer Amnioten zu Grunde liegenden
Knorpelanlagen wurde bereits darauf hingewiesen, daß dort eine Be-
ziehung derselben zum primären Skelett fraglich ist (p. 263, dort auch
Beispiele von anderen Körperteilen). Das rein histiogenetische Merk-
mal des Vorhandenseins von Knorpel ist also differential- diagnostisch
für unsere Frage ziemlich wertlos. Bei manchen Sesambeinen der Ex-
tremitäten kommt eine besondere topographische Schwierigkeit
hinzu, die darin besteht, daß manche dieser Chondrifikationen sich in
beträchtlicher Entfernung vom primären Skelett entwickeln und zwar
an Stellen, wo verschiedenartige Sehnen sich miteinander verbinden oder
wo irgendwelche Faserverfilzungen vorhanden sind 2). Auch besitzen diese
Knorpel ein besonderes histiologisches Merkmal^), welches sie dem
„vesikulösen Stützgewebe" der Myxinoiden (J. Sciiaffer) an die Seite
stellt. E-ückbildungserscheinungen am Knorpel sind davon völlig ver-
schieden. Es wird vielmehr dieses Gewebe als ein Knorpel in
statu nascendi histologisch bezeichnet und dadurch begreiflich, daß
es auch entfernt von dem bereits vorhandenen, alten Knorpelskelett der
Gliedmaße entsteht. So ist gerade bei den Sesambeinen die Neubildung
von Knorpelgewebe wohl begründet ^).
Selbstverständlich entscheidet unsere Feststellung, daß die knorpelige
Anlage an sich nichts für die primäre Abstammung eines Elementes be-
weise, generell keineswegs, daß etwa überhaupt kein Accessorium
solcher Herkunft sei. Es liegen vielmehr Versuche vor, für einzelne
Sesambeine durch andere histiogenetische Argumente eine Ableitung
vom primären Skelett zu begründen. Die Knorpel entstehen bei
letzterem wohl als separate Centren, aber immerhin als Einlagerungen
in einer allen gemeinsamen v o r k n o r p e l i g e n Grundlage.
Man ist also darauf ausgegangen (so, wie ich die hier folgenden Ver-
suche auffasse) entweder für mehrere Anlagen von Accessoria eine
1) Die bindegewebig sich differenzierenden Sesambeme (Sesamoide, Pfitzner)
sind im Sinne der progrevistischen Hypothese Vorstufen, auf welche bei höherer
Ausbildung Chondrifikation und Ersatzknochenbildung folgen würden (Emery
1901 u. a.). Die atavistische Hypothese dagegen vermutet in ihnen Rudimente
(insbesondere Thilexius 1896). Da in der That kanonische Skelettstücke, welche
rudimentär werden, in der Ontogenese manchmal nur mehr in Form von Mesenchym-
verdichtungen gefunden werden und keine Spur hyalinen Knorpels erkennen lassen, seist
die M ö g li c h k e i t , die Sesamoide als Rudimente zu deuten, nicht zu bestreiten. Selbst
für den Fall, daß im Specialfall bewiesen würde, daß ein Sesamoid lu'sprünglich
knorpelig war, läge der Fall jedoch immer noch so wie oben bei den Accessoria,
deren knorpelige Anlage außer Frage steht, d. h. dieses histiogenetische Faktum
würde über die Zugehörigkeit zum primären Skelett nichts entscheiden.
2) Von Fürbringer (1888, p. 881) ist eine Eeihe solcher Fälle zusammen-
gestellt worden : Knötchen der Achillessehne des Frosches, Sesambein in der Tendo
achillis von Homo, in der Sehne des Muse, extens. metacarpi radialis superficialis
mancher Vögel, in den Mm. flexores perforantes von Hand und Fuß gewisser
Sauropsiden.
3) KoLLETT (1871), Renaut (1872)], Ranvier (1889) , Schaffer (1903,i : be-
sonders auch an Höckern und Scheiden des Sehnenapparates von Vögeln nach-
gewiesen.
4) Es ist dabei allerdings noch nicht untersucht (und vielleicht mit unseren
jetzigen Methoden auch nicht entscheidbar), woher die Zellen stammen, welche jene
Neubildungen einleiten. Gemeinhin nennt man den histiogenetischen Vorgang eine
Metaplasie, ohne damit zu rechnen, daß doch auch skeletogene Zellen aus den
primären Anlagen auswandern und sich am Aufbau des neu entstehenden Knorpels
beteihgen könnten.
298
H. Braus,
ihnen gemeinsame und ihnen zeitlich in der Ontogenese voraus-
gehende Vorknorpellamelle nachzuweisen oder nach einer skeleto-
genen Verbindung mit der einheitlichen Skelettplatte selbst zu
suchen. So zeigt sich bei Fledermausembryonen (Leboucq 1899)
an Stelle des späteren Pisiforme eine bauchige Ausladung der Vor-
knorpelplatte im Chiridium (Fig. 251a, Pis). Etwas später tritt peripher
III
1 V III
Fig. 251. Entwickelung des Handskelettes von Vespertilio murinus. Nach Le-
boucq. Mit Benutzung der Originalpräparate des Autors.
in der Handplatte eine Verdichtung auf {p' Fig. 251b), aus welcher
sich der Knorpel eines den Fledermäusen eigentümlichen, T-förmigen
Accessorium entwickelt (Fig. 251c, p'). Beide Vorknorpel {pis und p',
Fig. 251b) stehen durch einen dünnen Gewebsstreifen miteinander und
also mit der primären Prochondralplatte in kontinuierlicher Verbin-
dung. Die oben geforderten Kriterien sind also vorhanden. Später
verlieren die separat entstehenden Centren pis und p' und ihre ossi-
fizierten Abkömmlinge jegliche Verbindung miteinander und rücken
weiter auseinander.
Ich erblicke in diesen und ähnlichen Fällen einen gangbaren, aber
noch nicht völlig sicheren ^) Weg, über die Natur von Accessoria Klar-
heit zu gewinnen.
Wie histiogenetisch die Entwickelung der Sesambeine mit der-
jenigen der kanonischen Elemente verglichen werden kann, so ist es
ferner auch möglich, morpho genetische Merkmale dazu zu be-
nutzen. Es wurde bei manchen Skelettteilen keine selbständige An-
1) Zur Vorsicht muß der Umstand veranlassen, daß der Vorknorpel als Ge-
websforra etwas so schwer Bestimmbares ist. >So braucht auch Leboucq für den
Verbindungsstrang zwischen pis und ji' nur unbestimmte histiologische Bezeichnungen
(trainde fibrcuse, trainee des cellules trfes nettement visible). Ich bin nach der Prü-
fung der Originalpräparate des Autors, welche mir freundhchst zur Verfügung ge-
stellt waren, der Gewebsbeschaffenheit des betreffenden Stranges an der kritischen
Stelle nicht sicher. Gerade darauf, ob die gemeinsame Grundlage der in P'rage
kommenden Skelettstücke wirklich aus primärem skeletogencn Material besteht und
nicht etwa eine sekundäre Brücke zwischen heterogenetischen Elementen darstellt, da-
rauf kommt CS schließlich allein an. Es bedarf neuer, verfeinerter Methoden, um
diese histiogenetische Frage aufzuklären. Nach solchep müßte in Zukunft gesucht
werden. Vergl. auch Fälle von Emery 1891.
In dem P'all der Fledermaus tritt übrigens schon ein morphogenetisches Mo-
ment zu Tage, da pis und 2^' zusammen mit ihrem Verbindungsstrang einem vom
Carpus ausgehenden (6.) Skelettstrahl verglichen werden können. Ich komme darauf
im Text zurück.
Entw. d. Form d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts. 299
läge, sondern eine partielle, sich allmählich komplettierende Ab-
derselben von kanonischen Elementen des Autopodium
Es ist hier erforderlich, die einzelnen Befunde zu be-
Spaltung
beobachtet,
trachten.
Bei Walembryonen sind Abspaltungen am ulnaren Rand des Hand-
skelettes nicht selten (Kükenthal 1888, 1890, von Leboucq bestätigt)
Sie kommen bei Phalangen des 5. Fingers von Beluga vor (Fig. 252b)
Fig. 252. Abspaltung von Accessoria {A) am Eand des 5. Fingers bei Beluga
leucas. a, b von verschieden alten Embryonen , c vom erwachsenen Tier. Nach
Kükenthal.
Auch das Pisiforme ist in jüngsten Stadien gewisser Wale (Globio-
cephalus) individuell in Zusammenhang mit der Ulna, während gemein-
hin beide voneinander getrennt sind. GewiiS ist nach diesen Befunden
nicht zu bezweifeln, daß sich bei Walembryonen durch Längsgliederung
Elemente von den kanonischen Skelettstücken abspalten. Erheben sich
aber diese Fälle über gelegentliche Spaltbildungen bei menschlichen Glied-
maßen i) (Schizodactylie) ?
Es werden außerdem die Sesambeine, welche als Varietäten im mensch-
lichen Handskelett gefunden werden (besonders die metacarpo-phalange-
alen und carpalen Accessoria) als Abspaltungen von den kanonischen
Elementen angesehen (Leboucq 1894). Doch sind diese Beobachtungen
eigentlich nicht ontogenetischer Art. Denn es wird daraus, daß bei ganz
jungen embryonalen Individuen außer den kanonischen Elementen keine
separaten Anlagen gefunden wurden, geschlossen, daß da, wo solche
später vorkommen, eine Abspaltung stattgefunden haben müsse. Eine
wirkliche Embryonalanlage der betreffenden Accessoria könnte trotzdem
ganz andere Resultate zeigen. Die Befunde von Thilenius (1896) machen
in der That die selbständige Anlage aller Accessoria wahrscheinlich 2).
1) Es sind die Beobachtungen bei den einzelnen Walspecies doch zu spärlich
(was bei dem seltenen Material gewiß begreiflich ist), als daß sie dem Postulat einer
kompletten Entwickehmgsserie genügen könnten. Eine solche allein würde uns auf-
klären können darüber, ob hier typische oder gelegentliche Prozesse walten. Die
Varietätsstatistik, welche weiterhin in Betracht käme, ist völlig unmöglich ohne
großes Material.
2) So wie die Abspaltung ist auch die Verwachsung von Accessoria
mit kanonischen Elementen als Kennzeichen homoiogenetischer Herkimft
300 H. Braus,
Die Versuche, Accessoria als direkte Abkömmlinge von ka-
nonischen Elementen nachzuweisen, sind also zur Zeit noch nicht
hinreichend fundiert. Es giebt außerdem Autoren, welche indirekte
Verwandtschaftsnachweise zwischen accessorischen und kanonischen
Elementen auf morphogenetischem Wege aufstellten. Handelt es sich
bei den ersteren gegebenenfalls um Homologieen, so können hier nur
Homonomieeu als Grundlagen für weitere Schlußfolgerungen gewonnen
werden. Denn selbst, wenn die Aehnlichkeiten der Entwickelungs-
stadien eines bestimmten Skelettteiles im Autopodium noch so groß
erscheinen mit der Entwickelung eines Nachbarn in demselben Auto-
podium, so kann sich doch dahinter weit eher eine fundamentale Ver-
schiedenheit verbergen, als wenn beide in die direkte Descendenz eines
gemeinsamen Vorfahren fallen, wie dies bei der speciellen Homologie
der Fall ist. Die hier zu besprechenden Fälle sind also an sich schon
weniger beweiskräftig als solche, welche zu der an erster Stelle er-
wähnten Gruppe gehören.
Von den rudimentären Baustücken des primären Skelettes ist be-
kannt, daß sie sich noch gelegentlich in den ersten Entwickelungs-
stadien komplett anlegen, vielleicht auch noch eine Weile den pro-
gressiven Gang der weiteren Entwickelung mitmachen, dann aber
unaufhaltsam auf regressiver Bahn bis zu dem rudimentären Endzu-
stand herabsinken. Für eine komplette Anlage nach Art der
kanonischen Elemente ist es nun charakteristisch, daß das Skelett
sich durch die ganze Dicke des Chiridium erstreckt (es wurde dies
von E. Rosenberg 1892 beim Centrale von Emys lutaria als
jj^ wichtiges Merkmal nachgewiesen). Auf diesen
Punkt scheint bei den Accessoria wenig ge-
achtet worden zu sein. In vielen Fällen machen
aber die Autoren für die Anlage von solchen
die Angabe, daß sie sich auf eine Seite des
Autopodium beschränke (z. B. Anlage des Pi-
■siforme beim menschlichen Embryo [Fig. 253,
Leboucq 1884J, viele überzählige Elemente
des Carpus und Tarsus bei Homo [Thilenius
mc V V 'V''l, / 1895]). Eine komplette Anlage der oben
erwähnten Art ist mir nicht bekannt.
Fig. 253. Dorso-ventraler Längsschnitt durch die
Haud eines menschlichen Fötus. Nach Leboucq.
Das zeitliche Moment, welches darin besteht, daß die kom-
plette Anlage synchron mit den kanonischen Elementen auftauchen
beider bezeichnet worden. Solche Konkrescenzen wurden häufig gesehen (E. Rosen-
berg 1892 bei Emys taurica: Accessorium ext. mit Radiocentrale ; C. K. Hoff-
mann ebenfalls bei Schildkröten, Leche 1884 und Tornier 1891 bei Mammalia).
Besonders oft kommen solche Konkrescenzen zwischen kanonischen Elementen selbst
vor (Carpalia und Tarsalia). Aber dies involviert nicht, daß nur Elemente gleicher
Herkunft miteinander verschmelzen könnten. Die heterogensten Körperelemente
haben sich an gewissen Stellen zur Bildung neuer Bauformen des Wirbeltierkörpers
zusamengefunden (Zusammentreffen dermaler und autochthoner Knochen in der
Genese des Wirbelthierschädels, der Flossen der Teleostier etc.). So existiert denn
auch die entgegengesetzte Deutung in der Litteratur, daß bei den Konkrescenzen
von kanonischen und accessorischen Bestandteilen des Autopodium sich der Ein-
tritt sekundärer Elemente in das primäre Chiridumi vor unseren Augen vollziehe
(Tornier 1891, p. 136).
Entw. d. Form d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts. 301
muß, ist planmäßiger untersucht, aber ebenfalls in den meisten Fällen
negativ entschieden worden. Die meisten Accessoria entstehen spät,
manche sogar erst im postfötalen Leben (viele Fälle von Tornier
[1891, p. 194] zusammengestellt). Es sind jedoch auch einige bekannt,
^vo gleichzeitige Anlage oder doch nur geringe Verspätung gegenüber
den kanonischen Elementen konstatiert wurde ^). Ich nenne das Acces-
sorium tibiale des Tarsus von Cavia cobaya (Baur 1885, von diesem
als kanonisches Tibiale gedeutet, s. folg. Al3schn,) und das Pisiforme bei
Homo (Leboucq 1884, p. 79). In solchen Fällen besteht ein sehr
beachtenswertes Hilfsargument für den Beweis im Sinne der atavisti-
schen Hypothese.
Dagegen kann weder die verspätete noch die räumlich inkomplette
Anlage von Accessoria im Sinn der einen oder anderen Hypothese ver-
wendet werden, wie dies vielfach geschehen ist. Excessive Fälle scheiden
allerdings hier aus. (So ist z. B. eine Verspätung der Anlage bis auf
späte Fötal- oder sogar Postfötalzeiten bei kanonischen Elementen nicht
bekannt, bei accessorischen dagegen nicht selten und deshalb im Sinne
der progressivistischen Hypothese wohl verwendbai'.) Es werden weiter
unten noch viele Fälle mitgeteilt werden, in welchen auch bei kanonischen
Elementen eine inkomplette und verspätete Anlage beobachtet wurde.
Umgekehrt zu behaupten, daß . Aehnlichkeiten in solcher Beschränkung
(zeitliche Verspätung, Unvollständigkeit der Frühanlage und andere,
rudimentären Primärbildungen zukommende Merkmale) zwischen acces-
sorischen und kanonischen Elementen auf Homoiogenese hinweise, wie
dies auch geschehen ist, erübrigt sich von selbst. Die Gypsimitation eines
Marmorbildwerks mag dem verstümmelten und verdorbenen Original zum
Verwechseln ähnlich geraten sein, Kopie wird darum nie Original und
■Gyps nicht Marmor.
Zu den indirekten morphogenetischen Argumentationen gehört
auch der Versuch, eine Rei h e n bi 1 du n g zwischen accessorischen und
kanonischen Elementen nachzuweisen. Es kommt dabei besonders auf
die Situation der überzähligen Anlagen an. Man kann flächen- und
ran d ständige Accessoria unterscheiden, d. h. solche, welche sich
ventral oder dorsal im Autopodium selbst ausbilden und solche, welche
lateral von ihm (prä- oder postaxial) situiert sind (vergl. Fig. 2b0). Beide
Arten könnten aus entfernterer Lage in ihre jetzige Position hinein-
geraten und so dem Autopodium sekundär angegliedert worden oder
umgekehrt auf dem Wege sein, die Lage innerhalb des Autopodium
1) Allerdings sind hier manche Fälle auszuscheiden, in welchen nämlich nur
indirekt der Zeitpunkt des ersten Auftretens einer accessorischen Anlage erschlossen
wurde, weil keine kontinuierliche und hinreichend umfassende Serie von Entwicke-
lungsstadien zur Verfügung des Untersuchers war. Es ist der indirekte Schluß dann
häutig daraus abgeleitet worden, daß in späteren Stadien die histologische Differen-
zierung des betreffenden Accessorium mit derjenigen eines kanonischen Elementes
verglichen und, wenn beide gleich hoch differenziert waren (z. B. hyaline Grund-
substanz von gleicher Dicke der Ablagerung besaßen), angenommen wurde, es müsse
von beiden die gleiche Zeitspanne der Entwickelung zurückgelegt worden sein, um
diese Entwickelungsstufe zu erreichen. So ergab sich durch diese Art der Rekon-
struktion Synchronismus der Anlage mit derjenigen der kanonischen Elemente (z. B.
radiales Sesambein des Carpus bei Emys, E. Rosenberg 1892, u. a.). Es sind aber
große Differenzen im Tempo der histiogenetischen Entwickelung auch bei kanonischen
Elementen bekannt geworden (insbesondere bei Mehnert 1897). Der erwähnte Rück-
schluß ist also keineswegs zwingend. Es muß vielmehr der direkte Nachweis für
synchrone Anlagen durch Beobachtung einer kompletten Serienfolge verlangt werden.
302 H. ÜRAUS,
zu verlassen, um sich gänzlich von ihm zu trennen. Im ersteren Sinn
sind die Konkrescenzen von Accessoria mit Primärbestandteilen des
Carpus und Tarsus, über welche oben berichtet wurde, vielfach ver-
wertet worden. Für die letztere Alternative hat Leboucq (1884) seine
Beobachtung gedeutet, daß bei Mammaliern die Anlage des Pisiforme
einen Fortsatz zwischen Ulna und Ulnare hineinsendet, welcher bis
zum Intermedium zu verfolgen ist. Der Meniscus interarticularis im
Handgelenk und ein Knorpelchen zwischen Ulna und Radius ^) werden
als Derivate dieses Teiles des Pisiforme bezeichnet, und demnach als
Relikte aufgefaßt, welche jenes Element bei seiner Auswanderung aus
dem Carpus zurücklief.
Es gehen also hier die Ansichten sehr auseinander. Wenn auch
ein sicheres Resultat über die ursprüngliche Situation der Accessoria
und ihre nachträglichen Verschiebungen noch nicht erreicht ist (zum Teil
weil für unsere heutigen Beobachtungsmittel die meisten Elemente gleich
dort sichtbar werden, wo sie zeitlebens liegen), so sind doch gerade von
solchen Untersuchungen, besonders mit verfeinerten Methoden, entschei-
dende Aufschlüsse zu erwarten. Generell dürfte natürlich ein Special-
fund nicht verwertet werden. Denn sehr Avohl könnte bei der Verschie-
bung das eine Element diese, das andere eine ganz andere Richtung ein-
geschlagen haben. Schieben sich aber wirklich Accessoria ursprünglich
zwischen die kanonischen Elemente ein, so können Reihenbildungen, deren
Komponenten aus kanonischen und accessorischen Skelettstücken bestehen,
sehr wohl mit den Reihen (Radien) verglichen werden, welche im Meta-
und Acropodium die Regel sind. Es fragt sich jedoch, ob auch im Basi-
podium Fortsetzungen jener Radien der terminalen Partieen nachzuweisen
sind (eine Frage, welche später noch besonders behandelt werden wird),
und so sjiielt in dieses Kapitel jenes andere Problem hinein, ob Acces-
soria im Meta- und Acropodium allein, oder auch im Basipodium an einer
Reihenbildung beteiligt sein können.
Wie wir uns die Reihen denken können, um die es sich hier
handelt, illustrieren die Befunde von Born (1875) am Tarsus der
Anuren. Bei Rana liegen am tibialen Fußrand vier in einer Längs-
Knorpelchen (Fig. 254), von welchen das
basale a mit einem Tarsale, das zweite a^
mit einem Metatarsale, die beiden letzten a.^,
«3 mit Phalangen der typischen 5 Zehen, aus
welchen sich 'der Fuß zusammensetzt, ver-
glichen wurden -). Wegen der Aehnlich-
Fig. 254. Accessoria am tibialen Fußrand von
Rana esculenta. Nach Born.
1) Es wurde unter anderem auch bei nienschhchen P^mbryonen gefunden (von
Thilenius (1895) bestätigt und als Os intermedium antebrachii bezeichnet). — Le-
boucq befindet sich übrigens in diesem Punkt in Kontroverse mit Thilexiüs (1895,
§. 3 u. 4), da letzterer gerade den Zusammenhang zwischen den Anlagen des Meniscus,
es accessorischen Knorpelchens zwischen Ulna und Radius und des Pisiforme für
alle Entwickelungsperioden leugnet. — Auch Leche (1884) hat Anlagen von Acces-
soria bei Mammaliern in den Eeihen der kanonischen Carpalia beschrieben, hält aber
selbst neuerdings seine frühere Ansicht nicht mehr aufrecht, daß jene primärer
Natur seien. Vergl. auch p. 298, Anm. 1.
2) Bei anderen Anuren kommen sogar :* Knorpel, welche Phalangen zu ver-
gleichen wären, vor. Selbst ein Nagel wird manchmal (Xenopus, Rhinophrynus) auf
dem Endstück gefunden. Doch wird von ähnlichen Bildungen bei höheren Tieren
reihe
aufeinanderfol
a
gende
Fib
Tib /^Ki;?%
a.
^ -
«3
mt II mt I
Entw. d. Form d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts. 303
keit mit den von kanonischen Elementen gebildeten Reihen werden
diese als überzählige Finger (Zehen) bezeichnet. Wir betreten
hiermit das Gebiet der Hyper- und 0 1 igodactylie ^). Indem
ich auf dieses eingehe, habe ich gleichzeitig die vergleichend-
morphologische n Argumente zu berücksichtigen, welche bei der
Bestimmung über die Herkunft der Accessoria in Betracht kommen.
Denn diese Argumente sind besonders wichtig für die Fragen der
Oligo- und Hyperdactylie.
Um eine primäre Hyperdactylie wahrscheinlich zu finden,
handelt es sich zunächst darum, welche Sesambeine überhaupt kon-
stant genug auftreten, um als gemeinsames Erbteil aller Tetrapoden
zu gelten ''). Leider herrscht hier noch ein Wirrsal der verschiedensten
Angaben und Deutungen. Ich beschränke mich deshalb darauf, eine
tabellarische Uebersicht ■') über die randstän digen Accessoria
des Autopodium zu geben, um wenigstens zeigen zu können, in welcher
Zahl dieselben gefunden worden sind (p. 304).
Einen Ausweg aus dem Wirrsal schwankender und schwer zu
deutender Befunde hat Gegenbaur (1880) zu geben gesucht, indem
er die Frage aufwarf, ob denn der Atavus bekannt sei, aufweichen
diese prä- und postaxialen Rudimente seitens der atavistischen Hypo-
these bezogen werden möchten. Wüßten wir, daß wirklich einmal bei
Tetrapoden eine Hand oder ein Fuß mit komplettem Präpollex oder
(Bardeleben 1894) neuerdings angegeben, es handle sich nicht um Nägel, sondern
um Hautschwielen (Eimer 1902, p. 213). Pfitzner (1892) bezweifelt andererseits,
daß Nägel ein Charakteristicum eines Fingerendes seien, weil sich bei Amputationen
auch am Stumpf Nägel als Neubildung eini^tellen können.
1) In der Hypothese, daß ursprünglich das Chiridiura mehr als 5 Finger (Zehen)
besessen habe, hat sich die atavistische Hypothese zu dem Versuch erhoben, die bei
den verschiedensten Tetrajaoden vorkommenden Sesambeine zu einem einheitlichen
Schema zusammenzufassen. — In der Oligodactylie wird von den meisten Autoren
eine Rückbildung gegenüber pentadactylen Vorfahren gesehen (s. Text w. u.). Ich
bespreche sie jedoch hier gleich im Anschluß an die Hyperdactylie. — Zum Ver-
gleich der fraglichen Reihenbildungen mit primären Strahlen sind auch die Bezie-
hungen zu den Weichteilen (Muskeln, Gefäßen, Nerven, Carlsson 1890, v. Barde-
leben 1894, Leboucq 1898, BALLOwaTZ 1904) herangezogen worden. Es sind dies
vergleichend-anatomische Untersuchungen, auf die hier nicht eingegangen werden kann.
2) Die Konstanz des Auftretens ist erst ersichtlich, wenn feststeht, welche
Sesambeine bei den verschiedenen Wirbeltieren einander homolog sind. Gerade hier
herrscht eine außerordenthche Divergenz der Ansichten. Zum Teil hat dieselbe darin
ihren Grund, daß Skelettstücke, welche sich äußerlich ähnlich sehen, an nicht identi-
schen Lokalitäten gefunden werden. Die einen Autoren sehen dies als Folge von Ver-
schiebungen an und halten an der Homologie der betreffenden Elemente fest ; die
anderen betrachten die verschiedene Lokalisation als Beweis für ahomologe Ent-
stehung (z. B. Pisiforme bei Reptilien und Mammaliern A. Carlsson 1890, E. Ro-
senberg 1892, Pfitzner 1892, Thilenius 1896 u. a.). Ferner wird ein und das-
selbe Stück manchmal von der einen Gruppe der Autoren als Rest eines zu Grunde
gehenden kanonischen Strahles gedeutet, während die andere es auf einen überzäh-
hgen Finger bezieht (z. B. die radiale Reihe von Accessoria beim Carpus der Anuren
gleich Daumen nach Gegenbaur 1864 u. v. a.; gleich Präpollex nach Emery 1894,
Perrin 1896 u. a. ; das am tibialen Fußrand der Mammalier liegende Knorpel- und
Knochenstück von Baur (1884) zuerst als Prähallux bezeichnet, nach Baur seit 1889,
Emery 1901 für kanonisches Tibiale gehalten).
3) Die meisten hier aufgeführten Accessoria sind embryologisch bekannt. Die
beigegebenen litterarischen Notizen mögen für den Anfang einer genaueren Orien-
tierung an die Hand gehen. Vollständig sind dieselben nicht. Die mir fraglichen
Accessoria bezeichnete ich durch ? . — Auch die flächensländigea Sesambeine
sind auf ihre Konstanz hin geprüft worden ; doch ist bei ihnen die Bestim-
mung der Homologien noch schwieriger, auch ihr Vorkommen bei niederen Tetra-
poden weit spärlicher als bei den randständigen Accessoria (siehe Thilenius 1896).
304
H. Braus,
R a n d s t ä n d i g e A c c e s s o r i a des A u t o p o d i u in.
Präaxiale Accessoria
(sog. PräpoUex, s. -hallux)
Hand Fuß
Postaxiale Accessoria
(sog. Postminimus)
Hand Fuß
Alle Uro delen (Eme-
ry 1894 ; nach den
übrigen Autoren = Cj
Nur bei Crypto-
branchus (Kehrer
1886, OsAWA 1902)
Alle Anuren (Emery
1894, Perrin 1896 u.a.)
Vacat bei allen
Amphibien (Baur
1890 u. a.)
1?
1
1-5?
0
1
2?
1
Ve r einzelte
ürodelen(WlE-
dersheim 1876,
Kehrer 1886,
Baur 1888, OsA-
WA 1902, u. a.)
Alle Anuren
(Gegenbaur
1864, Born 1875,
Baur 1888 u. a.)
1-2
2-4
1?
2
a
a
<
c
Ol
Vacat bei Am-
phibien (fast
alle Autoren)
Pelobates:vor-
übergehende se-
parate Existenz,
sjjäter Verwach-
sung mit?« (Eme-
ry 1894)
0
1
1
1
1
3 bis
viele
Ver einzelte
U r 0 d e 1 e n
(Hyrtl 1865,
Wiedersheim
1876, Baur 1888)
1—2
c
&,
S
<1
Chelonier (Gegen-
BAüR 1864, E. Rosen-
berg 1875, C. K. HoFP-
mann 1877—78, Keh-
rer 1886, Mehnert
1897)
Theriodesm US (fossil,
Seeley 1889, Barde-
leben 1889)
Lacertilier (Emery
1894)
Chelonier (em-
bryonal Baur
1885)
Plesiosaurus
(fossil)
Hatteria (Gün-
ther 1868,Baur
1885, Schauins-
land 1903)
Lacertilier
(Born 1876, C.
Rabl 1903*)
Chelon ier
(E. Rosenberg
1875, 1892, Meh-
nert 1897 , C.
Rabl 1903^)
Ichthyosau-
rus,Baptano-
d 0 n (fossil)
Vacat (nach Baur
(1885) ist der 7)/cv
+ Zehe gleich
überzähligem
Strahl beiSchild-
kröten embryo-
nen)
0
0
a
Nach AV. K. Parker
(1888) beim Hühnchen,
jedoch nach Norsa
(1894) ohne separate
Anlage
0
1-2
1
2
2
2
2
Vacat
0
'öS
•.o
>
Vorübergehende
Anlage nach
Norsa 1894
1
Vacat
'S
•■o
>
Monotremen, Mar-
supialier (Emery
1901)
SesambeinimMusk.
abd. pollicisvieler
M a m m a 1. (Mivart
1871, E. Rosenberg
1875, Leche 1884, Le-
boucq 1884, Baur
1885 u. a.)
Vereinzelte Nager
(Baur 1885, Barde-
leben 1885, 1890, Eme-
ry 1890, 1891)
Proboscidier: Hyrax-
embryo (E. Fischer
1903)
Affen embryo (Keh-
rer 1886)
Homo embryo (Thile-
Nius 1896) '
Monotremen
(Emery 1901)
Marsu piali er
(Baur 1885,
Emery)
Raubtiere
u. V. a. Mamm.
(Blainville u.
V. a., s. Tornier
1891)
Homo (separate
Anlage der Tu-
berositas navicu-
laris Barde-
leben 1885,Thi-
LENIUS 1896)
1
1-2
4
1
a2
Pisiforme (Al-
bin US u. V. a. ;
V. Bardeleben
(1894) giebt zwei
Knöchelchen au,
aber bestritten
von Eimer 1901
u. a.)
Fledermaus-
embryo (Le-
BOUCQ 1899)
Kaninchen-
embryo (Emery
1901)
1
2
Vacat (manche
Autoren halten
den Calcaneus
bei H 0 m o für
partiell horaody-
nam dem Pisifor-
me,BARDELEBEN
1894. Dasselbe
nimmt Leboucq
1899 für die Fl e-
d e r m a u s an)
1?
äs
3
:e3
Entw. d. rorm d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts. 305
Postminimus existiert hätte und wie diese überzähligen Strahlen zu-
sammengesetzt und dem Autopodium eingegliedert gewesen wären, so
hätten wir das Instrument, das mit größerer Sicherheit den Vergleich
der Randaccessoria ermöglichen würde. Da aber nur Rudimente außer
den 5 kanonischen Fingern bekannt sind, so sind alle Versuche nicht
über vage Vermutungen hinausgekommen.
Freilich kommen als Varietäten polydactyle Mißbildungen vor
(vergl. Kap. III '*). Zum größten Teil sind sie mit anderen Mißbildungen verge-
sellschaftet (z. B. Einschaltungen von Fingern zwischen die gewöhnlichen
in der Form spiegelbildlicher Veimehrung der normalen Strahlen; in diesen
Fällen ist die Vermehrung als Doppelbildung zu bezeichnen: Diplochirie,
Diplopodie). Oder es liegen Spaltungen einzelner Finger vor (Schizo-
dactylie), wie daraus manchmal erkannt werden kann, daß der eine oder
andere Bestandteil — Metacarpus, Metatarsus — noch beiden gemeinsam
und einheitlich ist. Besonders wichtig für die Beurteilung der poly-
dactylen Mißbildungen sind Parallelfälle, welche bei Säugern mit normal
oligodactylen Extremitäten vorkommen. Es treten hier (z. B. beim Pferd,
Schwein etc.) gelegentlich Varietäten auf, bei welchen mehr Strahlen als
in der gewöhnlichen Reduktion sform vorhanden sind. Obwohl unter diesen
Rückschläge auf uns (zum Teil auch paläontologisch) bekannte Vorstufen
(wie Hipparion) vorkommen, hat sich doch in einem großen Teil der
Fälle erweisen lassen, daß die überzähligen Elemente als Monstrositäten,
nicht als Homonome der gewöhnlichen Zehen entstanden waren (Gegen-
BAUR 1880, 1884, Boas 1884). Die polydactyle Varietät als solche kann
also keine Sicherheit geben und nicht die direkte Kenntnis des hyper-
dactylen Atavus ^) ersetzen.
Dar-win (1868), welcher in der Polydactylie einen Atavismus er-
blickte, begründete dies durch die Vererbbarkeit derselben, für welche
es zahlreiche (seitdem noch erhebliche vermehrte) Beispiele in der
Kasuistik der Mißbildungen giebt. Es hat sich jedoch gezeigt, daß zweifel-
lose Doppelbildungen ebenso häufig generationenweise bei einer
Species auftreten können 2)
Die Oligodactylie^) gilt bei Amnioten, soweit sie sich in der
normalen Entwickelung bildet, allgemein als Hemmungsbildung
1) Von manchen Autoren wurde die polyaktinote Flosse der Halisaurier (Ichthyo-
saurus, Baptanodon) als Atavus angesehen (üegenbaur 1870 [zeitweihg], E. Rosen-
berg LS75, Marsh 1880 u. a.). Doch waren auch bei diesen keine voll funktionie-
renden überzähligen Strahlen vorhanden. Höchst wahrscheinlich sind diese poly-
aktinoten Formen von den Extremitäten der Landreptilien abzuleiten und also se-
kundärer Art. — Wollte man auf die Fischflosse zurückgreifen , bei welcher die
polyaktinote Extremität reich vertreten ist, so steht dem die völlig andere Form und
Entwickelungsart der Accessoria bei Tetrapoden entgegen. — Den hypothetischen
Grundplan des primären Chiridium, den man auf Grund der Lagerung und Ent-
wickelung der kanonischen Elemente zu rekonstruieren versucht hat, zur Basis des
Vergleiches machen, heißt Hypothesen auf Hypothesen gründen. Denn auch über
jenen Grundplan herrscht keine Klarheit.
2) Es haben also auch Regenerationen gelegentlich amputierter hyperdactyler
Finger, welche Darwin für' häufig hielt (was übrigens Rüdinger 1876 bestritt) und
als atavistisches Charakteristikum der Hyperdactylie anführte, kaum diese Bedeutung.
Am ehesten würde die Verfolgung der Embryonalentwickelung hyperdactyler Extre-
mitäten hier neuen Aufschluß geben. — Daß die Polydactylie nicht bloß auf Defekt-
bildungen durch amniotische Fäden oder ähnliche äußere Druckwirkungen (Zander
1801, Turnier 1896) zurückzuführen sei, ist wohl vorauszusehen. Uebereinstimmende
Polydactylieen in beiden Körperhälften, die häufig vorkommen, widerstreben solchen
generalisierenden Annahmen völlig.
3) Vergl. hierzu den Abschnitt : Meta- und Acropodium.
Handbuch der Entwickelungslehre. III. 2. 20
306
H. Braus,
In den meisten Tällen ist auch ontogeuetisch die Anlage von fünf vor-
knorpeligen Radien noch zu finden (s. p. 284) und dadurch diese Annahme
beweisbar. Bei Amphibien wird jedoch das Vorkommen von nur
vier Zehen an der Hand als etwas Primitives (als eine Zwischen-
stufe zwischen mono- und pentadactyleu Extremitäten , vergl. Schluß)
betrachtet. Baür (1888), Zwick (1898) und Rabl (1901) sehen
die Oligodactylie auf Grund des successiven Aussprossens der
Finger in der Ontogenese der Urodelenhand als etwas Primäres an,
andere Autoren (Shitkov 1899, Wiedersheim 1892) erörtern daraufhin
die Möglichkeit einer solchen Auffassung. Doch ist bereits von Ejiery
(1894) und Mehnert (1897) gegen diese Beweisführung geltend gemach^
worden, daß die zeitliche Folge in der Entstehung der Finger schon he'
Anuren eine andere und überhaupt in der Vertebratenreihe sehr
wechselnde ist. Mit gewissem Recht könnte für alle diese Modalitäten,
soweit sie richtig beobachtet sind , eine besondere Urform verlangt
werden. — Von besonderer Wichtigkeit für diese Frage sind die Befunde
von VAN Pee (1903). Jener Autor wies bei Larven von Amphiuma noch
Anlagen von 3 Strahlen nach, während bei ausgewachsenen Tieren dieser
Art 3, 2 oder nur ein Finger gefunden wird (Fig. 255). Er stellte damit
fest, daß bei einer Form mit weniger als 4 Zehen, welche im Licht jener
Hypothese als phylogenetische Vorstufe der 4-fingrigen Arten erschien, in
Wirklichkeit eine R e d u k tion eingetreten ist. FtJRBRiNciER (1902, ] 903)
hat auch für die 4-fingrigen Formen der Amphibien, bei welchen sich
bisher ontogenetisch keine weitere Anlage eines Fingers finden ließ, die
vergleichend-anatomischen Momente (relative Größe des Extremitäten-
gürtels, allgemeine Körperform) und paläontologischen Funde erörtert,
welche gegen primäre Oligodactylie sprechen.
Es sind schließlich noch
physiologische Argu-
mente geltend gemacht wor-
den, welche über den atavisti-
schen oder progressivistischen
Charakter der Accessoria Aus-
kunft geben sollten. Die Be-
ziehungen der Sesam-
beine zu den Muskelseh-
nen sind es, welche hier eine
große Rolle gespielt haben ^).
T Ontogenetisch hat sich nach-
Fig. 255. Eückbikhmg des 3.
Fingers bei Amphiuma (nach van
Pee). a vordere Extremität einer
Larve von 40 mm, b einer solchen
von 127 mm Länge.
1) Im Sinn der atavistischen Hypothese sind diese Beziehungen so ge-
deutet worden, daß durch die Verwendung von Radienr u dim enten seitens des
motorischen Apparates der Extremität (als Hypomochlion, Verstärkungen der Ge-
lenkkapsel, Widerlager für Bänderdruck u. dgl.) ein Funktionswechsel eingeleitet und
dadurch ein völliges Verschwinden der betreffenden Elemente verhindert worden sei.
Ja, nach dieser Auffassung kann auf die vorübergehende Reduktion eine
Art Nachblüte durch progressive Entwickelung in neuer Richtung folgen. Anderer-
seits benutzt die rein i^rogressivistische Hypothese die Beziehung der
Accessoria zu den Muskelsehnen, um die Neu en tstehun g von Sesambeinen aus
rein mechanischen Gründen darzuthun. Es brauchen selbstredend beide Auffassungen
keine generelle Bedeutung zu haben. Bei dem einen Accessorium könnte dieser, beim
anderen jener Prozeß gewaltet haben.
III .
III -
Entw. d. Form d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts, 307
weisen lassen, daß in vielen Fällen Anlagen von Accessoria früher auf-
treten als diejenigen von Gelenkspalten und Muskelselmen überhaupt
(Retterer 1884, 1885, E. Rosenberg 1892, Pfitzner 1893, Thilenius
1895, 1896). Auch liegen die Sesambeine den Muskelsehnen manch-
mal nur an. wenn letztere zuerst in der Entwickelung hervortreten,
und verharren in dieser Lage häufig zeitlebens. Solche zeitliche und
räumliche Diskrepanzen haben besonders Pfitzner und Thilenius
Anlaß gegeben, eine Beziehung der Accessoria zu den Sehnen und
Bändern gänzlich in Abrede zu stellen und die progressivistische
Hypothese für unanwendbar zu erklären, weil — ohne Beteiligung der
Sehnen und Bänder an der Neuentstehung der Sesambeine — der
zureichende Grund für eine Neubildung fehle. Dagegen ist jedoch zu
bedenken, daß häufig in der individuellen Entwickelung Korrelationen
zwischen verschiedenen Anlagen, solange ihre Funktion nicht aktiviert
ist. hintangehalten werden können und doch an dem Bestehen solcher
Korrelationen in der Phylogenie festgehalten werden muß (z. B. Aus-
bildung der Gelenkform ohne Beziehung zur Muskel Wirkung p. 286
u. dgl. m.). Es sei hier auch auf die hochgradige Selbstdifferen-
zierung hingewiesen, welche nach W. Roux in frühen Entwickelungs-
epochen allen Em brj^onalan lagen eigen ist.
Es ist bedauerlich, daß wir über die Korrelationen der Acces-
soria und Sesambeine im entwickelungspbysiologischen Sinn keine zu-
verlässige Kenntnis haben. So sind noch viele Details dunkel, namentlich
daß manche Sesambeine überhaupt nie zu Sehnen in Beziehung treten ;
ferner daß dort gerade Sesambeine sich finden können, wo der Funktion
nach keine erwartet werden sollten, und daß manchmal da, wo viele er-
wartet werden, keine zu finden sind (z. B. Metacarpo-pbalangealgelenk
von Daumen und Fingern bei Homo) ; schließlich die oft kolossale Größe der
Sesambeine im Vergleich zur Stärke der benachbarten Sehne. Alle diese
Fälle, welche von Pfitzner und Thilenius positiv gegen die progres-
sivistische Hypothese angeführt werden, stellen aber nichts anderes als
Lücken in unserer Erkenntnis dar.
Ueberblickt man die Argumente, welche für und wider die primäre
Natur der Accessoria geltend gemacht worden sind, so ist keines für
ausschlaggebend und beweiskräftig genug zu halten, um ein sicheres
LTrteil darauf zu gründen ^). Ich werde mich deshalb im folgenden
auf die kanonischen Elemente beschränken.
1) Manche Ansätze sind gemacht, welche zu einer Entscheidung für bestimmte
Accessoria führen können. Ich verweise auf die Versuche, in Frühstadien der Ent-
wickelung die feinere Materialanordnung und -Verteilung zu verfolgen ^p. 302). Wenn
ich es deshalb nicht für ausgeschlossen halte, daß die primäre Abkunft einzelner
Accessoria einst erwiesen werden könnte und vielleicht für viele der Form nach un-
differenziertes, skeletogenes Material der primären Extremitätenplatte durch Aus-
wanderung beisteuert, so ist dies alles doch nicht erwiesen. Der Haupteinwand gegen
die atavistische Hypothese, daß ihr der Nachweis des Atavus selbst als des reellen
greifbaren Untergrundes aller Spekulationen fehlt (p. 305), besteht zu Recht, solange
wir nicht wissen, aus welchem Material in letzter Linie die Accessoria aufgebaut
sind. — Von den Autoren, welche ursprünglich oder vorübergehend die atavistische
Hypothese vertraten, haben mehrere ihre Ansicht nachträglich geändert (Gegenbaur
1888, Baur 18S9, Leche 1894, Wiedersheim 1902) und halten die primäre Hvper-
dactylie nicht mehr für bewiesen. Andere wie Winge (1887, 1888), Tornier (1889),
A. Carlsson (1890), Fleischmann (1891 A. L. III ^"j haben stets die progressivistische
Hypothese verteidigt. Eine vermittelnde Stellung nehmen Kollmänn (1888), Emery
(1890), M. Weber (1904) ein, indem sie zwar eine Abstammung vom primären Skelett
(nämlich von indifferenten, bei Fischen vorkommenden ßadieu), aber nicht eine solche
20*
308
H. Braus,
S p e c i e 1 1 e E n t w i c k e 1 u n g der Elemente des A u t o p o -
dium^) Ich beginne mit dem Basipodium. Im Carpus derUro-
delen finden sich entwickelungsgeschichtlich Anordnungen der Ele-
mente, welche recht verschieden sind vom ausgebildeten Zustand und
erst allmählich in diesen übergeleitet werden. Ein gewisser Gegensatz
besteht unter den bisher untersuchten Urodelen zwischen Salamandrinen
einerseits und Tritonen andererseits. Was erstere angeht, so legen
sich nach Shitkov (1899) bei Isodactylium die Carpalia besonders
deutlich in Längsstrahlen geordnet an, welche zum Teil direkt in die
stets längs gegliederten Elemente des Metapodium hineinführen
(Fig. 256a: r und a in Finger Ä, Centrund^ in Finger B ; u hat zu
den beiden Carpalia distalia y und o und den zugehörigen Fingern C und
R
u R
C B
C y B A
Fig. 25ü. Entwickelung des Carpus bei Salamandrinen. a) Von einer Larve des
Isodactylium (nach Shitkov), b) von einer älteren Larve der Öalamandra maculosa
(nach GrEGENBAUR), c) vom erwachsenen Feuersalamander (nach Gegenbaur).
JD gemeinsame Beziehungen]. Bei einer älteren Larve von Salamandra
maculosa fand Gegenbaur (1864) noch eine ähnliche Reihenordnung,
nur sind die Elemente völlig gesondert und fest aneinander gerückt
(Fig. 256b). Das Carpale distale y ist (wie dies beim ausgewachsenen
Isodactylium auch geschieht, vergl. Fig. 248c) von u weggerückt, o aber
ausgebildet
und u benachbart
geblieben.
Beim ausgebildeten Tier
--'&
(Fig. 256c) ist Konkrescenz zwischen u und i eingetreten (doch markiert
die Durchtrittsstelle der Arteria perforans carpi noch die ursprüngliche
Trennungslinie). Es hat sich außerdem das distale Carpale a vom
Finger a entfernt ; statt seiner trägt ß die beiden Finger n und h (Ba-
sale commune).
Bei Tritonen sind besonders die frühesten Sonderungen der Carpalia
bekannt (Götte 1879, Strasser 1879, Zwick 1898, Rabl 1901,
Iir'', p. 235). Als erstes Skelettelement legt sich ein Carpale distale
an. Dasselbe liegt wesentlich an der Basis des Fingers h (Fig. 257a).
vergrößert sich dann aber bald und
trägt
fortab Finger
a und b
von typischen Fingern annehmen. Entschiedene Vertreter der atavistischen Hypothese
für manche Accessoria sind E. Rosenberg (1875), v. Bardeleben (1884—1894),
Kehrer (1886), KIjkenthal (1889), Retterer (1898); für alle Accessoria huldigen
dieser Auffassung: Pfitzner (1892), Thilenius (1896).
1) Zur Abkürzung benutze icli die in Tabelle p. 295 angemerkten Buchstaben
für die einzelnen Skclettteile. — Wegen der Kontroverse, welche über die Beziehung
der Finger bei Amphibien besteht (p. 236, Anm. 1), benutze ich die nichts involvie-
rende Bezeichnung der Carpalia distalia mit a — d und der Metacarjjalia mit Ä—D.
Bei diesen Figuren ist deshalb (um keine Verwechslung mit dem mc. C herbeizu-
führen) das Centrale mit Centr bezeichnet, während ich dasselbe im Allgemeinen kurz
C nenne (p, 295).
Entw. d. Form d. Extremitäten vi. d. Extremitätenskeletts. 309
gemeinsam (Basale commune), immer jedoch Finger h mehr als
Finger a zugehörend (Fig. 257 b). Es besteht also insofern Aehn-
lichkeit mit ß bei Salamandra (Fig. 256), als sich dieselbe Ver-
schiebung wie dort, nur in viel früherem Entwickelungsstadium
u
E
Fig. 257. Entwickelung des Carpus der Tritonen. a, b verschiedene Entwickelungs-
stadien von Triton taeniatus (nach Rabl), c ausgebildeter Carpus von Triton punctatus
(nach Gegenbaur). Die Knorpel sind mit ausgezogenen, der Vorknorpel mit ge-
strichelten Konturen angegeben.
vollzieht. Ich halte deshalb beide Carpalia für einander homolog^).
Zeitlich an zweiter Stelle tritt bei Triton ein Knorpelcentrum radial
vom Foramen arteriae perforantis auf, welches sich später in Centr und
* sondert (Fig. 257 b und c). Mit ihm ist die Anlage von u in
engem Konnex und endlich völlig verschmolzen. Auch hier tritt uns
in der Konkrescenz von u und i ein bei Salamandrinen (ähnlich bei
Necturus, Baur 1888, p. 18) erst in späteren Entwickelungsstadien
sich abspielender Prozeß schon früh als vollzogen entgegen. Ob der
Zusammenhang von C und ^, an welchen sich in späteren Stadien
Trennung beider anschließt, bei Salamandra in frühen Stadien auch vor-
handen ist, ist noch unbekannt. Bei Salamaudrella ist nach Shitkov
etwas derartiges nicht zu sehen (Fig. 256a). Als drittes separates
Centrum entwickelt sich bei Triton (und zwar fast gleichzeitig mit den
zuletzt geschilderten) am radialen Carpalrand ein Knorpelkern r, welcher
sich später verlängert. Aus seinem terminalen Ende sondert sich das
Carpale distale a. Bei einzelnen Tritonenformen (Fig. 257c) bleibt a
zeitlebens ungesondert mit r verbunden. Bei Salamandrinen (Fig. 256a)
ist eine primäre Beziehung desselben zu Finger a nachweisbar.
Wenn sich bei Triton diese Beziehung nicht ausbildet, sondern direkt
der Endzustand eintritt, so fällt dies meines Erachtens in dieselbe
Kategorie der Vereinfachung seiner Entwickelung, welche wir schon bei
der Konkrescenz von u und i, der Topographie von ß und in einem
früheren Abschnitt (p. 292) bei der Anlage von i bemerkten. Die
Knorpelcentren u, y und 5 bilden sich zuletzt, und zwar von einem
Knorpelring aus, welcher sich von i H- C aus bildet, die Arteria per-
forans carpi umgreift und sich dann in die genannten Elemente
sondert. Diese Art der Sonderung scheint von der bei Salamandrinen
1) Strasser (1879), Emery (1894), Zwick (1898), Rabl (1901 1. c, 1903*) fassen
dagegen die sekundäre Lage voji a (entsprechend Fig. 256c und Fig. 257c) als die
primäre auf und leugnen seine Zugehörigkeit zu Finger a. Ich folge in meiner Auf-
fassung Gegenbaur und Götte.
310
H. Braus,
beobachteten keine wichtige Verschiedenheit zu besitzen. Ich betrachte
deshalb die Entfaltung des Carpus der letzteren als den einfachsten
zur Zeit bei Amphibien bekannten Entwickelungsmodus des Basi-
podium, von welchem die Ontogeuie bei Triton erst in vielen Punkten
abzuleiten ist.}
Rabl (1901) gründete dagegen auf die Topographie und zeitliche
Succession der Knorpelcentren bei Triton ein Schema nicht nur für die
Phylogenie der Urodelenextremität, sondern für
das Autopodium der Tetrapoden überhaupt.
Stkasser (1902) hat auf Grund neuer Unter-
suchungen über den Carpus von Urodelen imd
Anuren bestritten, daß der Ausgangspunkt Rabl's
der richtige sei (vergl. auch die Einwände M.
Fürbringer's 1902, III 5, p. 234 und van Peb's
1904 gegen Rabl).
mt IV
mt JII mt II mt I
Fig. 258. Tarsus einer J^arve von Triton taeniatus
(nach ÖTRASSER), Die Knorpel mit ausgezogenen Linien,
der Vorkuorpel mit gestrichelten Linien bezeichnet. Die
Knorpelcentren hängen durch Brücken hyaliner Grund-
substauz zusammen (punktierte Bänder).
Im Tarsus der Urodelen vollziehen sich die Sonderungen der
Elemente so ähnlich dem Carpus, wenn man das t^ mit a, U mit ß,
t-, mit Y etc. vergleicht, daß ich von einer besonderen Schilderung
absehe. Die Sonderung des 5. Tarsale distale, welches neu hin-
zutritt, ist bei der pentadactylen Extremität von Triton genauer
bekannt (Strasser 1879). An ein Stadium (Fig. 258), welches noch
völlig dem bei der vorderen Extremität gleicht und dort kurz
auf das Stadium Fig. 257b folgt, schließt sich ein weiteres an, in
welchem neben ^^4 ein weiteres Centrum ^^5 besteht. Anfangs sind
beide Verdichtungen nur „durch einen dünnen Hals" verbunden. Später
wird die Vereinigung eine komplette ((^4 + 5). Bei Salamanderlarven
wurden dagegen die beiden Knorpel noch völlig getrennt gefunden
(Gegenbaur 1864). Also auch hier haben letztere den primitiven
Zustand reiner bewahrt.
Die identische Entfaltung von a und ^4, ß und t^, y und ^3, ö
und t^ hat GOtte (1879) und Strasser (1879) veranlaßt, zu folgern, daß
diese Gebilde jedesmal homodynam seien, daß also bei der Hand das Homo-
dynam von tr, fehle. Damit schien bewiesen, daß der fünfte Finger bei der
Hand der Urodelen nicht vorhanden sei ^). Gegenbaur (1898) hält die beige-
brachten Gründe nicht für bindend, da Hand und Fuß von vornherein
vei'schiedene Entwickelungsbahnen eingeschlagen haben könnten und
1) WiEDERSHEiM (187G A, p. 8) hat schon vorher auf den Vergleich ausge-
bildeter Hände und Füße hin behauptet, daß nur danu die Carpalia und Tarsalia
zwanglos homodynam gesetzt werden könnten, wenn man, von der präaxialen Seite
anfangend, Stück für Stück miteinander vergleiche. Dasselbe that Rabl (1901, III '',
p. 235) an einem großen, besonders sorgfältig untersuchten Material. Endlich giebt es
eine Reihe Versuche (auf welche aber wegen der problematischen Natur der in Betracht
kommenden Skelettteile weniger Gewicht gelegt werden kann) , noch Reste des
supponierten 5. Fingers am ulnaren Rand des Carpus nachzuweisen (Baur 1888,
Howes and Ridewood 1888, Emery 1894) und als Parallele dazu von Rudimenten
am fil3ularen Rand des tetradactylen Urodelen -Tarsus zu zeigen, daß auch
dort die fünfte Zehe verschwunden sei.
Entw. d. Porm d. Extremitäten u. d. Exti^emitätenskeletts. 311
dabei nicht homodyname, aber der Funktion^) nach gleiche
Strahlen den gleichen Bau (und die gleiche Art der Entwickelung) erlangt
hätten. Gegenbaur schlägt deshalb vor, den Vergleich nicht auf Homo-
dynamieen (Hand und Fuß), sondern auf Homologieen zu stützen, und
vergleicht deshalb die Autopodia von Urodelen und Anuren miteinander.
Dabei erscheint ihm (1864) der „Daumen" der Anuren als rudimentärer
erster Finger, und, davon ausgehend, schließt er bei Urodelen auf den
Ausfall des Homologons dieses Daumens, also auf das Vorhandensein
von Finger 2 — 5. Die ausführlichste embryologische Untersuchung über
die Anurenhand , welche vorliegt (Emery 1894), sieht dagegen in dem
„Daumen" der Anuren einen Praepollex. Zweifellos gehört das Skelett-
element zu den Accessoria, auf deren Deutung zur Zeit kein Verlaß ist.
Es scheint mir deshalb trotz aller dieser Frage zugewendeten müh-
samen und scharfsinnigen Untersuchungen noch ein „non liquet" am
Platze.
Auch über das ursprüngliche Verhalten des Centrale (C) existieren
unausgeglichene Kontroversen. Dasselbe wird, namentlich als individuelle
Variante, doppelt-) (sogar drei- bis fünffach) gefunden. Entwickelungs-
geschichtlich entsteht nun beim Axolotl und bei Isodactylium (Baur
1888, Shitkov 1899) nur ein Knorpelcentrum in den frühesten
Stadien. Es wird daraus geschlossen, daß eine sekundäre Teilung dieses
Centrums später stattfinden müsse, um die beiden definitiven Elemente
zu liefern. Direkt beobachtet ist das Spaltungsstadium, soweit ich sehe,
noch nicht. Jedoch haben Fürbrixger (1888) und Baur (1888) die
Entwickelung neuer Centralia durch Spaltung bei einem alten Exemplar
von Cryptobranchus, dessen Tarsus 5 Centralia aufwies, gefunden. Für
primäre Di- oder Polymerie des Centrale treten ein Gegenbaur
(1864—1898), Thacher (1877), Born (1877), Kehrer (1886), Emery
(1894), Thilenius (1896); die primäre Monomerie behaupten
GöTTE (1879X Baur (1888), Wiedersheim (1893), Zwick (1898), Jac-
QüET (1899), Shitkov (1899), Rabl (1901, III s, p. 235).
Die Anuren besitzen einen hochgradig veränderten Carpus und
Tarsus ^), deren Elemente auch ontogenetisch nicht mehr in der bei Urodelen
1) Alle oben erwähnten Aehnlichkeiten wären dann Konvergenzen, welche
aus der gleichmäßigen Bevorzugung der präaxialen, nach vorn gewendeten Seite
der Extremitäten resultierten.
2) Treten 2 Centralia auf, so liegen dieselben entweder in proxirao-distaler
Richtung hintereinander, oder in radio-ulnarer Richtung nebeneinander. Ver-
rauthch ist die Ursache des verschiedenen Verhaltens der Centralia keine ein-
heitliche.
3) Die drei bei Anuren in der proximalen Reihe des Carpus liegenden Ele-
mente werden sehr verschieden gedeutet, und zwar als
I
II
III i Autoren
Ulnare
Radiale
Centrale
Gegenbaur, Jungersen, Hoff-
mann, Wiedersheim u. a.
Ulnare
Intermediura
Radiale
CuviER, DuGES, Ecker, Born,
Perrin, Zwick
Ulnare
Radiale
Centrale praeaxiale
HoWES and Ridewood
Ulnare
Radiale + Centrale
+ Intermedium
Carpale des Prae-
po lex
Emeby^
Die Carpalia distalia vperden ebenfalls verschieden aufgefaßt, nämlich als
c^— 5, falls der „Daumen'' als 1. Finger angesehen wird (Gegenbaur), dagegen
als t^arpale des Praepollex und Ci—^, falls derselbe als überzähhger Strahl gerechnet
312
H. Braus,
typischen Lage und Trennung gefunden werden. Beim Tarsus ist sogar
die Frühanlage von vornherein fast identisch mit der ausgebildeten Form
(Emery 1894).
Unter den Reptilien ist der Aufbau des Carpus von Sphenodon-
embryonen besonders wichtig (Fig. 259, er erhält sich in dieser Form
manchmal zeitlebens). Jedem Finger entspricht ein Carpale distale.
Das Intermedium, welches anfangs nocli
teilweise im Zeugopodium lokalisiert ist,
wird in der Regel distal von zwei Cen-
tralia begrenzt, welche nebeneinander
liegen (Centrale ulnare und radiale). In
Ausnahmefällen existiert ein drittes, pro-
ximal vom ulnaren C liegendes Knorpel-
chen, welches als 3. Centrale bezeichnet
wurde (Fig. 259, Schauinsland 1900,
HowES 1901). Das radiale C dringt
häufig zwischen r und c^ bis zum Rand
des Carpus vor (siehe Fig.), ist aber in
späteren Stadien und beim fertigen Car-
pus meistens kürzer, so daß r unmittel^
bar an c, angrenzt ^).
Fig. 259. Knorpelige Skelettanlage der vor-
deren Extremität von Sphenodon. Nach Schau-
•^ INSLAKD.
Bei vielen Reptilien ist c^ mit Cg zu einem Knochenstück verwachsen.
Doch konnte E. Rosenbbrg (1892, p. 8) in der Ontogenie von Emys noch
getrennte Anlagen nachweisen und die Konkrescenz schrittweise ver-
folgen. Andere Schildkröten behalten die Trennung beider Elemente
zeitlebens (Gegenbauh 1864).
Die beiden Centralia von Sphenodon waren bei ausgebildeten Tieren
schon lange bekannt (Bayer 1884, Dollo 1884, Baur 1886, Kehree 1886).
Es erhob sich deshalb schon früh die Frage, ob auch bei anderen Rep-
tilien ontogenetisch noch Centralia nachweisbar seien. Denn den fertigen.
Formen fehlen sie als separate Knochen. Ein ulnares C ist bei vielen
Reptilien gefunden (Gtegbnbaur 1864) oder ontogenetisch in sekundärer
Konkrescenz mit r nachgewiesen worden (bei Emys, E. Rosenberg 1892).
Aber auch ein zweites, radiales C ist anfangs vorhanden. Es tritt eben-
falls später in Konkrescenz mit r^) (Mehneet 1897).
wird (Emery, Perrin). Häufig verschmelzen mehrere der Carpalia distaha. Im
Tarsus verwandeln sich die fibularen Distalia in Ligamente (Gegenbaur 18G4); ßoRN
(1875) fand noch Knochenreste und Chomiakoff (1894) vier distale Knorpelceutren.
Born (1880) hat ferner im Carpus entwickelungsgeschichtlich noch einen Rest von
C nachgewiesen. Emery (1894) deutet dasselbe als ulnares C (das radiale C soll mit
i -h u verschmolzen sein, s. Tabelle).
1) Die früheste Anlage der Skelettstücke ist bei Sphenodon noch nicht unter-
sucht. Bei den übrigen Reptilien hat C. Rabl ausgedehnte Beobachtungen ange-
stellt, über welche er in seinem Vortrag 1903* kurz berichtete. Danach entsteht
meistens das c^ anfänglich als Basale commune, d. h. es sitzen ihm die Metacarpalia
/ und II auf. Rabl hält diesen Befund für die Urform (siehe Amphibien, p. 310)
und glaubt, daß Sphenodon und die Schildkröten (außer Cheloniden) sich von der-
selben entfernt haben, da bei diesen c-, keine Beziehung zu mt I besitzt (Fig. 259).
Auch die Polymerie des Centrale bei Sphenodon, Land-, Sumpf- imd Flußschild-
krölen wird von C. Ra]5L als sekundär bezeichnet.
2) Die Ansicht Baur's (1889), daß das r der Autoren gleich C. rad und das
Accessoriura radiale das wirkliche r sei, kann ich hier nur andeuten. Auch Emery
(seit 1897**) teilt dieselbe.
Entw. d. rorin d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts. olo
Erhebliche Konkrescenzen der Carpalia ließen sich in der Ontogenie
von Crocodiliern verfolgen (Kükenthal 1892).
Der Tarsus von Sphenodon zeigt in jüngsten Stadien (Fig. 260a)
manchmal /'noch als separaten Knorpel, ebenso alle 5 Tarsalia distalia *)
isoliert und ein kleines C (manchmal auch 2). i und t kommen in
der Regel nicht mehr als separate Centren zur Anlage (s. Fig.), wurden
Fib
Tib
Fib
Tib
Tri tib
V IV III II
V IV III II I
Fig. 260. Entwickelimg des Tarsus von Sphenodon, a Embryo, b altes Tier.
Nach SCHAUINSLAND. f Blndegewebsverdichtimg. T7'itib Tritibiale (Eabl) = i + t
+ C. M knorpeliger Meniscus im Gelenk, t.pr Tarsale proximale.
aber in einem Fall von Schauinsland (1900, 1903), noch getrennt
gefunden. C. Rabl (1903*) giebt an bei Crocodilembryonen eine letzte
Spur der Konkrescenz von t-\- i beobachtet zu haben. Später treten
regelmäßig starke Konkrescenzen und Reduktionen auf (Fig. 260b).
Beim Lacertiliertarsus verhält sich die proximale Reihe der Tar-
salia in der Entwickelung ähnlich wie bei Sphenodon (Born 1877). Von
den distalen Tarsalia wird bezüglich des t^ und t^ aus Lage und Ent-
wickelung der proximalen Epiphysenkerne geschlossen, daß sie mit Mt 1
und Mt II verschmolzen seien (Gegenbaur 1864, Born 1877, C. Rabl
1903)2), — Bei Crocodilen wird die Konkrescenz ebenfalls eine hoch-
gradige.
Die Entwickelung des Schildkrötentarsus zeigt ähnlich primitive
Verhältnisse wie bei Sphenodon. /", C. rad, G. uln und 5 Tarsalia distalia
legen sich separat an , i -\- t treten konnascent auf (Emys lutaria,
Mbhnert 1897, p. 18). Später verschmelzen Gl -{- (7/7 untereinander und
darauf mit i -\- t -{- f. Ebenso bilden t^ -\- t^ im fertigen Zustand einen
Knochen.
1) <g ist durch einen ihm entsprechenden Zwischenraum repräsentiert, in welchem
das Gewebe „sogar den Eindruck von Vorknorpel machen kann". Es soll später mit
Mt V verschmelzen (Schauinsland). Howes (1901) leugnet bei Sphenodonembry-
onen jede Spur eines <,. — Das erste Tarsale (t^) verschmilzt später mit dem ersten
Metatarsale mt I (Howes 1901). Der Meniscus (m) ist eine Bildung für sich.
2) Baur, welcher eine Zeitlang das Vorkommen von 5 distalen Tarsalia bei
Reptilien leugnete, da meistens statt t^ und t. nur ein Centrum existiert, gab 1886
diese Ansicht auf und nahm seitdem wie alle anderen Autoren Konkrescenz von
t^ + t^ an. C. Rabl (1903*) hat die frühere Ansicht Baur's wieder aufgenommen.
Er sagt : „Das 4. Basale (t^ ist also von Hause aus ein einfacher, einheitlicher
Knochen und nicht, wie ganz allgemein angenommen wird, aus der Verschmelzung
zweier Basalia entstanden.
314
H. Braus,
Bei den Vögeln ist der Carpus zwar embryonal aus zahlreicheren
Elementen zusammengesetzt als im fertigen Zustand. Aber die Kon-
krescenzen, welche zur Vereinfachung führen, sind doch nur zum Teil
und nicht alle so sicher zu verfolgen, wie bei niederen Reptilien.
Manche Elemente treten konnascent auf oder verbinden sich sehr schnell
sclion in den frühesten Entwickelungsstadien miteinander. Es sind
keine separate knorpelige ') Carpalia distalia gefunden worden. Das an
ihrer Statt auftretende einheitliche Knorpelstück {cd Fig. 261) ver-
schmilzt (beim Strauß, Nassonov 1896, Mehnert 1897) nachträglich
mit dem Metapodium, so daß dann auch der letzte Rest der Carpalia
distalia nicht mehr erkennbar ist. In der proximalen Carpalreihe
wurden (außer i p. 293) mehrere Knorpelanlagen gefunden. Die-
selben sind sehr verschieden gedeutet worden -).
Fig. 261.
U R
Fig. 262.
mt IVL
c.'pr
mt I
mt II
mt III
Fig. 261. Flügel eines Straußenembryo. Nach Mehnert. C. pr proximale
Carpalia. C. d distales Carpale.
Fig. 262. Anlage des Fußskelettes beim Straußembryo. Nach Nassonov.
ph j Grundphalaugen der Zehen.
Den meisten Autoren zufolge sind es 2 (Fig. 261, c.jor), nach E. No RS A
(1894) beim Hühnchen und nach Nassonov (1896) beim Strauß je 4,
Nach Mehnert (1897) legen sie sich beim Strauß zeitlich vor den Car-
palia distalia an, nach E. Norsa (1894) beim Hühnchen nach letzteren.
1) Vorknorpelige Centrierungen, welche als Anlagen ehemals knorpelig
separater Elemente angesehen werden, sind beim Hühnchen nachgewiesen worden,
und zwar 2 von A. Rosenberg (1873), 3 von W. K. Parker (1888), J. Parker
(1892) und E. Norsa (1894).
2) Nassonov bezeichnet die von ihm gefundenen 4 proximalen Carpalia (s.
oben im Text) als r, i, C und u, hält aber die beiden letzteren Deutungen (C und «.)
selbst für unsicher, r -\- i verschmelzen später zu einem Intermedioradiale (ebenso W. K.
Parker 1888 und Leighton 1894; nach Gegenbaür 1864 und A. Rosenberg 1873
nur gleich Radiale), C geht zu Grunde und u bleibt erhalten (ebenso nach Studer
1900 = w ; nach W. K. Parker und Leighton = Centraloulnare, nach Gegenbaür,
A. Rosenberg, Zehnter 1900 = Intermedioulnare, nach E. Norsa 1894 =-- Pisiforme-
Ulnare). Jedenfalls sind beim fertigen Flügel, mögen nun die vier ursprünglichen
Aulagen durch Reduktion oder Konkrescenz verringert werden, nur zwei Carpal-
elemente übrig, welche allein den Carpus des Vogelflügels bilden.
Entw. d. Form d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts. ol5
Noch intensiver sind die Veränderungen des Vogeltarsus. Im
ausgebildeten Zustand ist überhaupt kein selbständiger Rest der Tar-
salia mehr vorhanden. Gegenbaur (1864) war der erste, welcher in
der Entwickelungsgeschichte des Hühnchens separate Tarsusanlagen (2)
nachwies. Beim Strauß ließen sich diese Befunde noch erweitern
(Nassono V 1896, Mehnert 1897). Hier sind 2 isolierte proximale
Anlagen zu sehen (Fig. 262), ein Tibiale und ein Fibulare, welche
zuerst unter sich und dann mit der Tibia verschmelzen : Tibiotarsus.
Statt der Tarsalia distalia ist wie beim Hühnchen nur eine Anlage
vorhanden, welche sich frühzeitig mit dem Metatarsus verbindet: Tarso-
metatarsus. Schließlich entsteht in späteren Entwickelungstadien noch
ein Knorpelkern im Intertarsalspalt, der vielleicht ein C repräsentiert ^).
Die Säugetiere knüpfen durch die einfache Bauform ihres
Carpus an sehr niedere Organisationen in der Amniotenreihe an.
Nur ontogenetisch ist der Mammaliercarpus mit dem Sauropsidencarpus
zu vergleichen. Die fertigen Formen sind selbst bei den einfachsten
Zuständen schon so divergent differenziert, daß keine direkte Aehn-
lichkeit mehr besteht ''').
Am einfachsten liegen die Verhältnisse in der distalen Reihe des
Säugetiercarpus. In weitaus der Mehrzahl der Fälle sind allerdings
nur 4 Carpalia distalia gefunden worden. Wahrscheinlich ist das vierte
konnascent aus c^ -h c.^ entstanden zu denken (Gegenbaur 1864).
Bei Walen kommen 5 separate Carpalia distalia vor, von denen W.
Kükenthal angiebt, daß c^ mit Cj verschmelze.
Die Konkrescenz von c^ mit c^ bei Cetaceen ist nicht direkt onto-
genetisch beobachtet worden. Sie wurde erschlossen aus dem Befund
von 2 Centren an der Stelle des Hamatum bei gewissen Walembryonen
(Hyperoodon etc.), während bei anderen Arten nur eines gefunden wird;
auch bei erwachsenen Walen kommen manchmal 5 getrennte distale Car-
palia vor (besonders Kükenthal 1889, 1892*; vgl. anatomische Arbeiten
von V. Bakdeleben 1885, Tükner 1885, Weber 1888). — Lebgucq (1884)
betrachtet das Hamatum wegen seiner einheitlichen Anlage bei Säugern
und seiner Position zum Mt IV lediglich als Homologen von c^ (c^ soll mit
einem benachbarten Element verschmolzen oder gänzlich reduziert sein). Baur
(1885) sah in dem Hamatum ein Homologon lediglich von Cg und be-
zeichnete das Accessorium radiale als c^, das c^ der meisten Autoren
als c._j etc. 3).
1) Gegenbaur 1. c. fand beim Hühnchen statt der separaten Anlagen von t
und / ein einziges proximales Tarsale. Im übrigen sind seine Beschreibungen über-
einstimmend mit dem später beim Strauß beobachteten. Das Knorpelchen im
Intertarsalspalt sah er jedoch nicht. Bei der Ossifikation fand er nochmals vorüber-
gehende Separierung auftreten, indem die ursprünglichen Tarsalia eigene Knochen-
kerne erhalten. An Stelle des proximalen Knochenstückes treten 2 oder 3 Knochen-
kerne auf.
2) Aehnlichkeiten wie zwischen dem Carpus gewisser fossiler Reptilien und Säuge-
tiere sind wohl nichts anderes als Konvergenzen.
3) Von V. Bardeleben i.e. und Emery (1894, 1901) wird angenommen, daß das
Capitatum aus 2 separaten Elementen (ulnares C und c.^) verschmolzen sei. Soweit
sich isolierte Knorpelcentren gefunden haben sollten (Homo , Bardelebek), ist
dies durch die Nachuntersuchungen (Gegenbaur 1888, Thilenius 1896) nicht be-
stätigt worden. Das Epilunatum Pfitzner's, welches mit dem problemadschen
C. uln homolog sein soll, verschmilzt nach Thilenius mit dem Lunatum. — Bei
Schwund von Fingern (Oligodactylie) können auch die entsprechenden Carpalia
distalia verloren gehen. Doch finden sich manchmal noch Eudimente (bei Came-
liden Rest des Trapezium, Baur 1885).
316 H. Braus,
Die proximo-centrale Reihe des Carpus umfaßt 4 kanonische
Elemente. Von diesen sind 3 (Scaphoides , Lunatum , Triquetrum)
große, einheitliche Anlagen, welche in den meisten Fällen (so auch
bei Homo) zu separaten Knochen auswachsen. Von den meisten
Autoren werden dieselben für primär einheitlich gehalten und als
Radiale, lutermedium und Ulnare gedeutet. Doch sind auch andere
Meinungen (s. unten) vertreten worden. Das vierte Element, das Cen-
trale ^) (C, radiale), tritt gleichzeitig mit den anderen kanonischen
Carpalia auf und verschmilzt (bei Homo) entweder nachträglich mit
dem Scaphoides oder geht zu Grunde (individuell kommt auch Kon-
krescenz mit c.^ vor, Leboucq 1884),
Das Scaphoid wird (abgesehen davon, daß das Centrale mit dem-
selben oft nachträglich verschmilzt, Leboucq 1882) von manchen Autoren
als Vereinigung zweier separater Bestandteile betrachtet (v. Barde-
leben 1883, 1885, Baur [jedoch nur zeitweilig 1889], Pfitzner 1893,
Thilenius 1895, Eisler 1895). Es haben sich jedoch bei keinem Säuge-
tier zwei Knorpelcentren an Stelle dieses Elementes finden lassen
(Emery 1901). Die Autoren können sich nur auf den gelegentlichen
Befund zweier Ossifikationscentren in der einheitlich knorpeligen An-
lage bei Homo berufen (Rambaut et Renault 1864, von Leboucq 1882
nie beobachtet) und auf variationsweises Auftreten eines Naviculare
bipartitum ^j. Es ist das eine sehr problematische Grundlage.
Dadurch, daß von den randständigen (radialen und ulnaren) Acces-
soria einzelne für primär angesehen wurden, sind von manchen Autoren
andere Homologisierungen der proximo-centralen Reihe versucht worden.
Manche von denselben wurden bald wieder verlassen. Erhalten hat sich
1) Das von Henke und Reyher (1874) und E. Rosenberg (1875) unabhängig
voneinander beim menschlichen Embryo gefundene Centrale {C. rad) entspricht in
Lage und Entstehung vollkommen dem von Gegenbaur bei Amphibien und Rep-
tilien nachgewiesenen kanonischen Centrale. Die Sicherheit des Nachweises beruht
hier auf der Möglichkeit, die direkte Descendenz feststellen zu können. Während
E. Rosenberg 1, c. fand, daß das Element nachträglich beim Menschen verloren
gehen kann (als Varietät jedoch hie und da zeitlebens als isolierter Knochen bei
Homo persistierend, Gruber 1869 u. v, a.) und glaubte, es sei dies immer der Fall,
wies Leboucq (1882, 1884) nach, daß sehr häufig Konkrescenz mit >• eintrete (nach
Baur 1885 auch bei Marsupialiern, nach Kükenthal 1892 bei Cetaceen). Auch
bei vielen anderen Säugetieren wurde eine separate Anlage von C gefunden (bei
Raubtierembryonen von E. Rosenberg 1875, Leboucq 1884, Baur 1885, Rjascheff
1893, bei Affenerabryonen von Leboucq 1884, Kehrer 1886 [speciell bei Anthro-
poiden von Gruber 1866, Hartmann 1883, Vrolick 1884], bei Insectivoren
Rjascheff 1893, Fledermäusen Leboucq 1882, Nagern Thilenius 1896, Walen
Leboucq 1887, Weber 1888, KtJKENTHAii 1888, 1893, Marsupialiern Leboucq
1884). Eine Doppelanlage des Centrale (C. rad) verneinen die Autoren im allge-
meinen. Angenommen wird sie von E. Rosenberg (1875) und v. Bardeleben (1885),
welche Konnascenz von ('. rad und C. uln behaupten (letzterer glaubte, Reste einer
ursprünglichen Trennung noch zu erkennen), — Auch an anderen Stellen wurde nach
einem zweiten Centrale gesucht (oder sogar nach mehr als zwei Aulagen). Von
Accessoria sind das Epilunatuni, Hypolunatum und Epipyramis des Menschen als
Centralia bezeichnet worden (Fig. 250). Doch ist die primäre Natur dieser Elemente
sehr zweifelhaft. Leboucq (1897) giebt für einen ßelugafötus und E. Fischer (li)03)
für Hyraxembryonen 2 Centralia an.
2) Die Variante des Naviculare bipartitum zusammen mit Fällen von in-
kompletten Trennungen des Scaphoides in zwei Teile wurde zu einer Reihe von
Formen vereinigt, welche successive zum einheitlichen Naviculare überführen und
den Entwickelungsgang des letzteren illustrieren sollten (Pfitzner, Thilenius 1896),
Mit demselben Rechte könnte man diese Reihe umdrehen und eine Spaltung des
einheitlichen Scaphoides in zwei Stücke annehmen. — Das zweite primäre Naviculare
im Sinne der oben referierten Annahme wurde als ein zweites Centrale angesehen.
Entw. d. Form d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts. 317
■die Deutung Baur's (1892), daß das Accessorium radiale das eigentliche
Radiale, das Scaphoides dagegen ein zweites Centrale sei. Denn Emekv
(1901) vertritt für Monotremen und Marsupialier (mit einer gewissen
Modifikation) dieselbe, da dort außer dem Praepollex ein der Hypothese
Baur's völlig adäquates Skelettstück am radialen Rand der ersten Car-
palreihe vorhanden sei. Für Placentalier leugnet Emery dagegen ein
solches Element und glaubt deshalb, daß bei ihnen das wirkliche Radiale
ganz in Verlust geraten sei. Das Scaphoides deutet er wie Baur.
Vereinfachungen des Carpus, welche sich bei manchen Mammaliern
finden, enthüllten sich ontogenetisch als Konkrescenzen der kanonischen
Anlagen. Besonders häufig kommt Verschmelzung von Lunatum und
Scaphoides (-|- Centrale) vor (Monotremen, Emery 1901 ; Raubtiere, E.
RosENBERO 1875, Leboucq 1884). Doch können einzelne dieser Anlagen
-auch gänzlich, selbst in den frühesten Entwickelungsstadien, unterdrückt
sein (Schwein, A. Rosenberg 1872).
Der Tarsus der Säuger ist in mancher Beziehung bei seiner An-
lage noch primitiver als der Carpus, in anderer Hinsicht aber auch
wieder höher differenziert. Die distalen Tarsalia legen sich bei Mar-
supialierembryonen (Fig. 263) noch als fünf diskrete Knorpelcentren
au (Emery 1901). t^ und t^ verschmelzen
später zum Cuboid. Bei den Placentaliern
legen sich ^4 + 5 als Cuboid konnascent an, Fih
ähnlich wie das Hamatum ^) im Carpus der
Säugetiere.
Andere Konkrescenzen bilden sich beispiels-
weise zwischen t ^ und t^ beim Schaf aus, wurden
aber noch ontogenetisch verfolgt (A. Rosenberg
1872). Die Ossifikation erfolgt mit zwei Kernen,
Fig. 263. Fuß eines kleinen ßeuteljungen von
Didelphys. Nach Emery. A Accessorium.
welche den primären Anlagen entsprechen und schon lange vor letzteren
bekannt waren (Bendz 1850, etc.). Bei Bradypus verschmelzen die Tar-
salia 1, 2 und 3 mit den korrespondierenden Metatarsen.
Die proximo-centralen Elemente legen sich (außer dem Inter-
medium, s. p. 293) separat wie im Carpus an. Das Centrale bleibt
hier sogar zeitlebens als besonderer Skelettteil bestehen. Die Astra-
galusanlage wird von den meisten Autoren (Gegenbaur 1864 etc.)
als konnascentes Tibiale +■ Intermedium , der Calcaneus als Fibulare,
das Naviculare als Centrale gedeutet.
Die Suche nach anderen Centralia als dem einen, dem Naviculare
entsprechenden Element, hat wie beim Carpus entweder zu Versuchen
geführt, für einzelne Tarsalia eine zwiefache Zusammensetzung anzunehmen
(Calcaneus, Naviculare, Cuneiforme III), oder durch Aufnahme accesso-
- • acc
1) Auch für das Cuboid wurde wie für das Hamatum die Ansicht vertreten
(Baur 1885 u. a.), daß es nur einem Tarsale distale entsprcäche. Dies ist durch
die manifeste Konkrescenz aus zwei primären Elementen bei niederen Säugern wider-
legt. — Die doppelten oder gar dreifachen Ossifüj^ationspunkte im Cuboid des Men-
schen (Haselwander 1903) kommen für diese Frage kaum in Betracht; auch in
den von Haus aus einheitlichen Epiphysen der Metatarsen von Homo treten häufig
doppelte Knochenkerne auf.
318 H. Braus,
rischer Elemente in das primäre Tarsusschema zu den abweichendsten
Deutungen der kanonischen Elemente Anlaß gegeben. Was die Versuche
ersterer Art angeht, so ist hervorzuheben, daß wirklich separate K n o r -
pelcentren in Zweizahl in keinem der Fälle nachgewiesen sind
(und daß derartige Angaben sich als unrichtig herausstellten. Die An-
nahmen können sich lediglich auf das Vorkommen doppelter Knochen-
kerne in einheitlichen Aulagen, auf gelegentliche Variationen im ausge-
bildeten Zustand oder Vergleiche mit accessorischen Elementen stützen i).
Sie erheben sich also nicht über Vermutungen.
Die Versuche ferner, die Tarsalia gegenübei' der GEOEi^BAUR'schen
Nomenklatur umzudeuten, beruhen fast ausschließlich auf der Annahme^
daß das Accessorium tibiale (das problematische Homologen der Tube-
rositas navicularis, s. Anm. 1) das kanonische Tibiale sei. Dadurch wechselt
dann die Auffassung des Astragalus. Er wird für ein zweites Centrale
-|- Intermedium gehalten (Albrecht 1884, Bardeleben 1885, Baur 1885,
Emerv 1901) oder für ein reines Intermedium (Baur 1886). Das Navi-
culare (ohne seine Tuberositas) gilt diesen Autoren als erstes Centrale.
Die Deutung des Calcaneus (Fibulare) bleibt dieselbe.
Meta- und Acropodium. Die Elemente dieser Abschnitte
sind in Reihen angeordnet, welche stets in der Ontogenie und meist
auch im fertigen Zustand durch das ganze Meta- und Acropo-
dium zu verfolgen sind. Es entwickeln sich im allgemeinen fünf
Strahlen (über Hyper- und Oligodactylie siehe p. 305, sowie w. u.).
Die einzelnen Bestandteile der Strahlen entstehen in basoterminaler
Folge, so daß also die Knorpelcentren für das Metapodium zuerst,
dann diejenigen für die Phalangen auftauchen. Auch im Acropodium
legt sich zuerst die basale Phalanx, dann die zweite u. s. w. an. Die
Ossifikation hält wohl im allgemeinen dieselbe Reihenfolge ein, doch
kommen bei ihr Ausnahmen vor.
1) Für den Calcaneus ist beim Menschen eine Varietät bekannt, welche Ver-
doppelung zeigte (Calcaneus secundarius, Pfitzner 1896). Neuerdings ist die Doppel-
natur auch aus dem Vorkommen zweier Knochenkerne, die ungefähr gleichzeitig auf-
treten (5—6 Monat, Hasselwander 1900, 1903, Schomburg 1900), abgeleitet worden.
[Außer diesen Kernen tritt vom 8. Lebensjahr ab nach Bade (1896) und Hassel-
wander (1903) noch ein Kern in der Tuberositas calcanei auf, welchen v. Barde-
leben (1885) für die Abstammung des Calcaneus aus 2 Anlagen zu verwerten suchte ;
doch ist er zweifellos sekundär]. — Das Naviculare soll nach v. Bardelebex
(1885) beim menschlichen Foetus in Form zweier Knorpelcentren entstehen, von welchen
das eine als Anlage des Körpers, das andere als solche der Tuberositas navicularis
beschrieben wird. Aus beiden entwickele sich durch Verschmelzung das Naviculare,
doch sei zur Zeit der Pubertät noch ein besonderer Knochenkern in der Tuberositas
zu finden. Hasselwander (1903) konnte jedoch weder das eine noch das andere
dieser Darstellung bestätigen. Dagegen fanden einige Autoren als Varietät ein ver-
doppeltes Naviculare [Pfitzner (1896) beschreibt neben dem Naviculare ein Acces-
sorium als Tibiale externum, Gruber fand ein Naviculare bipartitum, Rambaud et
Renault (1867) sahen zwei Knochenkerne in der Anlage des Naviculare, welche
Bade (1896) und Hasselwander (1903) als Varietät bestätigten]. Bei anderen
Maramaliern wurde ein Homologen des zweiten Knochens an dieser Stelle beschrieben.
Es findet sich bei l^chidna, Beuteltieren und manchen Placentaliern ein accessorischer
Randknochen neben dem Naviculare (Baur 1885, Emery 1901). Bei Didelphys
kommt bereits ein Zusammenhang desselben mit dem Naviculare vor. Es ist das
der Grund, weshalb Emery die Tul)erositas navicularis für einen einst selbständigen
Knochen hält (bei Didelphys aurita auch Andeiitung einer doppelten Anlage des
Naviculare, Emery 1995, 1897**).
Beim Cunei forme III des Menschen ist ebenfalls die Angabe Bardeleben's
(1885), daß es sich in 2 Stücken anlege (Processus uncinatus als separates Centrum)
nicht bestätigt worden (Hasselwander 1903). Es findet sich gelegentlich an Stelle
des Hackenfortsatzes ein Accessorium (Pfitzner 1896, ein Fall). Ebensowenig wie
dieser Befund kann die nicht seltene Teilung des Cuneiforme 1 in 2 Stücke (Pfitz-
ner 1896, Hasselwander 1903) besondere Bedeutung beanspruchen.
Entw. d. Form d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts. 319
Bei Echidna verknöchern von den Phalangen in Hand und Euß zu-
erst die Endphalangen, dann erst die anderen (Emehy 1901). Auch bei
Homo ist die Diaphyse der Endphalanx des Hallux der erste Knochen-
kern im Euß überhaupt; alle anderen folgen der Regel (Hassel wanbbr
1903).
Die Ossifikationscentren im Metapodium und in den Phalangen der
Säuger bestehen in der Regel aus einem Hauptcentrum für die Diaphyse
und aus einem Epiphysenkern i). Im Metacarpus des Daumens und in
sämtlichen Phalangen liegt derselbe im proximalen Ende, bei allen
anderen Metacarpalia im distalen Ende des Skelettstückes. Dasselbe
findet sich beim Hallux und in den Metatarsalia des menschlichen Fußes.
Doch kommt in vielen Fällen im Alter von 7 — 8 Jahren noch ein Epi-
physenkern am distalen Ende des Metacarpus (resp. -tarsus) des Pollex
und Hallux zum Vorschein (Schwegel 1859, Grubek, Lambertz). Noch
häufiger finden sich sogen. „Pseudoepiphysen" in den sonst der Epi-
physenkerne ermangelnden Enden, d. h. Kerne, welche nicht ganz isoliert,
sondern durch eine schmale Brücke mit dem Diaphysenkern in Verbin-
dung sind (Uffelmann 1863 u. a.). Zwischen Pseudoepiphysen und echten
Epijjhysen sind nun neuerdings Uebergänge gefunden worden (Hassel-
waxder 1903). Es ist also der Mangel eines zweiten Epiphysenkernes
in den vorliegenden Fällen eine sekundäre Ausfallserscheinung 2) (Welcker,
Gtecienbaur). Bei Cetaceen, Pinnipediern etc. kommen noch regelmäßig
Epiph3^senkerne an beiden Enden vor (s. u.).
An den Endphalangen hat die Diaphysenverknöcherung die Form
einer Kappe, welche das terminale Ende des Elementes einnimmt (Ret-
terer 1884).
Bei der großen Gleichmäßigkeit der Elemente des Meta- und
Acropodium ist es nicht nötig, auf die einzelnen speciell einzugehen.
Einer Besprechung bedürfen jedoch die r ü c k g eb i 1 cl e t e n S t r a h 1 e n ,
da bei diesen häufig die Entwickelungsgeschichte Aufschluß giebt dar-
über, welche Radien aus der Fünfzahl reduziert wurden. Es läßt
sich dies meistens aus den Anlagen des Met apo diu m erkennen. In
der Entwickelung des Acropodium ist dann weiterhin auf die Frage
nach der ursprünglichen Zahl der Phalangen und im An-
schluß daran auf die Oligo- und Hyperphalangie einzugehen.
Die Bestimmung d e r P o s i t i o n r ü c k g e b i 1 d e t e r S t r ah -
len^). Ich beginne mit den Vögeln. In der Anlage des Flügels
1) In der Regel bilden sich in Röhrenknochen außer dem Diaphysenhauptcen-
trum zwei Epiphysenkerne aus, je einer an jedem Ende des SkelettsLückes (vergl.
p. 288). Uebrigens erhalten auch Elemente des Basipodium, welche sich in die Länge
strecken, eine Art Diaphysenverknöcherung mit nachträglicher Markhöhlen bildung
(Calcaneus des Menschen, Retterer 1886, Hasselwander 1903).
2) Von Testut, Ranke u. A. wurde die Ansicht ausgesprochen, daß beim
Daumen und der Großzehe kein Metacarpus resp. -tarsus vorhanden sei. Denn die
mit den Phalangen parallele Ossifikation dieser Elemente schien diesen Autoren nur
verständlich, wenn es sich in ihnen ebenfalls um Phalangen handle. Die oben an-
geführten Befunde haben jedoch dieser Meinung den Boden entzogen.
3) Bei Amphibien ist das Problem der rückgebildeten Finger wesentlich durch
Untersuchungen am Carpus in Angriff genommen worden, da weiter distal liegende
Anlagen dort gänzlich fehlen. Ich berichtete deshalb beim Basipodium (p. 306) über
dieselben. Hier bleiben die Amnioten zur Besprechung übrig. Unter diesen haben die
Reptilien (abgesehen von völligen Reduktionen der Gliedmaßen und von Zuständen
bei fossilen Formen, Dinosauriern) Extremitäten mit fünf Strahlen. Ich begume des-
halb mit den Vögeln, bei welchen regelmäßig in Flügel und Fuß einzelne Radien
reduziert sind. Daran schließen sich die Säuger, bei welchen dies nicht immer,
aber doch in vielen Fällen so ist.
320 H. Braus,
sind noch fünf Vorknorpelstrahlen gefunden worden (Norsa 1S94,
Mehnert 181)7). Beim Strauß bilden sich in allen fünfen (allerdings
nicht synchron) Centren für die Metacarpalia, Da sich von diesen
5 Anlagen die zweite, dritte und vierte in der Reihe in das endgültige
Metapodium verfolgen ließen (Mehnert 1. c), die erste und fünfte
dagegen zu Grunde gehen, so ist das reduzierte Skelett des Vogel-
flügels, falls diese Befunde sicher sind, aus dem 2., 3. und 4. Finger,
welche jenen Metacarpalien entsprechen, zusammengesetzt.
Dies Resultat wäre ein sicheres, wenn die Deutung der Anlagen
für die Metacarpalia außer allem Zweifel stände. Das als Mt I bezeich-
nete Gebilde (Fig. 261, p. 314) ist aber mehr ein Auswuchs des ersten
kompletten Strahles und möglicherweise kein selbständiger Radius. Nas-
soNov (1896), welcher gleichzeitig und unabhängig von Mehnert dasselbe
Objekt (Strauß) untersuchte, bezeichnet die Finger als 1., 2. und 3. in
der Reihe, allerdings ohne seine Ansicht näher zu begründen. W. K.
Parker (1888) ist bei Hühnchenembrvonen und Zehnter (] 890) ist bei
Cypselusembryonen zu derselben Ansicht gekommen (1., 2., 3. Finger).
Dagegen stehen Leighton (1894) und E. Norsa (1895) auf dem Stand-
punkt von Mehnert (2., 3., 4. Finger). Die eigentliche Beweisführung
liegt bei diesen Autoren jedoch nicht in der direkten Verfolgung des
Schicksals der einzelnen Strahlen, sondern in Deutungen der Carpal-
bestandteile und Ueberlegungen allgemeinerer Art ^).
Im Vogelfuß treten die Radienaniagen als sicher erkennbare
Strahlen in Fünfzahl auf (Baur 1883, Johnson 1883, Mehnert 1897
u. a.). Es entwickelt sich hier ohne allen Zweifel der 2., 3. und
4. Strahl zu den bleibenden Zehen. Manchmal bleiben auch Reste
des 1. und 5. Metatarsus (Apteryx) oder eine erste Zehe als Rudiment
erhalten -).
Die Metacarpalia des Flügels verschmelzen in späteren Entwicke-
lungsstadien am basalen Ende miteinander; die Metatarsalia des Fußes
verbinden sich sogar meist komplett zu einem einheitlichen Laufknochen,
in welchem die Komponenten im Verhältnis zur ursprünglichen Lage
gegeneinander leicht verschoben sind. Erst entwickelungsgeschichtlich
ließ sich diese Konkrescenz feststellen (Tiedemann 1810, v. Baer A. L. I,
1828).
Unter den Säugern sind vor allem die Paar- und Unpaarhufer
durch Rückbildungen charakterisiert. Bei der vorderen Extremität
wurden meist sämtliche (5) Strahlen in der frühen Anlage nachgewiesen •^).
Die bleibenden Finger sind bei Paarhufern der 3. und 4., bei Un-
paarhufern der 3. Sie differenzieren sich histologisch sehr frühzeitig
1) Vergleichend-anatomisch hat Gegenbaur (1864) mit Rücksicht auf die Ver-
hältnisse beim Vor der fuß der Reptilien die Hypothese aufgestellt, daß die Finger
des Vogelflügels dem 1., 2. und 3. entsprächen, während Cuvier, von den Verhält-
nissen des Vogelfußes ausgehend, dieselben als 2., 3. und 4. bezeichnete. (Litteratur-
angaben bei AI. FtJRBRiNGER 1902, p. 730 etc.; vergl. dort auch die Hypothesen
von Tschan und Hurst, welche andere Horaologieen aufstellten, aber als beseitigt
gelten müssen.)
2) Bei 8truthio bildet sich das 31t. II zu einem dünnen Stab zurück, welcher
nur anfangs noch den Rest einer Phalanx trägt (Fig. 262). Schließlich ist der
Fuß nur zw ei zehig.
3) A. Rosenberg (1872) fand beim Schwein Anlagen von 4 Fingern (2.-5.), G.
Baur (1884) entdeckte bei demselben Objekt noch die Anlage des Metacarpus des
1. Fingers. Mehnert (1897) fand bei Embryonen des Rindes 5 Strahlen, ebenso
Emery (1891) bei der Ziege.
Entw. d. Eonn d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts. 321
iiiid erfahren auch am ehesten eine scharf ausgeprägte Gliederung in
ihre einzelnen Komponenten. Bei den rudimentären Strahlen dagegen
ist die Anlage verspätet. Entweder bleibt es bei der vorknorpeligen
Dift'erenzierungsstufe durch viele Stadien hindurch, bis völliger Schwund
einsetzt, oder es tritt noch spät Verknorpelung ein. Der Knorpel verfällt
dann am p]nde der Embryonalperiode oder postfötal der Auflösung ^).
Bei Embryonen von Einhufern (Pferd, Esel, A. üosenberg 1872,
Retteker 1902) wurden keine Anlagen für Mc V und für die Phalangen
des 2. und 4. Eingers gefunden -). Wohl zeigt jedoch die gespreizte
Lage des 2. und 4. Metacarpus, welche bekanntlich später als „Griffel-
beine" dem Mc Hl fest anliegen und verbunden sind, in der frühen Ent-
wickelung die ehemalige Eorm des typischen Metapodium.
Der Mc III des Pferdes verschiebt sich in der Ontogenie allmählich
von Cg auf das Hamatum.
Bei Cetaceen kommt nach Kükenthal (1890) embryonale Rückbil-
dung des 3. Fingers in der Art zu stände, daß derselbe später zwischen
den übrigen fehlt (Balaenopterus musculus). Es ist das bis jetzt eine
singulare Erscheinung, denn stets wurden sonst Rückbildungen nur am
Rand und von diesem aus fortschreitend gefunden.
Auch die hintere Extremität läßt noch, besonders bei Wieder-
käuern (A. Rosenberg 1872 ^), Anlagen von solchen Strahlen erkennen,
welche später rudimentär werden.
Zahl der Phalangen. Diese ist bei Händen und Füßen
der Tetrapoden eine sehr verschiedene sowohl bei den einzelnen
Fingern wie auch bei den einzelnen Acropodia je nach der
Stellung ihrer Träger im System. Erst bei den höheren Amnioten
(Säugern) bildet sich Konstanz der Phalangenzahl heraus, welche beim
Pollex und Hallux auf 2. bei den übrigen Fingern auf 3 normiert ist
(einige Ausnahmen s. u.).
Es ist nun in einigen Fällen nachgewiesen worden, daß embryo-
logisch mehr Phalangen entstehen, als im fertigen Zustand vorhanden
sind. Es findet hier eine Rückbildung von Phalangen statt. Man be-
zeichnet die Erscheinung als 0 1 i go p h a 1 a n g i e. Außerdem aber kommt
in der Ontogenie mancher Formen eine sekundäre Vermehrung von
Phalangenanlagen vor (namentlich bei wasserlebenden Tieren). Man
nennt sie Hyper phalangie.
1) Die einzelnen Reduktionsformen sind in der vergl.-anat. Litteratur beschrieben.
Als Varietäten kommen gelegentlich Atavismen vor, bei welchen die Entwickelung
nicht an dem gewöhnlichen Halt sistiert hat, sondern ausgebildete Finger statt der
rudimentären liefert (Kalb, Boas 1890; Pferd, Struthers 1894 u. a.). Häufiger
sind progressivistische Varietäten durch Verdoppelung, vergl. pag. 305.
2) EwART (1894) beschreibt bei vorderen und hinteren Extremitäten von älteren
Pferdeembryonen Knorpelanlagen am Ende der CTriffelbeine, welche durch Gelenk-
spalten von den letzteren getrennt seien und sich ganz wie Phalangen (des 2. und
des 4. Fingers) verhalten. Die einzelnen Phalangen" findet der Autor durch Streifen
im Knorpel gegeneinander abgegrenzt. Die Ossifikation soll jedoch nicht durch sepa-
rate Kerne, sondern von den Knochenjjunkten der Griffelbeine aus erfolgen. Die
Untersuchungen sind durch makroskopische Präparation angestellt und nicht mit
modernen Methoden kontrolliert worden.
3) A. ßosENBERG (1872) fand in der Entwickelung der Wiederkäuer Anlagen
von Mtll und IV. Diese bilden sich nicht immer, wie jener Autor annahm, völlig
zurück, sondern die proximalen Teile derselben können zeitlebens restieren (Traguliden,
Boas 1890; bei Fossilien schon früher bekannt, Gaudry 1878). — Beim Pferd ver-
hält sich der Hinterfuß wie der Vorderfuß, vgl. auch Anm. 2. Bei Hyraxembry-
onen Spuren von 1. und 5. Zehe, die später verschwinden (E. Fischer 1903). —
Anfängliches Zurückbleiben rudimentärer Strahlen schildern A. Rosexberg (1872)
und Thilenius (1896).
Handbuch der Entwickelungslehie. III. 2. 21
322 H. Braus,
Eine frühere Hypothese, welche ganz allgemein in der Poly-
phalangie (also auch in Fällen von Hyperphalangie) einen Atavis-
mus sah (Leboucq 1896) und alle geringen Phalangenzahlen bei Tetra-
poden für Rückbildungserscheinungen hielt (vergl. Anm. 2 1, ist
jetzt wohl allgemein verlassen.
Bei Sauropsiclen ist Oligophalangie häutig i). Krokodil-
einbryonen besitzen am 4. Finger eine ö. (nach Kükenthal aus
3 separaten Anlagen verschmolzene) Phalanx, welche im definitiven
Zustand verloren gelit^) (Kükenthal ^) 1892, Leboucq 1899). Bei
Vögeln ist die Normalzahl der Phalangen an den 3 definitiven Fingern
1 — 2 — 1. Sie ist freilich nicht so fest normiert wie bei Säugern. Bei
Embryonen^) fand man jedoch 2 — 3 — 2. Auch im Fuß ist ein ähnliches
geringes Plus beobachtet worden.
Bei Säugetieren besitzen vor allem die Cetaceen eigentümliche
Vermehrungen der Elemente in den Strahlen des Acropodium. Nach
KÜKENTHAL (1890) handelt es sich nur um eine scheinbare Hyper-
phalangie. Er findet, daß nicht die Anlagen der Phalangen selbst
in der Ontogenie der Wale vermehrt werden, sondern daß bei der
Ossifikation einmal statt des üblichen einen Epiphysenkernes deren
zwei, und zwar je einer an jedem Ende der Phalanx (wie bei Röhren-
knochen im Stylo- und Zeugopodium) auftreten. Zweitens bleibt dann
die Vereinigung dieser Epiphysenkerne mit der Diaphyse aus. Diese
beiden Momente führen nach unserem Autor zu der oft beträchtlichen
Vermehrung der Glieder, w eiche danach auf eine Zerfallser-
scheinung zurückgeführt wäre. Es entwickeln sich nämlich alle
Knochencentren zu selbständigen Elementen weiter.
Nachträglich können dann Konkrescenzen zwischen den einzelnen
Knochen eintreten, oder aber es kann eine weitere Zeispaltung dadurch
zu Stande kommen, daß sich mehr als 2 Epiphysenkerne in jeder Phalanx
bilden 5),
Vieles in dieser Darstellung beruht noch auf Kombination. Eine genaue
Serienverfolgung (für welche freilich das seltene Material schwer zu
beschaffen ist) müßte durch Nachweis der üblichen Heterochronieen zwischen
1) Bei Amphibien bilden sich die Phalangen von vornherein in der definitiven
Zahl, soweit die Verhältnisse untersucht sind. Bei Fossihen wurde jedoch an
Hand und Fuß einzelner Zehen je eine Phalanx mehr als bei recenten Formen be-
obachtet.
2) Die Normalzahl der Phalangen bei Reptilien ist 4, doch besitzen Lacertilier
häufig noch 5 Phalangen am 4. Finger, auch im ausgebildeten Zustand. — Die fos-
silen Halisaurier hatten bis zu 30 Phalangen an einem Finger (Ichthyosaurus). Es
ist wohl kein Zweifel, daß dies sekundäre Hyperphalangie war (Baur 1887). Doch
ging die frühere Annahme, daß die Polyphalangie etwas Primäres sei, von diesen Be-
funden aus.
3) Nach Kükenthal sind auch am 5. Finger von Ivrokodilembryonen mindestens
2 Phalangen überzählig. Der 1., 2. und 3. Finger erhalten von vornherein ihre
definitive Phalangenzahl.
4) Schon Heusinger (1820) fand bei jungen Hühnern 2—3—1. A. Rosenberg
(1872) vermuteto beim 3. Finger des Hühnchens eine weitere Phalanx, da er eine
Vorknorpelpartie an der betreffenden Stelle sah. Einen separaten Knorpel (also
2—3—2) wies Baur (1885) bei Embryonen von Anas domestica zuerst nach.
Uebrigens besitzt Archaeopteryx lithographica 2—3—3 (nach Bauk 1885 sogar
2—4-3).
5) 2 Epiphysenkerne werden auch anderwärts hier und da in einer Epiphyse
angetroffen (vgl. p. 317 Anm. 1). — Der häufig gebrauchte Ausdruck ,, doppelte Epi-
physenkerne" für die Fälle, in welchen je eine Ossifikation an jedem Ende des Skelett-
stückes gefunden wird, ist mißverständlich wegen des Vorkommens von Fällen mit
2 Kernen in einer Epiphyse.
Entw. d. Form d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts. o23
Dia- und Epiphysenverknöcherungen sicherere Resultate ergeben. Leboicq
(1899*) ist der Ansicht, daß die Vermehrung der Phalangen durch
Sprossung der Fingerspitzen entstehe, sobald keine knöcherne Endkappe
(ßETTERER) an der Endphalanx vorhanden sei. Bei allen Maramaliern,
welche konstante Phalangenzahlen aufweisen, findet er diese Endkappe
und schiebt ihr die Ursache zu, daß Neubildung von Phalangen nicht
stattfinden könne. Howes (1888) leitet die Hyperphalangie nicht von
den Anlagen der Phalangen selbst, sondern von intercalaren Syndemosen
derselben ab, welche nach ihm verknöchern und in die Reihe der primären
Ersatzknochen eintreten ^).
Auch Oligoplialangie ist bei Säugern beobachtet worden. Leboucq
(ISilli) sah am 4. Finger von Fledermausembryonen eine 3. Phalanx
und distal davon eine zwar inkomplett gesonderte, aber sonst den
übrigen Phalangenanlagen entsprechende Knorpelinsel (4. Phalanx?),
Bei der Ossifikation entstehen nur in der 1. und 2. Phalanx Knochen-
kerne. Doch dringt von demjenigen der 2. Phalanx ein Zapfen in
die Knorpelanlagen der 3. (und 4.) Phalanx ein. Wenn also beim
fertigen Tier an diesem Finger scheinbar nur 2 Knochen vorhanden
sind, so ist doch in dem distalen der beiden mehr als eine ursprüng-
liche Anlage erhalten.
Beim Menschen tritt der Knorpel, welcher die Anlage der Mittel-
phalanx der 5. Zehe bildet, häufig in Konnex mit der Endphalanx. Beide
Knorpel bilden dann ein Stück, in welchem auch nur ein Ossifikations-
punkt auftritt oder sonstige regressive Veränderungen im Verknöcherungs-
prozeß beobachtet wurden. Die Mittelphalanx ist also im Beginn der
Verkümmerung begriffen (Pfitzner 1890, Hasselwander 1903). Uebrigens
hat EniER (1901) gezeigt, daß im allgemeinen das menschliche Fußgewölbe
eine Zunahme der Stärke seiner Elemente zeigt (als Anpassung an die
Aufgaben der aufrechten Gangart). Man kann also aus Reduktionen
in der Kleinzehe nicht auf solche des ganzen fibularen Fußrandes schließen.
Die Verminderung der Phalangenzahl des Daumens und der Groß-
zehe bei Säugetieren wird zwar allgemein für eine Folge des Verlustes
der Endphalanx gehalten. Doch ist dies ontogenetisch nicht nachgewiesen,
Pfitzner (1892, 1897), Pbrrin (1893), Lambertz (1900). Hasselwander
(1903) u. a. verteidigen die Annahme, daß nicht die 3., sondern die
2. Phalanx verloren gegangen sei , weil sie die RETXERER'sche End-
kappe der Endphalanx für ein Homonom derjenigen der Terminalglieder
der anderen Finger halten und auch sonst Uebereinstimmungen in der
Ossifikation der jeweils apicalen Phalangen finden.
c) Tersrleich des Skelettes der tetrapoden und tetraptery^ialen Forinen.
In einem früheren Abschnitt (p, 243) wurde der Schluß gezogen, daß
die ä u ß e r e E n t w i c k e 1 u n g der Gliedmaßen bei Tetrapoden und ihre
Stellungsänderungen in der Ontogenese zu einer Form
der ersten Anlage zurückleiten, welche in allen essentiellen Punkten
mit dem frühesten Stadium der paarigen FischÜossen übereinstimmt.
Wie steht es nun mit dem Skelett beider?
1) Die von Eyder (1885) herstammende Hypothese, daß ein bei Wasserraub-
tieren angeblich vorkommender Knorpel faden, welcher dort als Anhang der Endphalanx
gefunden wurde, sich nachträglich gliedere und die überzähligen Phalangen liefere,
ist hinfällig geworden ; denn Leboucq (1888) wies nach, daß jener Faden nicht aus
Knorpel besteht, sondern eine bindegewebige, stark verlängerte Plngerkuppe ist. Auch
bei Walen ist ein solcher Knorjielfaden nicht bekannt.
21*
324 H. Braus,
Nach den in den vorhergehenden Abschnitten dieses Kapitels
gegebenen speciellen Nachweisen ist die früheste Skelettanlage
bei tetrapoden wie bei tetrapterygialen Formen einheitlich.
Das Gewebe ist in diesem Stadium ein dichtes Mesenchym (Vor-
knorpel) und repräsentiert einen in der Kör per wand gelegenen
Abschnitt (zonale Anlage: Schultergürtel, Becken) und eine in der
freien Gliedmaße sich entwickelnde Fktte (Pterj'gium bei Fischen,
Chiridium bei Tetrapoden), w^elche in beiden Fällen successive distal-
wärts aussproßt in dem Maße, wie die freie Gliedmaße wächst, und
basal von Anfang au mit der zonalen Anlage kontinuierlich zusammen-
hängt. Auch später, nachdem diskontinuierliche Knorpelcentren auf-
getreten sind, kommt es nochmals zu einer vorübergehenden Xev-
schmelzung der Knorpelinseln durch Brücken aus demselben Gewebe
(Knorpel), also zu einer Einheit, welche sowohl bei Fischen wie bei
Tetrapoden nachgewiesen ist, dann aber bei der Gelenkbilduug regres-
siven Prozessen (Umwandlung in Faserknorpel oder völliger Auflösung)
verfällt. Unter den Tetrapoden ist freilich diese zweite, knorpelige
Einheit des Gliedmaßenskelettes auf die niederen Formen (vor allem
die Amphibienentwickelung) beschränkt. Bei Amnioten kommt sie
nur unvollständig oder gar nicht mehr zu stände ; die Gelenke bilden
sich vielmehr von vornherein in den vorknorpeligen Partieeu zwischen
den in Betracht kommenden Knorpelinseln. Es hängt dies wahrschein-
lich mit dem bei Amnioten durchweg höheren Entwickelungszustand
der Gelenkformen (Diarthrosen) zusammen, welche eine längere Ent-
wickelungszeit und deshalb frühere Anlage beanspruchen.
Auch die zeitliche Folge der Entwickelung, welche bei der Fisch-
flosse darin gefunden wurde, daß bei den einfacheren Formen (Selachier,
Dipnoer) das Zonoskelett vorangeht und darauf das Pterygium als sein
Sproß baso-terminalwärts von diesem auswächst, ist im tetrapoden Schema
manchmal rein nachzuweisen (Amnioten), freilich, wie dies bei Fischen
auch der Fall sein kann, manchmal gestört, falls besondere, dem Embryo-
nalleben eigentümliche Veränderungen der Bauchwand (z. B. bei der Auf-
blähung im Larvenleben von Anuren) eine zeitige Anlage des Zonoske-
lettes verhindern.
Bei der Verknorpelung sondern sich die Teile. Auch
dies ist bei tetrapterygialen wie tetrapoden Formen dasselbe. Der
zonale Bogen entsteht bei beiden in einem Guß, indem sich von der
glenoidalen Partie aus chondrifizierende Grundsubstanz durch Thätig-
keit der entsprechend angeordneten Zellen ventralwärts und dorsal-
wärts vorschiebt. Als wichtigstes Merkmal beim Zonoskelett ist hervor-
zuheben, daß die Bogenform, welche bei Fischen so charakteristisch
ist, sich auch bei Tetrapoden (Schultergürtel und Becken) in diesem
Stadium noch erkennen läßt. Allerdings beginnen hier schon Ab-
weichungen aufzutreten, indem bei vielen Tetrapoden (z. B. schon bei
den niedersten, den Urodelen) eine tiefgreifende Spaltung des ventralen
Bogenteiles in zwei Aeste ^) stattfindet. Wenn dann bei den höheren
Extremitäten in der späteren Entwickelung Schultergürtel und Becken
1) Von der glenoidalen Partie aus bildet sich als dorsaler Fortsatz beim
8chultergürtel dessen scapularer, beim Becken dessen iliacaler Teil, als ventraler
Fortsatz bei ersterem Coracoid + Procoracoid, bei letzterem Pubis + Ischium. Es
kommen übrigens auch ungespaltene ventrale Fortsätze der Gürtel bei Tetrapoden
vor. — Manchmal treten bei Tetrapoden separate Centren in den einzelnen Teilen an
die Stelle des einheitlichen Knorpels.
Entw. d. Form d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts. 325
durch Ausgestaltung besonderer Abschnitte des Zouoskelettes und
namentlich beim Auftreten der neuen Gewebsform, des völlig anderen
mechanischen Gesetzen folgenden Knochengewebes, voneinander und
von den gleichnamigen Gebilden bei Fischen verschieden werden, so
ist das deutlich eine späte Differenzierung, welche der Ueberein-
/ II
-\ ^--^ \ \ 'praeax
postax \ f-Os \ N^----^
L~- 2}raeax
postax . -
A A
Fig. 264. Vorknorpelplatten im Frühstadium bei einer vorderen Selachierextremität
(I, nach E. Rüge) imd bei einer Urodelenhand (II, nach C. Rabl). a Spitze der
Achse, an welcher das Wachstum fortschreitet.
Stimmung der frühesten Anlagen keinen Abbruch tliut. Es ist daran
zu erinnern, daß bei der Fischflosse gerade im G ürtelskelett der
älteste, primitivste Bestandteil des ganzen Extremitätenskelettes
erkannt wurde. Die ontogenetische Uebereinstimmung der Entwickelung
bei Tetrapoden mit Fischen an dieser Stelle ist also von fundamen-
taler Bedeutung.
Weit schwieriger gestaltet sich die Frage nach den genetischen
Uebereinstimmungen zwischen Chiridium und Pterygium. Betrachtet
man aber hier zunächst die Form der V ork n orpelplatte
während des terminalen Wachstums (es setzt zu dieser Zeit häufig
in den basalen Teilen bereits die Chondrifikation ein), so ist eine all-
gemeine Uebereinstimmung zwischen beiden Gliedmaßen unverkennbar
(Fig. 2(34). Denn es sprossen beim Chiridium (II) ebenso aus einem
einheitlichen Stiel successive Fortsätze aus wie beim Pterygium (I).
Diesen Befund^) halte ich für fundamental wichtig für die Ver-
gleichung des Chiridium mit dem Pterygium.
Mit der Bildung der Knorpelinseln entsteht dann aber ein höchst
variables Bild bei den pentadactylen Gliedmaßen, denn zeitlich
können die Centren in 'der verschiedensten Folge auftreten. Als
einzige Konstante ist uns in diesem Wechsel zur Zeit bekannt, daß
sich das Stylopodium zuerst, dann das Zeugopodium und schließlich
das Autopodium anlegt. In dieser, baso-terminalen Reihenfolge ver-
knorpeln auch gewisse Pterygia (s. u.). Die Succession der einzelnen
1) Es sind hier ganz allgemein die Fortsatzbildungen, wie sie sich bei allen
Fischen und bei allen Tetrapoden finden gemeint. Es sollen nicht etwa speciell
die Fortsätze des Selachier- und Amphibien Skelettes, die in Fig. 264 nebeneinander
gesetzt sind, homologisiert werden. Dagegen zeigt die Nebeneinanderstellung dieser
beiden Formen, wie ähnlich die Bildungsvorgänge bei der Vorknorpelplatte in beiden
Gruppen sein können. Denn die Succession der Strahlen, die vom präaxialen Eand der
Extremität zum postaxialen hin einer nach dem anderen aussprossen, ist völlig identisch.
Wenn bei vielen Tetrapoden Synchronismus im Auswachsen der Fortsätze auftritt
(manche Amnioten) oder gar die umgekehrte Folge (vom postaxialen zum präaxialen
Rand hin) sich findet (Anuren), so sei daran erinnert, daß Aehnliches beim Pte-
rygium auch vorkommt (p. 214).
326
H. Braus,
Bestandteile der oben genannten Haui)tabsclinitte ist aber (vor
allem im Autopodium) eine so verschiedenartige bei Tetrapoden. daß
hier der zeitlichen P'olge, wie sie uns zur Zeit bekannt ist, meines
Erachtens keine i)hylogenetische Bedeutung zugemessen werden kann.
Das Bestimmendere für den Vergleich ist die Formentwickelung der
einzelnen Teile.
Da ist mit dem zunächst dem Gürtel und auch zuerst entstehenden
Element, dem Stylopodium, zu beginnen. Als Vergleichsobjekt
unter den primitiven Entwickelungsformen des Pterygium kommt am
ehesten das proximalste Stück in der Skelettanlage der freien Dipnoer-
flosse (Ceratodus : 1, Achsenglied, Fig. 265a Z) in Frage. Denn es ist,
wie im Chiridium, das einzige im ersten Abschnitt der Extremität
separat sich anlegende Element. Nachbarn sind ihm nicht zur Seite.
Fig. 265.
a b
Sch.g Sch.g
Fig. 266.
a b
f^-
posta.r
2if<iea.i
R
Fig. 265. Knorpelige Skelettanlagen im Frühstadium einer Di-
pnoerflosse (a, nach Semon) und eines [Jrodelenarmes (b, nach Rabl).
Die einander entsprechenden Teile sind mit identischer Schraffierung
versehen. Die lateinischen Ziffern bedeuten die Glieder des Achsen-
strahles, die deutschen diejenigen des ersten Seiten Strahles bei Cera-
todus. Selig Schultergürtel.
Fig. 266. Dasselbe wie in Fig. 87, nur in einem etwas älteren Stadium, a Cera-
todus (nach Semon), b Isodactylium (nach Öhitkovj.
Auch das Metapterygium der Selachier kommt hier in Betracht. Doch
erhält dieses bald im Meso- und Propterygium Nachbarn, die
allerdings sekundär ontogenetisch entstehen und außerdem eine so
reiche Fiederung durch zahlreiche sich terminal bildende Sprossen
zeigen, Vorgänge, welche beim Chiridium so völlig fehlen, daß eine nur
allgemeine Aelinlichkeit in der frühesten Anlage koustatiert werden
kann, welche aber unverkennbar ist.
Für den örtlich und zeitlich folgenden Abschnitt des Chiri-
dium, das Zeugopodium, besteht ebenfalls im Dipnopterygium
ontogenetisch eine komplette Homologie in den beiden Hauptelementen.
Das zweite Achsenglied und das Basalsegment des ersten präaxialen
Seitenstrahles bei Ceratodusembryoncn (Fig. 265a 71 und J; liegen gerade
so zueinander und haben dieselbe Aehnlichkeit in Form (annähernd auch
an Breite) wie die Frühanlagen von Radius und UIna (resp. Tibia und
Fibula) bei Tetrapoden ^). Etwas später bildet sich an der präaxialen
1) Dagegen tritt bei Ceratodus in der späteren Entwickelung Konkrescenz dieser
beiden Skelettabschnitte ein, so daß also das fertige Flossenskelett dieses Dipnoers
Entw. d. Form d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts. 827
Seite des Stammstrahles beim Dipnopterygiiim ein weiteres Stück aus
(Fig. 26(3a, ^), dem ein neuer Seitenstrahl entsproßt. Es entsteht
zwischen den distalen Enden der beiden Hauptbestandteile des zweiten
Abschnittes (welche oben mit dem Zeugopodium verglichen wurden)
und gleicht darin dem lutermedium der Tetrapoden (Fig. 26r)b, i).
Auch die Beziehung zum postaxialen Element des Zeugopodium,
welche bei der Anlage 2 des Dipnopterygium charakteristisch ist
(Fig. 2G(3a), fehlt bei Tetrapoden nicht. Sie ist jedoch bei letzteren
meist erst in ein wenig älteren Stadien deutlich erkennbar ^) (Fig. 249,
p. 292).
Ob auch ein Homologen des postaxial im Dipnopterygium sich an-
legenden Stückes (Fig. 266a, <2*) beim Chiridium vorkommt, ist zweifel-
haft. Denn das Pisiforme, welches der Lage und ontogenetischen Be-
ziehung zur Ulna nach eine große Aehnlichkeit mit 2* besitzt, ist ein
Accessorium, und als solches nicht sicher primärer Herkunft -).
An sich könnte die lange, schon früh bei Ceratodus in reicher
Quergliederuug entstehende Achse des Pterygium (Fig 265a Ä) als
Gegengrund gegen die Homologisierung mit dem Chiridium gelten,
weil bei letzterem eine solche fehlt. Doch zeigt die frühe Entwicke-
lung der Selachier, daß gerade hierin uichts Typisches für das Ptery-
gium liegt. Auch im Selachopterygium ist ähnlich wie bei Urodelen
gleichsam die Spitze des auswachsenden Baumes verkümmert (vgl.
auch Fig. 264 I, II bei Ä), so daß die Seitenäste bei diesen früher und
stärker auswachsen, als dies bei Dipnoern der Fall ist. So gleicht
also in diesem Punkt die Frühentwickelung des Chiridium niederer
Tetrapoden mehr den gleichen Stadien des Selachopterygium, in der
Art der Anordnung von Stylo- und Zeugopodium mehr dem Dipno-
pterygium, Die Stammform des Chiridium muß also in einer dem
Selacho- und Dipnopterygium gemeinsamen Uranlage gesucht werden,
von welcher sich das letztere durch sein enormes terminales
(Längen-)Wachstum und die damit verbundene Ausgestaltung der
biserialen Fiederunar entfernt hat und von welcher das erstere durch
•ö
frühe lateral- und kranialwärts gerichtete Ditferenzierungen
(Vermehrung der präaxialen Strahlen, Meso- und Propterygium) ver-
schieden ist. Diese Frühform ist noch rein hypothetisch ; denn in
reiner Ausbildung ist sie weder ontogenetisch noch paläontologisch
bisher bekannt geworden. Doch verläßt der Vergleich, wie er oben
versucht ist, nicht den Boden des thatsächlich bei niederen Formen
manifesten Befundes. Auch die vergleichende Anatomie und die
Paläontologie melden vieles zu seinen Gunsten.
schon zu hoch specialisiert ist, als daß das Chiridium mit ihm direkt vergUchen
werden könnte (p. 218).
1) Die jüngsten fStadien bei den geeigneten Objekten unter den niederen Tetra-
poden sind hier vielleicht nur zu wenig auf diesen Punkt hin untersucht. Uebrigens
kann nicht etwa erwartet werden, daß i. aus der Anlage der Ulna (Fibula) succes-
sive aussproßt. Denn alle Knorpel legen sich bekanntlich als sejjarate Centren an.
2) An der im Dipnopterygium mit ? bezeichneten Stelle (Fig. 266a) entsteht ent-
weder kein postaxialer Strahl bei Ceratodus oder er kommt sehr verspätet
und nur noch individuell zur Anlage. Bei Tetrapoden ist hier keine für einen
Vergleich in Betracht kommende Anlage vorhanden. Wenigstens kann ich die
Pate IIa, das einzige Accessorium, welches ungefähr an dieser Stelle liegt, nicht als
primäres Element anerkennen (Thilenius 189.5 glaubt, sie sei ein solches), halte sie
vielmehr mit Flourens u, v. a. für eine sekundäre Neubildung, welche j^hylo-
genetisch durch die Beziehung zur Sehne der Streckmuskulatur entstanden ist.
328 H. Braus,
Wende ich mich jetzt zum Aiitopodiiim der Tetrapodeii, so
ist hier keine Form in den Entwickehiugsstadien des Pterygium be-
kannt, auf welche die Entwickelung jenes in toto ohne weitgehende Hilfs-
annahmen bezogen werden könnte. Es müßte für eine unmittelbare
vergleichend-embryologische Beweisführung verlangt werden, daß im
Pterygium ein Frühstadium gefunden würde, welches in Anordnung
und Zahl der Elemente denen des Autopodium beiTetrapoden entspräche.
Da aber zur Zeit die Entwickelung nirgends diese Forderung in
klarer Weise für das ganze Autopodium erfüllt, so greift unter
den Autoren die alte Ansicht um sich, daß überhaupt eine direkte
Verwandtschaft der distalen Teile auszuschließen und das Autopodium
(nach vielen sogar auch das Zeugopodium) als eine vom Pterygium
genealogisch unabhängige Neubildung zu betrachten sei. Doch
scheint es mir übereilt wegen mangelnder Parallelstadien beim
Pterygium, also aus negativen Gründen, solche positiven Schlüsse
zu ziehen. Es erwächst solchen Annahmen die Aufgabe, den
Nachweis zu liefern, daß ein von den Pterygiophoren unabhängiger
Atavus existiert hat, auf welchen das Chiridium als Neubildung
zu beziehen wäre, d. h. also eine Form mit nacktem Achsenstab (ent-
sprechend dem Stylopodium) ohne weitere Gliederung (denn die dem
Zeugo- und Autopodium oder jedenfalls die dem letzteren entsprechen-
den Teile müßten ja jener Ausgangsform in allen Entwickelungsstadien
fehlen). Solange diese nicht bekannt ist ^), haben jene Hypothesen
keinen höheren Wert.
Andererseits ist jedoch zu konstatieren, daß wenigstens für einen
Teil, ja für die größte Gruppe der Elemente des Autopodium un-
mittelbare Anknüpfungen im Pterygium gegeben sind. Die Finger-
an lagen (Meta- und Acropodium) bieten eine klare
U e b e r e i n s t i m m u n g mit der 0 n t o g e n i e der Radien der
Fischflosse (Selacho- und Dipn opterygium). Als vor-
knorpelige Strahlen sowohl wie durch die Gliederung in reihenförniig
angeordnete Knorpelelemente sind beide homonom. Besonders wichtig
ist es , daß auch im Basipodium überall , wie die Entwickelungs-
geschichte desselben ergeben hat, ursprünglich die distalen Car-
palia resp. Tarsalia zu je einem Strahl des Meta- und Acropodium
gehören. Die Fiederung des Chiridium ist also vom terminalen Ende
bis in das Basipodium hinein manifest. Gerade die Hand- und Fuß-
platten, welche diese Fiederung l)eherbergen, sind es ja auch, welche in
der äußeren Formentwickelung bei Amnioten der Fischflosse so außer-
ordentlich ähnlich sind, daß schon v. Baer sie miteinander in gene-
tische Beziehung brachte-). Das einzige Stück des Auto-
1) Sehr beachtenswert ist der Versuch Gr. Kerr's (1900, 1002, III''',
p. 234), die Flosse von Lepidosiren als Ausgangspunkt des Chiridium nach-
zuweisen. Sie würde den oben erhobenen Ansprüchen genügen. Doch ist der Ein-
wand gerechtfertigt, daß hier keine primäre Einfachheit, sondern sekundäre Rück-
bildung gegenüber Formen wie Ceratodus vorliegt (die Gründe hierzu sind kürzlich
zusammengestellt und erweitert bei Fürbringer 1902, III \ p. 234). Auch liegen
vorläufig erst kurze Mitteilungen über die Ontogenie der Flosse von Lepidosiren vor,
aus welchen bezüglich dieser Frage nichts zu ersehen ist.
2) In diesem Stadium sind das Stylo- und Zeugopodium noch ganz kurz (im
primitiven Zustand, p. 285), stecken ganz in der Basis der Platte, so daß ein äußer-
lich sichtbarer „Stiel" derselben kaum erkennbar ist. Daraus darf jedoch nicht der
Schluß gezogen werden, daß sich die Hand vor dem Arm bilde, wie dies Emery
Entw. cl. Form d. Extremitäten ii. d. Extremitätenskeletts. 329
P 0 d i u 111 , auf welche sich derzeit die Unklarheit des
Vergleiches beschränkt, besteht also nur in der proximo-
centralen Reihe, bestehend aus den kanonischen Ele-
menten r (t), u (/■) und C. Für diese gilt allerdings das oben
bereits Gesagte, daß sich die Vorstellungen, welche heute über die
primäre Anordnung dieser drei Stücke möglich sind, nicht über das
Niveau von Vermutungen erheben und daß weitere Aufschlüsse erst
von zukünftigen Untersuchungen erhofft werden können. Immerhin
sei auf den Befund bei Isodactylium hingewiesen, welcher im frühesten
Stadium bereits jene Elemente mit den anderen in deutlicher Reihen-
anordnung zeigt (Fig. 248, p. 291). Dieser Einzelfall kann jedoch
nicht allen Basipodia zum Ausgangspunkt gedient haben und bedarf
noch der Erweiterung.
Schließlich ist noch auf die Versuche der Achsenbestimmung
im Chiridium hinzuweisen. Denn wenn dieses von dem Pterygium
abgeleitet werden soll, muß erwartet werden, daß auch der Achsen -
strahl, welcher bei primitiven Pterygia stets vorhanden, wenn auch
nicht immer so stark wie im Dipnopterygium entwickelt ist, ursprüng-
lich im Chiridium vorhanden war. Daß uns aber die Lage der Achse
speciell im Autopodium bei unserer Unsicherheit über die primäre
Beschaffenheit seines proximo-centralen Abschnittes nicht klar ent-
gegentreten kann, liegt auf der Hand. Abgesehen von dieser Be-
schränkung ist aber eine Bestimmung der Achsenlage möglich. Folgt
man der Vorschrift Huxley's und paßt das Chiridium und Pterygium
in Horizontalstellung so aufeinander, daß präaxialer Rand auf prä-
axialen und postaxialer Rand auf postaxialen zu liegen kommt (Fig. 265),
so ergiebt sich die Homologie der Achse der Fischflosse mit der
Ulna (Fibula) 1) bei Tetrapoden. Es steht damit im Einklang, daß
das Intermedium häufig ontogene tisch besonders innige Be-
ziehungen zur Ulna (Fibula) besitzt, gerade so wie der betreffende
Seitenstrahl des Dipnopterygium zur Achse (vergl. p. 327). Häufig ist
die Lage des Intermedium bei den fertigen Formen nicht mehr so
charakteristisch. Naturgemäß muß die Achse, welche im Zeugopodium
am postaxialen Rand liegt, auch im Autopodium auf dieser Seite gesucht
werden ^). Ob sie aber dort in den Randfinger (5.) oder etwa in seinen
(1897) und Petee (1902) thun ; denn die Skelettentwickelung zeigt ja das Gegenteil. Der
Arm bildet sich nicht später als die Hand, aber er wächst erst spät in die
Länge imd gewinnt dann erst seine charakteristische Form als „Stiel" der Platte.
1) Es gilt dies allerdings nur unter der berechtigten Voraussetzung, daß die
postaxiale Seite der Fiederung des Dipnopterygium (da diese bei Ceratodus am
ersten Glied bereits rudimentär ist) nicht mehr im Chiridium erhalten ist und daß
nur die präaxialen Seitenradien für den Vergleich in Betracht kommen. Doch
ist auch der Versuch gemacht worden, die postaxialen Seitenradien mit den Haupt-
elementen des Chiridium unter ßeiseitesetzung der präaxialen Eadien zu homolo-
gisieren (Baur 1885, E. Eosenberg 1892). Danach wäre die Achse durch den
Radius zu legen, und der erste postaxiale Seitenstrahl wäre die Ulna. Mit dem
Kern der HuxLEv'schen Beweisführung verträgt sich diese Ansicht durchaus ; denn
auch bei ihrer Annahme können die Extremitätenschemata so aufeinander gepaßt
werden, daß sich die Achsen decken. Dagegen widersj^richt die Hypothese dem
Nachweise Gegenbaur's (1876), daß das Intermedium zur Ulna ibez. Fibula) be-
sonders innige Beziehungen besitzt ; denn diese müßten nach ihr zwischen Inter-
medium und Radius (bez. Tibia) bestehen. So fügte Gegenbaur (1. c), indem
er Huxley's Ansicht übernahm und seine eigene frühere Meinung als irrtümlich
aufgab, erst das bedeutsamste Moment in die Behandlung dieser Frage ein.
2) Es ist freilich auch der Versuch gemacht worden (Leboücq 1884, 1899
380 H. Braus,
nächsten Nachbar (4.) lallt, ist nur im Autopodium selbst zu ent-
scheiden und deshalb, wie oben gesagt wurde, unsiclier. So viel
steht fest, daß das Urchiridium sehr wohl eine deutliche Achse ge-
habt haben kann. Denn am postaxialen Rand der Embryonen
recenter Formen sind deutlichere Spuren davon erhalten als bei aus-
gebildeten Tieren.
Es existieren namentlich in der vergleichend-anatomischen Litteratur
zahlreiche Versuche, die Achse auch im Autopodium der Tetrapoden ge-
nauer zu bestimmen. Ich lasse sie hier beiseite, weil ich ihnen keinen
tieferen Wert beimessen kann ^).
Es besteht ferner die Hypothese, daß die einheitlichen Teile
des Extremitätenskelettes (vor allem das Stylopodium, auch das Zono-
skelett) durch Ivonkrescenz metamerer Teile entstanden seien.
Entweder stützt sich dieselbe auf den Vergleich mit dem Pterygium,
indem angenommen wird, daß das Stylopodium im Metapterygium der
Selachier sein komplettes Homologon habe und daß durch eine Stellungs-
änderung des letzteren die charakteristische, vom Körper abstehende I^age
des Stylopodium bei niederen Tetrapoden zu stände gekommen sei
(Balfoue u. V. A.). Für diese Autoren liegt der Beweis für die metamere
Zusammensetzung ganz bei den im Pterygium gegebenen Verhältnissen,
die ich bei diesem besprochen habe, aber nicht als zwingend anerkennen
kann. Andererseits ist zu Gunsten dieser Hypothese angenommen worden
(MoLLiER 1895), daß im Chiridium eine neue, diesem eigene Konkrescenz
hinzutrete, welche im Pterygium noch nicht vorhanden sei. Es sollen 5
(oder mehr) Strahlen, welche bei Fischen noch frei dem Basipterygium
aufsitzen, miteinander basal verschmolzen sein und durch diese Konkrescenz
das Stylopodium und Zeugopodium erzeugt haben. Die frei heraus-
ragenden Strahlenenden seien die Finger. Doch ist diese Konkrescenz
weder beobachtet, noch ist indirekt die ursprüngliche Existenz separater
Kükenthal 1889, 1893), die Achse schräg durch den Carpus zu legen, weil bei Säugetier-
embryonen manchmal eine von der Ulna zum Daumen in gerader Reihe ausgerichtete
Folge von CarpaUa und Metacarpalia beobachtet wurde. Ein solcher Befund hat
aber nur dann vergleichend-morphologischen Wert, wenn auch im Pterygium eine
solche Reihenbildung nachzuweisen ist. Im übrigen können sich reihenförmige An-
ordnungen gewiß leicht sekundär beim Autopodium herausbilden, und darin, daß sie
dies thun und von primären Reihen schwer zu unterscheiden sind, liegt hauptsäch-
lich die Schwierigkeit des Problems. Indem nun E. Rosenberg (1891) nachwies,
daß jene Schrägreihe kein Homologon bei der Fischflosse haben kann, widerlegte er
den Versuch, sie als Achse des Chiridium anzusehen.
1) Rabl (1901, III'', p. 235) hat, um die Wertlosigkeit solcher Versuche zu illu-
strieren, außer einer kleinen Auswahl historischer Achsenschemata, mehrere von ihm selbst
konstruierte zusammengestellt, welche alle in gleicher Weise den von Gegenbaur
an eine richtige Achsenkonstruktion gestellten Anforderungen genügen sollen. Es
liegt dem ein Mißverständnis zu Grunde. Denn Gegenbaur hat nicht, wie Rabl
meint, zum Prinzip seiner Konstruktion die Forderung gemacht, daß jeder Strahl
des Schemas nur durch eines der kanonischen Carpalia gehen dürfe (er hat viel-
mehr ausdrücklich zugegeben, daß Dichotomie oder Mehrfachteilung von Strahlen
eine Rolle spielen könne, 1864, p. 165). Bei Gegenbaur ist die Bestimmbarkeit
eines hypothetischen Strahles im Chiridium abhängig von der Möglichkeit, die
Lage auf die Verhältnisse des Pterygium zurückzuführen. Das ist eine auch heute
noch aktuelle Forderung, mit welcher in Zukunft Versuche, einen Achsenstrahl nach-
zuweisen, in erster Linie werden zu rechnen haben. — Wie wenig übrigens Gegen-
baur selbst sein eigenes Schema des Chiridium oder irgend ein anderes als end-
gültig betrachtete, hat er selbst klar ausgesprochen (1898, p. 527).
Entw. d. Form d. Extremitäten u. d. Extremitätenskeletts. 331
Strahlen an Stelle der genannten Abschnitte mit einiger Sicherheit be-
gründet 1).
Es sei noch erwähnt, daß auch das Crossopterygium als Aus-
gaugsform für das Chiridium angenommen wurde (Emery 1887, 1894 etc.,
PoLLARD 1892, Klaatsch 1896). Doch fehlt diesem ein Homologen des
Stylopodium. Die Versuche, diese Schwierigkeit durch weitere Hypothesen
zu umgehen, halte ich für wenig glücklich. Sie sind rein vergleichend-
anatomisch, da die Entwickelung jener Eormen noch zu unbekannt ist.
Litteratur.
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in seltenen Fällen gefunden worden (bei Eidechsen Vax Bemmelen 1889 ; sie fehlen
völlig bei Amphibien, Vögeln und Säugern). Es besteht eine solche Abstufung
zwischen dem Auftreten von lang persistierenden Muskelknospen, flüchtigem Auf-
treten von solchen und bloßem Ausströmen von Muskelbildungszellen aus den
Myotonien, daß wohl kaum nach dem Verhalten des myogenen Materiales eine
durchgreifende Scheidung der Pterygia von den Chiridia vorgenommen werden kann,
wie dies bei Rabl (1901) geschieht. Auch verschwinden die Knospen da, wo sie
bei Tetrapoden vorkommen, so schnell, daß irgendwelche Lagebeziehuugen zum
Skelett nicht zu stände kommen. An solche knüpft sich bei Selachiern der eigent-
liche Versuch, die Konkrescenz der Skelettanlagen zu beweisen. Die Verhältnisse
bei Tetrapoden sind also noch unzulänglicher in dieser Richtung als bei Fischen.
— L. BoLK (1894), welcher aus der metameren Folge ausgebildeter Muskeln beim
Menschen auf eine ursprüngliche Segmentierung des Skelettes schloß (Sklerozouen-
theorie), hat diese Ansicht selbst inzwischen im Wesentlichen wieder zurückgenommen
(1899; vergl. auch Braus 1904, III \ p. 195).
2) Vgl. Anm. 1 p. 195 und p. 233.
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Inhaltsverzeichnis.
Seite
Einleitung 167
A. Die iinpaaren Exti-emitäten 168
I. Die Entwickelung der äußeren Form der Pinnae und die his-
tiogenetischen Frühstadien der Differenzierung 168-
1) Der einheitlicke Elossensaum. 2) Histiogenetische Dif-
ferenzierungen bei komplett und inkomplett angelegten
Pinnae. 3) Entstehung diskontinuierlicher Einzelflossen.
(Doppelbildungen, Präanalflosse, tetrapode Wirbeltiere, Ur-
sachen der Entstehung von Einzelpinnae aus der ursprüng-
lich kontinuierlichen Saumflosse.) 4) Ausgestaltung der
Einzelflossen.
IL Die Stützelemente der unpaaren Flossen 176
1) Die Entwickelung der Außenstrahlen (Hautstrahlen) . .177
a) Hornfäden. b) Hautknochenstrahlen (Beziehvingen der
Hautknochenstrahlen zu den Hornfäden).
2) Die Entwickelung der Innenstrahlen der Pinnae . . . 179'
a) Die frühesten Entwickelungsstadien 179"
o) von den Achsengebilden räumlich getrennte Anlagen :
Dorsales, epichordale Caudalis bei Selachiern, Ganoiden,
Teleostiern (sekundärer Anschluß des Flossenskelettes an
die knorpelige Wirbelsäule, Innenradien und Mu.skeln).
j3) Mit den Achsengebilden räumlich zusammenhängende
Anlagen : hypochordale Caudalis aller Fische, Pinnae
der Dipnoi. y) Beurteilung der verschiedenartigen An-
lagen von Innenradien der Pinnae (Phylogenetische
Inhalt. 337
Seite
Schlüsse). 8) Anhang : Entwickelung des Innenskelettes
der Pinuae bei Petromyzonten (Myxinoiden, Acranier).
b) Das Innenskelett der Pinnae in der späteren Ent-
wickelung 193
Schluß. — Litteratur 194
B. Paarige Extremitäten 196
I. Bei TetrapterA'giern (Fischen) 196
1) Die Flossenleisten 196
Allgemeine Entstehung und Lokalisation. Histiogenetischer
Aufbau. Kontinuität und Diskontinuität der vorderen
(thorakalen) und hinteren (abdominalen) paarigen Leisten.
Vergleich der paarigen und unpaaren Flossenleisten.
2) Die Lokalisation der Flossenanlagen 200
Verschiebungen in toto. Vergrößerungen und Verkleine-
rungen der Flossenanlagen. Drehungen der Flossenanlagen.
3) Die Entwickelung des Gliedmaßenskelettes 204
a) Zonoskelett 205
«) Entwickelung des Schultergürtels, ß) Entwickelung
des Beckens.
b) Basipterygium und dessen Derivate 212
«) Brustflosse der Selachier und Dipnoer 212
Das primäre Basale und seine Radien : Metapterygium
(Phylogenese. Numerische Beziehungen der Meta-
merie von Muskeln und Nerven der Anlage des Ex-
tremitätenskelettes [Radien]. Topographische Be-
ziehungen metamerer Muskel- und Nervenanlagen
zum Extremitätenskelett). Die sekundären Basalia :
Entwickelung des Propterygium und Mesopterygium.
ß) Brustflossenskelett der Ganoiden und Teleostier . 225
y) Entwickelung des Basipterygium der Beckenflosse . 227
Schluß (Abstammungsproblem des Gliedmaßenskelettes). —
Litteratur 231
IL Die paarigen Extremitäten der tetrapoden Wirbeltiere . . 235
1) Die äußere Form der Gliedmaßenanlagen und die histio-
genetischen Frühstadien der Differenzierung 235
a) Die Formentfaltung 235
b) Histiogenese der pentadactylen Extremitäten beim ersten
Entstehen 241
c) Das Problem der Beziehungen der äußeren Formgestal-
tung bei den Tetrapoden zu derjenigen bei den tetra-
pterygialen Wirbeltieren 243
2) Verschiebungen und Drehungen der Gliedmaßenanlagen
im Ganzen und einzelner Teile derselben 245
Die metamere Position der Gliedmaßen längs des Rumpfes.
Achsendrehungen .
3) Die Entwickelung des Extremitätenskelettes 252
a) Zonoskelett 252
«) Entwickelung des Schultergürtels 252
Handbuch der Entwickelungslehre. III. 2. 22
338 Inhalt.
Seite
Primäre Anlage des Schultergürtels und seiner Teile
(Vorknorpel und Knorpel). Entwickelung von Ersatz-
und Deckknochen des Schultergürtels (Ossifikationen
der Coracoscapula. Clavicula. Episternum).
ß) Die Entwickelung des Beckens 270
Früheste Anlagen (Vorknorpel und Knorpel). Form-
entwickelung des Beckens. Vergleich der Becken-
und Schultergürtelentwickelung. Sekundäre Eort-
satzbildungen des Beckens in der Bauchmittellinie
(Epipubis, Hypoischium).
b) Die Entwickelung des Skelettes der freien Extremität
(Cheiropterj^gium, Chiridium) 282
«) Allgemeine Histiogenese und Formgestaltung . . 282
Vorknorpelstadium. Verknorpelung. Gelenke. Os-
sifikation. Reduktionen. Regeneration.
ß) Specielle Entwickelung der Skelettelemente des Chi-
ridium 288
Stj'lopodium (Humerus, Femur) 288
Zeugopodium (Ulna, Radius ; Tibia, Fibula ; Inter-
medium 290
Autopodium 294
Problem der primären und sekundären Bestandteile
des Autopodium (Hyperdactylie, Oligodactylie). Sjje-
cielle Entwickelung der Elemente des Autopodium
(Basipodium, Meta- und Acropodium [Bestimmung
der Position rückgebildeter Strahlen, Zahl der Pha-
langen]).
c) Vergleich des Skelettes der tetrapoden und tetrapter}^-
gialen Formen 323
Litteratur . 331
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein.
Von
Prof. Dr. H. Schauinsland i).
Eine Schilderung der Wirbelsäule und ihrer Entwickelung müßte
eigentlich auf physiologischer Grundlage sich aufbauen, denn all
die mannigfaltigen Umbildungen, die sie bei den verschiedenen Ver-
tretern der Vertebraten erfährt, erfolgen stets im Zusammenhang
mit und in Abhängigkeit von den Aufgaben und Leistungen,
deren Erfüllung ihr obliegt. Ihr fällt es zu, dem Körper Halt und
und Stütze zu gewähren, ohne seine Beweglichkeit zu sehr zu be-
einflussen, diese vielmehr noch zu erleichtern durch die Darbietung
von Ans atz st eilen für die bewegende Muskulatur. Daneben soll
sie aber auch zum Schutz gereichen für wichtige Organe, für das
Rückenmark und die Hauptblutgefäße, während Abkömmlinge von
ihr, die Rippen und das Brustbein, im Rumpf der höheren
Formen Brust- und Baucheingeweide zu decken und zu sichern
haben.
Leider fehlen uns bis jetzt noch so gut wie alle Vorarbeiten für
eine derartige physiologische Betrachtungsweise, und daher wird auch
nachstehend fast immer nur eine Besprechung der morphologi-
schen Verhältnisse stattfinden.
Wohl kaum ein Organ zeigt bei den Vertebraten so wie die
Wirbelsäule in derart hervorstechender Weise die Neigung, von
niedrigen zu höheren Stufen, von einfacheren zu komplizierteren Zu-
ständen in allmählichem Gange vorzuschreiten. Vergleicht man das
Achsenskelett eines Cyclostomen etwa mit dem eines Säugers, so er-
scheint es auf den ersten Blick fast unmöglich, das eine auf das
andere zurückzuführen, und dennoch sind sie durch Uebergänge fest
miteinander verbunden.
Erreicht wird die ganze Mannigfaltigkeit im Aufbau durch die
verschiedenartige Verwertung des dafür zur Verwendung kommenden
Materials. Einerseits wird dieses geliefert von der Chorda und
1) Der Versuch, ein klares Bild von der Entwickelung der Wirbelsäule auf
Grund des Studiums der überaus reichen Litteratur allein zu entwerfen, kann wegen
der Fülle der verschiedenartigen Ansichten, die selbst bei wichtigen Fragen sich oft
diametral gegenüberstehen, nicht günstig ausfallen. Die meisten Vertebratenab-
teilungen wurden daher von mir selbst durchgearbeitet, und somit sind auch die
Abbildungen mit wenigen, als solche bezeichneten Ausnahmen nach Original-
präparaten angefertigt.
22*
340 H. Schauinsland,
ihren Derivaten, andererseits von dem direkt aus den Ursegmenten
abstammenden Mesenchym. Aus dem Ueberwiegen des einen,
dem Zurücktreten des anderen dieser beiden Baustoffe, aus ihrem
Verhalten und dem Grad ihrer gegenseitigen Beeinflussung während
der verschiedenen Stadien der Entwickelung, in Verbindung mit dem
Auftreten von Knorpel und Knochen und dem sich zwischen
diesen gleichsam entspinnenden Konkurrenzkämpfe lassen sich all
die Variationen der Wirbelsäule in der langen Kette der Vertebraten
erklären.
Eine vergleichende Betrachtungsweise zeigt dabei aufs deutlichste,
daß, je höher das Tier steht, in desto frühere Embryoualstadien
Entwickelungszustände der Wirbelsäule verlegt werden, die bei niederen
Formen während des ganzen Lebens dauernd bestehen. So stellen
die „häutigen" und knorpeligen Zustände der Wirbelsäule, der Ent-
wickelungsgrad der Chordascheide etc., die bei niederen Vertebraten
bleibend sind, nur vorübergehende Phasen in der Ontogenese
der höheren Formen dar und sind damit wohl geeignet, manchen
brauchbaren Rückschluß auf den Gang der Phylogenese zu machen.
Wie nun die Vorgänge im einzelnen sich abspielen, möge das
folgende zeigen.
Acraiiier.
Wichtigste Litteratur: Jon. Müller 1844; Kowalbwsky 1867: W. Müller
1871; Stieda 1873; Mihalkovicz 1875; Rolpf 1876; A. Schneider 1879; B.
Hatschek 1882, 1888; Lwofp 1887, 1891, 1893; Ray Lankester 1889; Julia
Platt 1892; H. Klaatsch 1892, 1895; Claus 1894; Josepf 1895; v. Ebner 1895.
Neben manchen anderen wichtigen Merkmalen ist vornehmlich
der Besitz eines Achsenskelettes maßgebend dafür gewesen, daß
Amphioxus den Vertebraten zugezählt wird.
Die ersten Anfänge zu einem solchen finden sich allerdings schon
in niederen Formen, und es kann kaum zweifelhaft sein, daß es bereits
als alte Erbschaft von diesen auf die Vorfahren der Wirbeltiere kam.
Bei den Larven einiger Tunicaten — den A sei dien — und bei
den Appendicularien sogar zeitlebens kommt nämlich ein axiales
Stützorgan vor. Allerdings ist es zum größten Teil auf den zur
Lokomotion dienenden Schwanzauhang beschränkt, dringt eine kurze
Strecke weit aber doch in den Rumpf hinein und liegt hier zwischen
Medullarrohr bezw. einer Reihe gangliöser Knötchen und dem Darm,
dorsal von letzterem, ventral von ersteren. also ganz ähnlich wie
bei den Vertebraten (Fig. 166a und b). Jenes Organ wird als Wirbel-
sa i t e oder Chorda dorsalis bezeichnet.
Seine erste Anlage besteht in einem platten förmigen Zellstreifen
(Fig. 166 c, d), der ursprünglich die Decke des Entodermsackes bildet.
Durch Einfaltung und allmähliche Abschnürung entwickelt sich aus
der Chordaplatte ein Chordastrang mit rundlichem Querschnitt.
Während in ihm die Zellen anfangs in doppelter Reihe nebenein-
ander liegen, verschieben sie sich bald darauf derart, daß sie in ein-
facher hintereinander sich befinden. Innerhalb einer solchen Zellen-
säule treten Vakuolen auf (Kow^alewsky glaubt, daß sie zwischen
je zwei Zellen entstehen, während Klaatsch 1895 ihr erstes Erscheinen
ins Innere derselben verlegt), welche die Zellen fast völlig verdrängen.
Infolge davon wird aus der zelligen Chorda eine mit Gallerte ange-
füllte Röhre, an deren Peripherie die Reste der verdrängten Zellen
epithelartig gelagert sind (Fig. 166 a).
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 341
Nach Klaatsch (1895) soll sogar rings um die Wirbelsäule eine
zarte Cuticularbildung auftreten, die als eine primitive Chordascheide
anzusehen wäre.
Weitergehende Aehnlichkeiten mit der Organisation der Verte-
braten, wie vornehmlich der metamere Charakter der sich um die
Fig. 166 a — d. Vier Abbildungen zur Ascidienentwickelung nach Kuppfer und
KowALEWSKi (Fig. 166a, b, c) und Van Benedbn- und Julin (Fig. 166d). Kopien
aus R. Hertwig's Lehrbuch, 1903, und Korschelt und Heider's Lehrbuch, 1890.
Fig. 166 a stellt eine eben ausgeschlüpfte Larve von Phallusia mentula dar, Fig. 166 b
einen Querschnitt durch den Schwanz einer etwas jüngeren Larve von Phallusia
mammillata, Fig. 166 c ein erheblich früheres Entwickelungsstadium derselben Species
und Fig. 166 d einen Querschnitt durch einen Embryo von Clavellina, ch Chorda
oder Chordaanlage, cl Celluloseraantel. n Neuralrohr oder Neuralplatte. h An-
schwellung derselben, ne Canalis neurentericus. mw MeduUarwülste. cl Darm.
* Mundeinstülpung, j^ Haftpapillen. ek Ektoderm. en Entoderm. ms Mesoderm-
divertikel.
Chorda der Appendicularien her umlegenden Muskulatur (Gegenbaur)
wurden von anderer Seite (0. Seeliger 1900) in Abrede gestellt,
da in den einzelnen Abschnitten der Schwanzmuskulatur der Appen-
dicularien keine echten, den Ursegmenten der Vertebraten vergleich-
baren Myomere erblickt werden könnten.
Eine in mancher Hinsicht anders geartete, vornehmlich aber
weitergehende Ausbildung erfährt die Chorda des Amphioxus. Vor
allem ist sie nicht nur auf den Schwanz beschränkt, sondern durchzieht
den Korper in seiner gesamten Ausdehnung selbst bis zu seinem
äußersten vorderen Ende. Welches die Ursachen dieser Weiter-
bildung waren, und wie sie phylogenetisch erfolgt ist, darüber bleiben
wir im Ungewissen, Ist uns ja überhaupt das Problem der ersten
Entstehung der Chorda bis jetzt fast noch ein ungelöstes. Denn
wenn wir auch annehmen wollen, daß sie zuerst wohl in einem zur
L 0 k 0 m o t i 0 n dienenden Organ aufgetreten ist, und daß es m e c h a -
nische Ursachen waren, unter deren Zwange sich Zellen, denen
vorher eine andere Aufgabe zufiel, aus ihrem alten Verbände
lösten, um ein Stützgebilde zu schaffen, so ist damit für unsere Er-
kenntnis doch nicht viel gewonnen. Gegenbaur (Lehrbuch, 1896)
glaubt daher, daß der Chorda früher ein bereits fertiges Organ voran-
gegangen sei, das eine stützende Funktion noch nicht besaß, sondern
sie erst allmählich erhielt. Als ein solches Organ würde jenes Diver-
tikel anzusehen sein, welches sich an der Dorsalseite des Darmes bei
manchen Invertebraten, z, B. auch bei Balanogiossus, vorfindet. Aus
342
H. Schauinsland,
ähnlichen Gebilde müsse die
ihm, oder wenigstens aus einem ihm
Chorda phyletisch abgeleitet werden.
Ontogenetisch erscheint ihre Anlage, wenigstens in späteren
Stadien, oft im Zusammenhang mit der oberen Darmwand. Da es
aber unverständlich bleibt, wie ein solches Stützorgan aus einer Darm-
wandanlage hervorgehen kann (Gegenbaur), so ist es wahrscheinlich,
daß erst sekundär dem Entoderm die Leistung der Chordaanlage über-
tragen worden ist. Damit stimmt es überein, daß, wo bei niederen
Formen (z. B. bei Rhabdopleura) die ersten Anfänge eines der Chorda
an die Seite zu stellenden Stützgebildes sich erkennen lassen, diese
nicht aus der Darmwand, sondern an der Eingangsstelle des Darmes,
dort, wo ektodermale und entodermale Körperschichten aneinander
grenzen, entstehen. Ebenso stammt auch bei den Vertebraten das
erste zur Chordabildung verwendete Material aus einer ähnlichen
indifferenten Lokalität der Embryonalanlage (und ist bei einer ganzen
Reihe der höheren Formen mit Bestimmtheit dem Mesoderm zuzu-
zählen, H. ScH.)
Um wieder zu Amphioxus zurückzukehren, so weiß man seit
den Untersuchungen Kowalewsky's (1867) und Hatschek's (1881),
daß die Chorda dorsalis aus einer Einfaltung des medianen,
ak —
mp-
mk'
Ih
ik
dh
ak
n
US
7nk^
mk^
Fig. 167 a— c. Drei Querschnitte von Am-
phioxusembryonen nach Hatschek aus O.
Hertwig's Lehrbuch, und zwar Fig. 167 a
von einem Embryo mit 5, Fig. 167 b mit 6
und Fig. 167 c mit 11 Ursegmenten. ch Chor-
daanlage und Chorda, ak äußeres Keimblatt.
dh Darmhöhle, ik inneres Keimblatt, mk Ur-
segmen tan läge, mk^ parietales, mk^ viscerales
Blatt des mittleren Keimblattes. Ih Leibes-
höhle, mp MeduUarplatte. n Neuralrohr. us
Ursegment.
zwischen den beiden Mesodermfalten gelegenen Teiles der dorsalen
Entodermsackwand entsteht. Der unter der MeduUarplatte gelegene
Teil derselben krümmt sich nämlich zuerst etwas, faltet sich dann
ein und wird endlich nach Verlust des spaltförmigen Lumens dieser
Falte zu einem Strange, der anfangs noch an der dorsalen Be-
grenzung des Darmrohres teilnimmt, schließlich aber selbständig wird
(Fig. 167 a-c).
Die Entwickelung der Chorda beginnt in der Region, in der die
ersten Ursegmente gebildet werden, und schreitet von hier sowohl
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 343
nach hinten als auch nach vorne allmählich weiter. Ihr vorderster
Abschnitt erstreckt sich dabei über das erste Ursegment hinaus und
entsteht ebenfalls durch Eiufaltung jenes rostralen Urdarraabschnittes,
von dem keine Ursegmente mehr abgeschnürt werden, Sie reicht
endlich bis an die vorderste Spitze des Körpers, ein Merk-
mal, durch welches Amphioxus sich sowohl von den Tunicaten als
namentlich auch von allen Wirbeltieren unterscheidet (Fig. 168).
ds ds
mr dl ]c fl
d SD
m
Fig. 168. Vorderende einer Amphioxuslarve, an welcher der Mund (m) und die
erste Kiemenspalte (ks) entstanden ist, nach Hatschek aus Kokschelt und Heider.
ch Chorda, d Darm, mr MeduUarrohr. np Neuroporus. ds Grenzen der Ursegmente
(Myosepten). ds^ dieselben von der anderen Körperseite durchscheinend, fl Flimmer-
streifen, k Drüse, w Wimperorgan.
Es sei übrigens hier mit Bezug auf die vorher erwähnte Möglich-
keit, daß dem Entoderm erst sekundär die Aufgabe der Chordabildung
zugefallen sei, noch die Behauptung Lwoff's mitgeteilt, daß auch bei
Amphioxus die erste Sonderuug des in die Chorda übergehenden
Gewebes an einer Stelle beginnt, an der noch keine Diiferenzierung
von Ektoderm und Entoderm stattgefunden hat.
Sobald sich die Chorda als rundlicher Strang von der Darmwand
emanzipiert hat, zeigt sie sich an Querschnitten aus vier bis fünf Zellen
zusammengesetzt, die sich — ähnlich wie bei der Ascidienchorda —
keilförmig zwischen einander schieben und (nach Hatschek und
Klaatsch) dabei so gelagert sind, daß man eine dorsale und ventrale
einzellige und eine mittlere mehrzellige Lage unterscheiden kann.
Indem dann die Elemente der mittleren Reihe sich derart anordnen,
daß aus ihnen eine einfache Zellensäule sich ergiebt, deren einzelne
Komponenten scheibenförmige Gestalt annehmen und in trans-
versaler Richtung von einer seitlichen Oberfläche der Chorda bis zur
anderen reichen, wird damit, wie es scheint, der Grund gelegt zu dem
charakteristischen Aussehen der Amphioxuschorda im erwachsenen
Zustande (Chordaplatten, Klaatsch).
Die vorliegenden Untersuchungen genügen übrigens bei weitem
nicht, um uns verständlich zu machen, wie aus den frühen Stadien
der Chorda, die wir bis jetzt kennen gelernt haben, jene eigentümlichen
histologischen Diß'erenzierungen der Chorda des erwachsenen
Amphioxus sich herausbilden. Diese weicht nämlich nicht nur von
der jugendlichen Form ganz außerordentlich ab, sondern unterscheidet
sich auch beträchtlich von der Chorda aller Cranioten. Bei der Be-
trachtung derselben folgen wir hauptsächlich den Arbeiten von Josepf
(1895) und v. Ebner (1895).
Während sonst das Chordagewebe der Vertebraten aus dicht-
gedrängten polygonalen Zellen oder zellenähnlichen Gebilden sich zu-
344
H. Schauinsland,
-Ids
sanim eil gesetzt
sierten Licht
zeigen
sammensetzt und in dieser Hinsicht dem Pflanzenparenchyme ähnlich
ist, besitzt es beim ausgebikieten Amphioxus nicht dieses Ansehen.
Hier wird der Chordastrang nämlich, wie es bereits von Joh.
Müller (1844) und Goodsir (1844) erkannt wurde, in der Haupt-
sache aus dicht hintereinander liegenden faserigen Plättchen , den
Chor da platten (Fig. 169 a und b chp), aufgebaut, die im ganzen
eine elliptische Form besitzen und an ihrem dorsalen und ventralen
Rande einen kleinen Ausschnitt
* (Fig. 169 dr und vr) aufweisen.
Jede besteht aus quer verlaufen-
den Fibrillen, die ihrerseits wieder
aus alternierend ditferenten Glie-
dern ähnlich wie die Fibrillen
von quergestreiften Muskeln zu-
sind. Im polari-
diese (jlieder
Verhalten
und ebenso Farbstoffen gegen-
über, so daß die Platten an ge-
färbten Präparaten ein sehr cha-
rakteristisches und zierliches
Aussehen erhalten.
Neben jenen Faserplatten
kommen auch noch homogene
außerordentlich dünne Platten
vor (Leydig, V. Ebner).
LwoFF (1891) behauptete, daß
die von der Mehrzahl der voran-
gegangenen Autoren beschriebe-
nen Platten nur Kunstprodukte
seien, und daß in Wirklichkeit
die Amphioxuschorda nicht
anders gebaut wäre, als bei den
ein verschiedenartiges
\:
m\
Fig. 169 a und b. Querschnitt durch den vorderen Rurapfteil eines 3 mm langen
Amphioxus bei 108-maliger Vergrößerung (Fig. 169a) und Frontalschnitt durch den
dorsalen Teil der Chorda eines etwa 44 mm langen Tieres bei 256-facher Vergrößerung.
Nach v. Ebner 1895. clq) Chordaplatten, chk Chordakörperchen bezw. ihre Kerne.
dr dorsaler Chordaraum, darüber das MÜLLER'sche Gewebe und die dorsalen Längs-
fasern, vr ventraler Chordaraum, darunter das MÜLLEn'sche Gewebe, c Elastica
(interna), chfs sogenannte „Chordafaserscheide", wahrscheinlich nur der der Chorda
anliegende Teil des skeletoblastischen oder corticalen Bindegewebes fxcb). ge mediale
Epithellamelle des Sklerotoms (Grenzepithel), ob obere, üb untere Bogenbildungen
des corticalen Bindegewebes, r Rückenmark, dsp dorsaler, vsp ventraler Spinalnerv.
Ids Ligamentum longitudinale dorsale. •<
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 345
Cranioten (womit Klaatsch übereinstimmt), da jede der vermeint-
lichen Plättchen in Wirklichkeit sich aus den Membranen mehrerer
stark abgeplatteter Zellen zusammensetze. Durch Josepf und
V. Ebner wurde es aber zur Genüge dargethan, daß Lwoff sich
auf Trugbilder stützte, und daß thatsächlich die Platten überall ohne
Unterbrechung einheitlich von einer Seite der Chorda bis zur ent-
gegengesetzten ziehen.
Der periphere Rand der Platten ist mit Ausnahme der erwähnten
dorsalen und ventralen Ausschnitte innig mit dem inneren Teile der
als Hülle der gesamten Chorda dienenden Chordascheide, der soge-
nannten Elastica interna, auf die wir noch später zurückzu-
kommen haben, verwachsen, ja er geht in diese direkt über, so daß
eine Isolation der einzelnen Platten oft gänzlich unmöglich ist
(Fig. 169 b).
Von zelligen Elementen finden sich zunächst, bei erwachsenen
Tieren allerdings nur in geringer Anzahl, zwischen den Platten
die sogenannten Chordakörper che n (Josepf) [Fig. 169 b ch.k],
die als Reste von Zellen zu betrachten sind, deren Grenzen verloren
gingen infolge der Ausscheidung der Platten (Josepf). Außerdem
sind sie enthalten in den dorsalen und ventralen Chorda-
räumen, die einerseits durch die erwähnten Ausschnitte der Platten
an jenen Stellen, andererseits durch die elastische Scheide gebildet
werden (Fig. 169 a). Diese Räume sind erfüllt von dem MÜLLER'schen
Gewebe (W. Müller 1871), das nach v. Ebner als ein von Kernen
durchsetztes Plasmanetz ohne Zellabgrenzungen aufzufassen ist. Jeden-
falls besteht es nicht, wie Lwoff meint, aus blasigen, ganz wie die
Chordazellen anderer Tiere beschaffenen Zellen und zeigt demnach
einen wesentlichen Unterschied gegenüber dem typischen Chorda-
gewebe der Wirbeltiere (v. Ebner). Jenes kernhaltige Plasmanetz
setzt sich auch etwas über die Grenzen der Chordaräume hin fort
und findet sich ventral resp. dorsal von diesen zwischen den Chorda-
platten, und zwar immer nur nahe an dem Ansatzpunkte derselben
an die elastische Scheide (Fig. 169 a und b).
Von Wichtigkeit ist es, daß in den Chordaräumen außerdem noch
ein System von Längs fasern vorkommt, die schwächer in dem
ventralen, stärker im dorsalen entwickelt sind (und hier von Josepf
als Ligamentum longitudinale internum bezeichnet werden). Sie liegen
unmittelbar unterhalb der elastischen Scheide zwischen dieser und
den Zellen bezw. den Kernen des WEBER'schen Gewebes.
Schon aus dem bis jetzt geschilderten Bau der ausgebildeten
Amphioxuschorda ersieht man, daß er von jenem der anderen Wirbel-
tiere verschieden ist und ihm nicht ohne weiteres gleichgesetzt werden
kann. Andererseits darf aber nicht so weit gegangen werden, jede
Homologie in Abrede zu stellen. Die erste Anlage der Chorda erfolgt
jedenfalls im wesentlichen ebenso wie bei anderen niederen Wirbel-
tieren. Wie bei diesen findet auch (nach. Hatschek) sehr frühzeitig
eine Vakuolisierung der Chordazellen statt; von da an verläuft aber
sofort die weitere Entwickelung dififerent, denn schon bei 1,1 mm
langen Tieren hat sie zur Bildung der charakteristischen Chordaplatten
geführt. Weitere Untersuchungen werden die Vorgänge aufzuklären
haben, die zwischen dem Auftreten der ersten Vakuole und dem Ent-
stehen der ersten Chordaplatte liegen.
Nicht mindere Schwierigkeiten als die Vergleichung des eigent-
346 H. Schauinsland,
liehen Chordagewebes des Amphioxus mit jenem anderer Wirbeltiere
bereitet die dasselbe umgebende Hülle, die Chordascheide. Sie
erscheint nicht einheitlich, denn man findet beim erwachsenen Tier
am meisten nach innen gelegen zunächst eine ziemlich dünne
elastische Scheide, die von Schneider (1879) entdeckt und
Elastica interna genannt wurde (Fig. 169a und b e). Nach
außen von ihr folgt eine ebenfalls zellenlose Hülle, die zwar bis zu
gewissem Grade selbständig erscheint, dennoch aber mit dem ihr be-
nachbarten skelettbildenden Bindegewebe innig zusammenhängt.
Sie wurde von Jon. Müller und anderen, die die Elastica interna
Schneider's noch nicht kannten, einfach Chordascheide, oder
im Gegensatz zu dem sie umgebenden mesodermalen Bindegewebe
innere Chordascheide genannt, von anderen Autoren wiederum als
äußere Chordascheide — gegenüber der Elastica — oder endlich
auch als Faserscheide bezeichnet. Sie besteht aus cirkulär ver-
laufenden, wahrscheinlich leimgebenden Bindegewebsfibrillen, die nicht
die komplizierten Faseranordnungen aufweisen, wie in der Faserscheide
der Cyclostomen und der Knorpelganoiden.
lieber die Homologie dieser Scheide mit denen anderer Chordaten
(man vergleiche die später bei den Cranioten, namentlich den Holo-
cephalen über die Chorclascheiden gemachten Angaben) sind bisher recht
verschiedene Meinungen geäußert worden.
Nach einigen (Lw^off u. A.) sollen sie chordalen Ursprunges
und homolog der Faserscheide der Cyclostomen sein.
Eine Abstammung von der Chorda nehmen C. Claus (1894) und
Klaatsch (1895) ebenfalls an, setzen sie aber gleich der Elastica
externa der Cranioten. Wie vor ihm es bereits Lankester (1889)
gesehen hatte, fand auch Klaatsch (1895) (im Gegensatz zu Hatschek,
der dies nicht beobachten konnte), daß die Chorda des Amphioxus
bereits eine (primäre) der Tunicaten-Chordascheide vergleichbare
Scheide besitze, ehe dieselbe von dem skelettbildenden Gewebe um-
wachsen sei, und glaubt, daß sie es sei, welche später enorm an
Dicke zunehme und bei dem erwachsenen Tier die gesamte Chorda-
scheide darstelle. Amphioxus hätte nach ihm also nur eine primäre
elastische Scheide, eine Faserscheide existiere nicht. — Er übersieht
dabei aber offenbar die Elastica interna Schneider's; und doch ist
es sehr wahrscheinlich diese allein, welcher seine in so frühzeitigen
Stadien beobachtete Scheide gleichzusetzen ist. Auf jeden Fall dürfte
es nicht gerechtfertigt sein, die Elastica interna (Schneider) und
die Faserscheide der Autoren der Elastica externa der übrigen Verte-
braten zu homologisieren.
Für einen mesodermalen Ursprung der „Faserscheide" hat
sich besonders Schneider ausgesprochen, und auch Lankester leitet
sie nicht von der Chorda, sondern von dem sie umgebenden Binde-
gewebe ab. Derselben Ansicht ist auch Mihalkovicz (1875) und
namentlich Josepf.
Hieran knüpft die Anschauung an, der wir (H. Sch.), da sie nach
unseren heutigen Kenntnissen die wahrscheinlichste ist, folgen wollen,
und die schon durch v. Ebner (1895) angedeutet wurde. Danach
ist die einzige von der Chorda selbst abgeschiedene Scheide die
elastische Scheide, welche von Schneider zwar Elastica interna
genannt wurde, in Wirklichkeit aber der Elastica externa der
Cranioten entspricht. Die nach außen von ihr liegenden Schichten
Die Entwickelung der Wirbelsäule uebst Rippen und Brustbein. 347
der Chordascheide, also auch die „Faserscheide", gehören dem vom
Sklerotoin abstammenden Bindegewebe an (genauere entwickelungs-
geschichtliche Untersuchungen hätten dafür allerdings noch den strikten
Beweis zu erbringen) und sind somit auch dem skeletogenen oder
skeletoblastischen Bindegewebe der Cranioten zu vergleichen. Eine
der „Faserscheide" der anderen Wirbeltiere entsprechende Scheide
fehlt Aniphioxus und muß ihm naturgemäß fehlen, da ein Chorda-
epithel, welches sonst dieser Scheide als Matrix dient, nicht vorhanden
ist. Im übrigen dürfte eine Faserscheide auch nur an der Innen-
seite der elastischen Scheide gesucht werden, und in Bezug darauf
könnte vielleicht in den oben erwähnten der Elastica innen anliegen-
den schwachen Faserzügen, welche sich in dem dorsalen und ventralen
Chordaraum befinden, ein Vorläufer von ihr gesehen werden, in
welchem Fall die Zellen des „MÜLLER'schen Gewebes" als dem Chorda-
epithel entsprechend aufzufassen wären.
Um mit der Chordascheide des Aniphioxus abzuschließen, ist noch
auf eigentümliche kleine Blindsäcke der elastischen Scheide hinzu-
weisen, die sich rechts und links der Mittellinie an der Dorsalseite
der Chorda befinden. Sie erstrecken sich nach außen gegen das
Rückenmark hin in die sogenannte „Faserscheide" hinein, so daß
diese, von der Fläche betrachtet, wie von elliptischen Löchern durch-
setzt zu sein scheint, die von W. Müller (1871) zum erstenmal ge-
sehen wurden. Erfüllt sind jene blindsackförmigen Ausstülpungen
der Elastica von eigentümlichen Fasern, die von dieser entspringen
und sich andererseits den Fasern der Chordaplatte so innig anlegen,
daß sie nicht mehr weiter verfolgt werden können. Die Annahme
Rolph's (1876), Lwoff's und namentlich Julia B. Platt's (1892),
daß durch die (scheinbaren) Löcher der Chordascheide Fasern aus dem
Rückenmark in analoger Weise wie an den Austrittsstellen der ventralen
Spinalnerven in die Chorda eintreten, sind nach Josepf und v. Ebner
völlig zurückzuweisen. —
Rings um die Chorda herum liegt das perichordale Binde-
gewebe. Seine Entwickelung vollzieht sich auf folgende Weise: Zu
beiden Seiten des Medullarrohres liegen die Ursegmente im Gegen-
satz zu der ventral von ihnen befindlichen, ungeteilten Mesoderni-
masse der Seiten platten segmental, wenn auch in Abweichung von
den Cranioten noch nicht symmetrisch angeordnet und durch metamer
sich folgende quere Septen — die späteren Myosepten — von-
einander getrennt. Die Ursegmente besitzen eine Höhle, die Ur-
segmenthöhle, und an der diese umschließenden Wand kann man
je ein parietales, dem Ektoderm anliegendes Blatt, das Cutisblatt,
unterscheiden und ein mediales, das Muskelblatt (Hatschek)
(Fig. 170 a und b). Letzteres setzt sich nach der Ventralseite in ein
plattes Epithel fort — das Skierotom (Fig. 170a). In späteren
Stadien wächst dieses Skierotom in Gestalt einer dünnen, einschichtigen
Epithel falte zwischen Chorda dorsalis und Nervenrohr einerseits
und Muskelplatte andererseits empor und trennt diese Organe von-
einander, ebenso umgiebt es auch ventralwärts Aorta und Darmrohr.
Von den beiden Blättern der Sklerotomfalte legt sich das mediale
der Chorda und dem Medullarrohr an und wird als skeletogenes
Blatt bezeichnet, während das andere, das Fascienblatt, sich
der Innenseite des Muskelblattes anfügt (Fig. 170 b). Zwischen jenen
beiden Blättern befindet sich die Skier o tomhöhle, die nach ihrer
348
H. Schauinsland,
Entstellung als Divertikel der Ursegnienthöhle aufzufassen ist. Diese
Entstehung des Skierotoms als Epithelfalte und auch seine weitere
Entwickelung weicht übrigens nicht unbeträchtlich von den Entwicke-
lungsvorgängen bei den Cranioten ab. Man vergleiche damit die
späteren Angaben bei den Holocephalen, Squaliden etc. Zwischen dem
Fig. 170 a und b. Schematische Abbildungen eines Querschnittes aus der Körper-
mitte einer Amphioxuslarve mit 5 Kiemenspalten (Fig. 170 a) und eines ebensolchen
Schnittes aus der Körperregion zwischen Atemporus und After eines jungen Am-
phioxus unmittelbar nach der Verwandlung (nach Hatschek aus Korschelt und
Heider), i Cutisblatt. i* Muskelblatt des Ursegments. 5 in Fig. 170 a die beginnende
Falte des Skierotoms, in Fig. 170b das laterale oder Fascienblatt des Sklerotoras.
4 in Fig. 170a Grenzzelle des Ursegments, in Fig. 170b das skelettogene Blatt des
Skierotoms. 5 in Fig. 170 a Somatopleura, in Fig. 170 b gastrale Fortsetzung des
skeletogenen Blattes. 6 in Fig. 170a Splanchnopleura, in Fig. 170b Somatopleura.
7 in Fig. 170b Splanchnopleura. / Ursegmenthöhle in Fig. 170b auch die zwischen
dem skeletogenen und Fascienblatt gelegene Sklerotomhöhle bezeichnend, da sie in
der That nur ein neu entstandener Abschnitt der ursprünglichen Ursegmentshöhle
ist. J, dorsale, /„ ventrale Flossenhöhle. // Splanchnocöl.
skeletogenen Blatt des Skierotoms und der Chorda wird ein dünnes,
gallertiges Bindegewebe gebildet, das von Fasern durchzogen ist, und
in welches spärliche Zellen von diesem Blatt aus — das es lateralwärts
als sogenanntes „GrenzepitheP' (Fig. 169 a und b) umgiebt — hin
und wieder eindringen. Dieses Gewebe ist vergleichbar dem skeleto-
genen oder skele tob las tischen Bindegewebe der Cranioten; da
hier aber noch kein wirkliches Skelett zur Ausbildung kommt, nennt
es JosEPF (1895) corticales Bindegewebe. Wir zählten ihm bereits
bei der Schilderung der Chordascheiden die „Faserscheide" zu und
müssen es auch hier wieder als sehr wahrscheinlich bezeichnen, daß
sie in der That nur die innere festere, völlig zellenlose Schicht des-
selben ist.
Das corticale Bindegewebe setzt sich aber auch dorsal von der
Chorda fort und umgiebt das Neuralrohr mit einem nur von den Aus-
trittsstellen der spinalen Nerven durchbrochenen, sonst jedoch gänzlich
geschlossenen Gewölbe (Fig. 1(39 a). Wir haben in ihm eine Bogen-
bildung vor uns, die zwar noch völlig membranös ist, aber
dennoch als Vorläuferin der als obere Bögen der Cranioten- Wirbel-
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 349
Säule bezeichneten Skelettstücke angesehen werden muß. Die Bögen
sitzen mit verbreiterter Basis der Chorda auf, wobei es erwähnenswert
ist, daß auch die „Faserscheide" der Chorda eine Menge Fasern in
sie hineinsendet [und damit ebenfalls ihren genetischen Zusammen-
hang mit dem corticalen Bindegewebe anzeigt.
In ganz ähnlicher Weise gehen auch ventralwärts häutige Lamellen
ab, die als untere Bögen bezeichnet werden (Fig. 169a).
Oberhalb des Rückenmarkes wird von den sich dort vereinigenden
häutigen oberen Bögen der rechten und linken Seite noch ein be-
sonderer Raum (Dachraum, Goette) gebildet, ausgefüllt mit einer
mächtigen Lage Bindegewebes. Klaatsch setzt dasselbe, obgleich
es nur geringe und auch nicht longitudinal verlaufende Fasern enthält,
dem Ligamentum longitudinale superius (Klaatsch) der Fischwirbel-
säule gleich, mit dem es dieselbe Lage teilt.
Außerdem kommen als weitere Differenzierungen des corticalen
Bindegewebes noch zwei longitudinale platte Stränge vor, das Lig.
longitudinale dorsale inferius (Klaatsch), unmittelbar unterhalb des
Rückenmarkes der Chorda und ihrer „Faserscheide" aufliegend —
und das Lig. longitudinale ventrale (Klaatsch), an der ventralen
Seite der Chorda und ihrer bindegewebigen Scheide verlaufend, die
bei anderen niederen Wirbeltieren ebenfalls gefunden werden.
Eine Gliederung des ganzen Achsenskelettes wird, abgesehen
von dem Austritt der Spinalnerven, namentlich dadurch verursacht,
daß die My osepten, d. h. die bindegewebigen Scheidewände zwischen
den aus den Ursegmenten stammenden Muskeln, den Myomeren,
in metamerer Reihenfolge seitlich an das obere und untere Bogen-
system herantreten und sich mit ihnen vereinigen. Durch sie wird
nicht nur eine Verstärkung der stützenden Funktionen der membra-
nösen Wirbelsäule hervorgerufen, sondern vor allem auch die höchst
notwendige Wechselbeziehung zwischen der Chorda und der peripher
davon liegenden Muskulatur ermöglicht; jedes Myoseptum dient zur
Befestigung sowie gleichzeitig auch als Insertionsstelle der einzelnen
Muskelabschnitte und leitet somit deren Wirkung auf das axiale
Skelett über.
Das alles ist auch von Bedeutung, für das Verständnis der Wirbel-
säule der Cranioten, deren Bau darin denselben Prinzipien folgt, wenn-
gleich der häutige Zustand des Achsenskelettes, der bei Amphioxus
dauernd ist, bei den meisten von ihnen nur eine zwar längere oder
kürzere Zeit währende, jedoch vorübergehende Entwickelungsphase
darstellt.
Cyclostomen.
Wichtigste Litteratur: J. Müller 1834; C. Gegenbaüe. 1867 und 1870;
W. MÜLLER 1871; Goette 1878; A. Schneider 1879; W. B. Scott 1882; Lwofp
1887; Klaatsch 1893; Hasse 1894; Retzius 1895; v. ESiSrER 1895 und 1897;
Gadow und Abbott 1896.
Unter allen Vertebraten sind es die Cyclostomen, bei denen das
„häutige" Achsenskelett nicht nur die höchste Ausbildung erfährt,
sondern seine Bedeutung auch während des ganzen Lebens behält.
Treten zwar bei den Petromyzonten bereits auch kleine knorpelige
Skelettstücke auf, so bleibt deren Einfluß doch noch ein recht unter-
geordneter.
Namentlich ist es die Chorda mit ihren Scheiden, welche
350
H. Schauinsland,
dauernd eine dominierende Stellung einnimmt und sie auch selbst
in den spätesten Stadien nicht zu Gunsten anderer außerhalb von ihr
entstandenen Skeletteleraente verliert.
In frühester Zeit wird sie aus soliden Zellen zusammengesetzt,
deren Protoplasma noch dicht mit Dotterpartikelchen erfüllt ist, welche
die Zellgrenzen undeutlich machen. Auf Schnitten läßt es sich er-
sehen, daß die Zahl der sie im Querschnitt zusammensetzenden Zellen
jedenfalls eine recht geringe ist, ja daß sie sehr wahrscheinlich sogar
scheibenförmig in einfacher Reihe hintereinander gelagert sind (Fig. 171a).
— --es
ep
Fig. 171a und b. Zwei sagittale Längsschnitte durch die Chorda eines sehr
jungen (Fig. 171a) und eines etwas älteren (Fig. 171b) Ammocoetes bei 990-maiiger
Vergrößerung, nach A. Albrecht, es elastische Scheide, v die innerhalb der Chorda-
zellen auftretenden Vakuolen, ep (Fig. 171 b) die in Bildung begriffene protoj)lasma-
tische Rindenschicht (Chordaepithel).
und b), die rasch an Zahl
der Chorda mit Ausnahme
Der Vorgang der Vakuo-
dem
was man
Sehr bald treten Vakuolen auf (Fig. 171 a
zunehmen und dann das gesamte Lumen
ihrer äußersten peripheren Schicht erfüllen
lisierung selbst dürfte nicht verschieden sein von
auch bei anderen Fischen darüber beobachtet hat (man möge das bei
den Holocephalen, Teleostiern etc. darüber Mitgeteilte vergleichen).
Die Wand der einzelnen „Chordazellen" oder, richtiger gesagt, der
Vakuolen ist nicht als eine Zellmembran, sondern als eine dünne
Schicht stark verdichteten Protoplasmas aufzufassen (Studnicka 1900).
Als Endresultat haben wir ein Chordagewebe vor uns, das aus
überaus zahlreichen großen, blasigen, mit Flüssigkeit erfüllten Ge-
bilden besteht und als Chordagallerte bezeichnet wird. Es ist,
abgesehen von geringen Unterschieden, charakteristisch für sämtliche
Crauioten, weicht aber in seinem Aufbau Iieträchtlich ab von der
vakuolisierten Chorda des Amphioxus mit ihren typischen transversalen
Platten.
Klaatsch (1893) glaubt allerdings, daß die Vakuolenwände ganz
junger ((3 mm langer) Ammocöten eine auffallende Aehnlichkeit mit
den Chordaplatten des Amphioxus aufweisen; v. Ebner (1895) betont
demgegenüber aber, daß bereits von vornherein die Cyclostomenchorda
nicht aus transversal durchgehenden Vakuolen, sondern aus solchen
besteht, die rings um die Achse der Chorda in radialer Anordnung
symmetrisch gruppiert sind (Fig. 172).
An ihrer Peripherie wird die Chordagallerte von einer kernreichen,
nicht vakuolisierten Protoplasmamasse (protoplasmatische Rin-
denschicht Goette's) umgeben (Fig. 171b), in der sich später
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 351
richtige, cylinderförmige Zellen nach den Untersuchungen Leydig's
und Gegenbaur's nachweisen lassen, und die daher seit Gegen-
BAUR (1867) gewöhnlich Chordaepithel genannt wird, obgleich sie
wohl besser als epi t hello morp he Schicht (Grassi) zu be-
zeichnen wäre.
In der Mitte der Chorda entwickelt sich bei älteren Larven —
bei jüngeren findet er sich noch nicht — der sogenannte Chorda-
(in Fig. 172a eben erst angedeutet). Auch er wird aus
Strang
oh -
■ob
SV
-—vu'(m)rd
—vw(m)rv
V
\^
Fig. 172 a u. b. Zwei Querschnitte durch
die vordere Schwanzgegend (Fig. 172 a) und
durch die Kiemengegend von Petromyzon
Planeri nach Goette. ch Chorda, chs Chor-
dastrang, es elastische, fs Faserschicht der
Chordascheide. oh(m) obere, «6 (m) untere (mem-
branöse) Bögen, ob obere knorpelige Bögen.
r Rückeumark. dr Dachraum. viv('m)rd Ramus
dorsalis des motorischen Spinalnerven, vwfmjrv
Ramus ventralis des motorischen Spinalnerven.
sn Seitennerv, a die im Kaudalkanal liegende
Arterie, v Vene. / Flossenknorpel.
Vakuolen gebildet, die jedoch kleiner sind und bedeutend dickere
Wände besitzen als die übrigen und außerdem nicht wie diese in
radialer, sondern in axialer Richtung verlängert sind.
Das ganze Chordagewebe wird rings herum umhüllt von der
Chordascheide. Bei älteren Tieren kann man an dieser mit
Leichtigkeit eine dünne äußere und eine dicke innere Lage unter-
scheiden (Fig. 172 a, b). Nach ihren histologischen Eigenschaften wird
in neuerer Zeit von einer Reihe Autoreu (v. Ebner u. A.), denen auch
wir uns anschließen wollen, die erstere derselben als elastische
Scheide, die innere als Faserscheide bezeichnet. Durch die
Arbeiten der letzten Jahre hat es sich übrigens herausgestellt, daß
eine derartige Zweiteilung für die Chordascheide wohl aller niede-
ren Wirbeltiere bis hinauf zu den Amnioten charakteristisch ist, ab-
gesehen von manchen dabei auftretenden Modifikationen, und daß es
auch trotz der ganz heillosen in der Auffassung und in der Nomen-
klatur der Scheiden herrschenden Verwirrung möglich ist, die homo-
352
H. Schauinsland,
logen Verhältnisse derselben bei den verschiedenen Vertretern durch-
zuführen, wie wir es im Verlauf dieser Abhandlung noch sehen werden.
Ueber die Ent Wickelung der Chordascheide hat zuerst
Hasse (1893) Untersuchungen angestellt und dabei die wichtige Be-
obachtung gemacht, daß sowohl die elasti sehe Scheide (Cuticula
chordae Hasse) als auch die Faser scheide Abkömmlinge
der Chorda selbst sind. Bei 5—8 mm langen Larven von
Petromyzon fluviatilis ist nur die erstere von ihnen vorhanden (Fig. 173 a),
es fs
scb
ep
7- ^P
ep
a b c d
Fig. 173 a, b, c, d. Stück eines Horizontalschnittes durch die Chordascheide
eines 8 mm langen Ammocoetes (Fig. 173 a), eines Querschnittes von einem 10 mm
langen (Fig. 173 b), eines Querschnittes von einem 19 mm langen (Fig. 173 c) und
eines Horizontalschnittes von einem 45 mm langen nach Hasse, es elastische Chorda-
scheide (Cuticula chordae Hasse), fs Faserschicht der Chordascheide, v Vakuolen
der Chordazellen, ep Eindenschicht der Chorda (Chordaepithel), scb skeleto-
blastisches, perichordales Bindegewebe.
während bereits bei 10 mm großen Tieren zwischen ihr und dem
Chordaepithel eine zweite Schicht, die F a s e r s c h e i d e, aufgetreten ist,
die sich durch ihre starke Tingierbarkeit scharf von der äußeren
elastischen mit ihrem charakteristischen Glanz abhebt (Fig. 173 b).
Im weiteren Verlauf der Entwickelung nimmt sie an Dicke zu, so daß
sie bei 19 mm großen Ammocöten schon ebenso mächtig ist wie die
elastische (Fig. 173 c), sie später darin aber um das Vielfache über-
trifft. Mit diesem Wachstum geht offenbar der Entwickelungszustand
der epitheliomorphen Rindenschicht Hand in Hand. Anfangs bei noch
gar nicht oder nur eben erst begonnener Vakuolisation der Chorda-
zellen ist sie überhaupt noch nicht ausgebildet. Die jetzt bereits
vorhandene elastische Scheide muß daher als Abscheidungsprodukt
der protoplasmatischen noch nicht vakuolisierten Chordazellen an-
gesehen werden ; dieses Stadium in der Entwickelung der Chorda der
Cyclostomen — und auch anderer Wirbeltiere — könnte als Amphioxus-
stadium (Klaatsch) bezeichnet werden. Bildet sich nun die Rinden-
schicht aus, so beginnt durch sie die Entstehung der Faserscheide
sich einzuleiten, deren Höhepunkt im Wachstum erreicht wird, sobald
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 353
das Zellenmaterial an der Peripherie des Chordagewebes so reich-
haltig ist und derart angeordnet erscheint, daß man mit gewissem
Recht von einem „Chordaepithel" sprechen kann.
Das sind etwa auch die Anschauungen von Klaatsch und
V. Ebner, die ebenfalls die Entwickelung der Chordascheiden bei den
Cyclostomen untersuchten und die Resultate Hasse's bestätigten, nament-
lich auch durch ihre Beobachtungen zeigen konnten, daß bei dem an-
fangs noch gänzlichen Fehlen perichorclaler Elemente, die als Matrix
der elastischen Scheide etwa in Betracht kommen könnten, diese Hülle
ohne Zweifel nur von der Chorda selbst geliefert werde.
Durch die eben genannten Autoren wurde auch endgültig ein
richtiger Vergleich der Cyclostomen-Chordascheide mit denen anderer
Wirbeltiere durchgeführt. Ein solcher war Hasse leider nicht ge-
lungen ; im Gegenteil sind seine Angaben über diesen Punkt geeignet,
Verwirrung hervorzurufen. Andererseits hatte bereits A. Schneider
(1879) sehr richtig erkannt, daß die Chordascheide von Petromyzon
sich ebenso verhält wie die der Ganoiden (Stör), der Teleostier (Hecht)
und des Frosches.
Klaatsch (1895) war es auch, der wegen der zeitlichen Auf-
einanderfolge in der Entwickelung der beiden Schichten der Chorda-
scheide die elastische die primäre, die fibrilläre oder Faserschicht
die sekundäre nannte und außerdem den berechtigten Vorschlag
machte, die erstere derselben nicht als Elastica externa, wie es
vor ihm stets üblich war, zu bezeichnen, sondern nur als Elastica, da
im Gegensatz zu ihr eine Elastica interna (v. Kölliker) entweder
überhaupt nicht vorkommt, oder nur eine nachträgHche Veränderung
der innersten Lage der fibrillären oder sekundären Scheide darstellt.
Eine ganze Reihe von Beobachtern hatte übrigens das Vor-
kommen von Kernen innerhalb der Faserscheide behauptet (Pere-
pelkine 1878, LwoFF 1887, Bujor 1891, C. Vogt u. E. Jung —
Lehrbuch — 1894). v. Ebner (1895) konnte endgiltig nachweisen,
daß dies ein Irrtum wäre, da zu keiner Zeit derartige Elemente sich
dort vorfänden.
V. Ebner verdanken wir auch wertvolle Mitteilungen über die
Weiterentwickelung der Faserscheide und ihren Bau im ausgebil-
deten Zustand. Es lassen sich in ihr drei verschiedene Schichten unter-
scheiden — was bereits durch G. Retzius (1895) festgestellt worden
war — von denen zuerst die äußere, dann die mittlere und zuletzt
die innerste angelegt wird. Die zuerst sich bildende Schicht besteht
anfangs aus rein cirkulär verlaufenden Fasern, später jedoch treten
kompliziertere Verhältnisse auf, da die Fibrillenbündel in den ver-
schiedenen Schichten auch eine verschiedene Anordnung aufweisen.
Bei Myxine ist der Verlauf der Fasern derart, daß die der äußeren
und inneren Schicht eine gleiche Richtung besitzen, die der mittleren
sich mit den beiden anderen aber kreuzen. Gleichzeitig sind die
beiden ersteren Systeme derart in Wellenbiegungen um die
Chorda herumgelegt, daß sie in der dorsalen und ventralen Mittel-
linie eine kranialwärts offene Konkavität, an jeder Seite aber
eine kranialwärts gerichtete Konvexität zeigen. Da die Umbiegungs-
stellen der Fasern für die drei Schichten zusammenfallen, so erscheinen
sie wie vier längsverlaufende Nähte der Chordascheide, deren es
eine dorsale, eine ventrale und zwei seitliche giebt. Diese Nähte
sind demnach nur Linien, in denen der Verlauf der Fasern in allen
Handbuch der lintwickelungslehre. III. 2. 23
354 H. Schauinsland,
drei Schichten gleichgerichtet (transversal) ist, ein Uebergang
von Fasern einer Schicht in die andere findet an ihnen aber nicht
statt. Im Schwanz von Myxine geht die innere Schicht verloren,
auch die mittlere wird sehr dünn und ihre Fasern nehmen einen
cirkulären Verlauf an. — Bei den Petromyzonten ist der Bau
der Faserscheide im Prinzip derselbe wie bei Myxine, doch treten
bei ihnen noch einige Komplikationen auf, deren nähere Schilderung
hier jedoch zu weit führen würde; dagegen ist aber noch darauf hin-
zuweisen, daß bei Petromyzon marinus in der innersten und äußersten
Schicht auch kurze elastische Fasern vorkommen.
Das Studium der Faserscheide der Cyclostomen erwies sich auch
geeignet, der Frage nach der Bildung und dem Wachstum der sie
zusammensetzenden Fibrillen näher zu treten. Diese unterscheiden
sich kaum von anderen typischen Bindegewebsfibrillen. Sie sind zweifel-
los leimgebender Natur (Jon. Müller, Perepelkine, Schneider,
Lvi^OFF, V. Ebner). Ihre Entstehung erfolgt jedenfalls nicht mit
Hilfe von Chordaepithelzellen, die dabei etwa feinste Fortsätze weit
in die Faserscheide hinein erstrecken (wie es Hasse bei den Ganoiden
annimmt) und. läßt sich überhaupt nicht auf eine direkte Umwandlung
des Protoplasmas zurückführen; sie findet vielmehr auf indirekte
Weise in einer von Zellen abgeschiedenen Grundsubstanz statt (v. Köl-
LiKER, V. Ebner etc.). Die Zellen liefern (v. Ebner) die kollagene
Substanz, die aber erst sekundär, unter dem Einfluß orientierter
Spannungen fibrillär wird. Die fibrilläre Differenzierung ist die un-
mittelbare Folge eines rein mechanischen Vorganges, nämlich des
Zuges oder des Druckes, unter dem die leim geben de Masse steht, und
findet auch sofort in ganz bestimmter Richtung statt, die den herrschen-
den Spannungsverhältnissen entspricht. Das weitere Wachstum der
einmal gebildeten Fibrillen geht durch Intussusception neuer leim-
gebender Substanz zwischen die alte vor sich.
Bezüglich der Elastica sei endlich noch erwähnt, daß sie an-
fangs eine dünne, homogene Membran darstellt; erst später wird sie
quergefasert, und auch dann erst treten zahlreiche runde und unregel-
mäßig verteilte Löcher (Kölliker 1860) in ihr auf.
Myxine macht davon jedoch eine Ausnahme; ihre Elastica behält
ihren primitiven Zustand und wird nie durchlöchert, wie sie sich auch
immer nur aus einer Lamelle zusammensetzt. Bei den Petromy-
zonten dagegen finden sich bemerkenswerterweise in späteren Stadien
deren zwei (v. Ebner). Es ist nicht ausgeschlossen, daß diese zweite
Schicht der elastischen Chordascheide vom perichor dalen Binde-
gewebe herstammt, zu dessen Betrachtung wir uns jetzt wenden
wollen.
In ganz jungen Embryonalstadien fehlt dasselbe vollständig. Wir
finden dann unmittelbar dorsal von der mit ihrer primären Scheide
versehenen Chorda das Medullarrohr und lateral von diesen beiden
Organen die rechte und die linke Reihe der Ursegmente, die
von kubischer Gestalt sind und eine nur von einer einzigen
Schicht cylindrischer Zellen umgebene Höhle besitzen. Indem an
dieser Stelle auf eine nähere Schilderung der Ursegmente und ihrer
Differenzierungen verzichtet wird unter Hinweis auf die darüber bei
den übrigen Cranioten, namentlich den Holocephalen, gemachten An-
gaben, sei nur erwähnt, daß (nach W. B. Scott 1882) von der inneren
und unteren Ecke jedes Ursegmentes je ein kleiner Fortsatz nach der
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 355
Chorda hin geschickt wird. Jene Fortsätze drängen sich zwischen
die Chorda und das Darmrohr und bilden dort eine vollständige
Brücke von Mesodermzellen. Diese vermehren sich allmählich und
umgeben die Chorda, wobei sie anfangs dieselbe Segmentie-
rung aufweisen wie die Ursegmente selbst. Später verschmelzen
die einzelnen auf diese Weise gebildeten Abteilungen (Skierotome)
miteinander und stellen eine zusammenhängende Schicht perichordalen
Bindegewebes rings um die Chorda dar (die äußere — skelett-
bildende — Scheide der älteren Autoren Meckel, Rathke u. A.),
das im Zusammenhang steht mit den Bindegewebszügen (Myosepten)
zwischen den einzelnen Muskelabschnitten, den Myomeren (Fig. 174a u.b).
Jene Vorgänge sind fast dieselben wie bei den Elasmobranchiern,
nur daß sie bei den Cyclostomen (Petromyzon) sich sowohl in späterer
Zeit als auch langsamer abspielen als bei diesen.
Ussow (1900) ist übrigens (mit Goette), gestützt auf Beobachtungen
an Animocöten, geneigt, ein Wachstum des mesenchymatösen Gewebes
in späterer Zeit durch Blutkörperchen, welche aus ihren Gefäßen aus-
wandern, anzunehmen.
Die mehr medialwärts gelegenen strafferen, fibrösen Teile des
perichordalen Bindegewebes kann man als Skelettschicht (Jon. Müller)
oder skeletogene (Gegenbaur) oder skeletoblastische
Schicht (Klaatsch) von seinen lateralen, lockeren und netzför-
migen Partieen untscheiden. Ersteres ist hauptsächlich in je zwei
dorsalen und ventralen der Chordascheide aufsitzenden Längsleisten
angesammelt; es umwächst von hier aus einerseits gewölbeartig das
Rückenmark und bildet andererseits ventrale sich in die Leibeshöhlen-
wand fortsetzende Bögen, die im Rumpf seitlich der Aorta und den
Kardinalvenen liegen, im Schwänze sich aber ebenfalls vereinigen und
die Gefäße demnach völlig umgeben (Fig. 172a).
Die oberen Bögen umschließen übrigens nicht allein das Rücken-
mark, sondern dorsal von diesem auch einen ungefähr dreieckigen bereits
von Meckel und Stannius erwähnten Raum, den D a c h r a u m (Goette)
der mit einem eigentümlichen, aus großen, fettführenden Zellen zu-
sammengesetzten Gewebe erfüllt ist, welches bezüglich seiner Lage
mit dem, bereits bei Amphioxus erwähnten und auch bei den meisten
Fischen vorkommenden oberen Längsband (Lig. longitudinale
dorsale superius Klaatsch) übereinstimmt (Fig. 172). Obere Bögen
und im Schwanz auch die unteren gehen unmittelbar in das sagittale
Längsse p tum über, während sich die transversalen Myosepten in
metamerer Reihenfolge seitlich den Bogenbildungen und den die
Chordascheide bedeckenden skeletogenen Gewebe anfügen.
So -besitzen denn die Cyclostomen ein ausgesprochenes häutiges
oder membranöses Achsenskelett und behalten es in der
Unterabteilung der Myxinoiden auch während des ganzen Lebens.
Bei den P etr omyzonten kommt jedoch, wenn auch erst in späteren
Entwickelungsstadien, ein neues Element hinzu, nämlich Knorpel,
der innerhalb der skeletoblastischen Schicht entsteht und in Gestalt
von schwachen Spangen den membranösen oberen Bögen eingelagert
ist (Fig. 172). Hiermit haben wir die ersten, wenn auch gering-
fügigen Anfänge eines festen, knorpeligen Achsenskelettes,
die Vorläufer einer wirklichen „Wirbelsäule" vor uns. Diese knor-
peligen oberen Bögen waren zum Teil bereits Rathke, selbst
sogar Cuvier (1815) bekannt; nähere Angaben bringen jedoch erst
23*
356 H. Schauinsland,
GoETTE (1878) und namentlich Schneider (1879) über sie. Aus
ihnen ergiebt sich, daß in jedem Körpersegment, was auch schon
J. MÜLLER erwähnt, zwei Paar Knorpelstücke vorkommen, die jedoch
in den verschiedenen Körperregionen nicht dieselbe Lage aufweisen
und verschiedenen Wert besitzen.
Bei der weiteren Betrachtung dieser Verhältnisse folgen wir neuen
Untersuchungen (Schauinsland) an jungen Exemplaren von Petro-
rayzon fluviatilis (Fig. 174 und 175). Am besten entwickelt sind die
oberen knorpeligen Bögen in der hinteren Rumpf- und vorderen
Schwanzregion. Sie sind dort nicht nur mindestens doppelt so lang
wie in der vorderen Rumpf- oder Kiemenpartie, sondern besitzen auch
eine meist regelmäßige, spangenartige Gestalt und deuten darauf hin,
daß sie wirklich bereits eine stützende und schützende Funktion be-
sitzen, während es bei den vorderen fast den Anschein hat, als lägen
hier keine ursprünglichen Verhältnisse mehr vor.
Um über die Lage der Skelettstücke Rechenschaft zu geben, ist es
notwendig, einige feste Punkte innerhalb eines Körpersegmen te s
zu bestimmen. Dazu eignen sich zunächst die transversalen Myo-
septen (Fig, 174 a), dann aber auch die int er segmentalen
Blutgefäße, die dort, wo die Septen auf das skeletoblastische Ge-
webe münden, an dem vorderen Ende jedes Myomers liegen. Deutlich
erkennbar ist von ihnen stets die große Vene, oft aber auch die vor
dieser gelegene Arterie. Innerhalb eines solchen durch je zwei dieser
Gefäße oder auch Myosepten bestimmten Segmentes befinden sich zur
weiteren Orientierung auch die Spinalnerven, Diese besitzen
noch, ebenso wie Amphioxus, die sehr bemerkenswerte Eigentümlich-
keit, daß ihre Wurzeln von dem sehr abgeplatteten Rückenmark nicht
nur in verschiedener Höhe — ventral die motorische, dorsal die
sensible — entspringen, sondern auch in kranial-kaudaler Richtung
weit voneinander entfernt liegen. Ja bei den Petromyz onten
läuft die motorische und die, an einem Ganglion kenntliche sensible
Wurzel, wie es Freud (1877), Goette (1878) und v. Jhering (1878)
erkannten, sogar dauernd nebeneinander hin, so daß zwei ge-
trennte Spinalnerven vorhanden sind. Bei den Myxinoiden
vereinigt sich dagegen der motorische und sensible Nervenstamm nach
längerem gesonderten Verlauf seitlich der Chorda in ähnlicher Weise,
wie es bei den Holocephalen der Fall ist, doch befinden sich auch
hier die Abgangsstellen der l^eiden Nervenwurzeln vom Rückenmark
immer noch in beträchtlicher Entfernung voneinander.
Hervorzuheben ist es dabei noch, daß innerhalb eines Segmentes
der motorische Nerv vor dem sensiblen liegt und nicht etwa um-
gekehrt. Kranial-kaudalwärts fortschreitend, trifft man hinter dem
Intersegmentalgefäß also zunächst die ventrale, dann die dorsale
Wurzel und endlich das nächstfolgende Gefäß (Fig. 174 a). Die Lage
des sensiblen Nerven zu der nächsten Vene kann bei den Cyclo-
stomen, wenigstens in den älteren daraufhin untersuchten Stadien,
etwas veränderlich sein, namentlich in den vorderen Rumpfpartieen,
wo der Nerv sich bisweilen mit dem Gefäß in derselben Richtung,
hin und wieder sogar kaudal von ihm vorfindet.
Der motorische Nerv gabelt sich übrigens bald nach seinem
Durchtritt durch die skeletoblastische Schicht in einen ventralen und
einen dorsalen Ast (Fig. 172 b und 175).
Die knorpeligen Bogenstücke sind nun derart verteilt
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 357
er
er
isg (a)
isg (v)
b
isg.
.,AW
'scb
-ob
ms ^-
m—
isg..
ms
-div (s)
m-
ms --
Fig. 174 a und b. Die linken Hälften zweier horizontalen Längsschnitte durch
die Wirbelsäule eines 95 mm langen Petromyzon fiuviatilis bei 60-maiiger (Fig.
174a und 52maliger Vergrößerung (Fig. 174b). Die Schnitte sind in der Höhe des
Rückenmarkes geführt und haben die motorischen Nervenwurzeln getroffen. Fig.
174 a stellt einen Schnitt aus dem Uebergang zwischen Rumpf und Schwanz, Fig. 174b
einen solchen aus der Gegend des Kiemenkorbes dar. Der Pfeil zeigt kranialwärts
(er). R Rückenmark, m Myomeren, die einen — namentlich im Schwanz sehr aus-
gesprochenen kranial-kaudalen Verlauf nehmen, ms die zwischen den einzelnen Myo-
meren gelegenen transversalen Myosepten. Man beachte deren Schmalheit in der
Schwanzgegend und deren Breite — unter Berücksichtigung der in Fig. 174 b ange-
wendeten schwächeren Vergrößerung — im vorderen Rumpf, isg Intersegmental-
gefäße. In Fig. 174 a ist von diesen sowohl die intersegmentale Vene als auch die
kranial von ihr gelegene kleinere Arterie gezeichnet, viu (in) die ventrale, motorische
Nervenwurzel. dw(s) die dorsale, sensible Nervenwurzel bezw. deren gangliöse
Anschwellung. scb skeletoblastisches Bindegewebe (membranöse oder häutige
Wirbelsäule), überall im Zusammenhang mit dem peripher davon gelegenen, mehr
lockeren Bindegewebe und namentlich auch mit den medial breit auslaufenden Myo-
septen. ob und ob^ knorpelige obere Bögen, und zwar liegt von diesen ob kranial von
der ventralen Nervenwurzel und im Schwanz auch kranial von den Intersegmen-,
talgefäßen (also in einem zwischen je zwei Gefäßen befindlichen Segment kaudal)
o&, liegt zwischen der ventralen und dorsalen Nervenwurzel, kaudal von der
ersteren, kranial von der letzteren, obx ein drittes, im vorderen Teil des Rumpfes
noch vorkommendes Knorpelstück zwischen ob^ und der dorsalen Nervenwurzel.
358
H. Schauinsland,
daß immer je
Nervenwurzel
zwischen der
legene stets
g e f ä ß , das
eins derselben zwischen der dorsalen und ventralen
gelegen ist (Fig. 174 und 175); dabei befindet sich das
ventralen und der nächstfolgenden dorsalen ge-
kranial von dem folgenden Intersegmental-
z wischen der ventralen und der vorhergehenden
VW (in) rd dir (s) rd vw (m) rd
rjlscll
w
VW (mj rv
dv (s) rv
die (s) rd.
isg
cr<
chsch
: W
dw (s) rv VW (m) rv
Fig. 175a und b. Abbildungen zweier Wachsplattenmodelle der knor-
peligen oberen Bögen sowie der intersegmeutalen Gefäße und spinalen Nerven von
einem 95 mm langen Petromyzon fluviatilis bei 60-facher Vergrößerung. Fig. 175 a
stellt eine Partie der Wirbelsäule vom Uebergang zwischen Rumpf und Schwanz
dar, und zwar von der linken Seite und von außen gesehen, Fig. 175b die
rechte von innen gesehene Seite eines Wirbelsäulenstückes aus dem vorderen Teil
des Rumpfes (hinter dem Kiemenkorb). Der Pfeil (er) zeigt kranialwärts. Man be-
achte die bedeutend mächtigere Ausbildung der Wirbelbögen im kaudalen Stück
(Fig. 175 a). cJuch Chordascheide, der die Knorpelbögen aufsitzen, isg intersegmen-
tale Gefäße (Venen). vw(m)rd Ramus dorsalis des ventralen, motorischen Spinal-
nerven. vw(ni)rv Ramus ventralis des ventralen, motorischen Spinalnerven. dw(s)rd
Ramus dorsalis des dorsalen, sensiblen Spinalnerven. dw(s)rv Ramus ventralis des
dorsalen, sensiblen Spinalnerven, w die aus dem Rückenmark abtretenden Wurzeln
der Spinalnerven, ob Knorpelbogen kaudal vom sensiblen Nerven und kranial vom
motorischen (des nächstfolgenden Segmentes) liegend. Im hinteren Rumpfabschnitt
und im Schwanz befindet er sich außerdem auch immer etwas kranial von dem dar-
auffolgenden Intersegmentalgefäße (Fig. 175 a). Dieses Knorpelstück entspricht dem
bei den Elasmobranchiern, Ganoiden etc. von uns als kaudal bezeichneten Bogen.
ob^ kaudal vom motorischen und kranial vom sensiblen Nerven gelegenes Bogenstück ;
es entspricht dem von uns bei den anderen Wirbeltieren als kranial bezeichneten
Bogen. In einem durch je zwei Segmentalgefäße abgegrenzten Segment des hinteren
Rumpfes oder vorderen Schwanzes (Fig. 175 a) liegt demnach zunächst der motorische
Nerv, dann das kraniale Bogenstück, darauf der sensible Nerv und endlich der
kaudale Knorpelbogen.
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein, 359
dorsalen im hinteren Teil des Rumpfes und im vorderen Schwanz-
abschnitt meistens etwas kaudal von dem vorhergehenden Ge-
fäß. Die Lage der in Frage kommenden Elemente ist somit innerhalb
eines Segmentes, kranial-kaudalwärts aufgezählt, folgende (Fig. 174 a
und 175 a): 1) Intersegmentalgefäß, 2) ventraler — motorischer — Nerv,
3) Knorpelbogen, 4) dorsaler — sensibler — Nerv, 5) Knorpelbogen,
6) Intersegmentalgefäß. Daraufhin ist man berechtigt, das erste der
beiden Knorpelstücke als kr anial es (o6i), das zweite als kau dal es
(oh) zu bezeichnen. Es kann nicht zweifelhaft sein, daß das letztere
derselben (welches, um es nochmals zu wiederholen, kranial von
dem nächstfolgenden motorischen Nerven und kaudal von dem vorher-
gehenden Gefäß liegt), dem Bogenstück entspricht, welches auch bei
den übrigen Vertebraten dieselbe Lage besitzt und im Laufe dieser
Abhandlung stets als kaudal bezeichnet werden wird. Dieses ist
fürderhin bestimmt, eine Hauptrolle bei dem Aufbau der knorpeligen
oder knöchernen Wirbelsäule zu übernehmen, während das zweite
Bogenstück, das kraniale, oft rückgebildet wird oder ganz ver-
schwindet.
In den vorderen Rumpfpartieen wird das Verhalten der Knorpel-
stücke zu den intersegmentalen Gefäßen ein anderes. Hier rückt das
vor dem motorischen Nerven gelegene Stück oft hinter das Gefäß,
so daß es nun in dem Segment eine kraniale Lage einzunehmen
scheint (und dementsprechend das vorher kranial genannte eine
kaudale) (Fig. 174 b und 175 b). Dieser Zustand ist wahrscheinlich
aber kein ursprünglicher. Er läßt sich schon daraus erklären, daß an
diesen Stellen die Myosepten nicht als schmale distinkte Streifen er-
scheinen, sondern als breite, sich medialwärts kegelförmig erweiternde
Bindegewebsmassen, und daß keine bestimmten Faserzüge vorhanden
sind, die sich an die Bogenknorpel anheften — wie es bei den höheren
Vertebraten der Fall ist — und sie an einer bestimmten Stelle gleich-
sam festhalten, so daß sie innerhalb der membranösen Wirbelsäule
daher leicht ihre Stellung verändern können. Sie verwachsen auch
miteinander zu einem Stück, in welchem Fall dann noch ein kleines
neues Knorpelstückchen hinzutreten kann {x in Fig. 174 b), wie es in
der Kiemen gegend zu beobachten ist. Oft nehmen die Knorpel auch
ganz bizarre Formen an oder lösen sich in mehrere kleine, ganz un-
regelmäßige Teilstückchen auf, während andererseits in einzelnen
Segmenten hinter der Kiemengegend häufig einer, nicht selten aber
auch alle beiden Bögen fehlen. Hier schließen sich die Knorpel-
stücke (nach GoETTE und Schneider) auch nicht genau dem mem-
branösen Bogenge wölbe an, sondern divergieren von ihm (Fig. 172b).
Alles dieses, im Zusammenhang mit ihrer gegenüber der Masse des
membranösen Skelettes verschwindenden Größe, ist wohl ein
Zeichen, daß ihre Funktion nur eine sehr untergeordnete sein kann.
Eine Ausnahme hiervon machen jedoch einige der dicht hinter
dem Schädel gelegenen Stücke (z. B. das 4. und 5. bei einem alten
Petromyzon fluviatilis), denn diese umwachsen ventralwärts fast die
gesamte Chorda und bilden also hier thatsächlich bereits eine Art
knorpeligen von den oberen Bögen erzeugten W i r b e 1 k ö r p e r , an
dem sogar laterale, den Rippen vergleichbare Seitenfortsätze erkennbar
sind (Schauinsland).
Am Seh Wanzen de verschmelzen die Bogenstücke zu einer
Knorpelplatte von recht unregelmäßiger Gestalt; sie wird von
360
H. Schauinsland,
ebenfalls sehr unregelmäßigen Löchern durchbohrt zum Durchtritt der
Spinalnerven und ist dorsal mit den im Flossen säum liegenden so-
genannten „Proc. spinosi" (Schneider) verwachsen. Derartige „Dorn-
fortsätze" finden sich auch in den vorderen Körperpartieen, und zwar
je vier in jedem Segment oberhalb des Wirbelkanals (Fig. 172 a f),
ohne dort aber mit den Bogenstücken in Verbindung zu treten
(A. Schneider). Außer jener dorsalen Knorpelplatte kommt im
Schwanzende auch eine ähnlich gestaltete, und ebenfalls mit den
Flossenknorpeln zusammenhängende ventrale Leiste vor, die viel-
leicht als aus unteren Bogenknorpeln entstanden anzusehen ist
(Schneider).
Holocephalcn.
Hauptsächlichste Litteratur: J. Müller 1834; Leydig 1851; C. Gegenbaur
1867; Hubrecht 1876; Goette 1878; Hasse 1882; Klaatsch 1893; Gadow u.
Abbott 1895.
Während durch die oben genannten Autoren der Bau der Wirbel-
säule bei den erwachsenen Tieren bekannt wurde, ist ihre E n t -
Wickelung bis jetzt erst nur von Schauinsland und zwar bei Cal-
lorhynchus studiert worden. Die Kenntnis derselben ist um so wich-
tiger, als die Holocephalen einerseits noch auf einer ziemlich niederen
Entwickelungsstufe beharren, andererseits aber doch bereits eine Menge
von Merkmalen aufweisen, die wohl geeignet sind, das Verständnis der
Organisationsverhältnisse der höheren Formen zu fördern, da sie den
Entwickelungsgang, welchen diese zu durchlaufen haben, häufig schon
Hh 3Ih
chs
mb ch inf
Fig. 176. Medianer, sagittaler Längsschnitt durch das vordere Körperende
eines etwa 18 mm langen Callorhynchus-Embryos. Vergr. 89 mal. ch Chorda, von
einer Scheide (chs) umgeben, an der man bei stärkerer Vergrößerung bereits eine
äußere elastische und eine innere Faserschicht unterscheiden kann. Der hier ab-
gebildete Abschnitt des Chordastranges gehört nicht mehr der eigentlichen Wirbel-
säule an, sondern liegt später vollkommen innerhalb des Schädels, und zwar zwischen
den sogenannten Parachordalia (die aber bei Callorhynchus zu einer Platte ver-
schmolzen sind) sich bis in die Spitze der Sattellehne erstreckend (siehe Schauins-
land 1903, Fig. 125, 130, 131). Ihr äußerstes Ende ist etwas ventralwärts gebogen
und endet unmittelbar dorsal von dem umfangreichen Infundibularteil des Gehirns
(inf). Dorsal wird die Chorda begrenzt durch das Nachhirn (NH), rostral durch
das Hinterhirn (Hh) und Mittelhirn (Mh), ventral durch die Aorta (ao) sowie ein
kleines Stück des Infundibulums (inf). Von allen diesen Teilen wird sie noch nicht
durch die mesodermalen (von den ürsegmenten abstammenden) Zellen getrennt. Letztere
haben sich nur an der äußersten Spitze des Chordastranges bereits etwas angesammelt.
Vh Vorderhirn. Zh Zwischenhirn. E Epiphyse. R blasenartige Auftreibung des die
Körperoberfläche des Embryos bildenden Ektoderms (ec), aus der später das Eostrum
wird, mb Mundbucht, vd Vorderdarm, mdb Mandibularbogen.
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 361
andeuten. Es wird sich daher empfehlen, Callorhynchus gleichsam
als Paradigma für die Erläuterung vieler bei der Entwickelung
der Wirbelsäule sich abspielender Vorgänge zu gebrauchen.
Die Chorda liegt in dem auffallend langen, fast fadenförmigen
Embryo wie gewöhnlich unmittelbar ventral vom Nervenrohr und
dorsal von der Aorta. Rostral endet sie mit etwas ventral gebogener
Spitze dicht oberhalb des sehr mächtig entwickelten Infundibular-
abschuittes des Gehirns (Fig. 176); somit gehört ein nicht unbedeuten-
der Teil von ihr der späteren knorpeligen Schädelkapsel an. Man
findet sie in älteren Entwickelungsstadien dort in der Medianlinie
zwischen den (verschmolzenen) Parachordalien eingebettet und sich
bis in das äußerste Ende der sogenannten Sattellehne erstreckend.
Da letztere entsprechend der sehr großen, das Infundibulum bergenden
Sattelhöhle — die sie dorsal und kaudal begrenzt — weit in das Innere
der Schädelhöhle hineinreicht, so liegt das vorderste Ende der Chorda
bei Callorhynchus also nicht in der Schädelbasis.
Bemerkenswert ist auch das kaudale Chordaende, Dort,
wo dieses sich befindet, besteht schon in sehr frühen Entwickelungs-
stadien eine bei vielen Vertebraten vorkommende und mit den Gastru-
lationsvorgängen in Zusammenhang stehende Kommunikation zwischen
dem Nerven- und Darmrohr, der sogenannte Canalis neurentericus.
,-Ss
ao
sd
rbl
Fig. 177. Medianer, sa-
gittaler Längssclinitt durch
das Schwanzende eines etwa
25 mm langen Callorhynchus-
Erabryos. Vergr. 42 mal. ch
Chorda, r Rückenmark. Das-
selbe erweitert sich terminal
zu einer blasenartigen An-
schwellung (rblj, die homolog
ist der voluminösen und stark
differenzierten Erweiterung
des Eückenmarkrohres bei den
Embryonen einiger Vogelarten
(z. B. des Pinguins). (Schau-
insland 1890. Siehe auch
weiter unten Fig. 295.) Diese
von QuATREFAGES 1845 bei
Araphioxus entdeckte termi-
nale Erweiterung des MeduUar-
rohres wurde von Kowalewsky (1877) auch bei Acanthias-Embryonen beschrieben
und wird seit W. Krause 1875 Ventriculus terminalis genannt sd Schwanzdarm,
der bei Callorhynchus von sehr großer Ausdehnung ist und ^/^ der gesamten Länge
des Embryos erreichen kann ; weiter nach vorn geht er allmählich in einen soliden
Zellstrang über, der zwischen Aorta (ao) und Vene (v) gelegen ist. cn Canalis neur-
entericus, durch den das hinterste Chordaende gespalten ist (was hier auf dem Me-
dianschnitt aber nicht sichtbar ist), fs Flossensaum,
Durch diese wird das äußerste Chordaende (das an jener Stelle, so-
bald an dem Embryo sich ein wirklicher Schwanz bemerkbar macht,
bereits in das indifferente Zellmaterial übergeht, welches gleich-
zeitig zur Vergrößerung des
Darmes beiträgt) durchbohrt, so
zerfällt.
Der neurenterische Kanal
Rückenmarks, der Chorda und des
daß es in eine rechte und linke Hälfte
bleibt sehr lange bestehen, und man
findet die
mehreren
eben beschriebenen Verhältnisse noch bei Embryonen
Centimetern Länge (Fig. 177), bei denen noch die
von
Eigen-
362
H. Schauinsland,
tümliclikeit hinzukommt, daß das hinterste Ende des Rückenmarks
blasenartig aufgetrieben ist (wie es auch bei anderen Vertebraten,
namentlich aber einigen Vögeln beobachtet werden kann), während
der Darm (S chwanzdarm) sich von seinem vorderen, später allein
in Funktion tretenden Abschnitt durch eine allmählich von vorn nach
hinten weiterschreitende Rückbildung abtrennt, so daß nur sein
terminaler Abschnitt erhalten bleibt. Später schließt sich die neur-
enterische Verbindung, der Schwanzdarm obliteriert ganz, die Rücken-
marksanschwellung verschwindet ebenfalls und die Chorda endet dann
hier frei mit etwas abgerundeter Spitze.
Anfangs besteht die Chorda in ihrer ganzen Ausdehnung nur
allein aus dicht aneinander gelagerten protoplasmatischen Zellen, während
eine sie umschließende Hülle noch nicht nachzuweisen ist. Bald je-
doch machen sich Veränderungen bemerkbar und zwar zunächst in
dem kranialen Abschnitt, allmählich weiter kaudalwärts vordringend.
Man kann es überhaupt nicht nur bei Callorhynchus, sondern wohl bei
allen Vertebraten als eine Regel aufstellen, daß die Differen-
zierungen nicht allein der Chorda, sondern auch der
gesamten Wirbelsäule im allgemeinen kranial-kaudal-
wärts verlaufen, so daß man stets die am weitesten vorge-
schrittenen Entwickehmgszustände in der Nähe des Kopfes, die jüngsten
dagegen im Schwänze bezw. im Schwanzende vorfindet. So ist es
denn auch hier bei Callorhynchus möglich, bei einem und demselben
Embryo verschiedene nacheinander sich abspielende Vorgänge kennen
zu lernen, wenn man mit dem Studium des Schwanzendes beginnt
und damit weiter kranialwärts vorschreitet.
Fig. 178.
n n.
n
Fig. 179.
\kfßl
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■■■'s M
l
n V
Fig. 178 und 179. Zwei horizontale Längsschnitte durch die Chorda eines
etwa 1,8 cm langen Callorhynchus-Embryos. Vergr. 630 mal. Fig. 178 stellt einen
Schnitt durch das Schwänzende, Fig. 179 einen solchen durch einen weiter kranial-
wärts gelegenen Teil des Schwanzes dar. Auf dem ersten Schnitt läßt sich noch
deuthch die geldroUenartige Anordnung der Chordazellen erkennen, während sie in
dem weiter nach vorn gelegenen Chordateil durch die stärker entwickelten Vakuolen
bereits verwischt ist. n Kerne der Chordazellen. «^ im Durchschnitt stabförmige,
stark tingierbare Kerne, v Vakuolen. Sie sind auf Schnitt Fig. 178 erst in der
Entstehung begriffen, während sie in Fig. 179 den Zellinhalt bereits zum großen
Teil verdrängt haben. eS Elastica(?) In diesem Stadium ist eine distinkte Scheide
noch kaum nachzuweisen.
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 3G3
Es ist wahrscheinlich — obgleich es sich nicht mit Bestimmtheit be-
obachten läßt, da auf Längsschnitten die einzelnen Zellgrenzen nicht
sehr deutlich sind, so daß es sogar zweifelhaft bleiben muß, ob sie
überhaupt vorhanden sind — daß die ursprünglichen Chordazellen
sich derart hintereinander anordnen, daß immer eine in rostral-kaudaler
Richtung sehr schmale Zelle den ganzen Durchmesser des Chorda-
stranges einnimmt. Auf etwas späteren Stadien (Fig. 178) ist diese
„geldrollen artige" Anordnung deutlicher geworden, so daß dann
eine gewisse Aehnlichkeit der Chordazellen mit den einzelnen Chorda-
scheiben bei Amphioxus vorhanden ist (Fig. 178 und 179). Gleichzeitig
treten dann im Zellprotoplasma, und zwar häufig gerade in der Nähe
der Zellkerne, Vakuolen auf, die sich allmählich vergrößern und da-
durch sowohl die Hauptmenge des Protoplasmas als auch zusammen
damit die größte Zahl der Kerne an die Peripherie der Chorda drängen
(Fig. 179). In diesen Stadien fallen übrigens auf Längsschnitten neben
den in der Mehrzahl vorhandenen rundlichen, bläschenförmigen Kernen
der Chordazellen noch andere schmale, stabförmige auf, die mit Be-
gierde Farbe aufnehmen (Fig. 178, 179 wj. Diese können sowohl,
und das ist am wahrscheinlichsten, als die Kerne der ursprünglichen
noch nicht veränderten und daher von Protoplasma ganz erfüllten
Chordazellen betrachtet werden oder als die Kerne solcher Zellen,
welche durch die übermäßige Ausdehnung der um sich greifenden
Vakuolen zu stark zusammengepreßt werden und dem Untergang an-
heimfallen, ähnlich den dunklen prochordalen Elementen, welche bei
der Entwickelung des hyalinen Knorpels und des Hautknochens zur
Beobachtung gelangen (Schauinsland 1900).
Indem nun die Vakuolen an Umfang immer mehr zunehmen, ge-
schieht es, daß sie gegenseitig näher rücken und daß die benachbarten
endlich zusammenstoßen, wobei ihre Wände miteinander verschmelzen.
Auf diese Weise wird schließlich das ganze Chordagewebe in ein lamel-
löses Netzwerk aufgelöst, in dessen Maschen sich noch hier und da ein
Kern in wenig Protoplasma eingebettet vorfindet. Die größte Masse
des letzteren sowie auch die überwiegende Zahl der Kerne ist dadurch
in unregelmäßiger Anordnung an die Peripherie der Chorda gedrängt
und bildet hier die sogenannte Rindenschicht (Goette).
Die wabenartigen, polygonalen, unregelmäßig gestalteten Gebilde,
welche jetzt die Chorda überwiegend zusammensetzen und die sulzige,
gallertartige Masse derselben bilden, sind demnach also, trotz ihrer
äußerlichen Aehnlichkeit, durchaus keine Zellen, sondern nur die aus
solchen hervorgegangene Vakuolen, in deren Wänden noch hin und
wieder eingestreute Kerne sich vorfinden ; ebenso lassen sich aber auch
in der Rindenschicht in diesem Stadium keine gesonderten Zellen
mit bestimmten Grenzen erkennen. Sie aber ist gerade für das weitere
Wachstum der Chorda von der größten Bedeutung. Abgesehen von
den Chordahüllen, die von hier aus ihre Entstehung nehmen, und auf
welche wir sofort zurückkommen wollen, werden in ihr immer neue
Vakuolen produziert. Man findet dementsprechend die ältesten und
auch größten Vakuolen im Centrum der Chorda, die jüngsten und
kleinsten an der Peripherie (Fig. 190, 191, 193).
Die Rindenschicht erfährt bei Callorhynchns eine starke Aus-
bildung; ihre Elemente ordnen sich in späteren Stadien oftmals regel-
mäßig an, und es können sich in ihr wieder Zellgrenzen be-
merkbar machen, so daß sie dann den Eindruck eines ziemlich
364
H. Schauinsland,
hohen Epithels hervorruft (Fig. 190) (Chordaepithel [Gegenbaur] ;
epitheliomorphe Schicht [Grassi]. Die Umwandlungen des
Chordagewebes erfolgen demnach fast in derselben Art und Weise,
wie sie zum erstenmal durch Goette bei Amphibien und Teleostiern
beschrieben wurde.
Was die Chordahüllen oder Chordascheiden anbelangt,
so ist es in der ersten Zeit, wenn die Vakuolisierung der Chorda-
zellen noch nicht begonnen hat, kaum möglich, eine Spur davon
nachzuweisen ; erst später beginnt eine schärfere Begrenzung an der
Peripherie der Chorda sich bemerkbar zu machen; deutlich wird eine
solche aber erst, sobald sich die protoplasmatische Rindeuschicht aus-
zubilden beginnt (Fig. 180 und 181). Man findet dann eine Chorda-
Fig. 180.
Fig. 181.
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Fig. 180. Teil eines Chordaquerschnittes aus dem Schwänzende eines etwa
3 cm langen CaUorhynchus-Embryos. Verg. 630 mal. es die jetzt deutlich erkenn-
bare elastische Scheide, ß die darunter liegende, eben erst angedeutete Faserscheide.
ep die durch die Vakuohsierung der Chorda an die Peripherie gedrängte, kernhaltige
Protoplasmaschicht (Rindenscmcht Goette's, epitheliomorphe Schicht Geassi's).
V Vakuole, p aus dem Skierotom stammende Perichordalzelleu.
Fig. 181. Teil eines Chordaquerschnittes durch den Rumpf eines etwa ebenso
alten Embryos wie der der Fig. 181. Vergr. 630 mal. es Elastica, hier bereits eine
doppelt konturierte deutliche Scheide darstellend, fs Faserscheide, ebenfalls volu-
minöser geworden, ep epitheliomorphe Schicht, v Vakuolen.
scheide, an der bereits zwei Schichten zu beobachten sind, eine
äußere, ungemein zarte und eine innere, die anfangs ebenfalls
noch sehr dünn ist (Fig. 180), später aber bald an Mächtigkeit zu-
nimmt. Die äußere ist die elastische Scheide (Elastica, Elastica
externa, primäre Chordascheide [Klaatsch]), die innere die Faser-
scheide (sekundäre Chordascheide [Klaatsch]). Es ist anzunehmen,
obgleich es nicht direkt beobachtet werden konnte, daß die erstere,
wie es von verschiedenen Autoren bei anderen Objekten mit Bestimmt-
heit behauptet wird, von den noch nicht vakuolisierten Chordazellen
abgeschieden wurde, und zwar vor der Faserscheide. Sicher dagegen
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 365
ist es, daß letztere von der epitheliomorphen Zellschicht an der Chorda-
peripherie ihre Entstehung und ihr weiteres Wachstum herleitet. Die
Elastica nimmt auch später nicht bedeutend an Dicke zu, wenn
auch in solchem Grade, daß sie deutlich doppelkonturiert erscheint.
Dagegen wächst die Faser scheide beträchtlich gemäß der starken
Ausbildung des „Chordaepithels" (Fig. 181, 182), bleibt vorläufig aber
noch Zellen los. Die Chordascheide befindet sich nun auf einem
Stadium, das bei den Cyclostomen und den Knorpelganoiden dauernd
bleibt, das Material zu ihrem Aufbau wurde bis jetzt nur von der
Chorda allein geliefert. Nunmehr beginnen aber Veränderungen
und Weiterbildungen an ihr sich zu vollziehen, bei denen das sie
umgebende Gewebe eine große Rolle spielt; es ist daher notwendig,
zunächst die Herkunft des letzteren ins Auge zu fassen und die
Entwickelungsvorgänge zu betrachten, die sich in ihm bis zu diesem
Stadium vollzogen haben.
Zu einer Zeit, in der die Chorda noch keine Vakuolen enthält
(Fig. 183), ist im Embryo noch keine Spur von mesenchymatösen
Zellen vorhanden ; die Organe finden sich noch sämthcli in epithehaler
Ausbildung. Lateral von der Chorda liegen beiderseits die Urseg-
m e n t e , mehr oder weniger hoch an dem Rückenmark dorsal empor-,
mehr oder weniger tief an der Aorta ventral herabreichend. Ventral
Fig. 182. Teil eiues Chordaquerschnittes
aus dem Schwanz eines etwa ö cm langen
Callorhynchus-Embryos. Vergr. 630 mal.
es Elastica. /s Faserscheide. Im Bereiche
der Bogenanlage (üb) ist sie deutlich in
zwei, fast gleich dicke Teile gesondert (fs
und fsj. Die aus den ßogenanlagen später
in die Chordascheide einwandernden Zellen
— man sieht auch auf diesem Präparat 'f(^y''^' ts^
bereits eine solche Zelle (ss) im Begriff in ' ' h ß:^ ■
die Faserscheide einzudringen — begeben ,^- ^.\
sich zunächst zwischen diese beiden Schich-
ten der Faserscheide und erfüllen allmäh-
Hch auch die äußere Schicht ffs) voll- ^^ üb
ständig. Die innere dagegen (fs^) bleibt stets zellenfrei (Elastica interna), ep epi-
theliomorphe Schicht der Chorda, mö Anlage des rechten unteren Bogens; Knor-
pel hat sich in ihr noch nicht ausgebildet.
gehen die voneinander scharf gesonderten Ursegmente in das nicht
segmentierte Mesoderm, die Seitenplatten, über, die sich im Be-
reiche des Rumpfes in zwei Lamellen, die viscerale und die parietale,
spalten, zwischen denen die Leibeshöhle sich ausdehnt. Letzteres ist
im Schwänze (Fig. 183) dagegen nicht der Fall, hier bilden die Seiten-
platten eine ungeteilte, einheitliche Lamelle.
Im Innern der Ursegmente befindet sich eine bisweilen — nament-
lich im Schwänze — stark zusammengepreßte Höhle, die Ursegment-
oder Urwirbelhöhle; durch sie wird das Ursegment in zwei
Lamellen zerlegt, eine laterale, die sogenannte Cutis platte (C. Rabl),
und eine mediale, der Chorda benachbarte, die Muskelplatte (C. Rabl)
(Fig. 183, 184, 185).
Diese eben geschilderten ursprünglichen Verhältnisse ändern sich
aber bald im Laufe der Entwickelung. An einer ventralen, den Seiten-
platten dicht benachbarten Stelle des Ursegments, welche meistens in
der Gegend zwischen Chorda und Aorta, bald etwas mehr dorsal bald
\
\
366
H. Schauinsland,
etwas weiter ventral davon gelegen ist, beginnen in der inneren, der
Chorda benachbarten Lamelle die in der Mitte derselben befindlichen
Zellen (Fig. 184) sich zu lockern und schließlich auszuwandern, offen-
bar mit eigener amöboider Bewegung ausgestattet. Sie strömen dabei
Fig. 183.
Fig. 184.
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Fig. 183. Querschnitt durch das äußerste Schwanzende eines etwa 1,8 cm
langen Callorhynchus-Embryos. Vergr. ISOmal. c/t Chorda; in ihr hat die Vakuolen -
bildung noch nicht begonnen, seh subchordaler Strang, a Aorta, v Vene, sd
Schwanzdarm, zwischen Aorta und Vene gelegen, n Nervenrohr, ush stark zu-
sammengepreßte Höhle des Ursegments. cl Cutislamelle des Ursegments. ml Muskel-
lamelle des Ursegments. sp Seitenplatte; da der Schnitt durch den Schwanz geht,
so ist sie ungeteilt und enthält nicht die Leibeshöhle. In der Nähe der Aorta und
des Schwanzdarmes besitzt sie ein festes, epitheliales Gefüge, während sie weiter
ventral von der Vene sich aufzulockern beginnt, ep Epidermis.
Fig. 184. Querschnitt durch einen weiter kranialwärts gelegenen Schwanz-
abschnitt eines etwa 1,4 cm langen Callorhynchus-Embryos. Vergr. ISOmal. ch
Chorda im Beginne der Vakuolisierung ; auch die elastische Scheide ist deutlich
geworden. An der inneren, der Aorta, der Chorda und dem Nervenrohr gegenüber-
liegenden Lamelle des Ursegments beginnen ungefähr von der Stelle aus, an welcher
Ursegment und Seitenplatte aneinander stoßen, die in der Mitte gelegenen Zellen
(der Schnitt halbiert gerade die Ursegmente) auszuwandern und gegen die Chorda
hinzuströmen; damit ist der erste Anfang gemacht zur Bildung des Sklero-
toms (sei), duk dorsale Ursegmentkante ; dieselbe bildet einen Wachstumspunkt für
die Muskel- (ml) und Cutislamelle (cl). Gleichzeitig sprossen von hier aus aber auch
Mesenchymzellen (mz) aus, welche das Bindegewebe für den dorsalen Körperteil und
die Rückenflosse liefern werden ; an der Bildung der Wirbelsäule beteiligen sie sich
wahrscheinlich aber nicht. vu,k ventrale Ursegmentkante; von ihr aus erhält das
Skierotom fortgesetzt neuen Zuwachs, sp Sei ten platten ; sie haben sich noch mehr
gelockert als auf der vorhergehenden Figur und stehen im Begriffe, ihren Epithel-
charakter völlig zu verlieren, sd Schwanzdarm ; sein Lumen ist fast völlig reduziert,
trotzdem erstreckt er sich von hier aus aber noch sehr weit als soüder Strang kranial-
wärts. Die übrigen Bezeichnungen wie in Fig. 183.
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 367
vornehmlich dorsal- und medianwärts in der Richtung nach der Chorda
(Fig. 184), verbreiten sich von dort aus aber auch weiter dorsal seit-
lich von dem Nervenrohr bis nach der oberen Ursegmentkante, sowie
auch ventral seitlich von der Aorta nach der unteren -Urwirbel-
kante hin.
Zunächst bleiben diese ausgewanderten Zellen noch vollständig
im Bereiche des Ursegmentes, dem sie ihre Entstehung verdanken; sie
überschreiten nicht die Grenzen der einzelnen Ursegmente und bilden
somit eine in sich ziemlich abgeschlossene Zellmasse, das sogenannte
Fig. 185. Querschnitt durch das
Schwanzende eines etwa 3,3 cm langen
Callorhynchus-Embryos. Vergr. 117 mal.
Die Zellen des Skierotoms (sei) haben sich
weiter ausgebreitet, sie umgeben jetzt nicht
allein die Chorda vollständig, sondern auch
das Nervenrohr (n) und den dorsalen Teil ep
der Aorta. Unter ihnen kann man eine
Lage Zellen unterscheiden , welche mehr
abgeplattet sind als die übrigen und sich ^ —
den oben genannten Organen dicht an-
lagern ; sie bilden die skeletoblastische
Schicht (selb). Der Schnitt ist übrigens
nicht ganz gerade geführt; auf der linken
Seite geht er durch die Mitte des Ur-
segments; daher sieht man, daß die ven-
trale Kante desselben keine feste Grenze
bildet, sondern sich völlig in die Sklerotom-
zellen auflöst, die ventralwärts unmittelbar
übergehen in die von der Seitenplatte her- ao-—
stammenden Mesenchymzellen (sp). Auf
der rechten Seite trifft der Schnitt die
kaudale Ursegmentgrenze, und daher be- ^ _.
sitzt hier die ventrale Ursegmentkante (vuk)
noch ein festes, epitheliales Gefüge, ob
und üb sind die von den Sklerotomzellen
ausgefüllten dreieckigen Räume zwischen
Chorda und Nervenrohr einerseits und
Chorda und Aorta andererseits, die, von
der Seite betrachtet, als der Chorda auf-
sitzende Längsleisten erscheinen. Sie sind
die Basen der das Nervenrohr und die
Aorta einhüllenden häutigen Bogen, und
in ihnen entstehen auch später die knor-
peligen oberen und unteren Bogen. In der Muskellamelle (ml) des Ursegments
sind bereits wirkliche Muskelfibrillen entstanden. Der dorsale und der ventrale Teil
des Querschnittes ist völlig erfüllt von Mesenchymzellen, von denen die ersteren
der dorsalen Urwirbelkante (duk), die letzteren den aufgelösten Seitenplatten (sp)
entstammen, seh subchordaler Strang, bereits in Rückbildung begriffen.
ob.
ch-
ub-
sch — --'
vuk
Skier otom [Goodsir 1856, van Wijhe 1882, C. Rabl 1888 u. A.]
(Fig. 186, 187). In dieser Zeit sind die Skierotome also noch voll-
ständig segWental angeordnet; zu jedem Ursegment gehört ein
Skierotom. Die Skierotome liefern das weitere Material, das der
Chorda hinzugefügt und mit ihr zusammen zum Aufbau der Wirbel-
säule verwendet wird. Der Chordastrang mit seinen Scheiden einer-
seits und die Skierotome andererseits sind die einzigen Elemente für
die Zusammensetzung des axialen Skelettes und zwar nicht nur bei
Callorhynchus, sondern überhaupt in der ganzen Reihe der Vertebraten.
Die Geschichte der Entwickelung der Wirbelsäule bei den verschiedenen
Formen ist weiter nichts als die Feststellung der in mannigfaltiger
368
H. Schauinsland,
Weise erfolgenden Ausbildung jener beiden Elemente, ihres gegen-
seitigen Einflusses auf einander, des Ueberwiegen des einen, des
Zurücktretens des anderen.
Es sei hier jedoch bereits bemerkt, daß das Skierotom nicht ganz
ausschließlich für die Wirbelsäule im engeren Sinne aufgebraucht
Avird, und daß von ihm auch dasjenige Bindegewebe seinen Ursprung
nimmt, welches in lockerer Anordnung weiter peripheriewärts Chorda
und Nervenrohr umgiebt (Fig. 185).
Der dorsal von der Auswanderungsstelle der Sklerotomzellen
gelegene Abschnitt des inneren Ursegmentblattes behält seinen epi-
thelialen Charakter bei, und seine Zellen wandeln sich allmählich in
Fig. 186.
a
'51
Fig. 187.
ch
nik
cuk
ruk
ml
sc
cl
cuk
Vi -
Fig. 186 und 187. Zwei horizontale Längsschnitte durch den Schwanz eines
etwa 1,8 cm langen Callorhynchus-Embryos. Vergr. 18ümal. Man vergleiche dazu
den Querschnitt auf Fig. 184. Der Schnitt auf Fig. 186 geht durch die Aorta (a)
und trifft gerade den Teil der Ursegmente, an welchem sich die Bildung der Sklero-
tome (sc) aus ihren inneren Blättern vollzieht. Man sieht, wie die aus der Mitte
des inneren Ursegmentblattes gleichsam herausfließenden Zellen sich der Aorta an-
legen und wie die einzelnen, von jedem Ursegment abstammenden Sklerotorae bereits
im Begriffe stehen , sich miteinander zu vereinigen und damit eine gleichmäßige
Bindegewebsschicht zu bilden. Die an die kranialen (ruk) und kaudalen (cuk) Ur-
segmentkanten anstoßenden Partieen des medialen Ursegmentblattes beteiligen sich
nur sehr wenig oder gar nicht an der Entstehung der Sklerotomzellen. cl Cutislamelle
des Ursegments.
Fig. 187 stellt einen Schnitt dar, der die Chorda etwa halbiert. Die dorsal-
wärts emporgewanderten Sklerotomzellen (sc) liegen noch in ganz distinkten Gruppen,
jede medial wärts von dem Ursegment, von dem sie abstammt; die einzelnen Sklero-
tome besitzen daher noch eine scharfe, metamere Anordnung, ml Muskellamelle des
Ursegments. cl Cutislamelle des Ursegments. mk kraniale, cmä- kaudale Kante des
Ursegments. An letzterer befindet sich an dieser Stelle offenbar ein Hauptwachs-
tumspunkt der beiden Ursegmentlamellen. ch Chorda. Ihre Zellen sind bereits
stark vakuolisiert, doch rufen sie, im ganzen betrachtet, noch den Eindruck einer
geldrollen artigen Anordnung hervor. Sowohl in Fig. 186 als auch in Fig. 187 macht
sich ein Verschieben der Ursegmente der rechten denen der linken Seite gegenüber
bemerkbar.
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Eippen und Brustbein. 369
M 11 skelz eilen um, sie bilden das sogenannte Myotom [Goodsir
1856, VAN WijHE 1882, C. Rabl 1888 u. A.] (Fig. 184, 185, 187, 188).
Aus jedem Ursegment entsteht also neben dem Skierotom ein Myotom ;
die letzteren behalten ihre von Anfang an streng ausgebildete seg-
mentale Anordnung während langer Zeit, oft das ganze Leben hin-
durch bei. Die einzelnen Myomeren, wie man wohl die voneinander
gesonderten, unmittelbar aus den Myotonien abstammenden Segmente
der späteren Rumpfmuskulatur nennt, wobei man allerdings berück-
sichtigen muß, daß zu ihnen nicht nur die aus den Muskelplatten,
sondern auch die aus den Seitenplatten herstammenden Muskeln ge-
hören, lassen häufig noch in späteren Stadien einen sicheren Schluß
auf die ursprüngliche, von den Ur Segmenten hervorgerufene Gliede-
rung zu.
Während das Skierotom stets neuen Zuwachs erhält aus dem
kranialen und kaudalen (Fig. ISQruh und cuk) sowie gleichzeitig auch
ventralen Abschnitt des inneren Ursegmentblattes (Fig. 184 und 185 vuk)
— dort, wo Ursegment und Seitenplatten aneinanderstoßen — liegen
die Wachstumspunkte des Myotoms an der dorsalen Kante des
Ursegments (Fig. 182 duk) und wahrscheinlich auch an der kaudalen
(Fig. 186 und 188 cuk) [soweit die letztere veutralwärts nicht von der
Bildung des Skierotoms in Anspruch genommen wird].
Der Zustand der Sklerotome, wie wir ihn bis jetzt kennen ge-
lernt haben, ist jedoch nur von kurzer Dauer. Bis dahin lag jedes
derselben für sich isoliert und überschritt nicht die Grenzen des Ur-
segments, aus welchem es seine Entstehung nahm. Infolge des schnellen
Wachstums beginnen sie sich nun aber über diese hinauszudehnen,
so daß sie nicht nur in kranialer und kaudaler Richtung miteinander
in Berührung kommen und sich vermischen (Fig. 188 sc), sondern daß
auch die der linken Seite mit jenen der rechten dorsal vom Nerven-
rohr und ventral von der Chorda (bezw. der Aorta) sich vereinigen
(Fig. 185).
Jene beiden Organe werden daher von nun an durch eine zu-
sammenhängende Masse von Bindegewebszellen eingeschlossen,
die man in ihrer Gesamtheit bei anderen Formen wohl als Peri-
chordalz eilen bezeichnet hat, (obgleich jener Ausdruck nicht ganz
ausreichend ist, da diese Zellen ja nicht allein die Chorda, sondern
auch das Rückenmark umgeben). Bald gelingt es, an dieser Binde-
gewebsschicht auch eine innere, fester anliegende Lage zu be-
merken, die man von den weiter peripher befindlichen und lockerer
gefügten Zellen als skeletoblastisches Gewebe (zum Teil
gleichbedeutend mit der Bezeichnung skeletogene Scheide) unter-
scheiden kann (Fig. 1S6 selb).
Bei Callorhynchus bleibt dasselbe in viel größerer Ausdehnung,
als es bei den höheren Formen der Fall ist, dauernd bindegewebig
und nur in beschränktem Maße diff'erenzieren sich in ihm später wirk-
liche harte Skelettteile. Im besonderen leiten sich aus demjenigen
Teil, welcher das Nervenrohr rings herum einschließt und den die
älteren Autoren Membrana reuniens nannten, die bindegewebigen
Hüllen des Rückenmarks, die oberen Bögen und der diese unterein-
ander verbindende Bandapparat ab.
Die Wirbelsäule besteht also, soweit wir ihre Entwickelung bis
jetzt verfolgt haben, um es nochmals zu wiederholen, aus der vaku-
oHsierten Chorda mit ihren Scheiden — der Faser scheide, die
Handbuch der Entwickelungslehre. III. 2. 24
370
H. Schauinsland,
noch zellenlos ist, und der elastischen Scheide — sowie einer
bindegewebigen Hülle, die Chorda, Nervenrohr und teilweise auch
Aorta gleichmäßig umschließt, und an welcher die median liegenden
Partieen als skeletoblastische Schicht unterschieden werden
können. Es ist dies ein Entwickelungsstadium, das mit dem Aus-
druck häutige oder membranöse Wirbelsäule oder auch als
Cyclostomenstadium bezeichnet werden kann.
Nachträglich ist noch zu bemerken, daß während der Ausbreitung
der Skierotome und ihres Zusammenschlusses zur Bildung der häutigen
Wirbelsäule die zu ihnen gehörigen Bindegewebszellen an einzelnen
Stellen den aus anderen Quellen herstammenden Mesenchymzellen
begegnen und sich mit ihnen anscheinend vermischen. Bildungsherde
derartiger Zellen sind vor allem das Darm- und Hautfaserblatt oder
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Fig. 188. Horizontaler Längsschnitt aus dem vorderen Teil des Schwanzes
eines Callorhynchus-Embryos von ebenfalls etwa 1,8 cm liänge. Vergr. 180 mal.
Der Schnitt halbiert etwa die Chorda, ist aber nicht völlig horizontal geführt, sondern
schneidet an der rechten Seite die Ursegmente bedeutend mehr dorsalwärts als an
der linken, ch Chorda. Die Vakuolisierung ihrer Zellen ist eine vollständige,
und an ihrer Peripherie hat sich die epitheliomorphe Rinden schiebt gebildet.
ml Muskellamelle. An der linken , mehr ventral wärts gelegenen Seite sieht
man in ihr deutliche Muskelfibrillen. cl Cutislamelle der Ursegmente. Auf
der Unken Seite beginnt ihre Auflösung in Mesenchymzellen. cuk kaudale Ur-
segraentkante, ein Hauptwachsturaspunkt der beiden eben genannten Lamellen.
sc Skierotome ; an der rechten Seite, also mehr dorsalwärts, sind dieselben noch
etwas voneinander gesondert, wenngleich sie auch hier bereits seitlich ineinander
überzugehen beginnen; an der linken dagegen sind sie bereits völlig miteinander
verschmolzen und bilden dort eine zusammenhängende Lage perichordaler Zellen,
von denen die der Chorda unmittelbar anliegenden als skeletoblastische Schicht (selb)
unterschieden werden können. Zwischen je zwei Ursegmenten liegen die Interseg-
mentalgefäße (isg), mit deren Hilfe man auch dann, wenn die Skierotome miteinander
verschmolzen sind, wie hier an der linken Seite, noch ihre ursprüngliche Grenzen
nachweisen kann. In jedem, durch je zwei Intersegmentalgefäße begrenzten Segment,
das hier ja auch durch die Ausdehnung der Muskellamelle (Myotom) bestimmt
wird, liegt außerdem die ventrale Nervenwurzel (mv) und kaudalwärts von ihr die
dorsale (dio), an der linken Seite (also weiter ventral) sind diese beiden Wurzeln
bereits zu dem einheitlichen Stamm des Spinalnerven (spn) verschmolzen.
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 371
dort, wo eine Leibeshöhle nicht mehr vorkommt, wie es im Schwanz
der Fall ist, die ungespaltene Seitenplatte [die Fig. 183^185 zeigen
das allmähliche Auflösen der Seitenplatten (sp) im Schwanz zu Mes-
enchymzellen]. Einen weiteren Zuwachs liefern die dorsalen Ursegment-
kanten (Fig. 184 duk), die wir bereits als Wachstumspunkte des Myo-
tonis oben kennen lernten. Es ist wahrscheinlich, daß die von hier
auswandernden Zellen (Fig. 184 ms) keine unmittelbare Verwendung
für die Wirbelsäule finden, sondern nur das Bindegewebe für die
dorsale Körperkante und den an diese angehefteten Flossensauni liefern
(Fig. 185). Endlich sind es die Cutisplatten, die einen lebhaften,
wenn auch ziemlich späten Anteil an der Erzeugung von Bindegewebe
nehmen. Aus ihren Zellen, die allmählich den epithelialen Charakter
verlieren (Fig. 185 und 188 cl), leitet sich ein großer Teil der Leder-
haut ab (Fig. 186), und sehr wahrscheinlich auch der distale Abschnitt
der Zwischenmus kelbänder (Ligamenta intermuscularia, Myo-
septa, Fig. 192 ms^), durch welche die einzelnen Myomeren von-
einander gesondert werden und gleichzeitig auch Stütz- und An-
heftungspunkte erhalten. Die proximalen Partieen jener Bänder
(Fig. 192, 193 ms) werden dagegen wohl ebenso, wie es bei den
Squaliden beobachtet worden ist, von den Skierotomen geliefert
werden.
Aus alledem erhellt es, daß, wie schon frühzeitig alle aus diesen
verschiedenen Entwickelungsherden stammenden Mesenchymzellen mit-
einander zusammenfließen und nicht mehr ihre gesonderte Herkunft
erkennen lassen, so auch später die aus den Skierotomen sich her-
leitenden Teile der Wirbelsäule ohne besonders scharfe Grenzen in
das übrige ihnen benachbarte Bindegewebe übergehen.
Infolge der im Querschnitt mehr oder weniger kreisförmigen
Gestalt der Chorda, des Nervenrohres und der Aorta werden einerseits
dorsal zwischen Chorda und Nervenrohr, andererseits ventral zwischen
Chorda und Aorta je zwei im Durchschnitt fast dreieckig erscheinende
Lücken gebildet (Fig. 183 u. 185 oh u. üb). Es ist natürlich, daß
bei dem Entstehen des Skierotoms und seinem späteren Ausbreiten
sich die von ihm stammenden Perichordalzellen zumeist an diesen
Stellen in erheblicher Anzahl anhäufen, und daß gerade hier die
skeletoblastische Schicht in größerer Mächtigkeit auftritt. Bei seit-
licher Betrachtung drückt sich dieses Verhalten in je einer oberen
und unteren Leiste aus, welche sich kontinuierlich auf der Chorda
in ihrer ganzen Länge erstreckt.
Diese Leisten sind übrigens weiter nichts anderes als die Basen,
auf denen sich einerseits das das Nervenrohr gleichmäßig einhüllende
membranöse Bogengewölbe erhebt, und von denen aus andererseits die
die Aorta seitlich umschließenden Bindegewebsmassen sich erstrecken.
In ihnen nehmen später die ersten knorpeligen Ele-
mente, welche in der Wirbelsäule auftreten, die oberen
und unteren Wirbelbögen, ihre Entstehung. Spielen diese
bei den Holocephalen auch noch keine hervorragende Rolle, so werden
sie bei den höheren Vertebratenformen dazu berufen, den Ausgangs-
punkt für die gesamte knorpelige Wirbelsäule zu bilden. —
Es könnte den Anschein haben, als ob die Wirbelsäule in ihrem
bis jetzt beschriebenen „häutigen" Zustand völlig der Gliederung
entbehre; das ist bei genauerer Betrachtung jedoch keineswegs der
Fall.
24*
372
H. Schauinsland,
Zunächst sind es die Myotonie und später die sich daraus ent-
wickehideu Myomeren samt clen zwischen ihnen befindlichen Myosepten,
die es ermöglichen, an den perichordalen Zell- und Bindegewebsmassen
Regionen, welche mit den ursprünglichen Ursegmenten bezw. Skiero-
tomen übereinstimmen, zu unterscheiden (Fig. 188, 192, 193).
chs
Fig. 189. Stück eines Querschnittes durch den vorderen Eunipf eines 5,8 cm
langen Callorhynchus-Embryos. Vergr. 675 mal. Auf der Abbildung ist der Teil
des Schnittes wiedergegeben, welcher durch die Anlage des unteren Bogens, in dem
noch keine richtigen Knorpelzellen aufgetreten sind, geführt ist. chs Chordascheide,
als Ganzes betrachtet; sie zerfällt in: es elastische Scheide, fs Faserscheide und
fs^ von Zellen frei bleibender Teil der Faserscheide (Elastica interna); in Wirklich-
keit ist die konzentrische Streifung viel feiner, ep sehr gut ausgebildete epithelio-
morphe Schicht der Chorda (Chordaepithel), v Vakuolen, n Kerne der vakuoli-
sierten Chordazellen, sz Zellen, die aus der ßogenanlage durch Lücken der elastischen
Scheide hineinzuwandern beginnen, sz^ Zellen, die bereits in die Faserscheide ein-
gedrungen sind (Scheidenzellen), und deren Kerne äußerst stark in die Länge ge-
zogen sind.
Nebenbei mag erwähnt werden, daß in Anlehnung an niedere
Zustände — Amphioxus und Cyclostomen — die Ursegmente der
rechten und linken Seite oft nicht in ihrer Lage übereinstimmen und
sich kranial- oder kaudalwärts gegeneinander verschieben, was sich
nicht selten in noch auffallenderer Weise bemerkbar macht, als es
hier auf den beigegebenen Figuren (Fig. 186 u. 187) zum Ausdruck
kommt. Auch die Länge der Ursegmente ist in den verschiedenen
Körperregionen nicht die gleiche; gemeinhin nimmt sie vom Kopf
nach dem Schwanz hin zu, um dann nach dem Schwanzende hin wieder
abzunehmen. Auf das Verschmelzen benachbarter Myotonie wird
noch weiter unten zurückgekommen werden.
Ein nicht minder sicheres Kriterium bei der Feststellung der
Grenzen der ehemaligen Ursegmente und Skierotome sind die In fer-
se gmentalgefäße, welche stets scharf an der Grenze zweier
Segmente liegen und nach der Ausbildung der Myosepten innerhalb
dieser ihre Lage haben, dabei sich meistens an ihre kaudale Seite
lehnend.
Innerhalb eines jeden durch Myomer, Myoseptum und Interseg-
mentalgefäße festgelegten Segmentes finden sich nun noch die Spinal-
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 373
nerven. Bestanden diese bei Petromyzon noch aus zwei von-
einander durch einen weiten Zwischenraum dauernd getrennten Ele-
menten, dem kranial gelegenen motorischen und dem kaudalen sen-
siblen Nerven, so hat hier bei Callorhynchus nun eine Vereinigung dieser
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Fig. 190. Teil eines Querschnittes durch den vorderen Rumpfabschnitt eines
8,5 cm langen Callorhynchus-Embryos. Vergr. 560 mal. Der abgebildete Teil des
Schnittes stellt die Umgelbung des rechten oberen kranialen Bogenstückes (ob^) dar,
dessen im Innern gelegene Zellen zum großen Teil bereits knorpelig sind, b das den
Bogen und die Chorda umgebende Bindegewebe (skeletoblastische Schicht), pch das
in der Bildung begriffene Perichondrium des knorpeligen Bogens. sz Knorpelzellen,
die aus den Bogen durch Lücken in der elastischen Scheide (es) in die Faserscheide
(fs) hineiuzuwandern beginnen, sz die in die Chordascheide bereits hineingewanderten
Zellen (Scheideuzellen). fs^ zellenloser Teil der Faserscheide (Elastica interna), az
Außenzone der Chordascheide, deren Zellen kürzer und rundlicher sind als die
in der Innenzone (iz) befindUchen. ep „Chordaepithel", das an diesem Präparat
sehr hoch und dicht war, dementsprechend auch die „Elastica interna" als ihr un-
mittelbares Abscheidungsprodukt von großer Mächtigkeit ist. v Vakuolen, n Kerne
der vakuolisierten Chordazellen.
beiden Bestandteile stattgefunden (Fig. 195 — 197). Der bedeutend
stärkere motorische Ast liegt ebenfalls kranial und entspringt ventral
am Rückenmark; der schwächere sensible nimmt etwas kaudal- und
stark dorsalwärts von ihm seinen Ursprung, schwillt zu einem starken
Ganglion an und vereinigt sich mit dem vorderen motorischen Nerv
etwa im letzten ventralen Drittel des Chordadurchmessers (P'ig. 195
bis 197).
Während Myoseptum und Intersegmentalgefäß einen zur Chorda-
achse fast senkrechten Verlauf innehalten, zieht der Spinalnerv mehr
oder weniger schräg zu ihr, und zwar kranial-kaudalwärts (Fig. 195
bis 197), so daß er, abgesehen von den unmittelbar hinter dem Schädel
gelegenen Partieen (Fig. 194), das Blutgefäß und Myoseptum noch in
demselben Segment während seines Verlaufes über die Chorda
schneidet.
374
H. Schauinsland.
Der Schnittpunkt des Spinalnerven und des Intersegmentalgefäßes
liegt je weiter nach dem Kopfe zu, desto mehr ventral, je weiter nach
dem Schwanzende hin, desto dorsaler (vergl. Fig. 195—197). Gleich
nach seinem Durchtritt durch die Wirbelsäule giebt der motorische
Nerv außer seinem ventralen Hauptast noch einen schwächeren
Fig. 191. Querschnitt durch
mr die Wirbelsäule im vorderen
Kumpfabschnitt eines 8,5 cm
. ' p langen Callorhynchus-Embryos.
Vergr.27mal. o6j kraniales oberes
Bogenstück. ob kaudales oberes
Bogenstück. nb unterer Bogen.
ep Chordaepithel, r Vakuolen, in
r der Mitte der Chorda bedeutend
a' o6 größer wie an ihrem Rande.
. g. j. n Kerne der vakuolisierten Chor-
^v^' dazellen, chs zellhaltige Chorda-
.: ^^ scheide, die äußere und die innere
/»,> ^•«/,- ^ , ^ Zone derselben sowie die „Ela-
*'^-Aa< ^^'^^ interna" sind angedeutet.
'■ >^ es es Elastica externa, b Bindege-
'Acu 5 webe, welches sowohl die Bogen
JL'^c^J^ cjis als auch die Chordascheide um-
-j-r»p^- n giebt und miteinander verbindet;
-:^ /,,?;•■ meistens kann man eine innere
"^vv""^ ^P Lage (skeletoblastische Schicht)
't^j 4 von den mehr distal gelegenen
;>--^ Partieen unterscheiden, mr Mem-
~~" ^ brana reuniens; Ueberrest der
'^-.^ häutigen Wirbelsäule, das
^^x ^^j obere Bogendach schließend, r
Rückenmark, p Pia mater des
j f Rückenmarks. a Aorta. m
Muskeln.
dorsalen Zweig ab, der sich kaudalwärts wendet, den sensiblen
Stamm überschreitet, ohne sich mit diesem in Verbindung zu setzen
(bei Chimaera vereinigt er sich jedoch mit dem sensiblen Ganglion)
und dann weiterzieht bis zum nächsten Spinalnerven, um auch
diesen noch entweder in der Gegend des Ganglions oder etwas tiefer
davon zu kreuzen und sich dann endgiltig dorsalwärts zu wenden
(Fig. 195-197).
Betrachten wir ein Segment in Bezug auf die geschilderten Zu-
stände nochmals, so finden wir es also kranial begrenzt von einem
Myoseptum, unmittelbar kaudal davon liegt das Intersegmentalgefäß,
darauf folgt der motorische (ventrale), dann der sensible (dorsale)
Spinalnerv, und den Beschluß macht endlich wieder ein Myoseptum.
Es ist von Wichtigkeit, sich dieser Verhältnisse stets zu erinnern,
denn durch sie erhalten wir eigentlich die einzige Hand-
habe, um uns über die Lage der einzelnen Teile der
Wirbelsäule Klarhei t zu schaffen , sowie über die Homologie
der verschiedenen Skelettteile derselben Gewißheit zu erlangen, und
zwar nicht nur bei Callorhynchus, sondern fast in der gesamten Reihe
der Vertebraten.
Die deutlichste Segmentierung erfährt das Achsenskelett aber da-
durch, daß innerhalb der skeletogenen Schicht an bestimmten regel-
mäßigen Stellen und ausgehend von den oben erwähnten Längsleisten
stärkere Ansammlungen von Zellen auftreten, die sich durch größere
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 375
Tingierbarkeit von ihrer Umgebung nicht unschwer unterscheiden
lassen. Im Bereiche je eines nach der eben geschilderten Weise be-
stimmbaren Segmentes finden sich regelmäßig je zwei derartige An-
häufungen, und zwar zwei in der oberen — zwischen Chorda iund
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Fig. 192. Horizontalschnitt durch das hintere Ende des Rumpfes eines 8,5 cm
langen Callorhynchus-Embryos in der Höhe der Mitte des Rückenmarkes; nur die
linke Seite ist vollständig abgebildet. Vergr. 31mal. Die Abbildung dient zur Erläute-
rung der gegenseitigen Lage der iSkelettstücke, Blutgefäße, Nerven u. s. w. r rostral
oder kranial, c kaudal. ob^ kraniales oberes Bogenstück. ob kaudales oberes Bogen-
stück. Der Schnitt ist nicht völlig horizontal geführt, sondern die linke Seite liegt
etwas mehr dorsal als die rechte ; daher sind an der linken Seite auch nur die Spitzen
der kranialen Bogen getroffen, vw ventrale (motorische) Nervenwurzel, div dor-
sale (sensible) Nervenwurzel bezw. Ganglion, b Bindegewebe; an ihm kann man
eine innere Lage (skeletoblastische Schicht) unterscheiden, in welcher die Skelett-
stücke liegen , und durch welche auch die Lücken zwischen diesen geschlossen
werden (häutige Wirbelsäule). 7ns Myosepten, nach den kaudalen Bogenstücken
hinziehend. In ihnen oder an ihrer kaudalen Seite befinden sich die Intersegmentalgefäße
(isg). Zwischen ihnen hegen die aus der Muskellamelle des Ursegmentes abstammen-
den Myomeren (m). An der linken Seite zwischen dem 3. und 4. Myoseptum von
oben muß ein Myomer ausgefallen oder mit dem benachbarten verschmolzen sein,
denn hier liegen zwei Paar Bogenstücke innerhalb eines Myomers. ws, der nach
der Cutis hinziehende Teil der Myosepten. cl Cutis, aus der Cutislamelie des ur-
sprünglichen Ursegmentes stammend. Auch hier liegen ganz regelmäßig Interseg-
mentalgefäße fisgj, wodurch die Cutis segmentiert erscheint. Auch auf der Epi-
dermis sind dementsprechend Andeutungen einer Segmentierung sichtbar, n Rücken-
mark.
376
H. Schauinsland,
Nervenrohr gelegenen — Leiste und zwei in der untere n — zwischen
Chorda und Aorta — verlaufenden. Wir haben darin die ersten An-
deutungen der später knorpeligen oberen und unteren Bögen zu
erblicken, üa selbstverständlich das Auftreten der Bogenanlagen in
der rechten und linken Körperhälfte gleichmäßig erfolgt, so sind in
einem vollständigen Körpersegment acht derselben vorhanden, vier
obere und vier untere. In jedem der ehemaligen Skierotome sind
also vier entstanden, von denen ein oberes und ein unteres Stück
dem kranialen Teil desselben angehören und das andere ventrale
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Fig. 193. Horizontalschnitt durch den hinteren ßumpfabschnitt eines 8,5 cm
langen Callorhynchus-Embryos in der Höhe der Chorda. Vergr. etwa 45 mal. ?•
kranial, e kaudal. ep „Chordaepithel", v Vakuolen der Chorda, es elastische
Chordascheide, fs zellhaltige Chordascheide. Auf der rechten Seite sieht man, daß die-
selbe überall gleichmäßig ausgebildet ist und nirgends Andeutungen von einzelnen
Wirbelkörpern aufweist. Auf der linken Seite, die etwas mehr dorsal getroffen ist,
bemerkt man an dem lateralen Rande in jedem Körpersegment die ein wenig in die
Chordascheide hineinreichenden Basen der oberen kranialen Bogenstücke (obj. fs,
„Elastica interna". (Die Führungslinie müßte etwas weiter nach links bis in den hellen
Saum hineinreichen.) Die übrigen Bezeichnungen sind dieselben wie auf Fig. 192.
und dorsale dem kaudalen. Die Annahme ist nicht völlig von der
Hand zu weisen, daß diese Sonderung jedes einem Segment zuzurech-
nenden Abschnittes der Wirbelsäule durch die Bogenanlage in einen
vorderen und einen hinteren Teil auch bei Callorhynchus bedingt wird
durch eine von vornherein schon im ursprünglichen Skierotom be-
stehende Trennung. Namentlich im Hinblick auf höhere Formen (z. B.
Reptilien), bei denen eine derartige Scheidung des Skierotoms durch
die Ursegmentspalte in ein kraniales und ein kaudales Stück deutlich
nachweisbar ist, kann man sich des Gedankens nicht entschlagen, daß
diese Tendenz zur Teilung auch bei Callorhynchus schon in frühester
Zeit im Skierotom scheinbar latent vorhanden ist, um dann beim Auf-
treten der Bogenanlagen — oder Skleromeren, wie man diese aus
dem Skierotom entstandenen metameren Stücke in Analogie mit den
Myomeren wohl nennen kann — wirklich erst augenfällig zu werden.
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 377
Außerdem ist es nicht ausgeschlossen, daß sich vielleicht auch bei
Holocephalen an dafür geeignetem Material Andeutungen einer solchen
Ursegmentsspalte noch werden nachweisen lassen, wie ja auch bei
Squaliden die von C. Rabl an der entsprechenden Stelle gefundene
Ausstülpung des Ursegments als etwas Aehnliches aufzufassen ist. —
Indem wir vorläufig die weitere Entwickelung der Bogenanlagen
noch nicht berücksichtigen, wenden wir uns zunächst Vorgängen zu,
die mittlerweile in den Chordascheiden sich bemerkbar gemacht
haben. Wir verließen diese, nachdem wir sowohl die Ausbildung
der elastischen als auch der Faserscheide verfolgt hatten ; Zellen waren
bis dahin in letzterer noch nicht enthalten.
Nach dem ersten Auftreten der Bogenanlagen in den vier der
Chorda peripher aufsitzenden Längsleisten — die Faserscheide hat um
diese Zeit eine Dicke erreicht, welche etwa dem Kerndurchmesser einer
der Perichordalzellen gleichkommt — beginnen einige Zellen oder,
was wohl richtiger ist, einige ihrer offenbar nur mit ganz geringen
Protoplasmamassen umgebenen Kerne, die der Chordascheide
zunächst liegen, in diese einzudringen (Fig. 182 u. 189). Es mag da-
bei unentschieden bleiben, ob die elastische Scheide erst durch das
Eindringen der Kerne durchlöchert wird, oder ob sie es bereits vor-
her war, jedenfalls zeigt sie um diese Zeit unterhalb der ihr aufliegen-
den Bogenbasen zahlreiche Lücken.
Anfangs sind diese emdringenden Zellen oder Kerne noch keines-
wegs Knorpelzellen — wie es wohl bei anderen Formen behauptet
wurde — sondern gehören den diesen in der Entwickelung vorher-
gehenden Bindegewebszellen an ; allerdings dauert die Einwanderung
auch nach der Umwandlung der Bogenstücke in Knorpel noch fort.
Die eingewanderten Kerne nehmen, nachdem sie in die Faser-
scheide gelangt sind, eine längliche, spindelförmige, oft aber auch
geradezu fadenförmige Gestalt an; sie wenden sich dabei anfangs vor-
nehmlich der Mitte der Faserscheide zu. Diese zeigt in jenem
Stadium im Bereiche der Bogenanlagen — etwas später auch in den
übrigen Teilen — keine durchweg gleichartige Ausbildung. Man kann
dort an ihr nämlich zwei fast gleich dicke Lagen unterscheiden (Fig. 189),
eine innere, der epitheliomorphen Rinden schiebt der Chorda un-
mittelbar anliegende, die sich durch eine ungemein zarte, aber regel-
mäßige, konzentrische Streifung auszeichnet, als wäre sie aus den
feinsten Lamellen zusammengesetzt, und eine äußere; letztere zeigt
auf dem Querschnitt statt der konzentrischen eine völlig unregelmäßige
Zeichnung, als ob sie angefüllt wäre von zahlreichen feinsten Vaku-
olen, und ist offenbar bedeutend lockerer gefügt und besitzt keine so
große Festigkeit wie die innere Schicht. Die eindringenden Zellen
begeben sich nun, wie gesagt, zunächst zum großen Teil zwischen
die beiden eben geschilderten Lagen der Faserscheide, wodurch die
Abgrenzung derselben voneinander noch schärfer wird; dann ver-
teilen sie sich aber auch und zwar ziemlich gleichmäßig in der oberen
lockeren Schicht. Von hier aus schreiten sie weiter auch in die
Partieen der Scheide ein, die nicht nur an den Bogenanlagen, son-
dern auch außerhalb derselben sich befinden , so daß sie endlich
die Chorda in einem geschlossenen Kreise umgeben. Da sie an keiner
Stelle in die innere Schicht eindringen, sondern sie stets freilassen,
so besteht von nun an die Faserscheide, und zwar dauernd, aus einer
äußeren zellen haltigen Schicht und aus einer inneren zel-
lenfreien; letztere ist die sogenannte Elastica interna. Diese
378
H. Schauinsland,
OB
Fig. 194.
oh obf
ob^ + ob [ i dw
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tib isg ub^ + ub ^C'"^'"^"^ '*^ ^'^^ "''
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ob VW dw
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Fig. 195.
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ub^ üb ch isg
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ob^ ob
Fig. 197.
rd VW dw rd
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Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 379
Fig. 194 — 197. Teile der Wirbelsäule eines 10 cm langen Callorhynchus-Embryos.
Vergr. 12 mal. Fig. 194 stellt ein Stück aus dem vordersten Abschnitt der Wirbel-
säule dar; vorn fernen nur noch einige Segmente bis zum Occipitalgelenk. Fig. 195
zeigt einen Abschnitt aus dem mittleren Rumpf. Fig. 196 bildet den vordersten
Teil des Schwanzes ab (mit dem ersten rostralen Segment beginnt gerade der Schwanz)
und Fig. 197 einen weiter kaudalwärts gelegenen Teil desselben, r rostral oder kranial.
c kaudal. cä Chorda mit der sie umgebenden Scheide, ob^ kraniales, oh kaudales oberes
Bogenstück. In Fig. 195 sind dieselben äußerst regelmäßig ausgebildet. In Fig. 194 sieht
man, wie das kaudale Stück (ob) allmählich auf das kraniale heraufrückt und endlich
mit diesem vollständig verschmilzt. Die daraus entstandenen Bögen fo6j -|- ob) ver-
schmelzen dann ebenfalls noch miteinander — auch an der dorsalen Seite — und
bilden ein einheitliches Stück (OB), an dem sich vorn der Eückenstachel einlenkt.
Am Schwänze bemerkt man das allmähliche Kleinerwerden des kaudalen Bogenstückes
(Fig. 196) und sein schließliches Verschwinden (Fig. 197). uh und ub^ untere Bögen.
In der mittleren Körperpartie und am Anfang des Schwanzes (Fig. 195 und 196)
sind sie in jedem Segment regelmäßig in der doppelten Zahl vorhanden. In der
Nähe des Schädels (Fig. 194) verschmelzen die innerhalb eines Segmentes gelegenen
unteren Bogenstücke miteinander, werden dabei gleichzeitig größer, umwachsen die
Chorda weiter nach oben und verschmelzen schließlich mit den untereinander ver-
wachsenen oberen Bögen, nachdem auch sie vorher zu einem einheitlichen Knorpel-
stück sich zusammengefügt haben. Am Schwanzende werden die unteren Bögen
auch schon beim Embryo unregelmäßig (Fig. 197). isp Spinalnerv, vw ventrale
(motorische), dw dorsale (sensible) Wurzel desselben mit Ganglion (g). rd Ramus
dorsalis der ventralen Wurzel, in die Gegend des Ganglions des darauf folgenden
Spinalnerven ziehend. Die Spinalnerven sind zum größten Teil nicht ausgezeichnet,
sondern nur durch Punktierung des Verlaufes der ventralen Wurzel angedeutet. In
dem zwischen je zwei Spinalnerven gelegenen Raum („Neuromer") befinden sich im
Rumpf und Anfang des Schwanzes stets zwei obere und zwei untere Bogenstücke.
Vom 8. Schwanzsegment an (ob^) finden sich weiter kaudalwärts zunächst zweimal
zwei, dann dreimal zwei uud schließlich eine ganze Anzahl oberer Bogenstücke
(Dipio- und Polyspondyiie). isg Intersegmentalgefäße, meistens nur durch eine punk-
tierte Lmie angedeutet; etwas kranial von ihnen verlaufen die (nicht gezeichneten)
Myosepten, Aus ihrer Lage kann man die Grenzen der ursprünglichen Ursegmente
entnehmen. Zwischen je zwei Intersegmentalgefäßen liegen ebenso, wie es bei den
Nerven der Fall ist, anfangs stets je zwei, vom 8. Schwanzsegment an aber zweimal
zwei, dreimal zwei und schließlich viele Bogenstücke. Man beachte die kranial-
kaudalwärts immer weiter dorsal verlegte Kreuzungsstelle der Spinalnerven mit den
I n tersegm en talgef äßen .
ist also weiter nichts als der innere, von den Zellen frei gelassene
Teil der Faserscheide und stellt offenbar die jüngsten, von dem Chorda-
epithel zuletzt abgeschiedenen Partieen derselben dar (Fig. 189 u. 190j.
In Uebereinstimmung mit dem auf einigen Entwickelungsstadien äußerst
üppig ausgebildeten Chordaepithel (Fig. 190) ist die Elastica interna
bei Callorhynchus meistens von großer Mächtigkeit und wird erst
bei zunehmendem Alter undeutlicher.
Die Chordascheide hat nunmehr gegen früher eine tiefgehende
Veränderung erfahren, sie ist zellhaltig geworden und hat damit
den Cyclostomen gegenüber einen höheren Grad der Entwickelung
erreicht (in Bezug hierauf und im Vergleich mit ihrem vorange-
gangenen, primären zellenlosen Zustand könnte man sie jetzt auch
als sekundäre Chordascheide bezeichnen). Peripher wird sie scharf
begrenzt von der Elastica externa und centralwärts gegen die
Chorda hin weniger distinkt durch die „Elastica interna", beides
zellenlose Schichten, deren Entstehung wir ja oben verfolgt haben.
Die zwischen ihnen gelegene zellenhaltige Partie vergrößert sich bald
außerordentlich, was sowohl auf Rechnung der immer zahlreicher ein-
wandernden Zellen als auch der zunehmenden Grundsubstanz der
Faserscheide zu setzen ist, obgleich diese während des Embryonal-
lebens den Zellen gegenüber ganz bedeutend an Mächtigkeit nach-
steht.
380 H. Schauinsland,
Das Einwandern der Zellen nimmt anch dann nicht ab, wenn
schon längst an den bis dahin bindegewebigen Bogenaulagen die Um-
wandlung in Knorpel sich vollzogen hat (P'ig. 190). Uebrigens ist
es dabei auch sehr wahrscheinlich, daß sich die Zellen der Faserscheide
nicht durch diese Einwanderung allein, sondern auch durch Teilung
an Ort und Stelle vermehren.
In der Grundsubstanz der Chordascheide erscheinen, je älter der
Embryo wird, desto deutlicher Fasern, deren Herkunft unsicher bleiben
muß. (Man vergleiche übrigens die bei den Cyclostomen hierüber ge-
machten Mitteilungen.)
Es ist von Bedeutung, darauf hinzuweisen, daß die beschriebenen,
in der Chordascheide stattfindenden Veränderungen sich in kranial-
kaudaler Richtung gleichartig vollziehen. Die von den Bogen aus
eindringenden Zellen breiten sich völhg gleichmäßig in der Längs-
richtung hin aus; es ist, abgesehen von den unmittelbar den
Bogen anliegenden Stellen (Fig. 193) kein Unterschied vorhanden
zwischen den innerhalb oder außerhalb des Bereiches der Bogen ge-
legenen Partieen, und so kommt es daher auch nicht einmal zu einer
Andeutung von intervertebralen und vertebralen Zonen (Wirbelkörpern)
innerhalb der Chordascheide, und von irgend einer Segmentierung ist
dort nichts zu erkennen.
Während eine solche Differenzierung nach der longit udinalen
Richtung hin fehlt, macht sie sich an dem eingewanderten Zellmaterial
aber sehr bald bemerkbar, je nachdem dieses mehr peripher- oder
mehr centralwärts gelagert ist (Fig. 190). Die peripheren Zellen
sind kürzer und dicker, die centralen länger und noch mehr spindel-
förmig. Diese beiden Zonen in der Chordascheide unterscheiden sich
bei älteren Embryonen außerordentlich deutlich voneinander; die
äußere derselben entspricht zweifellos der Außenzone der Wirbel-
körper bei den Squaliden, wie wir sie später dort kennen lernen
werden, und die innere ist beim Embryo der Innen- und Mittel-
zone derselben zusammengenommen gleichzusetzen. Von einer
Mittelzone selbst kann man erst bei älteren Tieren sprechen, und
namentlich bei Chimaera, wenn sich dort zwischen der inneren und
äußeren Zone eine Schicht bildet, in welcher sich Kalksalze ablagern,
wobei es dann zur Ausbildung der noch später zu erwähnenden Kalk-
ringe kommt.
Es ist jedenfalls in hohem Grade bemerkenswert, daß bereits hier
bei den Holocephalen, bei denen einzelne Wirbelkörper noch durchaus
nicht vorhanden sind, dennoch schon derartige Differenzierungen auf-
treten, die nicht nur zu den Squaliden, sondern auch zu den höchsten
Vertebratenformen hinüberleiten, worüber weiter unten noch gehandelt
werden wird.
Die meisten der bis jetzt an der Chorda erwähnten Vorgänge
spielen sich auf ihrer ganzen Länge ab ; so finden wir sie denn auch
in dem im Schädel steckenden Abschnitt, abgesehen von ihrem
äußersten Ende, das einer baldigen völligen Rückbildung anheimfällt
(vergl. Froriep 1902), sowohl von einer gut ausgebildeten Elastica
externa als auch von einer Faserscheide umgeben. In letztere wandern
auch hier von den sie umschließenden Knorpelmassen aus, Zellen
hinein, und zwar vornehmlich — wenn auch nicht ausschließlich —
ebenso wie an der Wirbelsäule von vier, oberem und unterem Bogen
entsprechenden, Punkten aus. Eine Elastica interna ist dann ebenfalls
deutlich nachweisbar.
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 381
Hingewiesen möge endlich noch auf ein Organ werden, dessen
Bedeutung bei Callorhynchus ebenso rätselhaft bleibt wie bei den
anderen Vertebraten, bei denen es bis jetzt beobachtet wurde, nämlich
auf die sogenannte Hypochorda oder Subchorda. Diese besteht
aus einem soliden, mehr oder weniger runden, im Querschnitt nur
aus wenigen Zellen zusammengesetzten Strang, der sich aus dem am
meisten dorsal gelegenen Teil der Darm wand abspaltet und anfangs
zwischen dieser und der Chorda, später zwischen der Aorta und der
Chorda gelegen ist (Fig. 183 — 185). In der Zeit ihrer höchsten Ent-
wickelung ist die Hypochorda ebenfalls mit einer cuticularen Scheide
umgeben, die Aehnlichkeit besitzt mit der Elastica externa der Chorda
und färbenden Reagentien gegenüber sich ebenso verhält wie diese.
Schon sehr frühzeitig wird die Hypochorda wieder zurückgebildet und
verschwindet, ohne irgend eine Spur hinterlassen oder an der Bildung
irgend eines anderen Organs teilgenommen zu haben.
Wenden wir uns nunmehr wieder der Betrachtung der oberen
und unteren Bögen zu! Wir sahen, daß sie sich zu je zwei an
jeder Seite innerhalb eines Segmentes anlegten; allmählich werden
sie knorpelig und bei Embryonen eines mittleren Entwickelungsstadiums
(Fig. 194—197) sind die oberen Bogenstücke derart ausgebildet,
daß das eine unter ihnen, von fast dreieckiger Form und niedriger
Gestalt, mit breiter Basis der Chordascheide aufsitzt, während
das andere, lang und schmal, seitlich von dem Nervenrohr sich hoch
emporreckt, dagegen ventral nicht mehr in unmittelbarer Verbindung
mit jener steht.
An dieses längere Stück, und zwar nahe seiner kaudalen Kante,
setzt sich das Myoseptum an, das zwei benachbarte Myomeren trennt,
ihnen gleichzeitig aber auch Halt gewährt. Durch die Vermittelung
des Myoseptums und des langen Bogenstückes wird somit vornehmlich
die Wirkung der Muskelfaser auf das axiale Skelett übertragen. Es
sind das Verhältnisse, die auch bei anderen Formen mit doppelten
und different ausgebildeten Bogenstücken stets wiederkehren.
Bei erwachsenen Holocephalen (Fig. 200) wurde von J. Müller
(1834) das lange, schmale Knorpelstück als Bogen, das niedere,
breite, als Intercalare bezeichnet, während von Goette, Hasse
u. A. gerade das letztere für den wirklichen Bogen, und das andere
für das Schaltstück gehalten wurde. Es dürfte sich empfehlen, beide
Bezeichnungen lieber zu vermeiden. Beide Stücke sind Komponenten
des Bogens, erst beide zusammen bilden ihn. Sie sind, wie ein
eingehendes Studium der Vertebraten zeigt, Bausteine, die in der
verschiedensten Weise bei der Konstruktion des Bogengewölbes Ver-
wendung finden können. Bald sind es beide, die dazu fast gleich-
mäßig benutzt werden, bald dient vorwiegend der eine, bald der
andere für diesen Zweck. Dann wieder verschmelzen sie miteinander,
und zwar so, daß sowohl Stücke desselben Segments als auch
zweier verschiedener, benachbarter zusammengefügt werden. End-
lich kann auch eins gänzlich der Rückbildung anheimfallen und wiederum
derart, daß bald das eine, bald das andere verschwindet. Das Studium
aller dieser Variationen ist jedenfalls eine der anziehendsten Aufgaben
der vergleichenden Anatomie und dürfte in Zukunft noch häufigere
Beachtung finden.
Die unteren Bögen (Fig. 191, 194—198) sind bei Callorhynchus
anfangs in fast völlig gleichmäßiger Ausbildung vorhanden, und zwar
382
H. Schauinsland,
finden auch sie sich auf jeder Seite in doppelter Anzahl; es sind
zwei kleine, in kranial-kaudaler Richtung mehr oder weniger längliche
Knorpelstücke, die beide der Chordascheide aufsitzen. Im Bereich
des Schwanzes sind sie der Medianlinie mehr genähert und bilden
mit dem nicht in Knorpel umgewandelten, sondern membranös bleiben-
den Abschnitte der Bögen einen Kaudalkanal zur Aufnahme der
Aorta und der Kardinalvenen, wogegen sie im Rumpfe entsprechend
der weiten Leibeshöhle auseinanderweichen.
Kaum erwähnt zu werden braucht es wohl, daß der häutig
bleibende Teil der Wirbelsäule sowohl die dorsalen als auch die
ventralen in ihr entstandenen Knorpelstücke seitlich miteinander ver-
bindet und sie zu einem
.-T-- zusammenhängenden Kanal
vereinigt, der erst dadurch
seinen Zweck, Schutz den
von ihm eingeschlossenen
Organen und Stütze den
sich an ihn heftenden Mus-
keln zu gewähren, völlig
erfüllen kann. Während
bei den Cyclostomen die
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P
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VW
-es
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ep
Fig. 198. Querschnitt durch den
vordersten Teil der Wirbelsäule
eines 8,5 cm langen Callorhynchus-
Embryos. Vergr, 27 mal. (Die
Details sind bei stärkerer Ver-
größerung eingezeichnet.) Obere
und untere Bögen miteinander
verwachsen. Die oberen Bögen
sind außerdem nicht nur dorsal
verschmolzen , sondern bilden
auch eine Art Domfortsatz. Die
unteren Bögen sind ventral noch
voneinander getrennt; einige
Schnitte weiter nach vorn ver-
wachsen sie dort ebenfalls, vw ven-
trale Nervenwurzel. Die übrigen
Bezeichnungen wie in Fig. 191.
h'äuti'ge Wirbelsäule diese Aufgabe noch fast ausschließlich über-
nimmt, wird sie ihr bei Callorhynchus schon beträchtlich durch die
Knorpelbögen abgenommen, was fortan bei den höheren Formen in
fortwährend zunehmendem Maße der Fall ist.
Verfolgt man die Lage der Blutgefäße und der Nerven
zu den knorpeligen Bogenstücken, so findet man (Fig. 192
bis 196), daß die Intersegmentalgefäße unmittelbar kaudal von
den längeren, der Chorda nicht aufsitzenden oberen Bogenstücken {ob)
verlaufen, fast senkrecht die Chorda mit ihren Scheiden ventralwärts
überschreiten und dann immer je zwei der unteren Bogenstücke von
den nächstfolgenden zwei trennen ; sie liegen dabei entweder inner-
halb der Myosepten oder dicht an ihrer kaudalen Grenze. Beide
Wurzeln des Spinalnerven entspringen oberhalb des kleineren der
beiden neuralen Bogenstücke (Fig. 194 und 195), und zwar tritt die
motorische (ventrale) Wurzel etwas kaudal von dem intersegmentalen
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 383
Blutgefäß hervor, während die sensible (dorsale) nicht nur mehr dorsal,
sondern auch weiter kaudal hervorkommt.
Daß die letztere zunächst zu einem nicht unbedeutenden Ganglion
anschwillt und sich erst nach ziemlich langem Verlauf mit der moto-
rischen vereinigt, wurde bereits früher geschildert, wie auch darauf
aufmerksam gemacht worden ist, daß der Verlauf der Spinalnerven
im Bereich der Chorda und ihrer Scheide im vordersten Teil des
Rumpfes fast senkrecht ist, während er weiter nach hinten davon
immer mehr und mehr kaudal abweicht, so daß das nächstfolgende
Intersegmentalgefäß bald von den Nerven überschritten wird ; und
Fig. 199.
Fig. 200.
ob dw
ob^
dp
kr
td)
Fig. 199. Obere Bögen u. s. w. aus der vorderen Region der Wirbelsäule einer
etwa 15 cm langen Chimaera. Das Präparat ist so gewonnen, daß die beider-
seitigen Bögen von der Chordascheide abgeschnitten, platt ausgebreitet und dann
von oben gezeichnet wurden, ob kaudale, ob^ rostrale obere Bögen, dj) Deckplatten
oder 8chlußstücke (J. Müller), vw Austritt der ventralen Nervenwurzeln (das
kraniale Bogenstück durchbohrend), diu Austritt der dorsalen Nervenwurzel.
Fig. 200. Stück der Rumpf Wirbelsäule einer erwachsenen Chimaera (nach
Hasse, unter Veränderung der Bezeichnungen). o6 kaudale, oö, kraniale obere Bögen.
üb untere Bögen, vw Austritt der ventralen, dw Austritt der dorsalen Nervenwurzel.
kr Kalkringe in der Chordascheide.
zwar verschiebt sich je weiter nach dem Schwänze hin in desto höherem
Grade der Schnittpunkt zwischen Nerv und Gefäß dorsalwärts (Fig. 194
bis 197).
Vergleicht man diese Verhältnisse mit denen, wie sie bei den
Cyclostomen — im besonderen im Schwänze von Petromyzon — vor-
kommen, so ist es nicht schwer, direkte Anknüpfungspunkte zwischen
diesen beiden Formen zu finden.
Denkt man sich bei Callorhynchus (Fig. 195) das kleinere der
beiden Bogenstücke (o&,) schmaler, dafür aber länger und die Aus-
trittsstelle der beiden Nervenwurzeln noch etwas mehr kranial- und
kaudalwärts auseinandergerückt, so würde der motorische und der
sensible Nervenstamm durch dieses Knorpelstück voneinander getrennt
sein, und man hätte dann denselben Zustand vor sich, wie bei Petro-
myzon, abgesehen davon, daß sich die beiden Wurzeln bei Callorhynchus
schon während ihres Verlaufes über die Chorda hin miteinander ver-
einigen, was bei Petromyzon nicht der Fall ist. Die Uebereinstimmung
wird noch größer, wenn man jüngere Stadien zu Rate zieht. Auf der
in Fig. 192 dargestellten Abbildung sieht man, wie die motorische
•7
384 H. Schauinsland,
Wurzel unmittelbar hinter dem segmentalen Blutgefäß und damit
gleichzeitig auch hinter dem größeren der beiden Bogenstücke heraus-
tritt, während thatsächlich der sensible Nerv zwischen ihnen liegt.
Nach Erwägung dieser Verhältnisse und vor allem auch aus dem
Verlauf der Blutgefäße, von denen man annehmen muß, daß sie noch
dieselbe Lage besitzen, wie sie sie von Anfang an innehatten, als in
den Skierotomen noch keine Bogenanlagen aufgetreten waren, und
sie scharf die Grenzen der ursprünglichen Ursegmente anzeigten —
es ist kein Grund vorhanden, anzunehmen, daß sie sich mittlerweile
verschoben haben sollten — , sieht man sich zur Annahme gezwungen,
daß das kleinere der beiden oberen Bogenstücke (oli^), welches mit
breiter Basis der Chorda aufsitzt, aus dem kranialen Teil des
Skierotoms entstanden ist, das zweite, an welches sich das Myoseptum
ansetzt, und an dessen kaudaler Seite das Blutgefäß verläuft (oft), aus
dem kaudalen; demnach wird fortan das erste als kraniales-
Bogenstück (o&,), das zweite als kaudales (oh) bezeichnet werden.
Schon jetzt mag darauf hingewiesen werden, daß von nun an bei
allen Vertebraten dieselben Verhältnisse wiederkehren. Fast immer
ist das kaudale Stück das größere und dient zur Anheftung des Myo-
septums; das kraniale dagegen ist in der Regel das kleinere, wie
es auch dasjenige ist, welches bei den höheren Vertebraten oft einer
mehr oder weniger vollständigen Rückbildung anheimfällt. Immer
verläuft das intersegmentale Blutgefäß an der kaudalen Seite des
kaudalen (größeren) Bogenstückes (ob) ; immer tritt hinter diesem auch
die motorische Nervenwurzel heraus, während die sensible (oder da&
spinale Ganglion) entweder dorsal oder bisweilen auch kaudal von
dem kranialen (kleineren, oh^) gelegen ist.
Bei den Formen, bei welchen eine Verschmelzung der beiden
Bogen- bezw. Wirbelkomponenten zu einem Stück erfolgt, kann
dieses so geschehen, daß entweder die zu demselben Segment ge-
hörigen Stücke sich zusammenfügen (obi-\-ob) — so z. B. bei den
vordersten Wirbeln von Callorhynchus, wie wir es gleich noch sehen
werden, den meisten Wirbeln von Amia etc. — oder derart, daß sich
das kaudale Stück des einen Segmentes mit dem kranialen des nächst-
folgenden verbindet {ob-{-obi), wie es z. B. bei den Amphibien und
den Amnioten der Fall ist.
Bei dem heutigen Stand unserer Kenntnisse ist eine andere als
die oben gegebene Deutung der Bogenstücke nicht möglich : das
Kriterium, welches wir aus der Lage der Blutgefäße, des Myosei)tums
und auch der Nerven gewonnen haben, läßt sie am wahrscheinlichsten
erscheinen. Jeder Versuch einer anderen Auslegung, die vornehmlich
darauf hinauslaufen würde, die Stücke gerade mit den entgegenge-
setzten Bezeichnungen zu belegen — also das, was oben als kraniale
Bögen hingestellt wurde, als kaudale zu benennen und umgekehrt —
mißglückt. Man müßte hierzu eine — namentlich bei den höheren
Formen — ganz gewaltige kaudale Verschiebung des Myoseptums und
der Intersegmentalgefäße gegenüber ihrem ursprünglichen Verhalten
annehmen, die ganz unwahrscheinlich ist und die z. B. mit den bei den
Amnioten gerade in den frühesten Stadien gemachten Befunden sich
nicht vereinigen läßt. Gesetzt aber auch den Fall, mau hätte eine
Auffassung, die der oben gegebenen entgegengesetzt ist, angenommen,,
so hätte man dadurch allerdings unter anderem erreicht, daß sich die
Wirbel der höheren Vertebraten aus einem und demselben der ur-
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 385
sprünglichen Skierotome (und nicht aus je einer Hälfte zweier be-
nachbarter) ableiten ließen, müßte dann aber gerade die Erklärungsweise,
die man dabei hier vermieden hat, bei anderen Formen (Callorhynchus,
Amia etc.) statt dessen wieder anwenden.
Man braucht trotzdem aber nicht zu vergessen, daß die Kennt-
nisse der Lage von Blutgefäßen, Nerven, Myosepten und ßogen-
stücken zu einander und der Versuch einer Homologisierung der letzteren
bei den verschiedenen Formen zum großen Teil nur auf den zum
Zweck der vorliegenden Abhandlung und einer einheitlichen Auffassung
des Bauplanes der Wirbelsäule in der ganzen Vertebratenreihe ge-
machten Studien beruhen. Den endgiltigen Entscheid in diesen Fragen
müssen erst zalilreichere, die Kraft eines einzelnen übersteigende
Untersuchungen erbringen, die an den verschiedensten Objekten, und
zwar von ganz frühen StadJen an, in ununterbrochener Reihenfolge
ausgeführt werden müßten ; hier mag es genügen, den Weg gewiesen
zu haben.
Um wieder zu Callorhynchus zurückzukehren, so verhalten sich
in der Weise, wie es vorher geschildert wurde, die oberen und unteren
Bogeustücke in dem größten Teil des Rumpfes und im Anfang des
Schwanzes; in der vordersten Rumpfpartie dagegen tritt hierin
eine Aenderung ein. Das kaudale obere Bogeustück verändert seine
Lage (Fig. 194) und rückt allmählich von hinten nach vorn derart
auf das kraniale herauf, daß es nun dorsal von ihm gelegen ist.
Schließlich verschmilzt es mit diesem, und zwar schon in ziemlich
frühen Embryonalstadien; dann ist also nur ein Bogenstück vorhanden,
dem man es von vornherein ohne Kenntnis der vorhergehenden, rasch
verlaufenden Entwickelungsstufen nicht ansehen kann , daß es sich
in Wirklichkeit aus zwei zusammensetzt. Es ist von Bedeutung, dar-
auf hinzuweisen, daß sich hier der definitive Wirbelbogen gemäß den
an die Lage der Intersegmentalgefäße etc. kurz vorher geknüpften
Erörterungen aus den beiden Stücken des gleichen, ursprünglichen
Skierotoms (und nicht aus den Hälften zweier benachbarter) bildet.
Diese derart zusammengesetzten oberen Bögen der rechten und linken
Seite verschmelzen dann später dorsal von dem Rückenmark —
was bei allen übrigen Wirbelbogen sonst nicht der Fall ist — und
außerdem auch noch seitlich zum größten Teil miteinander, so daß
je nach dem Alter des Individuums hier nur mehr oder weniger große
Lücken zum Durchtritt der Nerven übrig bleiben, aus deren Zahl
man auch noch später konstatieren kann, daß 12—13 Segmenten an-
gehörigen Bogenstücke zu einer Knorpelmasse sich vereinigt haben,
die hauptsächlich dazu dient, um dem großen sich hier einfügenden
Rücken Stachel Halt zu gewähren.
Aber auch die unteren Bögen verwachsen frühzeitig an dieser
Stelle; zunächst sind es nur die beiden Stücke desselben Segmentes
(Fig. 194), die zu einem zusammenfließen, an dem oft noch eine
Furche seine Entstehung andeutet ; dann aber verschmelzen auch diese
wieder miteinander zu einer völlig unsegmentierten Knorpelmasse.
Dabei umwachsen sie gleichzeitig allmählich ventral-dorsalwärts die
Chorda samt ihrer Scheide und stoßen endlich mit einer ähnlichen
dorsal-ventralwärts sich erstreckenden, von den oberen Bögen aus-
gehenden Umwachsung zusammen (Fig. 194—197), so daß dann hier
nicht allein Wirbelbögen vorhanden sind, sondern thatsächlich auch
Wirbelkörper, nur mit dem Unterschied, daß diese nicht voneinander
Handuch der Entwickelungslehre. HI. 2. 25
386 H. Schauinsland,
getrennt, sondern bereits miteinander verschmolzen in die Erscheinung
treten.
Es ist sehr beachtenswert, daß an dieser Stelle, an welcher an
die Leistungsfähigkeit der Wirbelsäule, im besonderen an ihre Festig-
keit größere Ansprüche gestellt werden, diese dadurch auch sofort
einen höheren Grad der Ausbildung erfährt, wobei Verhältnisse ge-
schaffen werden, die wirklich bereits an höhere Vertebraten erinnern.
Wir trafen sogar schon bei den Cyclostomen in dieser Region die
ersten Anläufe zur Umwachsung der Chorda seitens der Bogenbasen,
bei Callorhynchus ist sie durchgeführt und bei den Knorpelganoiden
sowie den Dipneusten, ebenfalls Formen, an deren Wirbelsäule im
übrigen auch nur obere und untere Bögen, aber noch keine richtigen
Wirbelkörper vorkommen, werden wir demselben Vorgang begegnen.
Bedeutende Abweichungen weist die Wirbelsäule auch am
Schwänze, und namentlich in seinem hinteren Abschnitt auf. Wäh-
rend im Rumpf und auch noch im vorderen Schwanzteil äußerst regel-
mäßig je zwei obere und untere Bögen in einem Segment liegen,
und somit einen, abgesehen von dem fehlenden Körper vollständigen
Wirbel bilden, ist das weiter hinten nicht mehr der Fall. Zunächst
wird das kaudale obere Bogenstück allmählich immer kleiner (Fig. 196
und 197) und verschwindet schließlich völlig; gleichzeitig damit werden
die unteren unregelmäßig und stimmen mit den oberen weder in der
Zahl noch in der Lage überein. Damit Hand in Hand geht eine
wichtige Veränderung in der Beziehung der intersegmentalen Blut-
gefäße sowie der Nerven zu den Knorpelstücken vor sich. Die ersteren
teilten vorher regelmäßig je ein Bogenpaar von dem anderen ab,
während die letzteren ebenfalls auch immer nur zu je einem Paar
gehörten. Das ändert sich mit dem Kleinerwerden der Bogen-
stücke im allgemeinen und dem Verschwinden des kaudalen oberen
Bogens im besonderen. Zunächst liegen die Intersegmentalgefäße
zwischen je zwei Bogenpaaren (in Fig. 196 vom 8. Schwanzsegment
an), dann zwischen je drei und schließlich zwischen einer so großen
Anzahl von Knorpelstücken, daß dieselben sicher 5 oder 6 Bogenpaaren
entsprechen (Fig. 197).
Gleichen Schritt damit hält der Spinalnerv; er überschlägt
genau ebensoviele Bogenstücke wie das Intersegmentalgefäß, so daß
zu einem „Neuromer" nicht mehr wie früher ein Paar, sondern
zwei, drei und mehr Knorpelpaare gehören. Die Lage des Nerven
zum Blutgefäß bleibt dabei dieselbe wie vorher; auch jetzt entspringt
er oberhalb des dem Gefäß unmittelbar vorhergehenden kranialen
Bogenstückes — soweit dieses sich als solches noch erkennen läßt —
und nicht etwa oberhalb eines der anderen, weiter kranialwärts ge-
legenen derartigen Knorpels (Fig. 196, 197). Der dorsale Ast des
motorischen Nerven behält ebenfalls seine alte Richtung nach dem
nächsten kaudalwärts folgenden Spinalganglion bei und ist zu diesem
Zwecke gezwungen, eine lange Strecke weit dicht oberhalb einer ganzen
Reihe neuraler Knorpelstücke einen völlig horizontalen Verlauf zu
nehmen (Fig. 197).
Daran anknüpfend, dürfte hier der Platz sein, auf die soge-
nannte Diplo- und Polyspondylie (Hasse) etwas näher einzu-
gehen.
Durch die Untersuchungen von J. Müller (1834), A. Kölliker
(1860), A. DuMERiL (1865), A. Goette (1875, 1878 etc.), H. v. Jhe-
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 387
RING (1878 und 1878=^), C. Hasse (1879—1882), P. Mayer (1886) u. A.
wurde vornehmlich bei Selachiern die Thatsache festgestellt, daß die
Zahl der Wirbel namentlich im Schwänze häufig nicht mit der Zahl
der Myomeren resp. „Neuromeren" (den zwischen je 2 Spinalnerven
gelegenen Körperabschnitten) übereinstimme, sondern daß auf jedes
dieser Segmente je zwei (Diplospondylie) oder mehr Wirbel (Poly-
spondylie) kämen. Man kann jedoch nicht sagen, daß die Frage nach
der Ursache dieser Erscheinung eine gleichmäßig befriedigende Antwort
erhielt, was zum Teil auch darin seinen Grund hatte, daß man sich
über das Verhältnis der „Bogenstücke'' und der „Intercalaria" zu ein-
ander noch nicht ganz im klaren war und die letzteren in einen ge-
wissen Gegensatz zu den ersteren stellte.
Daß der Grund nicht in einer nachträglichen Teilung ursprüng-
lich einfacher Wirbel gesucht werden kann, mag zunächst festgestellt
werden, wie das auch bereits von Goette Kölliker gegenüber ganz
richtig geschah.
Die Betrachtung der Holocephalenwirbelsäule, im besonderen die
Entwickelung derselben bei Callorhynchus, trägt nun folgendes zur Be-
urteilung dieses Problems bei.
Die innerhalb eines Segmentes der mittleren Rumpfpartie be-
findlichen zwei Bogenstücke, resp. beiden Skierotomhälften haben im
Vergleich mit den höheren Vertebraten den Wert von Halb wirbeln;
ein Schwanzwirbel z. B. von Sphenodon (abgesehen davon, daß er
zwei Ursegmenten je zur Hälfte angehört), entspricht bezüglich der
Bogen zwei Bogenstücken von Callorhynchus. Genau ebenso wie Callo-
rhynchus sind alle die Fälle zu beurteilen, in welchen sich primär
in jedem Segment zwei Bogenpaare dauernd vorfinden (Cyclo-
stomen, Holocephalen, ein großer Teil der übrigen Selachier, Knorpel-
ganoiden etc.). Jedes halbe Skierotom hat ursprünglich die Fähig-
keit, einen richtigen vollständigen Wirbel zu bilden. Bei Callorhynchus
geschieht es noch nicht, da die Bögen für gewöhnlich die Chorda nicht
umwachsen und es somit auch nicht zur Bildung fester Wirbelkörper
kommt. Bei Amia jedoch findet es, wie wir später sehen werden, im
größten Teil des Schwanzes in typischer Weise statt, und auch bei
Selachiern scheint es vorzukommen, z. B. im Schwänze von Dasybatis
(Robin 1847; P. Mayer 1886, Taf. XVIII, Fig. 3) und wahrscheinlich
auch bei Heptanchus, bei dem die Wirbel der vorderen und hinteren
Wirbelsäulenregion nur ein Paar Bögen, die der mittleren Region da-
gegen aber zwei Paar besitzen. Daher kann man mit Recht sagen, daß
primär stets Diplospondylie herrscht, und daß erst durch Verschmel-
zung (z. B. vordere Rumpfsegmente bei Callorhynchus, Rumpfwirbel
bei Amia etc.) oder durch Rückbildung, selbst völliges Verschwinden
des zweiten Bogen- resp. Körperteiles (Amnioten) Monospondylie
entsteht.
Etwas anderes als diese primäre Diplospondylie, bei der
sich in einem ursprünglichen Segment resp. einem Skierotom
je zwei Bogenpaare, eventuell auch zwei vollständige Wirbel (Amia)
finden, ist die Erscheinung, daß zu einem Myomer oder einem
Neuromer Skelettteile vorhanden sind, die offenbar nicht aus einem,
sondern aus zwei ursprünglichen Skierotomen entstanden sind, und
die meistens auch als Diplospondylie bezeichnet wird. In allen
diesen Fällen sehen wir, daß in der Regel 4 obere Bogenstücke (bis-
weilen auch 4 untere) und mindestens zwei Wirbelkörper zu einem
25*
388 H. Schauinsland,
von zwei Intersegmentalgefäßen begrenzten Muskelsegment gehören,
und daß in einem solchen Bezirk auch nur ein Spinalnerv vorkommt.
Solche Verhältnisse finden sich ebenfalls bei Callorhyuchus (siehe in
Fig. 196 die beiden rechts von ob^ folgenden Segmente) und fast
ausnahmslos im Schwänze alter Squaliden und Rajiden (Fig. 215b, 219,
220).
Es ist bei Callorhyuchus auf den ersten Blick klar, daß ein der-
artiger Zustand unmöglich durch eine „Wirbelteilung" oder eine nach-
trägliche „Einschaltung" von Skelettstücken hervorgerufen ist, sondern
allein durch eine im Laufe der Ontogenese sich vollziehende Re-
duktion von Myotonien bezw. durch die nachträgliche Ver-
schmelzung zweier benachbarter Myomeren, die mitbedingt wird durch
das Kleinerwerden der Skierotome und durch das allmähliche Ver-
schwinden einzelner sonst regelmäßig in ihnen entstehenden Skelettteile
(in Fig. 196 des kaudalen Bogenstückes ob). Daß mit der Reduktion
eines Myomers und dem Fortfall eines Myoseptums auch das darin
liegende Intersegmentalgefäß verschwindet, ist einleuchtend ; ob der
fehlende Spinalnerv überhaupt nicht angelegt wird oder erst im Laufe
der Entwicklung verloren geht, ist noch unbestimmt.
Uebrigens kann der Ausfall eines Myomers auch im Rumpf von
Callorhyuchus beobachtet werden, ohne daß dabei der dazu gehörige
Spinalnerv ebenfalls zu verschwinden braucht (Fig. 192). Ebenso wie
hier diese Erscheinung nur auf der einen Körperseite auftreten kann,
während sie an der entsprechenden Stelle der anderen Seite nicht be-
merkbar ist, so kann auch beim Beginn der Diplo- bezüglich Poly-
spondylie im Schwänze dieselbe auf der einen Seite bereits vorhanden
sein, während sie an der anderen noch fehlt; alles Anzeichen, daß es
sich thatsächlich um eine Reduktion von Myomeren handelt.
Es ist äußerst wahrscheinlich, daß dieses auch der Grund für die
Diplospondylie (die, wie wir sahen, im Gegensatz zur primären
Diplospondylie aber eigentlich eine Polyspondylie ist) der übrigen
Selachier ist, und daß es sich auch bei diesen nicht um eine sekun-
däre Verdoppelung durch nachträgliche Teilung handelt (v. Kölliker),
noch um eine spätere Eiuschiebung — Interkalation — derjenigen
Wirbelstücke, welche der Nerven entbehren, so daß diese den nerven-
haltigen gar nicht homolog, sondern nur analog wären (v. Jhering,
Hasse).
Die ganz ausgesprochene Polyspondylie bei Callorhyuchus, in
der auf ein Neuromer bezw. Myomer eine so große Zahl von Skelett-
stücken kommt, daß zu ihrer Bildung nicht nur zwei ursprüngliche
Skierotome, sondern vielleicht fünf oder sechs beigetragen haben
(Fig. 196 und 197), ist ebenfalls allein durch den in früheren oder
späteren Entwickelungsstadien stattgefundenen Ausfall bezw. durch die
Verschmelzung mehrerer Myomeren zu verstehen. Ganz ähnliche
Verhältnisse liegen wahrscheinlich bei den Selachierwirbeln vor, bei
welchen zu einem Wirbelkörper eine ganze Reihe oberer Bogen-
stücke gehören, wie z. B. bei den Rumpfwirbeln von Mustelus laevis
(Fig. 222).
Erklärlich wird dieser Vorgang dadurch, daß während der Onto-
genese und auch noch während des späteren Wachstums offenbar eine
Verkürzung einzelner axialer Körperpartieen, namentlich des Schwanzes
eintritt. Während z. B. in frühen Stadien von Callorhyuchus die Ent-
fernung der Schwauzspitze vom After etwa '-^^ der ganzen Körper-
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 389
länge ausmacht, beträgt sie später ungefähr nur die Hälfte derselben.
Hierdurch wird eine Verkleinerung bezw. ein völliger Ausfall einzelner
Skierotome und der darin entstehenden Skelettstücke veranlaßt, womit
dann wieder ein Verlust oder eine Verschmelzung verschiedener
Myotonie Hand in Hand geht. (Einen Ausfall von Metameren inner-
halb des Selachierstammes hat P. Mayer 1886 ebenfalls, wenn
auch von einer anderen Betrachtungsweise ausgehend, wahrscheinlich
gemacht.) —
Aus der Entwickelung der Holocephalenwirbelsäule in späterer
Zeit wäre noch folgendes zu erwähnen:
Die oberen Bögen, welche anfangs ziemlich weit voneinander ab-
standen (siehe die Eiguren), dehnen sich später aus, so daß sie dicht
zusammenschließen. Bei Callorhynchus z. B. nehmen dabei die kau-
dalen Bogen stücke an ihrer Basis, auf Horizontalschnitten gesehen,
die Form eines Keiles an, dessen Spitze medial-, dessen breite Seite
lateralwärts schaut.
Zwischen zwei solchen Stücken fügt sich dann der kraniale Bogen,
dessen kraniale und kaudale Kanten sich dem benachbarten Keil ent-
sprechend ebenfalls abgeschrägt haben, fest ein.
Durch das nahe Zusammenrücken der Bogenteile kommt es auch,
daß die ventrale Nervenwurzel, welche vorher an der dorsalen Seite
des kranialen Stückes zwischen diesem und dem vorhergehenden
kaudalen Bogen heraustrat, jetzt oft umwachsen wird und dann den
kranialen Knorpel durchbohrt.
Bei Chimaera wird am vorderen Ende der Wirbelsäule der Ver-
schluß des Nervenrohres noch auf besondere Weise vervollständigt.
Die kaudalen Bogenstücke besitzen hier — bei jüngeren Tieren —
(Schauinsland) die Gestalt regelmäßiger länglicher Sechsecke, die
mit je zwei Seiten aneinander stoßen, während die eine Spitze sich
fest zwischen zwei kraniale Bogenstücke einfügt, die andere jedoch
am Bogen dach mit der Spitze des entsprechenden Stückes der
anderen Seite zusammenstößt (Fig. 199). Auf diese Weise entstehen
an der Firste des oberen Bogendaches rhombenförmige Lücken zwischen
den kaudalen Bogenstücken, die anfangs von derselben faserigen
Bindegewebsmasse (der häutigen Wirbelsäule) ausgefüllt sind, die auch
sonst alle die Bogenstücke miteinander verbindet. Später jedoch bilden
sich auch hier Knorpel. Diese von J. Müller (1834) bei alten Tieren
Deckplatten oder Schlußstücke genannten Teile finden sich
demnach nur in der Einzahl in jedem Segment, liegen in derselben
Vertikalebene wie die kranialen Bogen und bewirken es, daß an diesen
Stellen das Rückenmark von einem vollständigen knorpeligen Rohr
eingeschlossen ist.
Die unteren Bögen, welche, wie wir bei Callorhynchus sahen,
anfangs ganz regelmäßig zu je zwei in jedem Segment lagen, verlieren
bei alten Individuen diese gleichmäßige Ausbildung. Sie können mit-
einander in der regellosesten Weise verschmelzen, entweder so, daß
die beiden desselben Segmentes zusammenwachsen, oder der vordere
mit dem hinteren des vorhergehenden Segmentes oder der hintere
mit dem vorderen des nachfolgenden, oder zwei desselben Segmentes
mit einem oder zwei der benachbarten Segmente. So kommt es, daß
die unteren Bögen zunächst in ihrer Größe sehr verschieden sind, dann
daß die der einen Seite ganz anders ausgebildet sein können als die
der anderen, und endlich, daß sie weder mit den oberen Bogenstücken
noch mit den ursprünglichen Segmenten übereinstimmen.
390 H. Schauinsland,
Am Schwänze können sie ventral miteinander verwachsen, so daß
der Kau d alkanal zur Aufnahme der Gefäße rein knorpelig werden
kann. Es finden sich in diesem Falle bei Chimaera (Hasse 1882) dann
zwischen den unteren Bögen ebenfalls hyalinknorpelige S c h 1 u ß s t ü c k e
vor. (Uebrigens erscheinen die oberen Schlußstücke in dieser Gegend
nach demselben Autor in einer solchen Gestalt, daß sie an Dornfort-
sätze erinnern.)
Gegenbaur (1862) beschrieb Kalkplättchen, welche als Belag
der Bögen nicht nur an ihrer äußeren Oberfläche, sondern auch an
ihrer Innenseite vorkämen. Dieses bereits stark an die Squaliden er-
innernde Verhalten wurde von späteren Beobachtern nicht mehr auf-
gefunden, jedoch konnte neuerdings durch Schauinsland die Angabe
Gegenbaur's an einer etwa 20 cm langen jungen Chimaera bestätigt
werden.
Im Centrum der Chorda tritt bei alten Tieren (Hasse 1882)
ein seitlich abgeplatteter Strang auf (Funiculus), der aus den cen-
tralen, zusammengepreßten und miteinander verschmolzenen Vakuolen-
wänden durch den Wachstumsdruck der peripheren Chordamassen ent-
standen ist.
Im übrigen bleibt die Chorda dauernd ein gleichmäßig dicker
Stab , an dem man auch dort , wo die Bogen aufsitzen , kaum die
ersten Andeutungen von beginnenden Einschnürungen nachweisen
kann. Im peitschenförmigen Schwanzende kann die Chorda bei
Chimaera (Studnicka 1900) völlig verknorpeln.
An der Chordascheide erhält sich die Elastica externa
überall, auch dort, wo sie, wie es am vordersten Wirbelsäulenahschnitt
geschieht, völlig von den miteinander verwachsenen oberen und unteren
Bögen von außen umgeben wird. An den Stellen jedoch, wo die
Bögen der Chordascheide unmittelbar aufsitzen, und von wo aus, wie
wir sahen, ein Einwandern der Bogenzellen durch Lücken der Elastica
externa hindurch in die bis dahin zellenlose Faserscheide in früher
Zeit stattfand, ist die elastische Scheide zum größten Teil völlig redu-
ziert, so daß der Bogenknorpel in direktem Zusammenhang mit dem
Gewebe der zellenhaltigen Faserscheide steht. Die Lücke der Elastica
unterhalb der Bogenbahn ist aber keineswegs eine einheitliche, sondern
setzt sich aus mehreren Teilen zusammen, die wahrscheinlich nur
durch die Vergrößerung der seit der Zeit der Einwanderung der
Scheidenzellen her vorhandenen entstanden ist. Zwischen ihnen sind
Stücke der elastischen Membran stehen geblieben, und deren Substanz
strahlt nun in sehr feinen Zügen in den benachbarten Knorpel aus,
wodurch an manchen Stellen äußerst komplizierte elastische Netz-
bildungen hervorgerufen werden (Hasse 1882, Klaatsch 1893).
Auch schon hierdurch wird die Verbindung zwischen Bogen und
Chordascheide so innig, daß man sie nicht voneinander zu lösen im
Stande ist.
Das Gewebe der zellhaitigen Chordascheide verändert sich im
Alter. Wir sahen, daß beim Callorhynchus-Embryo die Zellen be-
deutend im Uebergewicht sind gegenüber den Fibrillen der Scheide.
Später ändert sich dieses Verhältnis. Man findet reichliche und starke
Faserzüge in der Scheide, die namentlich in ihrer mittleren Zone einen
etwas schrägen Verlauf nehmen (Chimaera). Zwischen ihnen ordnen
sich die eingewanderten und noch immer neu hinzukommenden Zellen,
die mittlerweile nicht mehr gewöhnliche Bindegewebszellen, sondern
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 391
Knorpelzellen geworden sind , reihen- und nesterweise an , und es
entsteht auf diese Weise ein Mischgewebe, welches Klaatsch (1893)
als Wirbelfaserknorpel bezeichnet, und das als gleichmäßig dicker
Cylinder die Chorda umgiebt.
Schon beim Callorhynchusembryo war angegeben, daß sich durch
die Form der Zellen eine äußere und eine innere Zone an der
zellhaltigen Chordascheide unterscheiden lasse. Bei Chimaera
kommt noch zwischen diesen beiden eine dritte, die Mittelzone,
hinzu, welche die innere, mit mehr spindelförmigen Zellen, von der
äußeren, mit rundlichen, in Gruppen zusammengelagerten Knorpel-
zellen, trennt. Die Art ihres Gewebes schließt sich mehr der Innen-
ais der Außenzone an ; vor allem ist sie aber dadurch charakterisiert,
daß in ihr Kalkablagerungen stattfinden, durch welche eigen-
tümliche , schmale Ringe von verkalktem knorpeligen Bindegewebe
(„Knochenringe") gebildet werden, welche nach der Außenzone hin
konkav ausgehöhlt sind. Dadurch erhalten sie eine entfernte Aehn-
lichkeit mit dem Doppelkegel des primären Wirbelkörpers der Squa-
liden, sind jedoch einzeln nicht unmittelbar mit diesem zu ver-
gleichen, da sie in keiner Weise mit den Bogenstücken übereinstimmen
und sich in größerer, wechselnder Anzahl in jedem Körpersegment
vorfinden.
Es dürfte hier, wo wir in der Reihe der Vertebraten zum ersten
Mal eine Differenzierung in der Chordascheide erblicken, die, weiter
ausgeführt, schließlich zur Bildung eines Wirbelkörpers führt, der
Platz sein, vorgreifend dieselbe mit einigen höheren Formen zu ver-
gleichen.
Bei den Reptilien z. B. werden die Wirbelkörper zunächst
gebildet durch die Chorda mit ihrer an Bedeutung sehr zurücktreten-
den zellenlosen Scheide und einer sie vollständig einschließenden
Lage von Perichordalzellen, w^elche direkt von den Skierotomen her-
stammen und sich von Anfang an gleich in großer Zahl und in dicker
fester Schicht um die Chorda herumlegen, ohne in die Scheide
derselben einzuwandern.
Diesen Teil des Wirbels, welchen man den primären Wirbel-
körper (GoETTE, Schauinsland u. A.) nennt, umgeben die eben-
falls aus den Skierotomen sich herleitenden Basen der Wirbel-
bögen und bilden mit ihnen zusammen den sekundären Wirbel-
körper. Bei Callorh3'nchus — dasselbe ist auch bei den Squaliden,
Rajiden und Dipneusten der Fall — entspricht nun die zellen-
haltige Chordascheide, oder präciser gesprochen, die Innen-
und Mittelzone derselben, dem primären Wirbel. Er entsteht
hier nur auf dem Umwege, daß die mesoblastischen Perichordalzellen
nicht gleich in geschlossener Lage die Chorda umgeben, sondern
allein von vier Punkten aus allmählich in die Scheide derselben ein-
dringen.
Ebenso wie nun bei den höheren Formen die Bildung des primären
und sekundären Wirbelkörpers keineswegs immer zwei scharf von-
einander gesonderte Entwickelungsvorgänge sind, sondern neben-
einander herlaufen, finden wir dasselbe, und zwar in noch höherem
Grade, auch bei Callorhynchus und den übrigen Elasmobranchiern.
Bei diesen entspricht die Außenzone der zelligen Chordascheide
denjenigen Abschnitten der Bogen b äsen bei den höheren Verte-
braten — im besonderen bei den Reptilien — welche der konkaven
392 H. Schauinsland,
Peripherie des „fadenrollenartigen" primären Wirbelkörpers unmittel-
bar anliegen und die Höhlung der „Fadenrolle" ausfüllen. Meistens
zeichnen sich diese Teile durch die runde, fast blasenartige Gestalt
ihrer Zellen aus. Die Außenzone der zellhaltigen Chordafaser-
scheide ist also bereits vergleichbar einem Teil des „sekundären"
Wirbelkörpers. Für die Richtigkeit dieses Vergleiches spricht auch
folgender Umstand: Sobald es in der Chordascheide der Holocephalen
(Chimaera) und Selachier später zur Ablagerung von Kalksalzen kommt,
geschieht dieses zuerst in der Mittelzoue; erst dadurch wird die
charakteristische Gestalt des Doppelkegels bei dem primären
Wirbelkörper hervorgerufen. Genau an derselben Stelle findet auch beim
Reptilien Wirbel (siehe Fig. 304—306) an der Oberfläche des primären
Wirbels eine Verknöcherung statt, wodurch ebenfalls die fadenrollen-
artige Form des primären Wirbelkörpers in markanter Weise von
seiner Umgebung abgehoben wird. Diese verknöcherte Schicht ent-
spricht der Mittelzone des Holocephalen- und Squalidenwirbels,
während die peripher daran liegenden Teile der Bogenbaseu, die später
durch die Markbildung zum großen Teil resorbiert werden, der Außen-
zone gleichzusetzen sind.
Aber auch bei den Holocephalen und den Squaliden beteiligen
sich die Bögen, abgesehen von der Abgabe von Zellen an die Chorda-
scheide, noch direkt an der Wirbelkörperbildung, indem ihre knor-
peligen Basen außen von der Elastica externa oftmals ganz oder
teilweise um die Chordascheide herumwachsen (vorderes Wirbelsäulen-
ende bei Callorhynchus und Chimaera, gesamte Wirbelsäule vieler
Selachier), wobei die äußere elastische Scheide erhalten bleiben
kann (Holocephalen) oder auch verschwindet (viele Squaliden). In
zahlreichen Fällen fehlt jedoch diese Umwachsung der Bogenbasen
in Form von Knorpel und wird durch eine mehr oder weniger
starke Bindegewebsschicht ersetzt (größter Teil der Wirbelsäule der
Holocephalen sowie vieler Squaliden und Rajiden).
Der gesamte Wirbelkörper der Holocephalen und vieler Squaliden
und Rajiden besteht demnach 1) aus dem primären Wirbelkörper
= der Mittel- und Innenzone und 2) aus dem sekundären Wirbel-
körper = der Außenzone plus den entweder knorpelig herumge-
wachsenen Bogenbasen oder der sie ersetzenden bindegewebigen Mem-
bran. (Man behalte dabei aber im Auge, daß bei den Holocephalen
es noch nicht zur Bildung einzelner, voneinander gesonderter Wirbel-
körper kommt.)
Die Ursache dieser Verschiedenheit in der Entwickelung der
Wirbelkörper, im besonderen der primären Wirbelkörper bei den Holo-
cephalen, Squaliden, Rajiden, Dipneusten einerseits und den übrigen
Vertebraten andererseits, ist vielleicht in der geringeren oder größeren
Masse und dem früheren oder späteren Auftreten der Perichordalzellen
zu erblicken. Bei Callorhynchus wenigstens ist die Zahl derselben
anfangs noch so unbedeutend, daß sie einen wirklichen Halt der
Chorda nicht bieten können und nicht im stände sind, für sich allein
ein Organ zu bilden, das dazu bestimmt ist, dem Köri)er als Haupt-
stütze zu dienen. Die Chorda selbst muß daher mit Hilfe der von
ihr abgesonderten Scheiden noch einen großen Teil dieser Funktion
übernehmen. Spätere Zustände werden aber auch bereits hier an-
gebahnt durch das Einwandern der von den Ursegmenten ab-
stammenden Zellen, und zwar durch Vermittelung der Bogenanlagen.
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 39o
Bei den höheren Formen aber nehmen die Perichordalzellen an
Zahl derart zu, daß sie von den ersten Entwickelungsstadien an den
Hauptanteil beim Aufbau der Wirbelsäule übernehmen können und
nicht nur die Bogenanlagen sondern auch gleichzeitig den primären
Wirbel bilden. Eine Zelleinwanderung in die Chordascheide findet
dann überhaupt nicht mehr statt, und letztere bleibt von unbedeuten-
der Wichtigkeit; sie beharrt auf dem Zustande, auf dem sie sich bei
Callorhynchus vor dem Einwandern der Zellen befand.
Sqiialideii und ßajideii.
Hauptsächlichste Litteratur: Rathke 1827; J. Müller 1834; Leydig 1852;
KöLLiKER 1860, 1864, 1872; Gegenbaur 1862, 1867, 1872; Dumeril 1865; W.
Müller 1871; Cartier 1875; Hubrecht 1876; Hasse 1876, 1877, 1878, 1879,
1882, 1885, 1893, 1893*; Balfour 1878 ; Goette 1878; Jhering 1878; Schneider 1879 ;
Eetzius 1881 ; P. Mayer 1886 ; Lwofe 1887 ; C. Rabl 1889, 1893 ; Klaatsch
1893, 1893*, 1895; Claus 1894; Gadow und Miss Abbott 1895; Ebner 1896, 1897;
Ussow 1900.
Nachdem viele wichtige Punkte in der Entwickelung der Wirbel-
säule der Elasmobranchier bereits bei den Holocephalen näher er-
örtert worden sind, wird es möglich sein, die beiden anderen Unter-
ordnungen derselben schneller zu besprechen.
Die Chorda stellt (z. B. bei Pristiurus, C. Rabl 1889) einen
drehrunden Strang dar, welcher sich in nahezu gleicher Dicke durch
die ganze Länge des Körpers erstreckt; nur der im Schädel steckende
Abschnitt von ihr ist beträchtlich dünner. Die ursprünglich sie in
ganz jungen Stadien zusammensetzenden Zellen sind relativ groß und
haben die Gestalt dünner, quer gestellter Platten, welche beinahe
geldroUenartig hintereinander liegen, so daß immer eine Zelle den
ganzen Durchmesser der Chorda einnimmt. Die großen kugeligen
oder ovalen Kerne dieser Zellen liegen näher der Achse als der
Peripherie der Chorda.
Innerhalb des Protoplasmas jener noch ganz indifferenten, em-
bryonalen Chordazellen entwickeln sich (nach den Beobachtungen
Balfour's 1878 an Scyllium, Pristiurus und Torpedo) je eine oder
mehrere Vakuolen, während ihre Oberfläche eine meml)ranartige Schicht
absondert; alle diese Schichten verschmelzen zu einem intercellulären
Fachwerk, den Scheidewänden des späteren Gallertkörpers. Die
schnell wachsenden Vakuolen blähen die scheibenförmigen Zellen immer
mehr auf und verdrängen deren Protoplasma bis auf geringe Reste,
in denen die Kerne ruhen. Diese kernhaltigen Protoplasmamassen
liegen — wenigstens bei den Haien — anfangs in der Achse der
Chorda, begeben sich später aber meistenteils an ihre Peripherie und
bilden dort eine kontinuierliche, kernhaltige Protoplasmaschicht („Chorda-
epithel", C. Gegenbaur 1867; „protoplasmareiche Rindenschicht",
W. MÜLLER 1871; „protoplasmatische Rindenschicht", Goette 1878),
worauf Protoplasmareste und Kerne im Innern der Chorda immer
seltener werden.
Jene Rindenschicht (nach den Untersuchungen A. Goette's 1878
an Embryonen von Scyllium catulus von 28 mm Länge) stellt weiter-
hin den Herd einer sehr regen Neubildung von Vakuolen dar,
welche in dem Maße, als sie sich vergrößern, ihre Wände zu dünnen
Membranen zusammendrücken, in welche einzelne Kerne eingeschlossen
werden. Die auf diese Weise entstandenen Fächer kommen dadurch,
394 H. Schauinsland,
daß nach außen von ihnen sich immer neue Vakuolen entwickehi,
weiter centralwärts zu liegen, so daß also der Gallertkörper von seiner
Peripherie aus nach außen wächst, wobei die ältesten und größten
seiner Fächer stets im Innern, gegen die Peripherie hin aber die
kleineren und jüngeren sich befinden.
Es ergiebt sich daraus, daß diese sich in der Chorda vollziehen-
den Vorgänge fast genau dieselben sind, wie sie bereits bei den Holo-
cephalen geschildert wurden, und daß sich der chordale Gallertkörper
der Elasmobranchier ebenso entwickelt, wie es zuerst Goette bei
den Amphibien und Teleostiern nachwies. Innerhalb der Chorda
kommen daher eigentlich keine richtigen Zellen vor ; weder entsprechen
die mit Gallerte ausgefüllten Vakuolen solchen (Goette), noch besteht
die Rindenschicht aus ihnen. Letztere ist vielmehr einem Syn-
cytium zu vergleichen. Dabei ist es aber nicht ausgeschlossen, daß
sich in diesem später wirkliche, voneinander abgegrenzte Zellen sekundär
entwickeln können. Namentlich ist das dort der Fall, wo dauernd ein
starkes Wachstum der Chorda stattfindet, also intervertebral,
während an den Stellen, wo durch den knorpeligen oder verkalkten
Wirbel der Ausdehnung der Chorda eine Grenze gesetzt wird, es oft
ganz unterbleibt, so daß hier bei älteren Scylliumembryonen z. B. die
Rindenschicht bereits ganz rückgebildet und zellenlos erscheint (Goette
1878). Auch Klaatsch (1893) beobachtete, daß die kleinzellige
Rindenschicht der Chorda im Bereich der intervertebralen Zonen
mehrschichtig, innerhalb der Wirbelkörperanlage dagegen ein-
schichtig ist.
Während die Chorda später im Centrum der Wirbelkörper durch
die Ausdehnung ihrer knorpeligen oder verkalkten Doppelkegel bei
vielen Selachiern häufig zum großen Teil oder sogar völlig unterdrückt
werden kann (Fig. 212), erhält sie sich in den anderen Abschnitten
der Wirbelsäule dagegen zeitlebens. Jedoch sind diese Reste beim er-
wachsenen Tier mehr oder weniger atrophisch und können durchaus
nicht mehr die physiologische Bedeutung beanspruchen, wie etwa die
Chorda der Cyclostomen oder Knorpelstöre, bei denen der Bestand
der axialen Teile der Wirbelsäule durch sie erst ermöglicht wird, da
sie allein die Chordascheide cylindrisch erhält. Bei manchen Selacliiern
(Torpedo, Raja, Carcharias z. B.) beginnt diese Atrophie des Gallert-
körpers der Chorda schon während der späteren Embryonalentwickelung;
er schrumpft, zieht sich von seiner ihn umgebenden Scheide mehr oder
weniger zurück und erinnert dann einigermaßen an die eingetrocknete,
sogenannte Federseele (Goette 1878).
In der centralen Achse der Chorda findet sich übrigens bei vielen
Selachiern ein ähnlich ausgebildeter Strang (Funiculus) von zu-
sammengepreßten Vakuolenwänden, wie es oben bereits bei den Holo-
cephalen erwähnt wurde.
An der Ventralseite der Chorda kommt auch bei den Haien und
Rochen die schon bei den Holocephalen erwähnte H y p o c h o r d a vor,
die bei diesen Fischen namentlich von Semper (1875), Balfour (1878)
und C. Rabl (1889) in nähere Betrachtung gezogen wurde. Nach
Klaatsch (1898) ist die Hypochorda ein gemeinsamer, von den Vor-
fahren her ererbter Besitz der höheren Wirbeltiere. Sie ist das
Rudiment der bei Amphioxus noch in Funktion stehenden Epibranchial-
rinne und teilt mit dieser die en toder male Entstehung von der
dorsalen Darmwandung aus unterhalb der Chorda zwischen den
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 395
paarigen Aorten. Sie verschwindet in späteren Entwickelungsstadien,
ohne irgend eine Spur zu hinterlassen. Die ursprüngliche Annahme
von Klaatsch, daß aus ihr teilweise das ventrale elastische Band
entstände, hat keine Bestätigung erfahren.
Ueber die die Chorda umgebenden Hüllen oder Scheiden
sind die verschiedenartigsten Ansichten ausgesprochen worden. In
ihrer Terminologie und in der Frage nach ihrer Homologie mit ähn-
lichen Gebilden bei den anderen Ichthyopsiden hat lange Zeit hin-
durch ein ganz unglaublicher Wirrwarr geherrscht, so daß eine ge-
naue Darstellung der einander widerstreitenden Anschauungen sowie
ihrer allmählichen Klärung eine umfangreiche Abhandlung für sich
beanspruchen würde. Wir können von derselben um so eher ab-
sehen, als durch die Untersuchungen in den letzten Jahren doch eine
größere Uebereinstimmung über die wichtigsten Punkte erzielt ist.
Das, was sich aus den Arbeiten von Leydig, Kölliker, Gegen-
BAUR, Balfour, Goette, Hasse, C. Rabl, Gadow, Ussow, nament-
lich aber von Klaatsch, Claus und Ebner ergeben hat, wäre fol-
gendes: Von den Zellen der Chorda wird in sehr frühen Stadien
an ihrer Peripherie eine cuticulare, stark lichtbrechende Membran
abgeschieden, die bald doppelte Konturen erhält, und später elastische
Eigenschaften (Retzius, v. Ebner u. A.) aufweist. Sie kann nur
von der Chorda selbst abgeschieden sein , weil um diese frühe
Zeit sich noch keine aus den Ursegmenten stammenden Perichordal-
zellen um sie herum befinden. Diese Entdeckung wurde zum ersten
Mal von Claus 1894 bei 5 mm großen Acanthiasembryonen ge-
macht, ein Befund, den dann Klaatsch für Pristiurus und Torpedo,
Gadow und Miss Abbott für Scyllium und Acanthias, v. Ebner für
Pristiurus melanostoma bestätigte. Jene elastische Scheide ist
gleichbedeutend mit der Elastica externa v. Leydig's, v. Köl-
liker's (1860) und späterer Autoren, der Limitans externa Gegenbaur's
der Elastica Klaatsch's oder der primären Chordascheide
Klaatsch's sowie der Cuticula sceleti Hasse's. Nach beginnender
Vakuolisierung der Chorda und nach Ausbildung ihrer protoplas-
matischen Rindenschicht — oder des Chordaepithels — wird von dieser
eine zweite Hülle, die Faserscheide (v. Ebner), abgeschieden, die
Tunica fibrosa v. Kölliker's, die im Gegensatz zu der primär ge-
bildeten elastischen Scheide von Klaatsch auch sekundäre Chor-
dascheide genannt wird. Wie es Hasse zuerst für Ammocoetes
nachwies, wird also auch bei den Elasmobranchiern (man vergleiche
hierzu auch das bei den Holocephalen darüber Mitgeteilte und die
dort beigefügten Abbildungen) zuerst eine elastische und dann
eine faserige Chordascheide abgesondert. Beide sind Produkte der
Chorda — im Gegensatz zu den Angaben Lwoff's, der sie gänzlich
aus dem perichordalen Mesoderm entstehen läßt — ; daher wird auch
die HASSE'sche Bezeichnung Cuticula sceleti für die elastische Scheide
zu vermeiden sein, weil in ihr die alte, aber nicht berechtigte An-
schauung zum Ausdruck kommt, daß sie dem außerhalb der Chorda
befindlichen skeletoblastischen Gewebe ihre Entstehung verdankt; ob
sie von diesem allerdings nicht später irgend einen Zuwachs erhält,
mag dabei dahingestellt bleiben.
Das Vorkommen einer elastischen und einer faserigen Scheide ist
übrigens bei der Mehrzahl der Vertebraten Regel, und die oben
geschilderte Art ihrer Entstehung scheint auch eine überall giltige
zu sein.
396
H. Schauinsland,
Fig. 201.
Fig. 202a.
sz.
4^
Ja
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Fig. 202b.
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Fig. 203.
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Fig. 201 — 203. Querschnitte durch die Wirbelsäule einiger Embryonen von Mu-
stelus laevis, um das Entstehen der zellhaltigen Chordascheide durch Einwandern
von Zellen aus den Bogenbasen zu zeigen. Fig. 201 gehört zu einem 29 mm langen
Embryo, Fig. 202a und 202b zu einem 35 mm langen und Fig. 203 zu einem 38 mm
langen. Fig. 202b ist bei bedeutend stärkerer Vergrößerung dargestellt als die übrigen
Figuren. Kopieen nach Hasse, 1893; jedoch sind die Bezeichnungen geändert
worden, ob Anlagen der oberen, ttb Anlagen der unteren Bögen, ep epitheliomorphe
Schicht der Chorda (Chordaepithel), v Chordavakuolen. n Kern der Chordazellen.
S2 Zellen, welche von den Anlagen der Bögen durch die elastische Scheide oder
Elastica externa (es) hindurch in die Faserscheide (fs) hineinwandern, sz,
bereits in der Faserscheide liegende Zellen (Seh ei den z eilen), fs Faserscheide mit
ihren beiden Unterabteilungen, der äußeren zellhaltigen Faserscheide, und /s^ der
inneren zellenlosen Faserscheide (Elastica interna).
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Eippen und Brustbein. 397
Während die Chordasciieiden, soweit sie bis jetzt besprochen
wurden, noch völlig zellenlos waren, und somit ein Stadium repräsen-
tierten, das bei den Cyclostomen, Ganoiden etc. dauernd bleibt, tritt
nunmehr hierin derart eine Aeuderung ein, daß von den Bogen-
basen aus, und zwar noch bevor diese knorpelige Beschaffenheit
angenommen haben, durch Lücken der elastischen Scheide hindurch,
Zellen in die Faserscheide einwandern und sich in dieser verbreiten.
Gerade durch diesen Vorgang wurde das Verständnis der Chorda-
scheide der Elasmobranchier sowie auch der Dipneusten ungemein
erschwert; man war lange Zeit hindurch nicht im stände, die zellhaltige
sowie auch die elastische Chordascheide (Elastica externa) richtig zu
deuten, und nur durch die Entdeckung der Einwanderung von außer-
halb gelegenen Zellen des skeletoblastischen Gewebes in die bis dahin
zellfreie Faserscheide gelang dies. Daß die Scheidenzellen nicht
von Anfang an zur Chordascheide gehörten, sondern von außen in
sie hineindrängen, vermutete bereits Schneider (1<S79) und Balfour ;
der Vorgang des Einwanderns selbst wurde dagegen zuerst von Lwoff,
Klaatsch, Claus, Gadow, Ebner etc. durch Beobachtung fest-
gestellt.
Das Eindringen der Zellen in der Scheide und die Verteilung in ihr
erfolgt offenbar in einer Weise, die nicht wesentlich von der bei den
Holocephalen beobachteten abweicht; es sei daher auf die dort ge-
gebene Schilderung sowie auf die hier noch beigefügten Abbildungen
von Mustelus laevis und Carcharias (Fig. 201 — 203) verwiesen.
Ein strittiger Punkt ist dabei jedoch noch zu erwähnen: Klaatsch
und Gadow-Abbott nehmen an, daß die einwandernden Zellen in
die Faserscheide eindringen, während Hasse und v. Ebner der An-
sicht sind, daß sie nur zwischen diese und die elastische Scheide
gelangen. Neuere Untersuchungen an Triaenodon obesus (Schauins-
land) machen die erstere Annahme wahrscheinlicher. An diesem
Objekt lagen die betreffenden Verhältnisse ganz ähnlich wie bei
Callorhynchus ; auch hier nahmen die in die Faserscheide eindringen-
den Zellen übrigens eine äußerst lange und oftmals lockig gedrehte
Gestalt an.
Als Endergebnis findet man schließlich eine dicke zellhaltige
Chordascheide (äußere zellige Chordascheide Goette's, Tunica
skeletogena Gegenbaur's, Intercuticularschicht Hasse's), die außen
von der Elastica externa begrenzt wird und die innen oftmals noch
eine besondere zellenlose Schicht aufweist. Letztere wird von einer
Anzahl von Autoren (Leydig, Kölliker, Hasse, Gadow etc.) als
eine besondere Bildung aufgefaßt und als Elastica interna, Linii-
tans interna oder auch Cuticula chordae bezeichnet. (Mit letzterem
Namen belegte man aber auch nur wieder die jüngste dieser inneren
elastischen Haut sich anschließende Schicht, wie denn überhaupt be-
züglich der Ausdrücke Elastica interna und Cuticula chordae in der
Litteratur ein beklagenswerter Wirrwarr herrscht.)
Von anderer Seite dagegen (Klaatsch, Ussow u. A.) wird der
Elastica interna keine besondere Bedeutung beigelegt, sondern sie wird
als der jüngste, zuletzt von dem Chordaepithel abgeschiedene Teil
der Faserscheide aufgefaßt, der von der Einwanderung der Scheiden-
zellen noch frei geblieben ist. Diese Annahme erfährt jedenfalls
durch die Beobachtungen bei Callorhynchus eine wesentliche Unter-
stützung.
398 H. Schauinsland,
Jedenfalls dürfte man mit dem Ausdruck „Elastica" aber über-
haupt nur eine Schicht bezeichnen, die auch wirklich elastische
Fasern enthält. Da das aber bezüglich der sogenannten „Elastica in-
terna" bei den Elasmobranchiern mindestens zweifelhaft ist, so sollte
man diesen Namen hier lieber völlig vermeiden.
An der z e 1 1 h a 1 1 i g e n C h o r d a s c h e i d e — als Ganzes betrachtet
— hätte man demnach als äußere Begrenzung die elastische
Scheide (Elastica, Elastica externa) zu unterscheiden und dann die
(leimgebende — Ebner) Faser scheide, die wiederum abgeteilt
werden kann in die mächtige äußere zell halt ige Faserscheide
und die innere zellenlose Faser sc beide, soweit letztere im
Laufe der späteren Entwickelung überhaupt auftritt.
Die Frage, auf welche Weise sich die in der Grundsubstanz der
Chordascheide zahlreich vorfindenden Fibrillen entwickeln , hat bis
jetzt noch keine befriedigende Antwort erhalten. —
Wir verlassen nunmehr die Chorda und ihre Derivate, — auf die
Besprechung der besonderen, bei Torpedo vorkommenden Verhältnisse
werden wir weiter unten nochmals zurückkommen — und wenden uns
der Betrachtung der aus den Ur Segmenten herstammenden Bestand-
teile der Wirbelsäule zu.
Die hier sich abspielenden Vorgänge sind fast die gleichen, wie
wir sie bereits bei Callorhynchus kennen lernten.
Die Differenzierungen des Mesoderms sowie die Entwickelung des
Bindegewebes sind bei den Selachiern vornehmlich durch die Arbeiten
von Balfour (1878), H. E. Ziegler (1888), Rückert (1888), van
WiJHE (1889) und C. Rabl (1889, 1892, 1896) bekannt geworden,
namentlich haben Balfour und C. Rabl nicht nur die erste Ent-
stehung, sondern auch die weitere Ausbildung des für das Achsen-
skelett verwendeten Mesenchyms beschrieben.
Nach letzterem verläuft dieselbe bei Pristiurus auf folgende
Weise: Die Ur wir bei (Ursegniente), welche ventral in die unge-
gliederten Seitenplatten übergehen, bestehen aus zwei durch die Ur-
wirbelhöhle voneinander getrennte Lamellen, einer lateralen, der Cutis-
platte, und einem medialen, der Muskelplatte. Verfolgt man die
letztere — bei einem Embryo mit 26 — -21 Urwirbeln — weiter nach
unten, so kommt man zu einer ziemlich eng begrenzten, lateral von
der Hypochorda und dem unteren Teile der Chorda gelegenen Stelle,
an der, wie man aus der Häufigkeit der Teilungsfiguren annehmen
darf, ein lebhaftes Wachstum stattfindet. Hier tritt später — bei
Embryonen mit etwa 34 Urwirbeln — eine kleine, medialwärts gerichtete
Ausbuchtung, ein Divertikel der medialen Urwirbelwand auf, in
das sich die Urwirbelhöhle hinein fortsetzt (Fig. 204 a).
Der Boden und die Wände dieses Divertikels sind der Sitz einer
sehr lebhaften Zellvermehrung; die neugebildeten Zellen schieben sich
zunächst zwischen Chorda und Muskelplatte vor {sk in Fig. 204 a) und
drängen dadurch diese von der Seitenfläche der Chorda, der sie bis
dahin angelegen hatte, ab. Diese Zellen bilden die erste Anlage der
axialen Bindesubstanz oder des Skierotoms.
Mit Recht wohl behauptet Rabl, daß von einer Beteiligung der
Gefäßwände an seiner Bildung und Vergrößerung wie es z. B. von
Hasse u. A. angenommen wird, keine Rede ist.
Von großer Bedeutung ist in der eben gegebenen Schilderung
offenbar die RABL'sche Entdeckung des Skier otomdiv er tikels.
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 399
das er selbst der Sklerotomhöhle des Amphioxus homolog setzt, während
H. E. Ziegler es auch für möglich erachtet, daß die kleine Aus-
stülpung nur eine Begleiterscheinung der an dieser Stelle besonders
starken Herauswucherung des Mesenchyms ist. 0. Schultze (1896)
hält dagegen den Vergleich der Skierotom divertikel der
Selachierembryonen mit dem Ur segm entspalt der Rep-
tilien, Vögel und Säugetiere — auf den noch später zurück-
gekommen werden wird — für gerechtfertigt durch den primären
Zusammenhang jener Bildungen mit dem Cölom, bezw. der Ursegment-
höhle und auch durch den Umstand, daß allgemein die Wand des
Hohlraumes der Bildungsherd von Mesenchymzellen ist.
Diese Annahme hat offenbar sehr viel für sich, und desto not-
wendiger erscheint es, daß jene wichtige Frage durch erneute Unter-
suchungen eine abschließende Beantwortung erfahre.
i mw
#^-
«• ••
Fig. 204 a. Querschnitt durch das Vorderende des Rumpfes eines Pristiurus-
Embryos mit 34 — 35 Urwirbeln ; er zeigt die Entstehung des Sklerotoms und das
Vorhandensein eines Sklerotomdivertikels. Kopie nach C. Rabl 1889. mp Muskel-
platte, sk Skierotom. du Sklerotomdivertikel. uk dorsale Urwirbelkante. ug untere
Urwirbelgrenze.
Fig. 204 b. Sagittaler Längsschnitt durch einen ungefähr 28 mm langen Pristi-
urus-Erabryo etwa in der Gegend des 11. — 13. Ganglions. Vergr. 135raal. Kopie nach
C. Rabl 1893. An dem Schnitt sieht man die Anlage von je 2 oberen Bögen in
jedem Segment und ihre Lage zu den Nervenwurzeln, ob (kaudaler) oberer Bogen.
ob^ (ic) (kranialer) oberer Bogen = Intercalare. vw ventrale Nervenwurzel, du' Gan-
glion der dorsalen Nervenwurzel.
Die S k 1 e r 0 1 0 m e , deren anfangs segmentale, mit den Myotomen
übereinstimmende Anordnung Balfour ausdrücklich betont, vergrößern
sich rasch, verlieren dabei ihr Divertikel und werden zu einer ziemlich
mächtigen Platte, die sich zwischen Chorda und Muskelplatte ein-
schiebt und, nach oben dünn auslaufend, an der Seite des Medullar-
rohres in die Höhe dringt ; auch streckt sich ein kleiner Fortsatz von
400 H. Schauinsland,
ihr zwischen Chorda und Aorta vor. Die einzelnen Skierotome ver-
schmelzen dabei miteinander und wachsen endlich so weit dorsalwärts
empor, daß sie sich über dem Nervenrohr mit den Skierotomen der
Gegenseite verbinden und damit die das Rückenmark umschließende
Membrana reuniens dorsalis herstellen. Auch ventralwärts von der
Chorda vereinigen sich die schon frühzeitig dorthin vorgedrungenen
Fortsätze, so daß nun nicht allein das Medullarrohr, sondern auch die
Chorda und teilweise auch die Aorta vom Bindegewebe umgeben ist,
dessen Herkunft sich von den Skierotomen ableitet. Peripher ist das-
selbe ziemlich locker gefügt und geht dort auch unmerklich in Mesenchym-
gewebe über, das nicht vom Skierotom, sondern aus anderen Quellen
abstammt. Medialwärts zeigt es eine dichtere Zusammensetzung, und
man kann nach Kölliker's Vorgang die innersten Perichordal-
z eilen als skeletogene (= skeletoblastische, Klaatsch 1893)
Schicht unterscheiden.
An dieser häutigen oder membranösen Wirbelsäule, wie
die älteren Autoren sie nennen, machen sich in dem die Chorda un-
mittelbar umgebenden Gewebe bald vier Stellen — im Querschnittsbild
— durch ihre größere Dichtigkeit bemerkbar; zwei von ihnen sind dorsal^
die anderen beiden ventral gelegen ; die ersteren besitzen — bei Pristiurus
nach C. Rabl — einen ungefähr dreieckigen, die letzteren einen sichel-
förmigen Querschnitt. Jene Gewebsmassen bilden vier der Chorda in
ihrer ganzen Länge dicht anliegende kontinuierliche Stränge oder
Leisten (Balfour, C. Rabl), die durch ein zartes Bindegewebslager
miteinander verbunden sind (I3alfour) und das Gewebe darstellen,
in dem sich die oberen und unteren Bögen entwickeln.
In den dorsalen Leisten sieht man nämlich bald die ersten An-
lagen der Neuralbögen entstehen (Balfour, Goette, C. Rabl u. A.),
die sich zunächst durch ein verdichtetes Gewebe kundgeben, das bald
Knorpelcharakter .annimmt. In iedem Segment finden sich beiderseits
je zwei derartige Anlagen (Fig. 204b und 214), nämlich die rich-
tigen dorsalen Bögen und, in dem Winkel zwischen ventraler
und dorsaler Spinalnervenwurzel gelegen (bei Pristiurus, C. Rabl), die
kleineren Interkalarstücke.
Nur die ersteren sitzen mit ihren verbreiterten, basalen Enden
unmittelbar der elastischen Scheide der Chorda auf, während die Inter-
kalarstücke nicht mit ihr in Verbindung stehen, sondern durch Binde-
gewebe, welches sie rings umher umgiebt, von ihr getrennt sind (bei
Pristiurus, C. Rabl).
Die ventralen Bögen, und zwar sowohl die kurzen, soge-
nannten Bogenstümpfe oder Basalstümpfe des Rumpfes als
auch die mehr oder weniger geschlossenen unteren Bögen der Kaudal-
region, in welche die ersteren allmählich übergehen, entstehen in der-
selben Weise aus den ventralen Längsleisten wie die oberen Bögen
aus den dorsalen, und zwar auch häufig, wenn auch nicht immer, eben-
falls in jedem Segment in doppelter Zahl.
Es muß übrigens noch hervorgehoben werden, daß die Anlagen
der einzelnen Bögen sowie auch der Interkalarstücke offenbar von
vornherein voneinander getrennt sind, obgleich sie in dem schein-
bar einheitlichen Gewebe der oben beschriebenen Längsleisten ihren
Ursprung nehmen. Goette (1878) betont ausdrücklich, daß Wirbel-
bögen und Interkalarstücke sämtlich getrennt voneinander ent-
stehen, und auch Gadow und Abbott sagen, daß die Annahme
Die Ent Wickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 401
durchaus falsch wäre, daß auf das sogenannte membranöse Stadium
der Wirbelsäule ein nicht segmentiertes, kontinuierliches Knorpel-
stadium folge.
An den vier Stellen nun, an denen die oberen und unteren Bögen
bezw. ihre Anlagen der Chorda unmittelbar aufsitzen, findet, wie ja
bereits oben geschildert, von den Bogenbasen her die Einwanderung
-_ m
ob.
i- ob
'M:^K
KK
Fig. 205. Querschnitt etwa ^
durch die Mitte eines Schwanz- \
wirbeis eines 6 cm langen Em- ' \
bryos von Carcharias spec.
Vergr. ölmal, jedoch sind die
einzelnen Zellen bei sehr viel
stärkerer Vergrößerung einge-
tragen, ob (kaudaler) oberer
Bogen, oh^ (kranialer) oberer
Bogen (Interkalarstück). üb
unterer Bogen. Nur die Basen
der oberen und unteren Bögen
sind schon knorpelig, die übri-
gen Teile erst bindegewebig. Die
unteren Bögen umfassen den
Kaudalkanal, der in einen
dorsalen Abschnitt (cca) zur
Aufnahme der Aorta und einen
ventralen {ccv) für die Vene zer-
fällt. An der zelligen Chor-
dascheide kann man bereits
durch die mehr rundlichen
Zellen eine Außenzone (a^), und
durch die länglichen Zellen
eine innere Partie unterscheiden
[ma;( + i2)], in der die Mittel- und
die spätere Innenzone noch
miteinander vereint sind. Ganz
innen macht sich an der Chor-
dascheide eine zellfreie Region
bemerkbar (/«,), die zellenlose
Faserscheide (Elastica interna).
es elastische Scheide; sie ist
durch die Bogenbasen tief ein-
gebuchtet und an diesen Stellen
auch vielfach durchbrochen ;
durch diese Lücken wandern
noch fortwährend Zellen von
den Bogenbasen aus in die
Chordascheide hinein, b Bindegewebe, das noch der skeletoblastischen Schicht an-
gehört (Perichordalzellen). isg Intersegmentalgefäß. m Mediülarrohr, pm dessen
Pia mater.
.kc;
-' .'
Q 0
^\^
m
der Scheidenzellen (Klaatsch) durch die Elastica hindurch in
die bis dahin zellenfreie Chordascheide hinein statt, und zwar schon
in einer sehr frühen Zeit, bevor noch in den „Anlagen'^ Knorpel vor-
handen ist (Hasse, Schauinsland).
Damit beginnt jetzt auch die Ausbildung der Wirbelkörper,
die ihre Entstehung einem von den
zeitig gelieferten Material verdanken.
Bögen und
der Chorda gleich-
'ö to
Eindringen
der
Bogenbasenzellen
wird die Chorda-
Dur ch das
scheide bald stark verdickt und umgiebt als ein gleichmäßiger,
außen von der Elastica begrenzter Cylinder, in welchem, verteilt
zwischen reichlichen Fasern, die in kaudal-kranialer Richtung stark
Handbuch der Entwickelungslehre. III. 2.
26
402 H. Schauinsland,
spindelförmig ausgezogenen Zellen konzentrisch angeordnet sind, die
Chorda. (Zellige Chordascheide, skeletogene Scheide, Tunica
sceletogena, Intercuticiilarschicht der Autoren).
Während nun dieser Zustand sich bei den Holocephalen dauernd
erhält und es bei ihnen nicht zu einer Ausbildung voneinander ab-
gesetzter auch schon äußerlich deutlich erkennbarer W ir beikör per
kommt — wenngleich, wie wir sahen, auch hier bereits Differenzierun-
gen der zelligen Chordascheide eintreten, die als der Anfang einer
solchen Weiterentwickelung aufzufassen sind, — ist er bei den übrigen
Selachiern nur vorübergehend. Nach den Untersuchungen von Cartier
1875, Balfour 1878, Goette 1878, C. Rabl 1893, Klaatsch 1893 u. A.
treten in der Chordascheide, und zwar dort, wo außen an ihr die
spn
: iv
az
gp . .,,-, •
Fig. 206. Horizontaler Längsschnitt durch 3 hintere Rumpfwirbel eines 6 cm
langen Embryo von Carcharias spec. Vergr. 80mal. Zellen bei stärkerer Vergröße-
rung, es elastische Scheide, fs^ zelleulose Faserscheide (Elastica interna), az Außen-
zone. mz{-\-iz) die (noch mit der Innenzone vereinigte) Mittelzone der zellhaltigen
Chordascheide oder des Wirbelkörpers. Die Zellen der Zonen erscheinen auf dem
Horizontalschnitt anders geformt als auf dem Querschnitt, iv die zwischen den ein-
zelnen Wirbelkörpern gelegenen in t ervertebralen Partieen. Die einzelnen Wirbel-
körper buchten sich stark nach außen hin aus, so daß die elastische Scheide einen
geschlängelten Verlauf nimmt; aber auch nach innen springen sie etwas vor, so daß
die Chorda an diesen Stellen eingeschnürt ist. isg intersegmentale Gefäße, spn Spi-
nalnerven, e^j Chordaepithel, b zur skeletoblastischen Schicht gehöriges Bindege-
webe (Perichordalzellen).
Bögen sitzen, ganz unregelmäßige, ringförmige hellere Partieen auf, die
aus hyalinem Knorpel bestehen. Sie liegen an der Peripherie der
Scheide und haben auf einem Längsschnitt eine plan-konvexe Gestalt
(bei Scyllium, C. Rabl), wobei die plane Fläche nach außen gegen die
Elastica, die konvexe nach innen gerichtet ist (Fig. 207). Diese Knorpel-
ringe stellen die erste W i r b e 1 k ö r p e r a n 1 a g e dar, während die
zwischen ihnen liegenden Zonen die Inter vertebralbezirke sind
(Fig. 206 iv). Diese Regionen finden sich sogar auch an der Chorda aus-
geprägt; ihre Zellen sind nämlich (bei Acanthias vulgaris, Cartier 1875)
in diesem frühen Stadium innerhalb der Wirbelkörperanlage von vorn
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 403
nach hinten zusammengedrückt, an den Intervertebralstellen dagegen
von gleichmäßigen Dimensionen. Daß außerdem das Chordaepithel
an den Zwischen wirbelzonen in mehreren Schichten, im Bereich der
Wirbelkörper selbst aber nur in einer Schicht sich vorfindet, wurde
früher bereits erwähnt.
Bei der weiteren Knorpelzunahme der jungen Wirbelkörperanlage
buchtet sich bisweilen die Chordascheide nach außen nicht unbedeutend
aus (Fig. 206 ; bei Mustelus laevis, Klaatsch, und Carcharias, Schau-
insland), so daß die Elastica im Längsschnitt einen geschlängelten
Verlauf zeigt, während die Vorwölbung der Scheide nach innen, in
die Chorda hinein vorläufig noch unbedeutend ist.
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Fig. 207.
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Fig. 208.
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Fig. 207 u. 208. Zwei mediane Sagittalschnitte durch einen 53 mm langen
(Fig. 207) und einen 61 mm langen (Fig. 208) Embryo von Scyllium canieula. Vergr.
240- und 225mal. Kopie nach C. Rabl 1893. az Außenzone, mz Mittelzone, iz
Innenzone, auf Fig. 207 noch nicht vorhanden, es Elastica externa, /s, zellenloser
Teil der Faserscheide (Elastica interna), ep Chordaepithel.
Seit GoETTE (1878) unterscheidet man an einem fertigen Selachier-
Wirbelkörper eine Außen-, eine Mittel- und eine Innenzone.
Eine Vergleichung mit späteren Stadien zeigt, daß die bis jetzt er-
wähnte früheste Wirbelkörperanlage der Außenzone entspricht,
während nach innen von dieser das Gewebe für die beiden übrigen
26*
404 H. Schauinsland,
sich befindet, welche aber noch nicht voneinander differenziert sind.
Das erfolgt nun jedoch bald, denn an der medialen Seite der Außenzone
stellt sich eine nur dünne, aber stärker tingierbare Schicht ein, die
erste Anlage der Mittelzone (Fig. 207), welche anfangs aus den-
selben quergestellten Fasern besteht wie der übrige, die zellige Chorda-
scheide bildende Faserknorpel.
Beim weiteren Wachstum wird die A u ß e n z o n e (bei Scyllium
canicula, C. Rabl) konkav-konvex (Fig. 208), während die Mittel zone
die Länge des ganzen Wirbelkörpers erreicht, in ihrer gesamten Aus-
dehnung der Innenseite der Außenzone anliegt und durchgehend die
gleiche Dicke zeigt. Sie besitzt dann die typische Sanduhr- oder
D oppelke gel form , die sie auch in späteren Stadien kennzeichnet.
Ihr fügt sich medialwärts die zuletzt auftretende Innen zone an,
welche die geringste Ausdehnung besitzt. Auch sie ist knorpelig,
doch zeichnen sich ihre Zellen durch die stärkere Spindelform, die
sie auch lange beibehalten, vor denen der Außenzone aus. (Uebrigens
sind die drei vertebralen Zonen nicht völlig scharf voneinander ge-
trennt, wie sie auch allmählich in das Gewebe der Zwischenwirbelregionen
übergehen, Goette 1878).
In diesem Stadium wird die Chorda in der Mitte des neu ent-
standenen Wirbelkörpers, vornehmlich durch die dort stark nach innen
vorspringende Mittel- und Innenzone, nicht unerheblich eingeschnürt
(Fig. 208), so daß sie dort einen bedeutend geringeren Durchmesser
aufweist als an den intervertebralen Partieen.
Letztere, die Interverteb ralringe, verlieren durch das fort-
schreitende Längswachstum der Wirbelkörperanlagen, denen sie vorher
an Länge gleichkamen, nach dieser Richtung hin bedeutend an Wichtig-
keit und werden kürzer und kürzer. In histologischer Hinsicht ver-
ändert sich ihr Gewebe anfangs nicht sehr bedeutend gegenüber dem
ursprünglichen Zustand der zelligen Chordascheide; es besteht aus
gleichmäßig weichem Bindegewebe, mit quergestellten Fasern und
dichtgedrängten, spindelförmigen, konzentrisch angeordneten Zellen ohne
Spuren von Knorpel.
Was die weiteren Veränderungen der Wirbel körperanlage
anbelangt, so wird die Mittelzone später zum wichtigsten Bestand-
teil des Wirbels; sie nimmt Kalk salze auf und erreicht dadurch (mit
Ausnahme der Notidanen, Laemargus etc.) einen oft sehr beträchtlichen
Grad von Festigkeit. Dennoch wird man ihr Gewebe nach dem Vor-
gang von KÖLLiKER und Gegenbaur nicht als echten Knochen,
sondern nur als verkalkten Knorpel betrachten müssen. Die
Form, welche stets mehr oder weniger einem D opp elke gel gleicht,
(amphicöler Wirbel), variiert doch nicht unbeträchtlich; bald
ist sie länger ausgezogen (Acanthias, Scyllium, Mustelus), bald von
beiden Enden her zusammengedrückt (Carcharias, Squatina, Rajidae),
so daß der Doppelkegel dann mehr einer Rolle mit tief eingeschnittener
äußeren Rinne gleicht (Goette 1878).
Die Innenzone wird in ihren Randabschnitten später mehr oder
weniger rückgebildet und stellt dann einen, dem festen Doppelkegel
der Mittelzone innen anliegenden Knorpelring dar, der bald nur eine
beschränkte Ausdehnung hat (Scyllium, Acanthias, Mustelus), bald
relativ breiter wird (Carcharias, Squatina, Rajidae). Von dem Zeit-
punkte an, wenn die Mittelzone verkalkt und nicht weiter nach innen
wächst, ist es dieser Knorpelring, welcher eine fortschreitende Ein-
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 405
schnürung der Chorda veranlaßt (Goette) — , die so weit gehen kann,
daß letztere dabei zu einem kompakten Strang zusammengedrückt
(Kölliker) oder sogar, wie bei den Rajiden, in getrennte interverte-
brale Stücke geteilt werden kann (Fig. 212).
In der Außenzone entstehen in älteren Entwickelungsstadien
sekundäre Verkalkungen, welche von Kölliker, Goette und
namentlich Hasse ausführlich beschrieben sind und eine weitgehende
systematische Würdigung gefunden haben. Um den einfachen centralen
Doppelkegel, der im Querschnitt ringförmig erscheint (Cyclospon-
dylie), können sich in der Außenzone entweder konzentrische Ver-
kalkungsschichten ablagern (Tektospondyliej, oder es bilden sich
radiale Längsleisten, welche der Mittelzone aufsitzen vergleichbar
den Knochenleisten der Teleostierwirbel — und im Querschnitt mit
diesen Kreuz- und Sternfiguren bilden (Asteros pondylie Hasse).
Namentlich das letztere Verhalten weist mannigfache Verschiedenheiten
auf. So entstehen z, B. die radialen Knochenleisten, welche zur Bildung
der kreuz- und sternförmigen Figuren der Querschnitte führen, bei
Mustelus und Carcharias (Goette 1878) auf verschiedene Weise.
Die schrägen, gegen die Bogenbasen ausstrahlenden Leisten ent-
stehen von der Mittelzone aus und setzen sich centrifugal nach außen
fort; die dazwischen liegenden senkrechten und horizontalen
beginnen aber ihre Entwickelung außerhalb der Elastica und dringen
erst nachträglich in sie hinein, erreichen jedoch den verkalkten Doppel-
kegel nur an seinen Enden.
Hiermit kommen wir nun auch zu Vorgängen, die sich außer-
halb der Elastica abspielen und die dennoch an der Entwickelung
des Wirbelkörpers Anteil nehmen, während die bis dahin betrachteten
nur innerhalb derselben verliefen.
Bei vielen Elasmobranchiern beteiligen sich die Bögen nicht allein
durch Abgabe von Zellen in die Chordascheide, sondern auch un-
mittelbar an dem Aufbau der Wirbelkörper (Kölliker, Goette,
Hasse). Balfour (auch Göppert 1895) zeigte, daß die knorpeligen
Bogenanlagen nicht nur in der Längsrichtung sämtlich durch Binde-
gewebe — Reste der häutigen Wirbelsäule — zusammenhängen,
sondern daß die oberen und unteren Bögen auch lateral von der
Chordascheide und ihrer Elastica durch eine dünne Gewebslage —
offenbar gleichbedeutend mit der skeletogenen oder skeletoblastischen
Schicht — miteinander verbunden sind. Innerhalb dieses Gewebes
umwachsen die Basen der oberen und unteren Bögen den aus der
Chordascheide gebildeten Teil der Wirbelkörper mehr oder weniger.
Gewöhnlich verbinden sich jene Basen sowohl dorsal und ventral
als auch lateral von der Außenzone des Wirbels durch dünne Fort-
sätze und bedecken sie gänzlich (Acanthias, Scyllium, Mustelus, Car-
charias; A. Goette 1878). Sie können aber auch allein nur lateral
zusammenfließen (Rumpf von Squatina) , während in der vorderen
Rumpfpartie der Rajidae untere und obere Bögen schon von vorn-
herein seitlich miteinander verschmolzen angelegt werden (Fig. 211).
Jene Verbindungsstücke der Wirbelbögen (A. Goette) ver-
kalken später und verschmelzen dabei an den Enden der Wirbel,
dort, wo der Doppelkegel der Mittellzone unter der Außenzone hervor-
tritt, mit diesem. „Auf solche W^eise kann aus jener Verkalkung ent-
weder eine die Außenzone des Wirbels deckende Schiene hervor-
gehen (Acanthias, Scyllium), oder das Verbindungsstück verdickt sich
406
H. Schauinsland,
Fig. 209.
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Fig. 210.
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Fig. 211.
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Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 407
Fig. 209 — 211. Drei Querschnitte durch die Wirbelsäule von Embryonen von
Torpedo ocellata. Fig. 209 Querschnitt durch den Schwanz eines 19 mm langen
Embryos. Vergr. r26mal. oh Anlage der oberen, uh Anlage der unteren Bögen.
Erst wenige Zellen in den Bogenbasen sind knorpelig; im übrigen bestehen die
Bögen nur aus Bindegewebe, cp epitheliomorphe Schicht der Chorda {Chorda-
epithel). es deutlich entwickelte elastische Scneide (Elastica externa). Sie weist
nicht nur unter den Bogenbasen, sondern auch in ihrem übrigen Verlauf größere
Lücken auf als Zeichen bereits beginnenden Zerfalls, sz „Scheidenzellen", die von
den Bogenbasen aus in die Chordascheide (Faserscheide) eingewandert sind, h Binde-
gewebe der skeletoblastischen Schicht (Perichordalzellen), das die Basen der unteren
und oberen Bögen miteinander verbindet, cca Kaudalkanal zur Aufnahme der Aorta,
ccv der Vene.
Fig. 210 Querschnitt durch den Schwanz eines 25 mm langen Embryos von
Torpedo ocellata bei Glmaliger Vergrößerung. Die elastische Scheide ist hier bereits
völlig verschwunden, so daß nun die Scheidenzellen mit den früher von ihnen ge-
trennten Perichordalzellen in unmittelbare Berührung treten. Die schon teilweise knor-
peligen Bogenbasen wachsen um sie herum. Die oberen und die unteren Bögen
stehen bereit miteinander in Verbindung (ö,). /Sj zellenlose Schicht der Faserscheide
(Elastica interna). Die übrigen Bezeichnungen wie in Fig. 209.
Fig. 211 Querschnitt durch den unmittelbar vor dem After gelegenen Rumpf-
abschnitt eines 32,5 mm langen Embryos. Vergr. 61mal. Die Bögen haben den
chordalen Teil des Wirbelkörpers mit Ausnahme seines ventralen Abschnittes völlig
umwachsen; sie unterscheiden sich durch die P^'orm ihrer Zellen zwar sehr deutlich
von diesem, von einer sie trennenden elastischen Scheide ist aber keine Spur mehr
vorhanden. Die Abbildung ist auch ein Beleg dafür, wie die unteren Bögen bei
Torpedo kranialwärts immer weiter dorsal emporrücken, bis sie mit den oberen Bögen
völlig verschmelzen, ein Vorgang, der hier bereits begonnen hat. iz Innenzone des
Wirbelkörpers, a Aorta, r Eippe. g Ganglion, ch Chorda. Die übrigen Bezeich-
nungen wie in Fig. 210. Die Zellen sind in allen 3 Figuren bei stärkerer Ver-
größerung eingetragen.
noch im knorpeligen Zustand nach innen und drückt dabei die
Außenzone entsprechend ein, worauf seine Verkalkung sich in den
Knorpel der letzteren fortsetzt, bis sie dem Doppelkegel nahekommt
oder ihn teilweise erreicht. Auf diese Weise entstehen die schon er-
wähnten senkrechten und horizontalen Knochenleisten bei Mustelus
und Carcharias" (Goette 1878).
Bei diesen Umwachsungsvorgängen kann die die Außenzone um-
gebende Elastica später teilweise oder vollständig verschwinden
(Goette), und dann läßt sich nur aus der Entwickelungsgeschichte
nachweisen, daß in Wirklichkeit der Wirbelkörper sich aus einem aus
der Chordascheide und einem aus den Bogenbasen ent-
standenen Anteil zusammensetzt (Hasse 1879).
Bei Squatina und den Rajidae vermißte Goette (1878) die
Elastica schon in frühen Stadien vollständig. Klaatsch (1893) be-
stätigte dies; nach ihm läßt sich die ganze Differenz zwischen dem
von ihm untersuchten Vertreter der Squaliden und Rajiden (Torpedo
und Mustelus) dahin zusammenfassen, „daß die Einwanderung von
Knorpelzellen in die Chordascheide in immer frühere Stadien zurück-
verlegt wurde, daß damit die Rekapitulation einer zellenlosen Chorda-
scheide mehr und mehr verwischt wurde, und daß zugleich die
Elastica einer Reduktion verfiel '^
Neuerdings wurde Torpedo ocellata nochmals daraufhin unter-
sucht (Schauinsland). Danach findet in frühzeitigen Stadien
(Länge des Embryos zwischen 1,5 und 2,0 mm) auch bei Torpedo
ebenso wie bei den übrigen Elasmobr an chiern eineEin-
wanderung von Zellen in die Chordascheide statt, jedoch
in sehr spärlichem Maße, so daß die eingedrungene Schicht nur 1 — 2
Zellen stark ist (Fig. 209). Die äußere Begrenzung der Chordascheide,
408 H. Schauinsland,
die Elastica (externa), welche also die eingewanderten Zellen von
außen einschließt, ist, wenn auch deutlich vor hau den, so doch von
von vorneherein nur recht schwach (Fig. 209 es). Sie bildet sich sehr
frühzeitig zurück, so daß nun die Avenig voluminöse Schicht der
eingewanderten Chordascheidenzellen mit der peripher sie umgebenden
sehr mächtigen Lage von Perichordalzellen in unmittelbare Berührung
kommt und sich mit ihr vereinigt. Dadurch werden dann die
Verhältnisse denen ähnlich, wie sie bei den höheren Vertebraten, z, B.
den Reptilien, vorkommen, während sie vorher sich noch an die der
übrigen Selachier enge anschlössen. Der von den Bogenbasen umfaßte
Teil der Wirbelkörperanlage (Fig. 210, 211) läßt sich einerseits der
zelligen Chordascheide der Squaliden oder Holocephalen ver-
gleichen, deren gegen die Umgebung trotz des Fehlens der Elastica
gut begrenzte Form sie ebenfalls besitzt, andererseits aber auch dem
„primären" Wirbel der höheren Vertebraten.
Torpedo bildet daher einen interessanten Uebergang von solchen
Formen, bei denen der Wirbelkörper von der Chordascheide und den
in sie hineingewanderten Zellen gebildet wird, und jenen, bei welchen
die Chorda nichts zu seiner Entstehung beiträgt, sondern seine
Entwickelung völHg den von den Skierotomen abstammenden Perichor-
dalzellen überläßt.
Schließlich haben wir noch die Weiterentwickelung der inter-
vertebralen Partieen zu verfolgen. Nach Goette (1878) ver-
läuft dieselbe auf folgende Weise : Ursprünglich stellen sie die weichen
Verbindungen zwischen allen drei Zonen der aufeinander folgenden
Wirbelkörper dar. Sobald aber der verkalkte Doppelkegel über die
Ränder der Außeuzone hinausgewachsen ist, verbindet die äußerste
Schicht des Intervertebralringes nur noch die gegeneinander
gerichteten Ränder dieser Knochenkegel, unterhält das fortdauernde
Wachstum derselben und stellt sich zuletzt als ein sehnenartiges
Intervertebralligament dar. Die inneren intervertebralen
Schichten gelangen dabei zum Teil an die Innenfläche der Doppel-
kegel, wo sie in die Innenzone übergehen, während sie in der Mitte
entweder dem äußeren Ligament sich anschließen (Mustelus, Carcharias,
Schwanzwirbel von Scyllium) oder nach Form und Gewebe sich be-
sonders weiter entwickeln. In letzterem Falle wachsen sie bald mehr
gleichmäßig (Acanthias, Squatina, Torpedo) oder mit deutlich vor-
springendem Wulst gegen die Chorda ein (Raja, Rumpfwirbel von
Scyllium) und sind weicher oder straffer bindegewebig (Acanthias,
Scyllium, Carcharias), knorpelartig (Raja, Squatina) oder ganz
knorpelig (Torpedo). Eigentliche Gelen kanl a gen sind nirgends
anzutreffen, wenngleich sie im Intervertebralknorpel von Torpedo
durch besondere Form und Lage der Zellen bereits etwas markiert sind.
Das Weichbleiben oder das Verknorpeln der intervertebralen
Regionen wird übrigens physiologisch bedingt. Es hängt ab von der
Bewegungsart des Tieres (Cartier). Solange diese hauptsächlich durch
die einzelnen, von den Intermuskularsepten geteilten Partieen der
Seitenrumpfmuskulatur bewerkstelHgt wird, ist die Verbindung der
Wirbelkörper eine lockere, sobald jedoch die Bedeutung der Seiten-
muskulatur durch das stärkere Auftreten von Extremitätenmuskeln
sinkt, da diese den größten Teil der Lokomotion übernehmen, werden
die einzelnen Wirbel durch Knorpel fester verbunden.
Zum Schluß der Geschichte des Selachierwirbelkörpers muß noch
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 409
erwähnt werden, daß derselbe von Kölliker und Klaatsch als
€hordaler Wirbelkörper bezeichnet wird, da er innerhalb
der Elastica externa aus der Chordascheide entsteht, im Gegensatz
zum p er ichordalen anderer Vertebraten, welcher außerhalb der
Elastica ohne Zuthun der Chordascheide sich entwickelt. Gadüw
und Abbott (1895) wählen dafür chorda-centra und arch-
c e n t r a.
Man wird dabei aber nicht vergessen dürfen, daß diese Ausdrücke
nur teilweise berechtigt sind, da ja die Bögen sich auch bei den
Selachiern stark an der Wirbelkörperbildung beteiligen sowohl durch
Abgabe von Zellen an die Chordascheide, als auch in vielen Fällen
durch ein Herumwachsen außerhalb der elastischen Scheide.
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Fig. 212. Sagittaler Längsschnitt durch 2 Wirbel aus der Aftergegend eines
8,5 mm langen Embryos von Torpedo ocellata. Vergr. 26raal. Die Zellen sind bei
stärkerer Vergrößerung eingezeichnet. Der Schnitt hat den rechten Wirbel median,
den linken lateral getroffen, az Außenzone, mz Mittelzone (späterer knöcherner
Doppelkegel), beginnt zu verkalken, iz Innenzone, hyahnknorpelig. Durch ihr
Wuchern wird die Chorda in ihren centralen, vertebralen Abschnitten immer mehr
und mehr verdrängt; auch hier ist sie (rechts) nur noch als dünner Strang vor-
handen, der schließlich ganz verschwinden wird, ch Raum , der durch die Chorda
ausgefüllt wird (diese selbst ist nicht gezeichnet), iv Intervertebralring, der später
ebenfalls verknorpeln wird.
GoETTE (1878) nennt den nur von der Chordascheide gebildeten
embryonalen Wirbel den primären Wirbel (ein Ausdruck , den
er auch auf alle übrigen Vertebraten überträgt). Seine Grundform
ist der Doppelkegel, die nicht etwa durch das ringförmige Ein-
wachsen der Außenzone, sondern durch die Wirbel bögen hervor-
gerufen wird, indem sich diese auf die Chordascheide stützen, sie zu
umwachsen beginnen und dadurch an bestimmten Stellen in ihrer
Ausdehnung beschränken, demnach also die vertebralen Abschnitte
im Vergleich zu den ungehindert sich ausdehnenden Intervertebral-
ringen annähernd ringförmig einschnüren.
Sobald der primäre Wirbel im Laufe der Entwickelung von den
sich ihm anschließenden Basen der oberen und unteren Wirbelbögen
in verschiedenem Grade umwachsen wird und nachdem die trennende
Elastica externa gänzlich oder bis auf unbedeutende Reste verschwunden
ist, verschmelzen die beiderlei Elemente, primärer Wirbel und Basen,
zu einem einheitlichen Ganzen, dem definitiven oder sekundären
Wirbelkörper.
410 H. Schauinsland,
Schon bei den Holocephalen wurde erwähnt (Schauinsland), daß
man bei Annahme der GoETTE'schen Terminologie durch den Vergleich
mit anderen Formen gezwungen wird, die knorpelige Außenzone des
Elasmobranchiernwirbels nicht mehr dem primären Wirbelkörper
zuzuzählen. —
Nachdem wir bereits die erste Entstehung der Bögen kennen
lernten, haben wir noch einen kurzen Blick auf ihre weiteren Schick-
sale, abgesehen von denen, welche bereits beim Wirbelkörper erwähnt
wurden, zu werfen.
Die oberen Wirbelbögen (Ne uralbögen) behalten ihre
schlanke, cylindrische Gestalt später meistens nicht bei, sondern
wachsen ebenso wie die Interkalarstücke in der Längsrichtung der
W^irbelsäule zu breiten Platten aus, die entweder fest aneinander
stoßen oder auch bindegewebige Lücken zwischen sich lassen können.
Auf die mannigfachen Variationen, die bei den Bögen der erwachsenen
Wirbelsäule vorkommen, kann hier nicht näher eingegangen werden.
Nur so viel soll noch erwähnt werden, daß die dorsale Verbindung der
Bögen meistens durch Vermittlung besonderer unpaarer Skelettstücke
zu Stande kommt, die von J. Müller Intercalaria spinalia, von
A. GoETTE (1878) obere Schlußstücke genannt werden. Diese
überragen oft (A. Goette) von Anfang an die Enden der Interkalar-
und Wirbelbögen dorsalwärts und tragen dann so auch allein den
darüber hinziehenden Kanal (oberer Wirbelkanal, A. Goette),
in welchem ein elastisches Längsband verläuft.
Letzteres ist einer der vorzugsweise aus elastischen Fasern ge-
bildeten longitudinalen Bandapparate, welche sich nach H. Klaatsch
1893 nicht nur bei den Elasmobranchiern, sondern in übereinstimmender
Weise bei allen Fischen aus der skeletoblastischen Schicht diife-
renzieren.
Klaatsch unterscheidet deren drei, und zwar zunächst ein
Ligamentum longitudinale dorsale superius, das, wie eben erwähnt,
unmittelbar dorsalwärts von den oberen Bögen gelegen ist. Ein
zweites, das Ligament, longit. dorsale inferius, bildet den Boden des
Neuralkanales und die Unterlage des Rückenmarkes. Es liegt der
Elastica (externa) der Chordascheide unmittelbar auf und ist mit ihr
oft derart verbunden, daß eine Sonderung unmöglich ist. Ein dritter
Bandapparat endlich, das Lig. longit. ventrale, findet sich ventral
zwischen den Basen der unteren Bögen, der Elastica aufliegend.
(Die Annahme, daß letzteres zum Teil hervorgehe aus dem sub-
chordalen Strang (Klaatsch), hat sich übrigens nicht bestätigt.)
Daß diese Bänder außerordentlich die Festigkeit der Wirbelsäule
vermehren helfen, ist einleuchtend.
Die unteren Bögen verhalten sich später fast ebenso wie die
oberen. Auch sie finden sich häufig in doppelter Anzahl in jedem
Segment, wenn auch solche untere „Intercalaria" nicht bei allen Formen
nachzuweisen sind.
Im Rumpfe bleiben die unteren Bögen kurz — man nennt sie
dort auch Basalstümpfe — und stehen hier vielfach mit den von
ihnen abgegliederten Rippen in Verbindung; in der Schwanzregion
dagegen wachsen die beiderseitigen Bögen (Hämalbögen) ventralwärts
einander entgegen, verschmelzen oft distalwärts und können dann
einen unteren Dornfortsatz bilden.
Auf solche Weise wird zwischen den unteren Bögen ein Kanal,
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 411
der Kaudalkanal, geschaffen (Fig. 205, 209, 210), der durch eine
quere, sehnige Scheidewand in zwei Abteilungen
geteilt
wird, eine
obere, in welcher die Aorta, und eine untere, in der die Vene verläuft.
cca
ccv
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ccv
kf
üb
D--
¥
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Fig. 213 a— d. Vier Querschnitte durch die Wirbelsäule eines erwachsenen
Laemargus borealis in ein drittel natürlicher Größe, um die Entstehung der Hämal-
fortsätze aus den unteren Bögen zu zeigen. Schnitt 213 a ist durch den mittleren
Teil des Schwanzes geführt, Fig. 213b durch den vordersten Schwanzabschnitt, Fig. 213c
durch den mittleren Rumpf abschnitt und Fig. 213 d durch die Cerviifalgegend. ob
oberer Bogen, ob^ „Interkalarstück". üb unterer Bogen. />f Hämalfortsätze der
unteren Bögen, die sich kranialwärts allmählich von diesen emanzipieren, um in einem
großen Teil des Rumpfes getrennt, und kaum durch Knorpel brücken mit ihnen ver-
bunden, vorzukommen, bis sie schließlich in der Halsgegend sich wieder mit ihnen
vereinigen, cra Kaudalkanal zur Aufnahme der Aorta, ccv für die Vene, ivk Wirbel-
körper, ch Chorda, r Rippe.
412
H. Schauinsland.
Als Ansatzpunkte jener Scheidewand kommen bei manchen Elasmo-
branchiern mediale Knorpelfortsätze der Bögen vor. welche bisweilen,
z. B. bei Acanthias, so stark entwickelt sein können, daß man sie den
Hämalf ort Sätzen der Störe völlig vergleichen kann (Goette 1878),
wenngleich sie sich nicht zu einer kontinuierlichen, queren Brücke
zwischen den Gefäßkanälen verbinden.
Sehr beachtenswert sind diese Hämalfortsätze bei Laemargus
borealis (Schauinsland), da sich
durch sie ähnliche Gebilde bei
den Ganoiden (Amia) unmittelbar
erklären lassen (Fig. 213 a— d).
Während sie im vorderen Schwanz-
abschnitt nicht sehr verschieden
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Fig. 214. Horizontaler Längsschnitt
durch die Schwanzwirbelsäule eines
7 cm langen Embryos von Triaenodon
obesus in der Höhe des Rückenmarkes.
Vergr. etwa 25mal. isg Intersegmental-
gefäße. ob aus dem kaudalen Sklero-
tomabschnitt entstandener Wirbelbogen.
o6, aus dem kranialen Skierotomabschnitt
entstandener oberer Bogen (Interkalar-
stück). Bei Triaenodon sind beide von
fast gleicher Größe. Beide gehen, kaum
voneinander gesondert (ob^ + ob), in die
zellhaltige Chordascheide über, und
wahrscheinlich wandern auch aus beiden
Zellen in diese hinein. (Der kaudale
Abschnitt des Schnittes (cd) verläuft
mehr ventral wie der kraniale (er) und
ist bereits dicht an der Chorda gelegen.)
m Rückenmark, vw ventrale Nerven-
wurzel, dicht hinter dem Intersegmental-
gefäß und dem kaudalen Bogen hervor-
tretend, dwg Ganglion der dorsalen
Nerven Wurzel ; liegt hier seiner Größe
wegen fast völlig auf dem kranialen
Bogenstück. b das die einzelnen Bogen-
stücke miteinander verbindende Binde-
gewebe des skeletoblastischen Gewebes
(Ueberrest der „häutigen Wirbelsäule").
sind von den bei Acanthias vorkommenden, beginnen sie sich weiter
nach vorn von den unteren Bögen zu emanzipieren, so daß man im Rumpf
zunächst die richtigen Bögen der Chordascheide seitlich angeheftet
findet und ventralwärts von diesen, lateral von der Medianlinie, zwei
kleine Stücke, die von der Seite betrachtet, zwei Knorpelleisten bilden,
zwischen denen die Gefäße verlaufen. Die Trennung dieser Ge-
fäßbögen von den richtigen Bögen kann in der mittleren
Rumpfregion so weit gehen, daß sie selbst nicht einmal mehr durch
dünne Knorpelbrücken miteinander zusammenhängen. Weiter kopf-
wärts nähern sich dagegen die Hämalleisteu wieder mehr und mehr
den unteren Bögen bis fast zur völligen Verschmelzung. Ohne diese
Gefäßbögen oder Gefäßleisten vom Kopf bis zum Schwanz kontinuierlich
verfolgt zu haben, würde es kaum möglich sein, sie richtig zu deuten ;
sie sind in der That weiter nichts als losgelöste Ele-
mente der unteren Bögen.
Von großer Wichtigkeit ist es, daß die unteren Bögen an der
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein, 413
Chordascheide bezw. dem Wirbelkörper an ganz verschiedenen Stellen
angeheftet sein, scheinbar wandern können, und zwar in der Weise,
daß sie im Rumpf und weiter nach dem Kopf hin sich immer mehr
dorsalwärts verschieben.
Am auffallendsten ist dieser Vorgang bei den Rochen, offenbar
hervorgerufen durch die äußerst starke Abplattung des Körpers.
Einen Uebergang zu ihnen bildet auch hierin Squatina (Goette
1878). Bei ihr ruhen im Rumpfe die Basen der unteren Bögen nicht
mehr mit ihrer Hauptmasse an der Unterseite der Wirbelkörper,
wie bei den anderen Haien, sondern sie rücken an den Seiten der
primären Wirbelkörper hinauf. Infolgedessen verschmelzen sie mit
den oberen Bogenbasen frühzeitig zu je einer gleichmäßig dicken
Knorpelplatte, welche zur Seite des primären Wirbelkörpers beinahe
wie eine gemeinsame Basis des oberen und unteren Bogens er-
scheint.
Bei Raja und Torpedo ist dieses Verhalten nun noch bedeutend
weiter ausgebildet (Goette 1878). Während sich ihre unteren Bögen
in der Schwanzregion nicht von denen der übrigen Elasmobranchier
unterscheiden, klaffen sie in der Aftergegend bereits weit auseinander
und rücken schon an den hintersten Rumpfwirbeln beträchtlich dorsal-
wärts hinauf (Fig. 219), um mit den oberen Bögen zusammenzustoßen.
Dabei verschmelzen zunächst die Basen der beiderlei Bögen wie bei
Squatina (Fig. 211). Weiter vorne schreitet aber die Verschmelzung
auch lateral wärts fort, so daß das gemeinsame Wurzelstück beider
Bögen nicht eine dem primären Wirbelkörper breit anliegende senk-
rechte Platte, sondern eine von demselben annähernd horizontal
abgehende Leiste darstellt. Es ist also nur scheinbar, daß in den
vorderen Rumpfpartieen nur obere Bögen vorhanden sind, deren
Basen den primären Wirbelkörper seitlich umgreifen und seitliche
Fortsätze (Parapophysen) entsenden. In Wirklichkeit sind jene Basen
unzweifelhaft durch ein Verschmelzen oberer und unt erer Bogen-
basen entstanden.
Bei einer Betrachtung der Beziehungen, welche zwischen
den Bögen einerseits, M'yosepten, Blutgefäßen und
Nerven andererseits herrschen (Schauinsland), wird man
finden, daß die Verhältnisse recht ähnlich sind denen, wie sie schon
bei Callorhynchus vorkommen. Bei Carchariasembryonen z. B. (Fig. 215a)
setzen sich die Myosepten an denjenigen der beiden oberen Bögen,
welcher dem Wirbelkörper aufsitzt {ob), und verlaufen über den letz-
teren hinweg nach den unteren Bögen. Unmittelbar kaudal von ihnen
liegen die intersegmentalen Arterien. Man dürfte kaum fehlgehen,
den zwischen je zwei solcher Gefäße liegenden Teil der Wirbelsäule
als aus je einem der ursprünglichen Skierotome entstanden anzu-
sehen. (In der Tat läßt es sich bei Embryonen von Triaenodon
obesus nachweisen, daß die von Anfang an zwischen je zwei Urseg-
menten vorhandenen Intersegmentalgefäße ihre ursprüngliche Lage
wenigstens bis zur Entstehung der knorpeligen Wirbelbögen und
Körper beibehalten und demnach auch später einen Rückschluß auf
die ehemalige Grenze der Skierotome zu machen gestatten.) Somit
wird man die richtigen oberen und unteren Bögen (ob, üb in Fig. 215a)
als die kaudalen Skierotom stücke zu betrachten haben, und die
oberen — soweit sie vorkommen, auch die unteren — Interkalarbögen
(o6i und uh^) als die kranialen.
414
H. Schauinsland,
Es ist dabei sicher von Interesse, festzustellen, daß bei vielen
Haifischen, wie gesagt, die kaudalen Stücke die richtigen, dem
Wirbelkörper aufsitzen den Wirbelbögen werden, und die kranialen
Fig. 215a.
ob ob^ dw(g)
- -isg
!\
\l
. WA
^. ^^
spn
tsg
Fig. 215b.
ob ob^ isq VW dw isg
! I
xib üb,
Fig. 215a u. 215b. Ein
Teil der Wirbelsäule aus
der mittleren Rumpfpartie
(Fig. 215a) und ein Teil
derselben aus der mittleren
Schwanzregion (215b) eines
8,5 cm langen Embryos von
Carcharias spec. bei 26mal.
Vergrößerung. Methylen-
blaupräparate (nach VAN
WlJHE) mit Zuhilfenahme
von Schnitten, ob oberer
(aus dem kaudalen Skle-
rotomabschnitt entstande-
ner) Bogen. oö, oberer
(aus dem kranialen Skle-
rotomabschnitt entstande-
ner) Bogen = Interkalar-
stück. ab unterer Bogen.
ub^ unterer (wahrscheinlich
aus dem kranialen Skle-
rotomstück entstandener)
Bogen = unteres Inter-
kalarstück (in Fig. 216b).
r Rippen ; eine Trennung
derselben von den unteren
Bögen ist äußerlich gar-
nicht wahrzunehmen, r^
ein vielleicht als zweite
(kraniale) Rippe zu deu-
tendes Knorpelstück, wk
Wirbelkörper. iv Inter-
vertebralring. isg Inter-
segraentalgefäße. vw ven-
trale Nervenwurzel. diu
dorsale, zu einem Ganglion
anschwellende Nerven-
wurzel, sjyn der aus der
Vereinigung der beiden
Wurzeln entstandene Sj^i-
nalnerv. Man achte sowohl
im Rumpf als auch im
Schwanz auf die Lage der
Austrittsstellen der Nerven-
wurzeln zu den oberen
Bögen und auf die gegen-
seitige Lage der Interseg-
mentalgefäße und der
Nerven zueinander. Im
Schwanz (Fig. 215b) kommt
erst auf je zwei Wirbel
ein Intersegmentalgefäß
und ein Spinalnerv.
die „eingeschalteten Bögen" , während es bei den Holocephalen
gerade umgekehrt war (cf. Fig. 215a, 215b, 216 und 218-220).
(Wie weit das übrigens auch bei anderen als den hier angeführten
Formen der Fall ist, werden weitere Beobachtungen nachzuweisen
haben, da es nicht undenkbar erscheint, daß auch bei den Squaliden
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 415
und Rajiden dieselben Verhältnisse wie bei den Holocephalen vor-
kommen können.) Demnach würde der Wirbelkörper vermittelst
der kaudalen Bögen ebenfalls von dem kaudalen Skierotomabschnitt
sich herleiten ; der kraniale Skierotomteil würde sich dagegen meistens
entweder nur beschränkt oder garnicht an seiner Bildung beteiligen
und daher mit Ausschluß jener Partie, in welcher die kranialen (Inter-
kalar-)Bögen entstehen, teils rückgebildet werden, teils zum Aufbau
der intervertebralen Regionen Verwendung finden, was aber erst
noch durch weitere Untersuchungen aufzuklären wäre.
Am äußersten Schwanzende einiger erwachsenen Squaliden, z. B.
bei Triaenodon obesus (Schauinsland), wo die beiden fast ganz gleich-
artig gebauten oberen Bögen dem Körper völlig gleichmäßig aufsitzen.
VW ■
1 \ I s ^ ^ V
! ~v : I ^ 1
ub^ isg üb r Hb^(i\) isg
Fig. 216. Der vorderste, unmittelbar hinter dem E'opf gelegene Abschnitt der
Wirbelsäule eines 8,5 cm langen Embryos von Carcharias spec. bei 11-maliger Ver-
größerung. Präparationsmethode dieselbe wie bei den vorigen beiden Figuren ; auch
die Bezeichnung ist dieselbe. Intersegmentalgefäße {isg), ventrale Nervenwurzel (yw)
und dorsale Nervenwurzel {dw) sind meistens nicht ausgezeichnet, sondern nur in
ihrer Lage angedeutet. Die kaudal von den Intersegmentalgefäßen an den unteren
Bögen liegenden Knorpelstücke können als „kraniale" untere Bögen =^ Interkalar-
stücke ("öl), oder auch als Andeutungen von zweiten (kranialen) Rippen gedeutet
werden.
scheinen sie allerdings auch beide an seinem Aufbau teilzunehmen,
während weiter kranialwärts das kraniale Stück allmählich völlig auf
die intervertebrale Region heraufrückt und nur das kaudale' mit seiner
ganzen Basis dem Wirbelkörper angeheftet ist. Beobachtungen an
Embryonen unterstützen diese Annahme (Fig. 214).
In allen diesen Fällen wird man aber an den Zusammenschluß
zweier verschiedener Skierotome zu denken haben, in der Weise,
daß sich dem kaudalen Abschnitt des einen Skierotoms der mehr oder
weniger rückgebildete kraniale des nächstfolgenden zur Bildung eines
Wirbels anfügte. Inwieweit diese Annahme jedoch allgemeine Giltig-
keit hat, wird ebenfalls noch nachzuweisen sein.
Was die Nerven (Schauinsland) anbelangt, so tritt innerhalb
je eines, dem ehemaligen Skierotom gleichzusetzenden Segmentes die
ventrale motorische Wurzel nahe dem kaudalen Bogenstück dicht an
oder unmittelbar hinter dem Blutgefäß heraus (Fig. 215, 216), wäh-
rend die dorsale sensible kaudal von dem kranialen (Interkalar-)Bogen
ihren Ursprung nimmt. Dieses Bogenstück {oby) trennt also
auch hier noch wie bei Petromyzon die motorische von
der sensiblen Wurzel.
416
H. Schauinsland,
Fig. 217.
r
üb iv\iok
isg ^^_. _
•/-"■'CT sT^
's-
üb
"VA
:isg
r.
Fig. 218.
iv r IV k
Fig. 217 u. 218. Der unmittelbar hinter dem
Schädel gelegene (Fig. 217) und der zum hin-
tersten Rumpfende gehörende Teil der Wirbelsäule
nebst 3 Schwanzwirbeln von einem 8,5 cm langen
Embryo von Carcharias spec. ; Ansicht von der '
Ventralseite. Vergr. 16mal. Methylenblaupräparate, r kraniales , c kaudales
Ende, wk Wirbelkörper, iv Intervertebralregion. üb untere Bögen (Basalstumpf).
isg Intersegmentalgefäße. Verfolgt man in Fig 217 die ersten Wirbel, so kann man
zweifelhaft sein, ob die getrennt von den unteren Bögen liegenden Knorpelstücke
aus dem kranialen Skierotoraabschnitte entstandene untere Bögen (Interkalarstücke)
ub^, oder Rippen (rf) sind. Geht man weiter kaudalwärts, so findet man, daß neben
der deutlich zu erkennenden Rippe kaudal noch ein kleineres Knorpelstück, durch
das Intersegmentalgefäß von ihr getrennt, liegt; dieses würde als der Rest einer
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 417
zweiten Rippe aufzufassen sein (rj, die nach Maßgabe ihrer Lage zu dem Inter-
segmentalgefäß aus dem kranialen Skierotomabschnitt abzuleiten wäre, während
die bleibende große Rippe aus dem kaudalen sich entwickelt hätte. Noch weiter
schwanzwärts verschwinden, bezw. verschmelzen diese kleinen, zweiten Rippen mit
den großen. Bei den in Fig. 218 abgebildeten Knorpelstücken ist es wiederum frag-
lich, inwieweit sie als eingeschaltete untere Bögen, oder als zweite Rippen anzusehen
sind. Die Abbildungen zeigen gleichzeitig, daß die Rippen der vorderen und hinteren
Rumpfregion eine gewisse Rückbildung erkennen lassen und oft nicht als Ganzes,
sondern in mehreren voneinander getrennten Knorpelstückchen innerhalb des binde-
gewebigen Myoseptums angelegt werden.
Bei dem späteren Wachstum und Näheraneinanderschließen der
Bogen kommt es oft zu einer Umwachsung der austretenden Nerven-
wurzeln seitens der Bogenknorpel, und zwar liegt dann meistens die
ventrale Wurzel innerhalb des kaudalen {oh) und die dorsale inner-
halb des kranialen (Interkalar-) Bogen s (oö, Fig. 216, 219, 220),
Die nunmehr scheinbare Zugehörigkeit des motorischen Nerven
zu dem je vorhergehenden Skierotom bezw. Wirbel, auf die
bereits v. Jhering (1878) aufmerksam macht, ist somit also erst
sekundär hervorgerufen (Schauinsland).
Während die geschilderten Verhältnisse im Rumpfe vorwalten,
ändern sie sich im Schwänze der meisten Haie und Rochen der-
artig ab, daß hier zwischen je zwei Intersegmentalgefäßen bezw.
zwei Spinalnerven nicht nur ein Wirbel mit seinen zu ihm gehörigen
kranialen und kaudalen Bogenstücken vorkommt, sondern zwei und
selbst mehr; wir haben es also auch hier mit der sog. Diplo- und
Polyspondylie zu thun (Fig. 215b, 219, 220). Die Lage der inter-
segmentalen Blutgefäße und der Nerven ändert sich dabei, ebenso wie
es auch schon bei Callorhynchus der Fall war, in der Weise (bei
Carcharias Fig. 215), daß das Gefäß ebenso wie im Rumpf immer un-
mittelbar hinter einem Spinalnerv liegt, der sonst auf dieses kaudal
direkt folgende Nerv aber nicht vorhanden ist, weil offenbar immer
ein Nerv und ein intersegmentales Gefäß ausgefallen sind.
Ueber die Diplo- und Polyspondylie der Elasmobranchier
wurde im übrigen bereits bei den Holocephalen gesprochen ; darauf
sei hier verwiesen und nur noch bemerkt, daß es sich bei ihrem Zu-
standekommen auch bei den Haien und Rochen aller Wahrscheinlich-
keit nach nur um ein nachträgliches Verschmelzen und Aus-
fallen von Myotomen und der darin enthaltenen intersegmentalen
Gefäße und Nerven handelt. Beweisend dafür ist es auch, daß man
in den nervenlosen Wirbel- bezw. Bogenstücken bei Embryonen
bestimmten Alters nicht selten noch die Löcher findet, durch die die
Nerven in vorhergegangenen Entwickelungsstadien vor ihrem Ver-
schwinden offenbar noch durchgetreten sind. So bemerkt man z. B. im
Schwänze von Torpedo ocellata-Embryonen (Schauinsland), auch in
den Segmenten mit fehlenden Spinalnerven sehr oft in dem kranialen
(Interkalar-)Bogenstück Löcher, die ganz genau denen entsprechen,
durch w^elche in den übrigen Segmenten die dorsale Nervenwurzel
ihren Weg nimmt (cf. Fig. 219, 220).
Dasselbe ist auch in der „diplospondylen" Schwanzregion jüngerer
Acanthias der Fall, in der man sogar bisweilen noch den verschwin-
denden Nerv als ganz feines Fädchen die später nervenlosen Bögen
vermittels kleiner Löcher durchsetzen sieht. Am Schwanzende des
Dornhai kommt übrigens erst auf mehr als zwei Wirbelkörper bezw.
vier Bogenpaare je ein Spinalnerv („Polyspondylie"), so daß hier also
Handbuch der Entwickeluagslehre. III. 2. 27
418
H. Schauinsland,
Fig. 219.
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Fig. 220.
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I Vi* 3 Iris iv 5 ' ' ^\/ "^/
? 3 liRi-ni
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Fi£. 219 u. 220. Seitliche Ansicht der Wirbelsäule aus der hinteren l^urapt-
und der vorderen Schwanzregion (Fig. 219) eines 4,5 cm langen Embryos von ior-
pedo ocellata bei 16-maliger Vergrößerung. Methylenblaiipraparate «J^-^o^^^^^
i h. wahrscheinlich aus dem kaudalen Sklerotomabschmtt «t^^n^enderobjer Bogen
ob, kranialer, d.h. wahrschein hch aus dem kranialen Sklerotomabschmtt sta^^^
oberer Bogen (Interkalarstück). üb unterer Bogen. «^.K"orpelstucke zwischen den
ersten Schwanzwirbeln der Fig. 219, von denen es zweifelhatt ist, ob «»e "^Jf "f ^
untere Bögen (untere Interkalarstücke), oder zu den vorangehenden, geschlossenen
unteren Bögen gehörige Rippen sind, wk Wirbelkörper. ... Verbindungsstuck zwi chen
den oberen und den unteren Bögen, iv Intervertebralnng r Rippen ^«'^f^tral^
Nervenwurzel. <lw dorsale Nervenwurzel. Die erstere tritt aus einer Üettnung im
„kaudalen", die zweite durch eine Lücke im , kranialen" oberen Bogen heraus s|^« Spi-
nalnerven. Nur wenige Nerven sind wirklich ausgezeichnet ; der Austritt der "b[igen
Nervenwurzeln ist nur durch Punkte angegeben. Man ersieht dabei daß ^on der
mit einem * angedeuteten Stelle der Wirbelsaule an kauda warts ein ^Pipf l"erv nur
immer erst auf je den zweiten Wirbel fällt. Trotzdem sind an den beiden oberen
Bogenstücken der eines Nerven entbehrenden Wirbe dennoch «^ Lucken vorhanden
von genau derselben Gestalt und an derselben Stelle, wie sie ^lel^/" ^^^" ^rigen
zum Durchtritt der Nervenwurzeln vorfinden, wohl ein Zeichen, daß eine Reduktion
dieser fehlenden Nerven erst später stattgefunden hat.
auf die Reduktion mehrerer Myotonie samt ihren Nerven und trennen-
den Gefäßen zu schließen ist.
Bei Mustelus laevis (Fig. 222) und einigen anderen Haien sind
die hinteren Rumpfwirbel im Gegensatze zu den vorderen und den
Schwanzwirbehi von außerordentlicher Länge und besitzen statt ein
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 419
bis zwei Bogenpaaren nicht selten drei bis vier, und zwar in ziemlich
regelloser Anordnung. Man muß annehmen, daß hier nicht nur
mehrere Myotonie reduziert oder miteinander verschmolzen sind, son-
dern daß damit gleichzeitig auch ganze Sklerotomkomplexe zusammen-
geflossen sind zur Bildung eines einzigen Wirbelkörpers, während
die Bögen teilweise noch auf die Zahl der Komponenten schließen
lassen. Auch das Verhalten der Nerven und Blutgefäße deutet darauf
hin; trotzdem letztere bei jedem dieser Wirbel vorhanden sind, so
liegen sie doch ebenso zu einander, wie an jenen Stellen (im Schwanz),
wo sie immer erst bei je dem zweiten Wirbel auftreten (Diplo-
spondylie).
Bis dahin ist in der vorliegenden Abhandlung versucht worden,
die zu je zwei Paaren auftretenden oberen und unteren Bögen von
einer Zweiteilung der ursprünglichen Skierotome abzuleiten, und auch
ferner soll es unternommen werden, manche an der Wirbelsäule so-
wohl bei den Bögen als auch bei der Bildung der Wirbelkörper selbst
sich bemerkbar machenden Erscheinungen auf diese Ursache oder auf
damit zusammenhängende Verschmelzungs- und Reduktionserscheinun-
gen zurückzuführen, da diese Erklärungsweise bis jetzt mit den
Beobachtungen am besten übereinstimmt.
H. Gadow und Miss Abbott (1895) dagegen legen das größte
Gewicht auf die S-förmige Gestalt der — sich aus je einem Myotom
und je zwei (einem ventralen und einem dorsalen) Skierotomen zu-
sammensetzenden — Protovertebrae (Ursegmente), deren oberes Ende
sich schwänz- und einwärts biegt, während ihr ventraler Ab-
schnitt und ihre mittlere Partie sich kopfwärts ausbauchen. Diese
S-förmige Biegung und das Uebereinandergreifen der protovertebralen
Platten ist nach ihnen von grundlegender Bedeutung für das Ver-
ständnis der Wirbelsäule, weil es sowohl das fast regelmäßige Vor-
kommen von mehr als einem dorsalen und einem ventralen Bogen-
paar (Basalia und Interbasalia Gadow und Abbott) in jedem der
späteren vertebralen Segmente der Skleromeren als auch die so-
genannte Neugliederung der Wirbelsäule erklärt. Eine Rekonstruktion
von Schnitten durch den Schwanz eines 7 mm langen Embryos von
Scyllium catulus zeigt nach Gadow und Abbott nämlich: „daß
1) die dorsale Hälfte vom Skierotom 2 nach unten wächst und dann
hinter dem ventralen Skierotom 1 liegt, 2) die ventrale Hälfte des
Skierotoms 2 vor und unter der dorsalen Hälfte von Skierotom 3 sich
befindet, und daß 3) das Zustandekommen einer physiologischen Ein-
heit durch die Kombination oder Verschmelzung der ungleich nume-
rierten Skierotomhälften bewirkt wird, so daß die dorsale Hälfte hinter
und oberhalb der ventralen Hälfte liegt. Das neue Skleromer I (dorsales
Skierotom 2, ventrales Skierotom 1) steht nun in folgender Beziehung
zu den Myomeren: Das dorsale breite Ende des Skleromer I koinci-
diert mit dem Myomer I, das Septum zwischen Myomer I und I, 1
verläuft zv/ischen dem dorsalen Skierotom 2 und ventralen Skierotom 1,
d. h. gerade quer über dem neuen Skleromer I. Mit anderen
Worten, dieses Skleromer liegt innerhalb des Einflusses oder des Be-
reiches der Wirkung von zwei aufeinander folgenden Myomeren."
„Wenn A und B zwei aufeinander folgende Skierotome sind, a und b
ihre dorsale, a und ß ihre ventralen Hälften, dann setzt sich das neue
A 4- B
Skleromer zusammen aus b + or und nicht aus — ^ — , weil b -f- a das
27*
420
H. Schauinsland,
Fig. 221.
ro
3
...k
, -sr^
Fig. 223.
1) — r
---^^_ spn
m
§
~2)
m
Fig. 221. Das in Fig. 219 in seitlicher Ansicht dargestellte, unmittelbar vor
dem Schwanz hegende 8tück der Wirbeisäule, von der ventralen Seite bei der-
selben Vergrößerung betrachtet. Rippen u. s. w. sind nur an der rechten Seite ge-
zeichnet, ro rostral oder kranial, c kaudal. vhs der erste geschlossene untere Schwanz-
bogen, wk Wirbelkörper, iv Intervertebralring. wi untere Bögen, r Eippen. Unter den
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 421
zahlreichen an den unteren Bögen (Basalstümpfen) liegenden Knorpelstücken läßt es
sich kaum mehr unterscheiden, was als „kraniale" untere Bögen (Interkalarstücke)
oder als Rippen aufzufassen ist, wenngleich es sicher ist, daß beide Arten von Skelett-
stücken vorhanden sind. Die Abbildung zeigt auch, daß bei den letzten Rumpf-
wirbeln eine ausgebildete Rippe immer erst auf je den zweiten Wirbel fällt.
Fig. 222. Die letzten Rumpf- und die ersten Schwanzwirbel von einem 10 cm
langen Embryo von Mustelus laevis. Vergr. 9mal. Methylenblaupräparat. ?• kranial.
c kaudal. ^ük Wirbelkörper, iv Intervertebralring. ob „kaudaler" (in Bezug auf den
ursprünglichen Skierotomabschnitt) Bogen, ob^ „kranialer" Bogen (Interkalarstück).
üb untere Bögen, r Rippen, isg Intersegmentalgefäße; ihre Lage zu den oberen
Bögen ist meistens durch einen kleinen Ring dargestellt, vw ventrale, div dorsale
Nerven Wurzel; ihre Austrittstellen sind meistens nur durch Punkte angegeben, spn
Spinalnerv. Vom ersten Schwanzwirbel (sw I) an kommt wiederum immer nur ein
Spinalnerv auf je zwei Wirbelkörper. Während die vorderen Rumpf wirbel — der
erste links abgebildete gehört noch dazu — schmal sind und regelmäßig nur je einen
„kaudalen" und einen „kranialen" oberen Bogen haben, sind die letzten Rurapf-
wirbelkörper von sehr bedeutender Länge und besitzen eine ganze Reihe von oberen
Bögen. Es ist wahrscheinlich, daß diese Wirbel durch das Verschmelzen mehrerer
entstanden sind. Die Nerven und Blutgefäße an diesen Wirbeln verhalten sich, trotz-
dem sie hier bei jedem Wirbel vorhanden sind, gerade so wie an jenen Stellen im
Schwänze, an denen sie sich immer nur bei je dem zweiten Wirbel vorfinden.
Fig. 223. Horizontaler Längsschnitt durch die ventrale, die erste Anlage der
unteren Bögen darstellende Leiste (/), um die Basalstumpf-Rippenanlage (b—r) und
ihr Verhalten zum transversalen Septum (s) zu zeigen. Die Chorda (ch) besitzt hier
keine Abgrenzung nach rechts, da der Schnitt nur den ventralen Teil der Chorda
getroffen hat und folglich ihre Hülle schief durchschneidet, spn Spinalnerv, a
Arteria, v Vena intervertebralis. m Muskulatur. Kopie nach E. Göppert.
„ . , . B dorsal , A r^- t^-h • •
selbe ist wie jr -\ -^ — z-^. Diese Bildungsweise eines
2 ventral 2 ®
Skleromers durch Kombination von miteinander alternierenden Sklero-
tom Hälften erklärt auch die Anwesenheit von acht (vier Paar) Knorpel
(Basalia und Interbasalia) an jedem vollsändigen Segment.'' — Nennt
man die pyramidale Masse von skeletogenen Zellen, welche von der
ventralen Hälfte des Skierotoms auswächst, einfach das ventrale Sklero-
tom oder die ventrale Pyramide und die aus der dorsalen Hälfte
hervorgehende das dorsale Skierotom oder die dorsale Pyramide, so
„erstreckt sich jede ventrale Pyramide mit ihrer Spitze über die Chorda
und bildet dort (getrennt von der ventralen Masse durch das rapide
Wachsen der Chorda und ihrer Scheiden) einen Zellhaufen, welcher
hinfort hinter der basalen Masse der dorsalen Pyramide bleibt; diese
letztere gründet vermittelst ihrer abwärts wachsenden Spitze ebenfalls
eine Zellkolonie, aber unterhalb der Chorda und vor der basalen
ventralen Masse. Auf diese Weise werden die Basalia und Interbasalia
erzeugt."
Gadow und Abbott unterscheiden somit unter den Bögen (Arcualia)
Basalia und Interbasalia und von den ersteren wieder ßasidorsalia
(= obere Bögen, Neuralbögen, Neurapophysen etc. der anderen Autoren)
und Basiventralia (= untere, ventrale, hämale Bögen, Basalstümpfe
der Autoren) und trennen ebenso die Interbasalia in die Interdorsalia
(= Intercalaria neuralia, dorsale Schaltstücke u. s. w.) und in die
Interventralia (= Intercalaria haemalia, untere, ventrale Schalt-
stücke u. s. w.).
Zu den Basalia zählen sie außerdem noch die Supradorsalia und
Rippen, sowie Dorsi- und Ventrispinalia und zu den Interbasalia die
Suprainterdorsalia und die Infraventralia (Näheres lese man im Original
p. 170 ff. nach).
422 H. Schauinsland,
„Jede (der oben erwähnten) Zellkolonieen erhält die Fähigkeit, sich
zu einem unabhängigen Knorpelstück zu entwickeln ; das Basidorsale
verschmilzt nicht mit dem Interdorsale, weil beide die Abkommen von
zwei verschiedenen Skierotomen sind, und das Basidorsale kann sich
auch nicht mit seinem eigenen Sproß, nämlich dem Interveutrale, ver-
einigen, weil beide durch die Chorda und ihre Scheiden getrennt
wurden und es auch bleiben/'
„Die Anwesenheit von Interbasalien neben den Basalien ist von
fundamentaler Bedeutung sowohl in der phylogenetischen als auch in
der individuellen Entstehung des Achsenskelettes. Ihr Vorkommen ist
nicht eine EigentümHchkeit der Elasmobranchier und Knorpelganoiden
allein ; sie sind von den Cyclostomen an bei jedem Fisch und bei
jedem anderen Vertebraten anwesend, obgleich nicht immer als unab-
hängige, typische Interbasalia, sondern häufig in scheinbar ganz hetero-
gene Teile umgeändert."
Diese eben kurz mitgeteilte Lehre Gadow's ist, was die Ent-
stehungsweise der „Basalia und Interbasalia" und die Ursache
des — wenigstens bei höheren Vertebraten fast immer zu beobachten-
den — Alternierens der Myomeren mit den Skleromeren (definitiven
Wirbeln) anbelangt, von späteren Arbeiten noch nicht bestätigt
worden. Im Gegenteil weisen die Beobachtungen genügend junger
Stadien bei den Elasmobranchiern etc. (vergl. auch die bei den Holo-
cephalen gegebene Darstellung) darauf hin, daß bei der Entstehung
des Skierotoms die S-förmige Gestalt des Ursegmentes entweder noch
gar nicht vorhanden ist oder wenigstens nicht die von Gadow ange-
nommene große Rolle spielt. Es thut vor allem not, daß die Gadow-
schen Angaben in seinen sonst vortrefflichen Arbeiten, bevor sie zu
einer Grundlage für die Betrachtung der Wirbelsäule-Genese ge-
macht werden können, durch gute, die Präparate wirklich wieder-
gebende Abbildungen, anstatt durch rein theoretisch konstruierte dia-
grammatische Skizzen oder Wirbelanalysen erläutert werden, deren Ver-
ständnis überaus schwierig bleibt. —
Zum Schluß ist noch daran zu erinnern, daß, wie bei den Holo-
cephalen, auch bei den übrigen Elasmobranchiern, vor allem namentlich
bei den Rochen, in späteren Stadien eine Konkrescenz des vordersten
Teiles der Wirbelsäule stattfindet, der dabei bisweilen sogar (bei
einigen Haien) auch mit dem Schädel verschmilzt. Der Grund hierfür
ist sowohl in einer, durch die Nachbarschaft des Schädels bedingten
Unbeweglichkeit der ersten Wirbel zu suchen (so bei den Haien), oder
in der Wirkung einer den Schädel bewegenden Muskulatur, wenn es
(Rochen) zur Ausbildung einer gelenkigen Verbindung zwischen
Cranium und Wirbelsäule kommt.
Bei Aetobates narinari (Euphras.) findet ein derartiges Ver-
schmelzen erst in ziemlich späten postembryonalen Stadien statt
(Schauinsland 1900) und erstreckt sich nur auf die äußeren, aus
den Bogenbasen bestehenden Teile der Wirbelkörper. Innerhalb dieser
einheitlichen Hülle verharren jedoch die stark reduzierten, verkalkten
Doppelkegel der primären Wirbelkörper in unverschmolzenem Zu-
stande und verwachsen nicht miteinander, was übrigens auch bei
Trygon, Rhinobatus etc. der Fall ist, während bei Raja z. B. später
keine Spur von primären Wirbelkörpern mehr vorhanden ist.
Endlich zeigte (Rosenberg 1882 und 1884), daß bei manchen
Haifischen, so vor allem bei Carcharias, Wirbel, die embryonal als
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen imd Brustbein. 423
richtige freie Wirbel vorhanden sind, postembryonal in den Occipital-
teil des Schädels sekundär einbezogen werden; doch das sind Vor-
gänge, deren Beschreibung bereits zu den Aufgaben des folgenden,
den Schädel behandelnden Kapitels gehört.
Kii)peii. Zum ersten Mal in der Reihe der Wirbeltiere begegnen
wir bei den Haien und Rochen Skelettteilen, welche von dem System
der unteren Bögen sich herleiten, und denen die physiologische
Aufgabe zufällt, den in der Leibeshöhle befindlichen Organen Schutz
zu gewähren.
Während früher die Neigung vorhanden war, die Rippen der
Vertebraten, im besonderen die der Fische, insgesamt als homo-
loge Bildungen anzusehen (Hasse und Born 1879, Balfour und
Parker 1882, Grassi 1883, L. Dollo 1892), macht man jetzt in
Bezug auf ihre Lage zur Muskulatur meistens einen Unterschied unter
ihnen, zwischen oberen Rippen (bei Selachiern, Amphibien, Amni-
oten und zum Teil auch bei den Crossopterygiern) und unteren
Rippen (bei den Ganoiden, Teleostiern und Dipneusten).
Um diese Unterschiede beurteilen zu können, wird man zunächst
einen Blick auf die Stammesmuskulatur und die sie durchsetzenden
Scheidewände (Septen) werfen müssen. Die dorsale (oder epaxo-
nische) und die ventrale (oder hypaxonische) Muskulatur wird jeder-
seits durch ein horizontales Septum voneinander getrennt. Die
beiderseitigen Hälften der Stammesmuskulatur werden dagegen durch
ein dorsales und ventrales sagittales Septum geschieden. Die
einzelnen Muskelsegmente oder Myomeren werden gesondert durch
die transversalen Septen (intersegmentale Muskelsehnen Goette's),
welche den ursprünglichen, die einzelnen Myotome abgrenzenden
Myosepten entsprechen. Die transversalen und horizontalen Muskel-
septen müssen sich, wie leicht einzusehen ist, an bestimmten Stellen
schneiden.
Die Vertebratenrippen liegen nun zwar stets in den trans-
versalen Myosepten; teils finden sie sich aber in den medialen
Rändern derselben in unmittelbarer Nachbarschaft des Peritoneums
— es sind das die unteren Rippen — teils an den Kreuzungslinien
der Transversalsepten und der horizontalen, dorsale und ventrale
Seitenmuskulatur voneinander trennenden Scheidewände, und w^erden
dann obere Rippen genannt (Göppert 1895).
Nachdem bereits A. Müller 1853 die Muskeln herangezogen
hatte, um Klarheit in die Morphologie der Rippen zu bringen, war
es vor allen Goette (1878 und 1879), der auf Grund ihrer ungleichen
Lage die Notwendigkeit betonte, zweierlei völlig verschiedene Arten
von Rippen bei den Fischen anzunehmen. Ihm folgten in diesen An-
schauungen Hatschek 1889, Rabl 1892, Wiedersheim 1893 und
endlich nach vorangegangenen Zweifeln auch Gegenbaur 1876 und
1898 (in seinem Lehrbuch).
Die Selachierrippen sind also, wie gesagt, nach der Annahme
der meisten neuen Forscher obere Rippen, wenigstens in ihrer über-
wiegenden Mehrheit, und soweit sie überhaupt physiologisch in Funktion
treten.
Was die Art ihrer Entstehung anbelangt, so ist auch bei
diesem Punkt wieder über zwei verschiedene Anschauungen zu be-
richten, deren eine als hauptsächlichsten Vertreter C. Rabl hat. Dieser
hält (1893) die Selachierrippen für Produkte des axialen Bindegewebes,
424 H. Schauinsland,
die zu keiner Zeit als direkte Verlängerungen oder als seitliche Fort-
sätze der ventralen Bögen und Bogenstümpfe erscheinen, sondern
von Anfang an selbständige Bildungen darstellen. Sie sind daher
weder abgegliederte ventrale Bögen, noch abgegliederte Seitenfortsätze
solcher Bögen, sondern selbständige Skelettstücke, welche syndesmotisch
mit den ventralen Bögen, bezw. Bogenstümpfen in Zusammenhang
stehen. Somit kann man sagen, daß die Rippen der Ganoiden und
Teleostier und wohl auch der Dipneusten an den Durchschnittslinien
der transversalen Muskelsepten und des subperitonealen Bindegewebes
und zwar, wie es scheint, in direktem Zusammenhang mit den ventralen
Bogenstümpfen entstehen ; die Rippen der S e 1 a c h i e r , Amphibien
und Amnioten dagegen an den Durchschnittsstellen des transversalen
und des horizontalen Muskelseptums und zwar unabhängig von
der Wirbelsäule als selbständige Gebilde. Die Stelle des
Ansatzes der Rippen an der Wirbelsäule hängt aber einzig und allein
von der Lage des horizontalen Muskelseptums ab.
Vor Rabl hatten bereits Bruch (1863 und 1867), Fick (1878),
KÖLLiKER (1879), (Lehrbuch, 2. Aufl.), sowie Hasse und Born (1879)
für verschiedene Vertreter der Vertebraten, namentlich Amphibien,
ebenfalls behauptet, „daß die Rippen selbständige Bildungen des
intermuskulären Bildungsgewebes der Myomeren sind'' (Hasse und
Born).
Andererseits vertrat aber Gegenbaur schon immer die Ansicht,
daß die Rippen ihren Ausgangspunkt von den unteren
Bögen der Wirbelsäule nehmen, und daß sie nicht etwa weiter
von ihrer späteren Anlagestelle entstandene, erst sekundär mit den
Wirbeln in Verbindung getretene Skelettteile, sondern wirkliche „Ab-
gliederungen von der Wirbelsäule wären". Man kann sich
nach ihm demnach vorstellen, daß die Rippen als Verlängerungen der
primitiven Basalstümpfe allmählich in die Myosepten hineingewachsen
sind. Ontogenetische Untersuchungen der Rippenentwickelung der
Selachier seitens Goette's (1878), Balfour's (1878), Göppert's (1895)
unterstützten diese Auffassung durchaus, da sie die embryonale An-
lage der Rippen in kontinuierlichem Zusammenhang mit dem Basalstumpf-
knorpel, der sie trägt, fanden. Auch wir werden uns dieselbe zu eigen
machen, und zwar nicht nur für die Rippen der Selachier allein, son-
dern für die der gesamten Wirbeltiere.
Wir halten demnach, um es nochmals zu sagen, die Selachier-
rippen in ihrer Mehrheit für obere Rippen und in Bezug auf diese
Lage also für verschieden von den unteren Rippen, wollen jedoch,
abgesehen hiervon, nicht so weit gehen, diese beiden Typen in grund-
sätzlichen Gegensatz zu einander zu bringen, da beide ja Ab-
gliederungen der unteren Bögen sind und in dieser Form sogar an ein
und demselben Wirbel vorkommen können (Schauinsland).
Was nun den Entwickelungsvorgang der S e 1 a c h i e r r i p p e selbst
anbelangt, so verläuft er nach Göppert (1895) bei Mustelus vulgaris,
Scyllium canicula, Pristiurus melanostomus und Torpedo ocellata, mit
seinen Worten geschildert, auf folgende Weise (Fig. 223 u. 224) :
„In einem Stadium, in welchem gesonderte Skelettanlagen noch
fehlen (Torpedo 15 mm), steht jedes transversale Myoseptum mittelst
eines Bezirkes dichterer Zellenanordnung mit dem perichordalen Ge-
webe, das sich durch dichteres Gefüge vor dem Gewebe der weiteren
Umgebung auszeichnet, im Zusammenhang.
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 425
Weiterhin entstehen im perichordalen Gewebe der Chorda entlang
jene beiden Leistenpaare, — die wir als erste Anlage der oberen und
unteren Bögen oben bereits kennen lernten — wobei die Verbindung
el a.interv.
-nl
— Spn
Fig. 224. Querschnitt durch die Basalstumpf-ßippenanlage in den vorderen
Teilen des Rumpfes eines 48 mm langen Mustelus vulgaris nach E. Göppert. Vergr.
120mal. b ßasalstumpf. r Rippe, a in der Entwickelung zurückgebliebener Teil
der Basalstumpf-Rippenanlage. chsch Chordascheide, el Elastica. Ao Aorta, a.
interv. Arteria intervertebralis. Spn Spinalnerv, nl Nervus lateralis, m Muskulatur.
mit den Myosepten erhalten bleibt. Die Zellbrücken, die den Zu-
sammenhang vermitteln, grenzen sich als Stränge schärfer gegen die
Umgebung ab und bleiben medial in kontinuierlichem Zusammenhang
mit den ventralen Leisten. Lateral gehen sie ohne Grenze in das
noch indifferente Gewebe der Myosepten über.
In den ventralen Leisten sind die Anlagen der Basen der Basal-
stümpfe enthalten. Die beschriebenen Stränge entsprechen den late-
ralen Enden der späteren Basalstümpfe und den medialen der späteren
Rippen. Das ist also ein Stadium, in welchem der mediale Teil einer
einheitlichen Basalstumpf-Rippenanlage zur Sonderung gelangt ist.
Innerhalb der ventralen Leisten sondern sich die den Basal-
stümpfen zugehörigen, vertebralen Teile durch Auftreten hyaliner
Intercellularsubstanz von den intervertebralen Abschnitten. Ferner
sondert sich lateralwärts fortschreitend innerhalb des Gewebes der trans-
versalen Myosepten ein Strang von dicht angeordneten Zellen in der
direkten Fortsetzung des früher ausgebildeten Abschnittes der Basal-
stumpf-Rippenanlage. Er entspricht dem Hauptteil der späteren Rippe.
Das Gewebe des Septums nimmt im übrigen ein lockeres Gefüge an.
Damit ist die einheitliche Basalstumpf-Rippenanlage in ihrer ganzen
Ausdehnung entwickelt.
Jetzt entsteht auch im Bereich der späteren Rippe hyaline Inter-
cellularsubstanz zwischen den Elementen , und zwar beginnt dieser
Prozeß innerhalb der Anlage medial und schreitet lateralwärts fort.
Es bleibt also ein Bezirk, der, wie aus dem Vergleich mit älteren Stadien
ersichtlich, der Gegend der späteren Abgliederungsstelle der Rippe
entspricht, noch eine kurze Zeit auf dem Entwickelungszustand des
426 H. Schauinsland,
vorhergehenden Stadiums. Diese Zone ist bei Scyllium und Pristiurus
schmaler als bei Mustelus. Die Einheit der Anlage bleibt dabei voll-
kommen bestehen.
Bald holt der zurückgebliebene Teil der Anlage die übrigen Teile
ein. Wir haben dann eine durchweg hyalin-kuorpelige, einheitliche
Basalstumpf-Ptippenanlage. Die spätere Abgliederungsstelle ist aber
noch dadurch kenntlich, daß hier die Knorpelgrundsubstanz schwächer
entfaltet ist als in der Nachbarschaft,
Später trennt sich die Basalstumpf-Rippenanlage an der bereits an-
gezeigten Stelle in Basalstumpf und Rippe, indem hier die Knorpel-
grundsubstanz fibrillär zerfällt und damit eine ligamentöse Verbindung
entsteht. Die frühzeitig auftretenden Besonderheiten der Abgliede-
rungsstelle, sowie der Abgliederungsvorgang selbst sind veranlaßt
durch die Aktionen der Seitenmuskulatur.''
Wenn gesagt wurde, daß die Rippen regulär als Abgliederungen
der unteren Bögen zu betrachten seien, so ist dabei doch nicht aus-
geschlossen, daß unter Umständen nicht auch Fälle zur Beobachtung
kommen können, in denen sie scheinbar selbständig im Bindegewebe
des Myoseptums entstehen. So lösen nicht selten die hintersten
Rippen frühzeitig ihre Verbindung mit der Wirbelsäule und hängen
dann nur durch Bindegewebe locker mit ihr zusammen. Diese Rippen
sind ofifenbai- aber nur rudimentär, und daher ist jene Erscheinung
auch nur als eine sekundäre aufzufassen.
Nicht anders sind jene Fälle anzusehen, in denen man an Stelle
einer einheitlichen Rippe nur einige lose zusammenhängende Knorpel-
stücke im Bindegewebe des Myoseptums liegen sieht (Schauinsland),
wie z. B. in den vorderen und hinteren Rumpfpartieen von Carcharias-
embryonen (Fig. 217, 218).
In späteren Stadien sind die Rippen den unteren Bögen, oder
Basalstümpfen, meistens beweglich vermittelst eines Bandapparates
angegliedert. Bisweilen machen sich auch bereits die ersten An-
zeichen einer gelenkigen Verbindung bemerkbar (z. B. bei Acanthias
vulgaris, Göppert 1895). Bei Raja dagegen finden sich die allein
vorhandenen vordersten Rippen (Goette 1878) in fester Kontinui-
tät mit den Basalstümpfen; es ist hier demnach wohl die Abgliederung
der Rippen von den Bögen unterblieben, ein Umstand, der sicher für die
Identität dieser beiden Skelettstücke spricht (Schauinsland). Da,
wie wir oben sahen, bei den Rochen die unteren Bögen vom Schwänze
an kopfwärts immer mehr dorsal emporrücken (siehe auf Fig. 212 u. 219),
so nehmen die an ihnen befindlichen Rippen daran auch teil und er-
scheinen dann in extremen Fällen, ähnlich wie bei den höheren Verte-
braten, fast als Fortsätze der oberen Bögen, was selbstverständhch
nur eine sekundäre Erscheinung ist, —
Weil die unteren Bögen häufig ebenso wie die oberen in doppel-
ter Anzahl auftreten (untere Bögen und Interkalarstücke) und dieses
Vorkommen wohl auch als der primäre Zustand aufzufassen ist, so
ist von vornherein anzunehmen, daß auch die Abgliederungen
der unteren Bögen ursprünglich in zweifacher Zahl
an jedem Wirbel bezw. jedem Segment zu finden sein
werden. Daß Andeutungen hiervon bei den Selacliiern und vor-
nehmlich bei embryonalen Stadien vorkommen, erscheint zweifellos
(Schauinsland). Man durchmustere die genauen Abbildungen der
einschlägigen Verhältnisse im Rumpfe und auch im Schwänze von
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 427
Carcharias- und Torpedoembryonen (Fig. 215a, 215b, 216, 217, 218, 219,
221), und man wird finden, daß dort als Spuren zweifacher Rippen
zu deutende Knorpelstücke sicherlich vorhanden sind, wenngleich man
auch oft im Zweifel sein wird, ob man jene Skelettteile als „Inter-
kalarstücke'' oder als abgetrennte zweite Rippen anzusehen hat. Nicht
selten wird für die Beurteilung die Kenntnis des Verlaufes der seg-
meutalen Blutgefäße dabei von Nutzen sein, aus der es sich auch
ergibt, daß die in Funktion tretende Rippe meistens kranial von dem
Gefäß liegt (also dem kaudalen Skierotomstück angehört).
Am Anfang der Kaudalregion kommen bisweilen untere Bögen,
die sogar zur Bildung des Kaudalkanals ventral geschlossen sind,
und obere Rippen vor, so bei Torpedo (Goette 1878) und Pristiurus
(GÖPPERT 1895).
Andererseits fand Goette bei Carcharias die Enden der besonders
langen ventralen Bögen in der hinteren Rumpf- und der vorderen
Schwanzregion mehrfach abgegliedert, und etwas Aehnliches beobachtete
GÖPPERT auch bei Cestracion Philippi. Beide Autoren sind geneigt,
die betreffenden Stücke als Reste von unteren Rippen (Pleural-
bögen) aufzufassen, und Göppert hält es für wahrscheinlich, daß die
Vorfahren der heutigen Selachier auch untere Rippen besessen haben,
die später aber — von vorne nach hinten vorschreitend — rück-
gebildet wären.
Wie dem aber auch sein mag, mancherlei weist darauf hin, daß
in vielen Fällen als der ursprüngliche Zustand das Vorhandensein von
zwei Rippen in jedem Segment anzusehen ist, die sich in Bezug auf
ihre Lage oft als obere und untere unterscheiden lassen. Eine Er-
klärung für dieses Verhalten wird man teils darin zu suchen haben,
daß sowohl der kraniale als auch der kaudale ursprüngliche Skierotom-
abschnitt je eine Rippe zu produzieren im stände ist, teils darin finden,
daß die unteren Bögen offenbar die Fähigkeit besitzen, obere und
untere Fortsätze gleichzeitig auszusenden. (Vergleiche auch
Ganoiden und Teleostier.)
Granoiden.
Hauptsächlichste Litteratur: Meckel 1824; v. Bär 1828; J.Müller 1844 u.
1846; Leydig 1853 u. 1857; v. Kölliker 1860 u. 1870; Gegenbaur 1867; W.
MtTLLER 1871; Goette 1878 u. 1897; Bridge 1879; Balfour u. Parker 1882;
Hasse 1883 u. 1894; Shufeld 1885; Lwoff 1887; Jw^anzoff 1887; Schmidt
1892; Klaatsch 1893 u. 1895; Hay 1895; Gadow u. Abbott 1895; v. Ebner
1895, 1896, 1897.
Während bei der überwiegenden Mehrzahl der Elasmobranchier
an dem Bau der Wirbelsäule nicht nur die Chorda und ihre Derivate,
sondern bereits auch die aus den Ursegmenten herstammenden Ele-
mente in hervorragender Weise beteiligt waren, so daß es mit ihrer
Hilfe zur Ausbildung hochentwickelter Wirbelkörper kam, sehen wir
bei dem einen Teil der Ganoiden, den K n o r p e 1 g a n o i d e n , wieder-
um ein Zurücktreten des perichordalen Baumaterials. Die Chorda und
ihre Scheiden sind es bei letzteren hauptsächlich, die die Wirbelsäule
bilden und die zeitlebens in ihrem Wachstum weiterschreiten, so daß sie
eine sehr beträchtliche Mächtigkeit erreichen. Sie stimmen hierin also
vollständig mit den Cyclostomen überein. Obere und untere Bögen er-
langen jedoch eine größere Bedeutung wie bei diesen, wenngleich sie
auch nicht so weit geht, daß es mit ihrer Hilfe zur Bildung von
428 H. Schauinsland,
Wirbelkörpern kommt. Diese ermangeln den Knorpelganoiden mit
Ausnahme etwa des allervordersten Abschnittes der Wirbelsäule voll-
ständig. Ebenso fehlt eine Einwanderung von niesodermalem Zellmate-
rial aus den Bogenbasen in die Chordascheide, wie wir es bei den
Elasmobranchiern antrafen und bei den Dipneusten noch finden werden,
durchaus.
Zum ersten Mal in der Tierreihe begegnen wir bei den Knorpel-
ganoiden wirklichen Knochen, wenn auch erst nur in sehr geringer
Mächtigkeit. Trotzdem ist es aber gerade diese Gewebsform, die
fortan berufen ist, auch bei der Wirbelsäule einen weitgehenden Ein-
fluß auszuüben und in einen gewissen Wettbewerb mit dem bis dahin
allein herrschenden Knorpel zu treten, der schließlich immer mehr
und mehr zu Ungunsten des letzteren ausfällt. Bereits bei den
Knochenganoiden ist das im hohen Grade der Fall und wird
hier noch dadurch begünstigt, daß bei diesen mit Hilfe der Bögen
richtige Wirbelkörper zur Entwickelung gelangen, die in den
meisten Fällen einer vorangehenden knorpeligen Anlage sogar zum
größten Teil entbehren.
Es kann dabei nicht ausbleiben, daß bei diesen Ganoiden (den
Knochenganoiden) durch die Wirbelkörperbildung eine Beein-
flussung der Chorda und ihrer Scheiden stattfindet; wir treffen letztere
daher hier zwar noch in einer im Prinzip mit den Knorpelganoiden
übereinstimmenden Entwickelung an, können an ihnen aber ein starkes,
quantitatives Zurücktreten bemerken. Die Chorda und ihre Derivate
haben, namentlich in späteren Stadien, gegenüber dem aus den Urseg-
menten abstammenden Baumaterial der Wirbelsäule ganz beträchtlich
an Bedeutung verloren, am wenigsten noch bei den im paläontologischen
Sinne wahrscheinlich älteren Crossopterygiern, in höherem Grade bei
den übrigen Vertretern der Knochenganoiden, namentlich Lepidosteus.
In Bezug auf die einzelnen Entwickelungsvorgänge selbst, wenden
wir uns zunächst den
Knorpelganoiden
zu. Nach den Untersuchungen von Leydig (1853), Kölliker (1860
1870), Gegenbaur (1867), Goette (1878), Hasse (1883, 1894)
Klaatsch (1893, 1895), v. Ebner (1895, 1896, 1897), Gadow und
Abbott (1895), Schauinsland u. A. vollzieht sich bei diesen die Ent-
wickelung der Wirbelsäule auf folgende Weise: Bei ganz jungen
Stören (48 Stunden nach der Befruchtung) wird die dicke cylin-
drische Chorda aus noch nicht vakuolisierten, reichlich mit Dotter-
körnchen erfüllten Zellen zusammengesetzt, deren Grenzen sich nicht
genau bestimmen lassen. An der Peripherie dieses Chordastranges findet
sich bereits jetzt eine vollkommen gleichmäßige zarte Cuticula (Hasse
1894), während perichordale Zellen in dieser Zeit noch nicht vor-
kommen. — Bei einem etwa 6 Tage alten Embryo ist die Vakuolen-
bildung in den Chordazellen bereits weit vorgeschritten (Fig. 225) ; es
ist kein Grund vorhanden, anzunehmen, daß diese auf eine andere
Weise erfolgt ist, wie sie z. B. oben bei den Holocephalen näher ge-
schildert und von Goette zum ersten Mal bei den Teleostiern mit-
geteilt wurde. Jedenfalls ist diese Annahme bedeutend wahrschein-
licher als etwa die Ansicht Lwoff's (1887), daß die Vakuolen durch
Desorganisation der Zellen und gleichzeitiges Auftreten von Gasen in
der Chordasubstanz entständen, eine Angabe, die bis jetzt noch keine
Bestätigung gefunden hat.
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 429
Gleichzeitig mit den Vakuolen in der Chorda hat sich eine proto-
plasmatische Rindenschicht — Chordaepithel (Leydig, Gegenbaur)
— ausgebiklet, und wahrscheinlich in direktem Zusammenhang damit
lassen sich von nun an — bei 4— 6-tägigen Embryonen (Schauins-
land) — an der bis dahin einheitlichen Scheide der Chorda zwei
Lagen unterscheiden, eine äußere, vorläufig noch sehr dünne und eine
innere dickere (Fig. 226). Bei älteren Embryonen werden dann die
beiden Lamellen cler Chordascheide von größter Deutlichkeit (Hasse
1894, Klaatsch 1895, Schauinsland) — siehe Fig. 227 — . Wir
haben also auch hier wieder die wohl für alle Ichthyopsiden typischen
beiden Scheiden der Chorda, die elastische — die äußere — und
die Faser seh ei de — die innere der beiden Lamellen. Wahr-
scheinlich wird auch bei den Ganoiden die erstere derselben von der
Chorda vor ihrer Vakuolisierung abgeschieden (daher primäre Chorda-
scheide von Klaatsch genannt) und die letztere (die sekundäre
Chordascheide, Klaatsch) von dem mit der Vakuolenbildung gleich-
zeitig auftretenden Chordaepithel.
Die Behauptung Lwoff's, daß die gesamte Chordascheide, sowohl
die elastische als auch die faserige, nicht von der Chorda, sondern von
dem sie umgebenden perichordalen Bindegewebe erzeugt würden, und
daß innerhalb der Faserscheide Zellen vorkämen, aus denen die in ihr
später vorhandenen Fibrillen sich entwickelten, ist als eine irrtüm-
liche anzusehen. Ebenso ist die Angabe Kölliker's und Retzius'
über die Gegenwart einer Elastica interna zwischen Faserscheide
und Chordaepithel nicht bestätigt worden, v. Ebner u. A. geben
vielmehr mit Bestimmtheit an, daß sich außer in der Elastica externa
— die als elastische Membran zuerst von Leydig beschrieben
wurde — keine elastischen Fasern in der Chordascheide des Störs
nachweisen lassen.
Die ganze Chordascheide, deren bemerkenswerte Uebereinstimmung
mit den Zuständen bei den Cyclostomen namentlich Goette zuerst
betonte, erreicht später eine beträchtliche Stärke und zeigt dann
histologisch einen recht komplizierten Bau (v. Ebner 1896, 1897).
Die leim geben de Faser scheide besitzt drei Schichten, welche
sich durch die Anordnung der Faserbündel unterscheiden. Der Ver-
lauf derselben und ihre Wellenbiegungen sind im allgemeinen ganz
ähnlich wie bei den Cyclostomen (vergl. diese), und auch bei den
Stören sind als äußerer Ausdruck ihrer Anordnung die vier charak-
teristischen Nahtlinien an der Oberfläche der Chordascheide kenntlich.
Bei Acipenser kommt aber zu den Wellenbiegungen der Bündel,
parallel zur Oberfläche der Chorda, noch eine Durch flechtung
derselben in transversalen Ebenen hinzu.
Die elastische Scheide ist von zahlreichen runden Löchern
durchbohrt und zeigt eine Zusammensetzung aus quer verlaufenden,
spindelförmigen, dicht aneinander gefügten Fasern ; sie steht an ihrer
Außenseite in Zusammenhang mit elastischen Fasern , die in das
skelettbildende Gewebe, zum Teil auch in die der Elastica dicht an-
liegenden Bogenknorpel eindringen (Klaatsch, v. Ebner).
Die Chorda wächst zeitlebens weiter und stellt einen sehr
voluminösen, derben Cylinder dar, der für die Festigkeit der Wirbel-
säule von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist. Sie besteht durch
und durch aus einer zelligen Masse ohne größere Hohlräume. Die
Membranen der einzelnen kleinen Vakuolen zeigen keine deutlich
fibrilläre Struktur (v. Ebner).
430 H. Schauinsland,
Die in früherer Zeit, insbesondere von Kölliker vertretene An-
sicht, daß das Gallertgewebe der Chorda als eine Art Zellenknorpel
zu betrachten sei, kann, so allgemein ausgedrückt, heute kaum mehr
als giltig angesehen werden, da namentlich auch in histochemischer
Hinsicht (von G. Retzius und Sternberg besonders bei Cyclostomen
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Fig. 225. Querschnitt durch einen Embryo von Acipenser sturio, der 6 Tage
16 Stunden nach der Befruchtung alt war. Vergr. OOmal. es elastische Scheide.
fs Faserscheide, ep protoplasmatische Rindenschicht der Chorda (Chordaepithel).
b innerste, sich der Chordascheide dicht anlegende Schicht (skeletoblastische Schicht)
des perichordalen Bindegewebes, oh und üb Basen der oberen und unteren Bögen,
die sich in dieser Schicht entwickelt haben; sie sind noch zum größten Teil binde-
gewebig, seh Subchorda. a Aorta, m Eückenmark. mk Muskeln.
nachgewiesen) die Zurechnung der Chorda zum Knorpelgewebe keine
Berechtigung besitzt. Bei höheren Vertebraten werden wir anderer-
seits allerdings später finden, daß das Chordaepi thel hin und wieder
im Stande ist, knorpelähnliches Gewebe zu erzeugen.
Auch bei Acipenser kommt im Centrum der Chorda ein Chorda-
strang vor, der in der Kopf- und Schwanzregion rundlich ist, im
Rumpfteil dagegen die Form eines platten, in der Horizontalebene
liegenden Bandes annimmt. Ebenso wie bei den Cyclostomen besteht
er auch hier nur aus stark verlängerten, dickwandigen Vakuolen.
Eine Subchorda ist ebenfalls bei den Knorpelganoiden vor-
handen ; sie besitzt zur Zeit ihrer größten Entwickelung eine sich
genau so wie die Elastica externa färbende dünne Scheide (Schauins-
land).
Der Chordascheide sitzen obere und untere knorpelige Bögen
auf. Die erste Entstehung des perichordalen Bindegewebes,
Die Entwickeluug der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 431
in dem sich die Bögen entwickeln, ist bis jetzt noch nicht beobachtet
worden, doch läßt sich nach den bei den anderen Vertebraten fest-
gestellten Thatsachen kaum daran zweifeln, daß es auch beim Stör
sich aus den Ursegmenten, im besonderen den Skierotomen, herleitet.
Die Annahme Hasse's (1894), daß es aus Blutkörperchen gebildet
werde, die durch die Aortenwand hindurch auswandern, dürfte kaum
Bestätigung linden.
Autfallend ist die regelmäßige Anordnung der medial gelegenen
perichordalen Elemente schon in ganz frühen Stadien (Hasse 1894) :
man kann dadurch von vornherein eine der Chordascheide von außen
dicht anliegende skeletoblastische Schicht von dem mehr locker
gefügten, weiter peripher liegenden Bindegewebe unterscheiden. Die
erstere ist ähnlich wie bei den Elasmobranchiern hauptsächlich an je
zwei dorsalen und ventralen, auf der Chordascheide verlaufenden
Längsreihen in größerer Mächtigkeit ausgebildet (Gadow 1896)
und stellt hier die erste Andeutung der oberen und unteren Bögen
dar (Fig. 225). Während diese anfangs nur „häutig" sind, macht sich
bald Knorpel in ihnen bemerkbar. Die dann entstandenen knorpe-
ligen oberen und unteren Bögen, die der Chordascheide un-
mittelbar aufsitzen, bleiben, mit Ausnahme des vordersten Teiles
Fig. 227.
^s> ^^
b
I
I
I
I
I
■es
Fig. 226 u. 227. Flg. 226 zeigt ein Stück der Chordascheide des in Fig. 225
abgebildeten Querschnittes und Fig. 227 ein ebensolches Stück des in Fig. 228 ab-
gebildeten Querschnittes bei 990-facher Vergr. es elastische Scheide, fs Faserscheide.
ep protoplasmatische Rindenschicht der Chorda (Chordaepithel), b innerste, der Chorda-
scheide unmittelbar anliegende Schicht (skeletoblastische Schicht) des perichordalen
Bindegewebes.
der Wirbelsäule, dauernd voneinander getrennt. Obere und untere
Bögen werden durch keine Knorpelschicht, sondern nur durch skeleto-
genes Bindegewebe (Fig. 228 etc.) miteinander verbunden. Es kommt
daher auch nicht zur Bildung von Wirbelkörpern; diese werden
funktionell vertreten durch die mächtige Chorda mit ihrer Scheide
(Fig. 228, 229, 230, 232, 233).
Sowohl von den oberen als auch von den unteren Bögen kommen
je zwei in jedem Körpersegment vor. Namentlich in jüngeren Stadien
sind diese großen „Bogen-" und kleinen „In te rkalar stücke"
äußerst regelmäßig ausgebildet (siehe die Abbildung der vorderen
Wirbelsäule eines jungen Hausen auf Fig. 230). Später zeigen die
„Interkalarstücke" öfter Unregelmäßigkeiten und können auch in
mehrere Teile zerfallen. Die Wirbelsäule von Polyodon (Bridge,
Schauinsland) weist aber nach dieser Richtung hin auch bei Er-
432
H. Schauinsland,
wachsenen noch eine fast schematische Anordnung auf (Fig. 232, 233).
Es kommt also bei den Knorpelganoiden in Bezug auf die Bogen
regulär eine primäre Diplospoudylie vor.
Fig. 228.
Fig. 229.
.1
*.^^ "f
-??ds
-es
..ep
Fig. 228. Querschnitt durch einen 32 Tage alten Störembryo (Aeipenser
sturio). Vergr. 90 mal. es elastische Scheide, fs Faserscheide, ep „Chordaepithel".
ob, nb obere und untere Bögen, zum größten Teil bereits knorpelig, h perichordales-
Bindegewebe, das die oberen und unteren Bögen miteinander verbindet. Dieses zu-
sammen mit Chorda und Chordascheide könnte man gleichsetzen dem „primären
Wirbelkörper" Goette's, während es zur Bildung eines „sekundären" wegen der aus-
bleibenden Umwachsung der Chordascheide seitens der Bogenbasen nicht kommt.
a Aorta. 7nk Muskelfasern.
Fig. 229. Querschnitt durch den Rumpf eines 53 mm langen Aeipenser stellatus.
Vergr. 40 mal. es elastische Scheide, fs Faserscheide, ep „Chordaepithel", üb untere
Bögen, h Hämalfortsätze derselben zur Umschließung der Aorta (a). ob obere
Bögen. Mach Umschließung des MeduUarrohres (m) weichen sie dorsal von diesem
nochmals auseinander und bilden dadurch einen zweiten Hohlraum, in welchem ein
elastisches Band (llds) liegt, s sogenannter Dornfortsatz, g Ganglion der sensiblen
Nervenwurzel.
Das Verhältnis der beiden Bogenstücke zu den Myosepten, Blut-
gefäßen und Nerven ist — bei jungen Hausenembryonen — folgendes
(Schauinsland) :
Die Myosepten verlaufen (Fig. 230, 231) an der kau dal en
Seite der großen oberen Bogenstücke, überschreiten in einer gewöhn-
lich fast senkrechten Linie die Chorda, gelangen dann auf das größere
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 433
untere Bogenstück und von diesem auf die Rippen. — Unmittelbar
hinter den Myosepten finden sich die in tersegmentalen Blut-
gefäße. Nehmen wir, wie wir es bis jetzt immer gethan haben, die
Myosepten und die Blutgefäße als die noch jetzt giltigen Grenzen der
ehemaligen Ursegmente bezw. der Skierotome an, so entsprechen
Fig. 230.
VW
isg : div
ob
Fig. 231.
ro-
chsch spii uby ub^
— m
ms
ob,
ob
tsg^
ob.
ob
I I
Fig. 230. Vorderstes Ende der Wirbelsäule
eines 36 mm langen Hausen (Acipenser huso).
Vergr. 26 mal. ro rostral. isg Intersegmental-
gefäße. ms Myosepten. vw ventrale, cho dorsale
Nervenwurzel, die sich vereinigen zum Spinalnerv
(spn). ob kaudale obere Bögen, ob^ kraniale
obere Bögen (obere Interkalarstücke). üb kaudale
untere Bögen, ub^ kraniale untere Bögen (untere
Interkalarstücke). r knorpelige, an den kaudalen
unteren Bögen sitzende Rippen. An dem krani-
alen Wirbelsäulenende sind die unteren Bögen
nicht nur unter sich, sondern auch mit den oberen
zu einer die Chordascheide {chsch) seitlich um-
gebenden Knorpehnasse verschmolzen. Hier
werden auch die kranialen kleinen oberen Bogen-
stücke vermißt, sei es, daß diese überhaupt nicht
angelegt werden oder erst in späteren Stadien
erscheinen.
Fig. 231. Rechte Hälfte eines horizontalen Längsschnittes durch die Wirbel-
säule eines 36 mm langen Hausen (Acipenser huso) aus der hinteren Rumpfgegend.
Der Schnitt hat das Rückenmark gerade in der Höhe des Austrittes der ventralen
Nervenwurzeln getroffen, ro kraniales Ende, ms Myoseptum. isg Intersegmentalge-
fäße. R Rückenmark, vw ventrale Nervenwurzel, dw Querschnitt der dorsalen
Nervenwurzel, ob kaudale Bogenstücke. o6, kraniale Bogenstücke (obere Inter-
calaria); sie liegen, wie man sieht, zwischen den beiden Nervenwurzeln, m Muskel-
fasern.
wiederum die kleinen Bogenstücke (Interkalarstücke) dem kranialen
Abschnitt des Skierotoms und die großen oberen und unteren Bogen-
stücke samt den Rippen dem kaudalen. Die ventrale (motorische)
Nerven Wurzel entspringt dicht hinter den Intersegmentalgefäßen,
die dorsale (sensible) sowohl weiter kaudal als auch dorsal davon.
Beide Wurzeln vereinigen sich erst, nachdem sie eine Strecke weit
selbständig verlaufen sind, zu den Spinalnerven. Es ist sehr be-
merkenswert, daß bei jungen Embryonen der Knorpelganoiden also
noch das ursprüngliche, bei Petromyzon und den Elas-
mobranchiern vorkommende Verhältnis herrscht, daß
Handbuch der Entnickeluagslehre. III. 2. 28
434
H. Schauinsland,
das kraniale Bogenstück zum größten Teil noch zwischen der
ventralen und der dorsalen Wurzel gelegen ist.
An älteren Tieren ist das häufig nicht mehr so deutlich zu sehen ;
bei dem zunehmenden Wachstum sowohl der kaudalen als auch der
kranialen Bogenstücke rücken diese dicht aneinander (Fig. 232, 233)
und die Austrittsstellen der Nerven liegen dann oft nicht mehr
zwischen diesen Knorpelstücken, sondern in ihnen. Die ventrale
Fig. 232
Fig. 233.
isg viü 4w
Fie 232 und 233. Ein Teil der Wirbelsäule am Uebergang der Rumpf- zur
Schwanzregion (Fig. 232) und ein Teil des unmittelbar auf den Schädel folgenden
Abschnittes eines jungen Polyodon folium (Spatularia) bei etwa 3 V^-maliger Ver-
größerung, isg Intersegmentalgefäße. vw ventrale, dw dorsale Nervenwurzel bezw.
ihre Austrittsstelle, spn der aus ihrer Vereinigung hervorgegangene Spmalnerv. oh
kaudaler oberer Bogen, ob, kranialer oberer Bogen ; an dem vordersten Ende der
Wirbelsäule (Fig. 233) ist er mit dem kaudalen Bogenstück des vorhergehenden
Segmentes verschmolzen, ttb kaudaler unterer Bogen, icb, kranialer unterer Bogen.
«&c erster zum Schwänze gehöriger unterer Bogen, chsch Chordascheide, s sog.
„Dornfortsatz".
Wurzel kann dann durch die Spitze des kleinen kranialen Bogen-
knorpels hinaustreten und die dorsale sogar durch den hinteren Rand
des nächst vorhergehenden kaudalen Bogenstückes (Fig. 232,
233), so daß die sensible Wurzel also scheinbar zum vorher-
gehenden Segment gehört. Es liegt auf der Hand, daß dieses
Verhalten nur ein sekundäres ist. Die Angabe v. Jherings
(1878) — welcher das kleinere kraniale Bogenstück für das „Crural-
stück" und das kaudale große für das „Intercalare" hielt — daß die
beiden Nervenwurzeln beim Stör ebenso wie bei den Haien (bei denen
es übrigens, wie wir sahen, auch nicht zutrifft), die Skelettstücke des
vorhergehenden Segmentes durchbohren, ist daher ebensowenig
gerechtfertigt wie die Annahme anderer Autoren, daß die dorsale
Wurzel in der Regel vor der ventralen heraustritt.
Des weiteren wäre von den Bögen, namentlich aus späteren^ Ent-
wickelungsstadien, noch folgendes zu berichten
Die oberen Bögen
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 435
stoßen oberhalb des Rückenmarkes zusammen, verschmelzen aber dort
entweder gar nicht oder nur im hintersten Abschnitt der Fuge, und
setzen sich von hier aus noch weiter dorsal fort. Dadurch wird ein
zweiter Hohlraum von ihnen gebildet (Fig. 229 und 234), in welchem
ein starkes elastisches Band, das Ligamentum longitudinale dorsale
superius (Klaatsch), verläuft. Nach oben hin wird diese Rinne durch
Knorpelstücke, die oftmals in doppelter Zahl vorhanden sind (Fig. 229
und 232) und die teils für obere Dornfortsätze, teils (Goette 1878)
für die Homologa von Flossenträgern gehalten werden, — was sicher
wohl auch richtiger ist — geschlossen.
An den unteren Bögen ist in späterer Zeit bemerkenswert,
daß statt des die Aorta ventral abschließenden Bandes sekundär eine
Knorpelspange entsteht, indem je ein medianwärts gerichteter „Hämal-
fortsatz'' (siehe auch die Angaben über Laemargus unter den Elas-
mobranchiern) des rechten sich mit dem des linken Bogens vereinigt
(GoETTE 1878). — Im Schwanz verschmelzen die unteren Bögen ven-
tralwärts und bilden einen breiten, weit nach hinten gerichteten Dorn.
In dem dadurch entstan-
denen, ventral vom Knor-
pel völlig geschlossenen
Kau dalk anal liegt zu
Unterst die Vene und
darüber, von ihr durch
die eben erwähnten Hä-
malfortsätze — welche
sich hier aber noch nicht
s.trsv.d*^^:---
llds
Fig. 234. Querschnitt
durch den vorderen Teil des
Rumpfes eines 12 cm langen
Acipenser ruthenus bei öVo-
f ach er Vergrößerung nach
GÖPPERT. s. trsv. d dorsale
Transversalsepten. s. hör Ho-
rizontalseptum. M. l Muskel
der Seitenlinie. N. l Nervus
lateralis, ob obere Bögen, uh
untere Bögen ( Basalstümpfe).
m Rückenmark. II ds oberes
dorsales elastisches Längs-
band, d obere Dornfortsätze.
a Aorta.
immer vereinigt haben — getrennt, die Aorta. (Bei Scaphirhynchus
verwachsen übrigens die unteren Bögen im Schwänze nicht mit-
einander, IWANZOFF 1887.)
Während sonst im ganzen Verlauf der Wirbelsäule obere und
untere Bögen durch einen weiten Zwischenraum voneinander getrennt
sind, verschmelzen sie am vordersten Ende in ähnlicher Weise wie
bei den Holocephalen (Fig. 230) und bilden so eine breite, die Chorda-
scheide völlig umgebende Knorpelmasse.
Ebenso können an den dicht hinter dem Cranium liegenden Ab-
schnitten die kranialen (Intercalaria) und kaudalen Bogenstücke zu-
sammenfließen, und es ist interessant, daß bei Polyodon (Fig. 233)
dabei die Stücke aus verschiedenen Segmenten sich vereinigen.
28*
436
H. Schauinsland,
indem das kleine kraniale mit dem großen kaudalen des vorher-
gehenden Segmentes verwächst. —
Knochen tritt an vielen Stellen der Wirbelsäule, namentlich an
den unteren Bögen im Schwänze, den oberen Dornfortsätzen oder
Flossenträgern (Fig. 232) und den mittleren Abschnitten der Rippen
in Gestalt eines glatten, rindenförmigen und zellenlosen äußeren Belags
des Knorpels auf.
Ril>peu. lieber ihre Ent Wickelung ist bis jetzt noch nichts
Näheres bekannt geworden. Im ausgebildeten Zustand sind sie — im
Gegensatz zu den bis jetzt besprochenen Rippen der Elasmobranchier
— bezüglich ihrer Lage zur Muskulatur und den Septen als untere
Rippen oder echte Fischrippen (Pleuralbögen, Goette) aufzufassen,
wie sie sonst noch bei den übrigen Ganoiden, den Teleostiern und
Dipneusten vorkommen. Auch hier wie überall geht mit ihnen eine
erhebliche Bedeutung der ventralen Muskulatur (Fig. 234) Hand in Hand.
Fig. 235.
uh üb
Fig. 235. Teil der Schwanzwirbelsäuie einer 3 cm langen Amia calva bei etwa
11-maliger Vergrößerung, nach einem Wachsplattenmodell in verkleinertem Maßstabe
gezeichnet, chsch Chordascheide, ob obere, üb untere — kaudale — Bögen, oö, obere,
ub^ untere — kraniale — Bögen, s Flossenträger (Dornfortsätze), ms Myosepten,
deren Verlauf durch [die punktierte Linie am kaudalen Rande der kaudalen Bögen
angegeben ist.
Fig. 286. Das vorderste Ende der Wirbelsäule einer etwa 3 cm langen Amia
bei 27-facher Vergrößeruug. ob obere Bögen ; sie liegen völlig intervertebral. üb
untere Bögen, ob^ kraniale obere Bogenstücke; sie und die unteren Bögen sind fest
miteinander vereinigt, or der nach Sagemehl aus drei verschmolzenen Wirbeln
entstandene Occipitalteil des Schädels. Man kann an dem dazu gehörigen Bogen-
teil noch eine schwache Andeutung von dem einen darin auch verschmolzenen,
kleinen kranialen Bogen sehen, ch Chorda mit ihrer Scheide. Eippen sind von
diesem Präparat nicht gezeichnet; in Wirklichkeit finden sie sich jedoch bei jungen
Tieren von dem ersten Wirbel an, die vordersten scheinen später aber wieder zu
verschwinden.
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 437
Sie erscheinen als unmittelbare Fortsätze der kaudalen unteren
Bogenstücke (Fig. 230) bezw. als Abgliederungen von ihnen. Diese
Abtrennung, wie überhaupt das Auswachsen der Rippen aus den
kurzen unteren Bögen (Basalstümpfen) kann man sich als eine Folge
der Zugwirkung vorstellen, welche bei der Kontraktion der Myomeren
die Myosepten auf die Teile der Wirbelsäule, an denen sie befestigt
sind, ausüben, und die zum Teil durch die Rippen übertragen wird,
welche die feste Verbindung der Septen mit den ersteren vermitteln
(GÖPPERT 1895).
Uebrigens sieht Goette (1878) die geschlossenen unteren Schwanz-
bögen (ebenso wie bei den Knochenganoiden) für Homologa der Rippen
an oder vielmehr der Rippen + den Bogenbasen, an denen sie an-
geheftet sind, während J. Müller (1846) sie nur den letzteren
(den Parapophysen) gleichstellt und Gegenbaur sie für gleichbe-
deutend mit einem gewöhnlichen vollständigen unteren Bogen hält.
Auch aus diesen verschiedenen Anschauungen scheint es hervorzu-
gehen, daß man Rippen und untere Bögen nicht in Gegensatz zu ein-
ander bringen sollte, da beide genetisch zu einander gehören und sich
nur durch die physiologisch bedingte, vorhandene oder fehlende Ab-
gliederung unterscheiden.
Knochenganoiden.
Man hat bei den Knochenganoiden eine Anzahl Formen mitein-
ander vereinigt, die eine recht abweichende Organisation aufweisen.
Unter ihnen mag zunächst die Entwickelungsgeschichte der Wirbelsäule
von Amiä vorangestellt werden, da die Kenntnis derselben nicht nur
für die Beurteilung der Wirbelsäulengenese der Ganoiden, sondern
der Vertebraten überhaupt von der allergrößten Wichtigkeit ist.
Wir folgen hierbei neuen Untersuchungen (Schauinsland) unter
Berücksichtigung der vorangegangenen Arbeiten von Schmidt (1892),
Hay (1895), Gadow und Abbott (1895), Goette (1897).
Die jüngsten Stadien sind bis jetzt leider noch nicht bekannt
geworden. Bei Embryonen von 15— 30 mm Länge zeigt die Chorda
samt ihren Scheiden einen Bau, der im Prinzip fast völlig über-
einstimmt mit dem der Knorpelganoiden. An Mächtigkeit stehen
diese Elemente jedoch ganz außerordentlich hinter jenen der Störe
zurück, und bei zunehmendem Alter verlieren sie, wenn sie auch nicht
etwa einer völligen Reduktion verfallen, an Bedeutung noch beträcht-
lich, eine Erscheinung, die sich übrigens auch bei den anderen
Knochenganoiden, im höchsten Grade bei Lepidosteus, beobachten läßt.
An der Chordascheide finden sich wiederum die beiden
charakteristischen Teile vor, die dünne äußere elastische Scheide
und die innere dicke Faserscheide. Die erstere stellt eine viel-
fach gefensterte (Fig. 236 — 238, 242) Membran dar ; in späteren Stadien,
vsrenn der Wirbelkörper knochen an Mächtigkeit stark zugenommen
hat, ist sie an den Stellen, wo sie unmittelbar mit ihnen in Berührung
tritt, oft nicht mehr nachzuweisen. Wenn sie hier, anstatt einfach
einer Reduktion zu verfallen, wirklich mit in die Verknöcherung ein-
bezogen wird, was übrigens immerhin noch zweifelhaft ist, so bleibt
doch ihre Mitwirkung an dem Aufbau der W^irbelkörper von gänzlich
untergeordneter Bedeutung.
Die Faserscheide zeigt eine bemerkenswerte Eigentümlichkeit :
dort, wo die unteren und oberen Bögen der Chordascheide aufsitzen,
438
H. Schauinsland,
ist sie von diesen offenbar in irgend einer Weise (wahrscheinlich durch
den von jenen ausgeübten Druck) in ihrer Konstitution beeinflußt. Mit
färbenden Reagentien behandelt, hebt sich an diesen Stellen eine äußere,
bedeutend dunklere Partie scharf von ihrer Umgebung ab. Dieser
Teil der Faserscheide bildet somit einen Cyhndermantel, dessen Längs-
ausdehnung in kaudal-kranialer Richtung durch den Umfang der
es fs
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ob
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— ob.
ob
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spn
'ß
ob
— ob.
i^
Ps;
Fig. 237. Horizontaler
Längsschnitt durch einen Teil
der Schwanzwirbelsäule einer
3 cm langen Amia calva.Vergr.
80 mal; nur die linke Seite
des Schnittes ist abgebildet.
Der Pfeil zeigt kranialwärts.
Der Schnitt ist unmittelbar
ventral vom Rückenmark ge-
führt worden, so daß die
Chorda, bezw. die Chorda-
scheide eben erst angeschnitten
ist. An dem kranialen Ende
ist der Schnitt etwas mehr
ventralwärts verlaufen als an
dem kaudalen. ch Chorda, rp
Chordaepithel. es elastische
Scheide, fs Faserscheide, an
dem hinteren Schnittende eben
erst flach angeschnitten und
auch an dem vorderen noch
recht schräg getroffen ; hier
jedoch zeigt sie schon die im
Längsschnitt linsenförmige
Differenzierung {afs), und zwar
nur dort, wo ihr ein knor-
peliger Bogen dicht anliegt.
iv intervertebrale Partie der
Faserscheide, die sich durch
die Art der Fibrillen von der
übrigen unterscheidet. i;;.s Myo-
septen. isg Intersegmentalge-
fäße. spn Spinalnerven, die
Zusammensetzung aus der
vorderen, ventralen und der
hinteren , dorsalen Wurzel
noch zeigend. ob kaudale
obere Bögen, oö, kraniale obere
Bögen. Da der Schnitt vorn
mehr ventralwärts geführt ist
als hinten, sind die kranialen
vorn mächtiger als hinten,
während bei den kaudalen das
Umgekehrte der Fall ist. m
Muskelfasern.
Knorpelbögen bedingt wird, mit [deren iGrenzen er genau überein-
stimmt und sie nicht überschreitet (Fig. 237, 242). Da sich die Ränder
dieses Cylinders ausschärfen, so erscheint sein Längsdurchschnitt als
Linse (Fig. 237, 242), während er auf Querschnitten (Fig. 238, 239)
eine durchgehende äußere Lage der Faserscheide darstellt, die fast
ebenso dick ist wie die innere unverändert gebliebene Region der-
selben. An den distalen Enden der Wirbel und an den interverte-
bralen Partieen fehlt diese Differenzierung der Faserscheide.
Bei Lepidosteus kommt nach Balfour und Parker (1882)
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 439
in ganz ähnlicher Weise eine äußere differente („granulierte") Lage
der P^'aserscheide vor; sie ist hier jedoch sowohl dicker wie bei Amia
als auch entsprechend der größeren Ausdehnung der knorpeligen Bogen-
teile länger (Fig. 251—254).
Der Chordascheide sitzen die knorpeligen oberen und unteren
Bögen unmittelbar auf, und wiederum finden wir ursprünglich in
jedem Segment zwei Paar obere und zwei Paar untere, von denen
das eine bedeutend dem anderen an Größe nachsteht (Fig. 235 etc.)
Es liegen also — wir sehen vorläufig von den weiteren, durch Ver-
schmelzungen und Reduktionen hervorgerufenen Komplikationen ab
und betrachten nur die in einem großen Teil des Schwanzes vor-
kommenden primären Zustände — genau dieselben Verhältnisse vor
wie bei den Knorpelganoiden.
Auch darin stimmt Amia mit den Stören überein, daß die unteren
und oberen Bögen durch einen weiten Zwischenraum getrennt und nicht
durch Knorpel, sondern allein durch Bindegewebe miteinander ver-
bunden sind (Fig. 235). Nur an dem vordersten Ende der Wirbel-
säule rücken sich auch hier diese beiden Bögen bis zur gegenseitigen
Verschmelzung entgegen (Fig. 236, 238), so daß an dieser Stelle die
Chordascheide fast völlig von einem Knorpelmantel umgeben ist. Auch
an der äußersten Schwanzspitze scheint in jungen Stadien rings um
die Chorda herum eine sehr dünne Knorpellage vorhanden zu sein.
Die oberen Bögen vereinigen sich oberhalb des Rückenmarkes
nicht unmittelbar; es finden sich an dieser Stelle vielmehr noch zwei
kleine Knorpelstückchen zwischen ihnen, welche sicher den auch bei
Lepidosteus und einigen Teleostiern vorkommenden homolog sind.
Man hat sie dort „Intercalaria" genannt („Suprainterdorsalia" Gadow
und Abbott). Ueber ihre morphologische Bedeutung ist im übrigen
bei Amia bis jetzt nichts Bestimmtes zu sagen.
Dorsal von den oberen Bögen liegen unmittelbar über dem oberen
elastischen Längsbande einfache Knorpelstäbe in ganz ähnlicher Weise
wie bei den Stören (Fig. 235 s). Bei letzteren wurden sie von
GoETTE „Flossenträger" genannt, und so wird man sie auch hier be-
zeichnen müssen.
Was das Verhältnis der Bogenknorpel zu den Intersegraen-
talgefäßen und den Nerven anbelangt (Fig. 235, 237, 240, 242,
246 — 251), so verlaufen die Gefäße dicht an dem kaudalen Rande
der großen oberen und unteren Bogenstücke unmittelbar hinter
den Myosepten, die ebenfalls an diesen Skelettstücken entlang ziehen.
Dicht hinter dem Gefäß tritt die ventrale Nervenwurzel heraus, und
zwar nimmt sie ihren Weg (ebenso wie die dorsale) nicht durch ein
Skelettstück, sondern durch das Bindegewebe, welches zwischen den
großen oberen Bögen das Rückenmark umhüllt (häutige Wirbelsäule),
da die kleinen Bögen nicht so weit dorsal emporreichen, um das
Medullarrohr umschließen zu können. Die Austrittsstelle der sensiblen
Wurzel liegt, getrennt von der ersteren, dorsal, gleichzeitig etwas,
wenn auch nur wenig, kau dal von ihr.
Diese Wurzel schwillt zu einem Ganglion an, mit dem sich auch
einige Fasern der ventralen Wurzel vereinigen (Fig. 240, 246); beide
Wurzeln trennen sich darauf aber sofort wieder und laufen über das
kleine obere Bogenstück hinweg erst eine Strecke weit nebeneinander
her, die ventrale kranial von der dorsalen, um sich dann end-
giltig mit dieser zu vereinigen, und an der vorderen Seite des nächsten
440
H. Schauinsland,
Fig. 238.
ob
llds
•mr
oh
',.,^t5f:-
— es
-e'p
'f ch
fs
V / /
üb k ifs aj's h
Fig. 239.
r
ifs es afs
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein, 441
Fig. 238 und 239. Zwei Querschnitte durch die Wirbelsäule einer etwa 3 cm
langen Amia calva. Fig. 238 zeigt die hnke Hälfte eines Schnittes durch die vorderste
Rumpfgegend, Fig. 239 einen öchnitt durch den mittleren Rumpf. Vergr. 72 mal.
ch Chorda, es elastische Scheide, dort, wo sie dem Knochen unmittelbar anliegt, oft
nicht mehr deutlich nachweisbar, fs Faserscheide, afs äußere differente, ifs innere,
unverändert gebliebene Schicht der Faserscheide. &p Chordaepithel, ob kaudaler
oberer Bogen. o6, kranialer oberer Bogen, üb unterer Bogen; in Fig, 238 so weit
dorsalwärts gerückt, daß er mit dem oberen Bogen vereinigt ist. h die sich von den
unteren Bögen emanzipierenden Hämalfortsätze. r Rippen. Ikls oberes, elastisches
Längsband, g Spinalganglion, a Aorta, mr Medullarrohr. k Knochen.
isfj g vwd
Fig. 240. P^in Teil der Schwanzwirbelsäule einer 7,5 cm langen Amia calva.
Die Zeichnung ist nach einem Wachsplattenmodell in verkleinertem Maßstabe — bei
27-facher Vergr. — angefertigt worden und stellt die linke Seite der Wirbel dar.
isg Intersegmentalgefäße. spn Spinalnerv, vio ventrale Wurzel, dw dorsale Wurzel
des Spinalnerven, vwd der dorsale Ast der ventralen Wurzel, g Ganglion der dorsalen
Wurzel, ms durch die punktierte Linie wird der Verlauf der Myosepten angedeutet.
ob, üb kaudale obere und untere Bögen, ob^, ub^ kraniale obere und untere Bögen.
Mit Ausnahme des ersten linken Wirbels sind an den Basen der Bögen die Knochen
fortgelassen, um zu zeigen, wie die (im hellen Farbenton dargestellten) Knorpel sich
dort verhalten, iv Intervertebralpartieen. An dem Präparat sieht man, daß in
einigen Segmenten teils zwei vollständige Wirbel — ein kranialer mit kleinem
Bogen und ein kaudaler mit großem Bogen — entstanden, in anderen dagegen Ver-
schmelzungen eingetreten sind. So besteht der eine große definitive Wirbel aus
einem kaudalen und zwei kranialen Wirbelstücken, entspricht also IV, Segmenten.
Die Grenzen der miteinander verschmolzenen Teile sind noch nachweisbar, w, und
Wo, bei /«, allerdings auf dieser Seite nur zum Teil.
unteren großen Bogens weiter zu ziehen. Die ventrale Wurzel ent-
sendet außerdem einen dorsalen Ast, der an der vorderen Seite des
nächstfolgenden großen oberen Bogenstückes sich entlang erstreckt.
Bei Amia hat sich also bereits das Verhalten der Austrittsstellen
der beiden Nervenwurzeln so weit geändert, daß sie in kranial-kaudaler
Richtung nur noch wenig, in ventral-dorsaler aber beträchtlich von-
einander getrennt sind; das kleine obere Bogenstück kann demnach
442
H. SCHAUINSLAND,
auch nicht mehr zwischen den Wurzeln liegen. Im übrigen ist je-
doch die Lage der Skelettstücke zu den Gefäßen und Nerven dieselbe
geblieben wie bei den früher betrachteten Formen, und wir können
daher auch hier die beiden kleineren oberen und unteren Bögen
als die kranialen (ob^ unduh^) — die den „Intercalarien" der Knorpel-
ganoiden entsprechen — die größeren als die kaudalen (ob und üb)
bezeichnen.
Dabei muß auch erwähnt werden, daß die gleichnamigen
oberen und unteren Bögen genau senkrecht übereinander liegen
(Fig. 235, 24(3, 247 etc.), und nicht etwa in der Längsrichtung zu
einander so verschoben sind, daß die ungleichnamigen, in der-
selben Transversalebene sich befinden, was Gadow^ und Abbott (1895)
annehmen und danach die überaus komplizierte „Analysis" eines
definitiven Schwanzwirbels konstruieren.
An den unteren Bögen des Rumpfes — es befindet sich hier,
wie wir sehen werden, durch Verschmelzung nur ein Bogenpaar in
jedem Segment — macht sich ein Vorgang bemerkbar, den wir in
ähnlicher Weise bereits bei einigen
Elasmnbranchiern (Laemargus) und
den Knorpelganoiden kennen lernten.
Die Knorpelmasse der Bögen son-
dert sich nämlich in zwei Partieen
(Fig. 238, 230), eine dorsale, welche
die richtigen Bögen mit ihren Rip-
pen darstellen (die übrigens kranial-
wärts allmählich dorsal in die Höhe
steigen, so daß sie ganz vorn sich
sogar mit den oberen Bögen ver-
einigen können, Fig. 238), und eine
ventrale, die H ä m a 1 f o r t s ä t z e ,
welche mit den zu ihnen gehörigen
Fig. 241. Der aus drei Sklerotom-
hälften verschmolzene Wirbel des in der
vorhergehenden Abbildung dargestellten
Modells von der rechten Seite bei der-
selben Vergrößerung und mit derselben
Bezeichnung. Die ehemaligen Grenzen der
verschmolzenen Stücke {h\ und iv^) sind
hier noch deutlicher nachweisbar als auf
der anderen Seite.
ob.
uh.
Bögen teils noch durch Knorpel vereinigt, teils aber auch bereits
völlig losgelöst sein können.
Diese Hämalfortsätze („aortal supports", Hay 1895), begrenzen von
beiden Seiten die Aorta und sind, da ihre distalen Teile selbst in
späten Stadien von der Verknöcherung nicht ergriffen werden, an der
ventralen Seite der Wirbelsäule stets als isoliert in der Knochenmasse
steckende Knorpel zu erblicken. Selbst in dem Occipitalteil des
Schädels, der nach den Untersuchungen Sagemehl's (1883) aus drei
in den Schädel einbezogenen Wirbeln zusammengesetzt ist, sind
mindestens zwei Paar dieser Knorpelstücke nachweisbar (Schauins-
land).
Die Verknöcherung beginnt ziemlich früh, wenn die jungen
Fische 15—23 mm lang sind (Hay 1895), und nimmt ihren Ausgang
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 443
es
ep
ifs
afs
ch
K
ob
ms
,^sg
spn
iv
von einigen isoliert voneinander liegenden Punkten. An der inneren
und äußeren Seite der Basis jedes oberen und unteren Bogens
legt sich zunächst getrennt von den anderen je eine kleine, zellen-
lose Knochenscherbe dem Knorpel auf; diese Scherben vergrößern
sich aber rasch, fließen miteinander zusammen und bilden dann eine
Fig. 242. Horizontaler Längs-
schnitt durch einen Teil der
Schwanz Wirbelsäule einer 7,5 cm
langen Aniia bei 72-facher Vergr.
Nur die rechte Hälfte des
Schnittes ist abgebildet. Der Pfeil
an der Vorderseite zeigt kranial-
wärts. ch Chorda, ep Chorda-
epithel, es elastische Scheide,
unterhalb des Knochens an vielen
Stellen nicht mehr nachweisbar.
ß Faserscheide, afs der äußere
unterhalb der Kuorpelbogen dif-
ferenzierte Teil derselben, der
einen Cylindermantel bildet,
welcher auf dem Längsschnitt
linsenförmig erscheint, ifs der
innere , unverändert gebliebene
Teil der Faserscheide, ms Myo-
septum. isg Intersegraentalgefäße.
spn Spinalnerv, noch die Teilung
in die vordere ventrale (moto-
rische) und hintere dorsale (sen-
sible) Wurzel zeigend, ob obere
(kaudale) Bögen, ob, obere (kra-
niale) Bögen. Da der Schnitt schon
ziemlich tief ventral durch die
Chorda geführt ist, sind die knor-
peligen Basen dieser kleinen krani-
alen Bögen meistens nicht mehr
getroffen, k Knochen, jetzt nicht
mehr dünne Scheiben, sondern
bereits eine dicke spongiöse Masse
bildend. ^•^ zellhaltiger Knochen
durch die Verknöcherung des die
Bögen miteinander verbindenden
Bindegewebes der skeletogenen
Schicht entstanden ; er geht all-
mählich in die völUg bindegewe-
bigen intervertebralen Partieen
{iv) Über, iv^ und iv^ die allmäh-
lich verschwindenden interverte-
bralen Partieen dreier mitein-
ander verschmelzender Wirbel-
stücke ; der daraus entstehende
Wirbel ist also aus einem kau-
dalen und zwei kranialen Stücken
(= 1^/2 Skierotomen) zusammen-
gesetzt. Im übrigen entstehen
auf diesem Präparat in jedem
Segment immer je zwei Wirbel,
die 1/2 Skierotom entsprechen.
Die Figur zeigt auch die sehr
deutlich ausgeprägte Amphicölie
der Wirbel, m Muskelfasern.
oby
es
ep
afs __.
ifs --
ob --
ob^
ob
—%v
rings
umgebende
Knochen -
einheitliche, die Chorda und ihre Scheide
schiebt (Fig. 238, 239). Hierdurch wird nun bei Amia im Gegensatz
zu den Knorpelganoiden ein wirklicher Wirbelkörper gebildet und
444
H. Schauinsland,
zwar, da die beschriebenen Vorgänge sich nicht nur an den kaudalen,
großen, sondern auch an den kranialen kleinen Bögen abspielen, in
jedem Segment in doppelter Anzahl.
Bei seinem Wachsthum dringt der Knochen von der Peripherie
der Bogenbasen aus auch zwischen diese und die Chordascheide
hinein (Fig. 238, 239), und an diesen Stellen verschwindet, wie bereits
erwähnt wurde, gleichzeitig damit die elastische Scheide, sei es, daß
sie einer Reduktion anheimfällt, sei es, daß sie in die Verknöcherung
einbezogen wird. Bis in die mittleren Partieen der Bogenbasen
gelangt der Knochen jedoch lange Zeit nicht hinein, so daß hier der
Bogenknorpel nach wie vor der elastischen Scheide unmittelbar
aufsitzt (Fig. 243).
Von den primären äußeren Knochenscherben wachsen frühzeitig
Bälkchen ziemlich rechtwinklig distalwärts aus und verbinden sich
I
I
a
Fig. 243. Querschnitt aus dem Schwänze einer 7,5 cm langen Amia. Vergr.
72 mal. ch Chorda. / Funiculus der Chorda in der Entstehung, ep Chordaepithel.
afs äußere, ifs innere Schicht der Faserscheide, es elastische Scheide, ob, üb obere
und untere Bögen, k Knochen, nicht nur an der inneren und äußeren Seite jedes
Bogens eine dünne Platte darstellend, sondern bereits im Begriffe, die dicke spongiöse
Masse des knöchernen Wirbelkörpers zu bilden, k^ das die Bogenbasen miteinander
verbindende Bindegewebe, welches durch die Ueberwachsung mit den von den Bogen-
basen herstammenden Knochenplatten zu verknöchern beginnt, woraus dann der
zellhaltige Knochen entsteht, a Aorta.
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 445
mit anderen, die im allgemeinen wiederum senkrecht zu ihnen
stehen; dadurch wird eine allmählich immer mehr an Volumen zu-
nehmende spongiöse Knochenmasse gebildet (Fig. 242, 243), die
den Wirbelkörper zusammensetzt. Der letztere nimmt mit zunehmen-
dem Alter immer mehr eine a m p h i c ö 1 e F'orm an (Fig. 242) ; in
seinem Doppelkegel sind dann die Reste der Chorda und ihrer Scheiden
enthalten.
Oben wurde gesagt, daß die im Perichondrium der knorpeligen
Bögen entstehenden Knochenscherben zellenlos seien; sobald sich diese
aber bei ihrem weiteren Wachstum über die Knorpelbögen hinaus er-
strecken, gelangen sie auf das Bindegewebe der skeletoblastischen
Schicht, welches die oberen und unteren Bögen ebenso wie bei den
Knorpelganoiden miteinander verbindet, und das nach den interverte-
Fig.
244
I.
i\
1
^i
ob
Fig. 244 u. 245. Einige Wirbel aus dem Ueber-
gang zwischen Eumpf und Schwanz (Fig. 244)
sowie das Schwanzende einer 7,5 cm langen Amia
(Fig. 245) bei 18-facher Vergr. Der Knorpel ist
punktiert dargestellt und die auf den Bögen
liegenden dünnen Knochenplatten durchsichtig
gedacht, ob, üb große kaudale obere und untere
Bögen, ob^ und mö^ kleine kraniale obere und
untere Bögen. OB ein einheitliches Knorpelstück
vom äußersten Schwanzende, das durch die Ver-
schmelzung einer Reihe oberer Bögen entstanden
ist. In Fig. 244 sieht man, wie der kraniale und
kaudale Wirbel eines Segmentes weiter nach
vorn hin miteinander verschmolzen sind unter
gleichzeitig teilweise erfolgter Reduktion, so daß
der kaudale obere Bogen auf den vorhergehenden
kranialen hinaufrückt. An den beiden rechts ge-
legenen, noch un verschmolzenen Wirbeln bemerkt
man das Naherücken und den Beginn der Ver-
lötung der beiden unteren Bögen. Fig. 245 zeigt
die Willkür, die im Verschmelzen der Bögen und
bei der Wirbelkörperbildung am Ende der Wirbel-
säule herrscht.
ob^ ob
ub^ ? üb ub^^ üb
ob^ ob
Fig. 245.
ob oby
OB
.-sC
u6j üb
446
H. Schauinsland,
bralen Partieen hin an Mächtigkeit zunimmt (P'ig. 242), in der Mitte
des späteren definitiven Wirbelkörpers aber am wenigsten entwickelt
ist (Fig. 243). Dieses Bindegewebe wird nun von den Knochen nicht
einfach umwachsen, sondern auch gleichzeitig mit in die Verknöcherung
einbezogen, daher erscheinen später die innersten der Chordascheide
anliegenden Partieen des knöchernen Wirbelkörpers außerhalb der
Knorpelbögen zellhaltig (Fig. 242, 243).
viod
Fig. 246.
ob^ ob
dw
VW
ub^ spn üb
Fig. 247. dw
ob isg oh^ ob vrr ob^
I I I
üb isg ub^
Fig. 246 und 247. Zwei
Abschnitte der Schwanzwirbei-
säule einer etwa 18 cm langen
Amiacalva bei 11-facher Vergr.
isg Intersegmentaigefäße. spn
Spinalnerv, vw ventrale , dw
dorsale Nervenwurzel. vwd
der dorsale Ast der ventralen
Wurzel, g Ganglion der dor-
salen Wurzel, ob und üb die
großen kaudalen oberen und
unteren Bögen, ob^ und nb^ die
kleinen kranialen oberen und
unteren Bögen. Auf beiden
Abbildungen sieht man, wie
in jedem Segment sowohl der
kaudale als auch der kraniale
Wirbel zur vollen Ausbildung
gekommen ist. In Fig. 246
bemerkt man außerdem die oft
eintretende Verschmelzung des
kranialen und kaudalen Wir-
bels zu einem Wirbel, der
also den beiden Sklerotora-
hälften desselben Seg-
mentes entspricht; Fig. 247
zeigt dagegen die selten vor-
kommende Verschmelzung eines kaudalen und eines kranialen zu verschiedenen
Segmenten gehörenden Wirbels, der demnach zwei Skierotomhälften zweier be-
nachbarter Ursegmente entspricht. Das Blutgefäß geht hier über die Mitte dieses
Wirbels hinüber.
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 447
Wir haben bis jetzt nur den einfachsten Fall der Wirbel- bezw.
Wirbelkörperbildung bei Amia besprochen, in welchem durch die
knorpeligen Bögen (mitsamt dem zwischen ihnen liegenden Binde-
gewebe der skeletoblastischen Schicht) und die von diesem ihren Aus-
gang nehmenden Knocheuplatten zwei vollständige Wirbel in
jedem Segment gebildet werden, ein kaudaler mit wohlentwickelten
oberen und unteren Bögen und ein kranialer mit nur kleinen Bogen-
stücken (Fig. 240, 244, 246, 247, 250).
Fig. 248.
o6j ob
Fig. 249.
o6j ob
ms
'dtv
'VW
ms
-spn
Fig. 248—250. Einige Wirbel
aus der vordersten (Fig. 248), mitt-
leren (Fig. 249) und hinteren Eumpf-
partie (Fig. 250) einer etwa 18 cm
langen Amia calva bei 8-facher Vergr.
isg Intersegmentalgefäße. sjju Spinal-
nerven, dw dorsale, vir ventrale Wurzel
derselben, ms punktierte Linie zur
Bezeichnung des Verlaufs der Myo-
septen. ob und üb die großen kau-
dalen oberen und unteren Bögen, obi
und m6j die kleinen kranialen oberen
und unteren Bögen, r die von den
unteren Bögen abgegliederten Rippen.
In Fig. 250 sieht man, wie die vorher
in jedem Segment doppelt vorkom-
menden Wirbel sich miteinander
weiter nach vorn hin vereinigen, und
wie dabei der kaudale Bogen auf
den vor ihm gelegenen kranialen
hinaufrückt. Ganz vorn (Fig. 248)
nimmt ersterer eine völlig interverte-
brale Lage ein.
Fig. 250.
dw
vw'. ob
iib^ spn r
448 H. Schauinsland,
In dieser Weise erhalten sich bei Amia viele Schwanzwirbel
dauernd, abgesehen davon, daß im höheren Alter am kranialen
Wirbel sowohl die oberen als auch die unteren Bögen durch den
mächtig wucherden Knochen so überwachsen werden, daü er als völlig
bogenlos erscheint. Bei Amia ist thatsächlich eine primäre Diplo-
spondylie, welche bei den Petromyzonten, Holocephalen, Knorpel-
ganoiden u. s. w. sich nur durch die doppelten Bogen paare in jedem
Segment dokumentierte, auch in Rücksicht auf den Wirbelkörper
vorhanden. Daß sich dieser nicht mit einer sekundären Diplo-
bez. Polyspondylie verglefchen läßt — wie es bis dahin oft geschehen ist —
welche bei vielen Elasmobranchiern durch das nachträgliche Ver-
schmelzen und Ausfallen benachbarter Myomeren etc. zu stände kommt,
liegt auf der Hand ; es wurde hierauf bereits früher bei Besprechung
der Holocephalen und Squaliden hingewiesen.
Der kraniale und kaudale Wirbel bleiben aber oft auf die Dauer
nicht isoliert voneinander, sondern verschmelzen. Hierbei können
verschiedene Wege eingeschlagen werden. Wenn wir zunächst den
Schwanzabschnitt der Wirbelsäule ins Auge fassen, so finden wir, daß
dort am häufigsten kranialer und kaudaler Wirbel ein und des-
selben Segmentes miteinander verlöten, so daß also die Enden
der daraus resultierenden Wirbel (Fig. 246) mit den Grenzen eines
ursprünglichen Ursegmentes bez. Skierotoms übereinstimmen.
Seltener kommt der Fall vor, daß der kraniale Wirbel des einen
Segmentes mit dem kaudalen des vorhergehenden sich vereinigt
(Fig. 247); der bleibende Wirbel setzt sich demnach aus je einer
Skierotomhälfte zweier verschiedener Ursegmente zusammen, es
hat eine „Neugliederung" der Wirbelsäule stattgefunden, wie sie wahr-
scheinlich meistens auch bei der Wirbelbildung der höheren Verte-
braten, im besonderen der Amnioten eintritt.
Endlich kann ein definitiver Wirbel sich auch aus m ehr als zwei,,
nämlich aus drei Komponenten zusammenfügen, aus einem kaudalen
Wirbelstück und aus dem vorhergehenden, sowie dem folgenden
kranialen (Fig. 240—242); er entspricht demnach ein und einem halben
Ursegment, bezw. Skierotom.
Im vordersten Schwanz abschnitt und im Rumpf liegen
die Verhältnisse anders. Dort vollzieht sich zwar auch eine Ver-
einigung der beiden ursprünglichen Wirbelstücke, und zwar der z u
einem und demselben Segment gehörigen, es findet dabei
aber gleichzeitig eine teilweise Reduktion des einen der beiden,
nämlich des kaudalen, statt (Fig. 244, 248, 250). Der kaudale obere
Bogen wird infolgedessen gezwungen, auf das vor ihm gelegene kleine
kraniale Bogenstück — desselben Skierotoms — (wie im vordersten Ab-
schnitt der Wirbelsäule von Callorhynchus) mehr oder weniger hoch
hin aufzurücken (Fig. 244, 248—250), während er in der vordersten
Rumpfpartie eine fast genau intervertebrale Lage einnimmt (Fig. 236,
248), er wird somit von der Beteiligung an der Wirbel körp er bildung
ausgeschlossen, wenigstens soweit dabei die von ihm ausgehenden
Knochenbildungen in Betracht kommen. Die Knochenplatten nämlich,
welche auf ihm zur Anlage kommen, wachsen nicht ventralwärts
weiter und bleiben auch von denen des kranialen Bogens gesondert
(Hay). Demzufolge wird der knöcherne Wirbelkörper hier auch nur
aus dem Zusammenfließen der von den kranialen Bogenstücken (Inter-
calaria) und den unteren — offenbar aus zwei verschmolzenen —
Bogen herstammenden Knochenplatten gebildet. Trotz alledem sind
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 449
Schmidt (1892) und Goette (1897) mit ihrer Annahme, daß auch
die einfachen Wirbel im Rumpfe von Amia aus der Verschmelzung
zweier ursprünglich vollständig entwickelter Wirbelscheiben ent-
standen seien, Hay (1892) gegenüber, welcher der Ansicht ist, daß
ihnen ein „rhachitomes" Stadium vorangegangen sei, offenbar im
Recht. Allerdings kommt es bei der recenten Amia an dieser Stelle
nicht mehr zur Ausbildung zweier ganzer Wirbel, sondern es findet
die teilweise Reduktion und Verschmelzung derselben bereits in
frühen embryonalen Stadien statt.
Nicht selten beobachtet man, daß zwei auf diese Weise ent-
standene Rumpfwirbel sich sekundär nochmals miteinander verbinden
zu einem einzigen langen Wirbel, der demnach zwei ganzen, bez. vier
halben Skierotomen gleichwertig ist und vier Paar obere Bögen — zwei
kleine kraniale und zwei große kaudale — besitzt. [Ganz ähnliche nach-
trägliche Wirbelverschmelzungen liegen auch offenbar bei Polypterus vor;
eine Abbildung Gegenbaur's (1867) läßt neben normalen Wirbeln dieses
Tieres auch solche erkennen, die bedeutend länger sind als die übrigen
und statt eines zwei, selbst drei Paar obere und untere Bögen tragen.]
Betrachtet man endlich noch die Verhältnisse am Schwanzende,
— statt einer ausführlichen Beschreibung sei hier nur auf die bei-
gefügte Abbildung (Fig. 245) verwiesen — so wird man finden, daß
dort bei der Wirbelbildung geradezu Willkür herrscht, da fast alle
überhaupt nur denkbaren Fälle von Verschmelzungen und Reduktionen
sowohl bei den Bögen als auch bei den Wirbelkörpern zur Anwendung
kommen.
So zeigt uns Amia in vortrefflicher Weise, wie mannigfaltig die
Wege sein können, die schließlich zur Entstehung eines definitiven
einheitlichen Wirbels führen ; alle laufen aber mehr oder weniger auf
die verschiedenartige Kombination von je zwei aus den beiden Sklero-
tomhälften eines Segmentes hervorgegangenen Wirbelkomponenten
hinaus.
Auf die Besprechung der fossilen Amiaden einzugehen, ist hier
nicht der Platz, es sei in Bezug darauf unter anderem auf die bei Schmidt
(1892), Hay (1895) und Goette (1897) enthaltenen Diskussionen der
bis dahin ausgesprochenen Ansichten verwiesen. Es ist nunmehr
Sache der Paläontologen, an der Hand der ihnen von der Ontogenie
gegebenen Fingerzeige das vorhandene Material nochmals zu prüfen.
Einleuchtend ist es aber jedenfalls, daß die Entstehung zweier
Wirbel, eines kranialen [= Centrum (Schmidt u. a.), Pleurocentrum
(Hay), Praecentrum (Gadow)J und eines kaudalen [= Intercentrum
(Schmidt u. a.), Hypocentrum (Hay), Postcentrum (Gadow)] inner-
halb eines Segmentes im Schwänze von Amia, sofort die doppelten
Wirbelscheiben der fossilen embolomeren Ganoidenformen erklärt.
Die aus mehreren Knochenstücken sich zusammensetzenden rhachi-
tomen Wirbel werden sich aber sicher aus der mannigfaltigen Ver-
schmelzung und damit gleichzeitig in der verschiedenartigsten Weise
stattgefundenen Rückbildung der ursprünglichen , aus den beiden
Skierotomhälften hervorgehenden Stücken erklären lassen ; liefert doch
auch hierfür die Ontogenese von Amia Hinweise genug.
Von der Wirbelsäulenentwickelung der übrigen Knochenganoiden
kennt man nur noch die von Lepidosteus einigermaßen genügend und
zwar namentlich durch die Untersuchungen von Gegenbaur (1867),
sowie von Balfour und Parker (1882); auch Gadow und Abbott
Handbuch der Entwickelungslehre. III. 2. 29
450
H. Schauinsland,
(1895) machen über diesen Gegenstand Mitteilungen, während Hasse
(1897) und Klaatsch (1895) namentlich Notizen über die Chorda-
scheide bringen.
Auch bei Lepidosteus kann man an der Chordascheide eine dünne
äußere elastische und eine dicke innere Faserschicht unterscheiden.
Bereits bei Amia wurde erwähnt, daß an letzterer innerhalb der
vertebralen Abschnitte der Wirbelsäule eine Differenzierung in eine
granulierte äußere und eine konzentrisch gestreifte innere Zone —
die an den intervertebralen Partieen allein vorhanden ist — sich be-
merkbar macht (Fig. 251—254).
Fig. 251.
s lls
Fig. 252.
obd
kr(ob^-\-uby1)
Fig. 251 und 252. Zwei Querschnitte durch die Wirbelsäule einer 5,5 cm langen
Larve von Lepidosteus nach Balfour und Parker, e/» Chordaepithel, afs und ifs
äußere und innere Lage der Faserseheide, es elastische Scheide, k Knochen (in
ganz dunklein Farbenton angegeben), b Bindegewebe, ob obere, uh untere Bögen.
r die von letzteren abgegliederten Kippen, kr (ob^+ubil) der in den intervertebralen
Partieen vorhandene, die Chorda völlig umschließende Knorpelring, der aber nicht
gleichmäßig rund, sondern zwei obere und zwei untere Erhöhungen aufweist (und
wahrscheinlich den oberen und unteren kranialen Bögen entspricht, Schauins-
land). obd die oberen, von den basalen Teilen der Bögen getrennten, knorpe-
ligen Bogenstücke. s Flossenträger (Dornfortsatz), lls Ligamentum longitudinale
superius.
Eine Einwanderung von Zellen in die Faserscheide hinein findet
ebensowenig wie bei Amia oder den Stören statt. Sehr wahrscheinlich
ist das auch bei allen übrigen Knochenganoiden, selbst bei Polypterus,
bei dem es noch zweifelhaft sein könnte (siehe Hasse und Klaatsch),
der Fall.
Schon von vornherein ist bei Lepidosteus die Chordascheide Amia
namentlich aber den Crossopterygiern gegenüber schwächer entwickelt;
im späteren Alter wird sie aber samt der Chorda fast vollständig
rückgebildet (Gegenbaur).
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 451
An der Außenseite der Chordascheide sammeln sich die aus den
Skierotomen stammenden perichordalen Zellen, ähnlich wie es
bei Callorhynchus beschrieben wurde, vornehmlich in je zwei dorsalen
und ventralen Längsreihen an (Balfour und Parker). Die beiden
dorsalen wachsen nach oben hin aus und vereinigen sich oberhalb des
Bückenmarkrohres, dieses vollständig einschließend (Stadium der häu-
tigen Wirbelsäule). Gleichzeitig verbreitern sich an den Stellen der
Intermuskularsepten die basalen Partieen jener Längsleisten; dort
wird ihr Gewebe auch sehr bald knorpelig, und damit ist dann die
erste Anlage der oberen und unteren Bögen vollendet. Gemäß ihrer
Lage zu den Myosepten wird man sie, entsprechend unserer bis dahin
angewendeten Terminologie, als kaudale Bogenstücke bezeichnen
müssen (Schauinsland). Jene knorpeligen oberen Bögen stoßen mit
den unteren, abgesehen vielleicht von den letzten Schwanz- und vor-
deren Rumpfpartieen, nicht zusammen, sondern sind nur durch Binde-
gewebe miteinander vereinigt. Die Chordascheide ist an diesen Stellen
somit nicht von einem vollständigen Knorpelring umgeben (Fig. 251).
Letzteres ist aber im darauf folgenden Stadium an den inter-
vertebralen Partieen der Fall. Dort findet sich nämlich eine zu-
sammenhängende Knorpellage, die von den Bögen des einen Wirbels
sich bis zu denen des nächstfolgenden bez. des vorhergehenden er-
streckt (Fig. 253, 254).
Wenngleich sie in einheitlicher Schicht die Chorda umschließt, so
lassen sich doch an ihr sowohl dorsal als auch ventral je zwei mäßige
Verdickungen erkennen, die durch Einschnürungen des Knorpels von-
einander getrennt sind und jedenfalls mit oberen und unteren Bögen
verglichen werden können (Fig. 252).
Woher diese intervertebrale Knorpelmasse stammt, läßt sich
mit völhger Sicherheit nicht angeben, da das Stadium, in welchem ihre
frühesten Anfänge sich zeigen, bis jetzt noch nicht zur Beobachtung
gelangte. Man kennt sie erst nach ihrer völligen Ausbildung, und
dann findet man sie in der Verbindung mit den oberen und unteren
Wirbelbögen. Gegenbaur, sowie Balfour und Parker nehmen an,
daß sie von diesen auch abstammt. Immerhin ist es aber möglich,
daß sie eine selbständige Entstehung innerhalb des kaudalwärts von
jedem Bogen befindlichen Bindegewebes hat. Später, wenn der
Knocheubelag der Knorpelmasse stärker geworden ist, sind die
knorpeligen Bögen und die knorpeligen intervertebralen Partieen
jedenfalls völlig voneinander getrennt (Gadow und Abbott).
Wie dem aber auch sein mag, sicher werden die letzteren aber den
kleineren „kranialen" Bogenstücken (= den Interdorsalien und
Interventralien Gadow's), die wir bis dahin immer und zuletzt bei
Amia in so vorzüglicher Ausbildung angetroffen haben, als homolog
betrachtet werden können.
Auch die Lage der Blutgefäße und Nerven stimmt mit dieser An-
nahme überein. Bei ausgewachsenen Exemplaren zieht an den Schwanz-
wirbeln (Schauinsland) das Segmentalgefäß unmittelbar kaudal von
den Wirbelbögen etwa an der Grenze zwischen dem zweiten und
dritten Drittel des Wirbelkörpers über diesen herüber. Dicht dahinter
tritt die ventrale Nervenwurzel zu Tage und dorsal, sowie auch
merklich kaudal von dieser die sensible. Beide verlaufen erst noch
eine Strecke, durch einen ziemlich weiten Zwischenraum getrennt,
29*
452
H. Schauinsland,
nebeneinander her, bis sie sich zu dem Spinalnerven vereinigen. Die
Nerven zeigen hierin noch ein etwas primitiveres Verhalten wie bei
Amia und erinnern mehr au die Knorpelganoiden. Abgesehen davon,
deuten Blutgefäße und Nerven darauf hin, daß die kaudalwärts von
den Bögen gelegene Knorpelmasse dem kranialen Wirbelstück Amias
gleichzusetzen ist.
Es ist also sehr wahrscheinlich, daß bei Lepidosteus sich die kaudale
Skierotomhälfte eines Segmentes mit der kranialen des darauf
folgenden zu einem bleibenden Wirbel vereinigt hat, so daß dieser
sich also aus Elementen zusammensetzt, die von zwei verschie-
denen Ursegmenten abstammen.
Das kraniale Stück ist aber wohl nicht in seiner ganzen Aus-
dehnung mit dem vorhergehenden kaudalen verbunden. Es dient
nämlich vorzüglich zur Entwickelung einer wohlausgebildeten Ge-
lenkverbindung, wie wir sie in dieser Form bei den Fischen bis
tv
üb ajs ifs k es iv ep
Fig. 253. Horizontaler
Längsschnitt durch die Wirbel-
säule einer 5,5 cm langen Larve
von Lepidosteus in der Höhe
der unteren Bögen {üb), nach
Balfour u. Pakker ; er zeigt
die intervertebralen Knorpel-
ringe im Zusammenhang mit
den Bögen, die vertebrale
Einschnürung der Chorda u.
s. w. Das rechte Ende der
Figur ist das kraniale, iv
der Beginn der Gelenkaus-
bildung in den interverte-
bralen Partieen des Wirbels.
Dadurch wird der Wirbel spä-
ter (Fig. 254) an seinem krani-
alen Ende durch eine konvexe,
an seinem kaudalen durch
eine konkave Ebene begrenzt,
er wird dann opisthocöl, wäh-
rend er jetzt wegen der inter-
vertebralen Erweiterung der
Chorda noch amphicöl ist.
Die übrigen Bezeichnungen
wie in Fig. 251 und 252.
jetzt noch nicht antrafen, zwischen den einzelnen Wirbelkörpern. Zu
diesem Ende entsteht in seinem Knorpel eine Trennungslinie
(Fig. 253, 254 iv) , und zwar in der Weise, daß diese auf Längs-
schnitten an dem vorderen Ende des Wirbels konvex, an dem hinteren
konkav gekrümmt erscheint. Es ist somit klar, daß, sobald die
Trennung sich völlig ausgebildet hat, vorne eine gewölbte (Gelenk-
kopf), hinten eine ausgehöhlte Fläche (Gelenkpfanne) entstanden,
daß der Wirbel „opisthocöl" ist. Dabei ist es nun nicht unwahr-
scheinlich, daß ein Teil des intervertebralen Knorpelringes, den wir
wegen seiner Lage zu den segmentalen Gefäßen und Nerven als
kranial bezeichneten, auch mit zur Bildung der vorderen Gelenk-
fläche des je folgenden Wirbels verwendet wird.
r ^ ':^ Andererseits ist es allerdings aber auch nicht völlig ausgeschlossen,
daß diese nur dem kaudalen Skierotomabschnitt, auf dem die Bögen
sitzen, angehört, in welchem Fall das Gelenk dann also gerade das
kraniale und kaudale Skierotomstück trennen, mit anderen Worten
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 453
durch die Mitte eines ursprünglichen Ursegmentes gehen würde.
Welche von diesen Möglichkeiten die richtige ist, wird sich nur durch
erneute Untersuchungen entscheiden lassen.
Als besonders bemerkenswert ist übrigens nachträglich noch zu
erwähnen, daß die Chorda, welche anfangs einen völlig gleich-
mäßigen Durchmesser aufweist, in späteren, wenn immer noch recht
frühen Stadien durch die Bögen in der Mitte jedes Wirbels nicht un-
beträchtlich eingeschnürt wird (Balfour und Parker; s. Fig. 253).
Jeder Wirbel ist also dann noch a m p h i c ö 1 ; es ist das ein Stadium,
in welchem ein Wirbel von Lepidosteus einen solchen der Teleostier
Fig. 254. Horinzontaler Längsschnitt durch die Wirbelsäule einer Lepidosteus-
Larve von 11 cm Länge nach Balfour und Parker. Nur die linke Hälfte des
Schnittes ist abgebildet (das rechte Ende der Figur ist das kraniale); er ist in der
Höhe der unteren Bögen (üb) geführt worden und zeigt die intervertebrale Ein-
schnürung der Chorda, die Verknöcherung des Knorpels u. s. w. Die Bezeichnungen
wie in Fig. 251—253.
äußerst ähnlich erscheint, namentlich zu der Zeit, bevor die inter-
vertebralen Knorpelringe erschienen sind. Sobald letztere an Mächtig-
keit zunehmen, wird durch sie die Chorda im Gegensatz zu früher
stärker zusammengepreßt als durch die Bögen (Fig. 254); dieses ist
gleichzeitig auch die Stelle, an der sie später zuerst völlig rückge-
bildet wird. ^ Jedenfalls ist es interessant, daß dem opisthocölen
Lepidosteuswirbel ein Stadium vorausgeht, in dem er noch amphicöl ist.
Die Verknöcherung ergreift den Wirbel in hohem Grade, so
daß der Knorpel in ihm fast völlig zum Schwinden gebracht wird.
Sie beginnt mit dünnen Knochenscherben im Perichondrium der Bögen
(Fig. 251). Anfangs stehen diese Platten der oberen und unteren Bögen
in keiner Verbindung miteinander, bald aber vereinigen sie sich, indem
die Knochen über die Grenzen der Knorpel hinauswuchern und so den
von diesen noch freien Teil der Chordascheide überwachsen, wodurch
dann der knöcherne Wirbelkörper entsteht. Dabei hört, wie
oben bereits bemerkt, die bis dahin bestandene Verbindung des „inter-
454
H. Schauinsland,
S.trsv.d *i„'
S.hor
S.hor
vertebralen" Knorpels mit dem Bogenknorpel auf, und die zwischen
ihnen liegende Partie des Wirbelkörpers wird dann nur von Knochen
gebildet.
Derjenige Teil des „intervertebralen" Knorpels (kranialer Sklero-
tomabschnitt), welcher das kaudale Ende des Wirbelkörpers bilden
wird, ist mit einer vollständigen Knochenhülse umgeben (Fig. 252, 254);
auch im Innern wird dieser Knorpelring durch das Eindringen der
Ossifikation von der Peripherie her (Fig. 254) allmählich in Knochen
übergeführt.
Endlich ist noch anzuführen, daß in der dorsalen Verlängerung
der oberen Bögen sich isolierte Knorpelstücke finden („Fortsatz der
Bögen", Gegenbaur; „Supradorsalia", Gadow und Abbott); sie be-
sitzen eine sehr schräge Lage und reichen mit ihrem oberen Ende
seitlich bis zu dem oberen elastischen Längsband herauf (Fig. 251 ohd).
Mit den basalen Teilen der oberen Bögen sind sie anfangs nur durch
Bindegewebe verbunden ;
jedoch, sobald sich der
auch auf ihrer Oberfläche
entstehende Knochen, so-
wie der Knochen auf den
unteren Bogeuteilen mehr
ausbreitet, wird auch diese
Verbindung knöchern. Der
obere Bogen, welcher sich
also aus zwei gesonderten
Knorpelstücken und einem
knöchernen Verbindungs-
stück zusammensetzt, er-
scheint dann als ein ein-
heitliches Ganzes. Etwas
S.trsv.v:\ IbM / ^. h ^ Fig. 255. Querschnitt durch
die hintere Rumpfhälfte von
Calamoichthys calabaricus
nach GÖPPERT. Vergr. W/.., mal.
oR obere Rippen. itR untere
Rippen (Pleuralbögen). i>.trsv.d
und S.trsv.v dorsale und ven-
trale Transversalsepten. Ä kor
Septum horizontale, ob obere
Bögen, tib untere Bögen, h Hä-
malfortsätze der letzteren, nl
Nerv, lateralis, k Hautknochen.
Aehnliches kommt auch bei den Teleostiern (Goette) und bei Pro-
topterus vor. Es ist interessant, daß bei letzterem jedoch (nach
Gadow) die distalen oberen Bogenstücke nicht gänzlich isoliert,
sondern durch eine, wenn auch recht dünne Knorpelrute mit den
basalen Teilen verknüpft sind.
Außerdem finden sich noch zwei Knorpelstücke an dem Dache des
Medullarkanals unmittelbar ventral vom oberen elastischen Längsband
und kaudal von den eben erwähnten isoliert angelegten dorsalen Enden
der oberen Bögen. Sie sind später durch eine sich lateral an sie an-
legende Knochenscherbe mit den dorsalen Enden der oberen Bögen
des nächstfolgenden Wirbels verbunden. Gegenbaur nennt sie
„Schlußstücke" , Balfour und Parker „eingeschaltete Knorpel-
elemente der Neuralbögen" und Gadow „Supra-interdorsalia". Aehn-
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 455
liehe Knorpel trafen wir bereits bei Amia an und werden sie bei den
Teleostiern wiederfinden. Hier bei Lepidosteus ist es mehr als wahr-
scheinlich, daß sie trotz der nachträglichen, teilweisen Einbeziehung
ihrer kaudalen Enden in den Knochen des folgenden oberen Bogens
zu dem intervertebralen Knorpel, der von uns als kraniales Sklerotom-
stück bezw. dem kranialen Amiawirbel gleichwertig aufgefaßt wurde,
gehören und zu diesem im gleichen Verhältnis stehen wie die vorher
beschriebenen getrennten dorsalen Stücke der oberen Bögen zu diesen
selbst. Balfour's Angabe, daß sie sich aus dem Ligamentum longi-
tudinale superius entwickeln, ist übrigens sicher unrichtig.
Sehr lange und schräg nach hinten gerichtete Flossenträger (Dorn-
fortsätze) sind ebenso wie bei Amia vorhanden (Fig. 251 &). Sie liegen
mit ihrem ventralen Ende dem oberen Längsband dicht auf.
ßil)peii und untere Schwanzbögen der Knochen ganoiden.
Nach Balfour und Parker kann es kaum zweifelhaft sein, daß bei
Lepidosteus die Rippen ursprünglich im knorpeligen Zusammenhang
mit den unteren Bögen stehen und erst später sich von ihnen ab-
gliedern ; es würden also dieselben Verhältnisse vorliegen wie bei den
Elasmobranchiern. Der distale Teil eines später endgültig getrennten
unteren Bogens ist demnach also die Rippe. Der proximale Abschnitt,
der sog. Basalstumpf (Parapophyse) ist bei Lepidosteus ziemlich
lang und fast noch mehr bei Amia. Nach dem Verhältnis zu der Musku-
latur und den Septen sind die Rippen gemäß der bei den Selachiern
gegebenen Definition als untere zu bezeichnen. Verfolgt man nun
diese Rumpfrippen weiter kaudalwärts, so sieht man, wie sich im
Schwänze die der einen Seite mit denen der anderen zu einem
vollständigen Bogen vereinigen und so den Kau d alkanal bilden;
dieser wird also von gegliederten unteren Bögen resp. Rippen
gebildet. Die Kaudalbögen sind demnach, wie schon J. Müller be-
tonte, den Rippen des Rumpfes gleichwertig, oder wie man es auch
umgekehrt ausdrücken kann, die Rippen am Rumpfe sind aus-
einandergewichene untere Bögen der kaudalen Region.
Bei Amia sind diese Verhältnisse die gleichen und, was die
unteren Rippen anbelangt, auch bei den Crossopterygiern.
Alles dieses zeigt uns also wiederum, daß es unmöglich ist, zwischen
unteren Bögen und Rippen einen durchgreifenden Unterschied zu
machen.
Schon seit längerer Zeit ist es bekannt (Goette, Hatschek,
Rabl, Baur), daß bei den heute noch lebenden Crossopterygiern
— Polypterus und Calamoichthys — zwei Rippen an jedem Wirbel
vorkommen, die gemeinsam im transversalen Myoseptum liegen, von
denen die eine aber als obere, die andere als untere aufzufassen
ist. Göppert (1895) konnte von beiden (bei Calamoichthys) nachweisen,
daß in [ihnen Knorpel vorkommt, daß sie also zu dem primären
Skelett gehören und nicht etwa zu den „Muskelgräten", d. h. Sehnen-
verknöcherungen zu zählen sind.
Bei Polypterus sind die oberen Rippen in der vorderen Rumpf-
hälfte stark entwickelt, während die unteren dort nur kurze Stümpfe
vorstellen. Weiter nach hinten ist dieses Verhältnis umgekehrt, und
im Schwänze schwinden die oberen ganz, während die unteren zur
Bildung der kaudalen Bögen sich zusammenschließen.
Bei Calamoichthys fehlen die unteren Rippen im vor-
deren Rumpfteil völlig. Göppert zeigte, daß das mit einer ge-
456 H. Schauinsland,
ringeren Bedeutung der ventralen Muskulatur zusammenhängt. Dort,
wo letztere stärker entwickelt ist — vom hinteren Rumpfabschnitt an
— kommen neben den bereits vorne vorhandenen oberen Rippen auch
untere vor, die am Schwanz wiederum die Kaudalbögen bilden.
Was ihre genauere Lage anbelangt, so liegen die oberen Rippen
bei Polypterus dicht kranial von den intersegmentalen Gefäßen
(Schauinsland) ; sie gehören demnach wahrscheinlich dem Wirbel-
teil an, welcher zu dem kaudalen Skierotomabschnitt zu zählen ist.
Die unteren befinden sich ventral von ersteren, und ihr proximales
Ende erstreckt sich noch bedeutend kranialwärts von der oberen
Rippe nach vorne; ja die sie befestigenden Bänder ziehen sogar bis
zur intervertebralen Gegend und bisweilen über diese hinaus bis an
den kaudalen Teil des vorhergehenden Wirbels. Demnach könnte
man vielleicht vermuten, daß diese Rippe ursprünglich auch zum
Ende des vorhergehenden Wirbels gehörte und folglich von dem
kranialen Skierotomabschnitt abstammte.
Bei Calamoich thy s entspringen die unteren Rippen an dem
hinteren Rumpfabschnitt ebenfalls etwas vor den oberen; je weiter
nach dem Schwanz, desto mehr rücken sie aber nach der Wirbelmitte
und fügen sich dort kurzen, Knorpel enthaltenden Knochenvorsprüngen
an, welche rechts und links von der Aorta liegen. Dorsal von ihnen
befinden sich an langen Querfortsätzen, welche den Basalstümpfen der
unteren Bögen homolog sind, die oberen Rippen.
Wir sahen, daß bei Laemargus, bei den Stören, bei Amia etc.
der ursprünglich einheitliche untere Bogen sich zu teilen vermag in
einen dorsalen, die Rippen tragenden Abschnitt, der sogar bis zu den
oberen Bögen emporrücken kann, und in einen kleineren, die Aorta
einschließenden Teil, die „Hämalfortsätze". Bei Calamoichthys (Schau-
insland; sind die Querfortsätze, an denen die oberen Rippen ange-
heftet sind, offenbar den ersteren, die Knochenhöcker aber, welche
den unteren Rippen als Ansatzstellen dienen, den Hämalfortsätzen
gleichwertig. Demnach hätte also hier jeder der beiden voneinander
getrennten Basalteile der unteren Bögen eine Rippe entwickelt,
während es sonst in der Regel allein bei dem größeren dorsalen
Stück der Fall ist. Nur mit Hilfe der noch ausstehenden Kenntnis
der Ontogenese der Crossopterygier wird man im stände sein, nach-
zuweisen, welche von den beiden bei Lepidosteus und Calamoichthys
skizzierten Möglichkeiten die richtige ist, ob also die doppelten Rippen
sich aus zwei verschiedenen Skierotomhälften ableiten lassen, oder
ob sie — was das Wahrscheinlichere ist — eine Folge sind der dorsal-
ventral auseinandergewichenen unteren Bögen.
Teleostier.
Hauptsächlichste Litteratur : v. Bär 1828 ; J. MtJLLER 1834 ; Stannius 1849 ;
Aug. MtJLLER 1853; O. Kölliker 1860; Gegenbaur 1862; C.Bruch 1862; Lotz
1864 ; W. MÜLLER 1871; Cartier 1875; v. Mihalkovics 1875; Goette 1878, 1879;
Grassi 1883 i Scheel 1893 ; Göppert — ßippen — 1895 ; v. Ebner 1896 ; Ussow
1900; Albrecht 1902.
Die bereits bei den Knochenganoiden — welche man, wenn wohl
auch kaum in den heute noch lebenden Formen, als die Vorfahren
der Telostier zu betrachten haben wird — in bedeutendem Maße sich
zeigende Tendenz, den Knorpel durch Knochen zu ersetzten, erreicht
bei den Teleostiern den höchsten Grad; bei ihnen wird der Knorpel
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 457
nicht nur in späteren Entwickelungsstufen von den Knochen mehr oder
weniger vollständig zurückgedrängt, sondern es können sogar auch
einzelne Skelettstücke, die wir bei den bisher betrachteten Formen noch
knorpelig antrafen , von vorneherein schon knöchern angelegt
werden.
Andererseits erfährt die Chorda, die bei den Knochenganoiden
einer vollständigen Reduktion anheimfallen konnte, bei den Teleostiern
keinen so hohen Grad der Rückbildung; im Gegenteil, trotz mancherlei
Veränderungen spielt sie selbst noch in der Wirbelsäule des bereits
völlig erwachsenen Tieres eine nicht unbedeutende Rolle.
Anfangs unterscheidet sie sich kaum von der Chorda der übrigen
Fische; ihre Vakuolen werden auch heute wohl noch vielfach als
regelrechte blasige Zellen von polyedrischer Form mit Membran und
Kern angesehen, doch ist es wahrscheinlicher, daß das nur bedingungs-
weise richtig ist, und daß die Entwickelung der Vakuolen sich in ganz
'es
*--
es
Fig. 256 a— c. a Sagittaler Längsschnitt durch die Chorda eines Embryos von
Corregonus Wartmanni 7 Tage nach der Befruchtung, b Ein eben solcher Schnitt
durch die Chorda eines Embryos von Corregonus Wartmanni 9 Tage nach der Befruchtung
bei derselben Vergrößerung, c Ein gleicher Schnitt durch die Chorda eines 6 mm
langen Embryos von Salmo salar. 432 mal vergrößert. Kopieen nach A. Albrecht.
V Vakuolen in den Chordazellen, k Kerne der Chordazellen und der protoplas-
matischen Rindenschicht der Chorda, es elastische Chordascheide, b perichordales,
vom Skierotom abstammendes Bindegewebe, ep protoplasmatische Rindenschicht
(in Bildung begriffenes Chordaepithel).
ähnlicher Weise vollzieht, wie es bei den Holocephalen und Squaliden
dargestellt wurde in Uebereinstimmung mit den Beobachtungen
Goette's (1879), die neuerdings wieder durch Albrecht (1902) Be-
stätigung fanden (Fig. 256 a — c).
Nach diesen Autoren werden die Grenzen der jungen protoplas-
matischen Chordazellen schon in sehr frühen Stadien auf Querschnitten
/
458 H. Schauinsland,
nicht mehr nachweisbar, so daß die Chorda nur wie ein Protoplasma-
strang mit eingestreuten Kernen erscheint, die meistens in der
Nähe der Peripherie anzutreffen sind. Bei Längsschnitten stellt es
sich aber heraus, daß sie doch aus gesonderten, aber außerordentlich
abgeplatteten scheibenförmigen Zellen besteht, die „geldrollenähnlich''
(Goette) hintereinander liegen (Fig. 256a), oft aber auch von keil-
förmiger Gestalt in einer Doppelreihe pallisadenförmig angeordnet er-
scheinen (Schmidt 1893). Im Innern dieser so gestalteten Zellen
treten dann verschieden geformte, durchsichtige und mit klarer Flüssig-
keit gefüllte Vakuolen auf, die sich bald vergrößern und das Proto-
plasma mit dem darin befindlichen Kern der Zelle vor sich her treiben.
Durch ihre Ausdehnung verändern sie auch die ursprüngliche Form
der Zellen, sie teils zusammendrückend, teils ausbuchtend (Fig. 256 b u. c).
Die Scheidewände der Vakuolen, bezw. ihrer ursprünglichen Zellen
verschmelzen fest miteinander, während die Hauptmenge des Proto-
plasmas der Zellen sich in zunächst recht unregelmäßiger Lage an der
Peripherie der Chorda ansammelt, wo sich auch zahlreiche Kerne un-
regelmäßig zerstreut in ihm vorfinden. Damit hat sich also eine
„protoplasmatische Rindenschicht" (Goette) gebildet, in welcher an-
fangs keine bestimmten Zellgrenzen zu entdecken sind. Später da-
gegen können sich hier wirkliche Zellen abgrenzen, und man ist dann
berechtigt, von einer „epitheliomorphen Schicht" (Grassi) oder selbst
einem Chordaepithel (Gegenbaur) zu sprechen. Von dieser Rinden-
schicht geht nun auch die Entwickelung weiterer Vakuolen vor sich;
sie entstehen in ihr, nehmen an Umfang zu und werden gleichzeitig
durch nachfolgende nach der Mitte hingedrängt.
Meistens findet man an den Vakuolenwänden einen Kern, um-
geben von einer sehr geringen Menge von Protoplasma. Diese Ele-
mente verschwinden später aber oft vollständig, so daß das Vakuolen-
gerüst dann ein Fachwerk darstellt, das wohl aus Zellen entstanden ist,
in dem jede einzelne Vakuole aber keine Zelle im wahren Sinne des
Wortes mehr darstellt (Goette, Albrecht). Dabei ist es jedoch
nicht ausgeschlossen, daß sich in ihm andererseits nachträglich auch
wirklich echte Zellen wieder ausbilden können. Umgeben wird die
Chorda von ihrer Scheide, die aus einer inneren dicken Faser-
schicht und einer dünnen äußeren elastischen Scheide besteht
(Fig. 259, 263, 264).
Bezüglich der Benennung und Homologisierung dieser Schichten
mit denen der anderen Fische herrschte früher mancherlei Wirrwarr ;
es ist aber wohl kaum mehr nötig, auf die Differenzen hier noch
näher einzugehen ; wir wissen jetzt durch die Untersuchungen Ebneres
und vieler Anderer, daß die Faserscheide und die äußere elastische
Scheide der Teleostier homolog sind den von uns bei den Cyclostomen
und Ganoiden mit denselben Bezeichnungen belegten Schichten, und
daß sie auch unmittelbar verglichen werden können mit der Chorda-
scheide der Elasmobranchier und Dipneusten, bevor bei diesen eine
Einwanderung von Zellen in die Faserscheide stattgefunden hat. Die
Chordascheide sämtlicher Fische besitzt also einen im Prinzip über-
einstimmenden Bau.
Was die Faser scheide anbelangt, so sind fast alle Autoren
(KÖLLiKER, Gegenbaur, W Müller, Goette, Grassi, Klaatsch,
Scheel, Ussow, Albrecht) darin einig, daß sie ein Produkt der
Chorda, im besonderen ihrer äußeren Rindenschicht sei und jeglicher
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 459
Zellen entbehre. Nur Lwoff leitet sie vom perichordalen Gewebe
ab und findet auch Zellen in ihrem Innern, von denen die Fasern der
Scheide abstammen sollen. Diese Angabe wird ebenso wie bei den
Ganoiden mit Recht beanstandet werden müssen.
Keine so große Uebereinstimmung herrscht über die äußere
elastische Scheide. Abgesehen davon, daß Goette (1879) sie
anfangs ganz vermißte und statt ihrer eine dünne, zellhaltige
Membran (die in Wirklichkeit aber schon dem perichordalen Gewebe
angehört) sah, welche er mit der zellhaltigen Chordascheide der Elasmo-
branchier identifizierte, nahm man früher ziemlich allgemein an, daß
sie aus der perichordalen (skelettbildenden)
Schicht entstände. Neuerdings sieht man b che y
in ihr aber nicht nur eine völlig zellen- i j i
freie, aus elastischen Fasern allein be-
stehende Membran, sondern faßt sie auch
nur als Produkt der Chorda auf (Ebner
1896, Ussow 1900 u. a.). Da sie bereits
in einer Zeit erscheint, in der perichordale
Zellen überhaupt noch nicht vorhanden
sind (Albrecht), so können sich diese
ms
Fig. 257. Horizontaler Längsschnitt durch
die hintere Rumpfpartie eines 3^/^ cm langen Lepto-
cephalus (Valdivia-Expedition). Der Schnitt ist durch
die Mitte der Chorda gegangen. Vergr. 90mal. v die
riesigen, einzeln hintereinander liegenden Vakuolen
der Chorda; nur an einer Stelle finden sich aus-
nahmsweise zwei große Vakuolen nebeneinander
hegend, ep das sehr niedrige „Chordaepithel". Dort,
wo zwei der großen Vakuolen zusammenstoßen (ep,),
sind seine Zellen reichlicher vorhanden, chs Chorda-
scheide ; bei der schwachen Vergrößerung lassen sich
die Details in ihr leider nicht mehr deutlich er-
kennen, doch ist durch die mediane hellere Partie
die Faserscheide, durch den pheripheren dunkleren
Strich das perichordale, sich der Scheide dicht
anschließende Bindegewebe angedeutet. Zwischen
diesem und der Faserscheide befindet sich die sehr
schwach entwickelte Elastica externa, b sehr zartes,
faseriges Bindegewebe, m Muskeln (Myomeren), ms
Myosepten bis au die Chordascheide ziehend, E
Epidermis.
nicht an ihrer ersten Entstehung beteiligen ; ebensowenig ist es wahr-
scheinlich, daß ihr späteres Wachstum auf Kosten dieser Zellen — was
von Manchen, z. B. Ussow, angenommen wird — erfolgt (v. Ebner,
Albrecht). Klaatsch und auch v. Ebner glauben, daß sie von den
jugendlichen Chordazellen abgeschieden wird, und zwar schon dann,
wenn diese noch protoplasmatisch und vakuolenfrei sind (daher pri-
märe Chordascheide, Klaatsch), daß sie aber, sobald die proto-
plasmatische Rindenschicht der Chorda entstanden ist, und die
Faserscheide (sekundäre Chordascheide, Klaatsch) nunmehr von
dieser produziert wird, hierdurch bald aus der direkten Berührung
mit den Chordazellen kommt.
Endlich ist noch die Elastica interna zu erwähnen, die zuerst
von KÖLLiKER beschrieben wurde, deren Existenz später aber ge-
leugnet worden ist; v. Ebner (1896) zeigte jedoch, daß an der
460
H. Schauinsland,
inneren Seite der Faserscheide bei vielen Teleostiern tatsächlich
elastische Fasern vorhanden seien, so daß es in gewisser Hinsicht
berechtigt wäre, von einer inneren elastischen Scheide zu sprechen.
Immerhin ist diese aber kein selbständiges Gebilde, sondern nur eine
spätere Modifikation der innersten Schichten der Faserscheide.
Erwähnt mag endlich noch eine eigenartige Ausbildung der Chorda-
scheide werden, die sich bei Muränidenlarven (Leptocephalus) findet,
V s h
b chst V
ob B
er-
es ap fs k iv üb
Fig. 258. Sagittaler Längsschnitt durch die Wirbelsäule eines 3,8 cm langen
Embryos von Zoarces vivipara. Vergr. ö8mal. Der Schnitt ist etwas schräge ge-
führt, so daß er am kranialen Ende (er) zwar genau durch die Mitte des Wirbels
geht, an dem kaudalen (cd) jedoch schon beträchtlich seitlich; deswegen wird der
central im Doppelkegel des Wirbels gelegene Chordastrang (chst) kranial noch ganz,
weiter kaudal nur teilweise oder gar nicht getroffen, s das an den intervertebralen
Partieen gelegene und hier die Kegelfacetten zweier benachbarter Wirbel ausfüllende
Chordaseptum. b die lateral von den Chordahöhlen befindliche Chordamasse, die
einen inneren Belag des knöchernen Doppelkegels des Wirbels bildet und später
meistens vollständig rückgebildet wird, v die Vakuolen im Chordagewebe, k Knochen
des doppelkegelförmigen Wirbelkörpers, an den Enden der Wirbelkörper bereits ziem-
lich dick abgelagert, in der Mitte von ihnen jedoch erst noch eine sehr dünne Lamelle
bildend, ob knorpeliger oberer, üb unterer Bogen, iv intervertebrale Partie. Die
Details sehe man bei der nächstfolgenden Figur, fs Faserscheide, es elastische
Bcheide der Chorda, ap große osteoblastische Zellen des äußeren Periosts.
bei denen es den Anschein hat, als würde sie nur von mesodermalem
Bindegewebe geliefert. Die Faserscheide ist bei ihnen meistens gut,
die äußere elastische in der Regel aber nur sehr schwach entwickelt,
so daß sie leicht übersehen werden kann. Rings um sie herum lagert
sich dagegen ein eigentümliches, festes und fast zellenloses perichor-
daies Bindegewebe so dicht an, daß es fast unmöglich ist, eine Grenze
zwischen den beiden verschiedenen Elementen zu ziehen, und somit
Scheide und Bindegewebe scheinbar ein untrennbares Ganze bilden.
An geeigneten Präparaten (wie z. B. an dem noch weiter unten er-
wähnten Exemplar Fig. 257) kann man die Elastica externa aber den-
noch nachweisen und darthun, daß auch bei Leptocephalus im Grunde
keine Ausnahme von den bei anderen Teleostiern vorkommenden
Verhältnissen stattfindet (Schauinsland).
In späteren Entwickelungsperioden erleidet die C h o r d a mancherlei
Veränderungen. Am geringsten ist das von den bis jetzt untersuchten
Formen noch bei Syngnathus acus der Fall (v. Ebner 1896). Bei
bereits vollständig erwachsenen Tieren werden die Wirbel im Innern
noch ganz vom Chordagewebe erfüllt. Die Vakuolen desselben sind
gegen die Mitte hin stark verlängert, wodurch ein axialer Chorda-
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 461
Strang, wie wir ihn bei den Cyclostomen, Elasmobranchiern und
Ganoiden bereits antrafen, gebildet wird.
Eine recht interessante Getsaltung zeigt die Chorda bisweilen bei
den mit dem Namen Leptocephalus bezeichneten Fischlarven (so
z. B. bei einem 3^2 cm langen von der „Valdivia-Expedition" stammen-
den Exemplar, Schauinsland). Ihr Gewebe wird nämlich von riesig
großen Vakuolen durchsetzt, die die Gestalt von Cyhndertrommeln
besitzen und das gesamte von der Chordascheide gebildete Lumen —
abgesehen von einer äußerst dünnen, epitheliomorphen Rindenschicht
— einnehmen, indem sie dabei in auffallender Regelmäßigkeit hinter-
einander aufgereiht sind (Fig. 257). Auf je ein aus der Anordnung
der Muskulatur und der Nerven erkennbares Segment kommen in der
vorderen Körperregion ein bis ein und einhalb, weiter im Schwanz
auch zwei bis drei solcher Vakuolen, die wahrscheinlich aus der Ver-
schmelzung einer größeren Anzahl entstanden sind.
In der Mehrzahl der daraufhin beobachteten Knochenfische bilden
sich innerhalb der Chorda bedeutende Hohlräume aus, die oft so regel-
mäßig sind, daß dadurch ganz charakteristische und immer wieder-
kehrende Bilder hervorgerufen werden. So erscheint z. B. bei Esox
lucius (GoETTE 1879, V. Ebner 1896), Gasterosteus aculeatus (Ussow),
Zoarces viviparus (Schauinsland) das Chordagewebe nur an den
intervertebralen Partieen ununterbrochen und bildet dort ein S e p t u m ,
durch das die Mündungen der knöchernen Doppelkegel zweier an-
einander stoßender Wirbel ausgefüllt werden (Fig. 258).
Je zwei benachbarte Septen werden verbunden durch einen Chor-
dastrang, der vertebral liegt und von einem großen Hohlraum
umgeben ist. Er zieht durch die enge Oeffnung, durch welche bei alten
Wirbeln die Spitzen der beiden Kegel miteinander kommunizieren,
und wird an dieser Stelle später wahrscheinlich völlig durchbrochen.
Endlich findet sich lateral von der Höhle noch Chordasubstanz, welche
die innere Wand des Wirbelkörpers bekleidet. Anfangs noch in reich-
licher Menge vorhanden (Fig. 258), schwindet sie an dieser Stelle
später derartig, daß sie oft nur mit Mühe nachweisbar ist.
Bezüglich jener großen Lücken und Hohlräume innerhalb der
Chorda vieler Teleostier und Elasmobranchier mag auf einen ähn-
lichen Vorgang bei den Tunicaten hingewiesen werden; auch bei
diesen wird ja fast das ganze Chordagewebe zerstört, so daß von ihm
nur die periphere, epitheliomorphe Schicht übrig bleibt, und die Chorda
dann einen mit Flüssigkeit angefüllten Kanal darstellt.
Innerhalb des eben erwähnten intervertebralen Chorda-
septums fand v. Ebner (1896) beim Hecht eigentümliche, offenbar
sekundär aus den, bezw. in den Vakuolenwänden entstandene Zellen.
Sie sind von polyedrischer Gestalt und bestehen, abgesehen von einer
kleinen Höhle, welche den Kern einschließt, aus einer faserigen Masse,
die nach allen Seiten hin durch Stachel fortsätze mit den Nach-
barzellen in Verbindung steht. Ihre Aehnlichkeit mit den Stachel-
zellen einer verhornenden Epidermis ist äußerst groß, und v. Ebner
bezeichnet sie deswegen auch als „epidermoide Zellen". Das
ganze, aus ihnen zusammengesetzte Gewebe erinnert einerseits an
epidermale Bildungen, andererseits an Knorpelzellen mit Kapseln.
Im Chordastrange und in der lateralen Wand der Chordahöhle
kommen dagegen überwiegend lange Faserzellen ohne Stacheln vor.
Bemerkenswert ist endlich auch noch der letzte kaudale
462
H. Schauinsland,
Abschnitt der Chorda. Ihre Zellen bewahren hier nämlich
während langer Zeit einen embryonalen Charakter; sie sind proto-
plasmatisch und nicht getrennt in eine epitheHomorphe Rindenschicht
und centralwärts davon gelegene Vakuolen. Letztere befinden sich
allein in den vordersten Partieen des Chordaendes, und zwar nur in
geringer Zahl und kleiner Form. Die Teleostier unterscheiden sich
hierdurch von den Elasmobranchiern, bei denen die Chorda bis ans
äußerste Ende vakuolisiert wird (v. Schmidt 1893). Aber auch bei
a2\
j i j / / / /'
y
f _^*"^-
^ es
^-' ep
Fig. 259. Eine der auf der vorhergehenden Abbildung Fig. 258 dargestellten inter-
vertebralen Partieen (iv) bei 880-maliger Vergrößerung. S Chordaseptum. v Vakuolen
im Chordagewebe, ep epitheliomorphe Schicht der Chorda (Chordaepithel), ep^ die
intervertebrale Wucherung dieser Schicht, fs Faserschicht der Chordascheide, fs^
die intervertebrale Anschwellung derselben (Ligamentum intervertebrale internum
Köllikee). es äußere elastische Schicht der Chordascheide, es^ ihre intervertebrale
Wucherung, k der zellenlose Knochen des Wirbelkörpers, ap das äußere Periost
dieses Knochens. Die Zellen desselben nehmen nach den Enden des Wirbels immer
mehr und mehr an Größe zu — man sieht hier, wie sich protoplasmatische Fort-
sätze bis tief in die von ihnen abgeschiedene Knoehensubstanz hinein erstrecken —
und setzen sich auch zwischen den Wirbelenden auf das hier ebenfalls zu einem
Wulst (^p^ Ligamentum periostale internum v. Ebner) verdickte, aus zellenlosem,
faserigem Bindegewebe bestehende, sog. innere Periost {ip) fort. (Die Führungslinie
von ip, die fälschlich bis zur Elastica externa reicht, ist zu lang gezeichnet.) b loses,
den Wirbelkörper umgebendes Bindegewebe, b^ die intervertebrale "Verdichtung des-
selben, die sich später auch zu einem Ligament umbildet (Ligamentum interverte-
brale externum Kölliker).
den Knochenfischen wird das diff'erente letzte Chordaende, der Chorda-
stab (Schmidt), — der auch bei den höheren Vertebraten vorkommt
und bei den urodelen Amphibien eine knorpelähnliche Beschaff"enheit
erhält — später allerdings doch zum allergrößten Teil in vakuoli-
siertes Chordagewebe umgewandelt.
Ebenfalls im Schwanzende findet Ussow^ (1900) bei Gasterosteus
eine Chordasubstanz von rein faserig-bindegewebigem Charakter.
Bezüglich der histologischen Auffassung schließt sich dieser Autor,
nachdem man früher das Chordagewebe teils dem Knorpelgewebe, teils
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 463
den epithelialen Gebilden zugezählt hatte, der Ansicht v. Ebner's (1896)
an und glaubt, daß „das junge Chordagewebe ein embryonales in-
differentes Gewebe ist,
bindegewebigen ähn-
liche Gebilde produ-
zieren kann". Diese
Anschauung würde
nicht im Widerspruch
stehen mit der embryo-
logischen Erfahrung
(gewonnen bei den
Sauropsiden, Schau-
insland 1898, 1900),
daß in den ersten
Entwickelungsstadien
des
welches sowohl den epithelialen als auch den
der Chorda oder
„Kopffortsatzes"
teilweise
meso- und entoderma-
1er Elemente statt-
eine
Mischung
Fig. 260 a u. b. Zwei
Querschnitte zur Erläute-
rung der Entstehung des
Skierotoms bei der Forelle
nach SwAEN u. Brächet.
Schnitt Fig. 260 a geht
durch das 4. Ursegment
•eines 10 Tage 11 Stunden
alten Embryos (mit 23 Ur-
segmenten) und Schnitt
Fig. 260 b durch das 6. Ur-
segment eines Embryos
mit 28 Ursegmenten im
Alter von 11 Tagen 7 Stun-
den, n Neuralrohr. ch
Chorda. seh Subchorda.
ml Muskellamelle des Ur-
segmentes. d Cutislamelle.
■sp Seitenplatten, sc Sklero-
tom ; an der rechten Seite
der Fig. 260b schon dorsal-
wärts an der C'horda und
dem Medullarrohr entlang
gewuchert, im mesoder-
male, „intermediäre" Zell-
masse, anfangs zwischen
Ursegment und Seiten-
platte liegend, en Entoderm.
d das aus diesem entstan-
dene Darm röhr.
— — ^ sc
findet; denn gerade dadurch könnte wohl der spätere, teils mesenchy-
matöse, teils auch epitheliale Charakter des Organes erklärlich sein.
Von den späteren Schicksalen der Chordascheide ist vor-
nehmlich hervorzuheben, daß die Faser schiebt in terv er tebral
stark wuchert und dort einen dicken, nach außen vorspringenden
Wulst darstellt (Fig. 259) ; die elastische Scheide zeigt hier ebenfalls
eine beträchtliche Dicke. Es ist einleuchtend, daß damit an jener
464 H. Schauinsland,
Stelle auch eine mächtige Ausbildung der epithelioniorphen Rinden-
schicht (die vertebral später oft völlig reduziert wird) Hand in
Hand geht, da diese ja nicht nur als die Matrix des Chordaseptums.
sondern auch der Scheide aufzufassen ist. In ihrem übrigen Verlauf
erscheinen die beiden Schichten der Scheide sehr stark rückgebildet:
trotzdem lassen sie sich aber selbst beim erwachsenen Tier (z. B.
beim Hecht, v. Ebner 1896) als innerer Belag des knöchernen Wirbel-
körpers doch noch nachweisen.
KÖLLiKER (1864) glaubte, daß die Chordascheide im Bereich
der Wirbelfacetten in Knochen übergehe, den er als chordalen
knöchernen Doppelkegel bezeichnete. Mit Ausnahme Cartier's (1875)
haben alle späteren Autoren eine BeteiHgung der Chordascheide bei
der Verknöcherung in Abrede gestellt, und jedenfalls mit Recht. Eine
Bedeutung für den Aufbau des knöchernen Wirbelkörpers hat die
Scheide durchaus nicht, wenngleich es nicht unmöglich ist, daß bei
dieser oder jener Form in späten Stadien die elastische, vielleicht
sogar auch die Faserscheide stellenweiseiin den Knochen des Wirbel-
körperss einbezogen wird.
Beim Lachs und beim Hecht wies Kölliker nach, daß die Chorda
bei ausgewachsenen Tieren sich über das Ende der Wirbelsäule
hinaus erstreckt, und wir wissen heute, daß thatsächlich von den
Knochenfischen an bei allen höheren Wirbeltieren die Anlage der
knorpeligen oder knöchernen Wirbelsäule kürzer ist als die der Chorda ;
es wird hierdurch wahrscheinlich, daß während der Phylogenese eine
Reduktion in der Länge des Achsenskelettes stattgefunden hat
(0. Schmidt).
Obgleich kein Teil der Wirbelsäule aus ihr seinen Ursprung
nimmt, so muß doch erwähnt werden, daß sich auch bei den Tele-
ostiern ebenso wie bei den Elasmobranchiern und Ganoiden eine
Hypochorda oder Subchorda findet (Fig. 260a und b). Durch
Goette (1875), Henneguy (1888), Franz (1898) wurde ihre en to-
der male Natur auch bei den Knochenfischen festgestellt. Nach
letzterem Autor löst sie sich bei der Forelle und beim Lachs von
einer an der dorsalen Darmwand entspringenden Leiste unter Bildung
segmental angeordneter Brücken ab. Ein Lumen ist in ihr niemals
nachzuweisen; nach längerer oder kürzerer Zeit geht sie völlig zu
Grunde, ohne am Aufbau irgend welcher Organe sich zu beteiligen,
auch nicht des Ligamentum longitudinale ventrale (wie Klaatsch
meinte), das vielmehr nur aus den Zellen des axialen Mesenchyms
entsteht. —
Wir wenden uns j etzt dem p e r i c h o r d a 1 e n Bindegewebe
zu. W. Müller und PIis nahmen das Entstehen aller Bindesubstanzen
aus den Gefäßadventitien an, während Kölliker und Gegenbaur es
aus den Urwirbeln entspringen lassen. Heute weiß man, daß die
letztere Anschauung die richtige ist. Dabei braucht es jedoch nicht
völlig ausgeschlossen zu werden, daß das i)erichordale Gewebe in spä-
terer Zeit nicht auch von anderer Seite geringen Zuwachs erhalte. So
glaubt, im Anschluß an Goette, Ussow^, der sich dabei namentlich
auf seine Untersuchungen bei Cyclostomen stützt, daß es durch Blut-
elemente vermehrt werde. Wie dem auch sein mag, diese Quellen
sind jedenfalls gegenüber den Ursegmenten von verschwindender Be-
deutung.
Die Entwickelüng des Skierotoms ist an der Forelle von
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst ßippen und Brustbein. 465
SwAEN und Brächet (1899) näher untersucht worden. Nach ihnen
zerfällt das Mesoderni wie gewöhnlich in die segmentierten Ur Seg-
mente und die unsegmentierten Seitenplatten. (Bei einigen Tele-
ostiern, so auch bei der Forelle und dem Lachs, kommt außer diesen
beiden Mesodermmassen noch die zwischen ihnen gelegene und sie
miteinander verbindende „intermediäre Zellenmasse" vor, die sich
später von ihnen trennt und sich medianwärts vorschiebt, so daß Ur-
segmente und Seitenplatten dann einander berühren. Nach Vereinigung
mit der auf der anderen Seite gelegenen Partie geht aus ihr ein ein-
ziger medianer Zeilensti-ang hervor, der in der Hauptsache nur zur Bil-
dung einer Vene Verwendung findet [Fig. 260].) Jedes Ursegment stellt
ein Kästchen dar, das kompakt mit Zellen erfüllt ist, die an der Ober-
fläche epithelial angeordnet sind. An der ventralen Kante jedes Seg-
mentes erscheinen die oberflächlichen Zellen regelmäßiger angeordnet
und unterscheiden sich dadurch, sowie auch durch ihre Dimensionen und
ihr homogenes Aussehen von den übrigen, namentlich auch von den
dorsal davon gelegenen medianen Zellen, aus denen sich die Musku-
latur entwickeln wird (Muskelblatt des Ursegmentes, Myotom), obwohl
sie mit ihnen im Zusammenhang stehen. Sie sind in einer Lage
radiär angeordnet und begrenzen eine kleine unregehiiäßige Höhle;
diese oder vielmehr ihre Wände stellen den ersten Beginn des Sklero-
toms in jedem Segment dar (Fig. 260a). Der Hohlraum verschv\^indet
darauf, indem seine Wände sich dicht aneinander legen, und jedes
SklerotO]n besteht dann aus zwei epithelialen Blättern, welche sowohl
unter sich als auch mit der ventralen Kante des übrigen Ursegmentes
in Verbindung stehen. Während dieser Zustand noch bei Embryonen
im Alter von 10 Tagen und 23 Stunden obwaltet, vollzieht sich darin
von da an sehr rasch ein Wandel, denn schon bei 11 Tage und
7 Stunden alten Embryonen ist der epitheliale Charakter des Sklero-
toms verloren gegangen (Fig. 260b); seine Zellen besitzen dann bereits
eine sehr unregelmäßige Gestalt und beginnen sich zu zerstreuen ;
nur noch kurze Zeit sind sie segmental voneinander gesondert, dann
fließen sie in eine scheinbar ungegliederte Mesenchymmasse zusammen,
die sich in die Zwischenräume zwischen den benachbarten Organen
hineindrängt.
Nach dieser Schilderung ist die Entstehung der Skierotome bei
den Knochenfischen wohl nur eine Modifikation der bei den Holo-
cephalen und Squaliden mitgeteilten Entwickelungsweise.
Die auf diese Art gebildeten Sklerotomzellen umgeben also so-
wohl die Chorda (Perichordalzellen) als aucli das Rückenmark, über
dem sie sich bereits frühzeitig vereinigen (Membrana reuniens superior),
aber auch in die Lücken zwischen je zwei benachbarten Ursegmenten
bezw. zwei Myotonien schieben sie sich hinein. So ist dann schließ-
lich Chorda und Medullarrohr rings von Bindegewebe umgeben, deren
am meisten median befindliche Lage man als skeletoblastis ches
Gewebe unterscheiden kann, das von Johannes Müller seiner Zeit
noch als „äußere Chordascheide" bezeichnet wurde.
Innerhalb dieser letzteren Schicht beginnt die erste Anlage des
festen Skelettes, womit das Stadium der „häutigen Wirbelsäule" bereits
früh sein Ende erreicht.
In der Nähe der Grenze zwischen je zwei Myotonien bezw. Myo-
meren finden sich schon frühzeitig stärkere Ansammlungen von Sklero-
tomzellen, welche einerseits den Raum zwischen Chorda und Nerven-
Handbuch der Eiitwickelungslehre. III. 2. 30
466
H. Schauinsland,
röhr, andererseits zwischen Chorda und Aorta anfüllen. Sie stellen die
ersten Anlagen der oberen und unteren knorpeligen Bögen
dar. Die ersten Knorpelzellen liegen dabei nicht unmittelbar der
elastischen Scheide an, sondern entstehen etwas entfernt davon an
einer Stelle, welche der Mitte der späteren Bogenbasis entspricht.
Also auch bei den Knochenfischen findet immer eine knorpelige
Präformierung der Bögen statt; nur ist die Ausdehnung derselben
eine beschränkte. Stets aber, und zwar selbst bei solchen Formen
(Hecht, Salmoniden), die sich durch Knorpelreichtum auszeichnen, fehlt
den distalen Bogenteilen der Knorpel gänzlich, da sie sogleich
knöchern angelegt werden (Fig. 261); aber auch an den proximalen
Abschnitten kann bei vielen Fischen, z. B. manchen Cyprinoiden, die
knorpelige Anlage so gering sein, daß sie sich nur auf einen spärlichen
Bezirk in der Bogenbasis beschränkt.
In der Regel bestehen die Knorpelbogeu dort, wo sie gut ent-
wickelt sind, aus einer mehr oder weniger großen Basisplatte und
obk
rd iv
wk
Fig. 2(51. Ein Stück der vordersten Wirbelsäule eines 6 cm langen Hechtes
bei etwa 24-facher Vergrößerung. Methylenblaupräparat. Der Knorpel ist punktiert.
mk knöcherner Doppelkegel des Wirbelkörpers, iv intervertebrale Partieen. oh obere,
üb untere Bögen ; kaudal-kranialwärts rücken die unteren Bögen allmählich immer
mehr dorsal bis in die Nähe der oberen Bogenbasen empor, ein Verhalten, das noch
deuthcher wäre, wenn das Stück der abgebildeten Wirbelsäule länger sein würde.
Man beachte die längliche Form der knorpeligen Bogenbasen und namentlich ihre
kaudale Verlängerung an den unteren Bögen, ub^(f); es ist nicht unwahrscheinlich,
daß diese den kranialen Bogenstücken bei Amia (cf. Fig. 247, 250 etc. ub^) ent-
sprechen, k Knochenbelag der Bögen, nur am 2. Wirbel gezeichnet. Das distale
Ende der Bögen wird nie mehr knorpelig, sondern stets knöchern angelegt; es ist
nur am 2. oberen Bogen gezeichnet worden (obk). /c(oöj?) die sogenannten Inter-
calaria — siehe Text — wahrscheinlich den oberen Abschnitten zu kranialen
Skierotomen gehöriger, oberer Bögen entsprechend, r Rippen. Sie sind in diesem
Körperabschnitt von sehr bedeutender Länge; nur am ersten Wirbel ist der knorpelige
Rippenabschnitt ganz ausgezeichnet (aber nicht in der richtigen Lage, sondern
weit dorsal- und kaudalwärts verlagert); das äußerste, rein knöcherne Ende ist je-
doch auch an ihm fortgelassen. Die Basen der unteren Bögen — namentlich nach er-
folgter Abgliederung der Rippen — bezeichnet man im Rumpf auch als „Basalstümpfe".
isg Intcrsegmentalgefäße, über die kaudale Verlängerung der Bogenbasen lautend
spn Spinalnerv (nur punktiert), rd sein Ramus dorsalis. g spinales Ganglion.
Die Entwickelung der "Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 467
einem sich auf ihr erhebenden und sich oft ganz plötzlich absetzenden,
dünnen, cylinderförmigen Bogenstück (Fig. 261). Während die Haupt-
masse der Platte — sowie auch der Bogen selbst — sich meistens
an dem kranialen Ende des späteren Wirbelkörpers findet, erstreckt
sie sich bisweilen in länglicher Form, wie beim Hecht (Fig. 261), weiter
kaudalwärts, ja es kann vorkommen, daß dieser letztere Teil sogar
als besonderes, selbständiges Knorpelstück auftritt. Die beigefügte
Figur (Fig. 262) zeigt dieses Verhalten an einzelnen unteren Bögen
im Schwänze des Lachses. Daß jene kaudalen Platten als die Reste
eines zweiten Bogens aufzufassen und demnach direkt den kranialen
Bogenstücken bei Amia (cf. Fig. 247, 250 etc.) zu vergleichen sind,
dürfte beim Lachs wohl sicher, beim Hecht aber wahrscheinlich sein
(Schauinsland).
Die unteren Bögen, die im Rumpf später in „Basalstümpfe"
und Rippen gegliedert sind, besitzen bei den meisten Teleostiern, wenn
man sie vom Schwanz nach dem Kopf hm verfolgt, die Neigung, je
weiter nach vorn in desto höherem Grade dorsalwärts heraufzurücken,
dabei sicherlich beeinflußt durch das Verhalten der Muskulatur, viel-
leicht auch durch die Lage der Eingeweide innerhalb der Leibeshöhle.
Etwas ganz Aehnliches fanden wir bereits bei Vertretern der früher
besprochenen Fischabteilungen vor, so z. B. bei Amia, aber auch bei
den Elasmobranchiern, unter denen wieder die Rajidae am ausge-
prägtesten das Emporsteigen der unteren Bögen zeigten. Ebenso
wie es dort dabei zum Verschmelzen von dorsalen und ventralen
Bögen kommt, kann dieser Fall auch bei Teleostiern, z. B. bei Rhodeus,
eintreten.
Man hat daraus den Schluß gezogen (Scheel 1893), daß bei jenen
Knochenfischen keine wahren unteren Bögen vorhanden seien, sondern
daß diese vielmehr „Parapophysen", Querfortsätze wären, die gemein-
schaftlich mit den oberen Bögen entständen und als Teile derselben
aufzufassen seien. Weiter kaudalwärts rückten sie von den oberen
Bögen ab und würden selbständig; sogar die Kaudalbögen im Schwänze
würden danach nur ventral gelagerte Parapophysen sein. Wie völlig
irrtümlich diese P'olgerung ist, braucht nach dem vorher Gesagten wohl
kaum mehr näher auseinandergesetzt zu werden.
Im Zusammenhang mit jenem Verschmelzen der oberen und
unteren Bögen steht meistens eine stärkere Ausbreitung des Knorpels
an diesen Stellen ; so ist denn auch bei Rhodeus an dem vordersten
Abschnitt der Wirbelsäule die Chorda fast völlig von Knorpel
umgeben.
Ein ähnlicher Knorpelreichtum findet sich nach Grassi in dem
vierten und fünften Wirbel der Cyprinoiden überhaupt.
Am Schwänze können die iBasen der knorpeligen unteren
Bögen der einen Seite mit denen der anderen ventral von der
Chorda verschmelzen ; das geschieht z. B. bei den Cyprinoiden (Grassi)
und bei Peloria (Schauinsland). Auch hierdurch wird eine stärkere
Umwucherung der Chorda mit Knorpel hervorgerufen, wie es sonst
bei den Knochenfischen der Fall ist. Recht bemerkenswert ist dieses
Verwachsen der unteren Bögen im Schwänze von Cyclopterus lum-
pus (Ussow 1900), weil dadurch ein ganz ähnlicher hypochor-
daler Knorpel wie bei den anuren Amphibien gebildet wird.
Bei einigen Teleostiern, so namentlich beim Hecht (Goette 1879),
auch bei Salmoniden und Clupeiden (Stannius, Scheel) triff"t man
30*
468
H. Schauinsland,
oberhalb des Rückenmarkkanals und unterhalb des oberen elastischen
Bandes paarige, später auch miteinander verwachsene Knorpelstücke
an , die zwischen den oberen Bogenenden liegen (Fig. 261 , 263),
mit deren Knochen sie bei älteren Tieren völlig verwachsen. Meistens
findet man die Angabe (Goette, Albrecht), daß sie mit den Bögen
nicht in einer Ebene liegen, sich nur mit ihrem hinteren Ende der
Innenseite derselben anfügen und sie nach vorne hin ein gutes Stück
überragen. Es scheint trotzdem aber, daß sie im ausgebildeten Zustand
sich vielmehr vorwiegend nach hinten über die Bögen hinaus er-
strecken (Fig. 261) und daher zum kaudalen Ende jedes Wirbels
(kraniales Skierotomstück) zu zählen sind. Ganz ähnliche Knorpel trafen
wir bereits bei Amia und Lepidosteus an. Goette vergleicht sie den
Interkalarien der Selachier, Jedenfalls wird das richtiger sein, als sie
nur für den eigentlichen dorsalen Abschluß der oberen Bögen zu
Sie werden wahrscheinlich, ebenso wie bei Lepid-
Reste von Bögen des kranialen Skierotomstückes
halten (Scheel).
Ostens, als dorsale
zu betrachten sein, deren basalen,
ob rd
der Chorda aufsitzenden Teile
knorpelig entweder gar nicht
mehr, oder jedenfalls von der
Basis des eigentlichen Bogen s
nicht mehr getrennt, zur
Ausbildung
gekommen sind.
vorderen
'^,5 cm
spn üb
Fig. 262. Vier Wirbel aus der
iSchwanzwirbelsäiile eines
langen Lachses (Saimo fario).
Vergr. 32mal. Methylenblaupräparat.
ob oberer Bogen. Die Basen der
unteren Bögen sind stark kranial-
kaudalwärts verlängert. Das hintere
Ende (w&J ist dabei nicht selten
völlig abgetrennt von dem vorderen
M&. sp7i Verlauf des Spinalnerven
durch eine punktierte Linie ange-
deutet, rd Raraus dorsalis des Spinal-
nerven, isg Intersegraentalgefäß.
Die proximalen und die distalen
Enden der oberen und unteren Bögen
sind knorjielig, werden aber durch
einen rein knöchernen Abschnitt (A-)
voneinander getrennt.
möge
Aus der Geschichte der oberen Wirbelbögen in späteren Stadien
gleich hier noch erwähnt werden, daß sie sofort oberhalb des
Nervenrohres ebenso wie bei den Ganoiden nochmals auseinander-
weichen zur Bildung eines zweiten, wenn aufth nur engen Kanals — des
oberen Wirbelkanals — in welchem das dorsale elastische
Längsband liegt (Fig. 263). Dorsal von diesem nähern sich die
beiderseitigen Bögen wieder, verschmelzen miteinander entweder
zu einem unnaaren Processus spinosus, oder sie laufen getrennt
her. Beides kann bei ein und demselben Indi-
Daß alle diese Teile nur allein aus Knochen
ohne knorpelig vorgebildet zu sein, direkt
auf bindegewebiger Grundlage aufbauen, ist nach dem,
was über die geringe Beteiligung des Knorpels an der Entstehung des
Bogens vorher gesagt wurde, selbstverständlich.
dicht nebeneinander
viduuni vorkommen,
bestehen , die sich ,
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 469
Knorpelig präformiert sind dagegen stets die Floss enst rahl-
träger (Gegenbaur), die sich unmittelbar dorsal an die distalen
Enden der Dornfortsätze der Bögen anschließen oder sich bisweilen
auch, wie bei Gasterosteus, dicht zwischen die nicht verschmolzenen
distalen Enden der oberen Bögen einkeilen. Flossenstrahlträger sind
oft auch vorhanden, selbst wenn eine wirkliche Flosse gar nicht mehr
zur Ausbildung
gelangt.
Grassi (1883) spricht die Vermutung aus, daß die
trager
Flossenstrahl-
ursprünglich abgegliederte Stücke der oberen Bögen seien.
llds
.ft
_. ic {obj
- ob
Fig. 263. Querschnitt
durch einen Wirbel aus
dem vorderen Teil der
Wirbelsäule von Esox lu-
cius (31/2 cm lang). Vergr.
60 mal. ob oberer Bogen.
vbk distaler, rein knöcher-
ner Teil des oberen Bogens
vom vorhergehenden
Wirbel. «c(oö^ ?) die paar-
igen , fast zu einem
Knorpelstück verwachse-
nen „Intercalarien" des
vorhergehenden Wir-
bels (cf. Fig. 261). üb
untere Bögen (Basal-
stümpfe). »• Rippe, von den
Basalstümpfen noch nicht
abgetrennt. k Knochen,
überall durch einen ganz
dunklen P'arbenton ange-
deutet, wk Knochenlamelle
des Wirbelkörpers, die in
direktem Zusammenhang
mit dem Knochenbelag der
Knorpelbaseu steht. h
Knochenfortsätze der
knöchernen Wirbelkörper-
lamelle, die wahrschein-
lich den Hämalfortsätzen
der Elasmobranchier und
Ganoiden entsprechen, b
Bindegewebe ; in der medi-
anen Partie desselben, dem skeletoblastischen oder skeletogenen Bindegewebe, entsteht
der Knochen des Wirbelkörpers, ch Chorda, ep Chordaepithel, ß Faserschicht fler
Chordascheide, es äußere elastische Scheide, sehr deutlich unterhalb der knorpeUgen
Bogenbasen, weniger leicht unterhalb des Knochens bemerkbar, mr MeduUarrohr.
llds Ligamentum longitudinale superius. fl Flossenstrahlenträger.
Schließlich werde noch erwähnt, daß die anfangs stets schmächtige
Gestalt der oberen Bögen durch spätere Knochenauflagerungen ver-
ändert werden kann, so daß sie selbst die Form breiter Knochen -
dächer annehmen (Anguilla, Echeneis). Auch entwickeln sich oft vorne
und hinten Fortsätze, die zur Artikulation mit den benachbarten Bögen
dienen (Fig. 267).
Abgesehen von den Formen, bei denen die knorpelige Anlage der
Bögen, insbesondere ihrer Basen eine ausnahmsweise große Mächtig-
keit erreicht (Esox, Salmo etc.), und auch von jenen Fällen, in welchen
bei einer Verschmelzung der oberen und unteren Bögen im vorderen
Wirbelsäulenabschnitt der die Chorda umgebende Knorpel eine größere
470
H. Schauinsland,
Ausdehnung besitzt, ist die Beteiligung der knorpeligen Bögen und
damit des Knorpels überhaupt an dem Aufbau des W i r b e 1 k ö r p e r s
eine äußerst geringe. Derselbe besteht, und zwar von vornherein, in
weitaus überwiegendem Maße nur aus Knochen. Letzterer erscheint
übrigens, wenigstens bei den bis jetzt untersuchten Vertretern der Gat-
tung Salmo (Albrecht), zuerst andern distalen Ende der Bögen
als zellenlose, dem Knorpel aufliegende Kinde und setzt sich von dort
rasch distalwärts ohne knorpelige Grundlage weiter fort. Aehnliche
Knochenhülsen entstehen darauf aber auch sehr bald rings um die
Chorda herum, der elastischen Scheide dicht anliegend. Sie werden
abgeschieden von der innersten Lage des perichordalen , skeleto-
blastischen Bindegewebes, welches ehemals von Goette für die Elastica
gehalten wurde (Fig. 263, 2(34). Daß nach den neueren Beobach-
tungen die Chordascheide selbst mit der Entstehung dieses Knochens
Fig. 264.
Fig. 265.
k es /s B
/
.iL
" %
~-:m''
1
ap-
Fig. 264 u. 265. Fig. 264 Querschnitt durch
einen Wirbel der vorderen Schwanzregion eines
Embryos von Zoarces vivipara v. 3,8 cm Länge.
Vergr. 68 mal. Fig. 265 die Basis des hnken
unteren Bogens (und benachbarte Partieen der
Wirbelsäule) der vorigen Abbildung bei 328-
maliger Vergr. ob obere Bögen, nb untere
Bögen, zum weitaus größten Teil knöchern (k),
nur in ihrer Basis sind noch kleine Knorpel-
partieen vorhanden [kn). g Gefäße, welche an der medianen Seite durch den knöcher-
nen Belag der Bogenbaseu eindringen und den Knorpel, bevor er noch verkalkt ist,
zerstören und durch neugebildeten Knochen {kj ersetzen, ap äußeres Periost des in
Schichten abgelagerten Knochens, b skeletoblastisches Bindegewebe, chstr centraler
Chordastrang (cf. Fig. 258). h Chordahöhle. B lateraler Chordabelag, ep Chorda-
epithel, fs Faserscheide der Chorda, es elastische (unter dem Knochen recht un-
deutliche) Scheide, sh Septum horizontale; ihm gegenüber befindet sich ein Aus-
wuchs der Knochenlamelle des Wirbelkörpers, der den Seitengräten in der vorderen
Rumpfregion entspricht, mr Medullarrohr. a Aorta, v Vene.
Die Entwickeluug der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 471
nichts zu thun hat. wurde schon oben erwähnt; es ist dabei aber nicht
ausgeschlossen, daß in ihr später nicht hie und da Verkalkungen auf-
treten können. Ein chordaler knöcherner Wirbelkörper existiert
aber jedenfalls nicht.
Die Knochenablagerungen auf der Chordascheide setzen sich stets
ununterbrochen auf die Bogen basen fort (Fig. 263), stehen aber
nicht immer in ununterbrochenem Zusammenhang mit dem Knochen-
belag des übrigen Bogens, so daß in manchen Fällen der knöcherne
Bogen durch eine Knorpelnaht von seiner Basis und dem Wirbelkörper
getrennt bleibt. Dieses Verhalten zeigt sich aber nicht bei allen
Teleostiern, und auch dort, wo es vorkommt, ist es nur auf die vor-
deren Rumpfwirbel beschränkt und fehlt am Schwanz (z. B. bei Corre-
gonus, Albrecht).
Sehr beachtenswert ist die Angabe, daß der Knochenbelag auch
auf dem VVirbelkörper zunächst nicht einheitlich ist, sondern (bei
Corregonus, Albrecht 1902) zunächst am vorderen und hinteren
Ende desselben als je ein stärkerer Ring auftritt. Diese beiden Ringe
verdünnen sich nach der Mitte des Körpers hin und stehen dort
anfangs nicht miteinander in Verbindung. Auch dieser Umstand wäre
mit als ein Bew-eis für die Entstehung des Wirbelkörpers aus zwei ur-
sprünglich voneinander getrennten Elementen anzusehen, worauf weiter
unten noch zurückzukommen sein wird.
Nach Vollendung der perichordaleu Knochenrinde ist der pri-
märe Wirbelkörper vollständig geworden. Er besitzt in aus-
gesprochenem Maße die charakteristische Gestalt eines Doppelkegels,
dessen Spitze in seiner Mitte liegt, während die beiden offenen Basen
angefüllt sind von der Chorda und im besonderen von den oben be-
schriebeneu Chordasepten (Fig. 258 u. 259), d. h. also, er ist amphicöL
Sein Längenwachstum erfolgt überwiegend an seinem kaudalen und
kranialen Ende, und dort findet man auch die Osteoblasten in stärkster
Ausbildung (Fig. 259),
Jener „primäre" Wirbelkörper kann nun in späterer Zeit noch
mannigfach verändert werden. Daran beteiligt sich vornehmlich das
ihn und die Bogenbasen umgebende Bindegewebe, welches neue Skelett-
massen liefert. In einfachster Weise kann das so von statten gehen,
daß der primäre knöcherne Wirbelkörper durch weitere periostale
Knochenablage konzentrisch gleichmäßig wächst. Meistens jedoch
tritt die sekundäre Knochenbildung in Form von radiären, zum Teil
durch konzentrische Lamellen verbundenen Leisten auf (Goette 1879),
deren regelmäßige Anordnung später aber oft gar nicht mehr er-
kennbar bleibt, so daß der Eindruck einer spongiösen Knochenmasse
hervorgerufen wird, deren mit Markräumen vergleichbaren, zahlreichen
Lücken mit Bindegewebe und Fettzellen ausgefüllt sind. So ist es
z, B. beim Hecht. Bei Cyclopterus lumpus und Chironectes spec,
fand Goette zwischen den sekundären Knochenleisten eine knorpel-
artige Bindesubstanz und bei Monacanthus penicilligerus sogar richtigen
Hyalinknorpel, dessen Herkunft bis jetzt noch zweifelhaft ist.
Durch diese Verdickung der Knochensubstanz des primären
Wirbelkörpers werden nun die Bogenbasen aber immer mehr in ihn
hineingezogen, so daß der fertige Wirbelkörper nicht mehr allein aus
der perichordaleu Knochenmasse besteht, sondern ansehnliche Teile
der Bögen umschließt (sekundärer Wirbelkörper Goette's). Bis-
weilen bleiben bei diesem Vorgang die Bogenbasen knorpelig und
472 H. Schauinsland,
stellen dann auf dem Querschnitt innerhalb der sie umgebenden
schwammigen Knochenmasse ein Knorpelkreuz dar (Esox). Meistens
jedoch wird dabei der Bogenbasenknorpel teilweise oder völlig rück-
gebildet. In der Knochenlamelle nämlich, welche die mediane Seite
der knorpeligen Wirbelbogenbasen von vornherein nur in dünner Lage
bedeckt, tritt an dieser Stelle eine Oeffnung auf, an deren Entstehung
sich wahrscheinlich Blutgefäße beteiligen (Fig. 265 g'). Von hier aus
wird dann der Knorpel, ohne daß er vorher verkalkt ist, aufgelöst,
und an seiner Stelle beginnt mit Hilfe eingewanderter und als Osteo-
blasten funktionierender Bindegewebszellen eine Ablagerung neuer
Knochensubstanz in Gestalt von unregelmäßigen Balken und Leisten
mit dazwischen liegenden Markräumen. Ist dieser Prozeß vollständig
beendet, so besteht der gesamte Wirbelkörper durchweg aus
Knochen.
Die Teleostier bieten auch in ihrer Wirbelsäule ein gutes Beispiel
dafür, daß es nicht möglich ist, immer in bestimmter Weise einen
Unterschied zu machen zwischen „knorpelig präformierten" (primor-
dialen) Knochen und „Bindegewebsknochen". So w^erden unter anderem die
Knochenleisten, welche an der ventralen Seite des Wirbelkörpers die
Aorta umfassen (Fig. 263), ursprünglich wohl niemals mehr als Knorpel
angelegt, und doch entsprechen sie sicherlich jenen abgesonderten
Teilen der unteren Bögen, den ,,Hämalfortsätzen", die noch bei Amia
völlig knorpelig waren und es auch dauernd blieben (cf. Fig. 238,2.39 ).
Mit anderen Knochenpartieen verhält es sich ebenso ; Teile der Bögen,
Rippen etc., die bei Ganoiden, ja bei einigen Teleostiern selbst noch
knorpelig sind, treten bei anderen von Anbeginn nur als Knochen auf.
Sehr wahrscheinlich ist das auch bei jenen Knochenfortsätzen der Fall,
die durch ihre Lage sich als Homologa der ,, kranialen" Bögen (Inter-
kalarien) der Ganoiden, im besonderen von Amia dokumentieren. Somit
besitzt also auch die Wirbelsäule der Teleostier sicherlich Skelett-
stücke, die nur phylogenetisch knorpelig präforiniert sind (Gaupp),
ontogenetisch aber direkte Verknöcherungen von Bindegewebszügen
darstellen. Hieraus erklären sich übrigens wohl auch die nicht zu
verkennenden Uebereinstimmungen, die sich bei der ersten Genese des
Knorpels und des Bindegewebsknochens bemerkbar machen, auf die
z. ß. bei der Skelettentwickelung von Sphenodon (Schauinsland 1900)
hingewiesen wurde.
Was die Verbindung der einzelnen W i r b e 1 k ö r p e r
untereinander betrifft, so fehlen echte intervertebrale Artiku-
lationen den Teleostiern in der Regel gänzlich ; ihre gegenseitige Ver-
einigung wird nur durch Bänder hergestellt. Hierbei spielt nun die
Chordascheide dauernd eine sehr bedeutende Rolle. Wir sahen bereits
früher, daß dieselbe intervertebral einen sehr starken Weilst bildet, an
dem sich nicht nur die Faserscheide, sondern auch die elastische Scheide
beteiligt (Fig. 259). Seit Kölliker (LS64/65) bezeichnet man den bei
erwachsenen Tieren daraus hervorgehenden Bandapparat als inneres
Z wischen wirbelband oder Ligamentum intervertebrale internum.
Peripher davon kommt noch ein äußeres Ligament hinzu;
dieses wird zunächst zusammengesetzt von dem äußeren Periost,
welches sich embryonal an dieser Stelle durch die außerordentlich
üppige Entwickelung der osteoblastischen Zellen auszeichnet (vergl.
Fig. 259 npi), sowie von faserigem Bindegewebe, das ihm von außen
anliegt. Letzteres findet sich auch sonst in der Umgebung des Wir-
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 473
bels, ist aber intervertebral stark verdichtet und wurde dort von
KÖLLiKEK als Ligamentum intervertebrale externum be-
zeichnet. — Außerdem beteiligt sich an ihm aber auch das sog.
innere Periost, jene stets zellenfreie Fasermasse (v. Ebner) an
der inneren Fläche der Wirbelfacetten, das nach der Spitze des Wirbel-
trichters hin immer dünner wird, bis es sich dort endlich ganz ver-
liert. Zwischen den Wirbelenden, unmittelbar medial von der oben
erwähnten Osteoblastenschicht, nimmt es jedoch eine beträchtliche
Dicke an. v. Ebner nennt es inneres Periostband (Ligamen-
tum periostale internum).
Die Angabe Ussow's bei Gasterosteus, daß beim Beginn der
Wirbelkörperanlage eine Abscheidung von Knochensubstanz auch an
den zwischen den Wirbeln gelegenen Partieen stattfindet, daß also
Fig. 26t).
ob
Fig. 267.
isg oh
l g : oö/j rrl
üb spn
Fig. 266. Zwei Rumpfwirbel vom
Dorsch (Gadus morrhua). Vergr. 1,8-
mal, ob, üb obere und untere Bögen.
o6j, MÖi obere und untere knöcherne,
bogenartige Auswüchse (nicht knorpelig
präformiert), isg intersegmentales Blut-
gefäß, spn Spinalnerv, g spinales Gan-
glion.
Fig. 267. Zwei Wirbel aus der vorderen Schwanzgegend eines 19 cm langen
Thynnus thynnus. Vergr. 4 mal. ob oberer Bogen, obf knöcherne Fortsätze der
oberen Bögen, eine gelenkartige Verbindung zwischen den benachbarten Wirbeln
herstellend, uh und ub^ vordere und hintere untere (knöcherne) Bögen, deren distales
— den Kaudalkanal einschließendes — Ende (r) sehr wahrscheinlich den abgegliederten
Rippen in der Rumpfregion homolog ist. isg Intersegmentalgefäß, der kranialen
Seite des oberen Bogens anliegend, spn Spinalnerv, rd Ramus dorsalis desselben.
fspn Oeffnung im knöchernen Bogen für den Durchtritt der Spinalnerven wurzeln.
g Spinalganglion.
anfangs ein einheitlicher Knochenbelag der
gesamten
Wirbelsäule
vorhanden ist, und erst später durch Schwund der intervertebralen
Knochenlamellen eine Gliederung in die einzelnen Wirbelkörper er-
folge, ist nicht sehr wahrscheinlich und verlangt jedenfalls eine Nach-
prüfung. Andere Autoren haben niemals etwas derartiges erwähnt,
sondern stets die von vornherein gesonderte metamere Anlage des
Wirbelkörperknochens betont.
474 H. Schauinsland,
Auch bei den Teleostiern kommt es ebenso wie bei anderen Ich-
thyopsiden zur nachträglichen Assimilierung der vordersten Wirbel an
die Occipitalregion (cf. Gegenbaur 1887).
Bei einigen Familien (Cyprinoiden, Siluroiden, Gymnotiden etc.)
erlangen die vier ersten Wirbel Beziehungen zum Gehörorgan und der
Schwimmblase, indem Teile von ihnen, im besonderen der Bögen,
sich zu einer Reihe schallleitender Knöchelchen (WEBER'scher Apparat)
umbilden.
Hingewiesen muß auch auf die Veränderungen werden, welche am
äußersten Schwanzende bei der Entstehung der heterocerken
(bezw. homocerken) Schwanzflosse aus der ursprünglichen diphy-
cerken Form stattfinden, wobei die letzten Wirbelkörper und das sie
terminal beschließende stabförmige Skelettstück (Uro styl) sich dor-
salwärts emporheben, und die unteren Bögen, die an dieser Stelle als
Flossenträger funktionieren, teils Reduktionen, teils Umwandlungen
in große „hypurale Knochenstücke (Fig. 270) erfahren (cf.
KÖLLiKER 1860, Th. Lotz 1864, A. Agassiz).
Wenden wir uns den spinalen Nerven zu, so finden wir, daß
beim Austritt derselben vielfache Modifikationen vorkommen können.
Von diesen mögen als die hauptsächlichsten erwähnt werden, daß die
Wurzeln entweder kaudal von den oberen Bögen nur durch Binde-
gewebe hindurchtreten (Fig. 261, 266) oder den Bogenknochen selbst
durchbohren (Fig. 267, 268), und zwar in einem für beide Wurzeln
gemeinsamen oder auch getrennten Forameu. Es kann aber auch nur
allem die ventrale Wurzel den Knochen durchsetzen, während die
dorsale sich bereits in dem, zwischen den Bögen vorhandenen Binde-
gewebe findet.
Wenn, wie auch in dem zuletzt erwähnten Fall, die sensible
Nervenwurzel bisweilen nicht nur dorsal, sondern auch noch etwas
kaudal von der motorischen liegt, so ist darin noch die letzte An-
deutung des, bei den niederen Fischen üblichen Verhaltens zu sehen.
Im allgemeinen kann man aber wohl mit Recht sagen, daß, trotzdem
die Vereinigung der beiden Wurzeln noch außerhalb der Wirbelsäule
erfolgt, dennoch der in der Reihe der Ichthyopsiden sich allmählich
vollziehende Entwickelungsprozeß eines gemischten Spinalnerven
aus zwei ursprünglich gänzlich in ihrer Lage voneinander getrennten
und in ihrer physiologischen Bedeutung verschiedenen Nerven bei den
Teleostiern im großen und ganzen beendet ist.
Das inter segmentale Blutgefäß (Schauinsland) befindet
sich unmittelbar kranial von dem Austritt der Nervenwurzeln bezw.
des aus ihrer Vereinigung entstandenen spinalen Ganglions, und folgt
in seinem Verlauf meistens der Ansatzstelle des Myoseptums an der
Wirbelsäule. Es überschreitet den Wirbelkörper mehr oder weniger
genau in seiner Mitte, und in den Fällen, in welchen bei Embryonen
die Basis der Bögen zu einer länglichen Knorpelplatte verbreitert ist,
geht es über diese derart hinüber, daß ein größerer Abschnitt der-
selben noch kaudal von ihm gelegen ist (Fig. 261). Ist jene Platte
in ein kraniales und ein kaudales Stück getrennt, was, wie wir
oben sahen, bisweilen vorkommen kann, so befindet es sich meistens
zwischen diesen beiden Teilen (Schauinsland; Fig. 262). Ebenso
grenzt es, wenn an dem Wirbel knöcherne Skelettstücke vorkommen,
die man ihrer Lage nach für zweite (der kranialen Skierotomhälfte
entstammende), aber nicht mehr knorpelig präformierte Bogen ansehen
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 475
kann, diese von den Hauptbögen des Wirbels ab (Fig. 266, 268 e). In
Bezug auf die letzteren verlaufen die Gefäße meistens kaudal und in
der Kegel ihrem hinteren Rande dicht anliegend (Fig. 261, 262,
266, 268). Bisweilen finden sie sich aber auch an der kranialen
Seite derselben, Avenigstens in ihren distalen Partieen, so z. B. bei
Thynnus thynnus (P'ig. 267), Lucioperca sandra, Perca fluviatilis,
Pleuronectes platessa, Trachinus draco etc. (Schauinsland). Auf Grund
aller dieser Thatsachen und namentlich auch nach einem Vergleich mit
den Verhältnissen bei Amia wird man berechtigt sein, den kranial
von den Blutgefäßen gelegenen Teil des Wirbels, zu dem fast immer
auch die oberen und unteren Bögen gehören, dem kaudalen Ab-
schnitt eines ursprünglichen Skierotoms gleichzusetzen und die kau-
dale Wirbelhälfte der kranialen Skierotompartie. Ein Teleostier-
wirbel würde demnach aus je einer Hälfte zweier verschiedener
Ursegmente entstanden sein und jenen in Fig. 247 (mittlerer Wirbel)
abgebildeten Amiawirbel verglichen werden müssen, der aus einem
kaudalen und kranialen Wirbel verschmolzen ist (Schauinsland). Den
rudimentären Bögen des kranialen Amiawirbels {ob^ und wöj ent-
sprechen dann die kaudalen Partieen der knorpeligen Bogenbasen der
Teleostier (Fig. 261, 262) oder die sie ersetzenden, nicht mehr knor-
pelig vorgebildeten Knochenstücke, die oft eine beträchtliche Größe er-
erreichen (Fig. 266—268).
In dieser Hinsicht ist namentlich die Wirbelsäule von Fistularia
depressa bemerkenswert (Schauinsland 1900), die man bis jetzt
allerdings leider nur im erwachsenen Zustand kennt. Trotzdem ist es
auch in diesem späten Stadium noch möglich, ziemlich sichere Rück-
schlüsse auf ihre ursprünglichen Entwickelungsverhältnisse zu machen.
Alles deutet darauf hin, daß der definitive Wirbel sich aus je einer
Hälfte zweier verschiedener Skierotome gebildet hat, so daß sein
vorderer Abschnitt dem kaudalen, sein hinterer dem kranialen Sklero-
tomabschnitt entspricht (Fig. 268 a — e).
Fast genau in der Mitte des Wirbels treten die Wurzeln des
Spinalnerven zu Tage; dicht daran verläuft das segmentale Blutgefäß,
und täuschen diese Kriterien nicht völlig, so hat man an dieser Stelle
die Grenzen zweier ursprünglicher Ursegmente zu suchen. Auf diese
Zweiteilung des Wirbels deuten auch die doppelten Bögen hin. Die
oberen Bögen sind stets in zweifacher Anzahl vorhanden, und aus
ihren verschiedenen Größenverhältnissen in den einzelnen Körper-
regionen kann man auch den verschiedenen Anteil der ehemaligen
kaudalen und kranialen Skierotomabschnitte an dem Aufbau dieser
Wirbelteile entnehmen.
Abgesehen von den auf den Schädel folgenden, miteinander ver-
schmolzenen Wirbeln, übertreffen bei den ersten freien Wirbeln die
vorderen oberen Bögen etwas die hinteren an Größe (Fig. 268a);
bis zum 20. sind sie ungefähr gleich groß (Fig. 268 b), dann aber
überwiegt der hintere immer mehr und mehr (Fig. 268c). bis er
vom 50. Wirbel an fast nur noch allein ausgebildet wird (Fig. 268 d).
Auch doppelte untere Bögen (Basalstümpfe) sind vorhanden,
von denen die vorderen die hinteren allerdings stets an Größe über-
treffen.
Was jene Fälle anbelangt, in denen, wie oben bereits erwähnt,
das Blutgefäß an der kranialen Seite der oberen Bögen verläuft
(Fig. 267), so muß es für diese zunächst unentschieden bleiben, ob
476
H. Schauinsland,
h
fspn
~~-~^
b
ob.
ob—T-\
V>
?
/^/^;^j
üb —
üb.
isg rd^ rd rd^
fspn—^^j
spn
Fig. 268 a-e. Fig. 2ü8a— d Wirbel aus
verschiedenen Körperregionen eines alten Exem-
plares von Fistularia depressa. 1,8 mal vergr.
Fig. 268a stellt den 6. und 7. der auf die
ersten miteinander verwachsenen folgenden
freien Wirbel dar, Fig. 268b den 19. und 20.,
Fig. 268c den 32. und 33., Fig. 268d den 51.
bis 55. (Anfang des Schwanzes). Fig. 268 e
zeigt bei etwas stärkerer Vergrößerung an dem
-) in Umrißzeichnung wiedergegebenen 19. und
20. Wirbel den Verlauf von Gefäßen und
Nerven, ob, ob^ vorderer und hinterer oberer
— m6, wfe, vorderer und hinterer unterer Bogen.
Man achte auf die verschiedene Größe der-
selben in den verschiedenen Körperregionen,
r derjenige distale Teil der unteren Schwanz-
bögen (Hämall)ögen ; Fig. 268 d), der offenbar
einer Rippe homolog ist, die mit jener der
anderen Seite zur Bildung des Kaudalkanales
verschmolzen ist. ßjm P'oraraen zum. Durch-
tritt der Wurzeln der spinalen Nerven, b
oberes, verknöchertes Längsband, isg inter-
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 477
segmentales Blutgefäß, spri Spinalnerv, fspn Foramen, durch das derselbe aus dem
Wirbel austritt, g Ganglion, rd und rd^ zwei dorsale Aeste des Spinalnerven, von
denen der letztere sich zum nächstfolgenden kaudalen Wirbel wendet und nach
Ueberschreitung des zu diesem gehörigen intersegmentalen Gefäßes dicht neben dem
ersten Eamus dorsalis verläuft.
der obere Bogen dort wirklich zum kranialen Sklerotomabschnitt ge-
hört, oder ob eine Verschiebung des Gefäßes stattgefunden hat.
Es soll im übrigen durchaus nicht behauptet werden, daß die
Wirbelbildung bei allen Teleostiern immer in der gleichen Weise
durch eine Verschmelzung zweier benachbarter, zu verschiedenen Ur-
segmenten gehörigen Skierotomhälften entstanden sei. Im Gegenteil,
es läßt sich wohl annehmen, daß ebenso wie bei Aniia auch andere
Kombinationen dabei stattgefunden haben. So ist z. B. bei den For-
men, bei welchen an den Rumpfwirbeln die Knochenplatten der oberen
Bögen gesondert von denen der Wirbelkörpel angelegt werden, so
daß auch später dauernd eine trennende Knorpelnaht zwischen Bogen
und Körper sich befindet, an die Möglichkeit zu denken, daß auch bei
ihnen diese Wirbel ebenso entstehen wie die Rumpfwirbel von Amia
(Fig. 250), d. h. aus den beiden Hälften ein und desselben Skle-
rotoms, unter Reduktion des kaudalen Abschnittes, wobei der kau-
dale Bogen gezwungen wird, auf den kranialen teilweise heraufzu-
rücken, von ihm aber auch stets durch eine Naht getrennt bleibt.
Endlich ist noch darauf hinzuweisen, daß sich im Schwanz mancher
Teleostier Wirbel finden, mit völlig gleichmäßig ausgebildeten
doppelten oberen (Fig. 269) oder auch oberen und unteren Bögen
Fig. 269.
Fig. 270.
Fig. 269. Einer der letzten Schwanzwirbel von Barbus fluviatilis (1,6 mal ver-
größert), nach LoTZ; man beachte die oberen doppelten Bögen.
Fig. 270. Das Ende der Schwanzwirbelsäule eines jungen Dorsches (Gadus
morrhua), etwa 3,3 mal vergrößert. Die distalen Enden der oberen Bögen sind fast
alle doppelt, und bei einigen der unteren Bögen ist dasselbe der P'all. Der mit *
versehene Wirbel hat sowohl obere als auch untere, bis an die Basis geteilte Bögen,
in denen sich noch Knorpel nachweisen ließ. Juj die zu breiten Knochenplatten
(hypurale Knochen) verbreiterten unteren Bögen der letzten Wirbel.
478 H. Schauinsland,
(z. B. beim Dorsch Fig. 270), deren knorpelige Anlage sich bisweilen
sogar noch nachweisen läßt. Diese Wirbel lassen sich entweder so
deuten, daß sie auch nur zwei Sklerotonihälften entsprechen, wobei
aber die zu j eder Hälfte gehörigen Bögen sich ausnahmsweise gleich-
mäßig ausgebildet haben, oder daß sie, was wahrscheinlicher ist, aus
der nachträglichen Verschmelzung zweier vollständiger
Wirbel entstanden, also mindestens drei, vielleicht auch vier Sklerotoni-
hälften gleichwertig sind. Es läge in diesen Fällen also wirkliche
(sekundäre) Diplospondylie vor (Schauinsland).
Rippen und untere Sehwanzbögen. Bei den Teleostiern
kommen zunächst Rippen vor, die sich in nichts von den Ripi)en
der Knorpelganoiden unterscheiden. Sie sind also Teile der unteren
Bögen. Diese zerfallen in einen proximalen , mehr oder weniger
langen, an der Basis meist verbreiterten Abschnitt, den Basalstumpf
(Parapophysis Gegenbaur, Querfortsatz) und einen langen distalen,
in dem Transversalseptum liegenden Teil, die eigenliche Rippe. In
Bezug auf die Muskulatur sind sie als untere Rippen anzusprechen
(man vergleiche das bei den Elasmobranchiern darüber Mitgeteilte)
und stimmen auch darin mit den unteren Rippen der Ganoiden und
Dipneusten überein.
Außer diesen echten wahren Fischrippen oder Ple ural-
bögen (Goette) finden sich aber gleichzeitig damit auch bei den
Knochenfischen, wenn auch nicht regelmäßig, Andeutungen von
oberen Rippen, die wie bei den Selachiern und Knochenganoiden
der dorsalen Seite des horizontalen Septums angelagert sind, im
übrigen aber ebenfalls im transversalen Septum verlaufen. Es sind
Knorpelstücke — zuerst von Bruch (1862) als Cartilagines intermus-
culares beschrieben — die mit den basalen Teilen der unteren Bögen
ebenfalls zusammenhängen, wenn auch nur durch Bindegewebe. Bis
jetzt ist ihr Vorkommen vornehmlich bei den Salmoniden und Clupeiden
nachgewiesen, und zwar nicht nur im Bereiche des Rumpfes, sondern
auch im Anfangsteil des Schwanzes.
Diesen unteren und oberen Rippen, in denen fast stets noch
Knorpel nachzuweisen ist, die also bestimmt dem primordialen Skelett
angehören, stellt man in der Regel die „Fleisch gräten" gegenüber,
welche ebenfalls im transversalen Septum verlaufen, aber gleich von
der ersten Anlage an knöchern sind und daher seit Johannes Müller
als Sehnenverknöcherungen angesehen werden.
Nach ihrer Lage zur Muskulatur lassen sich drei verschiedene
Arten dieser Gräten unterscheiden. Die ersten, die „schiefen Rücken-
gräten", durchsetzen schräg den dorsalen Teil der Seitenmuskulatur
und liegen also oberhalb des horizontalen Septums ; die anderen, die
„schiefen Bauchgräten", ziehen unterhalb von diesem durch die ventrale
Seitenmuskulatur, und endlich sind die „Sei ten gräten" der Dorsal-
seite des Horizontalseptums angefügt.
Letztere sind damit gleichzeitig den dorsalen Transversalsepten
eingelagert, d. h. sie liegen ebenso wie die oberen Rippen, die sie
auch funktionell vertreten. Da sie aber, wie oben erwähnt, von An-
fang an rein knöchern sind und auch da, wo sie mit Resten knorpeliger
oberer Rippen zusammentreffen, selbständig bleiben, trennt man sie
bis jetzt immer noch scharf von jenen. Beide Skelettteile stehen nach
dieser Ansicht gewissermaßen in Konkurrenz miteinander, so daß das
Die
Entwickelung der Wirbelsäule nebst ßippen und Brustbein.
479
Auftreten der Seitengräten die knorpeligen oberen Rippen zum
Schwunde bringt (Göppert 1895).
Ob diese Annahme (gegen die sich namentlich Eimer [1901] er-
klärt) sich dauernd wird aufrecht erhalten lassen, ist eine Frage der
Zukunft. Eine Schwierigkeit bereitet jetzt schon die Seiten gräte von
Monacanthus, in der Knorpel nachweisbar ist; man sah sich daher
gezwungen (Goette 1879, Göppert 1895), sie nicht den Seitengräten
der übrigen Fische gleichzustellen, sondern sie oberen Rippen zu
homologisieren. (Untere, abgegliederte Rippen fehlen übrigens Mon-
acanthus.)
a b
chs
chs
nb-
üb
/"'
,r
Fig. 271a und b. Die Rippenaulage bei zwei unteren Bögen aus der hinteren
Rumpfregion von 2 — 3 cm langen Lachsen (Saimo salar) nach Goette. Die unteren
Bögen sind ganz im Profil gesehen. Fig. 271a. chs Chordascheide, uh Basis des
unteren Bogens (Basalstumpf). >■ Rippenanlage, ganz knorpelig und im Zusammen-
hang mit der Bogenbasis. Fig. 271b Anlage einer der letzten Rippen des Rumpfes.
r Rippen in „weicher" Anlage, mit der Bogenbasis nur durch einen Bindegewebs-
strang (/) verbunden. Man beachte auch die starke kaudale Ausbreitung des unteren
Bogens, über die das Gefäß (g) hinüberzieht.
Fig. 272. Querschnitt
durch die Rippenanlage eines
24 mm langen Salmo fario.
Vergr. 232 mal. Nach Göp-
pert. üb Basis des unteren
Bogens (Basalstumpf). /• di-
stales Ende des unteren Bogens
— Rippe. Der einheitliche
Zusammenhang des Basal-
stumpfes mit der Rippe ist
ersichtlich. Die spätere Ab-
gliederungsstelle (a) markiert
sich nur durch geringere Ent-
wickelung der Knorpelgrund-
substanz, k Knochenbelag der
Rippe, ch Chorda, ep Chorda-
epithel, fs Faserschicht der
Chordascheide, es elastische
Scheide, ao Aorta.
In den Angaben über die Entwickelung der Rippen folgen
wir den Untersuchungen Göppert's (1895), dem wir die Hauptarbeit
über diesen Gegenstand verdanken. Bei Lachsembryonen (Salmo salarj
von etwa 50 Tagen besteht die Anlage der unteren Rippe aus einem
dünnen Zellenstrang, der den medialen Rand des transversalen Myo-
septuras einnimmt und kontinuierlich in die Basis des unteren
Bogens — den Basalstumpf — übergeht. Bei 55-tägigen Embryonen
erscheinen die Zellstränge zwar umfangreicher, aber hyaline Grund-
480
H. Schauinsland,
Substanz fehlt ihnen noch gänzlich, während sie bei den Basalstümpfen
schon in reichlicher Menge vorhanden ist.
Dieses Entwickelungsstadium kannte übrigens auch schon Goette
(1879), der die erste Anlage der unteren Rippen auch als einen dichten
zellenreichen Gewebsstraug beschreibt, welcher, vom Ende der knorpe-
ligen Bogenbasis ausgehend, schräg rückwärts und abwärts zieht (Fig. 271).
In dem nächst älteren Stadium — bei Salmo fario von 1,5 cm
Länge beobachtet — ist in der mit dem Basalstumpf ebenfalls ohne
Unterbrechung zusammenhängenden Rippenanlage bereits hyaline Grund-
substanz aufgetreten, aber nicht in direkter Fortsetzung des Knorpels
der Bogenbasis. Von diesem ist der betreffende Teil der Rippenanlage
vielmehr getrennt durch einen schmalen Bezirk ohne hyaline Inter-
cellularmasse, der also noch dieselbe Beschaffenheit aufweist, in der
— itb
üb
vb
Fig. 273 a — e. Fünf von vorne nach hinten aufeinander folgende Wirbel von
Gadus aeglefinus bei 1,6-maliger "Vergrößerung. Die Wirbel sind so gezeichnet, daß
man genau von der kaudalen Seite auf sie heraufsieht. Fig. 273 a ist der letzte
Rumpfwirbel. Fig. 273b — e sind die ersten Schwanzwirbel, oh oberer Bogen, uh
unterer Bogen (Basalstumpf). ;- Rippen — in Fig. 273 a und hier auch vom Basal-
stumpf abgetrennt — oder die ihnen wahrscheinlich entsprechenden Stücke in den
geschlossenen Hämalbögen des Schwanzes.
sich die Anlage im vorhergehenden Stadium befand. Diese schmale
Zone entspricht der späteren Abgliederungsstelle der Rippe von dem
Basalstumpf.
In durchweg hyalinknorpeligem Zustand trifft man die gesamte
Basalstumpf-Rippenanlage bei Forellen von 2,4 cm Länge (Fig. 272).
Auch im Bereich der späteren Grenze zwischen Rippe und Basal-
stumpf findet sich im Gegensatz zu früher nunmelir hyaline Grund-
substanz, die dorsal in die der Bogenbasis, ventral in die der Rippe
übergeht. Letztere besteht in ihrem größten Teil aus einer einfachen
Reihe von Knorpelzellen und wird bereits von einer dünnen Knochen-
lamelle ebenso wie der Basalstumpf überzogen ; letztere fehlt jedoch an
der Stelle der späteren Abgliederungszone. Im Vergleich zu ihrem
ersten Auftreten hat sie bedeutend an Länge zugenommen und um-
faßt einen großen Teil der Leibeshöhle (Fig. 261).
An den am hintersten Ende des Rumpfes gelegenen unteren Rip-
pen, die rudimentär erscheinen, besteht die Abweichung, daß sie nicht
Die Entwickelung der Wirbelsäiile nebst Rippen und Brustbein. 481
unmittelbar, sondern nur durch Bindegewebe mit den zugehörigen, zur
Umschheßung der Kaudalgefäße verlängerten Basalsttimpfen in Ver-
bindung stehen. Goette konnte jedoch nachweisen, daß auch hier
ursprünglich diese beiden Bogenelemente zusammenhängen, daß
sich aber das zwischen ihnen befindliche weiche Gewebe der ersten
Anlage früh in „Bandmasse" umwandelt.
Der erste Beginn einer wirklichen Trennung zwischen Basal-
stumpf und Rippe findet sich bei 5 cm langen Forellen. Der an der
künftigen Abtrennungsstelle befindliche und mit den beiden später ge-
sonderten Stücken immer noch in kontinuierlichem Zusammenhang
stehende Knorpel trübt sich, die ihm benachbarten Zellen flachen sich
ab, und von der Peripherie her dringt in diese Region Knochengewebe
ein, so daß schließlich eine knöcherne Lamelle zwischen Trennungs-
zone und Basalstumpf einerseits, dieser und Rippe andererseits sich
befindet. Endlich bildet sich der dazwischen liegende Knorpel durch
faserigen Zerfall seiner Intercellularsubstanz zu Fibrillen um, und von
nun an sind Rippe und Basis des unteren Bogens nur noch ver-
mittelst eines Ligamentes miteinander verbunden.
Die auf die oben mitgeteilten Thatsachen sich stützende Behauptung
Göppert's, daß untere Rippen und die Basen der unteren Bögen ur-
sprünglich eine Einheit bilden, und daß auch phylogenetisch die Rippen
wahrscheinlich als Auswüchse der Basalstümpfe entstanden sind, stimmt
zum größten Teil überein mit dem bereits vor ihm von August Müller
(1853) und Goette (1879) hierüber ausgesprochenen Ansichten. Auch
Scheel (1893) und Ussow (1902) bestätigen sie, während Grassi (1883)
einen solchen Zusammenhang leugnet. Von letzterem xlutor ist noch
die Beobachtung erwähnenswert, daß die knorpelige Anlage der
Teleostierrippe bisweilen unterbrochen ist, so daß die Rippe aus
mehreren diskreten Knorpelstücken besteht, die erst durch die sie
alle gleichmäßig umschließende Knochenlamelle zu einem Ganzen
vereinigt werden. Auf dieselbe Erscheinung wurde bereits bei den
Elasmobranchiern (Fig. 217, 218) hingewiesen. Auch an oberen und
unteren Schwanzbögen kann ein ähnliches Vorkommen hin und wieder
beobachtet werden (Fig. 262; Schauinsland).
Was die Entwickelung der oberen Rippe der Knochenfische
anbelangt, so verhält sich ihre erste Anlage bei der Forelle ganz
ebenso wie die der unteren Rippe. Sie unterscheidet sich von ihr
nur dadurch, daß sie mit dem Basalstumpf nicht direkt, sondern
nur durch ein Ligament in Verbindung steht, das aber genau die gleiche
Lage hat wie die Rippe selbst, d. h. also im ventralen Rande des dor-
salen Transversalseptums. Die Anlage der Rippe ist übrigens größer
als ihr ausgebildeter Zustand; im Laufe der Ontogenese findet eine
Verkürzung statt, und dadurch, wie auch durch den Mangel einer
direkten Verbindung mit der Wirbelsäule stellt sich die obere Rippe
der Teleostier als eine rudimentäre Bildung dar (Göppert).
Ueberschauen wir das über die Rippen Mitgeteilte nochmals, so
dürfte es sich herausstellen, daß wir im Recht sind, sowohl untere
als auch obere Rippen als Fortsätze der Basen der unteren Bögen
anzusehen. Die Knorpelmasse der letzteren hat offenbar die Fähig-
keit nach verschiedenen Richtungen hin auszuv/achsen, ja sogar unter
Umständen in ventral-dorsaler Richtung hin in getrennte Teile zu
zerfallen (man vergleiche damit unter anderem die „Hämalfortsätze"
der Elasmobranchier und Ganoiden), wobei sie beeinflußt wird von
Handbuch der Entwickelungslehre. III. 2. 31
482 H. Schauinsland,
den Funktionen, die ihr durch die Stammesmuskulatur zugewiesen
sind. Verschiedenheiten in der Ausbildung und Anordnung der
letzteren werden es erklärlich machen, warum wir in dem einen Falle
untere und obere Rippen vorfinden, während in dem anderen die
eine oder die andere Kategorie derselben gänzlich vermißt oder nur
rudimentär angetroffen wird.
Gleichzeitig dürfte es sich daraus aber auch ergeben, daß untere
und obere Rippen nicht in zu schroffen Gegensatz zu einander gestellt
werden sollten. Finden wir doch in einzelnen Fällen (bei Gasterosteus
und Hippocampus nach Ussow 1900), daß die unteren Bögen in ihrem
Verlauf vom Schwänze nach dem Kopf hin, offenbar ebenfalls in Ab-
hängigkeit von der Muskulatur, dorsalwärts immer mehr, bis zu den
Basen der oberen Bögen, emporsteigen und damit sowohl zur Bildung
von unteren als auch von oberen Rippen Veranlassung geben können.
Endlich ist noch über einen Streitpunkt zu berichten, der bereits
seit langer Zeit zu vielen und lebhaften Auseinandersetzungen geführt
hat, dessen Erörterung allerdings hauptsächlich Aufgabe der vergleichen-
den Anatomie ist. Es handelt sich um das Verhältnis der Rippen
bezw. der Basalstümpfe zu den geschlossenen unteren Schwanz-
bögen (Hämalbögen). Mit Gegenbaur (1867, 1876) kann man an-
nehmen, daß in der Reihe der Fische eine Verkürzung im Bereich
der Leibeshöhle eingetreten ist, so daß infolgedessen Wirbel, welche
ursprünglich der Rumpfregion angehörten, zu Schwanzwirbeln wurden.
Hierbei mußten jedenfalls auch die an jenen Wirbeln sitzenden Rippen
beeinflußt werden. Bei den Ganoiden erwähnten wir bereits, daß sich
ihre unteren Rippen an der Grenze zwischen Rumpf und Schwanz
einfach zusammenschließen und auf diese Art die kaudalen Bögen
bilden. Bei den Dipneusten liegen die Verhältnisse ebenso, und
Balfour und Parker nehmen eine gleiche Entstehung der unteren
Schwanzbögen aus Rippen (und zwar oberen Rippen) auch für die
Selachier an, womit allerdings Goette nicht übereinstimmt.
Bei den Knochenfischen sollen nach Jon. Müller, Stannius,
Gegenbaur und Grassi dagegen die unteren Schwanzbögen nur
den Basen der unteren Rumpfbögen, den Basalstümpfen (Pleurapo-
physen) verglichen werden dürfen. Diese allein verlängerten sich und
schlössen sich zu den Hämalbögen zusammen ohne Beteiligung der
eigentlichen Rippen, (die bisweilen noch im Anfang des Schwanzes als
seitliche Anhänge solcher Bögen vorkommen). Ohne Zweifel findet
das auch wirklich in sehr vielen Fällen statt.
Andererseits wird diese Annahme aber heftig bestritten von Goette,
der die bereits von August Müller ausgesprochene Anschauung
vertritt, daß die ventralen Schwanzbögen den Basen der unteren
Rumpfbögen und den unteren Rippen gleich seien.
Bei einer ganzen Reihe von Fischen wird sicherlich auch keine
andere Erklärung wie die zuletzt erwähnte möglich sein z. B. bei
Hippocampus (Ussow), Fistularia etc. (Fig. 267, 268, 273), und wir
kommen daher (mit Ussow) zu dem Schluß, daß beide Parteien im
Recht sind, und daß sich bei den Knochenfischen Belege für jede der
beiden Meinungen finden lassen, was eigentlich selbstverständlich ist,
wenn man, abgesehen von der vorhandenen oder fehlenden Abglie-
derung, an der Identität zwischen unteren Bögen und Rippen festhält.
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 483
Dipneusten.
Wichtigste Litteratur : Gegenbaur 1867 ; Eetzius 1881 ; Hasse 1883 und 1892 ;
LwoFF 1887 ; Klaatsch 1893 ; Gadow und Abbott 1895, sowie die monograpliischen
Bearbeitungen der einzelnen Dipneusten.
Durch die Arbeiten von Owen, Hyrtl, Peters, Gegenbaur,
Günther, Wiedersheim n. A. wissen wir, daß die Wirbelsäule der
erwachsenen Dipneusten aus oberen und unteren Bögen besteht, die
der dicken, teils faserigen, teils knorpelartigen Scheide der dauernd
persistierenden Chorda mit breiter Basis aufsitzen upd sich nicht init-
^
•J V .X.
dw
--üb
Fig. 274 a und b. Zwei Querschnitte durch
einen 60 Tage alten, etwa 14mm langen Gera-
te d u s bei 76-maIiger Vergr. Fig. 274 a stellt
einen Schnitt unmittelbar hinter dem Schädel,
Fig. 274 b einen solchen durch den mittleren
Schwanz dar. es elastische Schicht — fs Faser-
schicht der Chordascheide, ob obere, üb untere
Bögen. Da die vordersten Wirbel später mit
dem Occipitalteil des Schädels verschmelzen, so
wird der untere Bogen der Fig. 274 a beim er-
wachsenen Tier eine der „Kopfrippen" bilden, ss
Septum sagittale. Der noch nicht verknorpelte
membranöse Teil der oberen und unteren Bögen
geht unmittelbar in dieses Septum über, b Binde-
gewebe der skeletoblastischen Schicht, das weder
durch Knorpel noch durch Knochen ersetzt wird
und dauernd als Teil der membranösen Wirbel-
säule obere und untere Bögen seitlich der Chorda-
scheide miteinander verbindet. R Rückenmark.
nl Seitennerv, m Muskeln, a Aorta, v Vene.
ep Epidermis, k Knochenscherbe auf dem unteren
Bogen (Fig. 274 a). nl Nervus lateralis, dw Gan-
glion der dorsalen Nervenwurzel.
SS
■ R
31*
484
H. Schauinsland,
einander zu einer die Chorda umgebenden Schicht vereinigen. Eine
Andeutung von gesonderten, einzelnen Wirbelkörpern ist nicht vor-
handen. Gegenbaur (1867) erkannte auch bereits sehr gut die auf-
fallende Aehnlichkeit, die hierin zwischen den Dipneusten und den
Chimären besteht, und unterschied an der Chordascheide richtig zu
äußerst eine elastische Membran, auf die medialwärts eine dicke
„faserknorpelige" Scheide folgt, der wiederum als innerster Abschnitt
eine feine, schwer von ihr trennbare elastische Membran
schlössen ist.
Die embryouale Entwickelung der Wirbelsäule und ihr Zustand
bei einigermaßen jungen Tieren ist bis jetzt noch nicht beobachtet
worden. Nur von Ceratodus wurden neuerdings (Schauinsland)
ange-
b-^z-
ob.
sz.-
ß
Fig. 275 a und b. Teile von Quer-
schnitten durch die Chordascheide und die
angrenzenden Gewebspartieen eines 60-
tägigen (Fig. 275 a) und eines 63 Tage alten
und etwa 15 mm langen Ceratodus (Fig.
275 b) bei 640-maliger (Fig. 275 a) und 270-
maliger (Fig. 275 b) Vergrößerung. Beide
Schnitte stammen aus dem vordersten,
dicht hinter dem Schädel befindlichen
Teil der Wirbelsäule. Fig. 275 a stellt
einen der Aorta benachbarten Chordaab-
schnitt und Fig. 275 b den unterhalb des
linken oberen Bogens befindlichen Teil der
Scheide dar, in welchen gerade die Ein-
wanderung von Zellen beginnt, v Vaku-
olen des Chordagewebes, ep die Kerne der
der Chordascheide von innen dicht anlie-
genden Eindenschicht der Chorda (Chorda- ca ß
epithel), b perichordales Bindegewebe, ob die Basis des linken oberen Knorpelbogens.
71 die Knorpelzellen bezw. die Kerne derselben, es elastische Scheide in Fig. 275 a
sehr dick, in Fig. 275b unterhalb des knorpeligen Bogens jedoch nur dünn, fs
Faserscheide; die konzentrische Streifung derselben ist in Wirklichkeit viel feiner.
sz eine Knorpelzelle des oberen Bogens, die im Begriffe ist, durch die elastische
Scheide hindurch auszuwandern und zur „Scheidenzelle" zu werden, sz^ bereits ein-
gewanderte Scheidenzellen ; sie liegen fast in der Mitte der Faserscheide innerhalb
eines äußerst feinen Spaltraumes, der jedoch nur dort deutlich ist, wo bereits Zellen
in der Scheide vorhanden sind, was hier erst unterhalb der oberen Bögen der Fall
war. Die Kerne der Zellen sind sehr plattgedrückt und von einer geringen Masse
Protoplasmas umgeben, das sich auch noch eine Strecke weit in den eben erwähnten
Spalt hinein erstreckt.
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen, und Brustbein. 485
14—15 mm lange und 60—63 Tage alte Exemplare daraufliin unter-
sucht. An den kleineren derselben war die Chordascheide noch zellen-
los (Fig. 274 und 275 a) und ließ die bekannte, äußere, dünne, elastische
und die innere, dicke, faserige Schicht unterscheiden, so daß man
diesen Zustand wohl als ihr Cyclostomenstadium bezeichnen kann.
An wenig älteren Exemplaren war gerade der Moment der Ein-
wanderung der Scheidenzellen durch die Elastica hindurch,
die unterhalb der Bögen sich durch ihre sehr geringe Dicke aus-
zeichnete, zu verfolgen, allerdings nur in den vordersten Rumpf-
segmenten, während in den dahinter gelegenen noch nichts davon zu
bemerken war. Der Vorgang selbst vollzieht sich auf ganz ähnliche
Weise wie bei den Holocephaleu oder Squahden. Die Kerne, umgeben
von einer sehr geringen Protoplasmamenge, dringen von der Basis
des knorpeligen Bogens aus in die Faserscheide bis etwa in ihre Mitte
ein ; dort liegen sie innerhalb eines feinsten Spaltraumes, wobei sie
eine dünne stabförmige Gestalt annehmen, während sich das Proto-
plasma an ihren beiden Enden ansammelt, so daß die ganze Zelle die
Form einer äußerst gestreckten Spindel erhält (Fig. 275 b). Die Menge
der anfangs nur in geringer Zahl vorhandenen Scheidenzellen nimmt
später beträchtlich zu, so daß sie dann in mehreren mehr oder
weniger konzentrisch angeordnete Reihen in der Faserscheide verteilt
sind (Fig. 276).
Daß eine Einwanderung von Knorpelzellen aus den Bögen statt-
findet, hatten übrigens bereits Lwoff (1887) und namentlich Klaatsch
(1893) aus dem Studium älterer Individuen von Protopterus und Cera-
todus richtig geschlossen. Ersterer nahm allerdings in Ueberein-
stimmung mit seinen sonstigen Anschauungen über die Entstehung
der Chordascheiden an, daß diese nicht von der Chorda, sondern
von dem perichordalen Gewebe geliefert werden, und daß namentlich
die Faserscheide mit ihren Fibrillen erst aus den durch die Elastica
eindringenden Zellen sich entwickele, was jedenfalls nicht den wirk-
lichen Verhältnissen entspricht.
Dasselbe ist auch von der ursprünglichen Meinung Hasse's (1883),
nach der die Zellen der Faserschicht in die Scheide eingewanderte
Chordaepithelzellen , und ein Teil ihrer Fibrillen radiale Fortsätze
eben dieser Zellen sein sollten, zu sagen. Kam er später (1893) dann
auch zur richtigen Erkenntnis von der Abstammung der Scheiden-
zellen, so gelang es ihm doch nicht, ein fehlerfreies Bild von der
Chordascheide zu entwerfen und eine richtige Bezeichnung und Ver-
gleichung derselben durchzuführen.
Gerade diese beiden letzten Punkte sind es ja überhaupt, die das
Studium und die Erörterung der Litteratur über die Chordascheiden
so außerordentlich erschweren, und es ohne eigene Anschauungen
fast unmöglich machen, sich eine klare Vorstellung aus dem Wirr-
warr der verschiedenen, sich widersprechenden Meinungen zu machen.
Eine nähere Erörterung mag aber auch hier unter Hinweis auf die
Originalarbeiten als zu weitführend unterbleiben.
Nachdem die Chordascheide zellhaltig geworden ist, ist sie völlig
vergleichbar der Scheide der Selachier, im besonderen aber der Holo-
cephaleu. Sie ähnelt der letzteren auch darin, daß die Zellen völlig
gleichmäßig verteilt sind, und daß man niemals vertebrale und inter-
vertebrale Partieen unterscheiden kann. Es kommt eben nicht zur
Bildung „chordaler'' Wirbelkörper wie bei den Squaliden, und
486
H. Schauinsland,
selbst solche Verkalkungen, wie sie die Chimären, oder Diflferenzierun-
gen in Außen- und Innenzone, wie sie in einfachster Form schon
Callorhynchus aufweist, kommen bei den Dipneusten nicht zur Be-
obachtung. Dagegen nimmt das Gewebe ihrer Chordascheide durchweg
den Charakter eines Faserknorpels an.
Die innerste, dem Chordaepithel dicht anliegende Partie der
Faserscheide (Fig. 276 /s,) bleibt dauernd zellenfrei und soll auch
elastische Fasern enthalten. Hasse (189.3) sieht in ihr eine be-
sondere, von der zellhaltigen Partie — seiner Intercuticularschicht
R
• Jia,lS ill
ob
h
-ep
—fs
— es
-ub
Fiff. 276. Querschnitt durch
den Schwanz eines IS^/o cm langen
Protopterus nach C. Hasse, es
elastische Chordascheide (Cuti-
cula sceleti Hasse), fs Faser-
schicht der Chordascheide, in
der sich in konzentrischen Reihen
angeordnet die Bcheidenzellen (ss,)
vorfinden (Intercuticularschicht
Hasse's), fs^ innerste, von Zellen
freie Zone der Faserscheide (Cu-
ticula chordae Hasse's). (Die
Föhrungslinie ist etwas zu lang
gezeichnet.) b perichordales Bin-
degewebe der skeletoblastischen
Schicht (skeletogene Scheide
Hasse's), ep „Chordaepithel".
ob obere, ub untere Bögen. E
Rückenmark.
'S ,-< &
m^
— durch einen feinen Grenzsaum getrennte Schicht und nennt sie
Cuticula chordae (= Elastica interna der Autoren). In Wirklichkeit
ist sie, wie gesagt, wohl nur ein etwas ditferenter Abschnitt der Faser-
scheide selbst und entspricht somit vollständig dem gleichen Gebilde
bei den Elasmobranchiern.
Eine Segmentierung des Achsen Skelettes wird vornehmlich durch
die Bogenbildungen hervorgerufen. Je ein oberer und unterer
Bogen stellen einen Wirbel dar, dessen Körper noch nicht zur Aus-
bildung gekommen ist.
Die oberen Bögen sitzen mit breiter Basis der Chordascheide
auf; von dieser erhebt sich dann eine ziemhch schmale Spange, die
sich mit einer ebensolchen von der anderen Seite vereinigt und so
ein Knorpeldach bildet, das nicht nur das Riickenmarkrohr, sondern
auch ein starkes elastisches Längsband umschließt.
die
die
Bögen in unpaare, lange, oftmals
gegliederte
Dorsal setzen sich
Dornfortsätze fort.
Schwanzgegend
völlig
vielfach als Flossenträger dienen.
Die unteren Bögen entsprechen in der
den oberen, auch sie vereinigen sich ventral und bilden ebenfalls einen
unpaaren, langen und oft in einzelne Teilstücke zerfallenden Processus
spinosus. In der Rumpfgegend divergieren sie, und ihre distalen Teile
funktionieren, ohne daß sie abgetrennt wären, als Rippen,
die wegen ihrer Lage zur Muskulatur als untere zu bezeichnen
sind. Gerade die Dipneusten zeigen es so recht, wie untere Bögen
und Rippen ein und dieselben, nicht voneinander trennbaren Gebilde
sind. Danach könnte man auch die Rippen einfach als untere Bögen
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 487
bezeichnen und umgekehrt die ventralen Schwanzbögen als zusammen-
gewachsene Rippen.
Obere und untere Bögen zeigen übrigens einen ziemlich starken
Knochen belag.
Wie wir es bei den Fischen, selbst schon bei den Cyclostomen, fast
durchgehend fanden, daß der vorderste, auf den Schädel unmittelbar
folgende Teil des Achsenskelettes Verstärkungen aufweist, begegnen
wir auch hier bei den Dipneusten ähnlichen Verhältnissen ; die ersten,
freien oberen und unteren Bögen umwachsen seitlich die Chordascheide
und lassen somit einen Wirbelkörper entstehen. Zwei oder drei
noch vor diesen liegende Bögen, welche noch bei jungen Individuen
(z. B. in den Exemplaren von Ceratodus, die die Abbildungen 275
und 276 lieferten) frei sind, verschmelzen übrigens später mit dem
Schädel, und die vorderste Rippe des Rumpfes erscheint dann als so-
genannte „Kopfrippe" dem Occipitalteil angefügt.
Auch bei den Dipneusten liegen Anzeichen vor von doppelten
Bogenbildungen in einem Segment, und wahrscheinlich würden diese
durch ein eingehenderes Studium zahlreicherer jüngerer Entwickelungs-
stadien noch vermehrt werden können. Bei Ceratodus kommen im
Schwänze regelmäßig, im Rumpf hier und da, kaudal von den gewöhn-
lichen Bögen kleinere Knorpelstücke (Intercalarien) vor, die wahr-
scheinlich als kraniale Bögen zu deuten sind, da sich die Myosepten
— beim jungen Ceratodus — an die kaudale Seite der Hauptbögen
ansetzen und die intersegmentalen Gefäße dicht dahinter verlaufen,
(so daß also die Hauptbögen als kaudale Skleromerenstücke anzu-
sehen sind). Bei Protopterus sind jene Intercalarien mit Ausnahme
des Schwanzes rudimentär und nur in Gestalt von stärkeren Zell-
anhäufungen innerhalb der skeletoblastischen Schicht, welche dieselbe
Lage haben wie der „intervertebrale" Knorpel bei Lepidosteus, vor-
handen (Gadow und Abbott).
Endlich ist noch die besondere Ausbildung der äußersten Schwanz-
wirbelsäule zu erwähnen (Klaatsch 1893). Bei Ceratodus bleibt
die Chorda in der Nähe der Schwanzspitze nicht einheitlich und löst
sich in zahlreiche einzelne Stränge auf. um schließlich völlig zu ver-
schwinden; statt der oberen und unteren Bögen findet sich dann
ein Knorpelstab, der in ziemlich regelmäßige, wirbelartige Segmente
zerfällt. Das sind offenbar sekundäre Veränderungen, die, wie wir
sahen, auch bei anderen Fischen an der Schwanzspitze älterer In-
dividuen, wenn auch in anderer Form, nicht selten vorkommen.
Amphibien.
Litteratur: Düges 1834; v. Kölliker 1859, 1872; Gegenbaur 1861, 1862,
1876; MiVART 1870; W. Müller 1871; Goette 1874, 1875, 1879; Cartier 1875;
Claus 1876; Fick 1879; Hasse und Born 1879; Fraisse 1880, 1882; Schweg-
MANN 1884; Knickmeyer 1891; Schmidt 1891; Hasse 1892, 1893; Adolphi 1893;
1898; Zykoff 1893; Göppert 1894, 1895, 1897, 1898; Field 1895; Stöhr 1895,
Peter 1895; Gadow 1896; v. Ebner 1896; Klaatsch 1897; Bergfeldt 1896 (97);
Eidewood 1897; Murray 1897; Davison 1898; Kapelkln 1900.
Trotz ihres unverkennbaren Fortschrittes zur höheren Entwicke-
lung zeigt die Wirbelsäule der Amphibien dennoch zahlreiche An-
knüpfungspunkte an niedere Formen. Vor allem ist das bei der
Chorda der Fall, die sowohl in Hinsicht auf den Aufbau ihrer
Substanz als auch auf ihre Hüllen mit den Fischen übereinstimmt
488
H. Schauinsland,
In der Auffassung des Differenzierungsvorganges der ursprünglichen,
soliden, dotterhaltigen Cliordazellen in die spätere netzförmige Anordnung
der Chordasubstanz stehen sich wiederum die Ansichten Goette's
und die fast aller übrigen Autoren, welch' letztere in den blasenartigen
Gebilden der ausgebildeten Chorda regelrechte Zellen erblicken wollen,
gegenüber. Goette nimmt an, daß sich die embryonalen Chordazellen
zunächst in kranial-kaudaler Richtung abflachen und hintereinander
Fig. 277.
Fig. 278.
seh
Fig. 277 und 278. Fig. 278 horizon-
taler Längsschnitt durch die Chorda einer
Rana silvatica, bei der das Medullar-
rohr sich soeben geschlossen hatte (nach
FiELD). Fig. 278 Querschnitt durch die im
Beginn der Vakuolisierung stehende Chorda
nebst Hypochorda von ßaua silvatica (nach
FiELD). V die sich bildenden Vakuolen der
Chorda, es elastische Scheide (Cuticula
chordae, Field). seh Sub- oder Hypo-
chorda; auch sie besitzt eine Scheide.
ziemlich gleichmäßig anordnen (Amphioxusstadium, Klaatsch), aber
nicht nur in einer Reihe, wie bei den Fischen, sondern in mehreren,
ineinander greifenden Lagen (Fig. 277). In dem Protoplasma der Zellen
treten darauf Lakuuen auf, und zwar wahrscheinlich mehrere in jeder
Zelle, die teilweise miteinander zusammenfließen und das Protoplasma
sowie die Kerne verdrängen und ganz unregelmäßig verteilen, so daß
schließlich nur noch unzusammenhängende Zellreste übrig bleiben.
Daß der Prozeß der Vakuolisation nicht so einfach ist und nicht
etwa nur in dem Aufblähen der einzelnen Zellen durch eine in ihnen
entstehende Vakuole sich vollzieht, ergiebt sich übrigens auch aus der
bestimmten Angabe Field's (1895), daß zwischen den Zellen eben-
falls Lakuuen zur Ausbildung kommen. Schon Dursy (1869) hatte
angenommen, daß bei den höheren Wirbeltieren die Vakuolenbildung
in der Chorda durch das Auftreten einer wasserhellen Flüssigkeit
zwischen den Zellen hervorgerufen werde.
Was die Chordascheiden anbelangt, so unterschied bereits
Gegenbaur (1862) ganz richtig eine doppelte Scheide, von denen die
innere fibrillär sei, die äußere aber eine elastische Haut darstelle, und
auch W. MÜLLER (1871), v. Kölliker (1872), Cartier (1875) u. A.
kamen zu dieser Auffassung. Eine Vergleichung mit den Fischen
konnte damals aber noch nicht gut durchgeführt werden, weil für diese
selbst noch keineswegs eine einheitliche und richtige Auffassung be-
stand. Die Schwierigkeiten mehrten sich noch, als Hasse (1892) irr-
tümlich den anfangs zellenlosen Knochenkegel an dem Wirbelkörper
der Urodelen für eine Chordascheide (Cuticula sceleti) hielt — wobei
er die wirkliche Elastica übersah — und infolge davon die Ansicht
aufstellte, daß die Urodelen mit den Selachiern übereinstimmten, weil
sie eine zellige, unterhalb der Cuticula sceleti gelegene Chordasciieide
(Intercuticularschicht) besäßen .
GoETTE (1875), der an der eigentlichen, von der Chorda selbst
erzeugten Scheide (die er innere Chordascheide nannte) anfangs
noch nicht zwei Schichten unterschied, hatte ebenfalls eine thatsächlich
von den Seitenplatten der Urwirbel abstammende und die Chorda
dicht umgebende Zellmasse noch zu den Chordascheiden gezählt, sie
als äußere Chordascheide bezeichnet und dabei erwähnt, daß sie
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 489
möglicherweise der knorpeligen Chordascheide der Elasmobranchier
homolog wäre.
Auch LwoFF (1887) war, ohne gerade einen direkten Vergleich
mit den Selachiern anzustellen, der Meinung gewesen, daß die Chorda-
scheide des Axolotl zellhaltig wäre.
V. Ebner (1896), Bergfeldt (1896) und Klaatsch (1897) waren
es vornehmlich, die diese Irrtümer beseitigten und endgiltig feststellten,
daß auch die Amphibien gleich wie die Fische — die Selachier und
Dipneusten vor der Einwanderung der Scheidenzellen — eine dünne
äußere elastische und eine nach innen davon gelegene dickere,
zellenlose Faserscheide besitzen ; eine innere elastische Schicht
der Faserscheide (Elastica interna, Kölliker) konnten sie nicht be-
obachten.
Auf die ziemlich verwickelte Synonymik dieser Scheiden bei den
einzelnen Autoren näher einzugehen, wollen wir verzichten (vergl.
Bergfeld 1896 und H. Gadow 1896).
Auch die Entwickelung der Scheiden verläuft ebenso wie bei
den Fischen. Zuerst entsteht die elastische Scheide (primäre Chorda-
scheide, Klaatsch), und zwar wird sie direkt von der Chorda ge-
liefert, da sie bereits zu einer Zeit sich bildet, in der einzelne peri-
chordale Zellen zwischen der Chorda und den sie umgebenden Or-
ganen noch nicht vorhanden sind (Bergfeldt 1896, Klaatsch
1897 ; Fig. 278). Diese Verhältnisse stehen demnach im Einklang mit
der von Hasse (1893) für die Cyclostomen und Claus (1894) für die
Squaliden gemachten Entdeckung der chordalen Natur der elasti-
schen Scheide und im Gegensatz zu der früher allgemeinen Annahme
ihrer Herkunft von dem perichordalen Bindegewebe.
Die zweite Schicht der Chordascheide, die F a s e r s c h e i d e
(sekundäre Chordascheide, Klaatsch , = innere Scheide, Goette,
=^ Elastica interna, Gadow etc.) erscheint mit dem Auftreten einer
wohlausgebildeten protoplasmatischen Rindenschicht an der Chorda
(Chordaepithel). Sie erreicht meistens erst dann eine beträchtliche
Dicke, wenn sich bereits eine ansehnliche Zelllage der skeletoblastischen
Bindegewebsschicht um sie herumgelegt hat (Fig. 279). Zu dieser
Zeit ist es bisweilen auch möglich, in ihr zwei Fasersysteme, deren
Fibrillen sich ungefähr rechtwinklig kreuzen, zu erkennen (Bergfeldt).
Obgleich die beiden Chordascheiden sich wohl bei allen Amphibien
zu irgend einer Zeit nachweisen lassen, so erreichen sie doch nie eine
besondere Mächtigkeit und haben im Gegensatz zu den Fischen sicher
an Bedeutung für den Aufbau der Wirbelsäule verloren. Bei den
Urodelen sind sie im allgemeinen noch besser entwickelt wie bei den
Anuren und zeigen an den intervertebralen Partieen eine stärkere
Ausbildung wie an den vertebralen. An der Entstehung des knöchernen
Wirbelkörpers, wie Hasse es glaubte, nehmen sie niemals Anteil.
Auf einige weitere Schicksale der Chorda in späteren Entwicke-
lungsstufen werden wir noch unten zurückkommen und wollen zunächst
die Ausbildung der skeletoblastischen Schicht betrachten. Wäh-
rend man früher dem Blut oder den Blutgefäßen an ihrem Aufbau
größeren oder geringeren Anteil beimaß (Goette, Hasse u. A.), so ist
man sich heute über ihre Abstammung von den Ursegmenten (Kölli-
ker, Gegenbaur, Field u. A.) wohl allgemein einig. Die Entwickelung
des Skierotoms erfolgt in ähnücher Weise wie bei anderen Verte-
braten. Bei Siredon z. B. bildet es sich nach Maurer (vergl. Fig. 19
in III, 1) an der medialen und ventralen Kante des Ursegmentes als
490
H. Schauinsland,
ein geschlossenes Divertikel mit epithelialer Wand, in welches sich
die Ursegmenthöhle hineinerstreckt. Es löst sich dann rasch vom
Ursegment ab und zerfällt in einzelne Zellen, die anfangs noch recht
spärlich die Chorda seitlich umgeben; später wuchern sie mehr und
umwachsen dann auch das Nervenrohr (Stadium der „häutigen Wir-
belsäule"). Die innere Lage dieses von den Skierotomen ab-
stammenden Gewebes, das, wie es selbstverständlich ist, mit dem
übrigen sonst noch im Körper vorkommenden Bindegewebe, also z. B.
auch mit den Myosepten, in direktem Zu-
sammenhang steht, kann man als skelett-
bildende Schicht unterscheiden. Sie ist
Fig. 279. Querschnitt durch einen Teil der
Chorda, ihre Hüllen und das benachbarte peri-
chordale Gewebe einer 41 mm langen Larve von
Alytes obstetricans bei 400-facher Vergr. (Nach
Bergfeldt.) Der Schnitt zeigt den Zustand der
Chordahüllen in der ersten Zeit der Anlage knorpe-
liger Wirbelteile, ep epitheliomorphe Rindenschicht
(Chordaepithel), fs Faserscheide (= sekundäre Chor-
dascheide, Klaatsch, = innere Scheide, Goette,
= Elastica interna, Gadow, -= sekundäre cuti-
culare Chordahülle, Bergfeldt etc.). (Die Führungs-
ünie müßte etwas weiter nach rechts hin enden.)
es elastische Scheide (= primäre Chordascheide,
Klaatsch, = primäre cuticulare Chordahülle Berg-
feldt). b perichordales Bindegewebe, deren innerste,
fester gefügte, scheidenartige Schicht (.icb) man als
skeletoblastische Schicht unterscheiden kann (^
äußere zellhaltige Chordascheide, Goette; = binde-
gewebige Chordahülle, Bergfeldt).
meistens, namentlich um die Chorda der Anuren herum, dichter und
regelmäßiger gefügt und aus mehr spindelförmigen Zellen aufgebaut
(Fig. 279), weswegen man sie auch als „äußere zellhaltige Chorda-
scheide'' (Goette) oder „bindegewebige Chordahülle" (Bergfeldt)
bezeichnet hat. In ihr nehmen zunächst die Anlagen der oberen
und unteren Bögen ihre Entstehung.
Da die weiteren Entwickelungsvorgänge bei den Ur od eleu und
den Anuren einige Abweichungen voneinander aufweisen, so empfiehlt
es sich, diese beiden Abteilungen getrennt zu betrachten und zunächst
die er st er en zu berücksichtigen. Die erste Anlage der oberen Bögen
(untersucht wurden namentlich Salamandra, Triton und Siredon) er-
folgt ganz in der Nähe der transversalen Myosepten (über die Lage-
beziehungen der Skelettteile wird weiter unten noch gehandelt werden) ;
nach erfolgter Verknorpelung sitzen sie der Chordascheide unmittelbar
auf (Fig. 280 a), dann wachsen sie rasch empor und vereinigen sich
oberhalb des Nervenrohres mit den Bögen der anderen Seite, indem
sie mit ihnen vollständig verschmelzen (Fig. 290). Die Bogen-
basen bleiben dagegen voneinander getrennt.
Ganz ähnlich verhalten sich die unteren Bögen (Hämapophysen,
Hämalbögen) des Schwanzes (Fig. 280a u. 290). Die Mehrzahl von
ihnen verwächst unter Bildung eines Kaudalkanales mit den benachbarten
der anderen Seite, wobei auch meistens ein mehr oder weniger langer
unpaarer Dornfortsatz gebildet wird. Obere und untere Bögen ver-
einigen sich seitlich von der Chorda nicht miteinander (Fig. 280a,
284 u. 290), woraus sich schon ergiebt, daß der Anteil der knorpeligen
Bogenbasen, wie des Knorpels überhaupt, an dem Aufbau des
Wirbelkörpers eine sehr geringe ist. Im Rumpf kommen untere
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 491
Bögen, wenigstens in vorgeschrittenen Entwickelungsstadien , dem
Wirbelkörper aufsitzend nicht mehr vor; sie sind dort teils rück-
gebildet, teils sekundär verlagert. Manche Formen, z. B. Menobranchus
(Göppert), zeigen sie in ihrer Jugend jedoch noch in ihrem ursprüng-
lichen Verhalten. Bei der Betrachtung der Rippen wird hierauf noch
näher eingegangen werden.
Anfangs stellen die knorpeligen Wirbelbögen nur ziemlich schmale
Spangen dar, die kaudal- und kranialwärts mit denen der benachbarten
Wirbel nicht in Berührung stehen (Fig. 287). Später jedoch verbreitern
sich die oberen Bögen und besonders ihre dorsalen Partieen, so daß
chsch
Fig. 280a und b. Zwei Querschnitte durch die Mitte (Fig. 280a) und das Ende
eines Wirbels aus dem vorderen Schwanzabschnitt einer 44 mm langen Larve von
Salamandra maculata bei 65-maliger Vergrößerung, oft obere, h/j untere Bögen ;
die ersteren über dem Rückenmark (R) miteinander verwachsen, die letzteren ventral
ebenfalls vereinigt, a und v die im Kaudalkanal liegende Aorta und Vene, ch
Chorda, chsch Chordascheide ; die Vergrößerung ist zu schwach, um elastische und
Faserscheide noch als getrennte Schichten erkennen zu lassen, k Knochenbelag der
Bögen, k^ Knochenbelag des Wirbelkörpers, der in Fig. 280 a, also in der Mitte
des Wirbels, der elastischen Scheide dicht aufliegt, in Fig. 280 b aber durch den
voluminösen „intervertebralen" Knorpel (iv^) des Wirbelendes von ihr getrennt ist. Da
die Wirbelbögen noch sehr schmal sind, so sind sie in Fig. 280 b durch den Schnitt
nicht mehr getroffen.
sie mit ihren Nachbarn zusammenstoßen (Fig. 284) ; an diesen Stellen
bilden sich dann allmählich vordere und hintere (jrelenktlächen (Prä-
und Postzygapophysen) aus.
Bei älteren Tieren tritt außerdem noch eine Verbreiterung der
Bögen durch Knochen ein ; da das auch in den mittleren Partieen der
Wirbel geschieht, dort, wo der Spinalnerv dicht hinter den Knorpel-
bögen hervortritt (Fig. 284), so wird dieser von den Knochenbil-
dungen umwachsen, so daß in älteren Stadien die Nervenwurzel oft den
knöchernen Bogen mehr oder weniger genau in der Mitte durchbohrt.
Außer in den Bögen trifft man an der Urodelenwirbelsäule noch
an einer anderen Stelle Knorpel an. Dieser nimmt seinen Ursprung
von einer stärkeren Zellenanhäufung der skeletoblastischen Schicht in
einer Gegend derselben, die der Grenze zweier benachbarter Wirbel
— also der Mitte eines ursprünglichen Ursegmentes — entspricht
492
H. Schauinsland,
0.
er
Ä
— ms A' : ^,,
tsg-
( «.-"'s.'' . i- U '■' j 'I
Fig. 281 a und b. Zwei horizontale Längsschnitte durch die Wirbelsäule im
vorderen Schwanzabschnitt einer 22 mm langen Larve von Salamandra macu-
lata bei 85-maliger Vergrößerung. Schnitt Fig. 281a trifft, da er durch das Kucken-
mark in der Höhe der Spinalganglien gelegt worden ist, nur die oberen Bogen ;
Schnitt Fig 281b ist fast ein Medianschnitt durch die Chorda und trifft daher mit
einer Ausnahme (ob) die Bögen nicht (vergl. Fig. 280a); er ist am kranialen Ende
etwas mehr dorsal geführt wie am kaudalen. ob obere Bögen, ms Myosepten; setzen
sich an den kaudalen Rand der oberen Bögen (Fig. 281a). isg Intersegmentalgefaße.
k knöcherner Doppelkegel des Wirbelkörpers, iv intervertebraler Knorpel im Begritt,
kranial- und kaudalwärts zwischen Knochen und Chordascheide vorzudringen. Sieht
man Myosepten und Intersegmentalgefaße als die Grenzen der ursprünglichen Ur-
segmente an, so alternieren diese mit den Wirbeln. Die Wirbelenden entsprechen
der Mitte der Ursegmente, und die Grenzen der Ursegmente — die Myosepten —
hegen der Mitte des definitiven Wirbels gegenüber. Die Bögen sind gemäß ihrer
Lage und der bis dahin gebrauchten Nomenklatur als kaudale — in Bezug auf
die Ursegmenthälften — zu bezeichnen, ch Chorda, chsch Chordascheide (elastische
und Faserscheide erscheinen bei dieser Vergrößerung nicht als gesonderte Schichten).
Ji Rückenmark, g Spinalganglion, spn Spinalnerv, b perichordales Bindegewebe,
dessen innerste Lage als skelettbildende Schicht zu bezeichnen ist. m Muskeln
(Myomeren). Der Pfeil zeigt kranialwärts (er).
I
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 493
(Fig. 281b) und den man daher meistens als Intervertebral-
knorpel (Gegenbaur) bezeichnet. Während die Knorpel der oberen
und unteren Bögen weit voneinander getrennt sind (Fig. 280 a), um-
Chordascheide ringförmig in g e -
und breitet sich allmählich kranial
giebt der „intervertebrale" die
s c h 1 0 s s e n e r Lage (Fig. 280 b)
und kaudal — also
von den Wirbelenden
zweier Wirbel nach
ihrer Mitte hin —
weiter aus (Fig. 281 b
u. 283).
Fig. 282. Horizon-
taler Medianschnitt durch
die Wirbelsäule aus der
mittleren Rumpfregion
eines 16mm langen Tri-
ton. Vergr. 85 mal. Der
Schnitt ist am kranialen
Ende (er) mehr dorsalwärts
geführt worden wie am
kaudalen. ch Chorda, durch
den intervertebralen Knor-
pel intervertebral einge-
schnürt, chsch Chorda-
scheide, iv Intervertebral-
knorpel, der zur Bildung
eines Gelenkes, einer kau-
dalen Pfanne und eines
kranialen Kopfes (opistho-
cöle Wirbel) verwendet ist.
Da der Schnitt absichtlich
etwas schräg geführt ist,
sieht man an seinem vor-
deren Ende den Gelenk-
kopf vollständig, am hin-
teren jedoch von der Chor-
da durchbohrt. iv der
zwischen Chordascheide
und dem knöchernen
Doppelkegel des Wirbel-
körpers [k) hineinge-
wucherte intervertebrale
Knorpel, m Muskeln, ms
Myoseptum. isg Interseg-
mentalgefäße. ob Basis der
oberen Bögen. r Rippe.
k^ ein von der Rippe
nach dem vorderen Wirbel-
ende ziehender, sekundär
gebildeter Knochen. sp7i
Spinalnerv.
Bevor sich jedoch diese Vorgänge vollziehen, ist bereits Knochen
an dem Wirbel aufgetreten, und zwar erscheint dieser außerordentlich
frühzeitig. Ueber die ersten Phasen seines Entstehens liegen ganz
genaue Angaben bis jetzt noch nicht vor. Es läßt sich daher nicht
mit Bestimmtheit sagen, ob er sich etwa getrennt auf den Basen
der oberen und unteren Bögen anlegt, um erst später zusammen-
zufließen — wie bei den Knochenganoiden — oder ob er zunächst
zwischen den dorsalen und ventralen Bögen in dem Bindegewebe
der skeletoblastischen Schicht ganz ohne Zusammenhang mit dem
494
H. Schauinsland,
Knorpel entsteht, oder endlich, ob er sich aus zwei getrennten, an
der vorderen und hinteren Hälfte des Wirbels auftretenden und später
erst sich vereinigenden Verknöcherungszentren bildet. Wirklich be-
obachtet ist es, daß er in den mittleren Partieen des Wirbels zuerst
erscheint, von hier sich rasch, namentlich nach den Wirbelenden hin,
ausbreitet und dann eine dünne, z eilen lose Knochenhülse darstellt,
die anfangs schwach, später jedoch immer deutlicher die Gestalt eines
Doppelkegels aufweist (Fig. 281, 282, 283, 284, 287).
<^
^7^^-
-am.
— ?ft
— spn
"iv
-ch
-- isfi
-- chkn
— k
— i'lisch
—spn
Fig. 283. Horizontaler Längsschnitt durch die Wirbelsäule aus dem vorderen
Schwan zabsehnitt eines 50 mm langen Siredon bei 60-maliger Vergrößerung, k
knöcherner Doppelkegel des Wirbelkörpers, ch Chorda, chsch Chordascheide, chkii
Chordaknorpel, iv Intervertebralknorpel. m Muskeln, ms Myoseptum. isg Inter-
segmentalgefäße. spn Spinalnerv.
Er wurde, wie bereits erwähnt, von Hasse (1892) als ein Teil
der Chordascheide angesehen und als Cuticula sceleti bezeichnet, worin
ihm FiELD (1895) folgte, während Kapelkin (1900) ihn skeletogene
Scheide nannte.
Später wird der anfangs äußerst dünne Knochen sowohl am Wir-
belkörper als auch an den Bögen durch sekundäre Auflagerungen von
„Faserknochen" (Gegenbaur) oft beträchtlich verdickt, wobei er dann
auch zellh altig wird, indem die ursprünglichen Zellen des skeleto-
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 495
blastischen Bindegewebes zu Knoclieuzellen werden. Ebenfalls findet
eine starke Vergrößerung auch nach der Längsrichtung hin statt, und
zwar mit Hilfe von Osteoblasten, die, ganz ähnlich wie bei den
Teleostiern, gerade an den Enden der Knochenkegel reichlich vor-
handen sind. Sie gehören dort einem intervertebralen Faserzellenring
an (Gegen baur), der die Enden zweier benachbarter Knochenkegel
miteinander verbindet und als Interverte b ralligament funk-
tioniert.
In älteren Tieren ist der Knochen von reichlichen Markgängen
durchzogen, die von der Mitte des Wirbels ihren Ausgang nehmen
und mit deren Hilfe auch der im Wirbel vorhandene Knorpel immer
mehr resorbiert und durch Knochen ersetzt wird. —
Nachdem wir einige der späteren Zustände des Knochens gleich
vorweg erwähnt haben, müssen wir wiederum zu seinen jüngsten
Stadien zurückkehren. In der Mitte des Wirbels liegt die primitive
Knochenhülse in der Regel der Chordascheide dicht auf (Fig. 281b);
je weiter nach den Enden hin, in desto höherem, Grade befindet sich
zwischen ihr und der elastischen Scheide jedoch Bindegewebe, und
in dieses hinein erstreckt sich mit zunehmendem Alter immer mehr
der i n t e r V e r t e b r a 1 e Knorpel, der, wie es sich aus der vor-
angegangenen Schilderung von selbst ergiebt, nach außen hin, abge-
sehen von einer schmalen Zone zwischen je zwei benachbarten Wirbeln,
ringsum von den Enden der Knochenkegel umgeben wird (Fig. 281 b,
282, 283). Jener Knorpel ist es, der irrtümlich mit der „Intercuti-
cularschicht", d. h. der zellhaltigen Chordascheide der Elasmobranchier
verglichen wurde (Hasse).
Die Knochenlamelle umschließt nicht allein den größten Teil des
„intervertebralen" Knorpels, sondern sie erstreckt sich allmählich auch
immer mehr auf die knorpeligen oberen und unteren Bögen hinauf
(Fig. 284 a und b).
Bei den Urodelen wird demnach, wie wir sahen, der Wirbel-
körper vornehmlich durch den Knochen gebildet, die knorpeligen
Bogenbasen beteiligen sich an seinem Zustandekommen so gut wie
gar nicht (Fig. 280a) und der intervertebrale Knorpel nur an den
Wirbelenden (Fig. 281b, 283). Von letzterem Umstand abgesehen,
ähnelt ein Urodelenwirbel in dieser Zeit, namentlich in maceriertem
Zustand, in hohem Grade dem amphicölen Wirbel vieler Teleostier.
Wir haben jetzt nochmals auf den intervertebralen Knorpel
und seine w^eiteren Schicksale zurückzukommen. Bisher sahen wir ihn
als einen Wulst zwischen je zwei Wirbeln liegen und sich von dort
aus mehr oder weniger weit zwischen Chordascheide und Knochen
nach der Wirbelmitte hin erstrecken (Fig. 283) ; in dieser Form bleibt
€r bei vielen Urodelen, im besonderen bei den Perennibranchiaten
dauernd bestehen und vertritt durch seine biegsame Beschaff"enheit
die Stelle eines (Jeleukes.
Bei anderen Formen, so bei den Salamandern und Tritonen, kommt
«s zur wirklichen Ausbildung eines Gelenkes. Der Knorpelring
zwischen zwei Wirbeln zerfällt in diesem Fall in zwei ungleiche Teile.
Der größere schließt sich dem kranialen Ende des hinteren Wirbels,
der kleinere dem kaudalen des vorderen an. Aus dem ersteren ent-
wickelt sich ein Gelenkkopf, aus dem anderen eine Gelenk-
pfanne (Fig. 282), und damit ist die Form der o p i s t h o c ö 1 e n
Wirbel entstanden. Wie Gegenbaur (1862) zeigte, kommt es dabei
496
H. Schauinsland,
aber trotzdem nicht immer zu einer vollständigen Trennung des inter-
vertebralen Knorpels, sondern Pfanne und Gelenkkopf stehen meistens
noch durch die Grundsubstanz des sie bildenden Knorpels im Zu-
sammenhang. Bei den Urodelen bleibt demnach ein bloßer Ent-
wickeln n g s z u s t a n d des erst bei höheren Formen zur vollständigen
Ausbildung gelangenden Gelenkes eine während des ganzen Lebens
dauernde Einrichtung.
Durch das Auftreten eines intervertebralen Knorpels und das Vor-
zug' O&j 7'd
Fig. 284 a.
er -^
spn k iv
(Erklärung siehe nebenstehend.)
handensein einer gelenkigen Verbindung der Wirbelkörper unter-
scheiden sich die Amphibien sehr deutlich von den Teleostiern, ähneln
darin aber Lepidosteus. In der That dürfte die Berechtigung eines
direkten Vergleiches der Gelenkbildung von Lepidosteus mit jener
vieler Urodelen kaum von der Hand zu weisen sein. Früher, als man
das Gewebe, von dem der intervertebrale Knorpel der Amphibien ab-
stammt, noch der zellhaltigen knorpeligen Chordascheide der Elasmo-
branchier glaubte an die Seite stellen zu können, war das allerdings
nicht möglich. Diese Schwierigkeit ist jetzt aber fortgefallen.
Wir verglichen den intervertebralen Knorpel von Lepidosteus mit
den Bogenstücken des kranialen Wirbels von Amia — entstanden au&
der kranialen Hälfte eines ursprünglichen Skierotoms — und ein
solcher Vergleich ist sehr wahrscheinlich auch bei den Amphibien
möglich, worauf wir weiter unten noch zurückkommen werden.
Bezüglich der großen Verschiedenheiten, welche in der voluminösen
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen nnd Brustbein. 497
Ausbildung des intervertebralen Knorpels sich in der Reihe der
Amphibien bemerkbar machen, ist Gegenbaur der Meinung, daß der
Verlust an Knorpel eine erworbene Eigentümlichkeit sei, und
nicht als Ausgangspunkt der Entwickelung betrachtet werden dürfe.
Demnach wäre das Verhalten jener Formen, bei denen der inter-
vertebrale Knorpel noch mit dem Bogenknorpel zusammenhängt, so
daß die Chorda, wie bei den Anuren, von einem vollständigen Knorpel-
belag umgeben ist, das ursprüngliche; die Zustände jedoch, in denen
Fig. 284 b.
* er
Fig. 284 a und b. Drei Wirbel aus der vorderen Schwanzregion eines 50 mm
langen Siredon, von der linken (Fig. 284a) und rechten Seite gesehen, nach einem
nach der Plattenmodelliermethode angefertigten Wachsmodell. Vergr. 53 mal.
er kranial. Das Modell dient hauptsächlich zur Demonstration der doppelten Bögen
und ihrer Lage zu den intersegmentalen Gefäßen und Spinalnerven, isg intersegmen-
tale Gefäße; ventral durchbohren sie die unteren Bogen und vereinigen sich mit der
im Kaudalkanal verlaufenden Aorta, g Spinalganglion, spn Spinalnerv. Am ersten
Wirbel auf Fig. 284a ist ein Stück des Nerven an einer Stelle herausgeschnitten,
um das median davon gelegene Bogenstück zu zeigen, rd Ramus dorsalis des
Spinalnerven, dw dorsale, vw ventrale Wurzel des Spinalnerven, oh obere Bögen
(„kaudale" in Bezug auf die ursprüngliche Sklerotomhälfte). oö, „kranialer" Bogen.
Man beachte die verschiedenen Variationen bei der Ausbildung dieser knorpeligen
kleinen Bogenstücke, die teils gesondert vom Hauptbogen sind, teils mit ihm zu-
sammenhängen, teils noch in mehrere Stücke zerfallen können, nh untere Bögen, an
denen ebenfalls Andeutungen von Doppelbildungen vorhanden sind, k Knochen des
Wirbelkörpers ; derselbe ist durch dunklen Farbenton angedeutet und d u r c h -
sichtig gedacht, so daß sowohl die von ihm bedeckten knorpehgen Bogenteile als
auch die Chordascheide am Wirbelkörper hindurchschimmern. Man sieht, wie der
Knochen sich dorsal und ventral bereits auf die Bogenbasen erstreckt, auf diesen
allmählich ausläuft und die median von ihm gelegenen knorpeligen, kaudalen und
kranialen Bogenabschnitte umwachsen und miteinander vereinigt hat. iv Lage des
intervertebralen Knorpels (derselbe konnte bei dieser Ansicht nicht näher dargestellt
werden) und gleichzeitig die Grenze zweier benachbarter Wirbel.
Handbuch d.-r Entwickelungslehre. III. 2. 32
498 H. Schauinsland,
der intervertebrale Knorpel mehr oder weniger reduziert ist, nicht
mehr mit den Bögen im Zusammenhang steht und oft last nur noch
auf die Wirbelenden beschränkt ist (was am «^^^f «^^^«1 ^f^^n Gpnno-
phionen und dann bei den perennibranchiaten Uro^elen dei Fa istX
würden als die sekundären zu gelten haben. Die Aehiliclkeit mit
Teleosüerwirbeln ist nach Gegenbaur daher bei den Urodelen nur
eine erwo bene; der intervertebrale Knorpel der Amphibien deutet
V elmehr auf ein; ganz andere Herkunft hin, nämUch von den Ganoiden
[m besonderen von Lepidosteus, [wobei allerdings zu berücksichtigen
ist daß ciie Wirbel von Lepidosteus andererseits auch wieder eme
naiie Verwandtschaft mit den Wirbeln der Knochenfische autweisen
^''Ten'd™ unTnun den späteren Schicksalen der Chorda
zu so ist es klar, daß das Wachstum des intervertebralen Knorpels
sehr o-eeronet ist, diese zu beeinflussen. Anfangs stell sie einen
tleTchnS^fg starken Strang dar; sobald dann die knorpeligen Bogen
?rscS sind, und die Knochenlamelle des Wirbelkörpers in ausge-
sp od^^^^^^ Weise die Gestalt eines Doppelkege s angenommen hat
S sich auch die Chorda dieser Form an, indem sie sich an den
^ belenden innerhalb der Basis jedes Holilkege s ausdehnt; sie
ist dann intervertebral voluminöser als vert^ebral wo sie nament-
lich in der Mitte jedes Wirbels zusammengeschnürt ersehe nt (1^ ig. 2«lb,
283) Bei den Amphibien mit geringer Entwickelung des mterverte-
brabn Knorpels behält die Chorda dauernd eine so che Gesta
(z B bei Proteus und Menobranchus). Bei anderen jedoch verhindert
der wuchernde Intervertebralknorpel die Chorda an einer s arkeren
AusbTdt mg an dieser Stelle, im Gegenteil schnürt er sie dort ein,
fo daß s^ ve.tebral einen 'größeren Durchmesser au weist als inter-
vertebral, was am meisten bei den Formen »f "^1}^^^,^. ™ ;f „^S
welchen es zur Bildung eines Gelenkes kommt (Fig. 282) doch geht
Tuch bei diesen die Chorda selbst an jener Stelle nicht völlig verloren,
wie sie denn überhaupt der Regel nach während des ganzen Lebens
in großer Ausdehnung erhalten bleibt.
^Bei vMen Urodelen kommt in späteren Entwickelungss adien
innerhalb der Chorda Knorpel vor. Gegenbaur (1852) wies
ihn nach bei Menobranchus, Siredon, Menopoma, Salam an dra Triton
Coecilia und sprach auch die Ansicht aus, ^^^ß er autochtho ne r
Natur sei. Später wurde dieses bestritten, und Lwoff (1882 sow e
Zykoff (1894) leiteten ihn vom perichordalen Gewebe ab, indem sie
behaupteten, daß Zellen, welche von den B^genbasen (Lwoff oder
von dem Intervertebralknorpel herstammten, auswandeiten, du ch Oett
nungen der Chordascheide hineindrängen die Chorda ^erstoiten d
durch Knorpel ersetzten. Gadow schloß sich ihnen an (1896) und
verg ch infolgedessen diesen Chordaknorpel sogar mit der knorpel-
zeiigen Chordascheide der Selachier und Dipneusten ; Urodelen
besitzen nach ihm ebenso ein knorpeliges Chordacentrum wie die
^'^'' Im Gegensatz hierzu kann auf Grund der Untersuchungen von
FiELD (1895) - bei Amphiuma - v. Ebner (1896), Klaatsch O.S97),
Kapelkin (1900) und neuerdings von Schauinsland wohl mit Sichei-
heit behauptet werden, daß die alte GEGENBAUR'sche Anschauung
riplitiV iqt daß also der Knorpel aus der Umwandlung der
ChoiVfzelLn se%'^ iervoVgeht. Seine Entstehung beginnt
J
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 499
in der Mitte jedes Wirbels, dort also, wo dieser am schmälsten ist
und wo ihm gleichzeitig die Bögen aufsitzen. Sie nimmt ihren Anfang
an der Peripherie in den protoplasmatischen Zellen des Chordaepithels
und schreitet von dort centralwärts weiter, das typische Chordagewebe
immer mehr verdrängend, so daß schließlich an dieser Stelle ein voll-
ständiges Knorpelseptum gebildet wird (Fig. 283), das nach außen
hin noch von der völlig intakten, undurchbrochenen Chordascheide
umgeben ist. Wie es scheint, sind es vornehmlich die indifferenten,
noch nicht vakuolisierten Chordazellen, die sich in Knorpelzellen um-
wandeln (v. Ebner, Klaatsch).
Uebrigens findet auch am äußersten Schwanzende eine vollständige
Verknorpelung der Chorda statt. Hier nämlich kommt es in ihrem
Gewebe überhaupt nicht zur Vakuolenbildung, sondern die Zellen
bleiben dauernd protoplasmatisch und stellen einen, auch schon bei
den vorhergehenden Wirbeltierabteilungen erwähnten Chordastab
(Barfurth, V. Schmidt 1893) dar, der allmählich knorpelige Be-
schaffenheit annimmt und sich später an seinem vorderen Ende in
mehrere Segmente gliedert. —
Zum Schluß haben wir noch einen Blick auf die Beziehungen
der Wirbelsäule zu den ursprünglichen U r s e g m e n t e n ,
den Gefäßen und Nerven zu werfen (Schauinsland). Be-
trachten wir wiederum die Grenzen je zweier Myotonie, d. h. die trans-
versalen Myosepten und die sich, namentlich im Schwanz, oft in diesen
noch vorfindenden intersegmentalen Blutgefäße, wie sie sich in ver-
hältnismäßig jungen Stadien darstellen, als die Grenzen der ehe-
maligen Ursegmente und Skierotome, so finden wir, daß die Enden
der definitiven Wirbel fast genau in der Mitte eines solchen Seg-
mentes gelegen sind (Fig. 281 — 284); außerdem sehen wir. daß sich
die Myosepten überwiegend an dem kaudalen Rand der Wirbelbögen
anheften (Fig. 281 a). Aus alledem können wir den Schluß ziehen,
daß die Wirbelbögen den ehemaligen kaudalen Skierotomabschnitten
zu vergleichen sind und den bei den Fischen, namentlich den Cyclo-
stomen, Selachiern und Ganoiden von uns ebenfalls als kaudale Bogeu-
stücke bezeichneten Teilen entsprechen. Der kaudal von den Bögen
liegende Abschnitt des bleibenden Wirbels, zu dem vor allem auch ein
großer Teil des intervertebralen Knorpels gehört, ist dagegen, wie bereits
oben bemerkt, aus dem kranialen Skierotomabschnitt entstanden zu
denken. Zu ähnlichen Ergebnissen gelangt auch Gadow (1896), der
die Bögen den „Basidor sahen" und „Basiventralien", den Interverte-
bralknorpel (den er sogar aus 4, 2 dorsalen und 2 ventralen, kleinen,
anfangs getrennten, bald aber verschmelzenden Bogenstückchen ent-
standen beschreibt) den Interdorsalien und Interventralien der übrigen
Anamnier vergleicht. Allerdings kommt er auch hier wieder ent-
sprechend seiner prinzipiellen — bei den Squahden geschilderten —
Auffassung zu dem Schluß, daß der durch das Zusammenfließen der
Interventralia gebildete untere Halbring des Intervertebralknorpels
nicht mit dem dazugehörigen oberen (aus den Interdorsalien ent-
standenen) Halbring sich vereinigt, sondern mit dem nächst vor-
hergehenden. Diese Behauptung läßt sich jedoch durch nichts
beweisen.
Da der Intervertebralknorpel übrigens erst verhältnismäßig spät
auftritt und nicht nur für einen Wirbel, sondern für die gelenkige
Verbindung je zwei benachbarter Wirbel Verwendung findet, so läßt
32*
500
H. Schauinsland,
es sich nicht mit Bestimmtheit sagen, wie weit er zum kranialen
Skierotomabschnitt zu rechnen und was von ihm dem kaudalen zu-
zuzählen ist (Fig. 281, 282, 283). Es sind das dieselben Erwägungen,
die von uns auch bei Lepidosteus angestellt wurden. Jedenfalls aber
ist es klar, daß ebenso wie bei jenem Knochenganoiden, auch bei den
Amphibien die Metamerie der Wirbelsäule nicht derjenigen der Ur-
segmente entspricht, und daß die Schwanzwirbel nicht aus einem
Skierotom, sondern aus den Hälften je zwei benachbarter entstanden
sind, woraus sich ergiebt, daß sie mit den ursprünglichen Ursegmenten
und den späteren Myotonien
alternieren müssen. Es
ist dabei nicht nötig, an eine
Konkrescenz je zweier
völlig getrennt voneinander
angelegten Wirbelhälften, wie
bei Amia, zu denken. Eine
solche exakte Sonderung und
nachträgliche Verschmelzung
tritt während der Ontogenese
nicht mehr ein, aber trotzdem
bleibt es gerechtfertigt, die hier
JP"
O^-^
Fig. 285. Querschnitt durch
die Rumpfwirbelsäule einer 60 mm
langen Larve von Xenopus ca-
p e n s i s. Vergr. 32 mal. ch Chorda.
chsch Chordascheide, ob obere knor-
pelige Bögen, an ihrem dorsalen
Ende bereits verkalkt. hk hypo-
chordaler Knorpel, h perichordales
Bindegewebe, scb innere scheiden-
artige Schicht derselben — skeleto-
blastische Schicht, nsp Nervus spi-
naUs. m Muskeln.
von Anfang an vereinigten Komponenten der W^irbel mit den bei
Amia etc. noch getrennten direkt zu vergleichen.
In Bezug hierauf ist es jedenfalls auch von nicht unbedeutendem
Interesse, daß neuerdings (Schauinsland) — nachdem Goette (1897)
bereits die Bemerkung gemacht hatte, daß der Bogen des ersten Wirbels
von Salamandra sich aus zwei Knorpelspangen zusammensetze — in
der Schwanz Wirbelsäule einiger Urodelen, namentlich Siredon (Fig. 284 a
und b) doppelte knorpelige Bögen nachgewiesen worden sind.
Kaudalwärts von den großen oberen Bögen finden sich mehr oder
weniger umfangreiche, oft bereits von dem Wirbelkörperknochen völlig
umwachsene Knorpelstücke. Meistens sitzen sie völlig getrennt von
den richtigen Bögen der Chordascheide auf, bisweilen stehen sie an
ihrer Basis mit diesen noch im Zusammenhang, und manchmal sind
sie mit jenen auch derart vereinigt, daß zwischen ihnen nur eine Lücke
bleibt, (lurch welche die Wurzeln der Spinalnerven heraustreten, und
die dann durch das spinale Ganglion zum größten Teil ausgefüllt ist.
Die Abbildungen zeigen neben den erwähnten auch noch andere
Variationen.
An den unteren Bögen werden die Doppelbildungen in der
Regel nur durch mehr oder weniger große Löcher innerhalb des
Knorpels angedeutet, durch welche kleine segmentale Gefäße hindurch-
I
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 501
treten, um sich mit den im Kaudalkanal befindlichen Längsgefäßen zu
vereinigen. Bisweilen werden aber auch die unteren Bögen in zwei
fast völlig voneinander getrennte Stücke zerlegt.
Diese kleinen Bogenrudimente entsprechen ohne Zweifel dem
kranialen Bögen („Intercalarien") der Cyclostomen, Selachier und
Ganoiden, wofür auch die Lage der Nerven und Blutgefäße spricht.
Würde man zwischen den kleinen „kranialen" und den großen
,,kaudalen'' Bögen — kranial und kaudal wie immer in Bezug auf die
ehemaligen Ursegmente und nicht auf den fertigen Wirbel — einen
Schnitt legen, so erhielte man zwei Halb wir bei, die die größte
Aehnlichkeit mit dem kranialen und kaudalen Halbwirbel im Schwänze
von Amia haben würden (vergl. Fig. 246, 247).
Derartige Halbwirbel kommen bei recenten Amphibien nicht mehr
vor, jedoch finden sie sich bei ihren Vorfahren, den Stegocephalen.
Die nach dem embolomeren Tj'pus (Cope) gebauten Schwanz-
wirbel derselben lassen sich bei Berücksichtigung der eben gemachten
Mitteilungen und Erwägungen und nach Kenntnis der Entwickelung
der Wirbelsäule von Amia sofort verstehen; es sind Halb wir bei,
die im Prinzip mit den Halbwirbeln von Amia übereinstimmen.
Die rhachitomen (Cope) Wirbel der fossilen Amphibien werden
sich durch Verschmelzungen und Rückbildungen derartiger Halbwirbel
(ähnlich wie im Rumpf von Amia) und durch verschiedenartige diskret
angelegte und auch später nicht miteinander verschmelzende Ossi-
fikationen der Wirbelkomponenten — Bögen und Körper — erklären
lassen.
Eine neue Bearbeitung dieses Materials, und zw^ar nicht allein
vom Standpunkt der systematischen Paläontologie aus, wäre sehr
erwünscht ^) ; wahrscheinlich ließen sich jetzt die Widersprüche in
den Arbeiten der verschiedenen Autoren leichter begleichen, nament-
lich aber auch die teilweise recht konfuse Synonymik klären.
Unsere Aufgabe ist es hier nicht, dieses Gebiet weiter zu ver-
folgen. Es sei daher nur, außer auf die Lehrbücher für Paläontologie,
auf die Arbeiten von H. v. Meyer (1851, 1858 etc.), Gaudry (1878,
1890), Cope (1882, 1886, 1892), A. Fritsch (1883, 1889), Credner
(1886, 1889, 1890), Baur (1896) u. A., sowie auf die Abhandlungen
von L. Schmidt (1892), H. Gadow (1896), Goette (1897), Schauins-
land (1900) hingewiesen. —
Wenden wir uns nunmehr den Äiiuren zu, so wollen wir bei
ihnen nur die bedeutenderen Abweichungen von den Urodelen in Be-
tracht ziehen. Zu solchen gehört zunächst schon die Ausbildung der
skeletoblas tischen Schicht, die namentlich um die Chorda
herum in stärkerer Entwickelung und regelmäßigerer („scheidenartiger")
Anordnung vorhanden ist als bei den Urodelen (Fig. 279). In Ueber-
einstimmung damit ist auch der Knorpel in reichlicherem Maße
beim Aufbau der Wirbelsäule beteiligt. Wenn aber von Duges u. A.
von einer vollständigen Knorpelumlagerung der Chorda berichtet wird,
so ist das nur mit Beschränkung richtig. Die Knorpelmasse der oberen
Bögen bleibt nicht so isoliert wie bei den Urodelen, sondern nach
dem Erscheinen der Bögen werden ihre Basen rasch mit denen der
1) Erfreulicherweise ist hiermit in neuester Zeit wirklich begonnen worden;
vergl. O. Jaekel, lieber die Bildung der ersten Halswirbel und die Wirbelbildung
im allgemeinen, im Juli-Protokoll der Deutschen Geolog. Gesellsch., Bd. LVI, 1904
502 H. Schauinsland,
Nachbarn ebenfalls durch Knorpel verbunden, so daß in diesem
Stadium sich dann auf der dorsalen Seite der Chorda ein rechter
und linker kontinuierlicher Knorpelstreifen der Länge nach er-
streckt; von ihm aus erheben sich in regelmäßiger Folge die Bögen
und umfassen das Rückenmark, ohne sich übrigens dorsal von diesem
mit denen der gegenüberliegenden Seite zu vereinigen. Abgesehen
von den Bögen, wird je ein Wirbel noch dadurch bezeichnet und von
dem anderen abgegrenzt, daß sich an der Stelle, wo sich später eine
gelenkige Verbindung herstellen wird, auf dem Knorpel eine Ring-
faserschicht bemerkbar macht, die künftig als Intervertebral-
ligament funktionieren wird (Gegenbaur).
Später verbinden sich auch die beiden seitlichen Knorpelstreifen
miteinander unterhalb des Rückenmarkes.
Während sich diese Vorgänge an der Dorsalseite der Chorda ab-
spielen, hat sich an der ventralen, innerhalb der skeletoblastischen
Schicht ein stärkerer Bindegewebsstrang ausgebildet, und in diesem er-
scheinen in metamerer Anordnung (Gadow 1901) un paare Knorpel-
herde, die jedoch bald zusammenfließen und dann ein ebenfalls un-
paares ventrales Knorpelband darstellen, das sich der ganzen
Länge der Wirbelsäule entlang erstreckt (Fig. 285).
Man hat hin und wieder Zweifel darüber ausgesprochen, ob dieser
Knorpelstreif — Basalkn orpel, hypochordaler Knorpel
(Goette) — als untere Bogenbildung aufzufassen ist. Daß er einer
solchen wirklich zuzuzählen ist, läßt sich aber wohl mit Bestimmtheit
behaupten. Wir trafen es ja schon bei den Telostiern, daß in einzelnen
Fällen, z. B. im Schwanz von Cyclopterus lumpus, die unteren Bögen
zu einem unpaaren Stück verschmelzen. Der hypochordale Anuren-
knorpel entspricht aller Wahrscheinlichkeit nach aber nicht den ge-
samten unteren Bögen, sondern nur Teilstücken derselben, den sog.
Hämalfortsätzen (Schauinsland). Bei den Selachiern und den Gano-
iden (vergl. Fig. 213, 238, 239) kann sich der untere Bogen in eine
ventrale und eine dorsale Partie sondern, die durch eine dünne
Knorpellage noch miteinander verbunden oder auch bereits völlig ge-
trennt sein können. Die erstere bleibt in der Nähe der Aorta und
umgiebt sie, die andere rückt dorsal empor, selbst bis zur Verbindung
mit den oberen Bögen, und gliedert sich in einen basalen Teil (Basal-
stumpf) und Rippe.
Dasselbe ist wohl auch bei den Anuren geschehen. Die Haupt-
masse der unteren Bögen verschob sich weit dorsal bis zu den dor-
salen Bögen; sie wurde zu einem „Querfortsatz" derselben und trägt
die Rippe, während die ventralen Teile nicht nur an ihrem Platze
blieben, sondern auch zu einem unpaaren Stück verschmolzen. Eine
Furche oberhalb der Aorta, die sich bisweilen im hypochordalen
Knorpel findet (Fig. 285), könnte vielleicht noch als Hinweis auf diese
Verschmelzung aufgefaßt werden.
Der hypochordale Knorpel hängt mit dem dorsalen nicht zu-
sammen, sondern wird mit diesem nur durch das Bindegewebe der
skelettbildenden Schicht — in dem sie beide ja entstanden sind — ver-
einigt (Fig. 285), sowie durch den bald in jenem auftretenden Knochen,
der sich rasch sowohl auf die knorpelfreien als auch die knorpeligen
Teile des Wirbels ausbreitet, zusammengefaßt. An dieser Stelle, vor-
nehmlich unterhalb der Bögen, ist die Chorda also nicht vollständig
von Knorpel umgeben. Andererseits beginnt schon früher, als die
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 503
eben erwähnten Vorgänge — Bildung des ventralen Knorpelstreifens
und Auftreten des Knochens — stattfinden, von der dorsalen Knorpel-
masse aus die Partie, welche unmittelbar kaudal von den Bögen liegt,
die also dem Intervertebralknorpel der Urodelen entspricht und daher
überwiegend wohl dem kranialen Skierotomabschnitt (Interdorsalia,
Gadow) zuzuzählen ist, zu wuchern an und umwächst die Chorda
vollständig, sie allmählich immer mehr zusammendrängend und
einschnürend. Bei Rana wird die Chorda dabei mehr seitlich zu-
sammengedrückt, so daß sie schließlich nur ein ganz dünnes, zur
Längsachse senkrecht stehendes Band darstellt. Bei Bufo und Hyla
dagegen wächst der Knorpel in derselben Weise wie sich vergrößernde
Bogenbasen mehr von oben nach unten und innen, so daß der Chorda-
rest eine mehr dreieckige Gestalt annimmt, deren Spitze dorsal ge-
richtet ist.
Innerhalb dieses intervertebralen Knorpels entwickelt sich das
Gelenk, das eine vollkommenere Form annimmt als bei den Urodelen,
da wirklich eine vollständige Tren nun g stattfindet zwischen Gelenk-
kopf und Gelenkpfanne. Meistens fügt sich der vordere größere Teil
des Knorpels dem je vorhergehenden Wirbel an und bildet an
seinem kaudalen Ende einen Gelenkkopf, während der andere an
dem nächst hinteren Wirbel dicht vor den oberen Bögen eine Gelenk-
pfanne entstehen läßt. Die Anurenwirbel sind demnach in der Regel
p r 0 c ö 1. Doch finden sich in manchen Formen (Agiossa, Disco-
glossiden und einige Pelobatiden) auch opisthocöle Wirbel, wie bei den
Urodelen. Es kommen aber auch bei den procölen Typen einzelne
Wirbel mit zwei Gelenkpfannen (bikonvexe) oder zwei Gelenkköpfen
(bikonkave) vor, und daher kann man es sich wohl vorstellen, daß die
Gestaltung von pro- oder opisthocölen WMrbeln nur davon abhängt,
ob der den Gelenkkopf liefernde Knorpelteil zufällig mit dem vorderen
oder dem hinteren Ende eines Wirbels verschmilzt (Gadow 1901).
Der Knochen greift auch allmähHch auf den intervertebralen
Knorpel und das Gelenk selbst herüber. Hierbei ist es von nicht
unbedeutendem Interesse, daß, wie Boulenger (mitgeteilt von Gadow
(1901) beobachtete, bei einzelnen alten Individuen von Pelobates der
Knochen auf dem intervertebralen Knorpel getrennt auftritt und
nicht mit dem übrigen knöchernen Wirbelkörper verschmilzt, daß also
je zwei Halbwirbel angedeutet sind.
Während die Chorda am Anfang der Gelenkbildung, Kopf und
Pfanne noch durchsetzt, ja sie zuerst fast in zwei Hälften teilt, wird
sie später dort so vollkommen verdrängt, daß kaum mehr eine Spur
von ihr zu finden ist. In dem übrigen Teil des Wirbelkörpers,
namentlich also da, wo der Knochen schon in ganz früher Zeit er-
schien, bleibt sie lange, bei Rana sogar das ganze Leben hindurch
erhalten, während sie bei alten Exemplaren von Bufo und Hyla auch
hier verschwindet und durch verkakltes oder verknöchertes Gewebe er-
setzt wird. Der bei den Urodelen in der Mitte des Wirbels, wo die
Spitzen der beiden knöchernen Doppelkegel zusammenstoßen, so charakte-
ristisch ausgebildete Chordaknorpel fehlt den Anuren, deren
Wirbel, nebenbei bemerkt, auch nie die stundenglasförmige Gestalt
besitzen, vollständig.
Bei der bis jetzt betrachteten Entwickelungweise der Anuren-
wirbelsäule spielt die Chorda bis in die spätesten Stadien hinein eine
nicht unbeträchtliche Rolle, und die aus dem skelettbildenden Gewebe
sich entwickelnden Bestandteile des fertigen Wirbels bauen sich um
504
H. Schauinsland,
die Chorda herum auf. Gegenbaur nannte diesen Wirbeltypus, der
charakteristisch ist für Rana, Bufo, Hyla etc., daher auch den peri-
chordalen. Schon bei diesem fiel das Hauptgewicht bei der Wirbel-
bildung den dorsalen, knorpeligen Elementen zu; aber in noch viel
höherem Grade ist das bei dem epichordalen (Gegenbaur) Typus
(Notocentra, Gadow) der Fall, nach welchem die Wirbelsäule von Pipa,
Xenopus, Bombinator, Pelobates, Discoglossus, Alytes etc. gebaut ist.
NOÖ
wk hk
e
E
I oh
ob
— hk
ch hk
Fig. 286 a — e. Querschnitte durch die Wirbelsäule einer 15 mm langen Larve
von Pipa. Fig. 286a durch die mittlere, Fig. 286 b durch die hintere Rumpfgegend,
Fig. 286 c, d, e durch das Steißbein. Fig. 286 a ist der am weitsten kranial, Fig. 286 e
der am weitesten kaudal gelegene Schnitt. Fig. 286a, b 45mal, Fig. 286c, d, e 60mal
vergrößert, oh obere Bögen, hk hypochordaler Knorpel, ch Chorda (in Rück-
bildung). R Medullarkanal. wk Wirbelkörper, eine Platte darstellend, die nur durch
die verschmolzenen Basen der oberen Bögen gebildet wird (epichordaler Typus). Die
dem Knorpel bereits vielfach aufliegenden Knochenscherben sind durch einen tief-
dunklen Farbenton angedeutet.
Allerdings sind die beiden Bildungsarten durch Uebergänge miteinander
verknüpft. So findet sich bei Xenopus (Ridewood 1897, Schau-
insland) der hypodordale Knorpel in der ganzen Ausdehnung der
Wirbelsäule, ja an dem ersten Wirbel vereinigt er sich sogar mit dem
von den oberen Bögen stammenden Knorpel, so daß die Chorda hier
noch völlig von ihm eingeschlossen wird ; bei anderen wird er in der
Rumpfregion aber gänzlich unterdrückt und durch Bandmasse ersetzt,
so daß er allein nur noch am Urostyl (siehe weiter unten) vorkommt.
Mag dem aber sein, wie ihm wolle, für die ganze Formenreihe ist
es charakteristisch, daß die Chorda in früheren oder späteren Stadien
gänzlich rückgebildet und von dem fertigen Wirbel völlig ausgeschaltet
wird. Sie ist anfangs zwar wie gewöhnlich von der Chordascheide
und auch von einer mehr oder minder dicken skeletoblastischen Schicht
seitlich und ventral umgeben, bald aber haftet sie der dorsalen Knorpel-
masse nur wie ein loses Band noch an, verschwindet dann aber ganz,
und die geringen Reste des sie noch umgebenden Bindegewebes oder
Knorpels werden dem dorsalen Wirbelteil zugefügt (vergl. Fig. 286a— e).
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 505
Die Wirbel und die Gelenke werden daher so gut wie ausschließ-
lich nur aus dem anfangs an der oberen Seite der Chorda ent-
standenen Knorpel gebildet. Die Wirbelkörper stellen meistens breite
Platten dar (Fig. 286 a, b, 292), von denen sich die Bögen erheben.
Die Verknöcherung beginnt bei ihnen von zwei (!) Centren aus,
von denen das eine an dem vorderen, das andere an dem hinteren
Ende der Wirbelkörperplatte gelegen ist.
Schließlich haben wir noch die Entwickelung des Steißbeines
— Urostyls oder Os coccygis — jenes langen schwertförmigen
Knochens an dem distalen Wirbelsäuleneude zu betrachten, die so-
wohl bei den Formen mit perichordaler als auch bei denen mit epichor-
daler Wirbelsäule in derselben Weise verläuft (Duges, Gegenbaur,
Gadow). Auch dieser Teil des Axen Skelettes wird von einer dorsalen
und einer ventralen Knorpelmasse gebildet, die jedoch viel voluminöser
ist als im Rumpf. Anfangs besteht der dorsale Knorpel noch aus
zwei getrennten Längsstreifen; dann verschmelzen diese nicht nur
untereinander, sondern auch mit dem ventralen Knorpel, so daß die
erst noch völlig intakte Chorda ringsum gänzlich eingeschlossen ist.
Je weiter nach dem distalen Ende, in desto höherem Grade über-
wiegt der ventrale Knorpel (Fig. 286c, d,e), so daß der Urostyl
schließlich nur allein von ihm gebildet wird. Innerhalb des dorsalen
verläuft das dünne Medullarrohr, das aber gegen Ende des Larvenlebens
degeneriert und schließlich völlig reduziert wird, während der leere
Spinalkanal aber erhalten bleibt. Ebenso verschwindet die Chorda
samt ihrer Scheide, so daß dorsaler und ventraler Knorpel dann völlig
miteinander verlöten. An ihm lassen sich mit Ausnahme von zwei,
am vordersten Ende des Urostyls, die sich namentlich durch die ge-
sonderten oberen Bögen als solche dokumentieren, keine weiteren ge-
trennten Wirbel unterscheiden. Das ganze letzte Knorpelende entbehrt,
abgesehen von den anfänglich noch deutlichen Nervendurchtritten,
durchaus einer metameren Segmentation. Dennoch kann man mit Be-
stimmtheit sagen, daß eine ganze Reihe ursprünglicher Segmente zu
seiner Bildung beigetragen haben (bei Bombinator wahrscheinlich 12
mit Einschluß der beiden vorderen Wirbel, Gadow).
Schließlich erhält der Urostylknorpel an seiner Peripherie einen
dünnen Knochenbelag, der bereits beginnt, wenn die Chorda noch in-
takt ist, und allmählich wird er in einen einheithchen Knochen über-
geführt.
Das Axenskelett des Schwanzes, soweit dieser später bei der
Metamorphose der Larven zum ausgebildeten Tier resorbiert wird, bleibt
ein sehr primitives. Die Chorda stellt in ihm einen dicken Stab mit
dünner Scheide dar, die von Bindegewebe umgeben ist, welches dorsal
und ventral zur Umhüllung des Rückenmarkes und der Blutgefäße
stärker anschwillt und festere Konsistenz besitzt. Im Querschnitt
zeigen diese Verdickungen die Form eines Dreieckes, dessen Spitze
sich in die dorsale bezw. ventrale Kaudalflosse hineinerstreckt. Knorpel
ist nie vorhanden. —
Ueber den ersten Wirbel der Amphibien, den sog. Atlas, und
seine Entwickelung sind die Ansichten bis jetzt noch nicht zur Ueber-
einstimmung gelangt. Er besitzt bei den Urodelen einen dem Dens
des Epistropheus der Amnioten ähnlichen zahnartigen Fortsatz — Tuber-
culum interglenoidale Gaupp — von wechselnder Größe, der bei
Amphiuma z. B. sehr groß, bei Proteus dagegen nur recht unbedeutend
506 H. Schauinsland,
ist; bei den Anureu ist von ihm meistens nur noch eine kleine Spur
vorhanden, den Gymnophionen aber fehlt er ganz. Die Chorda durch-
zieht auch diesen Zahnfortsatz und wird in ihm in späteren Stadien in
Chordaknorpel verwandelt.
Man hat nun die Meinung ausgesprochen, daß der Amphibienatlas
nicht einen einzigen Wirbel darstellt, sondern daß der Wirbel selbst
eigentlich dem 2. Halswirbel (Epistropheus) entspricht und der mit
ihm verschmolzene Zahnfortsatz erst als der eigentliche Atlas zu deuten
ist (C. K. Hoffmann).
Auch sah man den odontoiden Fortsatz als den Körper eines „Pro-
atlas" an (Cope 1889) — dessen übrigen Bestandteile allerdings nirgends
zur Beobachtung gelangt sind. Gadow wiederum hält ihn für einen
besonderen Wirbelteil, dessen dorsalen Elemente wahrscheinlich mit
den occipitalen Partieen des Schädels verschmolzen sind, und gelangt
zu diesem Schluß namentlich deswegen, weil bei den Urodelen un-
mittelbar hinter dem Hinterhauptsbein oberhalb des Zahnfortsatzes und
dicht vor dem Atlas noch ein Spinalnerv vorhanden ist (Nervus sub-
occipitalis, = Nervus spinalis I = Nervus proatlanticus, Albrecht),
der bei Rana jedoch
P^"^^"' verloren gegangen ist,
prsp ^-^"^ so daß der erste Spi-
\ nalnerv des Frosches
p^ai p .^ ..^ i„^Sii§ erst dem zweiten der
Urodelen oder Bufo
entspricht.
..ob
Fig. 287. Ansicht eines
vorderen Rnmpfwirbels
^^__^, von rechts und etwas von
&.__—...,-_ *? der Dorsalseite her gesehen
von einer 43 mm langen
Larve von Menobran-
wk chus lateralis. Nach
m
einem Plattenmodell, vk
Wirbelkörper. ob oberer
Bogen, r Eippe. B Basal-
] stumpf, b dorsaler Fortsatz
I desselben, pr.sp. Processus
] spinosus. f>r.«rt.au.^ Pro-
/^'^ 1 I cessus articularis anterior
und posterior. (Nach GÖP-
PERT.)
^' ,
Demgegenüber glaubt Peter (1895) und mit ihm Gegenbaur
(1898), daß der Amphibienatlas sicher allein aus einem Wirbel ent-
standen sei. Bei der Bildung des Zahnfortsatzes dehnt sich nur der
Chordaknorpel des ersten Rumpfwirbels kranial aus, wie denn auch
seine Verknöcherung von diesem herrührt und nicht selbständig er-
folgt. Jedenfalls aber ist der erste Wirbel der Lurche nicht homolog
dem Atlas der Amnioten und besitzt auch nur äuß ere Aehnlichkeiten
mit dem zweiten Wirbel der höheren Tiere. Der sog. Atlas der
Amphibien entspricht einem Teil des Hinterhauptes der Amnioten, und
der Atlas der letzteren kann nur erst dem dritten oder einem noch
weiter kaudalwärts liegenden Wirbel der Amphibien gleichgestellt
werden (Peter).
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 507
Durch die Ausbildung eines atlasartigen Wirbels sind die Am-
phibien die ersten in der Reihe der Wirbeltiere, bei denen die Ver-
bindung des Schädels mit der Wirbelsäule durch ein wirkliches Ge-
lenk erfolgt.
Bei einigen Anuren, z. B. bei Ceratophrys, Breviceps, Brachy-
cephalus (Adolphi), Pipa, Xenopus etc., findet teils konstant, teils aus-
nahmsweise eine sekundäre Verschmelzung der beiden ersten Runipf-
wirbel statt, so daß der dadurch entstandene eine Wirbel den zwei
gesondert gebliebenen der übrigen Anurenformen entspricht. Bei Pipa
scheint übrigens diese Konkrescenz sich ontogenetisch kaum noch nach-
weisen zu lassen; wenigstens zeigt das Knorpelstadium schon keine
Spur mehr davon (Ridewood 1897).
Der Vollständigkeit wegen ist endlich noch zu erwähnen, daß auch
bei den Amphibien eine H y p o c h o r d a oder Subchorda vorkommt
(Fig. 278), und daß sie gerade bei diesen sehr sorgfältig untersucht
worden ist (Stöhr 1895, Field 1895, Bergfeldt 1896). Die Hypo-
chorda ist nach Stöhr bei Rana ebenfalls eutodermalen Ursprunges
und entsteht aus einer Leiste der dorsalen Darmwand. Man kann einen
Rumpf- und einen Kopfabschnitt an ihr unterscheiden, von denen der
letztere sich später entwickelt. Die Rumpfliypochorda schnürt sich,
vom Kopf zum Schwanz vorschreitend, von der Darmwand allmählich
ab, doch so, daß anfangs noch eine Anzahl von Verbindungsbrücken
bestehen bleiben, die während einiger Zeit eine segmentale Anordnung
erkennen lassen. Dann treten Hohlräume in der Hypochorda auf,
die an einzelneu Stellen derart angeordnet sind, daß sie aus kaudal-
wärts umgebogenen Schläuchen zusammengesetzt erscheint. Damit
ist der Höhepunkt in der Entwickelung erreicht, die Verbinduugs-
brücken schnüren sich von der Darmwand ab, und unter Abplattung
und Auseinanderweichen ihrer Elemente bildet sich die Hypochorda
völlig zurück. Bei Alytes (Bergfeldt) vollzieht sich die Entwickelung
und Rückbildung der Hypochorda in den Grundzügen ebenso wie bei
Rana, nur fehlt ihr ein Lumen, und auch der Kopfabschnitt läßt sich
nicht konstant nachweisen.
ß-ippen. Die Rippen der Amphibien müssen nach ihrer Lagerung
am horizontalen Myoseptum als obere aufgefaßt werden und sind hierin
den oberen Fischrippen, im besonderen also namentlich den Rippen der
Selachier, homolog. Während letztere jedoch stets mit den unteren
Bögen in direktem Zusammenhange stehen, ist dies bei den Amphibien
und den Amnioten nicht der Fall, da sie immer den oberen Bögen
mit Hilfe von knorpeligen Querfortsätzen angefügt sind. Sie machen da-
her scheinbar eine Ausnahme von der durch Gegenbaur aufgestellten
Regel, deren Richtigkeit auch wir bisher anerkannt haben, „daß die
Rippen Differenzierungen der unteren Bögen sind". Goette kam
daher zu dem Schluß, daß „bei den Amphibien die unteren Bögen
den oberen homotyp, beide aber den Rippen nicht gleichwertig sind".
Die Rippen der Amphibien und der Amnioten wären demnach morpho-
logisch ganz andere Gebilde wie die „Pleuralbögen" der Fische oder
die unteren Bögen in der Schwanzregion der höheren Wirbeltiere.
Ihre „Rippen stellen keine selbständigen Bildungen dar, sondern sie
wachsen in continuo mit den Querfortsätzen aus den oberen
Bögen hervor und gliedern sich erst später ab, können daher neben
unteren Bögen bestehen" (Goette). In der That finden sich am
Schwanz der Urodelen knorpelige Querfortsätze, die von den Neural-
508
H. Schauinsland,
bögen
und
entspringen, gleichzeitig mit den Hämalbögen (Fig. 290
291 b), wodurch namentlich auch Claus (1876) bestimmt wurde,
untere Bögen und Rippen für völlig verschiedene Bildungen anzusehen.
Ganz derselben Ansicht waren auch Hasse und Born (1879),
konnten aber ebenso wie Fick (1879) sich nicht mit der GoETTE'schen
Anschauung einverstanden erklären, daß die Rippen der Amphibien
Fig. 288. Eumjifwirbel einer 43 mm langen Larve von Menobranchus in
Flächenprojektion. ch Chorda, oh oberer Bogen. B Basalstumpf. b dorsaler Fort-
satz desselben, r ßippe. r^ dorsale Rippenspange, l Ligament zur Befestigung
derselben, a Grenze zwischen Rippe und Basalstumpf. k und k^ Knochengewebe.
av Arteria vertebralis. (Nach Göppert.)
samt den Querfortsätzen als ein einheitliches Ganze aus den oberen
Bögen hervorwüchsen, sondern behaupteten, „daß die Rippen nicht
aus den oberen Bögen hervorsprossen, sondern sich selbständig
anlegen und entwickeln" (Fick).
Daß Rabl auch bei den Amphibien und Amnioten die Selbständig-
keit der Rippen und ihre Unabhängigkeit von der Wirbelsäule be-
tont, war schon bei den Selachiern angeführt worden. Dagegen muß
hier noch die Auffassung Eimer's (1901) mitgeteilt werden, daß die
Rippen als selbständige Verknöcherungen der zwischen den Muskel-
metameren gelegenen Bindegewebsscheidewände zu betrachten seien,
wodurch sie den (Muskel-) Gräten der Fische entsprächen, denen sie
auch thatsächlich homolog wären. Sie stellten daher weder abge-
gliederte untere Bögen oder abgetrennte Querfortsätze dar, sondern
gliederten sich vielmehr an diese oder an die Wirbelkörper oder
auch an die oberen Bögen nachträglich erst an, während sie in
anderen Fällen wiederum auch ganz frei bleiben könnten (Bauchrippen).
Knickmeyer (1891) lehnt zwar ebenfalls die GEGENBAUR'sche
Anschauung von der Differenzierung der Rippen aus dem unteren
Bogensystem ab, beweist aber durch eine sorgfältige Untersuchung
bei Triton, daß die Querfortsätze zwar in Anlehn un g an die Neural-
bögen, aber doch unabhängig von ihnen entstehen (was durch
GÖPPERT bestätigt wurde) ; sie können demnach nicht als einfache
Auswüchse der oberen Bögen betrachtet werden.
Wie man sieht, liegt eine ganze Fülle von Anschauungen vor,
aus denen man aber doch nicht klar entnehmen kann, wie die Rippen
der Amphibien abzuleiten sind, ob sie den niederen Wirbeltieren
gegenüber als völlige Neubildungen aufgefaßt werden müssen, oder
ob sie doch an Zustände anknüpfen, die sich schon bei diesen finden.
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Eippen und Brustbein. 509
In Bezug hierauf sei zunächst daran erinnert, daß wir bereits bei
den Fischen vielfach eine gewisse Beweglichkeit und Plasticität der
unteren Bögen antrafen, die offenbar von der Muskulatur und im
Rumpf auch von den Contenta der Leibeshöhle in Abhängigkeit war.
So konnte man ein allmähliches Emporsteigen der unteren Bögen in
der Richtung vom Schwänze nach dem Kopfe hin mitunter bis zu den
Basen der oberen Bögen und selbst noch weiter dorsalwärs an diesen
hinauf beobachten (z. B. Torpedo , Rhodeus , Gasterosteus , Amia).
Andererseits zeigte sich aber auch die Fähigkeit des unteren Bogen-
systems, in eine ventrale und eine dorsale Partie zu zerfallen (z. B.
Laemargus, Amia).
Es ist demnach auch schon von vornherein zu erwarten, daß
solche Verlagerungen und Veränderungen der unteren Bögen und
damit auch der genetisch zu ihnen gehörigen Rippen ebenfalls bei
den Amphibien stattfinden werden.
Der Nachweis hierfür ist nun auch thatsächlich von Göppert in
einer vortrefflichen Arbeit (1896) gebracht worden, so daß es nun
möglich ist, die bei den Amphibien vorkommenden Verhältnisse sofort
an die bei den Fischen vorliegenden einfachen Zustände anzuknüpfen.
Fig. 289.
Fig. 290.
ch B,
Fig. 289. Rumpfwirbel einer neugeborenen Larve von Salamandramaculosa
in Flächenprojektion, ch Chorda, oh oberer Bogen, rt „Rippen träger", r Rippe.
a Grenze zwischen ihr und dem ßasalstumpf. r^ dorsale Rippenspange, a, Grenze
zwischen ihr und dem Rippenträger, av Arteria vertebralis. B^ Rest der Basis des
Basalstumpfes (ventrale Portion des unteren Bogens [Schauinsland]), ß Knochen-
spange an Stelle des proximalen Teiles des Basalstumpfes. (Nach Göpreet.)
Fig. 290. Zweiter Schwanzwirbel einer 23 mm langen Triton -Larve in
Flächenprojektion, ob obere, üb untere Bögen. Erstere sind dorsal vom Neuralkanal,
letztere ventral vom Kaudalkanal völlig miteinander verwachsen, ch Chorda, rt
„Rippenträger", av Arteria vertebralis. ß Knochenspange an Stelle des proximalen
Teiles des Basalstumpfes. (Nach Göppert.)
Die Resultate der GÖPPERT'schen Untersuchungen sind etwa
dem
folgende (Göppert 1898): Bei einem Vertreter
Menobranchus lateralis, findet sich in frühen
23 mm) ventral vom oberen Bogen (Fig. 287)
Knorpelstück vom
kaudalwärts
folgt man
er sich
Wirbelkörper ausgehend,
ist. Sein laterales Ende
sein Verhalten gegen den
mit dem andersseitigen zu
gerichtet
der U r 0 d e 1 e n ,
Stadien (Larven von
jederseits ein starkes
das lateral und etwas
trägt die Rippe. Ver-
Schwanz hin, so sieht man, daß
dem um den Kaudalkanal ge-
schlossenen unteren Bogen (Hämalbogen) vereinigt ; die Ansatzstelle der
Rippe ist auch hier noch erkennbar durch einen gegen das Horizontal-
septum gerichteten Vorsprung. Jenes Knorpelstück verhält
510
H. Schauinsland,
sich also ebenso wie der Basalstumpf der Selachier und
ist diesem auch ohne Zweifel homolog, wie denn auch die Rippe
in gleicher Weise wie bei den Selachiern am unteren Bogen-
system Befestigung findet. Nur in einem Punkte beginnt sich eine
Veränderung anzubahnen. Vom dorsalen Umfang des Basalstumpfes
steigt nämlich ein Gewebsstrang empor (Fig. 287, 288), der sich dem
oberen Bogen anlegt, von dessen Knorpel aber durch eine dünne
Knochenscheide getrennt wird.
Bei älteren Embryonen (Fig. 288) hat sich dieser Strang zu
Knorpel weiterentwickelt.
Vom Basalstumpf (Fig. 288) zieht demnach ein Knorpelstrang
empor, der an die Außenfläche des oberen Bogens herantritt und an
diesem eine Strecke weit dorsalwärts entlang läuft. An den meisten
pr art]}
-p^' art a
^,^
oh
wk
Fig. 291a. Ichthyophisglutinosus. Junge Larve, Rumpf wirbel von
rechts. Nach einem Plattenmodell, ob knorpelige Anlage des obereren Bogens und
seiner Anhänge, b Basalstumpf. r Rippe, r^ dorsale Eippenspange am vorderen (ie-
lenkfortsatz (pr.art.a.) befestigt. 2)r. art. p hinterer Gelenkfortsatz. «•^• Wirbelkörper.
(Nach GÖPPERT.)
Fig. 291b. Ichthyophis glutinosus. Aeltere Larve. Zweiter Wirbel
hinter dem After Flächenprojektion, chk Chordaknorpel. Der untere Bogen (üb) trägt
noch eine Rippe (?•). a Grenze zwischen Rippe und Bogen, ob oberer Bogen, ck
Kaudalkanal. (Nach Göppert.)
Stellen befindet sich zwischen den beiden Teilen eine Schicht Knochen-
gewebe, jedoch sind in dieser mehrfach Fenster vorhanden, durch die
hindurch ein Zusammenhang des Knorpels beider Bildungen besteht.
Die Rippe ist nunmehr an einem kompliziert gebauten Skelettstück
befestigt (Fig. 288), das Göppert als Rippen träger (== Quer-
fortsatz des erwachsenen Tieres) bezeichnet; in ihm ist der ursprüng-
liche Basalstumpf aufgegangen.
(Man wird diese durch Göppert geschilderten Vorgänge sehr
wahrscheinlich nicht unpassend vergleichen können, wie schon oben
bemerkt wurde, mit der bereits bei den Fischen vorhandenen Fähig-
keit des unteren Bogensystems, in eine dorsale und eine ventrale Partie
zu zerfallen, von denen die erste bis zu den oberen Bögen hinauf-
rücken kann — wenn auch nicht so hoch wie bei den Amphibien, bei
welchen schon allein das relative Größenverhältnis zwischen Wirbel-
Die Eiitwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 511
körper und oberem Bogen ein solches Wandern viel mehr begünstigt
— und im Rumpf die Rippe trägt, während das ventrale viel unbe-
deutender bleibt und reduzierter erscheint. Man vergleiche z. B.
Fig. 238, 239 mit Fig. 288 u. 289; Schauinsland.)
An der Hand der bei Menobranchus erworbenen Kenntnisse läßt
sich dann auch das Verhalten der Rippen anderer Urodelen verstehen.
Bei den Salamandrinen (Fig. 289) ist der Anteil des Basalstumpfes
am Aufbau des Rippeuträgers (rt) bereits stark reduziert, selbst
sein medialer, am Wirbelkörper befestigter Teil ist fast völlig ge-
schwunden und durch eine dünne Knochenspange (ß), die schon
GoETTE (1875) beschrieben hatte, ersetzt. Nur hin und wieder
kommen auch noch bei Salamandra Reste dieser ventralen Partieen
des unteren Bogeusystemes vor (i?i). Jedenfalls läßt der Rippen-
träger nicht ohne weiteres erkennen, daß er Bestandteile des unteren
Bogensystems enthält, und namentlich lassen sich seine Beziehungen
zu diesem am Schwanz kaum noch vermuten. Bei Triton z. B.
(Fig. 290) findet man die Rippenträger der Rumpfregion als Quer-
fortsätze wieder, die vom oberen Bogen abgehen, dabei aber von
diesem oft noch durch eine Knochenschicht völlig gesondert sind.
Ebenso wie am Rumpf besitzen sie am Wirbelkörper noch eine zweite
Befestigung durch eine Knochenspange (ß), die von dem unteren
Bogen ganz getrennt ist.
Querfortsätze, die ebenso wie jene bei Triton am medialen Rand
des Horizontalseptums enden, besitzt auch Menobranchus in der
Schwanzregion, hier gehen sie aber vom unteren Bogen aus und
liegen ventral von der Arteria vertebralis, während sie l)ei
Triton dorsal von diesem Gefäß gelagert sind (Fig. 290). [Die
Arteria vertebralis ist offenbar ein Sammelgefäß (Göppert), das
augenscheinlich aus den Anastomosen der Intercostalarterien, die jeden-
falls ihrerseits identisch sind mit den ursprünglichen, zwischen den
Ursegmenten verlaufenden Intersegmentalgefäßen, entstanden ist. Sie
steht bei Proteus und Siren durch Vermittelung der Intercostalarterien
noch in jedem Segment dauernd mit der Aorta in Verbindung, In
der Reihe der übrigen Urodelen schwinden diese segmentalen Ver-
bindungen jedoch allmählich.]
Man kann nun nach Göppert annehmen, daß die Salamandrinen
ursprünglich Querfortsätze besaßen , die denen von Menobranchus
glichen, also von den unteren Bögen ausgingen. Später erhielten sie
dann noch eine zweite Befestigung an den oberen Bögen ; darauf ging
ihr basales Stück verloren und wurde durch eine Knochenspange (/i)
ersetzt, die endlich ihre Verbindung mit dem Hämalbogen einbüßte,
indem sie am Wirbelkörper dorsalwärts rückte.
Bezüglich des Verhaltens des Rippenträgers zum oberen Bogen
ist es beachtenswert, daß diese beiden Teile bei Triton bereits in viel
innigerer Verbindung stehen als bei Menobranchus und Salamandra,
da die trennende Knochenschicht zwischen ihnen hier viel weniger aus-
gedehnt ist wie bei den beiden anderen Formen. Damit sind also
schon Zustände angebahnt, wie sie bei den Sauriern bestehen, bei
welchen der Rippenträger ganz mit dem oberen Bogen verschmolzen
ist, einen Querfortsatz desselben darstellt, und nichts mehr darauf hin-
weist, daß ursprünglich fremde Bestandteile in den oberen Bögen auf-
gegangen sind.
Anders liegen die Verhältnisse bei den G y m n o p h i o n e n. Bei
512 H. Schauinsland,
jungen Larven von Ichthyophis glutinosa (Fig. 291 a) ist die Rippe an
einem langen, als Processus transversus inferior (Wiedersheim) be-
zeichnetem, Knorpelstab (6), der vom oberen Bogen schräg nach vorn
läuft und außerdem noch mittelst einer dorsalen Spange (r,) auch an
Teilen des oberen Bogens befestigt. Verfolgt man den Processus trans-
versus inferior weiter kaudalwärts, so gewahrt man, daß er allmählich
in die unteren Schwanzbögen, Hämalbögen, übergeht (Fig. 291 b) ; er ist
demnach nur ein dorsal verlagerter Basalstumpf, eine Auf-
fassung, die auch noch dadurch unterstützt wird, daß der Querfortsatz
ebenso wie der Basalstumpf von Menobranchus ventral von der
Arteria vertebralis collateralis liegt. Also auch hier kann die Rippen-
verbindung von den Zuständen bei den Selachiern abgeleitet werden.
Dasselbe ist auch bei den Anuren der Fall, bei denen die
Rippen mit den langen Querfortsätzen der oberen Bögen verschmolzen
sind (Fig. 292). Göppert glaubt nicht, daß jene Querfortsätze
Bildungen ganz eigener Art, etwa Auswüchse der oberen Bögen dar-
stellen, sondern hält sie ebenso wie bei den Gymnophionen für einfach
wk
Fig. 292. B ombinator i gneus. Junges Tier unmittelbar nach Beendigung der
Metamorphose. Flächenprojektion des dritten Rumpfwirbels, ob oberer Bogen, wk
Wirbelkörper (epichordaler Typus). R MeduUarkanal. b Basalstumpf. r Rippe.
a Grenze zwischen dieser und dem Basalstumpf. av Arteria vertebralis. (Nach
Göppert.)
dorsal verschobene Basalstümpfe. Als ausschlaggebend hierfür sieht
er ihre Lage zu der Arteria vertebralis an, die dem gleichbenannten
Gefäß der übrigen Amphibien seiner Meinung nach homolog ist. (Nach
G. Schöne, 1902, sind diese Arterien bei den Urodelen und den
Anuren allerdings nicht ohne weiteres zu identifizieren, da sie bei
den ersteren ventral, bei letzteren dorsal vom Spinal ganglion
verlaufen.) Der Querfortsatz der Anuren liegt nämlich gleich dem
der Gymnophionen ventral von der Arterie, während der knorpelige
Rippenträger der Salamandrinen dorsal von ihr sich befindet.
Göppert's Auffassung der Rippen der Amphibien geht also dahin,
daß sie bei allen Ordnungen derselben, ebenso wie bei den Selachiern
Abgliederungen des primitiven Basalstumpfes seien, also in gene-
tischem Zusammenhang mit Teilen ständen, die zum unteren
Bogensystem gehören, daß sie aber Verbindungen mit den oberen
Bögen erhalten hätten. Bei keinem der heutigen Amphibien finden
sich nach ihm ursprüngliche Verhältnisse der Rippenbefestigung, doch
scheinen einige Stegocephalen, z. B. Microbrachis mollis und Diploverte-
bron punctatum, Rippen besessen zu haben, die an Basalstümpfen
angeheftet waren, welche ihre primitive Lage an dem Wirbelkörper
noch nicht aufgegeben hatten.
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Hippen und Brustbein. 513
Die dorsale Verlagerung der Rippen und ihres Tragapparates
steht nach Göppert's Untersuchungen im Zusammenhang mit einer
gleichsinnigen Verschiebung des horizontalen Myoseptums, wenigstens
ist das bei den Ur od eleu und Anuren der Fall.
Bei den Urodelen, Gymnophionen und vielen Stegocephalen ist
das proximale Rippenende gegabelt; es findet sich bei ihnen entweder
eine ausgesprochene Zweiköpfigkeit, oder wenigstens eine dieser
entsprechende Furche (Fig. 288, 289, 291a). Goette (1878, 1879)
sah nun bei jungen Salamandern und Tritonen, daß sich die dorsale
Spange dieser gegabelten Rippen gesondert anlegt, sich dann erst
dem Hauptteil der Rippen anfügt und dabei bisweilen sogar ihre
Selbständigkeit nicht völlig einbüßt, sondern distal mit einem freien
Ende ausläuft. Er faßt daher die Amphibienrippen — ebenso wie
auch schon August Müller (1853) — als eine Doppelbildung auf.
Auch Knickmeyer fand bei Triton in der oberen Spange das
Auftreten hyaliner Grundsubstanz getrennt von dem Knorpelgewebe
der eigentlichen Rippen.
GÖPPERT beobachtete ebenfalls wohl hin und wieder eine selb-
ständige Entwickelung der dorsalen Spange, hält diese Fälle aber
nur für Rückbildungserscheinungen. Die dorsale Spange tritt nach
ihm in der Regel als ein kleiner Fortsatz der Rippe auf, der erst
später, sich dorsalwärts ausdehnend, den Rippenträger erreicht; der
ventrale Teil des proximalen Rippenabschnittes geht in jeder Hinsicht
dem dorsalen voran. Die Zweiköpfigkeit der Urodelenrippe ist nach
GÖPPERT nur so zu erklären, daß die dorsale Spange auch phylo-
genetisch einen einfachen Auswuchs der Rippe vorstellt, der im
Dienst einer sekun dar en Befestigung derselben an der Wirbelsäule
entstanden ist.
Immerhin erscheint es auch nach diesen Untersuchungen noch
wünschenswert, dem Problem der gegabelten Amphibienrippen auch
fernerhin noch nachzugehen ; unbeschadet der Richtigkeit der Göppert-
schen Angaben könnte bei der Beteiligung zweier Skierotomhälften
an dem Aufbau jedes Wirbels dieser Vorgang doch von Einfluß auf
die Entstehung der Zweiköpfigkeit sein.
Mancherlei deutet darauf hin, daß die Rippen der heute lebenden
Amphibien in Hinsicht auf ihre Vorfahren in Rückbildung begriffen
sind. Sie sind kurz und wenig gewölbt und dienen kaum zur Um-
schließung der Leibeshöhle. Bei den Anuren fehlen sie sogar zum
größten Teil und sind nur auf wenige Wirbel beschränkt. (So kommen
z. B. bei der Larve von Pipa und Xenopus nur an zwei Wirbeln
distinkte Rippen vor, die später mit dem sie tragenden Basalstumpf
zu langen „Processus transversi" verschmelzen. Ridewood 1897.)
Man kann mit einem gewissen Grade von Wahrscheinlichkeit an-
nehmen, daß ehemals die vorderen Rumpfrippen ganz erheblich länger
gewesen sein müssen, als es jetzt der Fall ist, und gelangt damit zur
Möglichkeit, gewisse „bauchrippenähnliche" Knorpelbildungen, welche
von Goette (1877) in oberflächlichen Schichten der Bauchmuskulatur
den ventralen Enden eines (Bombinator) oder auch mehrerer Paare
von Transversalsepten eingelagert aufgefunden wurden, als die Pro-
dukte ehemals vorhandener, jetzt aber reduzierter Rippen aufzufassen.
Diese Anschauung Gegenbaur's wird von Goette selbst nicht
geteilt. Dieser bestreitet auch, daß man von einem costalen Stern um
Handbuch der Entwickelungslehre. III. 2. 33
514 H. Schauinsland,
bei den Amphibien sprechen dürfe, wie es Cuvier, Duges, Gegen-
BAUR, Parker, Rüge thun.
Nach Gegenbaur sind die mit dem Schultergürtel in Verbindung
getretenen sternalen Knorpelstücke nicht als isolierte, in loco ent-
standene Teile zu betrachten, sondern als Gebilde anzusehen, welche
ihre Entwickelung Rippen verdanken, mit denen früher noch ein un-
mittelbarer Zusammenhang bestand, der im Laufe der Phylogenese
jedoch verloren ging.
Amnioten.
(Reptilia, Aves, Mammalia.)
Hauptsächlichste Litteratur. Reptilien: Rathke 1839, 1848, 1866;
HYRTL1853; Gegenbaur 1862,1867,1898; CK. Hoffmann 1878, 1879; Albrecht
1880, 1883; Baur 1886, 1895; v. Ebner 1888, 1892; Cornet 1888; Corning 1891;
Gadow 1896; Goette 1897; Männer 1899; Schauinsland 1900; Howes u.
SwiNNERTON 1901; Baldus 1901. Aves: Remak 1855; Jäger 1858; Gegenbaur
1862, 1867, 1871; Schwarck 1878; Froriep 1883; Gadow 1891, 1896; Männich
1902. aiammaUa: Schwegel 1858; Eobin 1864; Hasse 1873; Hasse und
Schwarck 1873; Rosenberg 1875, 1883, 1896, 1899; Löwe 1879; Leboucq 1880;
Holl 1882; Froriep 1886; Macalister 1893, 1894; O. Schultze 1896, 1897;
Hagen 1900; Weiss 1901; Bardeen 1904; Adolphi 1905. Rippen: Gegenbaur
1867- Claus 1876; C. K. Hoffmann 1878, 1879; Blessig 1885; Hatschek 1889;
Haycraft 1890; Dollo 1892; Rabl 1892; Goette 1900; Schöne 1902. Sternum:
Rathke 1838, 1853; Blanchard 1859; Parker 1868; Gegenbaur 1876; Goette
1877 • C. K. Hoffmann 1879 ; Rüge 1880 ; Schauinsland 1900 ; Fürbringer 1900 ;
Paterson 1900, 1904; Marko wski 1902, 1905; Eggeling 1904.
Es wird sich empfehlen wegen der vielen gemeinsamen Züge die
Amnioten im Zusammenhange zu betrachten und zwar unter vor-
nehmlicher Berücksichtigung der Reptilien; es erscheint
dies auch schon dadurch geboten, weil in den letzten Jahren das
Studium der Wirbelsäulenentwickelung bei den Vögeln und Säuge-
tieren, seit den sorgfältigen Arbeiten Froriep's, weniger Beachtung
gefunden hat, namentlich auch in Bezug auf die neuen Probleme, die bei
den übrigen Vertebraten zu so lebhaften Erörterungen geführt haben.
Alle Amnioten stimmen darin überein, daß bei ihnen im Gegen-
satz zu den niederen Vertebraten die Chorda an Bedeutung sehr
verloren und ihre ursprüngliche Funktion, als Stützorgan zu dienen,
so gut wie völlig eingebüßt hat. Angelegt wird sie freilich noch
immer in ebenderselben Weise, wie wir es bei den übrigen Ab-
teilungen sahen; ihre anfangs protoplasmatischen Zellen werden va-
kuolisiert, ein Vorgang, der zunächst in der Nähe des Kopfes beginnt,
um darauf nach dem Schwanz hin weiter fortzuschreiten; die Chorda
bildet dann in gewissen jugendlichen Stadien einen fortlaufenden Stab
von ziemlich gleichmäßiger Dicke, an dem Einschnürungen oder andere
Veränderungen (Fig. 299) sich noch nicht bemerkbar machen. Ent-
sprechend der geringen Bedeutung der Chorda für den Aufbau der
Wirbelsäule gegenüber dem von den Ursegmenten abstammenden
Bildungsraaterial tritt auch die Entwickelung ihrer Scheide recht
zurück. Man kann in der Regel nur eine einzige unterscheiden,
deren Dicke stets sehr gering bleibt. In ihrem Aussehen gleicht sie
der Elastica (externa) der anderen Vertebraten, und man wird sie
dieser auch wahrscheinlich geichzusetzen haben; doch wäre eine ge-
nauere Untersuchung ihrer Herkunft erwünscht, da auch bei den Am-
nioten eine Rindenschicht der Chorda (Chordaepithel) vorhanden ist,
und es somit nachzuweisen wäre, warum diese im Gegensatz zu den
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 515
niederen Wirbeltieren es hier zur Abscheidung einer Faser scheide
nicht bringt.
Nur bei Sphenodon kann man an günstigen Präparaten älterer
Embryonen (und auch größerer Tiere) namentlich in der Inter-
vertebralregion eine äußere, ganz dünne und eine innere, mehr volu-
minöse Schicht der Chordascheide entdecken, die man als elastische
und als Faserscheide anzusprechen haben wird , so daß sich hier
also noch Verhältnisse finden, die zu Zuständen bei Urodelen, unter
welchen ja auch Formen mit sehr schwach entwickelter Chordascheide
vorkommen, herüberleiten (Schauinsland).
Bei Sphenodon liegen in der centralen Chordaachse junger Em-
bryonen eigentümliche dünne, schlauch- oder stabförmige Partikel von
oft nicht unbedeutender Länge, die vielleicht als Rudimente eines
Chordastranges, wie wir ihn bei den niederen Wirbeltieren vor-
fanden, zu deuten sind (Schauinsland).
Die Cylinderform der Chorda wird durch die Wachstumsvorgänge
der perichordalen Elemente bei der Entwickelung der Wirbelkörper
und der intervertebralen Partieen bald stark beeinflußt.
In ähnlicher Weise wie bei Lepidosteus und den Amphibien
wird die Chorda bei der Ausbildung der Gelenkverbindungen an den
Wirbelkörpern intervertebral komprimiert, und zwar kann
mau feststellen (bei Anguis, Goette 1897), daß die erste Zusammen-
schnürung durch den wachsenden Gelenkkopf hervorgerufen wird.
Die Einschnürung erfolgt entweder ziemlich gleichmäßig konzentrisch
(z. B. bei Lacerta) oder nur von beiden Seiten her (z. B. Anguis),
so daß dann die Chorda ein schmales hohes Band darstellt, durch
welches Gelenkkopf und Pfanne in zwei Hälften getrennt sind. All-
mählich wird die Chorda an diesen Stellen fadendünn (Fig. 293), um
dann schließlich intervertebral gänzlich zu verschwinden, wodurch
der ehemalige kontinuierliche Chordastab in einzelne Teilstücke zer-
legt ist, deren Zahl mit der Wirbelzahl übereinstimmt. Die verte-
bralen Chordareste sind kranial breit und rund, kaudal schmal und
spitz (Fig. 293). Von dem dünnen, hinteren Ende aus findet dann
die weitere Verkürzung statt, so daß die Chorda bald nur die
vordere Hälfte des Wirbelkörpers einnimmt (Goette 1897). Ein
völliges Schwinden auch der vertebralen Chorda tritt später in der
Regel ein (bei Lacerta z. B. nach Ablauf des ersten Jahres [Gegen-
baur 1862]).
Bei jenen Reptilien, denen eine gelenkige Verbindung der Wirbel-
säule nicht zukommt, den Ascalaboten und Sphenodon, zieht
die Chorda dauernd durch die ganze Wirbelsäule. In jungen
Stadien paßt sie sich dabei der amphicölen Form der Wirbelkörper
vollkommen an und füllt die hohlen Doppelkegel derselben aus. Sie
ist in der Mitte der Wirbelkörper am dünnsten und schwillt inter-
vertebral nicht unbeträchtlich an; in dieser Hinsicht stehen jene
Reptilien also in starkem Gegensatz zu den übrigen, und erinnern an
viel niedrigere Formen, die Perennibranchiateu. Später allerdings
wird durch das centripetale Vordringen der intervertebralen
Wirbelsäulenelemente die Chorda zwischen den einzelnen Wirbeln
mehr oder weniger stark zurückgedrängt (Fig. 306) und seitlich zu-
sammengepreßt, was an den Schwanzwirbeln älterer Tiere so weit
gehen kann , daß sie hier fast oder sogar völlig durchtrennt wird
(Goette).
33*
516
H. Schauinsland,
Endlich ist noch
gezeichneter Weise z,
der Mitte der Wirbel
ch
ZU erwähnen, daß bei vielen Reptilien, in aus-
B. bei den Geckonen und bei Sphenodon, in
ein C h 0 r d a k n 0 r p e 1 vorkommt, in ganz ähn-
licher Weise, wie es früher bei den Uro-
delen beschrieben wurde. Schon 1862
leitete ihn Gegenbaur aus der Umwand-
lung der Chordazellen selbst her. Von
Gadow (1896) wurde dieses entschieden
— für Gecko und Sphenodon jedoch
zweifellos mit Unrecht — bestritten.
Neuere Untersuchungen bei Sphenodon
(Schauinsland 1900) haben aber die
Richtigkeit der GEGENBAUR'schen An-
sicht vollständig erwiesen. Bei diesem
Objekt nehmen genau in der Mitte des
Fig. 298. Frontalschuitt durch einen Schwanz-
wirbel von Anguis fragilis nach Goette. ch
Chorda (in Rückbildung), cA, fadenförmig ver-
dünnter Rest derselben innerhalb des Gelenk-
kopfes {iv). iv^ Gelenkpfanne, m künftige Gelenk-
höhle, k periostaler Knochen, mh Markhöhle.
Wirbels die peripheren Chordazellen, vom Chordaepithel aus beginnend
(Fig. 309), zuerst an der ventralen, bald darauf auch an der dorsalen
Seite ein knorpel-, später knochenartiges Aussehen an ; sie bilden zu-
nächst einen schmalen Ring, der sich bald verdickt und die Chorda an
dieser Stelle einengt, später aber — namentlich an den Schwanzwirbeln
— zu einer geschlossenen Scheibe wird, welche die Chorda in jedem
Wirbel vollständig in zwei Teile zerlegt (Fig. 307 a). Von Howes und
SwiNNERTON (1901) wurdeu diese Beobachtungen für Sphenodon und
Gecko bestätigt, für Lacerta jedoch die Möglichkeit, daß Gadow's An-
gaben vom e ktochordalen Ursprung des Knorpels richtig seien,
zugegeben. Bezüglich des letzten Punktes ist aber zu bemerken, daß
es sich wahrscheinlich bei Lacerta gar nicht um einen „Chordaknorpel"
handelt, sondern daß hier nur bei dem allmählichen Verschwinden
des vertebralen Chordarestes der Knorpel des W i r b e 1 k ö r p e r s nach
innen wächst und das Gewebe der Chorda unter Einschnürung ihrer
Scheide bis zum völligen Schwund zusammenpreßt. -—
Die Vögel zeigen in dem Verhalten der Chorda sehr große
Aehnlichkeit mit den Reptilien (abgesehen von den zuletzt genannten
Formen). Besitzt in jungen Stadien die Chorda, welche anfangs eben-
falls völlig cylinderförmig war, eine Zeit hindurch intervertebral zwar
auch einen etwas größeren Durchmesser als vertebral (Fig. 320) —
wie es Froriep (1883) vom Huhn nachwies — so zeigt später, ebenso
wie bei den Reptilien (beim Huhn etwa am 10. Bebrütungstage —
Gegenbaur 1862). das innerhalb eines Wirbelkörpers verlaufende
Chordastück eine mittlere Erweiterung. Hierzu treten noch nach
den Wirbelenden hin zwei kleinere Ausbuchtungen, so daß auf eine
Wirbelkörper drei erweiterte und vier verengerte Strecken der Chorda
kommen ; zwei der letzteren sind mit den benachbarten Wirbelkörpern,
da sie intervertebral liegen , gemeinsam. Die mittlere Anschwellung
bleibt während des ganzen Embryonallebens bestehen ; zwischen den
Wirbelkörpern dagegen geht die Chorda schon vorher während der
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 517
Gelenkbiklung verloren. (Nur unbedeutende Reste von ihr erhalten
sich anfangs auch noch innerhalb der Zwischenwirbelbandscheiben;
sie liegen dort in einen longitudinalen Strang eingeschlossen, der die
einzelnen Wirbelkörper als „Ligamentum Suspensorium" ver-
bindet — G. JÄGER 1858; dieses Verhalten erinnert übrigens an die
Krokodile.)
Der vertebrale Ghordarest wandelt sich nach Gegenbaur (1862)
ungefähr um die Zeit des Ausschlüpfens in Knorpelzellen um, wobei
die Scheide verloren geht; leider ist aus seinen Angaben dabei aber
nicht zu ersehen, ob dieser Knorpel dem vorher besprochenen Chorda-
knorpel der Reptilien direkt zu vergleichen ist — was allerdings recht
wahrscheinlich ist — oder nicht. Durch die Markbildung im Wirbel-
körper wird schließlich auch dieser Knorpel aufgelöst, und damit ist
dann jede Spur der Chorda verschwunden. —
Bei den Säugetieren endlich erfolgt der Schwund der Chorda
am frühzeitigsten von allen Wirbeltieren, und zwar geht sie, ent-
sprechend der raschen Ausbildung kompakter knorpeliger Wirbel-
körper, am ehesten vertebral verloren, während Reste von ihr inter-
vertebral lange, selbst das Leben hindurch bestehen können, also gerade
das umgekehrte Verhalten wie bei den Sauropsiden zeigen. Anfangs
besitzt die Chorda noch eine wohlausgebildete Scheide und bietet eine
kurze Zeit hindurch ein rosenkranzförmiges Aussehen , indem sie
eine beträchtliche Anschwellung intervertebral und eine geringere in
der Wirbelmitte aufweist (L. Löwe 1879).
Die Verbindungsbrücken dieser Erweiterungen schwinden rasch
völlig, aber auch der dann übrig bleibende spindelförmige, vertebrale
Chordarest geht beim ersten Auftreten der Verknöcherungspunkte
gänzlich verloren (Fig. 322, 323). (In den lange Zeit knorpelig bleiben-
den Teilen der Wirbelsäule, z. B. im Steißbein und im Zahnfortsatz des
Epistropheus, erhalten sich beim Menschen jedoch noch bis nach der
Geburt vertebrale Chordaspuren ; 0. Schultze.)
Intervertebral bleibt die Chorda nicht nur bestehen (Fig. 322,
323), sondern sie wuchert dort geradezu, wobei sie die Neigung zeigt,
mit dem sie umgebenden Bindegewebe nach Verlust ihrer Scheide zu
verschmelzen (Leboucq 1880).
Der Nucleus pulposus oder gelatinosus des Interverte-
bralligamentes (Zwischenwirbelscheibe) älterer Tiere besteht jedenfalls
aus solchen gemeinschaftlichen Wucherungen der Chorda und
des ihr nächst anliegenden Gewebes. G. Jäger ist wohl im Recht,
wenn er prinzipiell den Gallertkern des Meniscus der Säugetiere mit
dem — oben erwähnten — intervertebralen Längsband der Vögel
vergleicht.
Ueber das vordere Ende der Chorda und ihr Verhalten
innerhalb des Schädels vergleiche man die Arbeiten von Mihalkovics
(1875), Froriep (1882), Kann (1888), Carius (1888), Keibel (1889),
Schauinsland (1900) u. A., sowie die Abhandlung von Gaupp über
die Entwickelung des Schädels in diesem Handbuch.
Auch die Amnioten besitzen einen Chordastab (V.Schmidt),
d. h. das letzte Ende der Chorda wird bei ihnen nicht vakuolisiert,
sondern während der Zeit seines Bestehens dauernd aus protoplas-
matischen Zellen zusammengesetzt. Dabei krümmt sich nicht selten
dieser Chordaabschnitt nach der einen oder der anderen Seite (Rep-
tilien) oder spaltet sich auch (Fig. 294). Bei den Säugetieren hat er
518
H. Schauinsland,
meistens einen geschlängelten Verlauf und wickelt sich dann schließlich
zu einem Knötchen auf.
Schon von den Teleostiern an war die Chorda am Schwanzende
etwas länger als die Anlage der knorpehgen Wirbelsäule. Diese
Tendenz zur Reduktion des Achsenskelettes tritt bei den Amnioten
noch deutlicher hervor. M. Braun (1881 und 1882) wies an Vogel-
embryouen (Wellenpapagei, Ente, Taube, Sperling) nach, daß das
Fig. 294.
Fig. 295.
^
ins
Fig. 294. Querschnitt durch das hinterste Schwanzende eines 2 cm langen
Embryos von Puffinus cuneatus bei 64-maliger Vergrößerung, ch das gespaltene
Chordaende, vt die blasenartige Anschwellung des hintersten Abschnittes des Me-
dullarrohres (Ventriculus terminalis).
Fig. 295. Sagittaler Längsschnitt durch das hinterste Körperende eines älteren
Embryo von Spheniscus demersus. wk Wirbelkörper, oh obere Bögen. R Rücken-
mark, vt eigentümliche, kugelförmige Anschwellung des Rückenmarks, bereits außer-
halb des letzten oberen Bogens liegend. R^ solider Nervenstrang, der die An-
schwellung mit dem Rückenmark verbindet.
letzte Chordaende, das Chordastäbchen, später völlig resorbiert
wird. Er berichtet ferner (1882, nachdem schon E. Rosenberg
1875 bei einem menschlichen Embryo gefunden hatte, daß sich die
Chorda noch jenseits des letzten Wirbels erstrecke), daß bei einer
Reihe Säugetier embryonen ebenfalls am äußersten Schwanzende
Wirbel nicht mehr vorhanden seien, sondern daß dort die Chorda
allein sich in kleinen eigentümlichen (schon von Ecker, Stieda und
Rosenberg gesehenen) Anhängen, die er Seh wanz knöpf chen
oder Schwanzfäden nennt, welche später einem völligen Schwunde
anheimfielen, befände.
Derartige „Schwanzknöpfe" kommen übrigens auch in bestimmten
Stadien der Entwickelung bei Reptilien (Lacerta vivipara, Tropidonotus
natrix etc.; Schauinsland) und Vögeln vor (M. Braun, Schau-
insland). Namentlich bei letzteren sind sie von bedeutender
Größe, wenn auch nicht so scharf abgesetzt wie bei den Mammalien,
Die Grenze zwischen dem, mitsamt der in ihm enthaltenen Chorda der
Resorption anheimfallenden und dem bleibenden Schwanzabschnitt wird
durch den Ventriculus terminalis (W. Krause), jene blasenartige Er-
weiterung am Ende des Medullarrohres, gebildet (Fig. 294). Diese
ist bei einigen Vögeln (Spheniscus demersus, Puffinus cuneatus) von
ganz erstaunlicher Größe (Fig. 294, 295; Schauinsland 1890) und
findet sich selbst bei ganz alten Embryonen an der äußersten Schwanz-
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 519
spitze außerhalb des letzten Wirbels; in dieser Zeit steht er dann
nur noch durch einen ziemlich dünnen und fast ganz soliden Strang
mit dem Rückenmark in Verbindung (Fig. 295). Da von ihm aus
äußerst zahlreiche und beträchtlich dicke Nervenstränge in das Schwanz-
knöpfchen abgehen, so könnte man geneigt sein, dabei an ein embryo-
nales Sinnesorgan zu denken, eine Vermutung, die auch Braun bereits
beim Wellensittich aussprach.
Die Neigung zur Verkürzung der kaudalen Wirbelsäule findet
auch ihren Ausdruck in der häufig zur Beobachtung gelangenden Ver-
schmelzung der letzten Schwanzwirbel zu einem Uro styl; ein solcher
findet sich nicht nur — mit wenigen Ausnahmen — regelmäßig bei
den Vögeln, sondern in geringerem Maße auch bei Mammalien, z. B.
beim Schaf und Schwein (M. Braun 1882, R. Bonnet 1888).
Zu bemerken ist endlich noch, daß sich die Rückbildungs-
erscheinungen und namentlich die zu lang angelegte Chorda nicht
etwa, wie man vielleicht meinen sollte, am meisten bei Tieren mit
ml cl
wji.'hlW'^-
ch ao sei
Fig. 296. Querschnitt durch den Eumpf eines jungen Embryos von Sphenodon.
Vergr. 90mal. Der Schnitt geht etwa durch die Mitte eines Ursegments. d Cutis-
lamelle, ml Muskellamelle des Ursegments. sei Skierotom. ao Aorta, ch Chorda.
E Rückenmark, u Urnierengänge.
kurzen Schwänzen finden, sondern daß sie im Gegenteil in
Ausbildung bei langschwänz igen Arten vorkommen, und
größter
viel-
leicht gerade deswegen, weil bei diesen der Reduktionsprozeß noch
am lebhaftesten in Fluß ist (M. Braun). —
Charakteristisch für alle Amnioten ist es, daß von vornherein die
Anlage des Skierotoms außerordentlich zellenreich ist, und
daß somit der von den Ursegmenten abstammende Anteil des axialen
Skelettes den chordalen gleich von frühen Stadien an bedeutend über-
wiegt. Sie stehen dadurch im Gegensatz zu der Mehrzahl der An-
amnier, wenngleich sich auch bei einigen von diesen, so namentlich bei
den Rajiden und Anuren, schon Anklänge an die hier vorliegenden
Verhältnisse finden.
Die Entstehung des Skierotoms selbst weicht im Prinzip nicht
von der Entwickelungsweise ab, wie sie bei den Anamniern vorkommt.
520
H. Schauinsland,
Während bei diesen jedoch meistens nur ein verhältnismäßig kleiner
Abschnitt der Ursegmente für seine Bildung verbraucht wird, findet
bei den Amnioten der größte Teil der inneren, der Chorda und dem
Rückenmark zugewendeten Ursegmentlamelle nach den neuesten Schii-
so gar
derungen
Maurer, p,
Masse für
28^ in
diesen
III, 1
Zweck
dieses Handbuches)
Verwendung. Gleichzeitig
Bildung der Skierotome aber auch der sogenannte
die
(siehe
deren gesamt
beteiligt sich an der
„Ur wir beikern", d. h. jene für die Amnioten charakteristische
Zeihnasse, die die Ursegmenthöhle in gewissen Stadien zum grollten
Teil ausfüllt. Sie steht ursprünglich mit der medialen Ursegmentlamelle
in Beziehung und wuchert von der inneren und unteren Ursegment-
kante aus derart, daß sie später auch mit den übrigen Wänden des
Ursegments, mit Ausnahme der lateralen, welche der Epidermis zu-
gewendet ist, verschmilzt und somit die Ursegmenthöhle bis auf einen
kleinen Spalt verdrängt (Remak). Jener Urwirbelkern wird nun zu-
sammen mit der medialen Ursegmentwand als Skierotom abgestoßen,
und es ist daher einleuchtend, daß dieses bei den Amnioten schon
von Anfang an
ungemein
viel zellenreicher sein muß als bei den
Anamniern (Fig. 296).
Die einzelnen Skierotome sind anfangs meistens noch scharf von-
einander gesondert; bei vielen Formen bleiben ihre Grenzen, welche
die direkten medialen Fortsätze der Zwischenräume zwischen den
Myotomen sind, abgesehen von den me-
dialen Partieen, auch später deutlich er-
kennbar, und zwar nicht allein durch die
Lage der intersegmentalen Blutgefäße (Fig.
297), sondern auch durch eine charak-
teristische
(Fig. 298).
Anordnung
der Zellen selbst
Fig. 297.
Rurapfregion
Frontalschnitt durch die hintere
eines Embryos der Ringelnatter mit
schon geschlossenen Kiemenspalten in der Höhe der
Chorda. Nach v. Ebner, isg Intersegmentalgefäße.
ivs Intervertebralspalte. uh Ursegmenthöhle. cl
Cutis-, ml Muskellamelle des Ursegments. sc Skle-
rotom.
Bisweilen (z. B. bei Sphenodon und Gecko) bleiben an den hin-
teren Schwanzwirbeln diese ursprünglichen Verhältnisse dauernd be-
stehen, so daß man noch bei alten Tieren die einzelnen Skierotome
voneinander unterscheiden kann (Fig. 316).
Sobald sich an den Ursegmenten
seits in die Skierotome, andererseits
vollzogen hat, macht sich innerhalb
bemerkbar; sie liegt in der Transversalebene und teilt das Sklero
tom in eine kraniale und eine kaudale Hälfte (Fig. 297,
298).
Bei der Pbingelnatter ist sie nach v. Ebner am deutlichsten in
der Höhe der Spinalganglien; weiter dorsalwärts verschwindet sie;
ventralwärts läßt sie sich gut bis in die Plöhe der Chorda verfolgen.
Medial reicht sie bis nahe an das Rückenmark und die Chorda, berührt
jedoch diese Gebilde nicht (Fig. 297, 298).
Jener Spalt wurde zum ersten Male von v. Ebner (1888 u. 1892)
bei den Embryonen der Ringelnatter aufgefunden und gleich in seiner
eine deutliche Sonderung einer-
in die Haut- und Muskelplatte
der ersteren eine feine Spalte
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 521
großen Bedeutung für die Beurteilung der Entwickelungsvorgänge am
Achsenskelett völlig gewürdigt. Die „Intervertebralspalte", wie
V. Ebner sie nannte, konnte er außerdem auch bei Eidechsen,
Hühnchen, Mäusen und Fledermäusen nachweisen.
Diese Entdeckung wurde von Corning 1891 (Reptilien), J. Koll-
mann 1891 (Mensch), 0. Schultze 189(3 u. 1897, Weiss 1901
(Säugetiere), Männer 1899 (Reptilien), Schauinsland 1900 u. 1903
(Sphenodou, viele Vögel) und Baldus 1901 (Gecko) bestätigt, so daß
das Vorkommen der In tervertebr al s palte (v. Ebner) ]oder des
Ur Segmentspaltes (0. Schultze)] bei vielen, wenn nicht bei allen
Amnioten nunmehr als feststehend betrachtet werden muß.
lieber die Art und Weise der Entstehung der Spalte liegen be-
stimmte Angaben kaum vor; es ist jedoch recht wahrscheinlich, daß
sie nur als Ueberrest der Urwirbelhöhle zu betrachten ist, welcher bei
der Wucherung der kranialen und kaudalen Wand des Ursegments,
die von der Vergrößerung des ursprünglichen Urwirbelkernes mitbe-
dingt wurde, erhalten blieb. Schon der Umstand, daß sie von Anfang
an mit dem innerhalb der Hautmuskelplatte befindlichen Urwirbel-
höhlenrest im Zusammenhang steht und es auch bleibt, bis Myotom
und Skierotom sich voneinander trennen, läßt darauf schließen (Fig.
297, 298). So wenigstens sind die Verhältnisse bei den Reptilien.
Bei den Vögeln jedoch soll die Spalte später auftreten
(0. Schultze 189(3) und nur sekundär mit der Höhle der Haut-
muskelplatte in Verbindung treten, und bei den Säugern sogar erst
dann erscheinen, wenn das Myotom bereits selbständig geworden ist
und gar keine Höhle mehr aufweist (0. Schultze 189(3).
Man wird annehmen müssen, daß in diesen letzteren Fällen die
W^ucherung der kranialen und kaudalen Ursegmentwände eine derart
starke ist, daß sie nach Verdrängung der Urwirbelhöhle miteinander
völlig, wenn auch vielleicht nur scheinbar, in Berührung kommen.
Die Intervertebralspalte bleibt daher anfangs gleichsam latent und
tritt erst dann in Erscheinung, wenn das Sklerotom sich vom Myotom
emanzipiert hat und weitere Differenzierungen einzugehen beginnt.
Eine Vergleichung der Intervertebralspalte der Amnioten mit den
Sklerotomdivertikeln der Elasmobranchier und Teleostier ist sehr nahe-
liegend und sicher w^ohl auch gerechtfertigt. 0. Schultze (1896)
wies darauf zum ersten Male hin.
Schon V. Ebner konnte an seinen Präparaten (1888, 1892) mit
Bestimmtheit nachweisen, daß die Intervertebralspalten den Grenzen
der späteren bleibenden Wirbel, im besonderen der
Wirbel körper entsprechen. Sie verschwinden nach ihm schließ-
lich in dem dichten Gewebestreifen, in welchem viel später sekundär
die Gelenkhöhle auftritt.
Je ein Wirbel entwickelt sich in der Zellenmasse, die vorn und
hinten von je einer Intervertebralspalte begrenzt wird ; er gehört dem-
nach zwei Skierotomen an und setzt sich zusammen aus der kaudalen
Hälfte eines Skierotoms und der kranialen des darauf folgenden. Da-
her nimmt er zu den ehemaligen Ursegmenten und infolgedessen auch
zu den Myotomen eine alternierende Stellung ein. Gerade dieser
Entwickelungsgang ist es, durch den es erreicht wird, daß die Wirbel-
segmente, wie es physiologisch durchaus notwendig ist, ihre Wirkung
auf zwei Wirbel ausüben können.
Der Erkenntnis jener Thatsacheu ist schon Remak (1855) mit
522
H. Schauinsland,
Fig. 298.
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Fig. 299.
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Fig. 300.
(jl m seea qs
scer.
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CJ>1
Fig. 298, 299, 300. Drei frontale Längsschnitte durch den Schwanz junger
Sphenodonerabryonen. Der auf Fig. 298 dargestellte gehört einem bedeutend jüngeren
Btadiuni an wie die in Fig. 299 und 300. Der Schnitt Fig. 298 ist nicht völlig
horizontal geführt, er ist an seinem kranialen Ende mehr ventral gelegen wie an
seinem kaudalen, so daß er vorn die Chorda, hinten das Rückenmark schneidet. Auf
Fig. 298 und 300 sind nur die Hälften des Schnittes dargestellt. Fig. 299 und
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 523
300 gehören zu demselben Präparat, nur daß Schnitt Fig. 299 durch die Chorda,
Fig. 300 mehr dorsal durch das Rückenmark gelegt ist. Fig. 298 ist 104-, Fig. 299
imd 300 80mal vergrößert. Der Pfeil er zeigt die Richtung kranialwärts an. ch
Chorda. R Rückenmark, d Cutislamelle, ml Muskellamelle des Ursegments. uh
Höhle des Ursegments. ivs Intervertebral- (= Intersegmental-)spalte (auf Fig. 298).
Sie steht am kranialen Ende des Schnittes mit der Ursegmenthöhle in Verbindung,
verliert diese jedoch allmählich, je weiter der Schnitt dorsalwärts steigt, weil dort
die Muskellamelle oder das Myotom bereits völlig ausgebildet ist ; man vergleiche
dazu Fig. 296. gs Grenze der ursprünglichen Ursegmente. sc Skierotome, auf Fig. 298
in seiner ganzen Ausdehnung noch scharf voneinander geschieden, sccr kraniale,
scca kaudale Skierotomhälften. In Fig. 299 und 300 haben sich bereits je eine kaudale
Hälfte des einen Segmentes mit der kranialen des nächstfolgenden zu den Bogenanlagen
des bleibenden Wirbels — die auf Fig. 299 in der Region der langen Seitenfortsätze
des Schwanzes lateral sehr weit ausladen — zusammengefügt, p Perichordalzellen ;
sie bilden die am meisten medial gelegene Partie der Sklerotomzellen, die von der
Intervertebralspalte nicht geteilt wird. In Fig. 298 erst in einer dünnen Schicht
vorhanden, stellen sie in Fig. 299 bereits den primitiven Wirbelkörper dar, dem die
Bogenanlagen sich seitlich anfügen. In Fig. 299 kann man schon die „Fadenrollen-
form" des Wirbelkörpers erkennen, iv die intervertebralen Partieen der Perichordal-
zellen, die genau in der Mitte des ursprünglichen Ursegments in der Gegend der
verschwundenen Intervertebralspalte liegen (Fig. 299) und die Grenzen der späteren
Wirbel schon jetzt zeigen, (jl Spinalganglien, in Fig. 300 in der Höhe des Rücken-
marks, den größten Teil der kranialen Skierotomhälfte verdrängend, isg Interseg-
mentaigefäße ; sie sind von blasenartigen Zellen umgeben, die zwischen den beiden
Bogenanlagen liegen, m Muskeln, ep Epidermis.
seiner Lehre von der „Neugliederung der Wirbelsäule" sehr
nahe gekommen. Er war es, der (am Hühnchen) bereits erkannte,
daß die „Urwirbel" nicht, wie es v. Baer annahm, den späteren
Wirbeln entsprechen und die alleinige (paarige) Grundlage der Wirbel-
körper samt den zugehörigen Bogen seien. Er wies nach, daß aus
den Urwirbeln (abgesehen von den Spinalganglien und Nervenwurzeln,
die er fälschlich auch aus ihnen ableitete) zunächst die intervertebralen
Muskeln hervorgehen, von ihrer ventralen und medialen Fläche aus
aber auch das Blastem entstände, welches die bleibenden Wirbel bilde.
Der Entwickelungsgang der Wirbelkörpersäule ist demnach, wie
er wörtlich sagt, folgender: „Die aus den unteren inneren Kanten der
Urwirbel hervorgegangenen , primitiven Wirbelkörper' (die wir heute
als Skierotome bezeichnen) verschmelzen miteinander, und gleichzeitig
bilden sich neue Grenzen (die Anlagen der Zwischenwirbelscheiben)
für die sekundären (bleibenden) Wirbelkörper in der Mitte zwischen
den ursprünglichen Grenzen. Ein sekundärer Wirbelkörper be-
steht daher aus den verschmolzenen Schwanz- und Kopfteilen je zweier
benachbarter primitiver Wirbelkörper, und das veränderte Lageverhältnis
des Wirbelbogens ist eine notwendige Folge jener Verschmelzung und
neuen Gliederung, da der Wirbelbogen, welcher mit dem Schwanzteile
des primitiven Wirbelkörpers zusammenhängt, nach erfolgter neuer
Gliederung mit dem Kopfteile des sekundären zusammenhängen muß."
Die PtEMAK'sche Anschauung, die er mit zwei instruktiven Ab-
bildungen (Taf. V, Fig. 63 und 64 bei Remak) belegt, ist nach unseren
heutigen Kenntnissen hauptsächlich darin zu berichtigen, daß die Neu-
gliederung der Wirbelsäule nicht aus einem gleichförmigen Blastem
der Ursegmente hervorgeht, sondern schon erfolgt, wenn die Grenzen
der Skierotome und damit auch der ursprünglichen Ursegmente noch
vollständig deutlich sind.
Remak's Lehre wurde lange Zeit hindurch (abgesehen von
Kölliker's Lehrbuch, 1861) von vielen Seiten durchaus nicht aner-
kannt. Auf Grund von neuen und neuesten Arbeiten (v. Ebner 1888,
524 H. Schauinsland,
1892, 0. ScHULTZE 189(3, 1897, Männer 1899, Schauinsland 1900,
R. Baldus 1901) kann es aber nicht mehr zweifelhaft sein, daß man
berechtigt ist, von einer Neugliedernng der Wirbelsäule im Hinblick
auf die ursprüngliche Gliederung durch die Ursegmente zu sprechen.
Die Zerlegung der Skierotome durch die Intervertebralspalte in
zwei gleiche Hälften läßt das Auftreten von primären Doppel-
bildungen an der Wirbelsäule, wie wir sie ja schon in der Reihe
der Anamnier so oft nachweisen konnten, überaus einleuchtend er-
scheinen. Auch bei den Amnioten nämlich können derartige Bildungen
beobachtet werden. Goette (1896) lenkte zuerst die Aufmerksamkeit
auf sie. An der maceerierten kn öchern en Schwanzwirbelsäule von
Lacerta viridis fand er hinter den Neuralbögen noch Rudimente von
solchen. Zwischen den vorderen größeren und den hinteren kleineren
ist anfangs eine Spalte vorhanden, die aber später durch Verwachsung
der beiden Bogenanlagen verschwindet. Auch an den Rumpfwirbeln
finden sich derartige Merkmale, aus denen er darauf schließen konnte,
daß die definitiven Wirbelbögen von Lacerta durchweg von je zwei
hintereinander liegenden Bögen zusammengesetzt sind, einem voll-
ständigen vorderen und einem rudimentären hinteren. Ebenso waren
ihm die kaudalen Seitenfortsätze bei Anguis ein indirekter Beweis für
die ursprüngliche Doppelbildung der oberen Wirbelbögen. Doppelte
Seitenfortsätze beobachtete er auch bei Embryonen von Ovis aries,
Didelphys quica, Lepus cuniculus an den hinteren Wirbeln.
Goette gelangte auf Grund dieser Befunde und ausgedehnter
Studien an paläontologischem Material zu dem Ergebnis, daß die
Bildung vollständiger Wirbel mit Wirbelkörpern und Wirbelbögen bei
allen lebenden Digitaten (sowie auch in der Reihe der Amiaden) mit
doppelten Wirbeln in jedem Segment beginnt, und daß aus diesen die
einfachen Wirbel durch paarweise Verschmelzung unter Rückbildung
des einen oder des anderen der beiden Komponenten entstehen.
Die GoETTE'schen Beweisstücke wurden noch dadurch vermehrt,
daß Männer (1899) an der Schwanzwirbelsäule von Anguis und Lacerta,
anstatt wie Goette erst die knöchernen, nun auch die knorpeligen
doppelten oberen Bögen nachwies. Dasselbe geschah durch Schau-
insland (1900) bei Sphenodon, der außerdem auch auf die Doppel-
bildungen im Schwanz von Castor fiber und von Cetaceen hindeutete.
Wahrscheinlich ist es, daß solche Doppelbildungen in der Reihe der
Amnioten, sei es bei Embryonen, sei es bei erwachsenen Tieren, noch
in größerer Anzahl als bis jetzt später werden aufgefunden werden.
Es erscheint aber doch richtiger, anstatt, wie Goette es thut, der
die von vornherein metamere Entwickelung des skeletogenen Gewebes
und das gesetzmäßige Verschmelzen der Skierotomhälften noch nicht
kannte, einen phylogenetischen Erklärungsgrund für die Doppel-
bildungen anzugeben, ihn in der Ontogenese zu suchen. Bei den
Amnioten ist wohl nicht das Verschmelzen zweier völlig ausgebildeter
Wirbel zu einem, sondern die Zusammenfügung zweier Hälften ehe-
mals getrennter Skierotomen als das Ursprüngliche anzusehen. Diese
Verlötung erfolgt meistens schon in frühen embryonalen Stadien,
seltener während der Verknorpelung oder Verknöcherung; unterbleibt
sie aber ganz, so entstehen die Doppel- (embolomeren) Wirbel in
jedem Segment. —
Die Darstellung der Entwickelungsvorgänge im Zusammenhang
erfolgt wohl am besten an der Hand eines bestimmten Beispiels; es
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 525
mag hierfür Spheiiodon gewählt werden, da dieses Objekt in nenerer
Zeit eine eingehende Bearbeitung erfuhr (Schauinsland 1900).
Sobald die Skierotome sich auszubreiten beginnen, fügen sich zu-
nächst ihre medialen Partieen fester der Chorda an, wobei sich die
der rechten und linken Seite miteinander verbinden. Es entsteht auf
diese Weise eine dünne, ringförmige Schicht perichordaler Zellen
[die von älteren Autoren, z. B. auch noch von Corning (1891), „äußere
Chordascheide" genannt wirdj. Diese sind anfangs ebenso segmentiert
(Fig. 298) wie der übrige Teil der Skierotome, der es auch weiterhin
bleibt, fließen dann aber zusammen, so daß man bei ihnen nicht mehr
die Grenzen der ursprünglichen Segmente erkennen kann (Fig. 299,
300). Anfangs besitzt die perichordale Zellenlage eine im ganzen
gleichmäßige Ausbildung. Bald jedoch verdickt sie sich an einzelnen
bestimmten Stellen, und zwar liegen diese in der Mitte der Sklero-
tome, dort, wo sich die Intervertebralspalte befindet. Hier macht sich
eine gewisse Wucherung der Zellen bemerkbar, so daß dadurch ein
dickerer ringförmiger Zellenwulst entsteht, dessen mittlerer Teil sich
bereits histologisch von den benachbarten Partieen zu unterscheiden
beginnt. Die perichordale Zellenschicht ist nunmehr wieder segmen-
tiert, aber anders als früher. Man kann regelmäßige Abschnitte an
ihr erkennen, die von den eben genannten Wülsten begrenzt werden
und von der Mitte des einen Skierotoms bis zur Mitte des anderen
reichen, an ihren beiden Enden am dicksten und in der Mitte, d. h.
also an der Grenze zweier Skierotome am dünnsten sind, demnach
die Gestalt eines Stundenglases oder einer Fadenrolle besitzen.
Jeder Abschnitt entspricht dem Körper eines späteren Wirbels ohne
die dazu gehörigen Bögen ; man kann ihn daher zusammen mit dem
von ihm eingeschlossenen Chordastück den „primären Wirbel-
körper nennen. Die mittleren Teile der wulstförmigen Ver-
dickungen der Perichordalschicht in der Gegend der Intervertebral-
spalte der Skierotome — die sich vorn und hinten daran anschließenden
gehören bereits dem Ende des vorhergehenden und dem Anfang des
nächstfolgenden primären Wirbelkörpers an — stellen die späteren
intervertebralen Partieen der Wirselsäule, die Zwischenwirbelscheiben
(Menisci, Fibrocartilagines intervertebrales) dar ; wegen ihrer großen
Aehnlichkeit mit den übrigen Teilen der perichordalen Zellen könnte
man sie wohl auch als primäre Zwischenwirbelkörper bezeichnen.
Der primäre Wirbelkörper wird fast allseitig umgeben von den
ebenfalls aus den Skierotomen entstandenen „Bogenanlagen'^ Es
ist klar, daß zu ihrem Aufbau auch wieder die kranialen und kaudalen
Hälften je zweier verschiedener Skierotome beitragen (Fig. 299).
Aus den dorsalen Partieen der Bogenanlagen, die das Rückenmark
umfassen, indem auch dort die Skierotome der rechten und der linken
Seite miteinander verwachsen, entwickeln sich die oberen (oder
Neural-)Bögen ; aus denjenigen Teilen jedoch, welche in der Um-
gebung der Chorda sich um den primären Wirbelkörper legen, den
„Bogen b äsen" also, entstehen die peripheren Teile des Wirbel-
körpers; sie sind es, welche zusammen mit dem primären Wirbel-
körper den definitiven oder sekundären Wirbelkörper (Goette,
Schauinsland) bilden.
Man darf hierbei jedoch keineswegs vergessen, daß die primären
Wirbelkörper mit den Bogenanlagen den gemeinsamen Ursprung
aus den Skierotomen teilen. Trotzdem verläuft das Anordnen der
526 H. Schauinsland,
Pericliordalzellen um die Chorda herum zur Bildung des primären
Wirbelkörpers und das Auftreten der Bogenanlagen, im besonderen
ihrer Basen, zwar gleichzeitig, aber dennoch nebeneinander; beide
Wirbelkomponenten werden zwar von den Skierotomen erzeugt, lassen
sich aber schon sehr frühzeitig histologisch unterscheiden und können
selbst beim erwachsenen Tier noch getrennt voneinander nachgewiesen
werden (vergl. auch Fig. 307 a und b).
Uebrigens umfassen die Bogenanlagen mit ihren Basen den pri-
mären Wirbelkörper nicht überall gleichmäßig; in beträchtlichster Dicke
liegen sie seinen seitlichen Partieen auf, dorsal jedoch — unter-
halb des Nervenrohres — und ventral ■ — oberhalb der Aorta — sind
sie unbedeutend und können im Schwanz an diesen Stellen sogar fast
völlig fehlen (Fig. 302).
Aus den lateralen Teilen der Bogenanlagen nehmen die Quer-
fortsätze sowie auch die Rippen selbst ihren Ursprung.
Die Anlagen der unteren Bögen (Intercentra , hypochordale
Spangen [Froriep]) findet man nicht, wie es bei den Anamniern die
Regel ist, im Bereiche der primären Wirbelkörper, sie sind viel-
mehr kranial verschoben und liegen an der Unterseite des primären
Zwischenwirbel körpers.
Aus den Skierotomen und im besonderen aus den „Bogenanlagen"
entwickeln sich, was wohl kaum noch besonders betont werden darf,
selbstvertändlich nicht nur die festen Skelettteile der Wirbelsäule,
sondern auch das Bindegewebe, welches in späteren Stadien Knorpel
und Knochen des Achsenskelettes umgiebt und miteinander verbindet.
Aus den obigen Schilderungen ersieht mau, daß bereits im Zu-
stand der „häutigen Wirbelsäule" alle Komponenten der defini-
tiven Wirbel vorhanden sind, und daß die bleibende Wirbelsäule sich
nicht etwa aus einem ungegliederten Blastem aufbaut, in dem eine
Segmentierung erst durch das Auftreten von Knorpel erfolgt, sondern
vom ersten Augenblick an eine ganz bestimmte Gliederung aufweist.
Aus den Arbeiten von Goette (1896), Männer (1899), Baldus
(1901) u. A. ergiebt es sich — soweit sie auf die bisher be-
sprochenen Punkte eingehen — daß die Entwickelung bei anderen
Reptilien (Lacerta agilis, Anguis fragilis, Tropidonotus natrix, Coronella
laevis, Hemidactylus mabuia) offenbar ganz ähnlich verläuft wie bei
Sphenodon.
Eine so gleichmäßige Verteilung der beiden Skierotomhälften auf
den in Entstehung begriffenen Wirbel, wie sie oben beschrieben wurde,
zeigt sich übrigens nur im Seh v/ a n z e. An anderen Stellen des
Körpers findet eine mehr oder weniger starke Verdrängung der kra-
nialen Skierotomhälften, namentlich der kranialen Bogenanlagen statt.
Veranlassung hierzu wird in erster Linie schou durch das starke
Wachstum des äußerst voluminösen Spinalganglion gegeben, das inner-
halb des kranialen Skierotomabschnittes liegt (Fig. 300). Die stärkere
Entwickelung des kaudalen Skierotomstückes kommt auch dadurch
zum Ausdruck, daß es an fingierten Präparaten viel stärker gefärbt
erscheint als das andere, ein Verhalten, auf das 0. Schultze (1896)
bei der Entwickelung der Säugetierwirbelsäule zum ersten Male hin-
gewiesen hat. Es liegt auf der Hand, daß diese stärkere Ausbildung
des kaudalen Skierotomteiles auch von Einfluß auf die spätere Ent-
wickelung der knorpeligen und knöchernen Wirbelelemente sein wird.
Während bei Sphenodon in einem beträchtlichen Teile des Schwanzes
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 527
auch in späterer Zeit beide Wirbelhälften ziemlich gleichmäßig aus-
gebildet sind, überwiegt je weiter nach vorne zum Rumpfe hin und
innerhalb dieses selbst der vordere Wirbelteil, das heißt also die
kaudale Skierotomhälfte, wenigstens was die oberen Bögen
anbelangt, immer mehr. Wir erhalten also auch hier wieder das Re-
sultat, welches wir bereits bei den Auamniern gewannen (vergi. Holo-
cephaleu, Amia etc. etc.), daß der kraniale Teil des bleibenden
Wirbels, bezw. Wirbelbogens {ob und uh = kau dal er Skierotom-
abschnitt) der umfangreichere und wichtigere ist.
Späteren Untersuchern bieten nach dieser Richtung hin die Am
nioten noch ein dankbares Arbeitsfeld
oder geringeren Grad der
die in einzelnen Fällen vielleicht
des einen der beiden führen kann, an der Bildung des definitiven
Wirbels offenbar (neben der verschiedenartigen Entwickelung der
Zwischenwirbelpartieen und der Art
und Weise der Verknöcherung der
einzelnen Wirbelteile sowie der
Beteiligung
sogar
Richtung hin
Ist doch in dem größeren
der beiden Skierotomstücke,
dem völligen Ausschalten
düng des
zu
er B
ge-
legentlichen nachträglichen Ver-
schiebungen derselben) das haupt-
sächlichste Moment zu sehen, um
die Verschiedenheiten auch im Bau
der Amniotenwirbelsäule zu er-
klären.
Fig. 301. Horizontaler Längsschnitt
durch, den Schwanz eines Spnenodon-
embryos. Das geschnittene Stück war an
beiden Enden dorsalwärts gekrümmt, so
daß der Schnitt dort das Rückenmark und
die oberen Bögen, in der Mitte jedoch den
primären Wirbelkörper und die Bogenbasen,
welche diesen seitlich anliegen, trifft. Vergr.
64mal. er kranial. R Eückenmark. ob die
in dem kaudalen Skierotomstück entstan-
denen knorpeligen oberen Bögen, ob^ die
aus dem kranialen Skierotomstück entstan-
denen oberen Bögen, gs Grenzen der ehe-
maligen Ursegmente, deutlich im Binde-
gewebe kenntlich, prtvk der oberflächlich
angeschnittene primäre Wirbelkörper, iv
Zwischen Wirbel.
:?■
.■4.*,.
--•et'
■m
iS^.v/
-S2)n
-ob
-prwk
-ob.
i**
-IV
Doch fahren wir in der Betrachtung der Wirbelsäule an der Hand
der bei Sphenodon beobachteten Entwickelungsvorgänge fort! Der
kaudale Skierotomteil des einen ursprünglichen Ursegments und der
kraniale des nächstfolgenden fügen sich allmählich dichter zu den
Bogenanlagen des definitiven Wirbels zusammen, so daß die Grenzen
zwischen ihnen undeutlicher werden, bisweilen sich sogar fast völlig ver-
wischen können. Gleichzeitig damit dringt das Myotom , das auf
horizontalen Längsschnitten in dreieckiger Gestalt erscheint, gleichsam
wie ein Keil an der Stelle der Intervertebralspalte vor, wodurch die
Hälften eines ehemals gemeinsamen Skierotoms getrennt und an die
des Nachbarn herangedrängt werden ; auch hierdurch schon werden die
Grenzen der einzelnen bleibenden Wirbel bestimmtere (Fig. 299, 300).
Dieses ist auch der Zeitpunkt, in dem die V e r k n o r p e 1 u n g be-
528
H. Schauinsland,
liegen am vorderen, zwei am
Knorpelherde , die
hinteren
ginnt. Bei Sphenodon erscheinen zunächst vier
bilateral angeordnet sind; zwei
Ende des Wirbels, und zwar in den Bogenanlagen, so daß in jedem
ursprünglichen Skierotomteil je einer rechts und links von der Chorda
sich befindet. Die beiden vorderen, also die in der kaudalen Sklerotom-
hälfte gelegenen, sind
Rumpfe verschmelzen
eine m Knorpelherd ,
getrennt
mächtiger als die beiden hinteren (Fig. 30f ). Im
die vorderen und die hinteren sehr bald zu
werden hier vielleicht oft sogar auch gar nicht
voneinander angelegt. Im Schwänze dagegen bleiben sie
längere Zeit voneinander geschieden und wachsen zu getrennten Bogen-
knorpeln aus (Fig. 301). Wir haben somit auch bei den Reptilien
wieder, wenn auch meistens rasch vorübergehend, in jedem Wirbel
ein großes kaudales {ob, kaudal in Bezug auf die ursprüngliche
Skierotomhälfte und nicht auf den fertigen Wirbel) und ein davon
gesondertes, kleines, kraniales {ohi auf P'ig. 301) Bogenpaar, wie wir
es ja fast überall bei den Anamniern fanden.
Männer konnte eine solche doppelte Bogenanlage auch in der
hinteren Schwanzregion von Lacerta agilis nachweisen — er nannte
sie Haupt- und Nebenbogenanlagen — während ja bereits Goette
(1896) an den macerierten Schwänzen von Lacerta viridis einen voll-
vorderen und einen rudimentären hinteren knöchernen
aufgefunden hatte.
Bald verwachsen die kaudalen und kranialen Bogenpaare mitein-
ander zu einem einheitlichen Stück, doch läßt eine Furche in diesem
ständigen
Wirbelbogen
Fig. 302.
Fig. 303. obh
^(ß
>Vr
-=^^^-
^''^-^^
r
Fig. 302 und 303. Zwei Querschnitte durch die Schwanzwirbelsäule eines ziem-
lich jungen Spbenodonembryos. Vergr. 112raal. Der Schnitt in Fig. 302 geht etwa
durch die Mitte des Wirbels, der andere trifft die Intervertebralregion (den Zwischen-
wirbel). ^jrwÄ; der aus den Perichordalzellen entstandene primäre Wirbelkörper, iv
die an den Zwischen wirbelpartieen gelegenen Perichordalzellen („primärer Zwischen-
wirbelkörper''), oh obere Bögen, nur erst zum Teil knori:)elig; dorsal wird das
Rückenmark {R) noch durch „häutige" Bögen {nhh) eingeschlossen, obb die Basen
der oberen Bögen, die den primären Wirbelkörper teilweise umfassen; mit dem
primären Wirbelkörper zusammen bilden sie den sekundären Wirbell^örper. nb
untere Bögen (chevron bones etc.), die dem „primären Zwischenwirbelkörper" ebenso
aufsitzen, wie die oberen dem primären Wirbelkörper, gl Spinalganglion, g Gefäße.
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 529
noch lange Zeit hindurch, selbst nach der Verknöcherung, die ehe-
maligen Verhältnisse
Längsschnitte durch
erkennen (Fig. 307 a
die Neuralbögen des
u. b), wie
Schwanzes
auch horizontale
eine charakteri-
stische bisquitförmige Gestalt aufweisen.
Fig. 304, 305, 306. Zwei
Querschnitte und ein horizon-
taler Längsschnitt durch die
Wirbelsäule von Sphenodon.
Vergr. 48mal. Fig. 304 und
306 gehören zu zwei fastgleich-
alterigen Embryonen mittleren
Entwickelungsstadiums. Fig.
305 stammt von einem älteren
Embryo her. Schnitt Fig. 305
geht durch den 3. Halswirbel,
während die beiden anderen der
mittleren Rumpfgegend an-
gehören, ch Chorda, prwk
primärer Wirbelkörper. oh
obere Bögen, hob die blasi-
gen Zellen in der mittleren
Fig. 304.
2)rtvk kd ch
k, kv
Fig. 305
Partie der ßogenbasen (wahr-
scheinlich der Außenzone der Se-
lachierwirbel entsprechend), kv
und kd ventrale und dorsale
periostale Knochenlamelle. k^
die Verknöcherung, welche, von
den äußeren Knochenlamellen
ausgehend, au der Grenze von
primärem Wirbelkörper und Bo-
genbasen in das Innere des Wirbel-
körpers vordringt, mk rechter und
linker Markkanal, den primären
Wirbelkörper (Fig. 305) ganz frei-
legend, rml und dml ventrale und
dorsale Oeffnungen der Mark-
räume nach außen, kob perio-
staler Knochenbelag der oberen
Bögen, durch eine Knorpelnaht
(bn) von dem Knochen des Wirbel-
körpers und der ^Bogenbase ge-
trennt, r Rippen, kr Knochen-
belag der Rippen, m Knorpel-
naht zwischen Rippe und oberem
Bogen, m Muskeln, iv Zwischenwirbelpartie,
Handbuch der Entwickelungslchre. III. 2.
Fig. 306.
clikn
chs
',mih
34
530 H. Schauinsland,
Die bis dahin das Nervenrohr umgebenden häutigen Wirbelbögen
werden allmählich immer mehr durch Knorpel verdrängt, und schließ
lieh stoßen die ganz knorpeligen Bögen jeder Seite dorsal zusammen
und vereinigen sich in einer breiten Längsnaht miteinander.
Im Anfange der Verknorpelung unterscheiden sich die Bögen
äußerst deutlich von dem primären Wirbelkörper, auf dem sie gleichsam
reiten, indem die Bogenbasen ihn seitlich umfassen (Fig. 302). All-
mählich umwachsen sie ihn fast völlig, wenigstens in der Rumpfregion,
während sie im Schwänze, und zwar je mehr nach der Schwanzspitze,
in desto höherem Grade, ihn an der ventralen Seite freilassen.
Dorsal, unterhalb des Rückenmarkes, bleibt bei allen Wirbeln der
primäre Wirbelkörper längere Zeit vom Knorpel der Bogenbasen frei,
in späteren Stadien kann er aber auch auf diese Stellen herübergreifen.
Hieraus erklärt es sich, wie einige Autoren die Wirbelsäule aus
einer oben offenen knorpeligen Halbrinne — wie bei den Rumpfwirbeln
von Sphenodon — oder selbst aus zwei seitlich voneinander völlig
getrennten Knorpelstücken (Ebner u. A.) entstanden ansehen konnten.
Während einer kurzen Periode verwachsen die dorsalen Bogen-
stücke benachbarter Wirbel miteinander, so daß diese Teile dann ein
einheitliches Knorpelstück darstellen; dieses Stadium dauert aber
nicht lange, da sich der zusammengelötete Knorpel hier wieder spaltet
und sekundär an diesen Stellen die Gelenkflächen der vorderen
und hinteren Zygapophysen sich bilden.
Aber nur an diesen Teilen findet vorübergehend eine Ver-
schmelzung des Knorpels statt; ältere Angaben (z. B. Rathke 1866,
Gegenbaur 1862), daß die ganze Wirbelsäule, selbst an den inter-
vertebralen Partieen, anfangs ein kontinuierliches Knorpelstück
darstellen soll, das sich erst später in Segmente teile, dürften wahr-
scheinlich auch bei anderen Reptilien nicht der Wirklichkeit ent-
sprechen.
Die Bogenbasen bestehen in dem mittleren Teil des Wirbels,
dort, wo sie der konkaven Peripherie des „fadenrollenartigen" primären
Wirbelkörpers lateral anliegen und die Höhlung der „Fadenrolle'' aus-
füllen, aus großen blasigen Zellen (Fig. 304, 305, 306). Schon in recht
frühen Stadien macht sich dieses Gewebe — an den Grenzen zweier
ursprünglicher Ursegmente — bemerkbar (Fig. 299). Es fällt ebenfalls
der Verknorpelung anheim, wenn auch in etwas abweichender Weise.
Ohne daß prächondrale Elemente vorausgehen, oder eine beträchtliche
hyaline Grundsubstanz ausgeschieden wird , verdicken sich die Zell-
wände nur wenig, reagieren aber allmählich gegenüber Farbstoffen
ebenso wie Knorpel. Nach den beiden Enden des Wirbels hin gehen
diese Zellen ohne scharfe Grenzen in kleinzelligen Knorpel über
(Fig. 306).
In ebenderselben Weise spielt sich der Vorgang der Ver-
knorpelung im primären Wirbelkörper ab, indem er von den
großen Zellen der Wirbelbogenbasen allmählich auf ihn herübergreift;
er beginnt an den beiden Enden und schreitet nach der Mitte hin fort.
Sind Bogenbasen und primäre Wirbelkörper völlig verknorpelt,
so ist es nicht ganz leicht, beide Elemente voneinander abzugrenzen ;
doch ermöglicht auch in diesem Stadium die verschiedene Gestalt der
Zellen — runde bis polygonale Form bei ersteren, längliche und stab-
bis wurstförmige bei letzteren — immerhin sie zu unterscheiden.
Es ist übrigens fraglich, ob bei allen Reptilien die Verknorpelung
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst ßippen und Brustbein. 531
der Bögen der des Wirbelkörpers vorangeht; bei Tropidonotus soll
nach V. Ebner das Umgekehrte der Fall sein.
Nach Umwachsung des primären Wirbelkörpers seitens der
knorpeligen Bogenbasen kann man von einem sekundären knor-
peligen Wirbelkörper sprechen (Fig. 302, 304—307).
Lateral von den oberen Bögen in der Höhe der Chorda oder weiter
dorsalwärts bis hoch auf die Neuralbögen heraufgerückt (Fig. 305) be-
finden sich die Fortsätze, die entweder in Rippen und Rippen-
träger (Q u e r f o r t s ä t z e) sich gliedern oder, wie an den letzten
Schwanzwirbeln, wenigstens später, ungegliederte Seitenfortsätze
darstellen. Sie sind sowohl im bindegewel3igen als auch im knorpeligen
Zustand in kontinuierlicher Verbindung mit den oberen Bögen.
f^_ 1
y f
chk
Fig. 307 a und b. Der erste Teil der Schwanzwirbelsäule eines kurz vor dem
Ausschlüpfen stehenden Sphenodonembryos von unten inid von der Seite. Vergr.
etwa ö^/omal. Das Präparat war zunächst etwas eingetrocknet und dann mit Alkohol-
Glycerin behandelt worden, wodurch die Verhältnisse des stundenglasförmigen pri-
mären {pwk) und sekundären (sjck) Wirbelkörpers deutlich zur Anschauung kommen.
iv Zwischenwirbelpartie, uh die daran sitzenden unteren Bögen, br Beckenrippen.
sr Schwanzrippen (Seitenfortsätze), am letzten Wirbel in Gestalt zweier Stümpfe.
An den Beckenrippen ist die beginnende Drehung aus der dorso-ventralen Lage der
Rumpfrippen in die kranio-kaudale der Schwanzrippen sichtbar, bn Naht zwischen
dem oberen Teil der oberen Bögen und den Basen der oberen Bögen (bob), die den
primären Wirbelköri^er umfassen. / Furchen an den Wirbelkörpern, oberen Bögen
und Schwanzrippen auf ihre Entstehung aus zwei Teilen hindeutend, chk ver-
knöcherter Chordaknorpel. „ .^j,
532 H. Schauinsland,
Im Schwänze deutet alles darauf hin, daß die Rippen — Quer-
und Seitenfortsätze — ebenso wie die übrigen Bestandteile des Wirbels,
aus zwei Stücken verschmolzen sind , einem kranialen (= kaudalen
Skierotomabschnitt) und einem kaudalen (= kranialen Skierotomstück)
(Fig. 299, 307 a und b). Goette (1S96) war bei dem Studium der
sacralen und kaudalen Seitenfortsätze von Anguis ebenfalls schon zu
diesem Schlüsse gekommen.
Je weiter nach dem vorderen Körperende hin, in desto geringerem
Maße beteiligt sich die kraniale Skierotomhälfte am Aufbau von Rippe
und Querfortsatz, so daß im Rumpfe diese Skelettteile fast nur, oder
sogar ausschließlich allein vom kaudalen Skierotomstück gebildet
werden. Dementsprechend findet man ja bei den Amnioten überhaupt
die Rippe dem vorderen Teil des definitiven Wirbels angeheftet.
Die Anlagen der unteren Bögen [die gleichzusetzen sind den
„hypochordalen Spangen", welche nach Froriep (1883 und 1886) beim
Huhn und Rind die „primitiven oberen Wirbelbogen" unterhalb der
Chorda miteinander verbinden] liegen, wie bereits bemerkt wurde,
bei Sphenodon intervertebral; sonst verhalten sie sich bei ihrer
Verknorpeln ng im größten Teil des Schwanzes ebenso wie die
oberen Bögen. Es erscheinen dabei zunächst zwei kleinere Knorpel-
kerne, welche dem „Zwischenwirbelkörper" unten und seitlich auf-
sitzen. Diese wachsen dann zu zwei gebogenen Knorpelstäben aus
(Fig. 303), die sich schließlich miteinander vereinigen und auch einen
Dornfortsatz bilden können (Fig. 307 a, b), so daß die Hauptblut-
gefäße des Schwanzes dann in einem geschlossenen Bogen liegen,
ebenso wie das Nervenrohr innerhalb der oberen Bögen. Auch diese
unteren Bögen heben sich äußerst scharf von den intervertebralen
Perichordalzellen („dem primären Zwischen wirbelkörper") ab, und ihre
Basen umfassen sie seitlich ebenfalls etwas, wenn auch in bedeutend
geringerem Grade, wie es bei den Neuralbögen der Fall ist (Fig. 303).
Derart entwickelte kau dal e untere Bögen, wie sie eben bei
Sphenodon beschrieben wurden, kommen der Mehrzahl der Reptilien
— den Cheloniern meistens nur rudimentär — zu. Man nannte sie
auch OS en chevron, chevron-bones, Intercentra, Zwischenwirbelbeine,
Gabelknochen, Basiventralia (Gadow). Auch bei Vögeln können
sie beobachtet werden, und unter den Mamma lien finden sie sich
z. B. bei den Cetaceen, Edentaten, Marsupialien.
In den übrigen Körperregionen kommt es bei Sphenodon nicht
zu so starker Ausbildung der unteren Bögen. An der ventralen Seite
der intervertebralen Perichordalzellenschicht (primärer Zwischenwirbel-
körper) erscheinen hier wohl auch die paarigen Anlagen derselben,
sie wachsen aber nicht zu richtigen Bögen aus, sondern verschmelzen,
wenigstens in der Hals- und vorderen Rumpfregion, sofort miteinander
zu einer un paaren Knorpelspange, und bei älteren Tieren finden
wir an jedem Zwischenwirbelstück entweder knöcherne Spangen oder
— vom 4. Schwanzwirbel an — richtige untere Bögen.
(HowES und SwiNNERTON 1901 machen die bis jetzt noch nicht
erklärbare Angabe, daß im Laufe der Entwickelung bei Sphenodon
die primären paarigen „Intercentra" vom 9. bis zum 30. Wirbel voll-
ständig verschwinden und daß dann erst später wieder statt ihrer
die sekundären unpaaren Intercentren erscheinen. Die „chevrons"
vom 4. Kaudalwirbel an gehen aber auch nach ihm direkt aus den
paarigen Anlagen hervor.)
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 533
Außer Sphenodon besitzt wohl kein anderer recenter Vertreter
der Amnioten dauernd zwischen jedem Wirbel intervertebrale untere
Bögen oder diese ersetzende unpaare Spangen. Nur bei LacertiUern
finden sie sich außer im Schwänze auch noch zwischen mehreren
Halswirbeln, sonst werden sie zwar immer als bindegewebige „hypo-
chordale Spangen" angelegt, verschwinden aber im Laufe der Ent-
wickelung vollkommen, sei es daß es überhaupt nicht mehr zu einer
Verknorpelung kommt, sei es daß sie auch erst nach dieser mit dem
Körper des nächstfolgenden Wirbels völlig verschmelzen.
Auf die abweichenden Verhältnisse an den beiden ersten Hals-
wirbeln kommen wir später noch zu sprechen.
Ueber die morphologische Stellung der eben besprochenen
Skelettteile herrscht bis jetzt noch keineswegs Uebereinstimmung.
Unsere (Schauinsland) Ansicht hierüber ist folgende: Sämtliche dem
Zwischenwirbelstück ventral angefügten Skelettteile, mögen sie als
wirkliche Bögen oder als paarige oder unpaare Knöpfe oder Spangen
ausgebildet sein, sind einander homolog. Sie sind als untere Bögen
aufzufassen oder richtiger als Teile des Komplexes der unteren Bögen,
denn offenbar sind zu diesen auch die Rippen und Querfortsätze sowie
ein Teil der Seitenfortsätze zu zählen. (Wie weit zu den Rippenträgern
sich etwa noch sekundär Skelettteile hinzufügen, die ursprünglich nichts
mit den unteren Bögen zu thun haben, werden spätere Untersuchungen
noch zu entscheiden haben.) Man erinnere sich dabei, daß bereits bei
vielen Anamniern — Selachiern, Ganoiden etc. — (Fig. 213, 238, 239)
an der ursprünglich eihheitlichen Masse der unteren Bögen eine Nei-
gung sich bemerkbar macht, allmählich in eine dorsale Portion — zu
der die Rippen gehören — und in eine ventrale — die sog. Hämalfort-
sätze — zu zerfallen. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß ein solcher
Vorgang auch bei den Vorfahren der Amnioten stattgefunden hat; ist
das aber der Fall, so sind die ventralen Bögen und Spangen der Am-
nioten den Hämalfortsätzen der Anamnier gleichzusetzen. Als Beweise
für die Zusammengehörigkeit der beiden Elemente könnten die Fälle
angeführt werden, jn denen „Spangen" und Rippen wirklich noch
miteinander vereinigt sind. An den beiden ersten Halswirbeln der
Crocodiliden kann man ein solches Verhalten thatsächlich noch
in späten Stadien beobachten (Fig. 313).
Auch bei Sphenodon hängen die hypochordalen Spangen dieser
beiden Wirbel in frühen Entwickelungsstadien dorsalwärts mit Rippen
zusammen; letztere sind hier allerdings nicht knorpelig, sondern nur
in Gestalt von Bindegewebssträngen vorhanden, die später ganz ver-
schwinden. Beim Huhn giebt Froriep (1883) an, daß am 7. und
8. Brüttage die Rippen sich dort befinden, wo „das laterale Ende der
nun geschwundenen hypochordalen Spange gelegen haben würde".
Auch bei anderen Vögeln kann eine Verbindung zwischen Spange und
(bindegewebiger) Rippe hin und wieder zur Beobachtung gelangen
(Fig. 319).
Ein Unterschied zwischen den Amnioten und Anamniern bliebe
aber immer noch darin bestehen, daß bei letzteren die unteren Bögen
— auch die Hämalfortsätze — intravertebral, bei ersteren in der
Regel inter vertebral liegen, ja in späteren Stadien sogar mit dem
nächst vorhergehenden Wirbel verbunden sein können, z. B. bei
Anguis (Goette).
534
H. Schauinsland,
Es hat bei den Amnioten also eine Verschiebung stattgefunden,
und zwar kranialwärts, denn die intervertebralen unteren Bögen und
Spangen gehören ohne Zweifel ursprünglich dem vorderen Teil des
n ä ch s t f 0 1 g e n d e n Wirbels (also je der kaudalen Sklerotonihälfte) an
und sind erst im Laufe der phylogenetischen, bisweilen sogar erst der
ontogenetischen Entvvickelung nach vorne in den intervertebralen Raum
gedrängt worden. Nach Froriep (1886) bildet bei Hühnerembryonen
die (eine ventrale Brücke der primitiven Wirbelbögen darstellende)
hypochordale Spange eine Hervorragung an der kranio-ventralen
Kante des Körpers, und bei Säugetierembryonen rückt sie sogar bis
nahe zur Mitte des Körpers herab. Auch die bleibenden unteren
Bögen im Schwänze der Vögel sieht man in jugendlichen Stadien
dem je folgenden Wirbel angefügt (Fig. 308).
Fig. 308. Sagitlaler Längs-
schnitt, durch das hintere Ki'irper-
ende eines 8,5 cm langen Embryos
von Puffinus cuneatus. Vergr.
20inal. wk Wirbelkörper. ob
obere Bögen. Sowohl Wirbel-
körper als auch obere Bögen
verschmelzen am Ende der Wir-
belsäule mit ihren Nachbarn und
bilden den „Pygostyl". t(h untere
Bögen ; sie sitzen dem vorderen
Ende des je folgenden Wir-
belkörpers an (kaudales Sklero-
tomstück). ch Chorda; sie zeigt
noch keine Einschnürungen, i?
Rückenmark, am äußersten Ende
zum A^entriculus terminalis (Ä)
erweitert.
An dieser Verschiebung auf die Zwischenwirbelpartieen nimmt
häufig auch die andere Portion des Komplexes der unteren Bögen —
die Rippe — teil (Fig. 313), so daß man sogar darauf gekommen ist
(K. Hoffmann 1879), die intervertebrale Lage der Rippen der Amnioten
als den primären Zustand zu bezeichnen.
Daß diese Verschiebung der unteren Bögen im Zusammenhang steht
mit der äußerst starken Entwickelung der oberen, ist mehr als wahr-
scheinlich. Es ist einleuchtend, daß durch die fast völlige Umwachsung
des gesamten Wirbelkörpers durch die Basen der oberen Bögen
allein die Lage der unteren Bögen stark beeinflußt werden mußte.
Für die Darstellung der V e r k n ö c h e r u n g mag wiederum Sphe-
nodon als Vorbild dienen. Bei ihrem Beginn erscheint zunächst an
der ventralen Außenseite des Wirbelkörpers, und zwar in seiner
Mitte, eine dünne Knochenlamelle, von der es nicht unwahrscheinlich
ist, obgleich eine direkte Beobachtung bis jetzt nicht vorliegt, daß sie
aus einer
ist. Sie bildet
anfangs
seme
bisherige
ö -- jetzt ,^...^^.
getrennten, rechten und linken Hälfte entstanden
sich dadurch, daß das Perichondrium an dieser Stelle
Thätigkeit, dem bereits vorhandenen Knorpel neuen
aufzulagern, aufgiebt und Knochen zu produzieren anfängt. Dieser
allmähliche Uebergang des Perichondriums in Periost läßt sich in
frühen Stadien sehr gut verfolgen. Etwas später legt sich auch auf
der dorsalen Seite des Wirbelkörpers, unterhalb des Rückenmarkes
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 535
und anfangs ebenfalls genau in der Mitte, eine zweite derartige
Knoclienlamelle an. Da die knorpeligen Bogenbasen an dieser Stelle
den Wirbelkör] )er nicht ganz umfassen, so liegt hier der Knochen den
perichordalen Zellen — oder dem primären Wirbelkörper — unmittel-
bar auf (Fig. 304, 305), was an einem großen Teil der Schwanzwirbel
übrigens auch an der ventralen Seite der Fall ist.
Allmählich vergrößern sich die beiden Knochenscherben und um-
wachsen nicht allein den ganzen Wirbelkörper, sondern breiten sich
auch auf die basalen Teile der oberen Bögen aus. Im übrigen er-
halten letztere aber einen besonderen Knochenbelag, und zwar je
einen für die rechte und linke Seite des Bogens, so daß im ganzen
also an jedem Wirbel, abgesehen von den Rippen und unteren Bögen,
vier ursprünglich voneinander gesonderte Knochenlamelleu vorhan-
den sind.
Der Knochen auf den dorsalen Partieen der oberen Bögen bleibt
von jenem, der sich vom Wirbelkörper aus mehr oder weniger hoch
auf die Basen hinauf erstreckt, durch eine breite Knorpelnaht getrennt
(Fig. 304, 305). Diese Sutur kann nicht allein bei Sphenodon, sondern
auch bei anderen Reptilien bis in späte Stadien hinein, oft sogar
lebenslänglich bestehen bleiben.
Die Verknöcherung beschränkt sich aber nicht nur auf die Peri-
pherie des Wirbels, sondern greift auch auf seine inneren Teile
herüber. Unmittelbar nach dem Erscheinen der ventralen Knochen-
platte schreitet die Verkuöcherung, die allerdings nur in einer Ver-
kalkung der Zellwände besteht, an der Grenze zwischen dem
primären Wirbelkörper und der die Konkavität seiner „Fadenrolle"
ausfüllenden blasigen Knorpelmasse der Bogenbasen weiter, bis sie
einer, in derselben Weise auch von der dorsalen Lamelle ausgehenden
Knochenzone begegnet (Fig. 304 — 306).
Es ist dieses ein Stadium, das eine unverkennbare Aehnlichkeit
mit Bildern besitzt, welche die Wirbelentwickelung der Elasmobranchier
bietet (Fig. 208 und 306). Es wurde hierauf bereits bei den Holo-
cephalen und Squaliden hingewiesen und die Knochenzone zwischen
primärem Wirbel und Bogenbasen bei Sphenodon mit der Mittel-
zone des Elasmobranchierwirbels verglichen, der primäre Wirbel selbst
jedoch der Innen-, die Bogenbasen der Außenzone jener Fiscli-
wirbel an die Seite gestellt.
Allmählich breitet sich die Verknöcherung bezw. Verkalkung im
Inneren des Wirbelkörpers, aber auch auf den primären Wirbel und
einen großen Teil der ihn umgebenden Bogenbasen aus; auch der
früher besprochene Chordaknorpel wird von ihr ergriffen (Fig. 307 a).
Bevor sich jedoch alle diese Veränderungen vollziehen, haben sich
an der ventralen äußeren Knochenplatte genau in der Mitte des Wirbels
links und rechts von der sagittalen Mittelhnie zwei Oeffnungen —
vielleicht entsprechend der wahrscheinlichen Entstehung dieses
Knochens von zwei Stellen aus — gleichsam hineingefressen. Da in
ihnen sich von Anfang an Gefäße befinden, so ist es wahrscheinlich,
daß von diesen aus auch ihre Entstehung eingeleitet wird. An der
dorsalen Lamelle bilden sich ebenfalls zwei derartige Oeffnungen. Mit
Hilfe jener Gefäße, die wohl direkt von den ursprünglichen Inter-
segmentalgefäßen abzuleiten sind, beginnt von den vier Löchern aus eine
Zerstörung des verkalkten Knorpels im großen Maßstabe. Die Zell-
wände öffnen sich, und aus ihnen treten die Zellkerne, mit mehr oder
536
H. Schauinsland,
weniger Protoplasma umgeben, heraus und werden zu Markzellen
(Fig. 305). Diese sammeln sich anfangs in dem Markraum, später
treten sie aus diesem aber unter allen Anzeichen amöboider Bewegung
heraus und gelangen in ein eigentümliches, den Wirbeln außen an-
liegendes Bindegewebe von netzartigem Aussehen, das in älteren
Stadien auch in die Markräume hinein wandert
Die an den vier äußeren Oeffnungen
schreiten bei ihrem Vordringen genau an der Grenze des primären
Wirbelkörpers vorwärts, dringen aber nicht in ihn hinein, so daß
dieser allmählich von dem übrigen Wirbel mit Ausnahme seiner beiden
Enden zum größten Teil wieder herausgelöst wird (Fig. 305).
Die beiden von der ventralen Seite ausgehenden Markgänge
vereinigen sich allmählich zwischen der Knochenlamelle und dem
primären Wirbelkörper und legen ihn unten frei; an der dorsalen
beginnenden Markräume
wk.^ chkn kd
Fig. 309. Sagittaler Längsschnitt durch, die ersten Halswirbel von einem Sphe-
nodonembryo mittleren Stadiums. Vergr. 63mal. ch Chorda, chs Chordascheide.
chkn Chordaknoriiel. wk Wirbelkörper, wk^ Atlaskörper, verschmilzt später mit
%ük^ und bildet dessen Processus odontoideus. x vorderster, mehr oder weniger deut-
lich abgesetzter Teil des Atlaskörjjers ; der mutmaßliche Körper eines ehemals noch
vor dem Atlas gelegenen Wirbels, iib untere Bögen oder hypochordale Spangen.
ub^ verwächst mit den losgelösten oberen Bögen des ersten Halswirbels, iv inter-
vertebrale Zone (Zwischenwirbelkörper), dem die unteren Bögen oder Spangen an-
gefügt sind. t/'2 verschwindet später beim Verwachsen des ersten und zweiten Körpers
völlig, aus ty, dagegen wird das Lig. transversum atlantis gebildet, o Occipitale.
kd und kv dorsale und ventrale periostale Knochenlamelle des Wirbelkörpers, vml
ventrale Oeffnung des Markraums.
Seite geschieht dasselbe, und indem sich dann die beiden Systeme
auch miteinander vereinigen, wird schließlich der primäre Wirbelkörper
nur noch durch wenige Brücken mit den ihn umgebenden Bogenbasen
verbunden.
Die vier Marklöcher bleiben lange Zeit hindurch bestehen, und
selbst noch bei alten Tieren findet man an jedem Wirbel zwei ihn
dorsoventral in der Mitte durchbohrende Kanäle (Fig. 307 a). In dem-
selben Maße, wie der Knochen von außen her sich durch Auflage neuer
Schichten seitens des Periosts vergrößert, wird er im Innern durch die
1
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 537
Markbildung wieder aufgelöst. So sind auch bei älteren Tieren zwischen
dem primären Wirbelkörper und den knöchernen Bogenbasen große
Markräume vorhanden, die nur hier und da unterbrochen werden von
Knochenbalken; letztere sind wahrscheinlich dadurch entstanden,
daß die Verknöcherung sich von der äußeren perichondrotischen
Knochenplatte aus auch auf die stehen gebliebenen Knorpelstützen nach
innen hin ausdehnte.
Wann eine wirkliche „enchondrotische" Verknöcherung beginnt,
oder ob eine solche überhaupt auftritt, ist ungewiß.
Nach den Angaben von Rathke (1839, 1848, 1866), Gegenbaur
(1862) und namentlich Goette (1897) scheint auch bei anderen Rep-
tilien die Verkuöcherung nicht wesentlich verschieden zu verlaufen ;
Fig. 310.
Fig. 311.
obg obo ob^ ,
ub^ üb 2 ub.^ bn
pa
Fig. 310 11. 311. Die ersten Halswirbel zweier Sphenodonembryonen, die kurz
vor dem Ausschlüpfen standen. Vergr. etwa llmal. Das Präparat Fig. 310 war
etwas eingetrocknet, wodurch der (mit dunklem Farbenton angegebene) Knorpel etwas
geschrumpft war und die darunter liegenden knöchernen Teile sichtbar werden ließ.
Fig. 310 stellt eine Ansicht von der linken Seite, Fig. 311 eine solche von oben
dar. wkj^ erster — Atlas — Wirbelkörper, üb untere Bögen oder hypochordale
Spangen, ub^ — zum größten Teil noch knorpelig — ist mit dem ersten oberen
Bogen (oöj verschmolzen und bildet mit diesem zusammen den Atlasring, r Rippe.
bn Naht zwischen oberen Bögen und Wirbelkörpern, b (in Fig. 311) bindegewebige
Membran, die sich zwischen dem Hinterhaupt und deu ersten Wirbeln ausspannt
(punktiert), pa „Proatlas", so und ^o Supra- imd Pleuraoccipitale.
im besonderen geht es aus ihnen hervor, daß sie mit der Ablagerung
von periostaler Knochenlamellen ihren Anfang nimmt. Nach außen
mündende Markräume beschrieb Rathke bei der Natter schon 1839.
Auf die Verknöcherung der Wirbel bei den Vögeln und Säuge-
tieren kommen wir weiter unten noch zu sprechen. — •
Eine besondere Betrachtung verlangen die beiden ersten
Haiswirbel, der Atlas und Epistropheus, die bei den Am-
nioten eine von den Anamniern völlig abweichende Ausbildung und
Entwickelung zeigen. Als typisches Beispiel sei wieder Sphenodon
gewählt (Fig. 309—312).
In frühen Stadien zeigen auch die beiden ersten Wirbel keine
Abweichung von den anderen, nur daß ihre unteren Bögen oder sub-
chordalen Spangen bedeutend stärker ausgebildet sind, als es bei den
übrigen der Fall ist. Allmählich macht sich dann eine Lockerung
zwischen den oberen Bögen und dem Wirbelkörper am ersten Wirbel
bemerkbar, die so weit geht, daß sich diese beiden Elemente völlig
538
H. Schauinsland,
voneinander trennen. (Vielleicht ist die Stelle, an der dies geschieht,
identisch mit jener, an welcher bei den anderen Wirbeln während der
Verknöcherung sich eine Sutur zwischen Körper und oberen Bögen ent-
wickelt.) Statt dessen verwachsen dann die oberen Bögen mit der zu
diesem Wirbel gehörigen snbchordalen Spange und bilden mit dieser
zusammen einen geschlossenen Ring, den Atlas ring. Der frei ge-
wordene Körper aber verschmilzt mit dem Körper (und einem kleinen
ventralen Teil der oberen Bögen) des zweiten Wirbels und bildet an
ihm einen Zahnfortsatz (Dens, Processus odontoideus);
dadurch ist dieser zum E p i s t r o p h e u s geworden.
Die erste subchordale Spange oder das nunmehrige ,.untere Ver-
schlußstück des Atlas^' artikuliert kranialwärts mit dem Hinterhaupts-
Fig. 312.
Fig. 313.
ob, iv
ob^
— r
ub.^ bn iih^ wk^
Fig. 312. Die ersten Wirbel eines 23 cm langen Sphenodon ( Trocken präparat);
es sind nur die knöchernen Teile abgebildet, wk Wirbelkörper, wk^ Körper des
Atlas mit dem 2. Wirbel verschmolzen, üb untere Bögen oder „hypochordale Spangen".
ob obere Bögen. Der erste obere Bogen und die erste Spange smd nicht abgebildet.
r Rippe, bn Naht zwischen oberen Bögen und Wirbelkörpern.
Fig. 313. Die ersten Halswirbel von einem 22 cm langen Alligator lucius.
Vergr. 7mal. Der Knorpel ist punktiert, wk Wirbelkörper, nb untere Bögen oder
Spangen, iv Intervertebralscheiben oder Menisci (= Zwischenwirbelkörper), r Rippen.
ob obere Bögen, z und «^ Gelenkfortsätze (Zygapophysen). pa linke Proatlashälfte.
bein und kaudalwärts mit einer breiten Gelenkfläche der zweiten
Spange, die eine außerordentliche Größe erreicht (Fig. 309 u. 310).
Der zwischen dem ersten und zweiten Wirbel befindliche „Zwischen-
wirbelkörper" (Fig. 309), dem die zweite Spange ursprünglich in
derselben Weise angeheftet war, wie wir es oben bei den übrigen
intervertebral gelegenen unteren Bögen kennen gelernt haben, nur
daß sie entsprechend ihrer Größe ihn auch weiter dorsal umfaßte,
bildet sich immer mehr und mehr zurück und verschwindet später
völlig, so daß erster und zweiter Wirbelkörper dann in unmittel-
barer Berührung stehen.
Der erste, zwischen dem Hinterhaupt und dem Atlaskörper ge-
legene „Zwischenwirbelkörper" (Fig.dOQiv^) geht dagegen nicht gänz-
lich verloren, sondern in Verbindung mit der zu ihm gehörenden ersten
Spange bildet er sich in das teils knorpelige, teils bindegewebige Liga-
mentum transversum atlantis um, welches von der vordersten
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 539
Spitze des Zahnfortsatzes durchbohrt wird; dasselbe ist also homolog
den übrigen Zwischenwirbelkörpern oder Menisci, worauf bereits
Jäger (1858) hinwies.
An dem dorsalen Ende der ersten und zweiten Zwischenwirbel-
spange finden sich bei Sphenodon bindegewebige Stränge, die offenbar
die Stelle von Rippen vertreten, da ihre Lage dieselbe ist, wie die der
ersten knorpeligen Rippe am dritten Wirbel , nur daß letztere vom
Wirbelkörper abgeht. Bei den beiden ersten Wirbeln stehen dem-
nach die beiden Elemente des Komplexes der unteren Bögen — Rippe
und Spange — miteinander in Verbindung.
Noch deutlicher wird man dieses bei den Crocodiliden gewahr
(Fig. 313). Bei ihnen besitzt sowohl der erste, als auch der zweite
Halswirbel seine wohl ausgebildete Rippe. Daß das erste Rippenpaar
an der zu ihm gehörigen Spange — dem „unteren Schlußstück des
Atlas" — sitzt, ist ohne weiteres klar. Früher glaubte man — und
die Mehrzahl der bis jetzt vorhandenen Abbildungen stellen es so
dar — daß auch das zweite Rippenpaar ebenfalls zum Atlas gehöre,
da es seinem Körper — dem Zahnfortsatz des Epistropheus — ange-
heftet wäre. In Wirklichkeit ist das jedoch nicht der Fall. An ge-
eigneten Präparaten (Fig. 313) sieht man, daß das Zwischenwirbelstück
zwischen dem ersten und zweiten Wirbelkörper (welches später aller-
dings gänzlich verschwindet) in der Jugend von nicht unbeträchtlicher
Größe ist, und daß auch ihm, wie bei anderen Reptilien, ventral eine
große, knorpelige Spange angefügt ist. Mit diesem Zwischenwirbel-
stück sind nun die zweiten Rippen verbunden und müssen demnach
auch dem zweiten Wirbel zugezählt werden, trotzdem sie später,
wenn der erste und zweite Wirbelkörper synostotisch miteinander
vereinigt sind, dem ersten der beiden, dem Zahnfortsatz, aufsitzen.
Gadow (1896) hat zum ersten Mal die eben geschilderten Verhältnisse
beim Krokodil richtig gedeutet.
Auch nach dem Verwachsen mit dem zweiten Wirbel verleugnet
der Zahnfortsatz nicht seine Natur als Wirbelkörper. Seine Verknöche-
rung findet ebenso statt (bei Sphenodon) wie bei allen übrigen ; auch er
erhält zunächst eine ventrale und eine dorsale periostale Knochen-
lamelle, von denen aus die Knochenbildung ebenso weiterschreitet, wie
es oben geschildert wurde, und auch auf die Chorda hinübergreift.
Es finden sich auch die beiden ihn dorso-ventral durchbohrenden
Markkanäle wieder. Am Körper des Epistropheus selbst aber werden
diese durch das weite Hinübergreifen der hypochordalen Spange ge-
zwungen, an der ventralen Seite von der Mitte weg an das kaudale
Ende des Körpers zu rücken, wo sie sich vereinigen und in einer
Oeffnung nach außen münden. —
Zur Geschichte der Forschungen über den Atlas und den Epi-
stropheus der Amnioten sei erwähnt, daß bereits Cuvier die Meinung
aussprach, der Zahnfortsatz des Epistropheus wäre in Wirklichkeit der
Atlaskörper. Doch war es erst Rathke, der in seiner Entwickelungs-
geschichte der Natter (1839) die Vorgänge, welche sich bei der
Umbildung des ersten und zweiten Halswirbels vollziehen, deutlich
schilderte. Er war es auch, welcher das „untere Schlußstück des
Atlasringes" bereits für einen modifizierten unteren Dornfortsatz, das
heißt also für das Rudiment eines unteren (Hämal-)Bogens richtig
ansprach. Bei seinen Studien über die Entwickelungsgeschichte der
Schildkröten (1848) und Krokodile (1866) konnte er die bei der Natter
540
H. Schauinsland,
gewonnenen
die RATHKE'schen
Hier war es aber
EntwickelungSYorgänge
Resultate nur bestätigen.
übertrug
Bergmann (1845)
Anschauungen auch auf die höheren Amnioten
vor allem Froriep, welcher in exakter Weise die
am ersten und zweiten Wirbel aufhellte. Nach
seiner Darstellung unterscheiden sich die Vögel (1883) hierin kaum
wesentlich von den Reptilien, wenn wir für diese die oben gegebene
Schilderung von Sphenodon zu Grunde legen (Fig. 314, 315). Froriep
Fig. 315.
Fig. 314.
o&j wk^^ ch
«6^ üb 2
ob.
^i-
M&j «^2 lük^
Fig. 314 u. 315. Die ersten Halswirbel von zwei Vögeln. Fig. 314 von einem
jungen Embryo von Anous stolidus, Fig. 315 von einem noch etwas jüngeren von
Sula cyanops. Vergr. bei Fig. 314 ISmal, bei Fig. 315 33mal. Fig. 314 bietet eine
Ansicht von der linken Seite, Fig. 315 von unten. Beides sind Methylenblauprcäparate
(Van Wijhe), zeigen also vornehmlich nur knorpelige Teile, ick Wirbelkörper;
durch die Färbung hebt sich von ihnen eine vordere und hintere Partie ab; ebenso
sieht man dadurch (Fig. 315), daß die knorpeligen Bogenbasen den Körper au der
ventralen Seite noch nicht völlig umwachsen haben, «'ä, Atlaskörper; auf Fig. 314
noch nicht völlig mit dem 2. Wirbelkörper verwachsen, obgleich er sich bereits von
seinen oberen Bögen gelöst hat; auf Fig. 315 ist der Atlaskörper durch die Spangen
verdeckt, ob obere Bögen, üb untere Bögen oder „hypochordale Spangen" ; in
Fig. 315 ist die 2. Spange mit dem Körper noch wenig verschmolzen und zeigt
außerdem deutlich ihr Entstehen aus einer rechten und linken Hälfte, ch Chorda.
0 Hinterhaupt.
zeigte dabei unter anderem auch, daß der Teil des zweiten Wirbels,
auf dem der Atlas artikuliert, nicht dem Körper jenes Wirbels an-
gehöre, sondern ein besonderes Element darstelle — was vor ihm
bereits Jäger (1858) betont hatte — nämlich die hypochordale Spange
der zweiten Bogenanlage sei.
Für die Säugetiere wies ebenfalls Froriep (1886) beim Rinde
nach, daß der Entwickelungsvorgang im ganzen derselbe sei wie bei
den Vögeln , daß aber folgender, nicht unwichtiger Unterschied da-
bei vorkäme: Im Gegensatz zu den Vögeln, bei denen die zweite
hypochordale Spange einen wesentlichen und dauernden Bestandteil
des Epistropheus ausmacht, schwindet sie bei den Säugetieren
vollständig. Dagegen verbreitert sich der Körper des ersten Wirbels
an seinem kaudalen Ende beim Anschluß an den zweiten ungeheuer
und überlagert nicht nur ihn, sondern auch die Bogenhälften, so daß
der kranialwärts schauende Teil des Epistropheus, der die Gelenk-
Häche für den Atlasring trägt, ausschließlich vom Körper der
Die Eutwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 541
ersten Bogenanlage gebildet wird. Die Articulatio atlauto-e])istropliica
ist daher nur teilweise homolog mit derjenigen der Vögel und Rep-
tilien; bei diesen ist die Gelenkverbindung i n t e r vertebral, bei den
Mammalien in tra vertebral (Gadow). Froriep korrigierte außerdem
auch die von Hasse (1873) gemachten Angaben, daß sich vom Körper
der ersten Wirbelanlage nicht nur der Zahnfortsatz , sondern auch
der „untere Atlasbogen" und das Lig. transversum ableiten. —
Wenn wir noch einmal zu Sphenodon zurückkehren, so müssen
wir dort noch auf eine Erscheinung hinweisen, die sich am vordersten
Ende des Zahnfortsatzes bemerkbar macht. In gewissen Stadien
(Schauinsland 1900) erscheint nämlich sein vorderstes Ende merklich
abgesetzt (Fig. 309), so daß es den Anschein erweckt, als wäre hier
in früherer Zeit noch eine weitere Verschmelzung erfolgt, als bestände
er nicht nur aus einem, sondern aus zwei Wirbelkörpern, von denen
der vordere allerdings bereits stark in Rückbildung begriffen sei. Wir
kommen damit zu der Frage nach dem Proatlas (P. Albrecht 1880),
jenes hypothetischen Wirbels, von dem man annimmt, daß er ehemals
zwischen dem jetzigen Atlas und dem Hinterhaupt bei den Amnioten
vorhanden gewesen wäre, und von dem jetzt nur noch wenige Reste
Zeugnis geben. Seit Rathke kannte man bei den Crocodiliden ein
anfangs paariges (Fig. 313), bald aber dorsal miteinander verschmel-
zendes Skelettstück, zwischen dem Exoccipitale und den oberen Atlas-
bögen. Aehnliche, aber kleinere Gebilde wies P. Albrecht (1883)
bei Sphenodon nach und sprach sie dort als Reste eines unter-
gegangenen Wirbels an. Auch bei anderen, meistens ausgestorbenen
Reptilien und selbst bei Säugetieren fand man solche Elemente auf
(man vergleiche die Litteratur über den Proatlas bei Baur 1895,
Gadow 1896, Weiss 1901), ohne jedoch bei ihrer Deutung zu über-
einstimmenden Anschauungen zu gelangen.
Bei Sphenodon (Schauinsland 1900) treten jene Skelettteile
ziemlich spät auf und erscheinen als Knorpel von zwar wechselnder,
meistens aber dreieckiger Gestalt. Die eine Spitze dieses Dreiecks
legt sich an das Pleuroccipitale , die zweite an den Atlasbogen, und
die dritte ragt frei in den Raum zwischen Schädel und Atlas hinein.
Nach der Verknöcherung ist die Gestalt mehr linsenförmig (Fig. 311).
Es liegt nun thatsächlich nahe, diese Stücke für die rudimentären
oberen Bögen eines Wirbels zu halten, dessen ebenso oder selbst
noch in stärkerer Weise rückgebildeter Körper in dem oben erwähnten
kranialen Ende des Zahnfortsatzes zu suchen ist (Fig. 309). Jene An-
nahme gewinnt an Wahrscheinlichkeit durch einen zweiten derartigen
Fund. Weiss (1901) sah bei der Ratte den vordersten Abschniit des
Proc. odontoideus ebenfalls und zwar in recht starker Weise von dem
übrigen Teil abgesetzt und deutet ihn auch als den Rest eines post-
occipitalen Wirbelkörpers. —
Wenden wir uns nunmehr der intervertebralen Verbin-
dung bei den Amniotenwirbeln zu, so finden wir die einfachsten
Verhältnisse unter den Reptilien bei Sphenodon. Wie bereits früher
mitgeteilt wurde, entwickelt sich der „Zwischen wir bei" genau in
der Mitte des ursprünglichen Ursegments (Fig. 299). Die Perichordal-
zellen beginnen an dieser Stelle gegenüber denen der vertebralen
Partieen sich histologisch zu differenzieren. So entsteht der „Zwischen-
wirbelkörper", der mehr oder weniger von den Basen der unteren
Bögen (Spangen) umwachsen wird (Fig. 303). An der Verknorpelung
542 H. Schauinsland,
oder Verknöcherung nimmt der Zwischenwirbel nie teil, sondern stellt
eine bindegewebige, allmählich in die beiden benachbarten Wirbelenden
übergehende Scheibe dar, die als Intervertebralligament funktioniert.
Eine ähnliche Ausbildung der intervertebralen Partieen weisen
fast nur noch die Ascalaboten auf; sie und Sphenodon erinnern darin
thatsächlich an die perennibranchiaten Amphibien , mit denen sie ja
auch die am p hie ölen Wirbelkörper teilen. Allerdings wird diese
Amphicölie in älteren Stadien bei Sphenodon dadurch verringert, daß
das intervertebrale Gewebe etwas nach innen in den knöchernen
Doppelkegel hineinwächst und dort die Chorda mehr oder weniger stark
verdrängt.
Bei den übrigen Reptilien sind die intervertebralen Bildungen
komplizierter. Bei Lacerta wurde ihre Entwickelung von Goette
(1897) untersucht. Er wies zunächst nach, daß die intervertebralen
Teile nicht die unverkalkten Reste eines ursprünglich kontinuier-
lichen Knorpelrohres seien, sondern von vornherein als Intervertebral-
ligamente angelegt werden. Man darf daher bei Reptilien nicht von
einem Intervertebralknorpel (Gegenbaur 1862) sprechen. Jeder
ursprüngliche, die Chorda einschließende Intervertebralring wird bei
Lacerta nachträglich noch umgeben von einem Außen wu Ist, der
eine intervertebrale Verdickung des Perichondriums darstellt. Die
Gelenkbildung erfolgt in der Weise, daß der Intervertebralring
und Außenwulst unter Form- und Gewebsveränderung mit dem vor-
hergehenden Wirbelkörper als dessen G e 1 e n k k o p f (kraniale
Skierotomhälfte V Schauinsland) verschmelzen, während die Pfanne
aus dem dahinter gelegenen Wirbelkörper (kaudales Skierotomstück?
Schauinsland) hervorgeht (procöler Wirbel, Fig. 293).
Auch über die Krokodile macht Goette Mitteilungen. Bei ihnen
bleiben die Intervertebralringe, die sich bei den Sauriern in die Ge-
lenkköpfe verwandeln, zeitlebens erhalten. Der Meniscus, der im
erwachsenen Krokodil je zwei Wirbelkörper trennt, ist nach ihm dem
Intervertebralring und Außenwulst von Lacerta gleichzusetzen. Dies
wird auch dadurch bestätigt, daß noch im Fötalleben ein äußerer
fester Ring (der zum ersten Mal von Gegenbaur [1867] erwähnt
wurde, während der Meniscus selbst zuerst durch Rathke [1866J be-
schrieben worden ist) sich von dem übrigen Meniscus ablöst. Bei
diesen Angaben Goette's verlangt noch der Umstand Aufklärung,
daß ja auch bei den Krokodilen neben dem Meniscus noch Gelenk-
köpfe und Pfannen vorkommen, die sich ja eben bei Lacerta zum
größten Teil aus dem Intervertebralring bilden. Gegenbaur (1867)
nahm somit auch an, daß, während sich der „Intervertebralknorpel"
bei den Anuren, Schlangen und Eidechsen in zwei den beiden be-
nachbarten Wirbelkörpern zufallende Abschnitte teilt, bei den Kroko-
dilen noch ein dritter intermediärer, der Meniscus, daraus hervorgeht.
Er zeigte auch, daß der von Rathke gemachte Hinweis auf die große
Aehnlichkeit zwischen dem Meniscus der Krokodile und der Säuge-
tiere in der Hinsicht eingeschränkt werden müßte, als bei ersteren
die Scheibe ohne Zuthun der Chorda sich entwickele und daher auch
fester sei, bei letzteren jedoch unter Anteilnahme derselben.
So notwendig weitere Untersuchungen für die Aufklärung der
Entwickelungsverhältnisse bei den Krokodilen und Schildkröten,
welche ganz ähnliche Verhältnisse aufweisen, sind, so wünschenswert
erscheinen sie auch für die übrigen Amniotenabteiluugen. —
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 543
Auch die
Vögel
den Wirbeln neben den
eine komplizierte Sattelform
also näher
Schlangen
bandartigen,
teils
besitzen zwischen
bestehenden Gelenken, die am Halse
annehmen, Bandscheiben (Menisci) ; sie schließen sich darin
den Schildkröten und Krokodilen als den Sauriern und
an. Die Scheiben bestehen aus einem äußeren, teils
faserknorpeligen Teil und einem inneren longitudinalen, zuerst von
G. Jäger (1858) beschriebenen Strang (Ligamentum Suspensorium),
der anfangs noch Chordareste einschließt. In späterer Zeit erlangt
die Wirbelsäule der Vögel, abgesehen von der Halsregion, die stets
einen hohen Grad von Beweglichkeit aufweist, eine gewisse, durch
die Flugtätigkeit bedingte Starrheit; die einzelnen Wirbel lassen sich
kaum gegeneinander verschieben und verwachsen in der Lendenregion
meistens vollständig. —
Bei den Säugetieren setzt sich die Tendenz zur Gelenkbildung
nicht weiter fort, echte Gelenke kommen bei ihnen nirgends mehr
vor; meistens sind die Wirbelenden eben oder leicht konkav, und nur
am Halse der Ungulaten finden sich opisthocöle Wirbelkörper, wodurch
aber die für alle Säugetiere charakteristische intervertebrale Wirbel-
verbindung nicht beeinflußt wird. Diese wird überall durch Scheiben,
die Fibrocartilagines intervertebrales , hergestellt, die sich dort ent-
Fig. 316. _ Einige
Schwanz Wirbel eines älte-
ren fephenodonembryos von
der linken Seite. Vergr.
12mal. u'k Wirbelkörper.
chk Chordaknorpel. ob
obere Bögen, üb untere
Bögen. b dicke Binde-
gewebslage, die aus den
lateralen Teilen der Skle-
rotorae entstanden ist
und die Wirbelsäule all-
seitig umgiebt. gs eine
durch die Lage der Zellen
stark markierte Abgren-
zung innerhalb derselben ;
rd gs
7V
■K^
chk
gS'
J-
-wk
%
I
'J
nb
VW üb spn b m gs b
sie entspricht genau den ursprünglichen Ursegraentgrenzen und geht lateral in die
Myosepten über. Beim Brechen des Schwanzes liegt hier die Bruchstelle, die den
Wirbel in zwei, ebenfalls durch eine Furche (/) markierte Hälften zerlegt und den
Wirbelkörper in der Mitte des Chordaknorpels {chk) trifft, spn Spinalnerv, rd Ra-
mus dorsalis desselben, gl Spinalganglion, vw und dw ventrale und dorsale Wurzel
desselben, m Muskeln.
wickeln , wo ehemals die Centren der „primitiven Wirbelkörper"
(= Skierotome) sich befanden (0. Schultze). Sie bestehen aus
einem centralen, weichen Kern (Nucleus gelatinosus), der zum großen
Teil aus intervertebralen Wucherungen der Chorda (Fig. 322, 323)
hervorgeht (Löwe 1879, Lebouq 1880), und aus einer äußeren um-
fangreicheren Partie, an der man wiederum (Löwe) eine periphere
Faserzone (Fig. 322, 323) von einer mehr central gelegenen Faser-
knorpelzone unterscheiden kann. Letztere bildet sich , da bei den
Säugetieren (ob bei allen?) die vorher getrennten Wirbelkörper in
einem bestimmten, aber schnell vorübergehenden Stadium auch inter-
vertebral durch Knorpel verbunden sind (Fig. 322), erst allmählich
aus diesem heraus. —
Es ist notwendig, noch auf eine Erscheinung einzugehen, die sich
544
H. Schauinsland,
Fig. 317a.
isg sccr uh scca ifg ep
J ii
*''#^ j'ir.
":j" '.itv'W'i *■■>>, "»^.v'^i-
:~t
c/(
tus
I/«
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Fig. 317b.
scca ts^ ep cl ml
[J^TS f&'
«<isÄVc'^?»*«»''*
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«^'«» <a.^^'
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'£ a^s <^ « ''»CS*««» «.&»»*«
_ i?
tvs
IVS
Fig. 318.
c m ep 'iS(/ sccr
SCCrt IS(J
ivs p IVS ch
Fig. 317a u. b und Fig. 318. Zwei frontale Längsschnitte durch die Wirbel-
säule eines 0,5 cm langen Albatrossembryos (Diomedea immutabilis) und ein eben-
solcher Schnitt durch die Wirbelsäule eines Embryos von Fuffinus cuneatus (Fig. 318),
der älter war als der Albatross. Es ist immer nur die rechte Hälfte der Schnitte
abgebildet. Die Schnitte in Fig. 317a und 318 verlaufen in der Höhe der Chorda,.
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 545
Schnitt Fig. 317b durch das Eückenmark. Vergr. bei Fig. 317a und b 112mal, bei
Fig. 318 7ymal. Der Pfeil deutet die Eichtuug kranialwärts an. ch Chorda. R
Kückenmark, cl Cutislamelle des Ursegments, teilweise in Auflösung begriffen in
Fig. 317a und b, völlig aufgelöst in Fig. 318. Man beachte die Zweiteilung der
Cutislamelle auf Fig. 317a und b. ml Muskellamelle, m Muskeln, uh Urwirbel-
höhle. isg Intersegmentalgefäße. gs Grenze der ursprünglichen Ursegmente bezw.
Skierotome, ivs Intervertebralspalte. sccr und scca die durch letztere abgeteilte
kraniale und kaudale Sklerotomhälfte; die kaudale ist im Rumpf meistens dunkler
gefärbt (Fig. 318) wie die kraniale; letztere wird in der Höhe des Rückenmarks fast
völlig durch das spinale Ganglion ((ß) verdrängt (Fig. 317b) und findet wahrschein-
lich später hauptsächlich zur Bildung der intervertebralen Partieen Verwendung.
spn Spinalnerv, p Perichordalzellen. Man vergleiche auch die Figuren 298 — 300.
an den Scliwanzwirbeln vieler Lacertilierfamilien und außerdem auch
bei den Ascalaboten und bei Sphenodon vorfindet. Schon Cuvier
machte auf das leichte Abbrechen des Eidechseuschwanzes und die
damit zusammenhängende Querteilung der Schwanzwirbel auf-
merksam. Später wurde dieses Verhalten namentlich von Stannius
und Hyrtl (18Ö2), dann von Gegenbaur (1862), H. Müller (1864),
Gadow (1896) u. A. näher untersucht und beschrieben. Danach stellte
es sich heraus , daß beim Abbrechen des Schwanzes die Trennung
nicht etwa im Bereiche eines Gelenkes, sondern innerhalb eines Wirbel-
körpers sich vollzieht; letzterer wird dabei in einen vorderen und
einen hinteren Abschnitt geteilt, und zwar liegt die Bruchstelle dort,
wo der Chordaknorpel, bezw. Chordaknochen, oder der später an seine
Stelle tretende große Markraum (Gegenbaur) sich befindet (Fig. 307,
316). Oft ist dieses gerade die Mitte des Wirbelkörpers (Sphenodon,
Gecko); bei den Lacertiliern jedoch, deren Wirbelenden mehr oder
weniger stark zur Gelenkbildung in Anspruch genommen werden, er-
folgt durch den Bruch häufig eine Zerlegung des Wirbels in zwei
ungleiche Hälften, eine kleinere vordere und eine größere hintere.
Der Verlauf der Bruchlinie kann übrigens auch an den noch unver-
letzten Wirbeln schon deutlich aus einer breiten Querspalte, die die
äußeren Knochenschichten des Wirbels durchsetzt, erkannt werden.
Die oberen Wirbelbögen und das Wirbelbogendach werden ebenfalls
in zwei Teile zerlegt, wobei der Dornfortsatz dem hinteren Stück an-
gehört; ebenso bleiben meistens auch die Seitenfortsätze dem
kaudalen Wirbelabschnitt angefügt. Es können bisweilen aber auch
Abweichungen davon eintreten, indem einerseits auf jedem der beiden
Stücke des Wirbelbogendaches ein Dornfortsatz sich befindet, anderer-
seits auch die Seitenfortsätze, zum mindesten an ihrer Basis, einer
Teilung unterworfen werden.
Innerhalb des die Schwanzwirbelsäule umgebenden Gewebes voll-
zieht sich der Bruch stets im Verlauf der Myosepten und eines Ge-
■svebestranges, der das Bindegewebe von dem medialen Ende eines
Myoseptums bis zur Mitte des knöchernen Wirbelkörpers und der
dort vorhandenen Kerbe durchzieht (Fig. 301, 316) und der oft durch
die Anordnung seiner Zellen den Anschein erweckt, als ob in ihm
ein Spalt verläuft.
Während man früher allgemein der Ansicht war, daß das leichte
Brechen des Schwanzes und die dieses bedingende gewebliche Ver-
änderung eine erst im späteren Leben sich entwickelnde sekundäre
Erscheinung wäre, konnte es bei Sphenodon erwiesen werden (Schau-
insland 1900), daß das thatsächlich nicht der Fall sei , sondern daß
es sich vielmehr dabei um die Erhaltung ursprünglicher Verhalt-
Handbuch der Entwickelungslehre. III. 2. 35
546
H. Schauinsland.
nisse handele. Es läßt sich dartun, daß der Bruch an der Grenze
zweier ehemaliger Ursegmente, bezw. Skierotome, erfolgt, die an
dem Schwänzende nicht so intensiv miteinander verlöten, wie an
den anderen Stellen. Diese Anschauungen fanden beim Gecko durch
Baldus (1902) vollständige Bestätigung und weitere Begründung. —
Nachdem auf den vorigen Seiten bereits viele Angaben über die
Wirbelsäulenentwickelung auch der höheren Amnioten gemacht
worden sind, wird es genügen, jetzt nur noch auf wenige Punkte er-
gänzend hinzuweisen. Die letzte Arbeit, welche sich eingehend
mit der Entwickelung des Achsenskelettes der Vögel beschäftigte, war
die von Froriep (1883). Nach ihm vollzieht sich diese beim Huhn,
mit wenigen Worten gesagt, auf folgende Weise : In den ersten Brüt-
tagen ist die Chorda mit ihrer Scheide noch das eigentliche stützende
ob.
Fig. 319.
oh
Fig. 321.
A(
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■J; .
wk.
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ub^ ub<2
tok
ob ob.
Fig. 320,
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-r-K^n HfclilKli, -««^PJ f*«*»,,., «*•*!?
ivk ch
Fig. 319 u. 320. Die ersten Halswirbel eines jungen Embryos von Haliplana
fuliginosa (Fig. 319) und die rechte Seite von vier, in der Mitte halbierten Rumpf-
wirjjeln eines 8-tägigen Hühnerembryos (Fig. 320). Vergr. 22inal. Methylenblau-
präparate (Van Wi.the). Durch die Färbung ist sowohl im Körper (irk) als auch
im ßogenknorpel eine vordere größere und eine hintere kleinere Partie bemerkbar
{ob und o/>, in Fig. 320). ch Chorda. Man beachte in Fig. 320 die amphicöle Gestalt
der Wirbelkörper in diesem Stadium, vh untere Bögen oder Spangen. ?- Rippen, r,
(Fig. 319) steht mit der dorsalen Ecke der 2. Spange in Verbiijdung. r^ ist jedoch
nicht knorpelig, sondern nur sehnenartig, ob^ (in Fig. 319) Atlasbogen.
Flg. 321. Frontalschnitt der Rückengegend eines 1 cm langen Schwein eerabryos
(3. Woche). Das Rückenmark ist oben und unten getroffen, in der Mitte die Chorda.
Kopie nach O. Schultze. d Cutis-, ml Muskellamelle der Ursegmente. is(/ Jnter-
segmentale Gefäße, (js Grenze zwischen den einzelnen Skierotomen, srcr und sccn
kraniale und kaudale Hälfte der Skierotome ; letztere stellen nach 0. Schultze die
Bogenanlagen dar.
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Eippen und Brustbein. 547
Organ. Bald aber (4. Tag) finden sich daneben schräg kaudal-lateral-
wärts geneigte bindegewebige Stützplatten, die primitiven Wirbel-
bögen, an welche sich die Muskelplatten ansetzen. Anfangs stehen sie
mit der Chordascheide im festen Zusammenhang, geben ihn später —
Mitte des 5. Tages — aber auf, indem sich ihre pericliordalen Teile
lockern. Gleichzeitig damit verwandeln sie sich in Knorpel. Diese
Bogen knorpel sind hufeisenförmig und setzen sich aus zwei
symmetrischen Stücken zusammen, die durch eine ventralwärts unter
der Chorda herübergreifende Spange, die hypochordale Spange,
in Verbindung stehen. Dann erst — an der Grenze zwischen dem 5.
und 6. Brüttage — kommt es zur Bildung des Wirbelkörpers in
Gestalt eines unpaaren Herdes chondrogenen Gewebes, welcher zuerst
an der ventralen Seite der Chordascheide, kaudalwärts neben den aus
dem primitiven Wirbelbogen hervorgegangenen Gebilden auftritt.
Kranialwärts reicht er bis nahe an die hypochordale Spange heran.
Letztere bildet sich, abgesehen von den vordersten Halswirbeln ^
siehe oben die Mitteilungen über den Atlas und Epistropheus — all-
mählich völlig zurück, die Bogenknorpel dagegen vereinigen sich
mit dem Körperknorpel, der an Umfang beträchtlich zunimmt
und sich immer mehr als die eigentliche Grundlage des Wirbels dar-
stellt. Er umfaßt die Chorda auch dorsalwärts und trägt an seinem
kranialen Rande den Bogen, der in den knorpeligen Neuralbogen
und die anfangs noch bindegewebige Rippenanlage gesondert ist.
Weitere Untersuchungen werden es wahrscheinlich darthun, daß
die Wirbelsäulenentwickelung der Vögel sich im großen und ganzen
ebenso verhält wie bei den Reptilien. Die meisten Angaben Froriep's
stehen einer solchen Annahme nicht entgegen. Froriep kannte vor
allem noch nicht das Vorhandensein einer Urwirbelspalte und ver-
mochte daher auch nicht die sich aus ihr ergebenden Konsequenzen
mit in Betracht zu ziehen.
Die Figg. 317—319 werden zeigen, daß die frühesten Zustände
der Wirbelsäule, namentlich die Skierotome, nicht wesentlich andere
sind als bei den Reptilien. Betrachtet man aber die Abbildungen
Fig. 314, 315, 319, 320, so wird man geneigt sein, dieses auch für
die späteren Stadien anzunehmen. Man dürfte daher nicht fehlgehen
mit der Behauptung, daß auch bei den Vögeln sich an dem Aufbau
eines jeden W^irbels immer die Hälften je zweier benachbarter
Skierotome beteiligen, sowohl beim Wirbelkörper als auch bei den
Wirbelbögen. Der Anteil des kaudalen Skierotomabschnittes (kranialer
Teil des fertigen W^irbels) wird den des kranialen, namentlich was die
Zusammensetzung der Bögen anbelangt, wahrscheinlich meistens be-
trächtlich überwiegen ; vielleicht wird letzterer zum großen Teil auch
für den Aufbau der intervertebralen Partieen verwendet, ja es ist so-
gar nicht unmöglich, daß er im Rumpfe stellenweise mehr oder weniger
völlig zurückgebildet wird.
Daß Froriep's hypochordale Spangen wohl bestimmt unteren
Bögen gleichzusetzen sind, die durch die starke Entwickelung der Basen
der oberen Bögen teils verdrängt, teils so unterdrückt werden, daß
sie später meistens gänzlich schwinden und sich nur an den vordersten
Halswirbeln, sowie häufig auch am Schwänze erhalten, wurde oben
bereits erwähnt.
Von den Reptilienwirbeln unterscheiden sich die der Vögel durch
die bedeutend stärkere und massenhaftere Entfaltung des Knorpels in
35*
548 H. Schauinsland,
hervorragender Weise, wie auch schon von vornherein das von den
Skierotomen stammende skeletoblastische Gewebe bei ihnen beträcht-
lich voluminöser ist. Schwarck (1873) unterscheidet am Wirbel-
körperknorpel zwei Schichten, eine innere und eine äußere; be-
wahrheitet sich dieses, so liegt es nahe, in der äußeren die Basen der
oberen Bögen zu erblicken, die die innere, perichordale Schicht um-
wachsen haben (Fig. 315), so daß dann also auch noch bei den Vögeln
Andeutungen eines „primären" und „sekundären" "Wirbelkörpers sich
vorfinden würden.
Die V erknöcher un g der Wirbel nimmt einen anderen Verlauf
als bei den Reptilien. Bei diesen begann sie mit der Ablagerung
äußerer, periostaler Knochenlamellen. Bei den Vögeln dagegen
geht die Verkalkung, wie es schon v. Bär (1828) genau angab und
wie es von Gegenbaur (1862) und Schwarck (1871) bestätigt wurde,
von der Mitte und dem Innern des knorpeligen Wirbelkörpers aus.
Jener „0 s sif ikationspunkt" oder „Knochenkern" liegt in der
inneren der von Schwarck beschriebenen beiden Knorpelschichten
des Wirbelkörpers, von der Chorciascheide noch durch eine Reihe ring-
förmig angeordneter Knorpelzellen getrennt (Schwarck), und breitet
sich von hier aus rasch nach den Enden und nach der Peripherie des
Wirbels hin aus. Es ist nicht unmöglich, daß die Stelle des ersten
Auftretens der Wirbelverknöcherung bei den Vögeln der Knochenzone
gleichzusetzen ist, welche bei den Reptilien (Fig. 304) zwischen dem
primären Wirbel und den Bogenbasen erscheint. Es hat demnach
eine Ausschaltung der peripheren Knochenablagerungen, mit denen
bei den Reptilien die Verknöcherung beginnt, stattgefunden. In Bezug
darauf ist es interessant, daß hin und wieder, wenn auch nur als sehr
seltene Ausnahme, auch am Vogelwirbel eine solche äußere Knochen-
lamelle beim Beginn der Ossifizierung auftreten kann (Schwarck).
Der Anfang der Bogen verknöcherung besteht sogar wahrscheinlich
regulär in der Ablagerung derartiger äußerer, vom Wirbelkörper ge-
sonderter Lamellen (Gegenbaur 1867).
Zum Schluß mag noch erwähnt werden, daß in mehr oder weniger
späten embryonalen Stadien — am spätesten wohl bei den Pinguinen —
die letzten Schwanzwirbel zu einem in der Sagittalebene flachen, breiten
Knochen, demUrostyl oder Pygostyl (Fig. 308), an den sich die
Steuerfedern des Schwanzes fächerförmig ansetzen, verschmelzen. Eine
derartige Verlötung fand bekanntlich bei Archaeopteryx noch nicht
statt. Wie erstaunlich groß auch bei diesem die Zahl der Kaudalwirbel
sein mag, so darf man demgegenüber die Ausbildung des Schwanz-
abschnittes der Wirbelsäule bei den heutigen Vögeln doch nicht unter-
schätzen und für so unbedeutend halten, wie es auf den ersten Blick
wohl erscheinen könnte. Eine ganze Anzahl ursprünglich freier
Schwanzwirbel schließt sich nämlich später dem Sacrum an, das an-
fangs ebenso wie bei den Rentilien nur aus zwei Wirbeln bestellt,
an die oder vielmehr an deren Rippen das Ilium sich anfügt.
Entsprechend der Ausbreitung des letzteren längs der Wirbelsäule
assimilieren sich den beiden primären Sacralwirbeln allmählich immer
mehr Schwanzwirbel (wie es kranialwärts auch mit einer Reihe Rumpf-
wirbeln der Fall ist) und verwachsen mit diesen und auch miteinander.
Rechnet man jene verschmolzenen „sekundären" Sacralwirbel den
freien Schwanzwirbeln und den zur Bildung des Pygostyls verlöteten
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 549
hinzu, so erhält man auch bei den recenteu Vögeln die Zahl von etwa
18 — 19 ursprünglich freien Kaudalwirbeln (Wiedersheim).
Bei den Säugetieren verläuft nach Froriep (1886) die Ent-
wickelung der Wirbelsäule ganz ähnlich wie bei den Vögeln. Zuerst
finden sich nach ihm beim Rind als primitiver Zustand wieder
bindegewebige Stützplatten, Froriep's primitive Wir bei bögen,
welche von der Chorda in regelmäßigen, den intermuskulären Zwischen-
räumen entsprechenden Abständen schräg kaudal-lateralwärts abgehen,
an deren Rändern sich die Muskelsegmente befestigen. In der Ueber-
gangsperiode verlieren die primitiven Wirbelbögen ihren festen
Halt an der Chorda, bleiben im übrigen aber als bindegewebiges
Bogenpaar, das ventral durch eine hypochordale Spange ge-
schlossen wird, bestehen. Der definitive Zustand bildet sich
dadurch aus, daß der Bogen, während seine hypochordale Spange sich
zurückbildet und gänzlich schwindet, in seinen lateralen Teilen knor-
pelig wird, und daß diese knorpeligen Bogenstücke alsbald mit dem
mittlerweile entstandenen Körperknorpel zu einem Ganzen verschmelzen.
Verschieden von der Entwickelung bei Hühnerembryonen, bei
denen hyaliner Knorpel zuerst in den Bögen auftritt, entsteht dieser
beim Rinde zunächst im Wirbelkörper, und zwar nicht alimählich,
sondern das gesamte Körpergebiet verwandelt sich mit einem Schlage
in Knorpel. Die Gestalt der Körperanlage ist anfangs bilateral —
was bereits K. E. v. Bär (1828) und Rathke (1839) behaupteten —
in dem Sinne, daß zwei zu beiden Seiten der Chorda gelegene, größere
Knorpelherde durch eine dünne, die Chorda ventral umfassende Knorpel-
brücke in Verbindung stehen.
Abweichend vom Huhn ist auch das Verhalten der hypochor-
daleu Spange. Während diese bei ersterem, sobald der Bogen-
knorpel mit dem Wirbelkörper verschmilzt, zunächst vom Körperknorpel
aufgenommen wird, so daß sie einen Vorsprung an ihm bildet und
erst später als solcher reduziert wird, fließt sie beim Rind überhaupt
nicht mit dem Körper zusammen, sondern bleibt, ohne zu verknorpeln,
als Bindegewebswulst am ventralen Rande der intervertebralen Region
liegen und schwindet dort allmählich völlig.
Man ersieht daraus, daß die unteren Bögen, als welche man
die „hypochordalen Spangen" auch bei den Säugetieren aufzufassen
haben wird, bei diesen in der Regel noch mehr rückgebildet sind als
bei den Vögeln. (Weiss 1901 konnte au den Halswirbeln der Ratte
selbst die bindegewebigen „Spangen" überhaupt nicht mehr auffinden.)
Andererseits kommen aber in der Kaudalregiou vieler Mammalien
(z. B. Cetaceen, Sirenen, Känguruhs etc.) dennoch wohleutwickelte,
intervertebrale untere Bögen vor, deren Ontogenese bis jetzt aller-
dings noch nicht untersucht ist, die aber die größte Aehnlichkeit
mit den gleichen Bildungen niederer Amnioten aufweisen.
Nach Froriep hat sich namentlich 0. Schultze (1896) mit der Ent-
stehung der Säugetierwirbelsäule beschäftigt, und zwar mit Berücksich-
tigung des Ur Segmentspaltes (= Intervertebralspalte v. Ebner's),
die er, wie bereits früher v. Ebner, in den Skierotomen vom Schwein
(Fig. 321), Kaninchen etc. nachwies (Weiss 1901 fand sie auch bei
der Ratte). Er zeigte, daß sich in der Rumpfregion der Wirbel bogen
aus der kaudalen Hälfte des „primitiven Wirbels" (wie er mit
Remak das Skierotom nennt), die sich übrigens durch ihre dunklere
Färbung und ihr festeres Gefüge vor der kranialen auszeichnet, ent-
550
H. Schauinsland,
wickele, und daß der bleibende Wir bei kör per sich zum größeren
Teile aus dem Material des vorhergehenden, zum kleineren aus dem
des nächstfolgenden „primitiven Wirbelkörpers" aufbaue, daß also
eine Neugliederung der Wirbelkörpersäule stattfinde.
Man ersieht hieraus die Aehnlichkeit mit den Entwickelungsvor-
gängen, die wir bei den Reptilien kenneu lernten, und die Ueberein-
stimmung erscheint noch größer, wenn man dabei den Verlauf der
Spinalnerven und segmentalen Gefäße mit in Betracht zieht, die in
V.x'
Fig. 322.
Fig. 323.
■-./
-ch
Fig. 322 u, 323. Zwei Frontalschnitte durch die Schwanzwirbelsäule zweier
Säugetierembryonen ; Fig. 322 von Dipus aegyptiacus, Fig. 323 von Delphinus del-
phis. Vergrößerung 28mal. Die Schnitte sind in der Höhe der Chorda geführt.
Letztere ist im Wirbel selbst aber bereits völlig verschwunden, und nur eine gewisse
Struktur des centralen Wirbelkörperknorpels zeigt dort ihre ehemalige Lage an [chX
In den intervertebralen Partieen ist sie gewuchert {ch). g und n segmentale Blutgefäße
nnd Nerven. Sie liegen bei Dipus dem Wirbelkörper lateral an, während sie ihn bei
Delphinus dorsoventral durchbohren. Jedenfalls wird durch sie bei beiden der
Wirbelkörper in eine kraniale und eine kaudale Hälfte zerlegt, die sich bei Dipus
auch durch eine äußerliche Furche voneinander abheben. Wahrscheinlich zeigen
Gefäße und Neryen die Grenzen der ehemaligen Ursegmente an. k Verknöcherungs-
punkt im Centrum des Wirbelkörpers, iv intervertebrale Partieen, aus denen später
in Verbindung mit der gewucherten Chorda die Zwischenwirbelscheiben entstehen.
Es läßt sich eine äußere und innere Zone an ihnen unterscheiden, von denen bei
Dipus die letztere in diesem Stadium noch knorpelig ist, so daß die einzelnen
Wirbelkörper noch durch Knorpel miteinander zusammenhängen.
der Schwanzregion mancher Säuger (z. B. bei Dipus, Fig. 322) in
einer Furche an der Mitte des Wirbels verlaufen oder ihn sogar (z. B.
bei Cetaceen, Fig. 323) durchbohren. Aus der Analogie mit niederen
Vertebraten kann man daraus wohl folgern, daß der vordere Teil des
Wirbels sich aus dem kaudalen, der hintere aus dem kranialen Sklero-
tomabschnitt gebildet hätte.
0. ScHULTZE ist der Ansicht, daß sich die oberen (und auch die
unteren) Wirbelbögen sowie auch die Auswüchse der letzteren, die
Rippen, allein aus den kaudalen Skierotomstücken entwickeln; es
muß späteren Untersuchungen überlassen bleiben, ob diese Annahme
bei den Säugetieren immer zutreffend ist, oder ob sich nicht vielmehr,
was sehr wahrscheinlich ist, auch die kraniale Skierotomhälfte nament-
lich in der Schwanzregion mehr oder weniger an dem Aufbau der
Bögen beteiligt.
Die Entwickeluüg der AVirbelsäule nebst Ripjjen und Brustbein. 551
Wie die Sklerotonie bereits von Anfang an sehr zellenreich sind,
so ist auch die voluminöse Ausbildung des Knorpels eine sehr be-
deutende, und die Säugetiere stehen hierin wohl an der Spitze aller
Wirbeltiere. — Beim Menschen beginnt die Verkn orp elun g im
Anfange des zweiten Monats, und zwar, wie überall bei den Säugetieren,
soweit es bis jetzt beobachtet worden ist, im Wirbel kör per. Der
Knorpel der Wirbelbögen wächst anfangs nur ziemlich langsam dorsal-
wärts aus, so daß ein großer Teil des Rückenmarkes zunächst von
ihm noch nicht eingeschlossen ist, und nur von der Membrana reuniens
superior bedeckt wird. Noch im dritten Monat klaffen die oberen
knorpeligen Bögen in der Lumbal-, Sacral- und Halsregion ziemlich
weit, aber im vierten hat sich die dorsale Vereinigung der rechten
und hnken Bogenhälfte völlig vollzogen. Dann ist der Knorpelwirbel
vollkommen ausgebildet und besitzt alle Teile, die auch der knöcherne
Wirbel, der sich auf seiner Grundlage allein aufbaut, später aufweist.
Bemerkenswert ist es, daß sich die Verknorpelung sogar, wenn
allerdings auch nur schnell vorübergehend, auf die interverte-
bralen Partieen erstrecken kann (0. Schultze), so daß dann die
ganze Wirbelkörpersäule eine kurze Zeit hindurch aus einem einheit-
lichen Knorpelstab besteht (Fig. 322), aus dem sich die Zwischenwirbel-
scheiben sekundär wieder differenzieren müssen.
Bei der Verknöcherung des Säugetierwirbels sind die äußeren,
periostalen Knochenscherben, mit denen die Wirbelossifikation bei den
Reptilien wohl regelmäßig beginnt, und die, wenn auch nur als seltene
Ausnahme hin und wieder selbst noch bei den Vögeln vorkommen
können, völlig verschwunden. Die Verknöcherung beginnt im Innern
des Knorpels unter gleichzeitigem Eindringen von Blutgefäßen vom
Perichondrium aus, und zwar zunächst in den Basen der oberen
Bögen gleichzeitig auf der rechten und linken Seite; zu jenen beiden
Ossifikationscentren tritt etwas später noch ein drittes im Innern des
Wirbelkörpers hinzu. Letzteres liegt anfangs an der dorsalen
Seite der Chorda (Robin 1864), vergrößert sich später und umschließt
die Chorda vollständig, die darauf in den Wirbeln selbst bald gänzlich
verschwindet (Fig. 322, 323). Diese drei Ossifikationspunkte wuchern
ziemlich rasch und gelangen bald an die Oberfläche des Knorpels —
beim Menschen im vierten und fünften Monat. Der Wirbel besteht
dann aus drei Knochenstücken, die durch Knorpelnähte an den Basen
der Bogen und an der median-dorsalen Vereinigung der rechten und
linken Bogenhälfte, längere oder kürzere Zeit noch voneinander ge-
trennt bleiben.
Neben diesen Knochenpunkten, welche die Hauptmasse der Wirbel
darstellen, kommen noch einige andere vor, von denen vornehmlich
zwei, je einer an der kranialen und kaudalen Endfläche des Wirbel-
körpers, bemerkenswert sind. Aus ihnen entstehen die sogenannten
Epiphysenplatten, die in einzelnen Fällen, z. B. bei den Cetaceen,
als gesonderte Knochenscheiben dauernd bestehen bleiben, in anderen
jedoch früher oder später mit dem Körper völlig verschmelzen. Diese
Epiphysenstücke sind charakteristisch für die Säugetiere; da ihnen bei
den anderen Wirbeltieren nichts an die Seite gesetzt werden kann,
so ist man über ihre phylogenetische Herkunft bis jetzt noch völlig
im Unklaren.
Außerdem sind endlich noch einige Nebenkn ochen k erne an
den Enden der Wirbelfortsätze zu erwähnen , auf deren Auftreten
552 H. Schauinsland,
beim Menschen namentlich Schwegel (1858) hingewiesen hat. Einer
von ihnen tritt in der Spitze aller Dornfortsätze auf. Letztere ent-
stehen nämlich so, daß die Knorpelmasse, welche sich zwischen der
rechten und linken Bogenhälfte dorsal vom Rückenmark befindet,
allmählich zu einem Dorn auswächst, in dessen Innerem dann später
ein besonderer Knochenkern erscheint. (Hierin liegt ein Unterschied
zwischen der Entwickelung der Dornfortsätze bei Reptilien. Bei
Sphenodon z. B. [Schauinsland] wächst nämlich zwar auch die
mediane Knorpelnaht zunächst zwischen den Bogen sekundär zu einem
Kamm oder Dorn aus; dieser verknöchert aber nicht für sich allein,
sondern es erstrecken sich die Knochenlamellen des rechten und
linken Bogens auch auf ihn herauf, bleiben an der Spitze noch lange
Zeit hindurch voneinander getrennt und verschmelzen erst im hohen
Alter.)
Weitere Nebenknochenkerne finden sich dann noch an den Spitzen
aller Querfortsätze, vereinzelt auch an den Gelenkfortsätzen u. s. w.
Alle diese Kerne erscheinen beim Menschen im allgemeinen spät,
nach Schwegel vom 8. bis 15. Jahre, und verschmelzen etwa erst
um das 25. Jahr mit der Hauptmasse des Wirbels, der von da an
einen einzigen kompakten Knochen darstellt.
Von anderen Einzelheiten, die die Wirbelsäule der Säugetiere be-
treffen, wären noch die Verwachsungen mehrerer Wirbel während
der Ontogenese zu erwähnen. Derartige Verschmelzungen kommen
in mehi- oder weniger ausgedehnter Weise namentlich an der Hals-
wirbelsäule der Cetaceen vor unter gleichzeitiger Verkürzung der
einzelnen Wirbel. Auch bei Edentaten, bei Dipus u. s. w. finden
sie sich.
Regelmäßig kommt es zur Wirbelverwachsung — mit Ausnahme
der Cetaceen — aber in der Sacralregion. Unter den hier zu
dem einheitlichen Os sacrum verschmelzenden Wirbeln hat man
nach Gegenbaur wiederum zwischen echten und unechten
Sacral wirb ein zu unterscheiden. Ebenso wie bei allen übrigen
Vertebraten von den Amphibien an wird die Verbindung zwischen
dem Ilium und der Wirbelsäule durch Rippen gebildet. Ursprüng-
lich ist es jedoch nur ein einziger Wirbel, der eine solche Ver-
bindung eingeht (Gegenbaur). Später folgt ihm darin noch ein
zweiter, und diesem schließen sich in verschiedener Zahl nocli weitere
kaudale Wirbel an , die mit dem ersteren synostisieren und als
pseudosacrale bezeichnet werden müssen. Diese Verhältnisse
des näheren zu schildern, ist wohl aber bereits Aufgabe der ver-
gleichenden Anatomie, der wir auch die Beschreibung und Erläute-
rung der R e g i 0 n b i 1 d u n g e n an der Wirbelsäule der Vertebraten
überlassen müssen. Hingewiesen mag aber noch auf die interessanten
Studien E. Rosenberg's (1875, 1883, 1896, 1897, 1899) werden, durch
die er feststellen konnte (1875), daß am distalen Abschnitt der Brust-
region und au allen folgenden Regionen der menschlichen Wirbelsäule
ein proximalwärts fortschreitender Umformungsprozeß stattfinde.
Im besonderen zeigte er, daß das Sacrum anfangs von einer mehr
distalwärts reichenden Reihe von Wirbeln zusammengesetzt wird, als
später im erwachsenen Zustand, und daß während der Entwickelung
eine Verschiebung eintrete, insofern als Lumbal- in Sacralwirbel
und Sacral- in Kaudalwirbel verwandelt werden. Es ergiebt sich
daraus eine Art von flüssigem Zustand für die Wirbelsäulenregionen.
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 553
Derselbe Wirbel, welcher in dem einen Falle Thorakalwirbel ist,
erscheint in einem anderen als lumbaler, um wieder im anderen
Sacralwirbel zu sein, oder endlich einen Schwanzwirbel vorzustellen
(Gegenbaur).
Später erweiterte Rosenberg seine Theorie noch dahin, daß am
distalen Abschnitt der Halswirbelsäule sich ein distal wärts fort-
schreitender Umformungsprozeß vollziehe.
Gegen Rosenberg's Annahme wurden aber auch Einwendungen
erhoben (so von Welker 1878, Holl 1882, Paterson 1893,
Adolphi 1902, Bardeen 1904, etc.). Die neueste Arbeit von
Adolphi (1905) nimmt einen vermittelnden Standpunkt ein. In ihr
und in der von Bardeen findet sich die gesamte, diesen Gegenstand
behandelnde Litteratur zusammengestellt.
Rippen. Wirkliche Beobachtungen über die p]ntwickelung der
Amniotenrippen sind nicht gerade zahlreich ; theoretische Erwägungen
finden sich dagegen häufiger und sind zum Teil schon bei der Be-
sprechung der Rippen der niederen Vertebraten erwähnt worden. So
kann sich z. B. Claus (1876) nicht damit einverstanden erklären, daß,
wie Gegenbaur will, die Rippen Abgliederungen der unteren Bögen
seien, da von den Reptilien an die Rippen u n d unteren Bögen am
Schwänze gleichzeitig vorkämen. Die Rippen gehören nach
ihm vielmehr dem System der Querfortsätze an.
C. K. Hoffmann (1878, 1879) teilt diese Auffassung jedoch nicht,
ebenso wie er die von Gegenbaur verwirft und auch der Meinung
Goette's, daß sie seitliche Anhänge oberer Wirbelbögen wären,
nicht zustimmt. Dagegen behauptet er, daß die Rippen „ursprüng-
liche intervertebrale, aus der die Chorda umgebenden skeleto-
genen Schicht hervorwachsende Stücke bilden, welche selbständig ossi-
fizieren". Baur (1887) suchte diese Anschauung zu unterstützen
und in gewisser Weise auch Gadow (1896), wenn er seine Meinung
dahin ausspricht, daß die Amniotenrippen laterale und die „ Chevron s
und Haemapophysen" ventrale Auswüchse seiner „Basiventralien",
aus welchen die ,,Intercentra" entstehen, seien.
Nach Bruch (1863, 1867), Kölliker (1879), Hasse und Born
(1879), Rabl (1892), Eimer (1901) sind die Amniotenrippen selb-
ständige Bildungen, die in den Bindegewebsscheidewänden zwischen
den Muskeln entstehen und sich dann später an Querfortsätze oder
auch unmittelbar an Wirbelkörper oder obere Bögen angliedern
(Eimer).
0. ScHULTZE (1897) endlich leitet ihre Entwickelung ebenso wie
Gegenbaur aus den unteren Bögen her; sie sind Auswüchse der
unteren Bögen „des primitiven Wirbels" und wie diese segmentale
Bildungen. Jede Rippe ist auf den kau dal en Teil eines Ursegments
zurückzuführen.
Diese letztere Anschauung kommt unserer eigenen (Schauins-
land) am nächsten. Schon oben ist sie erwähnt worden (p. 533).
Danach sind die Rippen der Amnioten Abkömmlinge der unteren
Bögen, wenn sie auch noch so weit dorsal verschoben scheinen. Nach
den bei Anamniern gemachten Erfahrungen wissen wir, daß sich das
System der unteren Bögen in eine ventrale und eine dorsale Partie
teilen kann. Wir werden uns daher nicht wundern, wenn wir, wie
z. B. in der Schwanzgegend, beiden gleichzeitig begegnen, den dorsal
gelegenen, mit den Querfortsätzen zu Seiten fortsätzen verschmol-
554 H. Schauinsland,
zenen Rippen und den ventralen unteren Bögen (Chevron bones),
und werden dalier Claus u, A. nicht beistimmen, Avenn sie darin
einen Grund linden wollen, die Zugehöiigkeit der Rippen zu den
unteren Bögen in Abrede zu stellen.
Es ist allerdings sicher, daß die Zusammengehörigkeit der beiden
Komponenten des Komplexes der unteren Bögen sich nur in wenigen
Fällen — wie z. B. an den Halswirbeln der Krokodile — noch un-
mittelbar nachweisen läßt. Im Laufe der Phylogenese haben außer-
ordentlich starke Verschiebungen stattgefunden, so daß es oft that-
sächlich den Anschein hat, als besäßen die Rippen nähere Beziehungen
zum System der oberen, als zu dem der unteren Bögen. Häufig stehen
selbst ontogenetisch Rippe und oberer Bogen jederzeit in unmittelbarem,
festem Zusammenhang. Die Zustände bei den Amphibien und die
Wanderungen der Rippen bei diesen, wie Göppert sie aufgeklärt hat,
lassen aber den Weg ahnen, den offenbar auch die Amniotenrippen
genommen haben, wenn wir ihn im einzelnen bis jetzt auch durchaus
noch nicht deutlich erkennen.
Wie die ventralen Teile der unteren Bögen (die hypochordalen
Spangen, Gabelknochen, chevron bones) durch die starke Ausbildung
der oberen Bogenbasen meist völlig vom Wirbelkörper verdrängt
worden sind und eine intervertebrale Lage angenommen haben,
so haben die genetisch zu ihnen gehörigen Rippen die Verschiebung
nach dieser Richtung hin ebenfalls oft mitgemacht. —
In Hinsicht auf ihre Beziehungen zur Muskulatur wird man die
Amniotenrippen auf diejenigen der Amphibien zurückzuführen haben
(Hatschek u. A.) und sie im Gegensatz zu den unteren Fischrippen
als obere bezeichnen müssen. —
Um einige bestimmte Beispiele der Rippenentwickelung zu geben,
so vollzieht sich diese bei Sphenodon auf folgende Weise (Schau-
insland 1900) : In frühen Stadien, in denen noch keine Spur von
Verknorpelung vorhanden ist, machen sich an den „Bogenanlagen",
welche den „primären Wirbelkörper" umgeben, etwa in der Höhe der
Chorda (wenigstens im mittleren Rumpfabschnitt, weiter kranialwärts
rücken sie weit dorsal auf die Bögen herauf) laterale Fortsätze be-
merkbar, in denen man die Anlagen der Querfortsätze und der Rippen
zu erblicken hat. Vom ersten Augenblick ihres Erscheinens an
stehen sie mit den Bogenanlagen in kontinuierlichem Zusammenhang;
nichts deutet somit während der Ontogenese in direkter Weise auf
ihren ehemaligen Zusammenhang mit den unteren Bögen noch hin. An
dem Aufbau der Hals- und fast aller Rumpfrippen beteiligt sich ganz
überwiegend, wenn nicht ausschließlich, nur der kaudale Skierotom-
anteil (also der kraniale Wirbelabschnitt), von der 2. Sacralrippe an
aber auch der kraniale. Die meisten Schwanzrippen setzen sich aus
beiden Skierotomstücken zusammen, was auch noch in späteren
Stadien durch eine Furche angedeutet wird (Fig. 307). (Hin und
wieder können die allerletzten Rippen sogar auch in Gestalt von zwei
Rippenstümpfen, die an zwei Querfortsätzen sitzen, vorkommen ; Fig. 307).
Hiermit im Zusammenhang steht es, daß die Rippen der Hals- und
Rumpfregion in kranio-kaudaler Richtung ganz schmal sind und fast
genau senkrecht (dorsoventral zur Körperachse) stehen, in der Schwanz-
gegend jedoch kranial-kaudalwärts stark verbreitert und parallel zur
Achse angeheftet sind. Bei den letzten Lumbal- und den beiden
Sacralrippen beginnt diese Aenderung in der Stellung allmählich ein-
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 555
zutreten und hat sich bei der ersten Schwanzrippe bereits vollständig
vollzogen (Fig. 307).
Auch nach der Verknorpelung ist zunächst der Zusammen-
hang zwischen Rippe und Wirbel ein vollständiger; eine Trennungs-
linie im Knorpel ist zwischen diesen beiden Elementen nicht vor-
handen. Bald darauf tritt eine solche aber auf. Die Zellen verlieren
an der Stelle des späteren Gelenkes ihren Charakter als Knorpelzellen
und statt ihrer erscheinen Bindegewebsfasern ; hierdurch ist dann die
Rippenanlage in einen kurzen, mit dem Wirbelkörper untrennbar ver-
bundenen Querfortsatz und die eigentliche Rippe zerlegt. Diese
stellt im Rumpf anfangs einen einheitlichen und fast gleichmäßig
dicken Knorpelstab dar, in dem später in ähnlicher Weise wie vor-
her bei der Scheidung vom Querfortsatz nochmals eine Trennung er-
folgt, wodurch die Rippe in einen proximalen und einen kurzen di-
stalen Abschnitt zerlegt wird, welch' letzterer anfangs nur wenig,
später sehr stark kranialwärts umbiegt und die Leibeshöhle von unten
umfaßt, ein Vorgang, der sich übrigens bei vielen anderen Reptilien
in ganz ähnlicher Weise findet. Bei Sphenodon — bei Lacertiliern
ist das meistens ebenso der Fall — verknöchert nur der obere
proximale Teil der Rippe, indem er ringsum von einer Knochenrinde
eingehüllt wird; der innere Knorpel wird durch eindringende Gefäße
zum großen Teil später zerstört und in Markmassen aufgelöst. Eine
e u 1 0 c h 0 n d r 0 1 i s c h e Verknöcheruug findet während des Embryonal-
lebens nicht statt. Der untere Abschnitt des proximalen Rippen-
stückes sowie der gesamte distale, abgegliederte Teil verknöchert
nicht, sondern hier verkalkt der Knorpel nur.
Bei den distalen Rippenstücken, die anfangs auch nur fast ganz
gleichmäßig ausgebildete Knorpelstäbe darstellen, treten später bei
Sphenodon an der kranialen, darauf auch an der kaudalen Seite flügel-
artige Verbreiterungen auf, so daß dann das Rippenende die Gestalt
eines verschobenen Kreuzes besitzt. Nach dem Ausschlüpfen ver-
breitern sich die beiden Kreuzesarme noch mehr und wachsen jeder-
seits zu einer ganz dünnen knorpeligen Schuppe aus; von diesen legt
sich die vorhergehende immer über die nachfolgende herüber, und
durch dieses Uebereinanderschieben wird ein vorzüglicher Schutz der
Eingeweide geschaffen.
Die Län^e der Querfortsätze der knöchernen Rippen ist bei Sphe-
nodon immer sehr unbedeutend, so daß die Rippen dem Wirbel dicht
aufsitzen, und zwar in der Hals- und Rumpfpartie, wie bereits ange-
deutet, quer zur Sutur zwischen Wirbelkörper und oberen Bögen. Das
proximale Rippenende befindet sich demnach teils auf dem Wirbel-
körper, teils auf dem Wirbelbogen, meistens zur Hälfte auf dem
ersteren und zur anderen Hälfte auf dem letzteren, wenn auch in den ver-
schiedenen Körperregionen hiervon Abweichungen vorkommen können.
(An den ersten Halswirbeln können die Rippen sogar ganz auf den
Bogen heraufrücken.) Der Rippenanfang gabelt sich dabei zwar nicht,
aber man kann auf ihm , entsprechend der Bogeukörpe]-naht, eine
Furche bemerken, die wahrscheinlich als erste Andeutung eines sich
bildenden Capitulums und Tuberculums aufzufassen ist. Jedoch ist
das nur eine Vermutung, wie überhaupt die Entstehung der Doppel-
köpfigkeit der Amniotenrippe zum größten Teil noch ein ungelöstes
Problem darstellt. Da im Schwänze von Sphenodon die Rippen eben-
falls eine Furche aufweisen, die sie aber nicht wie vorne in eine dor-
556 H. Schauinsland,
sale und ventrale Partie scheidet, sondern vielmehr in eine kraniale
und kaudale, entsprechend ihrer Zusammensetzung aus zwei Sklerotoin-
hälften, so ist es nicht undenkbar, daß bisweilen die Zweiköptigkeit
einer Rippe auch aus dem letzteren Umstände abgeleitet werden kann. —
Eine ganz besondere Ausbildung erfahren die Rippen bei den
Schildkröten, da sie hier in hervorragender Weise an der Ent-
stehung des Rückenpanzers sich beteiligen. Es hat ziemlich lange
gewährt, bis man über die sich dabei abspielenden Vorgänge Klarheit
gewann. Anfangs hielt man überwiegend sowohl das Bauch- als auch
das Rückenschild für Abkömmlinge des Haut Skeletts. Man er-
kannte dabei allerdings, daß ein Teil der Platten des Rücken-
schildes, die Costal- und Spinalplatten, Beziehungen zum
Achsenskelett aufweisen, nahm jedoch an, daß diese erst sekundärer
Natur seien, daß die dermal entstandenen Platten erst später mit
dem Stammskelett verwüchsen (Carus, J. Müller, Peters, Owen,
Stannius, Cope, Baur, Dollo u. A.).
Nach C. K. Hoffmann (1879) hingen Rippen und Wirbel ur-
sprünglich in knorpeliger Anlage ohne Trennungslinie zusammen,
worauf sich die Rippe durch eine besondere Ossifikationslinie ab-
grenze. Der Rippenknorpel verkalke allmählich von innen nach außen,
und um ihn bilde sich eine perichondrale Knochenkruste. (Haykraft,
1892, behauptet sogar, daß die Wirbel und Rippen der Schildkröten
überhaupt kein Perichondrium oder Periost besäßen.) Rings um diese
lagerten sich dann Hautknochen ab, während der verkalkte Rippen-
knorpel resorbiert würde. Nur das mediane, nicht vom dermalen
Knochen eingeschlossene Rippenende erhielte sich. Danach wären
also die Costalplatten (und auch die Spinalplatten) außerhalb des
Periost rein kutan entstanden.
Andererseits (Rathke 1848, Huxley 1873, Gegenbaur 1898)
leitete man die Platten zwar ontogenetisch vom Innenskelett her, führte
sie schließlich trotzdem aber doch wieder auf das Hautskelett zurück in
der Annahme, daß Teile von diesem während der Phylogenese mit dem
Achsenskelett, speciell den Rippen, sich verbunden hätten und in
ihnen aufgegangen wären.
Dem allem gegenüber wies Goette (1899) überzeugend nach
(bei Chelone, Podocnemis etc.), daß die ganze knöcherne Rippenplatte
des Rückenschildes nichts weiter als ein stark verdickter Periost-
knochen der knorpeligen Rippe nebst einer Verbreiterung und Fort-
setzung derselben in einer rückgebildeten Muskelschicht ist. (Die
Spinalplatten sind gleichfalls subkutane, teils periostale, teils ligamen-
töse Verknöcherungen, während andererseits die Nacken-, Rand-,
Pygalplatten und das Bauchschild zweifellos in der ursprünglichen
Cutis entstellen.) Die Wirbel und Rippen der Chelone und wohl
aller Seeschildkröten enthalten keine Spur von Hautknochen, eine
Ansicht, die auch Eimer (1901) teilt. —
Beim Hühnchen findet Froriep (1883) am Ende des 6. Brüt-
tages die „hypochordale Spange" lateralwärts fortgesetzt in eine Platte
aus nicht knorpeligem, sehr dichtem Bindegewebe, welches die Rippen-
anlage repräsentiert. (Hiernach wird also thatsächlich durch die
Beobachtung der von uns angenommene ursprüngliche Zusammen-
hang zwischen unteren Bögen und Rippen nachgewiesen!) Dorsal-
wärts geht die „Spange" in den Neuralbogen über; zwischen diesem
und der Rippenanlage liegt ein lougitudinaler Gefäßstamm, die Ar-
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 557
z
teria vertebralis, die ursprünglich sich als eine Längsanastomose
zwischen den regelmäßig metanieren „Interprotovertebralarterien'' ge-
bildet hat.
In der bindegewebigen Rippenanlage erscheint dann später —
etwa im Laufe des 8, Tages — ein kurzes Knorpelstück, welches mit
der Bogenbasis und dem Körper an der Stelle in Zusammenhang
tritt, an welcher das laterale Ende der nun geschwundenen hypo-
chordalen Spange gelegen haben würde (vergl. auch Fig. 319). Ob
dieser Rippenknorpel selbständig entstanden oder aus der Bogenbasis
hervorgewachsen sei, konnte Froriep nicht entscheiden, jedenfalls
war aber am Ende des 8. Tages das betreifende Knorpelstück mit
dem Wirbel verschmolzen und erschien als dessen „Rippenfortsatz".
Später gliedern sich auch bei den Vögeln die Rippen, wenigstens
die, welche mit dem Sternum in Verbindung stehen, nochmals und
zerfallen dann in ein vertebrales und ein sternales Stück, welch' letz-
teres selbständig ossifiziert. —
Für die Säug eti er e (1897), insbesondere den Menschen , gibt
0. ScHULTZE, wie bereits früher bemerkt, an, daß die Rippen laterale
und ventrale Auswüchse der unteren Bögen und auf den kaudalen
Teil der Ursegmente zurückzuführen sind. Nach ihm findet die Ver-
knorpelung in dorsoventraler Richtung statt, und die knorpelige
Rippe bildet eine Zeit lang ein Knorpelstück mit dem knorpeligen
Wirbel, in dem das Gelenk erst später auftritt. (Nach W. Hagen,
1900 erhalten jedoch die Rippen ihr eigenes, wohl charakterisiertes
Knorpelzentrum, während die Gelenke zwischen dem Wirbel von vorn-
herein bindegewebig sind und es auch bleiben.)
Die Rippen verknöchern beim Menschen früh, schon am Ende
des zweiten Monats, jede mit einem dorsalen Knochenkern, der sich
rasch nach beiden Seiten ausbreitet. Das distale Ende der Rippe bleibt
jedoch knorpelig. In späterer Zeit (vom 8. bis 14. Jahr nach Schwegel)
erscheinen in den Knorpeln des Capitulums und Tuberculums be-
sondere Knochenkerne, die zwischen dem 14. und 25. Jahr mit dem
übrigen Rippenknorpel verschmelzen. —
Ursprünglich hatten oifenbar alle Wirbel die Fähigkeit, Rippen zu
erzeugen. Durch physiologische Einflüsse bedingt, sind darin aber
Aenderungen eingetreten, und die Ausbildung der Rippen wurde an
vielen Stellen gehindert. Teils sind sie gänzlich ausgefallen, teils sind
sie schon frühzeitig mit anderen Wirbelteilen verschmolzen, so daß
man sie ohne Kenntnis der Entwickelungsgeschichte nicht mehr nach-
weisen könnte. So verwachsen z. B. die Halsrippen frühe und voll-
ständig mit dem Wirbel und in der Lumbal-, Sacral- und Kaudal-
region enthalten wohl bei allen Amnioten die „Querfortsätze" Rippen,
die mehr oder weniger früh mit ihnen verwachsen sind. Man sollte
sie daher dort auch lieber statt „Querfortsätze" Seitenfortsätze
nennen (0. Hertwig).
Es wird nicht wunder nehmen, daß an solchen Stellen, wo Rippen
unterdrückt sind, sie bisweilen ausnahmsweise auch wieder auftreten
können. Die Literatur, in der uns beim Menschen freie Hals- und
Lendenrippen mitgeteilt werden, ist nicht unbeträchtlich. Bei fast
allen Haussäugetieren sind solche Fälle ebenfalls nachgewiesen worden
(CoRNEViN et Lesbre 1897). Neuerdings beschrieb Pfützenreuter
(1904) das Vorkommen von Rippen in der Lendengegend beim Kameel
und wies nach, daß in den Querfortsätzen der. Lendenwirbel dieses
558 H. Schauinsland,
Tieres nicht nur Rippenrudimente enthalten sind, sondern daß der
„Querfortsatz" zum überwiegenden Teil einer Rippe entspricht. —
Einen Versuch, der Lösung des Problems, auf welche Weise die Ver-
schiebung der Amniotenrippe stattgefunden hat, näher zu kommen,
wurde von Schöne (1902) unternommen, indem er dabei von den Unter-
suchungen Göppert's über die Amphibienrippen ausging und nament-
hch die Verhältnisse der Arteria vertebralis zu Rate zog. Dieses Gefäß,
welches aus einer Längsverbindung der ursprünglichen, zwischen den
Ursegmenten verlaufenden Arterien hervorgeht (Froriep) , liegt bei
den Amnioten bald ventral, bald dorsal von der Verbindung der Rippen
mit der Wirbelsäule. Es fragt sich nun, ob in den Fällen, in denen
sich die Arteria vertebralis dorsal von der Capitulumverbindung der
Rippe findet (Schildkröten, Vögel, Säugetiere, Halsrippen der Krokodile)
hierin die alte (bei MenoJjranchus beobachtete Lage) bewahrt ist, und
ob andererseits bei einer dorsal von der Arterie sich vollziehenden
Rippenverbiudung (hintere Rippen der Krokodile, Saurier, Schlaugen)
sich diese ebenso wie bei höheren Urodelen vermittelst einer Rippen-
trägerbildung herausgebildet hat. Wäre letzteres nicht der Fall.
so könnte es sich nur um eine einfache Verschiebung der Basalstumpf-
verbindung, wie bei Gymnophionen handeln , allerdings unter Um-
bildung der Arteria.
Im Laufe seiner Untersuchungen kommt Schöne zu dem Schluß,
daß sehr wahrscheinlich bei den Schildkröten, Krokodilen (Halsrippen).
Vögeln und Säugetieren die Capitulumverbindung der Rippe thatsäch-
lich identisch ist mit der primitiven Basalstumpfverbiudung der niederen
Urodelen.
Bei den hinteren Rippen der Krokodile dagegen muß seiner Mei-
nung nach das Capitulum ähnlich wie bei den Gymnophionen und
Anuren einfach auf den Neuralbogen heraufgeglitten sein, wobei die
A, vertebralis aber nicht, wie bei den genannten Formen, mit ver-
lagert wurde, sondern sich durch Ausbildung bestehender kollateraler
Zweige in ihrer alten Bahn erhielt. Er fand nämlich keine Spur einer
Rippenträgerverbindung, mit deren Hilfe das Capitulum über die
Arteria hätte hinüberwandern können.
Ebenso gelang es ihm nicht, Rippenträgerbildungen bei Sauriern
und Schlaugen nachzuweisen, und er hält es demnach für wahrschein-
lich, daß bei ihnen ebenso wie bei Anuren und Gymnophionen die
Rippe ohne Rippenträger einfach dorsal verschoben ist. Ob an dieser
Wanderung sich auch der Basalstumpf beteiligt hat, ist unentschieden,
jedenfalls hat er bei den Sauriern und bei den Reptilien überhaupt
seine Selbständigkeit gegenüber dem Wirbelkörper und den oberen
Bögen verloren. —
Endlich sind noch die Proc. uncinati zu erwähnen, jene kurzen,
kaudal-dorsalwärts gerichteten, hakenförmigen Foi-tsätze der Rippen,
die sich bei einigen Reptilien, Sphenodon und Krokodile, sowie bei
den Vögeln vorfinden.
Bei Sphenodon, wo sie vom 8. bis zum letzten Rumpfwirbel vor-
handen sind (Schauinsland 1900) werden sie knorpelig angelegt.
Ihr Knorpel erscheint beträchtlich später wie der Knorpel der Rippen,
von dem er sich auch durch kleinere Kapseln und kleinere Kerne
dauernd unterscheidet. Der Fortsatz bleibt während des ganzen
Lebens von der Rippe isoliert und verwächst nie mit ihr; ebenso ver-
knöchert er niemals, sondern verkalkt nur.
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 559
Gegenbaur's Ansicht, daß die Process. uncinati sich aus den
hakenförmigen Fortsätzen, die am distalen Ende der 5. 6. und 7. Hals-
wirbelrippe vorkommen, entwickelt hätten, ist nicht sehr wahrschein-
lich. Die Aehnlichkeit dieser beiden Gebilde ist wohl nur eine äußere ;
die hakenförmigen , niemals abgegliederten, seitlichen Fortsätze der
Rippen der Halswirbel entsprechen wahrscheinlich eher den distalen
Enden der Rumpfwirbel und nicht den an den mittleren Rippenteilen
von Anfang an distinkt auftretenden Process. uncinati.
Ueber die hakenförmigen Fortsätze bei Krokodilen macht
Rathke (1866) nähere Angaben. Sie entstehen auch hier auf knorpeliger
Grundlage, und zwar in einer Sehnenplatte; eine Verknöcherung tritt
bei ihnen ebenfalls nicht ein, wie sie wahrscheinlich auch niemals mit
den Rippen verschmelzen.
Bei den Vögeln verhalten sich die Process. uncinati etwas anders.
Auch hier werden sie innerhalb einer Sehne (Behrens 1880) knorpelig
angelegt und zwar recht spät (beim Hühnchen treten sie erst etwa am
12. Tage auf). Später jedoch ossifizieren sie von einem besonderen
Centrum aus (Rathke 1866) und verwachsen mit den Rippen meistens
vollständig. Hin und wieder kann bei einzelnen Rippen diese Ver-
schmelzung unterbleiben und tritt bei Apteryx überhaupt nicht ein.
Bei Eudyptes chrysocome (Männich 1902) und vielleicht bei allen Pin-
guinen bleiben die Fortsätze lebenslänglich knorpelig und haben sich
somit Reptiliencharakter bewahrt.
Sternum. Während bei den Amphibien noch die Streitfrage auf-
geworfen werden konnte, ob bei ihnen die sternalen Knorpel wirklich
als costales Sternum aufzufassen seien oder nicht, treten uns bei allen
Amnioten Sterualbildungen entgegen, die nicht nur mit Rippen im Zu-
sammenhang stehen, sondern auch als ihr Produkt zu betrachten sind.
Sie dienen als Träger des primären Schultergürtels, und Gegenbaur
sieht hierin das genetische Moment für ihre Entstehung. Die unmittel-
bare Berührung des nach hinten gewanderten Schultergürtels mit einer
Sternalrippe stellte diese vor die neue Aufgabe, ihm als Stützapparat
zu dienen, der sie in um so höherem Grade nachkommen konnte,
wenn sie mit einer Anzahl ihr folgender Rippen in Verband trat.
Eine solche Verschmelzung wird auch durch die Ausdehnung des Epi-
sternums nach hinten hin und seine Verbindung mit den ventralen
Rippeneuden begünstigt worden sein (FtJRBRiNGER).
Wir haben hier nur das aus den Rippen hervorgegangene Brust-
bein (costale oder primäre Sternum) zu berücksichtigen, wäh-
rend die ursprünglich nicht dazu gehörigen Teile, der sekundäre
Brustschulterapparat, namentlich auch soweit sie dermaler Natur
sind (Episternum etc.), von H. Braus (Entw. der Form der Extremi-
täten etc.) in diesem Handbuch besprochen werden.
Rathke war es, der zuerst beim Hühnchen und bei Säugetieren
(1838) nachwies, daß das Brustbein anfänglich aus zwei völlig von-
einander getrennten Seitenhälften bestehe. Am 8. Bruttage beginnen
diese sich beim Hühnchen vorne zu berühren, während sie hinten
noch weit auseinander klaffen, am 10. aber sind sie bereits in ihrer
ganzen Länge miteinander verwachsen.
Später (1853, 1866) dehnte er seine Untersuchungen auch auf
die Reptilien, Saurier und Krokodile aus und konnte auch bei diesen
seine früher gewonnenen Anschauungen bestätigen. Aus diesen vor-
züglichen Arbeiten Rathke's ließ es sich aber noch nicht mit völliger
560 H. Schauinsland,
Sicherheit entnehmen, daß die beiden Brustbeinhälften auch wirklich
Produkte der Rippen seien, was von Bruch (1852) sogar direkt in Abrede
gestellt wurde, indem er sich zu Gunsten einer selbständig stattfindenden
Genese des Sternums bei Vögeln und Säugetieren aussprach und letz-
teres damit als einen durchaus neuen Skeletteil hinstellte, der erst
sekundär mit den Bippen in Verbindung trete. Von späteren Forschern
(Parker 1868, Goette 1875, 1877, K. Hoffmann 1879, Kölliker
1879 u. A.) konnte es aber nachgewiesen werden, daß die Brustbein-
hälften in ihrer ersten Anlage durch Anschwellen und späteres
Verwachsen der medialen Rippenenden zu stände kommen.
Um auf die verschiedenen Amniotenabteilungen noch etwas näher
einzugehen (man vergleiche die Abbildungen Fig. 229, 230, 234 von
Cnemidophorus — Goette — und Sphenodon — Schauinsland), so
findet sich bei jungen Sphenodonembryonen jede der beiden Sternal-
hälften in Gestalt einer ungefähr dreieckigen, bindegewebigen Platte.
Sie stehen weit voneinander entfernt, doch ist kranialwärts der Zwischen-
raum zwischen ihnen bedeutend geringer wie weiter kaudal, ein Ver-
halten, das übrigens schon allein durch die aufgerollte Lage
des Embryos sowie durch den noch sehr weiten Dotter sack-
nabel bedingt wird.
Jede der beiden Platten hängt mit dem distalen Ende der Rippen
des 9. und 10. Wirbels zusammen, während die Rippe des 8. ganz in
ihrer Nähe endet. Bald vereinigt sich mit ihr auch noch die Rippe
des 11. Wirbels, und diese drei Rippen, aus denen man sich das
Sternum überhaupt erst entstanden zu denken haben wird, bleiben
fortan in dauernder Verbindung mit ihm. Im Alter vereinigt sich
auch noch eine 4. Rippe mit den kaudalen Brustbeinenden, aber nicht
mehr knorpelig, sondern nur durch ein sehnenartiges Band.
Die Verknorpelung des Brustbeines erfolgt verhältnismäßig
spät, und auch in diesem Zustand ist seine Verbindung mit den obigen
Rippen eine durchaus kontinuierliche; später gliedern sich diese aber
wieder etwas von ihm ab.
Eine richtige Verknöcherung tritt im Sternum der Reptilien
niemals auf; Kalksalze dagegen können sich in seinem Knorpel ab-
lagern.
Die Kontinuität der Rippen mit der im Entstehen begriffenen
Brustbeinplatte, das allmählich zunehmende Wachstum der letzteren
in dem Maße, als sich ihr neue Rippen anschließen, und endlich der
Umstand, daß die unveränderten Rippen teile sich erst spät vom
Sternum abgliedern und dadurch diesem erst seine Selbständigkeit
verleihen, sind nach Goette (1877) — bei Cnemidophorus — hin-
längliche Zeugnisse dafür, daß das Brustbein nicht aus selbständiger
Anlage, sondern aus der Verschmelzung mehrerer Rippenenden her-
vorgeht.
Bei Anguis, dessen Brustbeinhälften nach Rathke sich frei von
den Rippen völlig selbständig entwickeln sollten, gelang es Goette
ebenfalls, ein Stadium zu beobachten, in dem ein Zusammenhang des
Sternums mit den Rippen, wenn auch nur mit einem Paar, noch
vorhanden war, das sich später allerdings wieder völlig löste.
Erwähnt möge auch das interessante Vorkommen werden, das
Rathke bei Acanthias meleagris fand. Bei diesem Tier besteht näm-
lich das Brustbein während des ganzen Lebens aus zwei
Seitenhälften, die zwar sehr nahe Hegen, aber nie miteinander ver-
schmelzen, somit auf einem frühembryonalen Stadium verharren.
Die Entwickelung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. 561
Das Reptiliensternum zeigt im ausgebildeten Zustand ent-
weder die Gestalt einer einfachen rhombischen Knorpelplatte, z. B. bei
Sphenodon (das Prosternum Parker's), oder es läuft hinten in einen
paarigen Fortsatz aus (Xiphisternum), der nach Rathke die unver-
schmolzen gebliebenen Enden der beiden Brustbeinhälften darstellt.
Diese Fortsätze können dann wiederum miteinander verschmolzen sein
zu einem Stück (Metasternum Parker's), das entweder noch deut-
lich seine Entstehung aus Rippen aufweist oder auch als sekundäre
Angliederung an das Prosternum erscheint. Andere Sternalformen
endlich lassen auch bereits Zeichen von Rückbildungen erkennen, indem
eine Verminderung der ursprünglich sie produzierenden Rippen und
eine allmähliche Loslösung von ihnen eingetreten ist. —
Bei den Vögeln weist die Entwickelung des Sternums keinen
prinzipiellen Unterschied gegenüber den Reptilien auf (Rathke); an
seine Leistungsfähigkeit werden durch die Flugbewegung aber größere
Anforderungen gestellt. Es bleibt daher nicht knorpelig, sondern ver-
knöchert, und nach dem Verschmelzen der beiden Hälften erhält es bei
den Carinaten eine mediane Crista zur besseren Anheftung der Flug-
muskeln. Distal fehlen derartige Anhänge, wie das Xiphisternum oder
Metasternum, doch kann es an seinem hinteren Ende sekundär oft
gelappt und tief eingeschnitten erscheinen, wodurch sich mehr oder
weniger lange Proc. abdominales bilden.
Die Ver knöcherung beginnt von je einem Centrum in jeder
Seitenhälfte, und von hier aus wird allmählich auch die Crista von der
Ossifikation ergriffen, die manchmal aber auch selbständig ossifiziert.
In den Fällen, in welchen sich stark entwickelte Abdominalfortsätze
finden, können diese eigene Knochenkerne erhalten, was sogar hin
und wieder auch an den vorderen Seitenfortsätzen der Fall sein kann.
Nach den Schilderungen von Rathke, Goette, Hoffmann und
namentlich Rüge (beim Menschen) verläuft die Entwickelung des Ster-
nums auch bei Säugetieren nach dem allgemein üblichen Typus.
Meistens geht bei ihnen eine größere Zahl Rippen, als es bei den anderen
Amnioten üblich ist, in ihre Bildung ein. Am distalen Ende vereinigen sie
sich je zu einer knorpeligen Längsleiste (Seitenhälfte des Brustbeines,
Rathke, oder Sternalleiste, Rüge), die dann wiederum, kranialwärts
beginnend, miteinander verschmelzen. Beim Menschen beteiligen sich
die 1. bis 7. Rippe am Aufbau des Brustbeines. (Minot hält es sogar
für wahrscheinlich, daß sich die Vereinigung zu den Sternalleisten ur-
sprünglich über sämtliche Rippen erstreckt, daß das Verbindungsstück
zwischen der 7. und 12. aber fibrillär wird und sich zu den Ligamenta
intercostalia anteriora ausbildet, die demnach eine Verlängerung des
Brustbeines darstellen würden.)
Das knorpelige Brustbein zeigt später einige quere Trennungslinien
(Hoffmann, Rüge), durch die es in mehrere Stücke zerlegt wird,
welche von diesen Autoren als Beweis für eine Zusammensetzung des
Organs aus hintereinander liegenden Metameren angesehen werden.
Der Proc. xyphoideus oder ensiformis entsteht auch aus zwei
Hälften.
Die Bildungsweise des vordersten Brustbeinendes, des Manu -
brium, besonders bezüglich der Frage, in wie weit sich etwa Elemente
des Schultergürtels oder dermale Skeletteile an seinem Aufbau be-
teiligen, ist leider noch durchaus nicht geklärt. Man vergleiche dazu
Handbuch der Entwickelungslehre. III. 2. 36
562 H. Schauinsland,
die vorangehende Abhandlung von Braus in diesem Handbuch und
namentlich auclr die Arbeit von Eggeling (1904), in der er zu fol-
gendem Schluß kommt:
„Der Hauptteil des Brustbein hand griff es der Säugetiere
wird geliefert von der medianen Vereinigung des 1., 2. und eventuell
3. Rippenpaares. Von diesem Skelettstück erstreckt sich in kranialer
Richtung ein Fortsatz von wechselnder Länge. Dieser ist hauptsächlich
zurückzuführen auf Reste zu Grunde gegangener Halsrippen. Jener
Fortsatz verbindet sich innig mit einer Gruppe von Skelettteilen, die
aus der Clavicularanlage hervorgehen und deren eventuelle Ossifikation
von dem dermalen Episternum niederer Formen herzuleiten ist."
Die Verknöcherung beginnt bei den Säugetieren im allge-
meinen spät; häufig lassen die auftretenden Knochenkerne noch die
Entstehung des Brustbeines aus einer paarigen Anlage und eine meta-
mere Gliederung desselben erkennen. Oft aber verwischt sich letztere,
wie z. B. bei den Anthropoiden, durch Verschmelzung der einzelnen
Glieder wieder.
Beim Menschen tritt die Ossifikation auch ziemlich spät (im
6. Monat) ein; sie beginnt mit einem Knochenkern im Manubrium,
an den sich später noch eine ganze Zahl mehr oder weniger paarig
oder metamer angeordnete Kerne im übrigen Teil des Brustbeines
anschließen. Neben Anderen vertritt Markowski im Gegensatz zu
abweichenden Anschauungen — z. B. von Paterson, der den Knochen-
kernen des Brustbeines jede morphologische Bedeutung abspricht —
energisch die Meinung, daß auch das knöcherne Brustbein aus einer
Anzahl von intercostalen Segmenten zusammengesetzt ist, welche der
Zahl der an dasselbe sich inserierenden Rippenpaare entspricht. Später
bei älteren Embryonen und im Kindesalter, nachdem auch im Pro-
cessus ensiformis ein Kern aufgetreten ist, verschmelzen die einzelnen
Knochenpunkte miteinander, und das Brustbein besteht dann aus 3
bis 4 größeren Knocheustücken. —
Zum Schluß sei noch erwähnt, daß die Bauchrippen oder das
Parasternum m ihrer Genese zu dem Achsenskelett in keiner Be-
ziehung stehen. Von recenten Tieren kommen diese Bildungen nur
Sphenodon und den Krokodilen zu. Ihre Entwickelung bei ersterem
beschrieb Schauinsland (1900); sie erfolgt ohne knorpelige Grund-
lage. Bei den Krokodilen (Völtzkow 1901) verläuft sie fast genau
ebenso wie bei Sphenodon.
Das Parasternum ist phylogenetisch offenbar von dermalen Bil-
dungen herzuleiten und entspricht wohl dem „Bauchpanzer" der
Stegocephalen (Gegenbaur 1898, Fürbringer 1900, Völtzkow und
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Sechstes Kapitel.
Die Entwickelung des Kopfskelettes.
Von
Prof. E. Graupp (Freibiirg i. B.).
I. Allgemeine Eiitwickeluiigsgescliichte des Kopfskelettes.
A. Einleitung.
(Aufgaben des Kopfskelettes. Funktionswechsel der Hartgebilde.
Material der Komponenten des Kopfskelettes).
Aufgaben des Kopfskelettes. Gegenüber der relativen
Einfachheit, die das Rumpfskelett zeigt, bietet das Kopfskelett der
Wirbeltiere außerordentlich komplizierte Gestaltungen dar, die auch bei
den verschiedenen Klassen eine viel größere Mannigfaltigkeit auf-
weisen, als das am Eumpfskelett der Fall ist. Der Grund hierfür
liegt einmal in den zahlreichen, mannigfach gestalteten und mit viel-
seitigen Verrichtungen betrauten Organen, die am Kopf der Wirbel-
tiere auf kleinem Räume zusammengedrängt sind, andererseits in der
Lage am vordersten Ende des Körpers, aus der dem Kopfe teils
neue spezielle Aufgaben erwachsen, teils mechanische Einflüsse auf
seine Gestaltung sich ergeben.
Am Kopfe erlangt das Centralnervensystem seine volu-
minöseste Entw^ickelung und zugleich seine weitestgehende Gliederung
in einzelne Abschnitte, von denen ein jeder einer besonderen Aus-
bildung fähig ist; hier liegen auch die hauptsächlichsten Sinnes-
organe, Auge, Ohr und Geruchsorgan, die in der Wirbeltierreihe
die mannigfaltigsten formalen Ausgestaltungen erfahren, und von denen
das Geruchsorgan dadurch, daß seine Höhle (von den Dipnoern an) in
Kommunikation mit der Mundhöhle tritt, den Anstoß zur Ausbildung
neuer, der Luftrespiration dienender Einrichtungen giebt. Am
Kopfe findet sich zudem der An fängst eil des Darm roh res^
mit seinen vielfachen Einrichtungen zum Ergreifen und zur provi-
sorischen Bewältigung der Nahrung, mit den besonderen Anpassungen^
die er mit dem Eintritt der Nasenhöhle in den Dienst der Luft-
respiration erfährt, und mit den S c h 1 u n d s p a 1 1 e n , die seinen
hinteren Abschnitt durchsetzen und bei den wasserlebenden Anamnia
als Kiemenspalten eine hohe Ausbildung erfahren.
Die Hartgebilde, die in der Umgebung der genannten Organe
auftreten, bilden das Kopfskelett. Ihre Form und Anordnung
wird durch jene Organe bestimmt und beeinflußt, und der von ihnen
zusammengesetzte Skelettkomplex, der Schädel, wird zu einem kom-
574 E. Gaupp,
plizierten Gebilde, das ganz besonders durch die große Vielfältigkeit
in den Einrichtungen des Kieferapparates bei den einzelnen Wirbel-
tieren das verschiedenartigste Aussehen darbietet.
Den durch die Einzelorgane und ihre Funktion bedingten Momenten
gesellen sich dann noch die hinzu, die auf das Kopfskelett ihren Ein-
fluß äußern, weil dieses den vordersten Teil des Körpers
bildet. So wird bei wasserlebeuden Tieren der Kopf zu einem Wasser-
brecher geformt, gelegentlich unter Ausbildung besonderer Skelett-
gebilde, die nur hierin ihre Erklärung tinden, so erhalten die Schädel
bei grabenden Formen aus den verschiedenen Wirbeltierklassen über-
einstimmende formale Charaktere. Die speziellen Anforderungen, die
der Flug der Vögel an die Lastverteilung im Vogelkörper stellt,
üben auf das Kopfskelett dieser Wirbeltierklasse nicht minder ihren
Einfluß aus, als der aufrechte Gang beim Menschen. Schließlich aber
entspricht es der exponierten Lage des Kopfes, daß sein Skelett
Waffen oder Schmuckteile ausbildet (Geweihe, Hörner, Schädel-
höcker mancher Vögel u. a.).
Fun ktions Wechsel der Hartgebilde. Der Natur der
Hartgebilde als passiv funktionierender Organe entspricht es, daß das
einzelne Skelettelement oder ein Teil eines solchen seine specielle
Funktion ändern kann. Der Anstoß hierzu kann in verschiedenen
Momenten gegeben sein. So kann die Vergrößerung eines Organes
am Kopfe, wie eines Sinnesorganes oder des Gehirns, eine solche
Veränderung in der Anordnung der Skelettteile bedingen, daß sich
daraus für sie eine neue Verwendung ergiebt. Vielfach geht der An-
stoß zu einer veränderten Anordnung der Skelettelemente vom Kiefer-
apparat aus (Aenderung der Nahrung und Nahrungsaufnahme). Aber
nicht nur die Anordnung, sondern auch Form und Gestaltung des
einzelnen Skelettteiles werden durch die veränderte Inanspruchnahme
verändert. Daraus folgt, daß ein und dasselbe, morphologisch ver-
gleichbare Skelettmaterial eine verschiedene Gestaltung annehmen
kann, und daß zwischen Material einerseits und Form und Ver-
wendung andererseits zu unterscheiden ist. In dem Funktions-
wechsel liegt denn auch zugleich die Erklärung für die Erscheinung,
daß Skelettteile oder specielle Gestaltungseigentümlichkeiten von solchen
in ihrer Existenz nicht an das Fortwirken des ursächlichen Momentes
geknüpft sind, dem sie ursprünglich ihre Entstehung verdankten.
Denn die Ausbildung irgend einer besonderen Gestaltung an irgend
einem Teile des Skelettes wird ihrerseits wieder andere Veränderungen
in der Anordnung und Lagerung anderer Skelett- und Weichteile,
Wechsel in den architektonischen Verhältnissen u. s. w. zur Folge
haben, die nicht immer ohne weiteres wieder aufgegeben werden
können. Durch Anpassungen an neue Bedingungen, durch Wechsel
der ursprünglichen Bedeutung kann dann irgend eine Bildung fixiert
bleiben, auch wenn die primären Bedingungen, die sie in die Er-
scheinung riefen, längst zu wirken aufgehört haben (Gaupp 1900).
Material der Komponenten des Kopfs kelettes. Inner-
halb der Wirbeltierreihe läßt die Ausbildung des Kopfskelettes in Bezug
auf das Material verschiedene Zustände unterscheiden. Beim
Amphioxus, bei dem ein Kopf überhaupt noch nicht scharf von dem
Rumpfe abgesetzt ist, bestehen die festeren stützenden Partieen
zwischen den Organen aus verdichtetem Bindegewebe, das nur stellen-
weise knorpelähnlichen Charakter annimmt. Von einem Schädel kann
Die Entwickelung des Kopfskelettes, 575
hier aber noch nicht gesprochen werden. Bei den Cyclostomen sind
bereits zum Teil recht komplizierte Knorpel teile am Kopfe in der
Umgebung des Gehirns, der Sinnesorgane, der Mundhöhle und der
Kiemenspalten vorhanden, und bei den Selachiei-n erscheint das knor-
pelige Cranium in hoher formaler Ausbildung und Vollständigkeit.
Bei den übrigen Wirbeltieren treten dann zu den knorpeligen Schädel-
teilen knöcherne hinzu und gewinnen vielfach die Oberhand. Der
Zustand, den das Kopfskelett der Cyclostomen und Selachier zeit-
lebens repräsentiert, wird als Primordiale r a ni u m (Jacobson 1842)
oder auch, wegen des Materials, aus dem es aufgebaut ist, als Chon-
drocranium bezeichnet. Auch bei den über den Selachiern stehenden
Wirbeltieren bildet sich embryonal als erster Repräsentant eines festen
Kopfskelettes ein knorpeliges Primordialcranium ; der Grad der Aus-
dehnung aber, in dem dasselbe in den erwachsenen Zustand über-
nommen wird, schwankt bei den einzelnen Klassen recht, erheblich.
Ein verschieden großer Teil von ihm geht wieder zu Grunde, haupt-
sächlich unter dem Einfluß der knöchernen Skelettteile, die, nachdem
sie einmal in der Wirbeltierreihe aufgetreten sind, im allgemeinen zu
den wichtigsten den Schädel aufbauenden Elementen werden.
Die knöchernen Elemente finden sich bei ihrer ersten Ent-
stehung in verschiedener Lagerung zu dem Primordialcranium. Ein
Teil von ihnen entsteht in mehr oder minder großer Entfernung von
dem Primordialcranium, hauptsächlich nahe der Haut und der Mund-
schleimhaut, doch auch näher dem Knorpelschädel: immer aber von
diesem durch Bindegewebe getrennt. Diese werden bezeichnet als
Deck- oder Beleg knochen (Allostosen). Eine zweite Kategorie
entsteht von vornherein in Form von knöchernen Auflagerungen auf
Teilen des Primordialcraniums in engster Nachbarschaft des letzteren,
und im Laufe ihrer weiteren (phylogenetischen wie ontogenetischen)
Entwickelung können sie in den Knorpel eindringen, ihn zur Zer-
störung bringen und sich selbst an seine Stelle setzen. So entstehen
an Stelle des Primordialcraniums knöcherne Territorien, die mit dem
Namen Ersatzknochen (primordiale Knochen, Autostosen)
bezeichnet werden.
Der definitive Schädel der über den Selachiern stehenden Wirbeltiere setzt sich
somit aus unveränderten Knorpelteilen des primordialen Craniums und aus Knochen
der beiden genannten Kategorieen zusammen. Er ist auch bei den Wirbeltieren, wo
die Knochen sehr stark prävalieren und den Knorpel zurückdrängen, doch niemals
ein reines Osteo cranium, sondern immer enthält er noch irgendwelche Knorpel-
teile. Der reine trockene Knochenschädel, wie ihn die Sammlungen beherbergen, ist
als Schädel unvollständig.
Im nachfolgenden wird erst das Primordialcranium als der älteste
und konstanteste Teil des Kopfskelettes zur Behandlung kommen, als-
dann die allgemeine Genese der knöchernen Elemente des Schädels.
B. Das Primordialcranium.
1. Allgemeine Entwickelungsverhältnisse.
(Einteilung des Primordialcraniums. Erste Zustände. Zeitliche Ver-
hältnisse der Entwickelung. Histologische Differenzierung.)
Einteilung des Primordialcraniums. Die Knorpelteile,
die in ihrer Gesamtheit das Primordialcranium oder Chondro-
er an ium bilden, entstehen: 1) in der Umgebung des Gehirns und
der drei Hauptsinnesorgane (Labyrinth-, Augen-, Geruchsblase) und
576 E. Gaupp,
2) in der Umgebung des Kopfdarmes. Die erstgenannten Teile bilden
den dorsal gelagerten neuralen Abschnitt des Craniums oder
das Neurocrauium (Gaupp), die letztgenannten den visceralen
Abschnitt (Visceralskelett, Splanchnocranium); an ihm
werden noch die sog. präoralen oder präkranialen Skelett-
teile und die Visceralb ogen unterschieden.
Diese Einteilung hat indessen nur bei den niederen Wirbeltieren wirkliche
Gültigkeit. Die Entstehungsgeschichte der Gehörknöchelchen bei den luft-
lebenden Formen, besonders bei den Säugern, ist ein Beispiel dafür, daß Teile, die
ursprünglich dem visceralen Skelett angehören, unter Aufgabe ihrer primären Funktion
in den Dienst eines Sinnesorganes treten können. Trotzdem werden sie später unter
den visceralen Teilen geschildert werden.
Erste Zustände. Auch im Kopfgebiet ist das erste stützende
Element die Chorda d o r s a 1 i s , die in embryonaler Zeit nach vorn
bis zum Zwischenhirn reicht und um deren vorderes Ende herum die
Kopfbeuge erfolgt. Frühzeitig tritt Mesenchym auf, breitet sich um
die Chorda aus, umhüllt das Medullarrohr, das Labyrinth-, Augen- und
Geruchsbläschen, dringt zwischen die Myotome, verbreitet sich um
das Darmrohr, in der Umgebung des Mundes und zwischen den
Kiemenspalten. Im dorsalen Gebiete des Kopfes sind die Segmente
des dorsalen Mesoderms, im ventralen die Seitenplatten die Quellen,
aus denen die Mesenchymmassen fließen (s. Bd I, Kap. 5). Aus diesen
Massen differenzieren sich nun in der Folge verschiedene Gebilde
heraus: die Hüllen des Gehirns, die Hartgebilde des Schädels, das
Corium u. a.
Von den Hartgebilden des Schädels entstehen zuerst die primor-
dialen knorpeligen Teile, die in ihrer Gesamtheit das Primordialcranium
darstellen.
Zeitliche Verhältnisse der E n twickelung. Die primordialen Skelett-
teile im Bereiche des Kopfes entstehen relativ spät, zu einer Zeit, wo die Organe,
denen sie sich anpassen sollen, schon einen ziemlich hohen Grad der Ausbildung er-
langt haben. Der Gang, den ihre Entwickelung einschlägt, ist durchaus nicht immer
der gleiche. Meist geht allerdings der neurale Teil dem visceralen etwas voraus,
doch ist dies nicht immer der Fall, und bei den Amphibien z. B. treten die visceralen
Teile etwas vor den neuralen auf. Innerhalb des neuralen Abschnittes selbst erfolgt
die Differenzierung gewöhnlich von hinten nach vorn, doch auch dies erleidet Aus-
nahmen, und auch hier wieder bieten die Amphibien Beispiele des Gegenteils.
Auf diese Verschiedenheiten hat Stöhe (1882) aufmerksam gemacht und dar-
aus mit Eecht den Schluß gezogen, daß die Zeit des ontogenetischen Auftretens der
einzelnen Skelettabschnitte nicht zur Beurteilung ihres phyletischen Alters geeignet
ist. In manchen Fällen läßt sich ein Verständnis für gewisse Besonderheiten in der
chronologischen Reihenfolge der Entwickelung der Skelettteile gewinnen, so kann das
verfrühte Auftreten des visceralskelettes bei den Amphibien auf das frühzeitige
freie Larven leben dieser Tiere bezogen werden, ebenso das späte Auftreten der Nasen-
kai^sel: auch das Geruchsorgan kommt spät zur vollen Ausbildung, da es erst für
das Luftleben bestimmt ist.
Da vielfach an manchen Stellen des Primordialcraniums schon wieder die Ver-
knöcherung und damit die Zerstörung des Knorpels beginnt, während an anderen
Stellen das Höhestadium der Entwickelung noch nicht erreicht ist, so läßt sich ein
Stadium, in dem das gesamte Knorpelcranium vollentwickelt vorhanden wäre, oft
nicht finden; in anderen Fällen liegen die Dinge günstiger, und es besteht ein
Stadium Optimum des Knorpelcraniums, an das sich später nur an einigen Stellen
noch weniger bedeutungsvolle Fortbildungen anschließen.
Histologische Differenzierung der Teile des Knorpe 1-
schädels. Die Art, wie die Teile des primordialen Knorpelschädels
innerhalb der oben erwähnten Mesenchymmassen auftreten, ist noch erst
recht mangelhaft bekannt, so daß allgemeingiltige Angaben kaum und
nur mit Vorbehalt gemacht werden können. Meist, doch nicht immer,
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 577
ist es möglich, die Anlagen der Teile des Chondrocraniums schon vor der
Knorpelbildung zu erkennen, in Form von Gewebsverdichtungen, die
als prochondrale (vor knorpelige) Anlagen (auch: Chondro-
blastem) bezeichnet werden. Manche dieser prochondralen Massen
dokumentieren eine größere Selbständigkeit, die Verdichtung erfolgt
von einem besonders Vorknorpelkern aus, und die Anlage setzt
sich mehr oder minder deutlich gegen andere ab. In anderen Fällen
sind solche vorknorpelige Centrierungen nicht nachweisbar, und die
Gewebsverdichtung erstreckt sich gleichmäßig über ausgedehntere Ge-
biete, Es können auch vorknorpelige Anlagen, die anfangs getrennt
auftreten, so miteinander verschmelzen, daß die Grenze zunächst ver-
schwindet.
Aelmlich wechselnd liegen die Verhältnisse bei der Ue b er-
füll r u n g der V 0 r k n 0 r p e 1 i g e n Anlagen in Knorpel. Auch
die Verknorpelung erfolgt manchmal von deutlich bestimmbaren
Knorpelkern en aus, und für einige Fälle ist sogar nachgewiesen,
daß ein Knorpelkern an der gleichen Stelle auftritt, wo ein Vor-
knorpelkern lag. In anderen Fällen ist aber ein solches bestimmt
lokalisierbares Centrum der Verknorpelung nicht nachweisbar, und
ausgedehntere Gewebspartieen verknorpeln gleichzeitig „wie aus einem
Gusse". Durch den Verknorpelungsprozeß können einerseits Teile,
die als vorknorpelige Massen getrennt waren, vereinigt werden, so daß
nach der Verknorpelung die ursprüngliche Trennung nicht mehr er-
kennbar ist, andererseits können aber auch in Gewebsmassen, die vor
der Verknorpelung einheitlich erschienen, mehrere Knorpelkerne auf-
treten, und somit eine Zerlegung der vorher einheitlichen Masse er-
folgen. Dabei kann es sich um eine „Wiederj^erlegung" handeln, in
Fällen, wo die betreffende einheitliche Masse vorher aus Verschmelzung
mehrerer entstanden war.
Gelegentlich kommt es aber auch vor, daß Knorpel gebildet wird
an einer Stelle, wo vorher eine dichtere Gruppierung der Zellen nicht
beobachtet wird.
Vielfach wird von einem häutigen Primordialcranium gesprochen,
welches das erste Stadium des Schädels repräsentieren soll. Unter dem „häutigen
Primordialcranium" werden aber zweierlei verschiedene Dinge verstanden : 1) ent-
weder die gesamte Mesenchymmasse, die vor dem Auftreten von Hartgebilden das
Gehirn und die Sinnesorgane umgiebt und bis an das Elrtoderm der Körperober-
fläche reicht, oder 2) eine zusammenhängende häutige Hülle, die sich aus jener
Mesenchymmasse sondert und aus deren Verknorpelung das knorpelige Primordial-
cranium hervorgehen soll. — In der ersten Bedeutung ist der Ausdruck ,, häutiges
Primordialcranium" nichtssagend und irreführend, da aus jener einheitlichen Mes-
enchymmasse ja auch die Gehirnhüllen, die Haut und andere Teile, die nichts mit
dem Cranium zu thun haben, entstehen. Faßt man den Ausdruck aber in dem
zweiten Sinne, so ist zu bemerken, daß ein solches häutiges Primordialcranium als
gegen die Umgebung abgrenzbare zusammenhängende Schicht gar nicht überall zur
Ausbildung gelangt, und daß, wo sie besteht, ihre Bezeichnung als „Primordialcranium"
darum nicht sehr zweckmäßig ist, weil aus ihr nicht in ganzer Ausdehnung Knorpel-
teile hervorgehen. Immerhin mag er in dem letzteren Sinne beibehalten werden.
Im übrigen mangeln vergleichende Untersuchungen über die ersten Differenzierungen
der Knorpelteile am Kopfe, namentüch mit Berücksichtigung der Differenzierung
der Gehirnhüllen, noch sehr, und damit fehlt die Möglichkeit, jetzt schon allgemein-
giltige Uebersichten zu geben.
Die verschiedenen Stadien, die ein Knorpelteil des Schädels durchläuft,
wurden 1881 von Stöhr für die Amphibien beschrieben. Seitdem sind von anderen
Autoren auch an einigen anderen Objekten die Vorgänge der Knorpelbildung ver-
folgt, ohne daß eine Einigung bezüglich dessen, was man als ,, Anlage", „Vorknorpel",
„Jungknorpel" zu bezeichnen habe, erzielt wäre. Auch in dieser Hinsicht wird erst
Handbuch der Entwickelungslehre. III. 2. 37
578 E. Gaupp,
durch ausgedehntere Untersuchungen die Möglichkeit zur Aufstellung einer allgemein-
gültigen Norm zu erwarten sein.
Jedenfalls sind, dem oben Gesagten zufolge, die Erscheinungen bei dem Auf-
treten der knorpeUgen Skelettteile sehr mannigfaltig, und daraus ergiebt sich eine
große Schwierigkeit bei der Entscheidung der Frage, wie die einzelnen Teile des
Craniums bezüglich ihrer Zusammengehörigkeit oder Selbständigkeit, ihrer Einheit-
lichkeit oder Mehrwertigkeit aufzufassen sind. So viel dürfte jedenfalls feststehen,
daß die Vorgänge bei der Verknorpelung zur Entscheidung jener Fragen nicht
geeignet und für Vergleiche und phylogenetische Schlüsse nicht verwertbar sind.
Es lassen sich Beispiele dafür anführen , daß Knorpelfortsätze, die bei gewissen
Formen als richtige Teile eines anderen Stückes auftreten und mit diesem zusammen
verknorpeln, bei anderen Formen ganz selbständig verknorpeln und nur noch in sehr
jungen Stadien, in der allerersten Anlage, die Zugehörigkeit zu dem früheren Mutter-
boden erkennen lassen (Proc. ascendens des Palatoquadraturas bei Amphibien und
Hatteria einerseits und Lacerta andererseits). Daneben fehlt es aber auch nicht an
Belegen dafür, daß durch einheitliche Verknorpelung ein Skelettteil entstehen kann,
dessen Bildungsmaterial, wie sich aus Vergleichen ergiebt, bei anderen Formen mehrere
getrennte Stücke entstehen läßt (so in der Occipitalregion des Schädels). Aber auch
für eine richtige Bewertung der sog. vorknorpeligen „Anlagen" fehlt zur Zeit noch
das genügende Beobachtungsmaterial. Es ist zudem besonders zu betonen, daß die
Vorgänge bei der Entstehung der primordialen Skelettteile sehr anders liegen als
etwa bei der von epithelialen Gebilden, die, wie z. B. Drüsen, ganz bestimmt als
Produkte eines Epithels, das den Mutterboden abgiebt, bezeichnet werden können,
und die nachweislich von einer bestimmten Stelle aus ,, entstehen". Im Gegensatz
hierzu handelt es sich bei den Skelettteilen um eine an Ort und Stelle erfolgende
Umwandlung bestimmter Gewebspartieen, die erst von einem bestimmten Augenblick
an gegenüber der Umgebung unterscheidbar werden. Dadurch wird der Begriff der
„Anlage" für die primordialen Skelettteile ein sehr unbestimmter: praktisch können
wir ja von dem „Auftreten einer Anlage" erst in dem Augenblicke reden, wo die-
selbe durch die bisher gebräuchlichen Methoden für unser Auge sichtbar wird; was
für Verlagerungen die betreffenden Zellen aber durchmachten, solange sie für unsere
bisherigen Methoden noch indifferent erschienen, ist erst in wenigen Fällen fest-
zustellen versucht worden, und jedenfalls immer sehr schwer zu ermitteln. Daß
aber thatsächlich die „Anlagen" zu dem Chondrocranium viel früher lokal ausgeteilt
sind, als sie für uns als solche sich bemerkbar machen, hat BoRN (1897) durch Zer-
schneidungsversuche an Amphibienlarven bewiesen. Born hat zugleich gezeigt, daß
auch die A.nlagen ganz kleiner und unbedeutender Abschnitte des Primordialcraniums
bei weitestgehendem Verluste der anschließenden Teile — und zwar nicht bloß derer,
die nach vorn, sondern auch derer, die nach hinten gelegen sind — einer selb-
ständigen Differenzierung fähig sind und zur Bethätigung ihrer chondroblastischen
Tendenzen den normalen Zusammenhang mit den übrigen Teilen der „Anlage" nicht
nötig haben.
Aus diesen Beobachtungen und üeberlegungen folgt jedenfalls, daß bei der
Deutung einzelner ontogenetischer , die Entwickelung des Primordialschädels be-
treffender Befunde große Vorsicht geboten ist. Es ergiebt sich zugleich die Not-
wendigkeit, die individuelle Bildungsgeschichte einzelner Primordialkranien von den
ersten Stadien an bei zahlreichen Formen systematisch zu erforschen und die Er-
gebnisse der Einzelforschungen unter Abwägung aller in Betracht kommenden Mög-
lichkeiten zu vergleichen. Im Augenblick ist dazu erst ein Anfang gemacht.
2. Das neurale Primordialcranium.
Der neurale Abschnitt des Primordialcraniums stellt in seiner
Vollendung ein in sich zusammenhängendes knorpeliges Ganzes dar,
an dem eine Gliederung in einzelne Abschnitte, die etwa Wirbeln ent-
sprechen könnten, nicht vorhanden ist, und höchstens kleinere Stücke
in loserer Verbindung mit dem übrigen Gerüst sich finden. Eine
Gliederung des gesamten Kopfskelettes in einzelne knorpelige Wirbel
ist überhaupt zu keiner Zeit der ontogenetischen Entstehung vorhanden:
die Entwickelung des Neurocraniums schlägt also frühzeitig einen
anderen Gang ein als die der Wirbelsäule. Indessen entsteht es auch
nicht auf einmal, „wie aus einem Gusse", und auch nicht so, daß
etwa an einem Punkte die Verknorpelung anfinge und von hier aus
nach allen Seiten gleichzeitig fortschritte , sondern es bilden sich
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 579
(meistens wenigstens) zuerst unabhängig voneinander verschiedene selb-
ständige Stücke, die auch successive sichtbar werden und erst später
untereinander verschmelzen. Die Entstehung des Knorpelcraniums
ist somit eine diskontinuierliche, und auch zeitlich erstreckt sich
seine Ausbildung über einen gewissen, bei den einzelnen Wirbeltieren
allerdings sehr verschieden langen Zeitraum, so daß erst ein einfacheres
Gerüst zu stände kommt, das dann nachträglich eine immer weiter
gehende Vervollkommnung erfährt. An dem ausgebildeten neuralen
Cranium ist demnach nur eine Einteilung nach Regionen (Gegen-
BAUR 1872) durchführbar, deren Grenzen aber bei der Einheitlichkeit
des ganzen Gerüstes keine ganz scharfen sein können. Man unter-
scheidet den hinteren Abschnitt, der in seiner Basis die Chorda dor-
salis einschließt, als den chordalen und den davor gelegenen, in
den sich die Chorda nicht mehr erstreckt, als den prächordalen
Teil des Schädels (Kölliker). Durch die Beziehungen zu den
Sinnesorganen werden an jedem der beiden Abschnitte noch weitere
Einteilungen möglich: am chordalen Abschnitt lassen sich bei den
Gnathostomen eine Hinterhaupts- und eine Labyrinthregion (Regio occi-
pitalis und Regio otica) unterscheiden, von denen die Labyrinth-
region in ihren Seitenteilen die Labyrinthorgane eingelagert enthält,
während die Occipitalregion die Verbindung mit der Wirbelsäule ver-
mittelt. Den Cyclostomen fehlt die Occipitalregion, und das Cranium
schließt mit der Labyrinthregion ab. Am prächordalen Schädel-
abschnittwerden eine Regio orbito-temporalis und eine Regio
ethmoidalis durch die Beziehungen zu dem Auge und den Kiefer-
muskeln, sowie zum Geruchsorgan unterscheidbar. Die Ethmoidalregion
ist zudem dadurch charakterisiert, daß sich in sie hinein die Schädel-
höhle nicht fortsetzt; diese hört schon in der Orbito-temporalregion
auf. Daraus ergiel)t sich eine weitere Einteilung: die drei hinteren
Regionen bilden die Pars cerebralis des neuralen Craniums (Cra-
nium cerebrale), der die Pars ethmoidalis als besonderer Vorbau
gegenübersteht.
Die GEGENBAUR'sche Bezeichnung Regio orbitalis wird zweckmäßiger-
weise in E. orbito-temporalis erweitert, da die fragliche Gegend bei den meisten
Wirbeltieren mit ihrem hinteren Abschnitt die oft sehr ausgedehnte Schläfengrube
bildet, und andererseits die „Orbita" nicht an die „Orbitalregion" des Primordial-
craniums gebunden ist, wie vor allem die Primaten zeigen. Die Bezeichnung
Sphenoidalregion, die ebenfalls für die Orbito-temporalgegend gebraucht wird,
ist besser zu vermeiden, weil sie zu dem Irrtum Veranlassung geben kann und gegeben
hat, daß die Grenzen der Region mit den Grenzen des knöchernen Keilbeins (wo
ein solches zur Ausbildung kommt) zusammenfallen. Das ist nicht richtig.
Daß es am Kopfe nicht zur Zerlegung des Achsenskelettes in eine Anzahl von
Wirbeln kommt, wird verständlich durch die besonderen Aufgaben, die dem Kopf-
skelett im Gegensatz zum Rumpfskelett zukommen. Während das Rumpfskelett
eine wichtige Rolle bei der Lokomotion spielt, bei manchen Wirbeltieren (namentlich
den im Wasser lebenden, sowie den extremitätenlosen Formen der höheren Klassen)
sogar das wichtigste oder gar einzige Lokomotionsorgan darstellt, hat das Kopfskelett
in erster liinie die Aufgabe, dem Gehirn und den Hauptsinnesorganen Schutz zu
verleihen, eine Aufgabe, die durch eine einheitliche Kapsel besser erreicht wird als
durch ein gegliedertes Rohr. Dem Zustand des Skelettes entspricht der Zustand
der Muskulatur: die Muskelmassen, die aus den vordersten Partieen des dorsalen
Mesoderms entstehen, treten in den Dienst des Auges. Als weitere Gesichtspunkte,
die für das Verständnis des Ausbleibens einer Wirbelgliederung herangezogen werden
können, wäre die Lage des Kopfes am vorderen Körperende (Wasserbrecher!)", sowie
der Umstand zu nennen, daß die Muskeln der ventralen Skelettteile (Kiefer- und
Kiemenskelett) fester Ursprungspunkte bedürfen, die ihnen von einer ungegUederten
Schädelkapsel besser geboten werden als von einer segmentierten. Ob friiher einmal
eine wirbelähnliche Gliederung im Gebiet des Kopfskelettes bestand, ist später zu
37*
580 E. Gaupp,
erörtern, ebenso wie die Frage, welche Bedeutung den einzelnen Knorpelpartieen zu-
kommt, die bei der Entstehung des Neurocraniums als mehr »eibständige Stücke zu
beobachten sind.
Bei allen Wirbeltieren entstehen als Grundlage der Schädelbasis
im chordalen Schädelabschnitt die Parach ordalia, seitlich von
dem Kopfteil der Chorda gelegene Knorpelmassen, die meist früher
oder später sich auch dorsal oder ventral von der Chorda vereinigen
und so die Basalplatte bilden. Gewöhnlich sind sie schon vor
der Verkuorpelung als verdichtete Gewebsmassen erkennbar. Manch-
mal erscheint die Basalplatte auch schon bei ihrer ersten (vorknorpeligen)
Anlage einheitlich, so daß getrennte symmetrische Parachordalia nicht
zur Entwickelung kommen. Die Parachordalia gehen anfangs häufig
ohne Grenze in die parachordalen Massen des Rumpfes über, d. h. die
Grenze des Schädels und der Wirbelsäule bildet sich in manchen
Fällen erst spät aus. Nach vorn reichen sie im allgemeinen bis an die
Spitze der Chorda dorsalis.
Die Chorda erstreckt sich anfangs nach vorn bis an die Rathke-
sche Tasche und endet hier über dem oberen Rande der primären
Rachenhaut. Wo sich eine starke Kopfbeuge (Mittelhirnbeuge) aus-
bildet, wird das vordere Ende der Chorda ventralwärts umgebogen
(Chordakrücke, Rabl-Rückhardt). Später, nachdem die Chorda in
die Basalplatte eingeschlossen worden ist, geht sie in dieser meist
zu Grunde. Bei Cyclostomen und Dipnoern bleibt sie unverändert,
bei manchen Haien in Resten erhalten ; bei manchen Amphibien werden
Teile der Kopfchorda, nachdem sie vorher verknorpelten, zum Aufbau
der Basalplatte verwendet. Bei den Formen mit starker Mittelhirn-
beuge findet sich anfangs in dem Zwischenraum, der an der Gehirn-
basis zwischen Vorder-, Mittel- und Hinterhirn besteht, eine Gewebs-
masse. die von Rathke den Namen mittlerer Schädelbalken
(vorderer Schädelbalken, Kölliker; primitive Sattellehne Autt.) er-
halten hat (Fig. 333). Da dieses Gewebe jedoch höchstens aus seinem
basalen Abschnitt den als definitive Sattellehne bezeichneten
vorderen Raudteil der Basalplatte entstehen läßt, in der Hauptsache
aber atrophiert und nur als eine Gefäße einschließende Pialamelle be-
stehen bleibt (es stellt überhaupt nur einen Teil der zwischen der
Schädelbasis und dem Gehirn gelegenen, hauptsächlich für die Gehirn-
hüllen Verwendung findenden Gewebsschicht dar), so ist die Bezeichnung
Schädelbalken unzweckmäßig, wie schon oft hervorgehoben wurde. Ich
schlage dafür Mittel hirnpolster vor. Bei den Säugern findet sich
auch ein Nachhirnp olster (hinterer Schädelbalken, Kölliker).
Bei allen gnathostomen Wirbeltieren sind an dem Parachordale
jeder Seite zwei Abschnitte zu unterscheiden, ein hinterer. Pars
occipitalis, und ein vorderer, Pars otica. Der wichtige Gegen-
satz zwischen beiden liegt darin, daß an der P. occipitalis eine
metamere Gliederung wenigstens angedeutet ist, so daß dieser
Teil eine unverkennbare Aehnlichkeit mit dem Rumpfskelett zeigt.
Die vordere Grenze dieses Abschnittes wird gebildet durch den Aus-
tritt des N. vagus. Bis hierher reicht stets die Reihe der Ursegmente
des Mesoderms, die seitlich von der Chorda dorsalis gelagert sind,
und bis hierher sind auch metamer angeordnete Nerven vom Typus
der spinalen Nerven zu verfolgen. Dem entspricht denn auch bis zu
einem gewissen Grade die Anlage des Skelettes. Unmittelbar neben
der Chorda pflegt zwar meist eine GKederung der sich verdichtenden
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 581
Zellmasse nicht sichtbar zu sein : hier erfolgt eine einheitliche Ver-
dichtung des Zellmaterials. Weiter lateral-dorsal aber wird durch die
die Medulla verlassenden Nerven eine Gliederung der Skelettanlage
bedingt. Zwischen je zwei hintereinander folgenden Nervenwurzeln
schreitet die Verdichtung des Zellmaterials peripherwärts vor und
bildet so wirbelbogenähnliche Fortsätze (Occipitalbogen). Die Ver-
gleichbarkeit dieser die Nerven trennenden Streifen mit Wirbelbogen
wird noch erhöht dadurch, daß an sie sich die Myocommata (Septa
intermuscularia) ansetzen, die lateralwärts als trennende Scheidewände
zwischen den Muskelplattten des Kopfes ausgespannt sind. So äußert
sich hier in der hinteren Kopfregion eine durch Nerven und Muskel-
anlagen bedingte Gliederung des Skelettes. Die direkt der Chorda
anliegenden oder sie cirkulär umgebenden Zellmassen lassen , wie
gesagt, eine Gliederung, die etwa den Wirbelkörpern entsprechen
könnte, nicht erkennen.
Die Andeutung einer Segmentierung des hinteren Schädelabschnittes
wird mit dem Auftreten der Verknorpelung noch mehr verwischt.
Der Verknorpelungsprozeß ergreift die ganze Anlage der Pars occi-
pitalis, ohne daß dabei besondere Zentrierungen, die den Wirbelkörpern
oder Wirbelbogen entsprechen könnten, sichtbar werden. Ueber den
Nervenwurzeln Hießen die Knorpelmassen zusammen und bilden den
aufsteigenden lateralen Teil der Regio occipitalis (Occi-
pitalpfeiler Pila occipitalis), der sich dorsalwärts meist beträchtlich
verjüngt, und dessen oberes Ende später mit der davor entstandenen
Ohrkapsel verschmilzt. Auch eine dorsale Vereinigung der beider-
seitigen kann zu stände kommen. Die umschlossenen Nerven (Nn.
spino-occipitales Fürbringer) durchsetzen alsdann (durch For.
spino-occipitalia) die Occipitalregion, deren vordere Grenze durch die
Austrittsstelle des N. vagus bezeichnet wird, d. h. durch die gewöhnlich
als For. jugulare benannte Oeffnung, die durch Verbindung des
oberen Endes der Occipitalregion mit der Ohrkapsel zu stände kommt.
In der soeben geschilderten Weise vollzieht sich im allgemeinen die Entstehung
des occipitalen Schädelabschnittes der gnathostomen Wirbeltiere, der somit überall
eine sehr ähnliche Form erhält, die zweier (symmetrischer) dorsalwärts sich ver-
jüngender Bogen, deren basale verbreiterte Partieen dem lateralen Umfang der Chorda
dorsalis ansitzen. Gleicht er nun hierin auch einem Wirbelbogen, so ist er doch
nicht ohne weiteres einem solchen zu identifizieren; vielmehr stellt er bei den ein-
zelnen Wirbeltieren eine quantitativ verschieden wertige Bildung dar. Das
Skelettmaterial, dem er seine Entstehung verdankt, wird von einer verschieden großen
Anzahl von Ursegmenten geliefert, und es setzt dementsprechend auch eine ver-
schiedene Anzahl von intermuskulären Septen an ihm an, wie auch die Zahl der
ihn durchbohrenden spinalartigen Hirnnerven bei den einzelnen Wirbeltieren eine
verschiedene ist. So erweist er sich als das Verschmelzungsprodukt einer ver-
schieden großen Anzahl von ehedem freien spinalen Skelettsegmenten. Wenn die
letzteren mit Recht als Occipitalbogen bezeichnet werden, so ist für das ge-
samte Skelettstück ein besonderer Name nötig, und als solchen schlage ich Occi-
pitalpfeiler vor. Für den basalen Teil den STÖHR'schen Namen Occipital-
platte beizubehalten, scheint mir zweckmäßig, weil vieles dafür spricht, daß sich
an seiner Zusammensetzung basale Reste spinaler Skelettelemente beteiligen können,
deren aufsteigende Teile ganz verkümmert sind. — Durch die metamere Entstehung
nimmt die Occipitalregion eine Sonderstellung gegenüber den übrigen Abschnitten
des Craniums ein.
Bei den Cyclostomen fehlt eine Occipitalregion des Craniums, und hinter
der Ohrkapsel beginnt die Reihe der Wirbelbogen. Daraus darf gefolgert werden,
daß die Occipitalregion der Gnathostomen aus einer Anzahl früher freier spinaler
Skelettelemente, wie sie bei Cyclostomen noch bestehen, hervorgegangen ist. In den
Andeutungen einer Metamerie in der Occipitalregion kommt das auch bei der Onto-
genese der Gnathostomenkranien noch zum Ausdruck. Auf die daraus sich ergebenden
582 E. Gaupp,
Konsequenzen wird in einem besonderen Abschnitt über die Stellung des Kopf-
skelettes zum Rumpfskelett eingegangen werden.
Wie bemerkt, ist auch bei den Gnathostomen die Zahl der Segmente, die
bei der Entwickelung der Occipitalregion noch erkennbar sind, nicht gleich. Als
Regel gilt dabei, daß die Erkennbarkeit, d. h. die Wirbelähnlichkeit, von hinten nach
vorn abnimmt, so daß also das am meisten kaudal gelegene Segment am deutlichsten
Wirbelcharakter besitzt, während in dem davor gelegenen Gebiet bis in die Vagus-
gegend die Segmentierung undeutlich wird und oft nur aus dem Verhalten der
Nerven und Muskelsegmente erschlossen werden kann. Dies im Zusammenhang mit
der großen Verschiedenheit der wirklich erkennbaren occipitalen Segmente, auch bei
sehr nahestehenden Formen, rechtfertigt die Vermutung, daß auf der Grenze zwischen
der Occipital- und Labyrinthre^ion ein Ausfall von Segmenten stattfinden kann
und thatsächlich erfolgt ist (Fürbringer). Dadurch allein kann aber die Ver-
schiedenheit in der Zahl der nachweisbaren occipitalen Skelettsegmente nicht erklärt
werden ; vielmehr sprechen Argumente, die namentlich dem Verhalten der Nerven
entnommen sind, dafür, daß die Occipitalregion der Gnathostomen thatsächlich eine
verschiedene Wertigkeit besitzt, daß bei manchen Formen die Cranio-vertebralgrenze
Aveiter kaudal liegt als bei anderen ; daß z. B. der hinterste Teil des Amniotencraniums
den 3 ersten freien Wirbeln der Amphibien entspricht. Demnach liegt die Grenze
des Amphibien- und Amniotencraniums nicht an gleicher Stelle; 3 bei den Amphibien
noch freie Wirbel haben sich bei den Amnioten dem Cranium assüniliert. Genauer
wird hierauf noch zurückzukommen sein.
Die Pars otica des Parachordale läßt eine solche Segmentierung,
wie sie die Pars occipitalis zeigt, nicht erkennen. Wohl aber macht
sich bei einigen Formen in ihr noch eine Teilung in einen vorderen
und einen hinteren Abschnitt bemerkbar (Cyclostomen, Amphibien»
Teleostier). Welche Bedeutung diesen zukommt, läßt sich im Augen-
blick noch nicht sagen.
Die beiden Abschnitte wurden zuerst von Stöhr für die Amphibienkranien be-
schrieben und als Balkenplatte (der vordere) und mesotischer Knorpel
(der hintere) beschrieben. Der raesotische Knorpel Stöhr's ist also nur ein Teil der
gesamten Pars otica des Parachordale, und ich halte es nicht für zweckmäßig, wenn
Sewertzoff (1899) den von Stöhr gebildeten und bestimmt definierten Ausdruck
„mesotischer Knorpel" auf den ganzen jiräoccipitalen Teil des Parachordale bis zur
Chordaspitze überträgt. Im Augenblick wenigstens, wo die Dinge noch so unklar
liegen, sind solche Riickungen an den Definitionen bedenklich.
Im Bereich der Labyrinthregion tritt der N. acusticus aus dem
Schädeiraum in die Ohrkapsel, und außerdem verlassen hier gewöhn-
lich der N. glossopharyngeus, N. facialis und N. abducens das Cavum
cranii, um nach außen zu treten. Doch zeigen die letztgenannten
Nerven manche Varianten bei den verschiedenen Formen, so können
sie selbständig verlaufen oder sich anderen Nerven anschließen: der
Glossopharyngeus dem Vagus, der Facialis und Abducens dem Tri-
geminus, der Facialis auch dem Acusticus. Diese letztere Vereinigung
ist wohl als das Primäre anzusehen, die Trennung des Facialis vom
Acusticus als das Sekundäre.
Die Ausbildung der Basal platte unterliegt vielen Schwankungen
und kann in großer Ausdehnung unterdrückt bleiben, wodurch eine
verschieden große Fen es tra basicranialis posterior zustande
kommt.
Lateral von der Pars otica des Parachordale liegt auf frühen
Stadien jederseits die Ohrblase. Das sie umgebende Gewebe ver-
dichtet sich (periotisches Gewebe) und läßt, verknorpelnd, eine
Kapsel, die Ohrkapsel, entstehen, die mit dem Parachordale viel-
fach in Zusammenhang tritt und durch dieses ergänzt wird. Schon
vor der Verknorpelung steht das periotische Gewebe meist in Ver-
bindung mit dem parachordalen. Die Verknorpelung der Ohrkapsel
erfolgt jedoch gewöhnlich selbständig, und die Verbindung der Knorpel-
Die Entwickelung des Koj^fskelettes.. 583
kapsei mit der knorpeligen Basalplatte ist ontogenetisch sekundär.
Meist erfolgt die Verknorpelung der Kapsel vom lateralen Bogengang
aus; die Verknorpelung der medialen Wand, die mehrere Oeffnungen,
darunter die für den N. acusticus, umschließt, erfolgt zuletzt und
kann ganz unterbleiben (Teleostier). Die Ohrkapsel hat ihre typische
Lage zwischen dem Ganglion des Trigeminus und dem des Vagus.
Bei den Amnioteu, besonders bei den Säupjern, wächst embryonal der Ductus
cochlearis von der Basis des häutigen Labyrinthes sehr beträchtlich weit aus und
schiebt sich in die lateralen Partieen des parachordalen Gewebes vor. Diese Partieen
bilden dann, verknorpelnd, die Pars cochlearis der Ohrkapsel, die nach dieser
von mir vertretenen Auffassung somit aus einem Gewebe hervorgeht, das bei den
niederen Formen zum lateralen Teil der Basalplatte wird. Der Begriff „Ohrkapsel"
drückt somit nur die funktionelle Verwendung, nicht die morphologische Wertigkeit
aus und ist morphologisch keine konstante Größe. Auf die Frage nach der ur-
sprünglichen Selbständigkeit der Ohrkapsel komme ich noch zurück.
Bei der Verbindung der Ohrkapsel mit dem Parachordale bleibt
bei Teleostiern (GanoidenV), Amphibien und Amnioten eine basal ge-
lagerte Lücke (Fen. basicapsularis) ausgespart, die sich bei
Teleostiern später vollständig schließt, bei Amphibien und Amnioten
aber als Fenestra vestibuli (For. ovale) erhalten bleibt und nur
durch die Fußplatte eines selbständigen Skelettelementes, der C o Iu-
ra eil a auris, verschlossen wird. Die Genese der Columella, des
wichtigsten Skelettelementes des schallleitenden Apparates, ist vielfach
studiert, ohne daß bisher ein abschließendes Urteil darüber möglich
wäre. Bald erscheint sie als ein von der Ohrkapsel auswachsender
Teil, bald als ein Derivat des Zungenbeinbogens, bald als ein Com-
positum aus labyrinthärem und hyalem Material. Specielles kommt
später zur Sprache.
Die wichtige Thatsache, daß auch in der Ontogenese der Teleostier eine Bil-
dung bemerkbar ist, die mit der Fenestra vestibuli verglichen werden kann, wurde
von Parker festgestellt und von Stöhr bestätigt; sie verdiente, weiter verfolgt zu
werden. Bezüglich der Nomenklatur der Columella möchte ich vorschlagen, die
Bezeichnung Columella auris durchaus nur als physiologischen, nicht aber als
morphologischen Begriff zu verwenden, da, wie sich noch zeigen wird, die Columella
der Amphibien wahrscheinlich gar nicht komplett homolog der der öauropsiden ist.
Dementsprechend subsummiere ich auch das einfache Operculum mancher Urodelen
unter den Begriff Columella und bezeichne andererseits auch das ganze Gehör-
knöchelchen der Reptilien mit demselben Namen. Die einzelnen Teile sind dann
mit besonderen Bezeichnungen zu belegen.
Wie im chordalen Schädelabschnitt, so entstehen auch im prä-
chordalen zuerst die basalen Teile, und zv/ar ebenfalls in Form von
2 Knorpelspangen, den S chädel balken (Rathke 1838), Trabe-
culae baseos cranii, die mit ihren hinteren Enden zu beiden Seiten
der Hypophysis cerebri liegen und von hier aus nach vorn ziehen. Sie
bilden sich entweder unabhängig von den Parachordalia und setzen
sich erst sekundär mit diesen in Verbindung, oder sie entstehen von
vornherein in Zusammenhang mit ihnen.
Die Trabekel bilden sich an der Basis des Vorderhirns, und demzufolge ist
ihre Lage von dem des letzteren abhängig. Liegt zur Zeit der Trabekelentstehung das
Prosencephalon in einer annähernd geraden Linie mit der Medulla oblongata, so
liegen auch die Trabekel von vornherein horizontal, in gleicher Richtung wie die
Parachordalia. Dies ist namentlich der Fall, wenn eine Mittelhirnbeuge fehlt oder
nur schwach entwickelt ist; doch kann, worauf Sewertzoff aufmerksam macht,
auch bei stark entwickelter Mittelhirnbeuge durch eine gleichzeitig vorhandene
Brückenkrümmung das Prosencephalon vor die Medulla oblongata zu liegen kommen,
so daß doch die Trabekel von vornherein die Richtung der Parachordalia fortsetzen
(Aeipenser). Liegt dagegen zur Zeit der Trabekelentwickelung das Prosencephalon
ventral von der Medulla oblongata, so bildet auch die Achse der Trabekel mit der
584
E. Gaupp,
der Parachordulia einen rechten Winkel, die Trabekel stoßen mit ihren kaudalen
Enden an die Ventralfläche der Parachordalia und wachsen hier an. Dies ist das
Gewöhnliche, wo eine embryonale Mittelhirnbeuge vorhanden ist (Belachier, alle
Amnioten). Die Art, wie jene anfängliche Winkelstellung der Trabekel später aus-
geglichen wird, und das Maß, in dem dies geschieht, ist bei den einzelnen Formen
verschieden.
Noch in eineni anderen Punkte bietet das Verhältnis der Trabekel zu den
Parachordalia bei den verschiedenen Wirbeltierformen Verschiedenheiten dar. Meist
{Selachier, Ganoiden, Teleostier, Vögel) sind die Trabeculae anfangs, auch noch als
Knorpelstücke, selbständig gegenüber den Parachordalia; bei den ürodelen besitzen
sie diese Selbständigkeit wenigstens im vorknorpeligen Stadium, verschmelzen aber
dann bald mit dem vordersten, von Stöhr als Balkenplatte bezeichneten Abschnitt
des Parachordale ; bei den Anuren endlich erfolgt (Stöhr) schon die Anlage der
Balkenplatte in direktem Anschluß an den Balken und somit von vornherein im
Zusammenhang mit diesem. Vielleicht stehen auch diese — in erster Linie zeit-
lichen — Differenzen im Zusammenhang mit dem Vorhandensein oder Fehlen
einer Kopfbeuge zur Zeit der Trabckelentwickelung.
For. apicale
N". medialis nasi
For. epiphaniale
Septum nasi
Plan, antorbit. ■ -
Trabec. commun. ~
Fen. hypophys.
Trabecula ^
J'or. carotic.
N. lateralis nasi
Caps, nasalis
- N. olfactorius
ophthalm. (V, l)
Plan, basal. -,
Pila occipit.
Chorda dorsalis
N. trochlear.
For. prooticum
(N. trig.)
For. N. facial.
- Caps. a%cd.
■ -For. acust.
/%- - Columella aur.
^ For. JV. glossophar.
■For. metoticum s. jugul.
(N. vagus)
For. spino-occipitales
(Nn. spino-occipit.)
Fig. 324. Bchematischer Grundriß eines tropibasischen Primordialcraniums.
Zu Grunde gelegt sind die Verhältnisse bei den Sauropsiden. Topographie der wich-
tigsten Foramina des Knorpelschädels.
Die Trabekel ziehen anfangs etwa parallel nach vorn und enden
im Gebiet der Nasensäcke, manchmal mit nach außen umgebogenen
Enden am Boden derselben (Trabekelhörner Rathke, Cornua trabe-
cularum). Dieser Parallelismus der Trabekel kann erhalten bleiben;
es bildet sich dann der Schädeltypus, den ich als plattbasisch
(platybasisch) bezeichnet habe, weil bei ihm die Schädelbasis in
der ganzen Orbito-temporalregion in gleichmäßiger Flucht nach vorn
zieht (viele Selachier, alle Amphibien). Das Schädelcavum dehnt sich
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 585
alsdann bis an die Ethmoidalregion in ziemlich gleich bleibender Weite
aus. Im anderen Falle aber werden die Trabekel vor der Hypophysis
durch die Augen gewissermaßen zusammengeschoben, legen sich in der
Mittellinie aneinander und verschmelzen sogar gewöhnlich zu einer
T r a b e cu 1 a communis (Fig. 325). In diesem zweiten Falle entsteht
über diesem unpaaren medianen Balken, resp. über den beiden dicht
nebeneinander liegenden Abschnittein der Trabekel zwischen den Augen
eine mehr oder minder ausgebildete mediarre Scheidewand, das Sep-
tum inter orbitale, das den kielbasischen (tropibasischen)
Schädeltypus charakterisiert (manche Selachier, Ganoiden, Teleostier,
Amnioten). Die ganze Orbito-temporalregion erscheint dann in zwei
Abschnitte zerlegt, einen hinteren, in dem die Schädelhöhle weit ist,
und einen vorderen, in dem sie auf die Höhe des (wie ein Kiel unter-
geschobenen) Septums emporgehoben und zugleich auf einen engen
Kanal für die lang ausgezogenen Lobi olfactorii reduziert ist. In
Fällen excessiver Ausbildung des Septums (Teleostier, Vögel) hört die
Schädelhöhle schon in der Mitte der Orbito-temporalgegend auf, so
daß die Nn. olfactorii eine Strecke weit frei durch die Orbita ver-
laufen müssen.
Die Trabekel bilden nur die erste Skelettgrundlage der Orbito-
temporalregion; eine Vervollkommnung erfährt letztere durch die
Ausbildung eines Bodens, Daches und zweier Seitenwände. Dies er-
folgt jedoch in sehr verschiedenem Umfange, und vielfach bleiben in
diesen Gebieten weite Lücken des Primordialcraniums bestehen. Die
Bildung des Bodens und der Seitenwände kann wenigstens teilweise
im Anschluß an die Trabekel erfolgen (ohne daß es deshalb statthaft
wäre, von einem wirklichen „Auswachsen" der Trabekel zu sprechen),
vielfach vollzieht sich aber auch die Bildung der fraglichen Partieen
selbständig, ohne Zusammenhang mit den Trabekeln. Speciell die
obere Randpartie der Seitenwand zeigt häufig eine Selbständigkeit bei
ihrer Entstehung, doch gilt das Gleiche auch für Partieen des Bodens
und des Daches. Die Knorpelteile der Seitenwand umgeben meist in
weiterem oder näherem Umfang die Nn. opticus, oculomotorius und
trochlearis, während durch Verbindung des hinteren Randes der Seiten-
wand mit der Ohrkapsel ein großes Foramen prooticumzu stände
kommt, durch das der N. trigeminus den Schädelraum verläßt.
Am Boden besteht zwischen den beiden Trabekeln anfangs eine
weite Lücke (Fenestra basicranialis anterior), durch deren
hinteren Teil der Hypophysengang hindurchtritt. Bei tropibasischen
Schädeln wird sie durch Aneinanderlegung der vorderen Trabekel-
hälften auf die kleine Fenestra hypophyseos reduziert. Nach
Abschnürung des Hypophysenganges kann die Lücke gänzlich ver-
schlossen werden oder erhalten bleiben. Auch Zusammenfluß der Fen.
basicran. ant. mit der Fen. basicran. post. kommt vor.
An der vorderen Grenze der Orbito-temporalregion erreicht ge-
wöhnhch das Gavum cranii sein Ende und steht hier durch die
Foramina olfactoria, die den Riechnerven zum Durchtritt dienen,
mit den Nasengruben in Verbindung.
Die Art des vorderen Abschlusses der Orbito-temporalregion ist bei den ein-
zelnen Formen außerordentlich verschieden, vor allem abhängig von dem platy- oder
tropibasischen Charakter der Region. Bei starker Ausbildung des Septum inter-
orbitale, verbunden mit Reduktion des Primordialcraniums in dieser Gegend, kommt
€s sogar, wie gesagt, vor (manche Teleostier, Vögel), daß die Schädelhöhle schon in
«iniger Entfernung hinter der Ethmoidalregion ihr vorderes Ende findet, und die
586 E. Gaupp,
Nn. olfactorii in die Augenhöhle eintreten, frei durch diese hindurch verlaufen und
dann erst in die Geruchsgruben eindringen. Dann sind ein For. olfactorium
evehens und ein For. olf. advehens zu unterscheiden.
Den vordersten Teil des Primordialcraniums bildet die Etli-
moidalregion, die bei den Cyclostomen das unpaare Geruclisorgan,
bei den Guathostomen die beiden Geruchssäcke umschließt und in
Anpassung an die Ausbildung des Organs, ferner, von den Amphibien
an, an specielle Erfordernisse der Luftatmung, endlich auch als Wider-
lager des vordersten Teiles des Kieferapparates, die mannigfaltigsten
Gestaltungen und Einrichtungen darbieten kann. Den Verschieden-
heiten der ausgebildeten Zustände (als in die Augen springendste sind
zu nennen: unpaare Nasenkapsel bei Cyclostomen, paarige oder in
der Mitte geteilte bei Guathostomen ; ventrale Mündung der blinden
Geruchsgruben bei Selachiern, dorsale Mündung bei Ganoiden und
Teleostiern ; doppelte Mündungen bei Dipnoern, Amphibien und Am-
nioten) entsprechen Verschiedenheiten der Entwickelungsvorgänge, so
daß einheitliche, für alle Wirbeltiere giltige Momente bisher kaum an-
zugeben sind, auch die Nomenklatur vorläufig noch am besten speciellen
Charakter beibehält. Höchstens kann man als allgemeingiltig hin-
stellen, daß die vordersten Enden der Trabekel, die Trabekel-
hörner, die in verschieden großer Ausdehnung untereinander ver-
wachsen, die erste Grundlage für das Ethmoidalskelett abgeben, und
daß dieses durch Verknorpelung des perirhinischen (den Nasensack,
resp. die Nasensäcke umgebenden) embryonalen Bindegewebes seine
Vervollkommnung erfährt.
Noch zwischen Amphibien und Aranioten, deren Nasenkapseln doch in einem
wichtigen Momente, dem Vorhandensein äußerer und innerer Nasenöffnungen, über-
einstimmen, bestehen große Unterschiede in der Art, wie die Bildung der Kapseln
erfolgt. Das hängt vornehmlich zusammen mit der Bedeutung, die die Trabekel
während des Larvenlebens gewinnen, und mit der Differenz, die in dem platybasischen
Typus des Amphibien- und dem tropibasischen Typus des Amniotenschädels ausge-
sj^rochen ist. Doch auch andere Momente spielen dabei noch eine KoUe. — Die
aus der Verschmelzung der vorderen Trabekelabschnitte hervorgehende Platte besitzt
von vornherein verschiedene Ausdehnung, und daher rechtfertigen sich verschiedene
Namen (Ethmoidalplatte, Internasalpjatte, vordere Trabecularplatte). Der Gang, den
die Verknorpelung des perirhinischen Gewebes nimmt, ist noch wenig genau ver-
folgt; Verschiedenheiten kommen mannigfach in Frage: die Verknorpelung erfolgt
im Anschluß an die aus der Trabekelverschmelzung hervorgegangene Platte, oder un-
abhängig von dieser; sie tritt in ausgedehnten Partieen gleichzeitig oder stellenweise
mit mehr Selbständigkeit auf.
Da es sich hier wie überall bei der Entstehung des Knorpelskelettes um lokale
Differenzierung eines schon an Ort und Stelle befindlichen Gewebes handelt, so ver-
heren diese Unterschiede ihre prinzipielle Bedeutung; sie sind a priori nicht zu weit-
gehenden morphologischen Schlüssen, zur Aufstellung selbständiger Elemente oder
Charakterisierung anderer Partieen als bloßer „Auswüchse" verwendbar. Das spiegelt
sich schon darin wieder, daß zwischen nahestehenden Formen (Urodelen und Anuren,
ja selbst zwischen Rana und Pelobates) recht beträchtliche Unterschiede der ge-
nannten Art beobachtet werden.
Für die Betrachtung der Gnathostomenverhältnisse können einfache Zustände, wie
sie etwa die Acipenseriden zeigen, zu Grunde gelegt werden (abgesehen von der
doppelten Oeffnung!). Hier bildet die ethmoidale Knorpelmasse einen massiven
Vorbau vor der Pars cerebralis cranii, in dessen Seitenteile die Nasengruben einge-
graben sind. Eine dicke septale Knorpelmasse trennt die beiderseitigen Gruben und
bildet mit ihrem hinteren präcerebralen Teil den vorderen Abschluß des Cavum
cerebrale cranii. Ein Foramen olfactorium oder richtiger ein kurzer Canalis olfac-
torius verbindet das Cavum cranii mit der Fossa nasalis jeder Seite. Die seitlichen,^
antorbitalen Knorpelmassen trennen die Orbitae von den Nasengruben. Vor den
Nasengruben springt der Ethmoidalknorpel als Rostrum vor.
Für die hauptsächlichsten Teile des Nasenskelettes der Tetrapoden habe ich im
nachfolgenden versucht, eine einheitliche Nomenklatur einzuführen, während bisher
Die EntwickelunD- des Kopfskelettes. 587
auf diesem Gebiete große Verwirrung herrschte. Ich unterscheide also Dach (Tectum
nasi), Seitenwand (Paries n.), Boden (Solum n.), Septum (statt desselben sind nur
bei Urodelen entweder in ganzer Ausdehnung oder streckenweise zwei Innenwände,
Laminae mediales, vorhanden). Der den vorderen kuppeiförmigen Abschluß bildende
Knorpel heiße Cart. cupularis, von ihm können Stücke abgegliedert sein als Nasen-
flügelknorpel, Cart. alares. Die Hinterwand, die das Cavum nasi von der Orbita
trennt, wird am besten als Planum antorbitale bezeichnet. Die wichtigsten Lücken
im Skelett sind die Fenestra narina (für die Apertura nas. ext., vorn oder vorn-
seitlich gelegen) und die Fen. basalis (für die Choane, an der Basis der Kapsel).
Eine vielfach vorhandene Oeffnung in der vorderen Kuppel, für den Austritt des
N. medialis nasi ("V, 1) bestimmt, nenne ich For. apicale; ein etwa in der Mitte der
Seitenwand gelegenes für den Austritt des N. lateralis nasi (V, 1) möge im Gegen-
satz dazu For. epiphaniale {iK'.cpi^tia, Kegelmantel) heißen. Dabei gehe ich aus von
dem Vergleich des ganzen Nasenskelettes mit einem Halbkegel (die Halbierungs-
ebene würde dem Boden der Kapsel entsprechen). Da gewöhnlich der hintere Teil
der Kapsel weiter und geräumiger ist als der vordere, somit eine Verjüngung nach
vorn statthat, so scheint mir der Vergleich mit einem Halbkegel (dessen Inneres
durch das Septum in zwei Teile geteilt wird) besser als der von Spurgat befür-
wortete mit einer Doppelröhre mit parallel gestellten Läufen, der nur für einige
Säuger zutreffend ist. Von allgemeiner verbreiteten Teilen mögen endlich noch die
Cartilago paraseptalis (Spurgat) und die Cart. ectochoanalis genannt werden. Weitere
Einzelheiten werden im speciellen Teil erwähnt werden. Für den Vergleich der ein-
zelnen Nasenkapselbildungen erweist sich vielfach als vorteilhaft die Unterscheidung
von drei Skelettzonen, einer vorderen, mittleren und hinteren, die natürlich nicht
scharf gegeneinander abgrenzbar sind. Die mittlere liegt auf der Grenze zwischen
dem vorderen schmäleren und dem hinteren weiteren Abschnitt der Nasenkapsel
und ist vielfach dadurch ausgezeichnet, daß sich hier ein Bodenabschnitt (Lamina
transversalis anterior) findet, der vom ventralen Rande der Seitenwand zu dem des
Septums zieht, so daß in dieser Gegend die Nasenhöhle ringförmig von Knorpel um-
schlossen wird, wodurch dann die Bezeichnung Zona anularis für diese mittlere
Skelettzone Berechtigung erhält. Im übrigen ist gerade die Morphologie des Eth-
moidalskelettes noch ein vielfach unerforschtes Gebiet.
Vom vorderen Teile des Ethmoidalskelettes springen bei manchen
Formen Fortsätze nach vorn vor (R o s t r ii m b i 1 d u n g e n der Fische,
Pränasalknorpel der Amphibien; auch manche Sauropsiden besitzen
Rostra). Sie entstehen im Anschluß an das Ethmoidalskelett ; eine
zusammenfassende vergleichende Bearbeitung haben sie bisher nicht
gefunden.
Cavum cranii. Durch die Occipital-, Labyrinth- und Orbito-
temporalregion des Primordialcraniums erstreckt sich das primordiale
Cavum cranii, gewöhnlich als einheitlicher Raum, der in der Haupt-
sache das Gehirn umschließt. Abtrennung eines besonderen Ab-
schnittes von diesem Raum kommt bei Fischen vor (hinterer Augen-
muskelkanal) ; in diesem Falle ist also Cavum cranii nicht identisch
mit Cavum cerebrale cranii. Die Wände des Cavum cranii am Pri-
mordialschädel sind häutig sehr lückenhaft; sie erfahren eine Er-
gänzung durch außerhalb des letzteren entstandene Deckknochen.
Dabei können die Deckknochen die Lücken des Knorpelschädels so
verschließen, daß das Cavum cranii keine weitere Raumvergrößerung
erfährt, oder aber es werden dabei Gebiete, die außerhalb des primor-
dialen Craniums lagen, mit zur Bildung des definitiven Schädelraumes
verwendet. Bei den Säugern bedingt die starke Volumentfaltung des
Gehirns eine entsprechende Vergrößerung der Schädelhöhle, die zu
schaffen die ursprünglichen Wände des primordialen Cavum cranii
außer stände sind. Unter Reduktion und Verlagerung des letzteren
erfolgt die Bildung einer definitiven Schädelhöhle, zu deren Begrenzung
Skelettteile (primordiale, wie Deckknochen), die vorher mit der Um-
wandung des Schädelraumes nichts zu thun hatten, herangezogen
werden. Durch derartige Vergrößerungen des Cavum cranii auf
588 E. Gaupp,
Kosten von Räumen, die ursprünglich außerhalb des primordialen
Cavum cranii liegen, erklärt es sich, wenn Nerven, die gewöhnlich
außerhalb der Schädelhöhle verlaufen, bei manchen Formen mehr oder
minder weit in dieselbe eingeschlossen sind. Das definitive Cavum
cranii entspricht also durchaus nicht immer dem primordialen, und
auch in der Tierreihe ist der Begriff Cavum cranii keine konstante
Größe. — Von dem verschiedenen Abschluß der Schädelhöhle in der
Orbito-temporalregion wurde schon gehandelt.
3. Das primordiale Visceralskelett.
Im Gegensatz zu dem neuralen Cranium, das ein zusammen-
hängendes ungegliedertes Gerüst bildet, ist das primordiale Visceral-
skelett aus einer Anzahl einzelner, untereinander nur lose verbundener
Teile zusammengesetzt. Wie schon bemerkt, werden dieselben als
präkraniale (präorale) Skelettteile und als Visceralbogen
unterschieden.
Die präkranialen Skelettteile finden sich in der Umgebung
der Mundöffnung, und zwar bei Cyclostomen in reicher Entwickelung ;
bei den Selachiern werden die Lippenkuorpel zu ihnen gerechnet,
auch bei Teleostiern kommen ähnliche Dinge vor, und endlich sind
bei den Larven der Anuren die sog. oberen Lippenknorpel hierher
gestellt worden. Genetische Kriterien zur Charakteristik der prä-
kranialen Skelettteile fehlen bisher, und die diesbezüglichen Vergleiche
sind noch vielfach unsicher. Unbekannt ist auch, ob sie als selb-
ständige Gebilde aufzufassen sind oder in einem genetischen Ver-
hältnis zum neuralen Cranium oder den Visceralbogen oder beiden
stehen.
Gegenbaur deutete (1872) die Lippenknorpel als Rudimente prämandibularer
Kiemenbogen, erklärte aber später (i898j diese Ansicht für unbeweisbar und die
Lippenknorpel selbst für die Ueberreste eines präoralen Apparates, ähnlich der unten
zu erwähnenden Anschauung von Pollard. Balfour vertrat (1881, A. L. II) die
Hypothese, daß der Mund bei den Vorfahren der Chordaten mehr oder weniger be-
stimmt den Charakter eines Saugorgans besaß, und ist daher geneigt, auch die prä-
kranialen Skelettteile als Ueberbleibsel eines primitiven Skelettes anzusehen, welches
den Saugmund stützte. Die verschiedenen, meist als Lippenknorpel bezeichneten
Skelettstücke wären danach als homologe Bildungen zu betrachten ; der Saugmund
der Anurenlarven mit seinen Skelettgebilden wäre ebenfalls noch auf jenen primitiven
Saugmund zurückzuführen. Ganz im Gegensatz dazu leitet Dohrn den Zustand
des Saugmundes bei den Cyclostomen von einem Kiefermund ab; auch HoWES (1891)
spricht sich gegen Balfour's Vorstellung aus. Pollard sieht die ursprüngliche
Bedeutung der präkranialen Skelettteile darin, Tentakel zu stützen, wie sie bei Myxine
den Mund umgeben und auch bei manchen Gnathostomen (Siluroiden, Dactylethra-
larven) vorkommen. Die Tentakel leitet er von den Cirren des Amphioxus ab. In
dem Tentakelstützskelett sieht er die ersten Skelettteile des Kopfes, von denen die
Bildung des übrigen Craniums ihren Ausgang genommen habe. Im einzelnen ent-
halten Pollard's Vorstellungen sehr viel unbewiesene und unwahrscheinliche Punkte,
so daß auf ihre Wiedergabe verzichtet werden kann. Gegen die Ableitung der
Lippenknorpel der Gnathostomen von den Tentakeln der Myxinoiden sjmcht sich
K. FÜRBRINGER aus. Derselbe führt einige Gründe zu Gunsten der alten Gegen-
BAUR'schen Visceralbogen theorie an, die neuerdings auch von Schauinsland sehr
bestimmt, aber ohne Begründung proklamiert wird (1903).
Die Visceralbogen bilden Knorpelstücke, die, ähnhch wie die
Rippen am Rumpfe, den Anfang des Darnirohres umgürten und sich
ventral von ihm, zum Teil unter Vermittelung besonderer unpaarer
Stücke, Copulae, vereinigen. Sie entstehen, meist unabhängig vom
neuralen Cranium, in den von den Seitenplatten des Mesoderms
stammenden Mesenchymmassen der häutigen Visceral- oder Schlund-
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 589
bogen und werden mit entsprechenden Namen belegt (Kiefer-,
Zungenbein-, Kiemenbogen). Die Unterscheidung eines
äußeren und eines inneren Visceral- oder Kiemenskelettes, von
denen das erstere den Cyclostomen und in Resten auch den Se-
lachiern zukommen soll, wird durch die Eutwickelungsgeschichte
nicht bestätigt. Die Visceralskelette der einzelnen Wirbeltierklassen
sind untereinander homolog und als innere im Sinne der früheren
Nomenklatur zu bezeichnen. (Genaueres s. im speciellen Teil unter
Cyclostomen.)
Der Kieferbogen steht im Dienste der Ergreifung und provisorischen Bewälti-
gung der Nahrung. Der Zungenbein- und die Kiemenbogen (zusammen das Hyo-
branchialskelett bildend) trennen die Kiemenspalten und dienen so bei wasser-
lebenden Anamnia der Kiemenrespiration; daneben besteht für den Zungenbeinbogen
schon frühzeitig die Aufgabe, der Zunge eine Stütze zu bieten, und sie ist es, die nach
Fortfall der Kiemenatmung dem ganzen Hyobranchialskelett, soweit es nicht redu-
ziert wird, als Hauptfunktion bleibt und zu der weiteren Aufgabe, der Zunge Be-
weglichkeit zu verleihen, vervollkommnet wird. Auch an der Schallleitung gewinnt
der Kiefer- wie der Zungenbeinbogen Anteil.
Gegenüber der Vorstellung, daß die knorpeligen Visceralbogen aus einem Mes-
enchym mesodermalen Ursprungs entstehen, hat J. B. Platt für Necturus die An-
schauung aufgestellt, daß jene Mesenchymmassen ektodermaler Herkunft seien. Zur
gleichen Anschauung gelangte Kupffer für die Branchialbogen bei Petromyzon,
DoHEN (1902) für die Selachier (Torpedo), Brauer (1904) für den Mandibularbogen
von Hypogeophis. Allerdings lassen Platt und Kupffer die fraglichen Zellen aus
der Epidermis entstehen, Dohrn nnd Brauer dagegen aus der Ganglienleiste. Dar-
aufhin würde das Visceralskelett dem Skelett des neuralen Craniums als genetisch
verschiedenartig gegenüberaustelleu sein. Diesen Angaben wird vielfach wider-
sprochen. — Was die ursprüngliche Stellung der Visceralbogen zum neu-
ralen Cranium anlangt, so spricht die Eutwickelungsgeschichte wohl mehr zu
Gunsten der Selbständigkeit jener. Allerdings giebt es auch Befunde, die auf einen
ursprünglichen Zusammenhang beider Teile hinzudeuten scheinen (Verhalten des
Visceralskelettes der Cyclostomen, der Columella auris bei Amphibien und Eeptilien).
Doch kann in diesen Fällen die Vereinigung und auch die gemeinsame ontogenetische
Anlage den sekundär abgeänderten Zustand darstellen. Die Anschauung, daß die
Visceralbogen vom Skelett des neuralen Craniums abstammen, gewissermaßen als
Fortsatzbildungen desselben entstanden, wird von Gegenbaur vertreten. — Die
Frage endlich nach der Stellung der Visceralbogen zu ein ander wird von
Gegenbaur dahin beantwortet, daß alle Bogen, vom Kieferbogen angefangen,
unter sich homodyuame Bildungen darstellen. Auch der Kieferbogen ist danach
einmal ein Kiemenbogen gewesen und hat erst sekundär, infolge seiner exponierten
Lage am Mundrand, die Beziehungen zur respiratorischen Funktion verloren und
mit der Uebernahme neuer Leistungen (Ergreifen, Zerkleinern der Nahrung) neue
Gestaltung gewonnen. Auch diese Vorstellung ist nicht unbestritten geblieben
DoHRN 1885).
Der Kieferbogen der Gnathostomen (bei den Cyclostomen be-
steht hinsichtlich der Komponenten des Kieferbogens noch Unsicherheit)
läßt schon bei oder doch bald nach seiner ersten Anlage mindestens
zwei Stücke unterscheiden, ein dorsales oder Palatoquadratum
und ein ventrales oder primordialen Unterkiefer (Meckel-
schen Knorpel). Zwischen beiden kommt es zur Ausbildung eines
Gelenkes, das bei den Gnathostomen bis zu den Vögeln inkl. als
Kiefergelenk funktioniert. Am Palatoquadratum sind, abgesehen von
Fortsätzen, die vor allem zur Befestigung mit dem neuralen Cranium
dienen, hauptsächlich zwei Abschnitte erkennbar, die Pars quadr ata,
die die Gelenkfläche für den primordialen Unterkiefer trägt, und die
Pars palatina, die am Dach der Mundhöhle nach vorn zieht und
bei niederen Vertebraten Zähne („Gaumenbogen'') trägt. Bei den
Selachiern bildet sie die obere Begrenzung der Mundspalte, bei den
übrigen Wirbeltieren findet sie sich weiter hinten am Mundhöhlen-
590 E. Gaupp,
dach, da sich der niaxillare Zahnbogen ausbildet (s. Knochen). Zu-
gleich läßt sie aber eine Längenreduktion erkennen, und schon bei
den Amphibien reicht sie nicht mehr so weit nach vorn wie bei den
Selachiern. Bei den Amnioten kommt sie meist gar nicht mehr zur
Anlage. Die Pars quadrata ist der konservativere Abschnitt des
Palatoquadratums, aber auch sie erfährt bei den Säugern eine Größen-
reduktion, die in Zusammenhang steht mit der Aufgabe der ursprüng-
lichen und Uebernahme einer neuen Funktion : sie bildet den in den
Dienst des Gehörorgans tretenden Amboß. Dies hängt zusammen mit
der Ausbildung eines neuen Kiefergelenkes bei den Säugern. Der
primordiale Unterkiefer, der bei den Selachiern Zähne trägt
und den unteren Begrenzungsrand der Mundspalte bildet, wird in der
aufsteigenden Wirbeltierreihe ebenfalls immer mehr und mehr redu-
ziert, in dem Maße, als sich die knöchernen Elemente ausbilden. Aber-
auch an ihm ist der Gelenkabschnitt der konservativste und bleibt
noch bei den Säugern erhalten. Doch vollzieht sich an ihm ein ähn-
licher Vorgang wie an dem Gelenkteil des Palatoquadratums: indem
die Knochen, speciell das Dentale, eine größere Entfaltung erfahren
und ihrerseits am dorsalen Schädelabschnitt eine Anlagerung finden,
wird er reduziert und tritt als Malleus in den Dienst des Gehör-
organs.
In der Art, wie das Palatoquadratum mit dem neuralen Cranium verbunden
ist, bestehen drei Möglichkeiten. Entweder ist die Verbindung zwischen beiden
Teilen eine unmittelbare, oder sie erfolgt unter Vermittelung des oberen Stückes des
Hyalbogens (des Hyoraandibulare), oder endlich es bestehen beide Arten von Ver-
bindung nebeneinander (autostyler, hyostyler, amphisty 1er Typus ; Huxley1876). Hin-
sichtlich der Fortsätze, die das Palatoquadratum zur Verbindung mit dem Neuro-
cranium aussendet, bestehen noch manche Unklarheiten.
Der Hyal- und die Branchialbo g en bilden, bei den Gnathosto-
men zusammen mit den Copulae, das Hyobranchialskelett,
das bei den einzelnen Wirbeltieren die mannigfachsten Verschieden-
heiten darbietet. Die Zahl der (außer dem Hyalbogen) zur Aus-
bildung kommenden Branchialbogen schwankt: Petromyzon und Hept-
anchus besitzen 7, Hexanchus 6, die pentanchen Haie 5; die über
den Selachiern stehenden Formen lassen eine noch weitergehende, von
hinten her erfolgende Reduktion der Branchialbogen erkennen. Auch
der Grad der Ausbildung des Einzelbogens ist Schwankungen unter-
worfen.
In der ventralen Mittellinie unter der Mundschleimhaut entsteht
bei den Gnathostomen das System der Copulae, deren genetische
Stellung zu den Bogen zweifelhaft ist. Die Geweljsverdichtung, aus
der sie hervorgehen, hängt meist in der ersten Anlage mit den An-
lagen der lateralen Bogenteile kontinuierlich zusammen.
Sehr verschiedenartig gestaltet sich die Gliederung des Hyo-
branchialskelettes. Bei Petromyzon werden die Kiemenbogen ein-
heitlich angelegt und bleiben auch stets ungegliedert, bei Selachiern
und Teleostiern ist die Anlage eine einheitliche, und sekundär tritt
eine Gliederung in 4 Stücke (Hypo-, Kerato-, Epi-, Pharyngobranchiale)
ein, wozu dann noch die unpaaren Copulae (Basibranchialia) kommen.
Schon bei den Selachiern zeigen sich die weitestgehenden Verschieden-
heiten in Bezug auf diese Gliederung, und das Idealschema eines
Branchialbogens: Pharyngo-, Epi-, Kerato-, Hypobranchiale auf jeder
Seite und dazu eine unpaare die beiden Bogenhälften verbindende
Copula (Basibranchiale), ist auch hier nur in einigen Fällen realisiert.
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 591
Es als allgemeingiltig vorauszusetzen und nach dieser Voraussetzung
die Thatsachen gewaltsam zu deuten, wie es Parker vielfach thut,
ist ganz ungerechtfertigt. Da der Bogen in der Anlage und selbst
auf Knorpelzustand noch einheitlich ist, so erscheint die (Gliederung
als eine sekundäre Einrichtung, die offenbar auf den Einfluß der Mus-
kulatur zurückzuführen ist. Es kommt ihr somit keine prinzipielle
Bedeutung zu, und die einzelnen Teilstücke dürfen nicht als selb-
ständige morphologische Elemente betrachtet werden.
Dies ist besonders zu berücksichtigen bei der Betrachtung des
Hyobranchialskelettes höherer Formen. Auch hier können noch Ab-
gliederuugen einzelner Stücke vorkommen, wenn auch nicht mehr in
der Zahl wie bei den Fischen. Andererseits können auch die Bogen
durchaus einheitlich bleiben. Wieweit jene Teilstücke bestimmten
Elementen des Hyobranchialskelettes der Selachier entsprechen, ist
noch gar nicht sicher ausgemacht. Was für die Branchialbogen im
engeren Sinne gilt, gilt auch für den Hyalbogen : auch dieser kann
mannigfache Gliederungen zeigen. Die bedeutsamste Abgliederung,
die er bei den Amnioten erkennen läßt, ist die des Stapes (inneres
Glied der Columella der Sauropsiden). Ob er mit Recht auf die bei
den Fischen bereits abgegliederte und in specieller Verwendung an-
zutreff"ende Hyomandibula zurückgeführt wird, steht dahin. Seine
Zugehörigkeit zum Zungenbeinbogen kann allerdings durch die Ver-
hältnisse bei den Amphibien, wo er innigere genetische Beziehungen
zur Ohrkapsel zeigt, fraglich werden (s. das specielle Kapitel).
Im übrigen tritt von den Amphibien an nach Fortfall der Kiemen-
respiration die zungenstützende und -bewegende Aufgabe des Hyo-
branchialskelettes in den Vordergrund; der in seinem Aufbau ver-
einfachte Apparat fungiert als Zun gen b ein.
Unsere Kenntnis vom Hyobranchialskelett der Wirbelthiere ist stellenweise noch
recht mangelhaft. Ganz besonders gilt dies bezüglich der Gliederung und ihrer Be-
dingtheit, sowohl der lateralen ßogenhälften als der medianen Copulae. Ein Extrem
der Auffassung bietet die Betrachtungsweise, wie sie die Darstellungen von W. K.
Parker beherrscht. Parker ist geradezu befangen in dem Glauben an die morpho-
logische Wichtigkeit des Kiemenbogenschemas, das die Selachier zeigen ; die einzelnen
Stücke sind ihm nicht Teile eines Ganzen, sondern selbständige ursprüngliche In-
dividualitäten. Die von den Öelachiern hergenommenen Bezeichnungen spielen daher
bei ihm eine sehr große Rolle. Mit Geoenbaur (1898, p. 444) halte ich es für
richtig, mit dem Gebrauch dieser Bezeichnungen möglichst sparsam zu sein und im
Auge zu behalten, daß die Uebertraguug derselben selbst auf das Hyobranchialskelett
der Amphibien noch nicht mit sicherer Begründung geschehen kann. Dies gilt für
die lateralen Teile wie für die Copulae. Der kontinuierliche Zusammenhang, den
die Anlagen der letzteren mit denen der lateralen Bogenteile zeigen, kann zu Gunsten
der Auffassung sprechen, daß die Copulae ihre Entstehung den medialen Bogenenden
verdanken, also in ähnlichem Verhältnis zu ihnen stehen wie das Sternum zu den
Rippen. Diese Auffassung findet eine Stütze in dem Verhalten bei Petromyzon, wo
eine Vereinigung der beiderseitigen Kiemeubogen in der ventralen Mittellinie erst
sekundär erfolgt. Die zwischen den Hyalbogenhälften gelegene Copula heißt Basi-
hyale, dahinter folgen die Basibranchialia; eine prähyale Copula kann als
Glossohyale selbständig sein und spricht vielleicht dafür, daß sich die Reihe der
Copulae früher bis zum vorderen Kieferwinkel fortsetzte (Gegenbaur 1898).
Im Zungenbein der höheren Formen wird das Skelettmaterial des Hyo-
branchialskelettes zu besonders gestalteten Gebilden geformt, an denen ein Körper-
abschnitt (aus den ventralen Teilen hervorgegangen) und Fortsatzbildungen
unterscheidbar sind. Die letzteren werden zweckmäßig als Hörner und Fortsätze
auseinandergehalten : die Hörner gehen aus den Anlagen von Visceralbogen hervor,
die Fortsätze entstehen am Körper als specielle Anpassungen. Die Unterscheidung
der Hörner als Cornu principale oder hyale (aus dem Hyalbogen hervor-
gegangen) und Cornua branchialia (I, II u. s. w.) läßt in den JS^amen gleich die
592 E. Gaupp,
Bedeutung erkennen (Gaupp 1893). — Knorplige oder knöcherne Kontinuität mit
dem Körper oder Abgliederung von demselben sind für die Beurteilung der Fortsatz-
bildungen keine ausschlaggebenden Momente.
Nach der Vorstellung'von van Wuhe (1893, 1902) ist hinter der Hyomandibular-
s^jalte der Cranioten eine Spalte ausgefallen, und der Zuugenbeinbogen repräsentierte
somit zwei verwachsene Schlundbogen. Von den beiden daraufhin anzunehmenden
Skelettbogen werde der vordere durch das Hyale (inkl. des Hyomandibulare) re-
präsentirt, der hintere durch das „Hyobranchiale", d. h. den Knorpelbogen, der bei
Rochen hinter dem Hyomandibulare gelagert ist und von Gegenbaur als in die
Höhe gerücktes unteres Stück des Hyalbofjens gedeutet wurde. Ein Hyobranchiale
glaubt VAN WiJHE auch bei Protopterus wiederzufinden, während es bei den Selachiern
als verschwunden anzusehen ist. Ob das Hyoidstück der Teleostier, Ganoiden und
höheren Tiere als Hyale oder Hyobranchiale aufgefaßt werden muß, läßt van Wijhe
unentschieden. Ob diese Vorstellung van Wijhes richtig ist, muß die Zukunft lehren.
Auch DoHRN sieht in dem Zungenbeinbogen zwei Bogen; den Skelettstab des
vorderen soll das Hyomandibulare, den des hinteren das eigentliche Hyale bilden
(s. auch Selachier).
4. Schicksal und Bedeutung des primordialen Kopf-
skelettes im Individuum.
Nur bei Cyclostomen und Selachiern bleibt das Primordialcranium zeitlebens
erhalten und repräsentiert allein das Skelett des Kopfes. Schon bei den höheren
Fischen tritt es in seiner Bedeutung zurück gegenüber den mit besseren Qualitäten
ausgerüsteten knöchernen Elementen, und es sind hier, wie bei den höheren Wirbel-
tierformen, folgende Schicksale des Knorpelschädels zu konstatieren (s. Gaupp 1901).
1) Einige Partieen bleiben in knorpeligem Zustand zeitlebens erhalten. Die Bedeutung
derselben ist noch nicht überall klar, ja auch der Umfang, den sie bei den einzelnen
Formen besitzen, ist noch nicht genügend bekannt. Im allgemeinen bleiben bei
niederen Formen, namentlich Fischen, knorpelige Schädelteile in größerem Umfang
erhalten als bei iiöheren, doch giebt es hiervon auch Ausnahmen (manche Teleostier
und ürodelen). Wo sie sehr reichlich bestehen bleiben, bilden sie noch in beträcht-
lichem Grade Schutz und Stütze für die Weichteile; im übrigen fungieren sie als
Synchondrosen, bilden Wachstumsgrenzen zwischen knöchernen Stücken oder be-
wirken Bewegungsmöglichkeit zwischen solchen ; in der äußeren Nase der Säuger
bilden sie das nachgiebige Gerüst, auch als Gelenküberzüge bleiben Reste von Knorpel
erhalten — aber in vielen Fällen ist eine genaue Einsicht in die funktionelle Be-
deutung der perennierenden Teile des Knorpelschädels noch nicht vorhanden. 2) Hin
und wieder wandeln sich beschränkte Partieen des Chondrocraniums zu Bindegewebe
um und bleiben als Ligamente oder Syndesmosen erhalten. Viele Abgliederungen
einzelner Stücke des Knorpelschädels kommen so zu stände (Nasenknorpel des
Frosches und des Menschen, Gliederung der Kiemenbogen in manchen Fällen). 3) Es
können auch Teile des Knorpelschädels embryonal wieder zu Grunde gehen, ohne
Spuren zu hinterlassen, und ohne daß Knochen an ihre Stelle tritt. (Viele Teile
des larvalen Knorpelschädels der Anuren, MECKELscher Knorpel der Säuger u. a.)
4) Das häufigste und in weitestem Umfang vorhandene Schicksal, das Teile des
embryonalen Knoq^elschädels trifft, ist die Zerstörung durch knöcherne Elemente,
die sich an ihre Stelle setzen (s. Knochen).
Aus dem Gesagten geht hervor, daß das Chondrocrauium in ausgedehntem
Maße die Rolle einer nur provisorischen, transitorischen Bildung während des Em-
bryonallebens spielt, und zwar ist das im allgemeinen um so mehr und um so aus-
schließlicher der Fall, je höher wir in der Wirbeltierreihe aufsteigen.
Diese Thatsache darf aber nicht ohne weiteres dahin gedeutet werden, daß das
Primordialcranium lediglich dem Gesetze der Vererbung entsprechend immer wieder
angelegt werde und schließlich nur eine rudimentäre Bildung ohne selbständige Be-
deutung darstelle. Wie ein Vergleich der Zustände, die das Primordialcranium in
der WirbeltieiTeihe darbietet, lehrt, befindet sich dasselbe von den Selachiern an
nicht etwa nur in absteigender Entwickelung, sondern kann ebenso gut auch pro-
grediente Entwickelungstendenzen zeigen, d. h. auch höhere Formen können stellen-
weise eine reichere Knorpelentwickelung und ganz neue formale Verwertung des
Materials darbieten als niederer stehende. Da nun bei den höheren Formen bei
weitem der größte Teil des Knorpelschädels embryonal wieder zerstört wird, so
müssen in der Ontogenese selbst die Momente liegen, die die Hervorbringung des
Knorpelschädels erklären. Man wird wohl nicht fehlgehen mit der Ueberlegung,
daß der Knorpel eine Hartsubstanz ist, die viel rascher in größerem Umfange pro-
duziert werden kann als der Knochen, der zu seiner Bildung zudem der Zufuhr
p
Die EntwickeluDg des Kopfskelettes. 593
größerei- Kalkmassen bedürfte. So übernimmt der Knorpel die Aufgabe, schon in
fi'üher Embryonalzeit ein provisorisches Skelett zu bilden, dazu bestimmt, einmal
den Weichteilen schon frühzeitig eine Stütze zu verleihen, andererseits den erst
später und langsamer sich ausbildenden knöchernen Skelettteilen den Platz frei zu
halten. Die raschere Wachstumsfähigkeit und raschere formale Anpassungsfähigkeit
macht ihn in dieser Hinsicht besonders geeignet. In dieser specifisch embryonalen
Funktion (die sich in Resten auch das ganze Leben hindurch erhalten kann) darf
das Moment gesehen werden, welches das Primordialcranium (wie überhaupt das
ganze Knorpelskelett) nicht nur vor dem gänzlichen Untergang schützt, sondern ihm
sogar die Möglichkeit zu höherer quantitativer und formaler Ausbildung auch in der
aufsteigenden Wirbeltierreihe gewährt. Die Schnelligkeit, mit der die ganze Onto-
genese abläuft, der Zeitpunkt, zu welchem das Individuum zum freien Leben über-
geht, werden dabei sehr wesentlich die Ausbildung des Knorpelskelettes beeinflussen.
Es ergiebt sich daraus der auch schon von Gegenbaur (1878) ausgesprochene
Schluß, daß das Maß von Knorpel nicht ohne weiteres auf die phylogenetische
Stellung bezogen werden darf. Hier mag denn auch noch die allgemeine Bemerkung
Platz finden, daß das Auftreten von Knoqielgewebe überhaupt ein Moment ist, das
in seiner Bedeutung, so wichtig dieselbe ist, doch auch nicht überschätzt werden darf.
Es geht sicherhch zu weit, wenn man sich bemüht, alle Verknorpelungen, die irgendwo
auftreten, durchaus als Derivate des Achsen- oder Kiemenskelettes nachzuweisen.
Auch ganz lokal und selbständig kann Knorpelgewebe entstehen, wie es unter
anderem die sekundären Knorpelbildungen bei der Entstehung von Deckknochen
zeigen.
5. Phylogenetische Fragen:
Stellung des Kopfskelettes zum Rumpfskelett (Seg-
menttheorie des Schädels). Weitere das Palaeocranium
betreffende Fragen, Bedeutung seiner Komponenten.
Schicksal in der W i r b e 1 1 i e r r e i h e , Geschichte der Ge-
hörknöchelchen.
Die phylogenetische Betrachtung des Primordialcraniums läßt eine Anzahl von
Fragen auf werfen, auf die sichere Antworten bisher vielfach nicht zu geben sind.
Im Vordergrund des Interesses steht seit langer Zeit das Problem von der Stellung
des Kopfskelettes zum Rumpfskelett, unter das eine ganze Menge von Einzelproblemen
zu subsumieren ist, und das schließlich selbst wieder nur ein Teil der allgemeinen
Frage nach dem ursprünglichen Zustand des Kopfskelettes und der Bedeutung seiner
Teile darstellt. Im allgemeinen wird bei der Betrachtung des Knorpelschädels von
dem der Selachier ausgegangen, und von diesem werden wenigstens die der übrigen
gnathostomen Wirbeltiere abgeleitet. Zur Beantwortung der Frage, welche stammes-
geschichtliche Entwickelung das Selachiercranium selbst durchgemacht habe, blieben
dann nur das Studium der Ontogenese sowüe die Cyclostomencranien. Unter Be-
rufung auf diese beiden Faktoren sind die Fragen behandelt worden, die sich mit
der Urform des Chondrocraniums und der Bedeutung seiner Teile beschäftigen. Da
hier noch sehr vieles unklar ist, so wird die Darstellung vielfach nur eine historische
sein können. Im Anschluß daran ist das Schicksal des Primordialcraniums in der
Wirbeltierreihe, von den Selachiern an, sowie die Geschichte der Gehörknöchelchen
zu verfolgen.
a) Die Stelliiug' des Kopfskelettes zum Rumpfskelett.
Die Frage nach der Stellung des Kopfskelettes zum Rumpfskelett ist eine sehr
alte und hat eine bewegte Geschichte durchgemacht. In Erwägung gezogen wurde
sie zuerst durch Goethe (1790j und durch Oken (1806), die beide selbständig aus
der Betrachtung macerierter, getrockneter Wiederkäuerschädel zu der Anschauung
kamen, daß die Kopfknochen, zunächst des Säugetierschädels, sich zu Segmenten
zusammenfassen lassen, die eine gewisse Aehnlichkeit mit Wirbeln besitzen. Daher
der Name Wirbeltheorie des Schädels, den diese Lehre erhalten hat. Es
mag besonders betont sem, daß ihrer Aufstellung nur das Bestreben zu Grunde lag,
den Wirbel, als das den Aufbau des Rumpfskelettes beherrschende Formelement, auch
im Schädel wiederzufinden und so auch den letzteren als nach dem gleichen Schema
wie das Rumpfskelett gebaut zu analysieren. Dagegen fehlte wohl noch jeder
genetische Gedanke. Die GoEXHE-OKEN's'che Lehre fand, wenigstens in ihrer Grund-
anschauung, fast aligemeine Annahme; nur wenige Widersprüche wurden laut. Ueber
die Frage allerdmgs, wie viele hypothetische Schädehvirbel anzunehmen seien,
gingen die Ansichten auseinander [Goethe nahm 6, Oken anfangs 3, .später
Handbuch der Entwickelungslehre. III. 2. 38
594 E. Gaupp,
4 an; die Vierzahl vertreten auch Rathke (1839), Owen (1846), Bruch (1862) u. A. ;
die höchste Zahl von Wirbeln, die aufgestellt wurde, ist wohl 7]. Auch die
entwickelungsgeschichihche Forschung (Rathke, Reichert) erklärte sich mit der
Grundvorstellung einverstanden, fügte allerdings wichtige Modifikationen hinzu. So
unterscheidet Ratke (1839), der zuerst zusammenfassend die Schädelentwickelung
der Wirbeltiere verfolgte, zwei Komponenten des Schädels: einen Abschnitt, der auf
die Belegungsraasse der Wirbelsäule zurückzuführen und somit gleichen Ursprungs
ist wie die Wirbelsäule, und einen zweiten, bei dem dies nicht der Fall ist. Ziim
ersten gehört der Gehirnschädel (in 4 Wirbel zu zerlegen), ohne die Ohrkapselu, da-
für aber mit einigen der Gesichtsknochen, die als rippenähnliche Bildungen oder als
Belegknochen an solchen aufgefaßt werden; die Ohrkapseln sind Schaltstücke;
Zwischenkiefer, Nasenbeine und Vomer sind dem Wirbelsystem fremde Elemente.
Im übrigen hat gerade die Entwickelungsgeschichte, die das Vorhandensein eines
Knorpelschädels bei den Wirbeltieren, seine Entstehung und Einrichtung, kennen
lehrte, das Material zur Bekämpfung der Wirbeltheorie herbeigeschafft.
Die erste Periode der Geschichte der Wirbeltheorie kann bis 1859 gerechnet
werden, dem Jahre des Erscheinens von Huxley's (schon 1858 gelesener) berühmter
Croonian lecture über den Wirbeltierschädel, in der jener GOETHE-OKEN'schen
Vorstellung der Boden entzogen wurde. Hier, wie in den 1864 erschienenen Lectures
on the Elements of comparative Anatomy wies Huxley vor allem darauf hin, daß
nur in den ersten Stadien die Anlagen der kranialen imd der spinalen Region des
Körpers einander ähnlich sind, daß dann aber beide ganz divergente Entwickelungs-
richtungen einschlagen : in der Rumpfregion kommt es zu einer Segmentierung,
während diese am Schädel zunächst unterbleibt und erst sekundär durch den
Ossifikationsj^rozeß eintritt. Sie ist somit am Schädel etwas ganz Sekundäres und
hat nichts mit der Gliederung der Wirbelsäule in Wirbel zu schaffen, die eine ganz
frühe Erscheinung darstellt. Daher können auch die 4 Segmente, in die der
knöcherne Schädel, speciell der Säuger, zerfällt, nicht mit Wirbeln verglichen werden.
Mit dieser durch Huxley geschaffenen Erkenntnis des Gegensatzes zwischen Schädel
und Wirbelsäule schließt die erste Phase der Lehre von der Segmentierung des
Schädels ab. Eine neue beginnt 1872 mit dem großen Werk Gegenbaur's über den
Selachierschädel. Hier sucht Gegenbaur den Grundgedanken der alten Wirbeltheorie
zu retten, indem er ihn auf das knorpelige Primordialcraniuni überträgt. Ausgehend
vom Knorpelschädel der Selachier, versucht Gegenbaur den Nachweis, daß der
hintere Teil desselben einmal vertebral gegliedert war. Die Momente, auf die sich
diese Ueberzeugung gründete, waren: die Chorda dorsalis, die die Basis des
hinteren Schädelabschnittes ebenso wie die Wirbelsäule durchsetzt; die Visceral-
bogen, die Gegenbaur als untere Bogenbildungen ähnlich den Rippen betrachtet,
von denen er ferner annimmt, daß sie in innigem Zusammenhang mit dem Cranium
entstanden, und die so auch auf eine einstige metamere Gliederung desselben hin-
weisen; endlich die Nerven, die Gegenbaur als aus Spinalnerven hervorgegangen
zu analysieren sucht. Der vertebrale Teil des Craniums erstreckt sich an der
Basis vom Foramen occipitale bis zur Sattellehne; von hier aus ist die Grenzlinie
an der Seitenwand der Orbito-temporalregion schräg aufwärts bis vor das Trochlearis-
loch zu ziehen, so daß dieser Abschnitt also die Occipital- und Labyrinthregion
sowie den hinteren Teil der Orbito-temporalregion umfaßt und die Austrittsstelle
der ventralen Vaguswurzeln, des Vagus selbst, des Glossopharyngeus, Acusticus,
Facialis, Trigeminus und der Augenmuskelnerven enthält. Die Zahl der in den
vertebralen Teil eingeschmolzenen Schädel wirbel bestimmte Gegenbaur auf mindestens
9; die Visceralbogen gehören ihnen als ventrale Bogenbildungen au. Die Kon-
krescenz erfolgte unter Reduktion der die Wirbel früher bewegenden Muskulatur und
unter dem Einfluß mehrerer Momente: die Visceralbogen lösten sich vom Cranium
ab, wurden beweglich und verlangten für ihre Muskulatur feste Ursprungsgebiete ;
das Gehirn, das Ohrlabyrinth und das Auge wirkten weiter umgestaltend auf das
Skelett ein. — Dem vertebralen Teil steht der prävertebrale (später auch
als evertebraler bezeichnete) gegenüber. Er umfaßt nur das Austrittsgebiet des
Olfactorius und des Opticus, also die Ethmoidalregion und den vorderen Teil der
Orbito-temporalregion, und ist wahrscheinlich erst nach erfolgter Konkrescenz des
vertebralen Teiles durch Auswachsen des nunmehr kontinuierlichen Knorpels in An-
passung an die Riechgruben entstanden. In dieser Vorstellung Gegenbaur's ist
gegenüber der alten Wirbeltheorie nicht nur das Objekt ein anderes geworden
(Knorpelschädel statt Knochenschädel), sondern auch die Art der Betrachtung;
Gegenbaur faßt die Frage als ein Problem der Phylogenese: der Knorpelschädel
war einmal in seiner größeren hinteren Hälfte segmentiert. Die genetische Fassung
des Problems bleibt fortan die herrschende. Die namhaftesten Forscher schlössen
sich Gegenbaur's Anschauung an; Stöhr (1879, 1881, 1882) fügte ihr den sehr
fruchtbringenden Gedanken hinzu, daß die Umgestaltung des ursprünglich ge-
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 595
gliederten Skelettes im Kopfbereich von vorn nach hinten fortschritt und in der
Wirbeltierreihe ihr Ende noch nicht erreicht habe. Der Schädel ist in stetem
kaudalen Vorrücken begriffen und ist somit in der VVirbeltierreihe nicht von kon-
stanter Ausdehnung, sondern bei den einzelnen Formen ungleichwfertig. Dieser
letzte Satz wurde in den folgenden Jahren durch Untersuchungen von Rosenberg,
Gegenbaur, Sagemehl an Fischschädeln als thatsächlich zu Hecht bestehend er-
kannt. Es zeigte sich, daß bei den Fischen (Selachiern, Ganoiden, Teleostiern) An-
schlüsse von Wirbeln oder Wirbelteilen an den Schädel in verschiedener Form vor-
kommen, und es ließen sich daran Schlußfolgerungen allgemeiner Natur knüpfen.
Allerdings weichen in diesen die einzelnen Forscher voneinander ab. Für die
Selachier kommt Rosenberg zu dem Schluß, daß der Begriff Selachiercranium keine
konstante Größe, und daß z. B. das Carchariascranium um einen Wirbel länger sei
als das Musteluscranium. Zu weitergehenden Resultaten gelaugt Sagemehl. Das
Selachier- und das Amphibiencranium repräsentieren ihm Kranien, die in ihrer
kaudalen Ausdehnung gleich und von primitivem Typus sind ; ihnen stehen die
Kranien der höheren Fische und der Amnioten gegenüber, die noch eine Verlängerung
durch Assimilation von 3 Wirbeln erfahren haben. Der Schädel der letzteren ist
also thatsächlich kaudalwärts vorgerückt. Dieser Vorgang vollzieht sich aber nicht
stetig in der Wirbeltierreihe, sondern ist nur einmal erfolgt, und zwar unter dem
Einfluß des sich nach hinten ausdehnenden Parasphenoids, durch das die vorderen
Wirbel ihre Beweglichkeit einbüßten. In der Frage nach der Herkunft des Selachier-
craniums, das als Ausgang genommen wird, schließt sich Sagemehl an Gegenbaur's
Darstellung von 1872 an: es ist aus Metameren entstanden. Diese waren aber noch
keine Wirbel, und der Prozeß ihrer Konkrescenz, der zur Bildung des Craniums vom
Typus der Selachier führte, ist seinem Wesen nach verschieden von dem der nach-
träglichen Assimilation von wirklichen Wirbeln bei höheren Fischen und Amnioten.
Für das .Selachier- (und Amj)hibien-)Cranium braucht Sagemehl den Ausdruck
protometamer , die durch Zuwachs von 3 Wirbeln vergrößerten übrigen Kranien
nennt er auximetamer. — Mit den Deutungen, die Sagemehl den Befunden bei
den Fischen gegeben hat, erklärte sich Gegenbaur (1887*) für nicht einverstanden ;
nach ihm sind die verschiedenen Erscheinungen von wirkhcher oder scheinbarer
Wirbelassimilation sehr mannigfacher Natur und dürfen nicht direkt miteinander
verglichen werden ; von wirklichen Konkrescenzen sind Rückbildungen von Wirbeln
oder Wirbelteilen mit dem Anschein von Konkrescenzen zu unterscheiden. Beides
kommt vor und beweist den umgestaltenden Einfluß, den das Cranium auf den
vordersten Teil der Wirbelsäule ausübt.
Die Frage nach der ursprünglichen Entstehung des Craniums war durch
die letztgenannten Arbeiten nicht gefördert worden. Wohl aber geschah dies durch
zwei Arbeiten, die beide im Jahre 1882 erschienen und zu Ausgangspunkten für die
weitere Forschung geworden sind : von van Wijhe und Froriep. van Wijhe zeigte,
in Erweiterung früherer Untersuchungen von Balfour und Milnes Marshall,
daß bei Selachiern das gesamte dorsale Mesoderm des Kopfes in 9 ganz entsprechende
Segmente (Urwirbel, Somite) zerfällt, wie das dorsale Mesoderm des Rumpfes, er
glaubte ferner den Nachweis führen zu können, daß zu jedem der 9 Somite, mit
Ausnahme des ersten, auch ein ventraler Mesodermabschnitt, also ein Visceralbogen,
gehöre oder doch einmal gehört habe, daß weiter jedem solchen (aus Somit und
Visceralbogen bestehenden) Kopfsegment auch eine dorsale und eine ventrale Nerven-
wurzel zukomme, von denen die ventrale die Muskelprodukte des Somites, die dorsale
aber die aus dem Visceralbogenmesoderm entstehende Muskulatur versorge, kurzum,
er kam zu Ergebnissen, die eine ursprüngliche Metamerie des Wirbelthierkopfes sehr
wahrscheinlich zu machen geeignet waren, eine Metamerie, die überdies wenigstens
im dorsalen Kopfgebiet die Verhältnisse des Rumpfes zu vpiederholen und damit die
GEGENBAUR'sche Auffassung des Kopfes als eines umgewandelten Rumpfabschnittes
zu stützen schien. Für das Skelett allerdings waren die Befunde weniger von Be-
deutung; VAN Wijhe fand zwar, daß von den einzelnen Somiten auch Skierotome
entstehen, daß aber diese segmentale Anlage des Skelettes sofort wieder unterdrückt
werde (s. auch Selachier). Von größerer dokumentarischer Wichtigkeit für die Ge-
schichte des Wirbeltierschädels waren dagegen die Befunde der Arbeit von
Froriep. Froriep tritt in einen bestimmten Gegensatz zu Gegenbaur's An-
schauungen. Wie dieser, so erkennt auch Froriep im Schädel zwei Teile, einen
einstmals segmentierten und einen von jeher unsegmentierten an, doch verlegt er die
Grenze beider Teile in die Höhe der Austrittssteile des N. vagus: der einstmals ge-
gliederte Teil ist somit sehr kurz und umfaßt nur die Hinterhauptsregion. Von dieser
wies Froriep zunächst für Säuger, später auch für Vögel, nach, daß sie sich em-
bryonal als vorderster Teil der Wirbelsäule verhält und dementsprechende Er-
scheinungen in der Anlage von Urwirbeln, Wirbelbogen und Nerven zeigt, während
38*
596 E. Gaupp,
von dem Vagus an nach vorne nichts nachweisbar ist, was der Gliederung im spinalen
Bereich vergleichbar wäre. So erweist sich die Occipitalregion des Schädels als
durch eine kaudalwärts fortschreitende Umbildung des kranialen Endes der Wirbel-
säule entstanden und ist als spinaler Abschnitt dem übrigen cerebralen oder
präspinalen Schädelgebiet gegenüberzustellen. Ein sehr wichtiges Glied in
dieser Kette von Betrachtungen bildet der N- hypoglossus. Indem es Froriep
glückte, bei Schafembryonen Ganglien nachzuweisen, die zu dem vorher als rein
motorisch angesehenen Hypoglossus gehörten, ergab sich die Auffassung dieses Nerven
als eines Komplexes früherer richtiger Spinalnerven, und zugleich seine Selbständig-
keit gegenüber dem Vagus, mit dem er früher als zusammengehörig betrachtet
worden war. Er offenbarte sich so als entstanden aus den Spinalnerven, die zu dem
dem Schädel assimilierten Wirbelsäulengebiet gehörten. Endlich erkannte auch bereits
Froriep, daß wahrscheinlich an der Grenze des spinalen und des präspinalen
Schädelgebietes Reduktionen stattgefunden haben und einige Segmente gänzlich unter-
drückt sind.
Mit der Arbeit van Wijhe's ist aus dem enger gefaßten Schädelproblem das
viel weitere, umfassendere Kopfproblem geworden, auf das zwar Gegenbaur
schon 1872 hingewiesen hatte, das aber doch erst von nun als selbständige Aufgabe
behandelt wird. Die Kopfsoraite, die Visceralbogen, das Verhältnis beider zu einander
(der Mesomerie zur Branchiomerie), die Glieder des centralen und des peripheren
Nervensystems, kurz, die Frage nach der Metamerie des Gesamtkopfes stehen dabei
im Vordergrund der Betrachtung, während der Schädel dagegen zurücktritt. Die
Ansichten bezüglich der genannten Dinge gehen noch in fundamentalsten Punkten
auseinander. Ob alle von van Wijhe beschriebenen Mesodermsegmente des Kopfes
wirklich den Wert von Somiten besitzen, oder ob diese Bedeutung nur den hinter
der Ohrblase gelegenen (den metotischen) zukommt, den prootischen aber abgeht
(Rabl 1892 ; etwas modifiziert auch Froriep 1902), ist noch strittig, und damit ist
auch unbestimmt, ob man dem ganzen Kopf oder nur seinem hinteren Abschnitte
eine einstmalige Segmentierung zuschreiben soll. Hinsichtlich der Zahl der Kopf-
Mesodermsegmente (der prootischen wie der metotischen) gehen die Angaben für die
einzelnen untersuchten Tierformen auseinander; nach Dohrn (1901) wäre es in
dieser Hinsicht überhaupt nur möglich, ein allgemeines Minimum festzustellen, nicht
aber ein Maximum, da mit Somitverschmelzung gerechnet werden muß, durch die
sich, nach Dohrn's Auffassung, die größere Somitezahl der Rochen (Dohrn,
Killian, Sewertzoff) gegenüber der der Haie erklärt. Eine andere Auffassung
erklärt die Verschiedenheit in der Zahl der Kopf-Mesodermsegmente aus einer in
verschiedenem Umfange erfolgenden Reduktion von solchen und Einverleibung von
Rumpf somiten ins Kopf gebiet. Damit ist denn die weiterere Streitfrage berührt,
ob die Hinterkopfsomite, denen die Somitnatur von allen Seiten zuerkannt wird,
wirklich ursprünglich dem Kopfe angehörten, oder ob sie als ursprüngliche Rumpf -
somite sich sekundär dem Kopfe anfügten, als cänogenetische Bestandteile desselben
zu den palingenetischen hinzukamen, indem sie in Gebiete einrückten, die einstmals
auch von palingenetischen Somiten eingenommen, aber durch Reduktion der letzteren
frei wurden (Gegenbaur 1887). Ferner steht zur Diskussion das Verhältnis der in
den Visceralbogen sich aussprechenden Gliederung zu der Somitgliederung im dor-
salen Kopfgebiet (der Branchiomerie zur Mesomerie, Ahlborn): sind beiderlei Seg-
mente unabhängig voneinander oder entsprachen sie sich einmal, und wenn ja,
welche Verschiebungen haben stattgefunden, um den jetzigen Zustand herbeizuführen,
wo eine Inkongruenz zwischen den Visceralbogen vom dritten an und den dorsalen
Mesodermsegmenten schon in frühen Stadien der Cephalogenese der Selachier be-
steht? Endlich ist in Zusammenhang mit den erwähnten Problemen auch die Frage
behandelt worden, welchem Abschnitt des Amphioxuskörpers der Kopf der Cranioten
entspricht.
Die Erörterung dieser Punkte, so sehr von ihrer endlichen Entscheidung die
Frage nach dem Urzustand des Schädels beeinflußt wird, hat an anderer Stelle zu
erfolgen, da nicht das Skelett, sondern andere Organsysteme, die Mesodermgliederung,
die Entwickelung des centralen und peripheren Nervensystems u. a., das Objekt der
Diskussion dabei bilden müssen. Denn es handelt sich dabei, um mit Dohrn zu
reden, um die „Aufdeckung der urgeschichtlichen Prozesse des Wirbeltierkopfes",
die viel weiter zurückliegen als die Schädelbildung, und die im übrigen selbst noch
zu wenig klar sind, als daß sie es rechtfertigten, einen Urzustand des Kopfskelettes
anzunehmen, der von dem aus der Ontogenese der Cranioten direkt ablesbaren
wesentlich verschieden wäre. Im nachfolgenden sind daher nur die Arbeiten luid
Vorstellungen weiter verfolgt, die sich unmittelbarer mit der Schädclbildung be-
schäftigen. Für sie haben sich Froriep's Untersuchungen als ganz besonders frucht-
bar erwiesen. Denn in der That ist seit Erscheinen derselben die Anschauung immer
weiter vorgedrungen, daß die Occipitalregion der Gnathostomen ein Teil des Craniums
Die Entvvickelung des Kopfskelettes. 597
ist, der den davor gelegenen Abschnitten gegenübergestellt werden muß. An Ver-
tretern aller Klassen der Gnathostomen ist gezeigt worden, daß er in seiner Anlage
eine weitgehende Aehnlichkeit mit der Wirbelsäule erkennen läßt. In der Occipital-
region bilden sich zweifellose Myotome aus, zu denen spinalartige Nerven treten,
und wenn auch bei der Anlage des Skelettes selbst (d. h. des occipitalen Teiles des
Parachordale) diskrete Wirbel nicht mehr gebildet werden, so sind doch Andeutungen
einer Segmentierung auch hier erkennbar. Sie äußern sich teils darin, daß die
zwischen den Nerven zur Verknorpelung kommenden Partieen Aehnlichkeit mit
Wirbelbogen zeigen, teils darin, daß wenigstens die Myocommata zwischen den ein-
zelnen occipitalen Myotonien an der parachordalen Skelettmasse ansetzen, in ähn-
licher Weise, wie das im Rumpfgebiet an den Wirbelbogen der Fall ist. Auf dieses
Moment hat Sewertzoff aufmerksam gemacht. Demgegenüber ist an dem otische n
Abschnitt des Parachordale, abgesehen von den auch noch nicht ganz unbestrittenen
Soraiten, nichts nachweisbar gewesen, was auf eine frühere Gliederung schließen
ließe. Ein Argument der vergleichenden Anatomie kommt hinzu: bei den Cyclo-
stomen schließt das Cranium mit der Ohrkapsel, hinter der der Vagus austritt, ab,
und dahinter folgen bereits freie Wirbelbogen. Der Schluß ist nicht von der Hand
zu weisen, daß sich aus den vordersten derselben (aber nicht aus schon fertigen
Wirbeln mit Körpern) die Occipitalregion der Gnathostomen gebildet hat (Hatschek
1892). Bei den Myxinoiden fehlen die Rumpfwirbelbogen überhaupt gänzlich, was
erst recht auf eine Sonderstellung des primitiven (mit der Ohrkapsel abschließenden)
Craniums gegenüber dem Rumpfskelett deutet (van Wuhe 1889).
Die größte Schwierigkeit, die sich bei der Verwertung der ontogenetischen, die
Kopfmetamerie betreffenden, Befunde herausgestellt hat, liegt in der großen Ver-
schiedenheit der Einzelthatsacheu. Auch wenn nur die metotischen Segmente be-
rücksichtigt werden, ergeben sich weitgehende Verschiedenheiten in der Zahl der
letzteren, die dem Kopfgebiet zugezählt werden müssen. Damit hat der von Stöhr
zuerst ausgesprochene und dann von Sagemehl verfolgte Gedanke, daß die kaudale
Ausdehnung der einzelnen Wirbeltierkran ien eine ungleiche sei, seine Bestätigung
und Nahrung gefunden. Der direkten Vergleichung der Emzelbefunde steht dabei
■eine Erwägung entgegen, die schon von Froriep angestellt worden ist: daß nämlich
möglicherweise auf der Grenze des cerebralen und des spinalen Schädelanteiles
Segmente zu Grunde gegangen sein können, so daß die bei den Einzelformen be-
obachtete Segmentzahl kein einwandfreies Vergleichsobjekt abgiebt. (Dohrn, der
der Annahme von zwei Abschnitten des Kopfes ablehnend gegenübersteht, erklärt,
wie schon erwähnt, die Reduktion der Somitezahl durch Verschmelzungsprozesse.)
Ob und in welchem Umfange ein solcher Reduktionsprozeß anzunehmen ist, wird
sicherlich durch systematisch- vergleichende embryologische Erhebungen, bei denen
nicht weit entfernt, sondern möglichst nahe stehende Formen verglichen werden, er-
mittelt werden können. Was in dieser Hinsicht an vergleichend-embryologischem
Material bis zum Jahre 1897 vorlag, hat Fürbringer in seiner großen und vor-
trefflichen Monographie über die spino-occipitalen Nerven der Selachier und Holo-
cephalen zusammengestellt und mit den Ergebnissen ausgedehnter Untersuchungen
an ausgebildeten Formen verarbeitet. Für die Lehre von der Zusammensetzung der
Occipitalregion der Gnathostomen bezeichnet Fürbringer's Werk einen Fortschritt,
dessen hohe Bedeutung auch von denen anerkannt wird, die im einzelnen nicht mit
ihm übereinstimmen. So gebietet sich ein Eingehen auf FtJRBRiNGER's Darstellung,
soweit sie den Schädel betrifft, und das um so mehr, als gewisse von F. eingeführte
Bezeichnungsweisen in neueren Arbeiten vielfach angenommen worden sind und auch
im speciellen Teil dieses Kapitels gebraucht werden sollen.
In Fürbringer's Auffassung des Schädels kommt der von Froriep zuerst
aufgestellte Gedanke, daß in der Höhe des Vagusaustrittes zwei Gebiete aneinander
stoßen, die verschieden zu beurteilen sind, zusammen mit Stöhr's Auffassung von
der Ungleichwertigkeit der verschiedenen Wirbeltierkranien vereint zur Geltung.
Den vor dem Vagusaustritt gelegenen Abschnitt des Craniums nennt Fürbringer
Palaeocranium, das dahinter folgende Gebiet (die Occipitalregion) ist das Neo-
cranium. Das Palaeocranium (Autocranium) ist das ursprüngliche Cranium, das
mit dem Vagus abschloß; es repräsentiert jetzt noch bei den Cyclostomen das ganze
Cranium. Ihm haben sich bei den Gnathostomen mehrere spinale Skelettelemente
angeschlossen, die früher frei waren (Wirbelbogen): der aus ihrer Verschmelzung
hervorgegangene Schädelabschnitt repräsentiert das Neocranium (Spondylo-
cranium) oder die Occipitalregion der Gnathostomen. Dabei ist aber anzunehmen,
daß der Prozeß der Assimilation spinaler Skelettelemente an das paläokraniale Ge-
biet nicht nur einmal, sondern in mehreren Etappen erfolgte. Bei der erstmaligen
Assimilation wurde ein Zustand des Neocraniums erreicht, den Fürbringer als
protometamer bezeichnet: er ist fixiert bei Selachieru und Amphibien; die An-
598
E. Gaupp,
gliederung noch weiterer Elemente schafft dann den auximetanaeren Zustand des
Neocraniums, wie ihn die höheren Fische und die Amnioten zeigen. Von dem ur-
sprünglichen Zustand aus ist also die kranio-vertebrale Grenze mehrfach kaudalwärts
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g. HHHHQ0QHE10HHSS ger's, betreffend die Ausdehnung
S§ des proto- und auximetameren
Neocraniums. Die Art der Dar-
stellung ist die von Sewertzoff
(1895) zuerst verwendete. Die
Säule der Rechtecke stellt die
Somite dar, die Säule der großen
Kreise die Wirbelbogen. Die
horizontalen Striche sind die
ventralen Nerven wurzeln, durch
punktierte Linien sind diejenigen
bezeichnet, die embryonal wieder verschwinden.
Die kleinen Kreise sind die Ganglien der dor-
salen Nervenwurzeln: schwarz sind die er-
halten bleibenden, weiß die wieder verschwin-
denden dargestellt. Die dem Cranium assi-
milierten Wirbelbogen sind durch eine einfache
Linie zusammengefaßt ; die durchgehende Hori-
zontale markiert die Ausdehnung des proto-
metameren Neocraniums der Selachier und
Amphibien. Bezeichnung der spino-occipitalen
Somite (und Nerven) nach Fürbringer: t, «,
'V, «', ■'•, y, s = occipitale Somite und Nerven;
a, b, c u. s. w. = occipito-spinale Somite und
Nerven ; 1, 2, 3 u. s. w. = freie Spinalnerven
resp. die zugehörigen Somite.
a) Selachier. Die im Schema zur Dar-
stellung gebrachte Siebenzahl occipitaler So-
mite ist von Braus für Spinaciden und Scyl-
liiden nachgewiesen und findet sich wahrschein-
lich bei allen Selachiern. Die 5 Skelettseg-
mente beschreibt Sewertzoff. — Protometa-
meres Neocranium.
b) A eilten s er. Zu Grunde gelegt sind
die Befunde von Seavertzoff in der Deutung
von Fürbrikger. Bis zu dem zwischen So-
mit z und a gelegenen Skelettsegment reicht
die Occipitalregion in ihrer primären Aus-
dehnung, die folgenden 5 — 6 Skelettsegmente
schließen sich sekundär an. Im primären
Occipitalgebiet ist ein hinterer Teil, der aus
8 deutlichen M'^irbelbogen besteht, unterscheid-
bar von einem vorderen , in dem die Zu-
sammensetzung aus 3 Wirbelbogen nur in dem
Verhalten zu den Myocommata und Nerven
angedeutet ist.
c) Amia. Zu Grunde gelegt sind die
thatsächlichen Befunde von Schreiner, in
der Auffassung von FüRBRINGER. Das Cra-
nium reicht au der Basis (parachordal) weiter
kaudalwärts als in den lateralen Teilen ; es bestehen 2 freie Occipitalbogen (zwischen
den Somiten 2, S, 4).
d) Amphibien. Zu Grunde gelegt sind die Verhältnisse bei den Urodelen.
Das Vorhandensein von 3 spino-occipitalen Somiten ist für Necturus nachgewiesen.
Der Nerv z wurde bisher bei Cryptobranchus, Menopoma, Salamandra und Triton
festgestellt. Das Amphibiencranium hat die gleiche Ausdehnung wie das Selachier-
cranium (Occipitalregion protometamer).
e) Reptilien. Zu Grunde gelegt sind die Befunde bei Lacerta von C. K.
Hoffmann, Van Bemmelen, Chiarugi und die bei Ascalabotes fascicularis von
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Die Entwickelung des Kopfskelettes, 599
Sewertzoff. 5 spino-occipitale Somite beschreibt C. K. Hoffmann, die 4 spino-
occipitalen Wirbelbogen Sewertzoff. Das Eeptiliencranium ist um 3 Skelettseg-
mente ausgedehnter als das Amphibiencranium ; Occipitalregion auximetamer mit '6
sekundär assimilierten Wirbelbogen.
fj Vögel. Zu Grunde gelegt sind die Befunde bei Gallus von Froriep.
g) Säuger. Zu Grunde gelegt sind die Befunde von Frorjep bei Wieder-
käuern. Die Ausdehnung des Säugercraniums ist die des Reptilien- und Vogel-
craniums. Die ventralen Wurzehi a, b, c = Hypoglossuswurzeln.
verlegt worden. Als wichtiges Kriterium bei der Analyse der verschiedenen Zu-
stände, die sich bei den einzelnen Wirbeltieren finden, verwertet Fürbringer die
Nerven. Den im Gebiete des Palaeocraniums austretenden paläokranialen Nerven,
deren Reihe hinten mit dem Vagus abschließt, stehen die neokranialen Nerven gegen-
über, die früher freie typische Spinalnerven waren und mit den neokranialen Skelett-
teilen dem Cranium einverleibt wurden. Da sie somit nach erfolgter Assimilation
eine Art Zwischenstellung zwischen den paläokranialen und den freien Spinalnerven
bilden, bezeichnet Fürbringer sie als spino-occipitale Nerven. Naturgemäß
müssen, wie bei den Skelettteilen, auch bei den spino-occipitalen Nerven zwei Kate-
gorieen oder Generationen unterschieden werden: solche, die bei dem erstmaligen
Assimilationsprozeß zum Schädel hinzukamen und somit das protometamere Neo-
cranium charakterisieren: occipitale Nerven, und solche, die eine zweite Genera-
tion bilden, d. h. zu den occipitalen Nerven noch hinzukamen, als der Zustand des
auximetameren Neocraniums sich ausbildete: occipito-spinale Nerven. Die
Verschiedenheit in der Zahl der spino-occipitalen Nerven erklärt sich einerseits daraus,
daß bei verschiedenen Formen die Occipito-vertebralverbindung an verschiedener
Stelle hegt, andererseits durch die Annahme, daß an der Grenze des Palaeo- und
Neocraniums ein Zugrundegehen ganzer Metameren (nebst den dazu gehörigen Nerven)
stattfindet, ein Vorgang, der durch die embryologischen Befunde als thatsächlich
vorkommend genugsam beglaüibigt ist. Dadurch ergiebt sich eine große Schwierig-
keit, im Einzelfalle die Natur der vorhandenen spino-occipitalen Nerven zu erkennen.
Beobachtungen der Entwickelungsgeschichte und der ausgebildeten Zustände müssen
hier zur Gewinnung eines Urteils verwertet werden. Eine weitere Schwierigkeit liegt
dabei in der Wahl einer Bezeichnungsmethode, die es ermöglicht, die als identisch
erkannten Nerven kurz auch als solche zu bezeichnen. Fürbringer wählt dazu
die Buchstaben des Alphabetes, in der Weise, daß er die bei den Selachiern bereits
assimilierten occipitalen Nerven mit den Endbuchstaben, die bei den höheren
Fischen und den Amnioten neu hinzukommenden occipito-spinalen Nerven mit den
Anfangsbuchstaben des lateinischen Alphabetes bezeichnet. Es wird also der
letzte occipitale Nerv der Selachier als z bezeichnet, der erste occipito-spinale Nerv
als a. Durch diese Bezeichnungsweise ist die Möglichkeit gegeben, zwei Eventuali-
täten zum Ausdruck zu bringen : die Reduktion vorderer und die Neuangliederung
hinterer Nerven, also die Veränderlichkeit der vorderen und der hinteren Grenze.
Hierin liegt denn auch ein sehr wesentlicher Nutzen der Bezeichnungsart, der ihre
Anwendung behufs rascher Verständigung empfiehlt, wie sie denn auch z. B. von
DoHRN (1901), der im übrigen vielfach nicht mit Fürbringer's Betrachtungsweise
übereinstimmt, gebraucht wird. Auch im nachfolgenden ist sie angewendet.
Wie sich im speciellen die Kranien der verschiedenen Wirbeltierformen ver-
halten, mag hier nur kurz angedeutet werden. Das Cranium der Petromyzonten und
Myxinoiden repräsentiert ein Palaeocranium, das hinten mit der Labyrinthregion und
dem Vagusaustritt abschließt, im übrigen aber bei beiden Formen Verschieden-
heiten aufweist, so daß es zweifelhaft ist, wie weit in ihm die wirkliche Urform des
Palaeocraniums gesehen werden kann. Die Selachier und die Amphibien sind unter
den Gnathostomen die Formen mit protometamerem Neocranium, die kaudale Aus-
dehnung der Kranien beider Gruppen kann als gleich angenommen werden. Gegen-
über den Selachiern sind die Amphibien durch völhgen oder fast völligen Verlust
der occipitalen Nerven ausgezeichnet. Holocephalen, Ganoiden, Dipnoer, Teleostier,
Amnioten besitzen eine Occipitalregion von auximetamerem Typus; die hintere
Schädelgrenze liegt jedoch nicht bei allen an gleicher Stelle. Im einzelnen ist dies
noch im speciellen Teil zu erörtern, doch mag schon hier erwähnt sein, daß die Aus-
dehnung aller Amniotenkranien die gleiche ist, daß die kranio-vertebrale Grenze bei
ihnen um drei Wirbel weiter hinten liegt als die der Amphibien, und daß die neu
hinzugekommenen occipito-spinalen Nerven den Hypoglossus repräsentieren. Wahr-
scheinlich stimmen die Verhältnisse bei den Teleostiern mit denen bei den Amnioten
überein. Es spricht überhaupt manches dafür, daß die Absteckung der kranio-
vertebralen Grenze auch für die höheren Formen schon sehr frühzeitig, vielleicht
schon innerhalb der Fische, stattgefunden hat, und daß mit der Ausbildung höher
600 E. Gaupp,
differenzierter Occipito - vertebralverbindungen (Gelenke) der Prozeß des kaiidalen
Vorrückens zum (Stillstand kommt, wie das Gegenbaur schon 1887 geäußert hat.
So würde also auch das Verhalten bei den Amnioten nicht direkt an einen Zustand
anzuschließen sein, wie ihn die recenten Amphibien mit ihren wohlausgebildeten
Occipito-vertebralgelenken darbieten. Auf einige weitere Konsequenzen der FÜR-
BRlNGER'schen Anschauung habe ich 1898 aufmerksam gemacht.
Was das Palaeo c ran ium , d. h. den vor dem Vagusaustritt gelegenen Ab-
schnitt des Chondrocraniums anlangt, so geht Fitrbringer's Anschauung (wie die
von Froriep, van Wijhe u. A.) dahin, daß dasselbe sich als Continuum entwickelte
beim Uebergang des akranen Zustandes in den kranioten. Dieser Uebergang erfolgte
unter Ausbildung der höheren Sinnesorgane und des Gehirns an dem vordersten
Teil des Körpers, der früher die gleiche metamere Gliederung aufwies wie der übrige
Teil, an dem aber bei seiner Umgestaltung zum Kopfe eine Reduktion der in seinem
Bereiche befindlichen Kopfsomite erfolgte. Nur die in den Dienst des Sehorgans
tretenden Bestandteile derselben bleiben erhalten (dies bezieht sich auf die Angabe,
daß aus den 3 ersten Kopfsomiten der Selachier die Augenmuskeln hervorgehen).
Somit würde also zwar der Kopf aus einem einst gegliederten Körperabschnitt ent-
standen sein, das Palaeocranium aber einen Zustand metamerer Gliederung nicht
durchgemacht haben; man könnte es also als aspondyl bezeichnen (Gaupp 1897).
Hinsichtlich der Vi sceral bogen meint FÜRBRINGER, daß einmal Eumeta-
merie zwischen Kopfmyomeren und Kopfbranchiomeren bestanden, aus dieser sich
aber eine bei den verschiedenen Vertretern der Cranioten ungleich entwickelte Dys-
metamerie ausgebildet habe. Die ersten ursprünglich ebenfalls branchialen Visceral-
bogen haben sich sekundär in besonderer Weise umgebildet. Ob die knorpeligen
Visceralbogen als Fortsatzbildungen am Neurocranium oder selbständig entstanden,
bleibt unerörtert und, ebenso wie die Frage nach der Herkunft der präkranialen
Skelettteile, einstweilen unentschieden.
In den Jahren seit dem Erscheinen des FÜRBRiNGER'schen Werkes ist eine
Anzahl neuer, namentlich die occipitalen Somite und ihre Nerven betreffenden That-
sachen bekannt geworden, die hier und da im einzelnen die FÜRBRiNGER'schen An-
schauungen modifizieren. Auch ablehnende Aeußerungen gegen die letzteren sind
laut geworden. So hält Sewertzoff den Gegensatz zwischen dem chordalen und
prächordalen Schädelabschnitt für durchgreifender als den zwischen dem Palaeo-
und dem Neocranium und schreibt dem ganzen chordalen Abschnitte eine einst-
malige metamere Segmentierung zu. Zugleich vindiziert er den ontogenetischen
Einzelbefunden eine höhere Bedeutung uud sieht von der Möglichkeit, daß die im
Einzelfall zur Anlage kommenden Somite nicht mehr die ursprüngliche Vollzahl
darstellen, ab. Es ist klar, daß dadurch seine vergleichende Bestimmung der hinteren
Schädelgrenze vielfach anders ausfällt als bei Fürbringer. Vor ganz kurzer Zeit
endlich hat Froriep seine frühere Auffassung, daß in der Querebene des Vagus-
austrittes die Grenze zweier Schädelabschnitte gelegen sei, eines vorderen präspinalen
(ungegliederten) und eines hinteren spinalen (gegliederten), auf Grund neuer Unter-
suchungen bei Torpedo dahin geändert, daß diese Grenze weiter vorn, am vorderen
Ende des zur vollen Entwickelung kommenden Chordaabschnittes, zu suchen sei.
Denn bis hierher vermochte F. in frühem Embryonalstadiuin Urwirbel nachzuweisen,
während davor, entsprechend dem vordersten weichen und hinfälligen Chordateil, nur
noch ein ungegliederter Mesoblastabschnitt folgt. Alle Kopfurwirbel (13 bei Torpedo)
sind metotisch, da die Anlage der Ohrblase auf jüngstem Stadium über den vor-
dersten Urwirbeln liegt. Später verschiebt sie sich kaudalwärts, aber in demselben
Maße erfolgt eine Reduktion der Urwirbel von vorn her, eine Auflösung in Mes-
enchym, aus dem das Parachordale hervorgeht. Der präspinale Mesoblast ist unge-
gliedert und anfangs von geringer Ausdehnung (die 3 ersten van WuHE'schen
Somite sind nicht mit Urwirbeln auf eine Stufe zu stellen) ; später vergrößert er sich
sehr beträchtlich und bddet auch die Matrix für sämtliche Visceralbogen, indem er
unterhalb der Urwirbel kaudalwärts vorwächst. So kommt also jetzt auch Froriep
dazu, die Basis des ganzen chordalen Schädelabschnittes als einen Teil anzusprechen,
in dessen Bereich einmal Urwirbel lagen, der also möglicherweise selbst einmal ge-
gliedert (spinal) war (was auch Gegenbaur 1887 aussprach); ihm würde das Gebiet
der Orbito-temporal- und Ethmoidalregion, aber auch der ganze Visceralapparat als
präspinal gegenüberstehen.
Bei der Divergenz der Angaben und Anschauungen, von denen ja hier nur ein
kleiner Teil berührt wurde, kann von einem abschließenden Urteil hinsichtlich des Kopf-
problems noch keine Rede sein. Hinsichtlich des Schädels, der eine viel spätere Bildung
darstellt als der Kopf, stehen die Dinge wohl etwas günstiger, und die FÜrbringer-
sche oben ausführlich auseinandergesetzte Betrachtungsweise scheint mir die zu sein,
die zur Zeit den beobachteten Thatsachen am meisten gerecht wird. Sie stellt das
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 601
neurale Cranium in der Ausdehnung, wie es die Cyclostomen besitzen, in einen
Gegensatz zu den Teilen des Rumpfskelettes und läßt es sich sekundär aus den vor-
dersten Teilen des letzteren vergrößern. Indem sie, von den Thatsachen der Gna-
thostomenontogenese ausgehend, einen Zustand des Craniums postuliert, dem der bei
den Cyclostomen thatsächlich entspricht, zeigt sie die Verhältnisse bei den letzteren
als nicht so abseits stehend, daß man mit ihnen gar nicht zu rechnen brauchte.
Vielmehr wird die Frage berechtigt, ob nicht das, was die Cyclostomen zeigen, viel-
leicht noch in irgend einer anderen Hinsicht zur Klärung der theoretischen Vor-
stellungen in der hier behandelten Frage geeignet ist. Der Gedanke, der sich da
aufdrängt, ist schon von Goette (1875) und van Wijhe (1889) ausgesprochen
worden ; es ist die Erwägung ob nicht überhaupt der Schädel älter ist als das Rumpf-
skelett. Bei Petromyzon ist im Ammocoetesstadium ein knorpeliges Kopfskelett bereits
vorhanden, während Wirbelbogen in der Rumpfregion fehlen; das Orleiche ist der
Fall bei der erwachsenen Myxine. Auch wenn man darin einen sekundären Reduk-
tionszustand sieht, so bleibt zu bedenken, wie häufig die Reduktion ein Zurück-
smkeu auf eine frühere Stufe bedeutet, so daß der reduzierte Zustand einen primitiven
imitiert. Zum mindesten erscheinen beide Teile als gleichwertig einander gegenüber-
stehend, und damit muß es als möglich zugegeben werden, daß das ganze Unter-
nehmen, den Gesamtschädel aus der Wirbelsäule abzuleiten und als Modifikation
derselben zu erkennen, von irrtümlicher Voraussetzung ausging, worauf van Wijhe
schon 1889 aufmerksam machte.
b) Weitere, das Palaeocraniuin betreffende Fragen. Bedeutung seiner
Komponenten.
Es bleibt nun noch die Frage, ob der vor der Occipitalregion gelegene Ab-
schnitt des Primordialcraniums, das Palaeocranium , an dem eine metamere Gliederung
wahrscheinlich nie bestand, genetisch als eine ganz einheitliche Bildung anzusprechen
ist, oder ob etwa hier irgend eine andere Gliederung, eine Zusammensetzung aus
einzelnen Stücken irgend welcher Art, als der ursprüngliche Zustand betrachtet
werden muß. Hierüber ist noch lange nicht die Einigung erzielt, die bezüglich der
Occipitalregion, wenigstens von den meisten Seiten, anerkannt wird. Die Entwicke-
lung des Palaeocraniums zeigt Vorgänge, die die Vorstellung, daß dieser Teil ur-
sprüngbch aus einzelnen selbständigen Stücken bestand, die erst sekundär mitein-
ander verschmolzen, in Konkurrenz treten lassen mit der anderen, daß er von vorn-
herein eine in sich zusammenhängende Knorpelkapsel bildete. Es ist also hier auch
die Frage nach der Bedeutung der ontogenetisch selbständig auftretenden Kom-
ponenten des Knorpelschädels zu erörtern.
Daß bei der Bildung des Neurocraniums einzelne Partieen mit größerer Selb-
ständigkeit auftreten, daß also ontogenetisch eine, bei den verschiedenen Wirbeltieren
verschieden deutlich ausgeprägte Diskontinuität des Knorpelschädels zu konstatieren
ist, ist zweifellos. Die theoretische Spekulation hat jene Teile auch als phylogenetisch
selbständige Stücke (Elementarkomponenten, Sewertzoff) angesprochen und vor
allem zweierlei Skelettelemente am Knorpelschädel auseinandergehalten: axiale Teile
und Sinneskapseln. Diese Vorstellung ist schon alt; für die Ohrkapsel hat schon
Rathke (1839) eine Sonderstellung postuliert (für das Os petrosiim geschah das
Gleiche sogar schon durch Oken), und mehrfach hat auch Huxley über jene Auf-
fassung gehandelt (1858, 1864, 1874). Huxley weist auf die Sklerotikalknorpel hin, die
selbständige Sinneskapsebi repräsentieren, und stellt diesen die bei der Entstehung
selbständigen Ohrkapseln an die Seite. Bezüglich der Nasenkapseln ist er allerdings
sehr vorsichtig und hält es für besser, weitere Beweise für ihre einstige Selbständig-
keit abzuwarten. So bleiben ihm von den Komponenten des Knorpelschädels nur
die Ohrkapseln als ,, paraneurale" Elemente übrig. Bestimmter hinsichtlich der Sinnes-
kapseln ist Goette (1875); die Befunde bei Bombinator, wo die Nasenkapseln in
der That eine deutliche Selbständigkeit der Entstehung zeigen, bestimmen ihn, Nasen-
und Ohrkapseln mit den Sklerotikalknorpeln anf eine Stufe und damit als specifische
Elemente den axialen Schädelteilen gegenüberzustellen. Eine kritische Nachprüfung
und Erörterung erfuhr die Nasenkapsel bildung bei den Anuren durch Born (1877).
Born kam dabei zu dem Schluß, daß diese Selbständigkeit nur die Folge der langen
Larvenperiode bei den Anuren mit den vielen provisorischen Bildungen, namentlich
dem larvalen Kieferapparat, ist; schon bei den Urodelen entsteht das Nasenskelett
in engerem Anschluß an die Trabekelhörner. Wie hierdurch die ursprüngliche
Selbständigkeit der Nasenkapseln sehr zweifelhaft wurde, so geschah das Gleiche
mit der Auffassung von der selbständigen Bedeutung der Ohrkapseln durch die Be-
funde von Stöhr. Stöhr konstatierte zwar, daß die Verknorpelung der Ohrkapsel
bei Urodelen und Anuren selbständig am lateralen Bogengang beginnt, und daß
•erst nachträglich eine Vereinigung dieses periotischen Knorpels mit dem parachordal
602 E. Gaupf,
entstandenen erfolgt, kommt aber dazu, das Gewebe, in dem jene periotische Ver-
knorpelung auftritt, als Abschnitt des mesotischen (parachordalen) Gewebes zu be-
trachten. Eigene Untersuchungen führten mich (1893) dazu, schärfer die Thatsache
zu betonen, daß mindestens bei den Amphibien die Ohrkapsel nur zum Teil von dem
äußeren Bogengang aus verknorpelt, ihren medialen und ventralen Abschluß aber
durch Knorpel erhält, der im Anschluß an das Parachordale entsteht, so daß jeden-
falls von der selbständigen Bildung einer völlig geschlossenen Ohrkapsel nicht
die Rede sein kann. Dagegen glaubte ich allerdings die medialwärts offene und der
Ergänzung bedürftige periotische Kapsel in schärferen Gegensatz zu dem parachor-
dalen Knorpel stellen zu müssen, als das von Stöhr geschah. Die Angaben, die
Sewertzoff (1899) von den Verhältnissen bei den Selachiern macht, sprechen wieder
zu Gunsten der Vorstellung, daß die Ohrkapsel nur eine specielle Anpassung der
lateralen Schädelwand darstellt : die Ohrkapsel entsteht nach Sewertzoff bei Acan-
thias zuerst als tellerförmige laterale Verbreiterung des Parachordale. Hier scheint
also (was allerdings sehr merkwürdig wäre !) nicht einmal die Verkuorpelung eine
selbständige zu sein. Unter diesen Umständen kann auch jetzt über die Bedeutung
der Ohrkapseln als selbständiger Sinneskapseln etwas Bestimmtes noch nicht be-
hauptet werden, wenn auch für diese Selbständigkeit manches spricht. Für die
Nasenkapseln ist die Auffassung, daß sie lediglich besondere Anpassungen des vor-
dersten Schädelabschnittes darstellen, dessen ursprüngliche Bedeutung dann in
anderen Momenten (Wasserbrecher, Stütze des Kieferapparates) zu suchen wäre, die
wahrscheinlichere.
Auch bei der Entstehung des axialen Schädelabschnittes läßt sich das Auf-
treten mehrerer selbständig scheinender Stücke feststellen. Zunächst ist hier der
präoccipitale Teil des Parachordale jeder Seite zu nennen (wo der occipitale Teil des-
selben in Kontinuität mit dem präoccipitalen auftritt, ist das als sekundär abge-
kürzter Entwickelungsmodus aufzufassen). Stellen die präoccipitalen Abschnitte der
Parachordalia selbständige morphologische Elemente dar? Hatschek meint es (1892),
indem er aus dem Verhalten bei Petromyzou folgert, daß sie dorsale Stücke von
Kiemenbogen darstellen. Sewertzoff (1892) widerspricht dem auf Grund entwicke-
lungsgeschichtlicher Thatsachen (siehe Cyclostomen). Ganz unklar ist vorläufig, ob
den beiden Abschnitten des Parachordale, die bei Amphibien und Teleostiern als
mesotischer Knorpel und Balkenplatte beschrieben sind, selbständige Bedeutung zu-
kommt. Im prächordalen Schädelabschnitt sind es vor allem die Trabekel, die als
selbständige Elemente in der Ontogenese auftreten. Ueber ihre morphologische Be-
deutung sind mehrere grundverschiedene Ansichten geäußert worden. Nach der einen
(HuxLEY 1874) stellen sie ein Visceralbogenpaar dar — man hat sie in der Folge
(Parker) direkt als präorale Kiemenbogen bezeichnet. Auch in neuester Zeit findet
diese Vorstellung wieder Anhänger (Hatschek, Kupffer 1893 , J. B. Platt,
HowES and Swinnerton). Eine diametral entgegengesetzte Anschauung vertrat
GoETTE (1875) : danach sind die Trabekel als basalwärts niedergelegte Wirbelbogen
aufzufassen. Gegen beide Vorstellungen hat sich sehr entschieden schon Kölliker
(1879) ausgesprochen, der überhaupt die selbständige Bedeutung der Trabekel be-
streitet unter Hinweis darauf, daß derartige Gebilde bei Säugern und dem Menschen
gar nicht abgrenzbar sind. Ich selbst habe mich mehrfach ebenfalls (zuerst 1893}
dagegen ausgesprochen, den Trabekeln eine besondere morphologische Bedeutung
zuzuerkennen. Indem ich mich auf den Boden der Grundanschauung stelle, die
HuxLEY im Jahre 1858 aufgestellt hat und die schließlich auch die Anschauung
der meisten neueren Forscher ist, daß die knorpelige Schädelkapsel ein Gebilde per
se repräsentiere, hervorgegangen aus einer Verkuorpelung des Bindegewebes in der
Umgebung des Gehirns, betrachte ich die Trabekel nur als die zuerst und immer
verknorpelnden Partieen des Primordialcraniums, deren Konstanz in der Wirbeltier-
reihe sich dadurch erklärt, daß sie die ersten Repräsentanten einer stützenden Basis
im vorderen Schädelabschnitt sind. Neuerdings schreibt Sewertzoff (1899 und
1900) auch dem Seitenwandknorpel der Orbito-temporalregion eine selbständige
morphologische Bedeutung (als „Elementarkomponente" des Craniums) zu, mit Rück-
sicht auf die Thatsache, daß derselbe selbständig, d. h. nicht in unmittelbarer Kon-
tinuität mit der Trabekel, verknorpelt. (Die Thatsache au sich ist durch Goette
für alle Gnathostomen betont, durch Salensky für Acipenser, durch mich selbst
für Rana, durch J. B. Platt für Necturus, durch Sewertzoff für Acanthias fest-
gestellt worden.) Der Umstand, auf den Sewertzoff aufmerksam macht: daß bei
Acanthias jener selbständige Seitenwandknorpel sich in Zusammenhang mit der
Augenmuskulatur entwickelt, könnte als Stütze dafür genommen werden, daß in der
That der Knorpel einmal als selbständiges Gebilde auftrat, doch trage ich einstweilen
Bedenken, mich dieser Anschauung anzuschließen. Bei Cyclostomen entsteht, soweit
bekannt, die orbito-temporale Schädelseitenwand in Kontinuität mit der Trabekel.
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 603
Bei den ungenauen und lückenhaften Kenntnissen, die wir bisher über die
Ontogenese des Primordialcraniums besitzen, erscheint es jedenfalls angebracht, mit
allgemeinen Schlüssen aus Einzelbefunden vorsichtig zu sein. Wenn man beachtet,
wie z. B. in der Occipitalregion, in der das Knorpelbildungsraaterial verschiedenen
Quellen entstammt und wohl auch phylogenetisch früher metamere Skelettelemente
hervorbrachte, doch einheitlich verknorpelt, ohne bei der Verknorpelung die ursprüng-
liche Gliederung zu repetieren, wenn man ferner sieht, wie verschieden sich die
Verknorpelungsprozesse an den Balken und dem präoccipitalen Teil der Basalplatte
abspielen, wenn man endlich findet, daß ein Skeiettstück ganz selbständig verknorpeln
kann, das bei anderen Formen als Fortsatzbildung an einem anderen Element, in
Kontinuität mit diesem letzteren , entsteht (Proc. ascendens palatoquadrati bei
den Sauriern einerseits, bei den Amphibien andererseits), so ist ein Mißtrauen
gegenüber der phylogenetischen Verwertbarkeit eines bestimmten Verknorpelungs-
modus nur zu begründet. Daß das Chondrocranium sich innerhalb des Wirbeltier-
stammes bildete, kann wohl als sicher behauptet werden. Schon in der niedersten
uns bekannten Form (bei den Cyclostomen") stellt sein neuraler Abschnitt eine in
sich zusammenhängende, das Gehirn, Geruchs- und Gehörorgan umgebende, lücken-
hafte Kapsel dar, und ebenso präsentiert es sich bei den anderen Wirbeltieren in
embryonaler Zeit auf der Höhe seiner Ausbildung. Ein Wirbeltier, in dem es in
ausgebildetem Zustande aus einzelnen Stücken bestände, ist nicht bekannt. Die
Möglichkeit, daß einzelne Skelettelemente ursprünglich selbständig auftraten und
erst sekundär zu einem Continuum verschmolzen, und daß auch der chordale und
der prächordale Teil des Palaeocraniuras einmal unabhängig voneinander waren,
muß zugegeben werden, aber auch die Ansicht läßt sich vertreten, daß das Knorpel-
cranium von vornherein als ein Continuum entstand, anfangs vielleicht als ein un-
vollständiges von weiten Oeffnungen durchbrochenes Gerüst (wie auch ontogenetisch
vielfach das Anfangsgerüst sehr lückenhaft ist und erst nachträglich durch Ein-
engung der Lücken geschlossenere Wände erhält), aber doch in sich zusammen-
hängend. Den Ohrkapseln ist' vielleicht noch am ehesten eine selbständige Bedeutung
zuzuschreiben.
Zum Schluß mag aber auch hier darauf hingewiesen sein, daß alle Teile des
Knorpelschädels weitgehende Umbildungen erfahren können, wodurch häufig die ur-
sprünglichen Beziehungen geändert werden. Das ist beim Gebrauch der von formalen
und funktionellen Beziehungen abgeleiteten Bezeichnungen, Basalplatte, Ohrkapsel,
Nasenkapsel u. s. w. zu beachten: sie bedeuten nicht immer morphologisch gleich-
wertige Teile (siehe z. B. über die Ohrkapsel p. 583).
c) Schicksal des Primordialcraniums in der Crnathostomenreihe.
Positivere Angaben lassen sich machen über den Charakter der Veränderungen,
die das Primordialcranium in der Reihe der Gnathostomen, von den Selachiern an
aufwärts, durchmacht. Eine sehr wichtige Veränderung, die Angliederung neuer
spinaler Skelettelemente an die Occipitalregion des neuralen Craniums, wurde schon
oben in einem speciellen Abschnitt behandelt. Aber auch die anderen Regionen des
neuralen Craniums sowie die Elemente des Visceralskelettes zeigen in ihrer speciellen
Gestaltung und Ausbildung recht beträchtliche Verschiedenheiten. Soweit es mög-
lich ist, dieselben jetzt schon zu überblicken, kommen wesentlich drei Kategorieen
von Erscheinungen zur Beobachtung: Reduktion, progrediente Eu twicke-
lung, Umformung (Gaupp 1901).
Die Reduktionen zeigen sich vor allem in der Lückenhaftigkeit, die die
Primordialkranien verschiedener Wirbeltiere auch auf dem Zustande höchster Aus-
bildung darbieten. Die verbreitetste Defektbildung des Neurocraniums findet sich
an der Decke des Cavum cranii: nur bei einigen niederen Fischen kommt ein
vollständiges knorpeliges Dach der Schädelhöhle zur Ausbildung, während dasselbe
bei höheren Formen meist nur auf einen schmalen Deckenabschnitt der Labyrinth-
region (Tectum synoticum) beschränkt bleibt oder selbst ganz unterdrückt wird.
Auch die Schädelbasis zeigt häufig Lückenbildungen t^Fenestra basicraniahs
posterior im chordalen, Fen. basicranialis anterior im prächordalen Abschnitt; beide
können zusammenfließen). Die Schädelseitenwand kann besonders in der
Orbito-temporalregion ausgedehnte Lücken darbieten, ja fast völlig verschwinden
(Säuger) ; in der Labyrinthregion kommt die mediale Ohrkapselwand manchmal nicht
zur Ausbildung (Ganoiden und Teleostier), die Wände der Nasenkapseln können aus-
gedehnte Defekte aufweisen. — Da wir über den phylogenetischen Zusammenhang der
Formen, sowie über das ursprüngliche Aussehen des Knorpelschädels nur ungenügend
informiert sind , so läßt sich im einzelnen nicht immer sagen , ob jenen Defekt-
bildungen der Charakter von phylogenetischen Reduktionen zuzuschreiben ist, die
an einem früher vollständigeren Zustand einsetzen, oder ob nicht primitive Ver-
604 E. Gaupp,
Mltnisse vorliegen ; in vielen Fällen handelt es sich aber ganz zweifellos um Re-
duktionen, ja, gelegentlich läßt sich der Vorgang der Keduktion noch bis in die
Ontogenese hinein verfolgen : indem an manchen Stellen die vorknorpelige Anlage
ausgedehnter ist als die später an ihre Stelle tretende Knorpelpartie.
Eine andere Art, wie sich die Reduktion äußern kann, ist z. B. das Auftreten
einer einzigen Oeffnung (für Nerven u. s. w.) statt zweier, was oft auf Unterdrückung
der ursprünglich trennenden Brücke zurückzuführen ist, u. a. Im Gebiete des
visceralen Abschnittes des Chondrocraniums sind Reduktionen ebenfalls in großem
Umfange zu konstatieren; sie betreffen die Ausbildung aller Teile desselben, äußern
sich hier aber nicht in Fensterbildungen, sondern in völligem Fortfall ganzer Stücke
oder Ablösung solcher von dem Mutter boden.
Der Grund für solche Reduktionen kann in verschiedenen Momenten gegeben
sein, und man muß sich auch hier hüten, alles nach einem Schema beurteilen zu
wollen. So können gegen das Knorpelskelett andrängende Weichteile dasselbe in
seiner Ausbildung hemmen und phylogenetische Reduktionen veranlassen (so das
sich vergrößernde Gehirn); auch Momente, die sich einer genaueren Analyse bisher
entziehen, können in Frage kommen (so scheint bei den Anuren, die auf eine Ver-
kürzung des Gesamtkörpers hinzielende Tendenz auch am Schädel wirksam zu sein
und außer der Verkürzung der Occipitalregion auch den Zusammenfluß mancher
Nervenlöcher zur Folge zu haben); bei weitem der häufigste Grund für eine mangel-
hafte Ausbildung des Primordialcraniums, speciell für Lückenbildungen ist aber
wohl das Auftreten der Knochen, die ihrerseits einen viel besseren und festeren
Schädel zu bilden vermögen als das Chondrocranium. Daher finden sich häufig
Fensterbildungen im Chondrocranium unter Deckknochen, aber auch wo die Knochen
nicht direkt dem Knorpelschädel aufliegen , sondern in größerer Entfernung von
diesem auftreten, können sie eine Entwertung des letzteren und damit seine lücken-
hafte Ausbildung zur Folge haben. Der Umstand, daß bei den Selachiern, wo noch
keine Knochen bestehen und bei den Knorpelganoiden, wo dieselben zum erstenmal
mit dem Knorpelschädel in Konkurrenz treten, der letztere am vollständigsten und
kräftigsten ist, redet dieser Auffassung das Wort. Vielfach läßt sich dabei erkennen,
daß Nerven und sonstige Oeffnungen des Chondrocraniums die Stellen sind, von
denen phylogenetisch Fenestrationen mit Vorliebe ausgehen (Sagemehl). Manche
Autoren scheinen zu meinen, daß die Vorgänge der Reduktion sich alle noch in der
Ontogenese einer Einzelform abspielen müßten, daß also beispielshalber eine fene-
strierte, in einzelne Spangen aufgelöste Wand nur dann als Reduktionsbildung ge-
deutet werden dürfe, wenn sie in der Ontogenese erst solide gebildet würde und
dann in ihr durch Materialschwuud die Lücken aufträten. Mit demselben Rechte
könnte man verlangen, daß in der Ontogenese der Schlangen die Extremitäten erst
zur vollen Entwickelung kommen und dann wieder verkümmern sollten, um die Ab-
leitung der Schlangen von Extremitäten besitzenden Formen für bewiesen anzunehmen.
Es kommt gewiß vielfach vor, daß bereits gebildete Knorpelteile in der Ontogenese
wieder zu Grunde gehen, und daß somit auch embryonal Fenestrierungen einer vorher
einheitlichen Wand auftreten ; daraus folgt aber nicht, daß das immer so sein muß.
Es liegen genug Beweise dafür vor, daß die Knorpelbildung auch von vornherein
unterdrückt, und daß auch ein Spangengerüst, das von vornherein als solches auf-
tritt, als Rest einer früher einheitlichen Wand zu betrachten, sein kann. Dabei
können die Spangen selbst von einer bestimmten Stelle aus vorwachsen und so die
als Lücken erhalten bleibenden Partieen geradezu umwachsen.
Neben den Reduktionserscheinungen lassen sich solche progredienter Ent-
wickelung erkennen. Sie betreffen einzelne Teile des Knorpelschädels und sind
selbst bei den Säugern noch zu konstatieren, deren Frimordialcranium somit gar
nicht in allen Teilen etwa das reduzierteste darstellt. Beispiele bieten das Ethmoidal-
skelett, die Ala temporalis, das Tectum synoticum, manche Partieen der Ohrkapsel
der Säuger u. a. Sie zeigen, daß man nicht von einer Entwickelungskurve des ge-
samten Chondrocraniums sprechen kann, sondern daß die einzelnen Abschnitte
ihre besondere Entwickelung unter der Einwirkung besonderer Faktoren durch-
machen. Das hängt zusammen mit der Bedeutung, die das Chondrocranium in der
Embryogenese besitzt. Hierauf, wie auf die wichtige Konsequenz, daß reichlichere
Ausbildung von Knorpel nicht ohne weiteres als Ausdruck tieferer phylogenetischen
Stellung anzusehen ist, wurde bereits S. 5i)3 hingewiesen.
Endlich läßt das Chondocranium zahlreiche Umbildungen einzelner Partieen
bei den verschiedenen Wirbeltierformen erkennen , die auf eine sehr weitgehende
formale Anpassungsfähigkeit des chondroblastischon Älaterials, aus dem jenes sich
aufbaut, schließen lassen. Solche Umformungen sind in allen Regionen des neuralen
Craniums zu konstatieren und können auch dazu führen, daß die ursprünglichen
Beziehungen der Skelettabschnitte verwischt erscheinen.
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 605
Bei Teleostierii wird (nach Sagemehl) ein Teil der Occipitalregion zur Bergung
des Labyrinthes herbeigezogen, bei Aranioten, speciell bei den Säugern, erfährt ein
Teil der Basalplatte eine entsprechende Umgestaltung, zur Bergung des Ductus
cochlearis. In der Orbito-temporalregion bietet die Ausbildung des Septum inter-
orbitale bei Teleostiern und Aninioten (namentlich den Vögeln) ein besonders
drastisches Beis2)iel für die Beeinflussung des Knorpelskelettes durch die umliegenden
Organe (Augen). Das Ethmoidalskelett zeigt solche in sehr großer Mannigfaltigkeit,
bedingt durch die sehr vielgestaltigen Ausbildungen der Geruchsorgane. Endlich
äußert aber, wie selbstverständlich, auch das Gehirn einen sehr wesentlichen Einfluß
auf die Gestaltung des Primordialschädels, bedingt Umformungen neben Reduktionen
und Neubildungen, so daß selbst das Cavum cranii durchaus keine konstante
Größe in der Wirbeltierreihe darstellt (s. Säuger).
Alle die kurz berührten Vorgänge sind Beweise für die formale Abhängigkeit
des Skelettmaterials von den auf dasselbe wirkenden Einflüssen ; sie zeigen , daß
zwischen Material und Form zu unterscheiden und daß ein Verständnis der ver-
schiedenen Bildungen ohne Berücksichtigung der Weichteile und sonstigen auf das
Skelett wirkenden Momente nicht zu erlangen ist.
^ö^
d) Die Geschichte der Gehörkuöchelcheu.
Zu den interessantesten Fragen auf dem Gebiete der Schädelmorphologie ge-
hörtr die nach der Herkunft und Geschichte der Gehörknöchelchen, d. h. der Skelett-
elemente, die als Teile der mittleren Ohrsphäre die Schallzuleitung zu dem inneren
Ohr besorgen. Wir haben es hier mit einem Apparat zu thun, der, funktionell überall
dem gleichen Zwecke dienend, doch morphologisch in sehr verschiedener Weise zu-
sammengesetzt ist. Amphibien , Sauropsiden und Säuger repräsentieren die drei
Gruppen, bei denen er sich findet, und jede derselben läßt einen ganz besonderen
Typus seiner Ausbildung erkennen.
In seiner einfachsten, vor allem bei vielen Urodelen anzutreffenden. Form wird
er repräsentiert durch eine eiofache Knorpelplatte, die die Fenestra vestibuli der
Ohrkapsel verschUeßt, das Operculum. Auf einer höheren, ebenfalls bei Urodelen zu
findenden Ausbildungsstufe erscheint die Platte verbunden mit einem kurzen Stiel,
dessen freies Ende in verschiedener Weise mit dem Palatoquadratum verbunden ist,
meist au dieses anstößt. Der Umstand, daß der Stiel in einigen Fällen über, in anderen
unter dem N. facialis verläuft, läßt den Schluß zu, daß es sich nicht immer um die
morphologisch gleichwertige Bildung handelt. Die Apoden schließen sich den Urodelen
an. Die höchste Ausbildung endlich findet sich bei Anuren: mit dem Operculum
ist durch Bindegewebe ein selbständiges Stäbchen, Plectrura, verbunden, dessen
distales Ende in ein besonderes unter der Haut gelagertes Trommelfell eingelassen ist.
Die Ausbildung einer geräumigen Paukenhöhle steht in engster Verknüpfung mit
jener Einrichtung.
Der geschilderte Apparat der Amphibien, mag er aus einem einfachen Operculum,
einem Operculum mit Stiel oder aus Operculum und Plectrum bestehen, heiße
C 0 1 u m e 1 1 a a u r i s (s. p. 583). Die Entwickelungsgeschichte hat über seine Herkunft
bisher nur ergeben, daß er in engstem Zusammenhang mit der Ohrkapsel entsteht, so
daß die nüchterne, nicht durch andere Erwägungen beeinflußte Beurteilung der onto-
genetischen Vorgänge nur dahin gehen kann, daß die Columella der Amphibien
labyrinthären Ursprungs ist. Höchstens könnte dem äußersten Ende des Stieles bei
Apoden und dem des Plectrums bei Anuren eine gewisse Sonderstellung eingeräumt
werden : es scheint — ist aber nicht völlig bewiesen — daß an seiner Bildung Material
Anteil hat, das vom Palatoquadratum stammt. Worauf aber besonders Wert gelegt
werden muß, ist, daß bisher noch bei keinem Amphibium ein genetischer Zusammen-
hang der Columella mit dem Hyalbogen nachgewiesen wurde. Was die Aneinander-
reihung der einzelnen Amphibieneinrichtungen aneinander anlangt, so ist es sehr
fraglich, ob das einfache Operculum den Ausgangszustand repräsentiert; das Oper-
culum mit an das Quadratum stoßendem Stiel scheint das ursprünglichere zu sein,
und der Gedanke liegt nahe, daß die Columella in dieser Form die Hyomandibula
der Fische repräsentiert, die ebenfalls zwischen der Ohrkapsel und dem Palato-
quadratum liegt. Man könnte sich vorstellen, daß ein wie die Hyomandibula ange-
ordnetes Skelettstück bei einem terrestrischen Wirbeltier Erschütterungen des Bodens,
dem das Tier mit dem Mundhöhlenboden aufliegt, vom Quadratum aus aufnahm und
weiter zur Ohrkapsel leitete und dadurch den Anstoß gab zur Enstehung einer
Fenestrierung der Ohrkapsel an der Anlagerungsstelle (Fenestra vestibuli). Daß das
Plectrum der Anuren einen selbständig gewordenen und mit seinem distalen Ende
verlagerten Stilus darstellt, ist wohl sehr wahrscheinlich.
Gegenüber diesem Amphibientypus steht der Säur opsidentypus des schall-
leitenden Apparates. Im Zustand voller Ausbildung, wie ihn z. B. die meisten Saurier
606 E. Gaupp,
zeigen, wird er durch eine Coluiuella hergestellt, die mit ihrem medialen Ende die
Fenestra vestibuli verschließt, mit dem lateralen in ein Trommelfell eingelassen ist.
Aber diese Columella zeigt eine wichtige Besonderheit: eine Zusammensetzung aus
zwei Teilen, von denen der mediale, ossifizierte den Namen Stapes, der laterale,
stets knorpelig bleibende die Bezeichnung Ext racol um eil a (Gadow) erhalten hat.
Die Art der Verbindung beider Teile schwankt von wahrer Gelenkbildung bis zu
kontinuierlicher Verschmelzung. In der speciellen Ausgestaltung beider Teile zeigen
die einzelnen Sauropsidenformen Verschiedenheiten, aber der geschilderte Grundplan
ist der gleiche, wofern nicht, was in manchen Gruppen beobachtet wird, Reduktions-
erscheinungen vorliegen, Rückbildung der schallleitenden Einrichtungen in Zusammen-
hang mit bestimmten Besonderheiten der Lebensweise.
Wie im Aufbau, so zeigt der geschilderte Apparat auch in der Genese bei allen
Sauropsiden eine wichtige Uebereinstimmung : den embryonalen Zusammenhang der
Columella mit dem Zungenbeinbogen, und der hyale Ursprung der Sauropsiden-
columella ist denn auch von verschiedenster Seite ausgesprochen worden. So geschah
€s schon durch Reichert (1837) für die Columella der Vögel, durch Rathke (1839)
für die Columella der Schlangen. Als dann der labyrinthäre Ursprung der Amphibien-
columella so viel Wahrscheinlichkeit gewann, glaubte C. K. Hoffmann (1889) eine
Vermittelung herstellen zu können, indem er die ontogenetischen Bilder bei Lacerta,
die das Zungen beinbogenblastem frühzeitig durch die Columellaanlage in das Ohr-
kapselblastem übergehend zeigten, dahin deutete, daß der mediale Teil der Sauropsiden-
columella (der Stapes) labyrinthären, der laterale Teil (die Extracolumella) aber
hyalen Ursprunges sei. Ich selbst habe mich anfangs (1892 , 1898) ebenfalls für
diese Anschauung ausgesprochen, dann aber auf Grund erneuter Untersuchung (1899)
■es für wahrscheinUcher erklärt, daß die ganze Columella, wie es Reichert und
Rathke wollten, hyalen Ursprunges sei, und daß nur ihr Bildungsgewebe sehr früh
innig mit dem ührkapselblastem verschmilzt, so als dessen Fortsetzung erscheinend.
Zu der gleichen Auffassung ist neuerdings Versluys (1903) in einer besonderen
ausführlichen Untersuchung gekommen. Für den Vergleich der Columella der Sau-
ropsiden mit der der Amphibien habe ich aber zugleich auf ein anderes Moment
aufmerksam gemacht, das Beachtung verdient: den Verlauf der Chorda tympani.
Bei den Amphibien besitzt das Homologon dieses Facialiszweiges, der N. mandibularis
internus, keine näheren Beziehungen zur Ohrcolumella; bei den Sauriern aber, und
prinzipiell ebenso bei allen Sauropsiden, tritt die Chorda, nachdem sie den Stamm
des Facialis kaudal von der Columella verlassen hat, auf ihrem vorwärts gerichteten
Verlauf über den lateralen Abschnitt der Columella (die sog. Extracolumella) hmweg.
Daraus zog ich den Schluß, daß zu der Columella, die bereits bei den Amphibien
besteht, bei den Sauropsiden (zunächst bei den Sauriern) ein neues dem Zungen-
beinbogen entstammendes Skelettstück (Extracolumella) hinzugekommen sei. Daß das
innere Stück der Sauropsidencolumella aus der Columella der Amphibien hervor-
gegangen ist, scheint mir eine aus der ganzen Anordnung der Teile sich ergebende
Folgerung zu sein. Dem Einwand, daß bei den Amphibien der Zusammenhang der
Columella mit dem Hyalbogen noch nicht nachgewiesen wurde, kann begegnet werden
durch den Hinweis darauf, daß auch bei Schildkröten und Krokodilen dieser Zu-
sammenhang noch nicht festgestellt ist, daß ferner bei den Rochen zwischen dem als
Hyomandibula gedeuteten Skelettteil und dem Hyale ein Zusammenhang ebenfalls
nicht besteht, endlich daß bei den Amphibien infolge der eingeschobenen Larven-
periode der Hyalbogen zunächst seine Lage weiter vorn am Kopfe erhält, als dem
definitiven Zustand entspricht. Es wäre ja denkbar, daß dadurch schon sehr früh-
zeitig die Anlage der Columella von der des übrigen Hyalbogens abgetrennt würde.
Doch sind auch andere Möglichkeiten nicht ausgeschlossen. Jedenfalls hat die Vor-
stellung, daß das innere Stück der Sauropsidencolumella mit der Columella der
Amphibien gar nichts zu thun habe, sondern eine Neuerwerbung sei, so viel Un-
wahrscheinlichkeit, daß man wohl von ihr absehen kann. Wie sich diese Schwierig-
keiten lösen werden, ist vorläufig nicht abzusehen.
Einen dritten, gänzlich anderen Typus des schallleitenden Apparates zeigen
endlich die Säuger. Hier besteht die scballleitende Kette aus drei Knochen, dem
Stapes, Incus und Malleus, von denen genetisch der Stapes dem Hyalbogen, Incus
und Malleus dem Mandibularbogen angehören. In dem Stapes ist meiner Auffassung
nach nicht die ganze Sauropsidencolumella, sondern nur deren innerer Abschnitt
zu sehen, während Incus und Malleus nach der schon von Reichert ausgesprochenen
und seitdem zwar mehrfach bestrittenen, aber noch viel häufiger bestätigten An-
schauung dem Quadratum und dem Articulare der Sauropsiden entsprechen. Der
Proc. anterior (Folii) des Malleus, der als Deckknochen am MECKEL'schen Knorpel
entsteht, ist vielleicht das Angulare der Sauropsiden, das mit dem Articulare ver-
wachsen ist. Nach dieser Vorstellung sind also zwei Skelettstücke, die bis herauf
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 607
zu den Sauropsiden dem Kieferapparate angehören, unter Wechsel ihrer Funktion in
den Dienst des Gehörorganes getreten. Eine Konsequez dieser Anschauung ist, daß
das Kiefergelenk der Säuger dem der niederen Vertebraten nicht homolog ist, sondern
«ine Neubildung darstellt, ein sekundäres Kiefergelenk, das zwischen Dentale und
Squamosum entsteht, im Gegensatz zu dem primären Quadrato-articulargelenk.
Mangelt es bisher auch noch au vergleichendem Material, uui eine genügende Ein-
sicht in die bei diesen merkwürdigem Wechsel der Anordnung und Verwendung
der Teile anzunehmenden Vorgänge zu gewinnen, so kann doch an der Richtigkeit
der genannten Homologieen als solcher kaum ein Zweifel sein.
Etwas leichter als die Ablösung des primären Kiefergelenkes durch das seifundäre
läßt sich die verschiedene Zusammensetzung der schalleitenden Kette, die ja vom
funktionellen Standpunkte aus ebenfalls große Schwierigkeiten für das Verständnis
darbietet, begreiflich machen. Es darf freilich nicht der ausgebildete, durch ein
Trommelfell charakterisierte Zustand bei Sauropsiden zum Ausgang genommen werden:
eine „Einwanderung" des Quadratum und des Articulare in das Sauropsiden-
trommelfell hinein wäre in der That unverständlich. Es ist aber meiner Ansicht
nach auch gar nicht das terminale Ende der ganzen Sauropsidencolumella, an das sich
das Quadratum (als Incus) bei den Säugern anschließt, sondern das distale Ende
des inneren Abschnittes, während der äußere Abschnitt (die Extracolumella) bei
den Säugern in andere Verwendung übergeführt wird. Der Säugerzustand muß an
einen prim iti veren angeschlossen werden, wie deren in der That fixiert sind. Schon
von mehreren Forschern ist die Ansicht geäußert worden, daß die incudo-stapediale
Verbindung der Säuger auf eine ältere Verbindung des Quadratums mit der Ohr-
columella zurückzuführen ist, wie sie z. B. bei Amphibien vielfach vorkommt.
Neuerdings geschah dies besonders durch Gegenbatjr (1898), der auch darauf hin-
weist, daß schon bei Apoden eine Gelenkverbindung zwischen der Columeüa und
dem Quadratum besteht. Die Aehnlichkeit, die in diesem Punkte zwischen Säugern
und Amphibien waltet, ist sogq^ als eins der Momente aufgeführt worden, das für
die Amphibienabstammung der Säuger sprechen soll (Kingsley 1900). Indessen
fehlen Verbindungen zwischen der Columella und dem Quadratum auch bei den
Reptilien nicht, und bei den weitgehenden Uebereinstimmimgen zwischen dem Reptilien-
und Säugerschädel, denen ebenso weitgehende Unterschiede zwischen dem Amphibien-
und Säugerschädel gegenüberstehen, ist es begründeter, als Ausgang für die Ver-
hältnisse bei den Säugern primitive Reptilien anzunehmen, bei denen noch Zustände
herrschen, die den bei Amphibien vorhandenen ähnlich waren, und bei denen noch
kein ausgebildetes Trommelfell bestand. Welche speciellen Formen hier in Betracht
kommen, entzieht sich allerdings bisher der Kenntnis.
Zusammenfassend habe ich mich in einem ausführlichen Aufsatz vor einigen
Jahren dahin ausgesprochen, daß die Trommelfellbildungen, wie wir sie bei Anuren,
Sauropsiden und Säugern finden, nicht unmittelbar anein ander anzuschließen sind,
sondern als Parallelbildungen betrachtet werden müssen, die sich selbständig zur
definitiven Vollendung ausgebildet haben, von einem gemeinsamen indifferenten
Ausgangszustand aus, in dem zwar eine Paukenhöhle bestand, das zwischen ihr und
der Haut gelegene Substanzgebiet aber noch nicht zu einer schwingungsfähigen
Membran verdünnt war. Für diese Auffassung spricht nicht nur das, was die
Ontogenese des Trommelfelles lehrt, sondern auch die Verschiedenheit der Einschlüsse,
die sich bei den verschiedenen Wirbeltieren in ihnen fmden. Zu einer ähnlichen
Vorstellung ist auf Grund anderer Momente neuerdings (1903) auch Drüner gelangt.
Bei dieser Auffassung drängt sich eine naheliegende Frage auf, nämlich die,
wo bei den Säugern die Extracolumella der Sauropsiden zu suchen ist. Auch diese
Frage habe ich 1899 beantwortet, und zwar dahin, daß einer der Abschnitte des
Proc. styloideiis der Säuger, der ja seine Entstehung auch dem Zungenbeinbogen
verdankt, hierfür in Betracht komme. Ich ließ es dabei dahingestellt sein, ob hierfür
wirklich der oberste Abschnitt des Proc. styloideus der Säuger, der als Laterohyale
oder Intercalare eine gewisse Selbständigkeit besitzt, in Betracht komme, und nicht
vielmehr ein weiter distal folgender Teil des REiCHERT'schen Knorpels. Die Berech-
tigung dieses Zweifels wurde bestätigt durch einen Befund , den ich bald darauf
machte (1900): daß der sog. Proc. paroticus der Saurier, der scheinbar einen Teil
der Ohrkapsel darstellt, offenbar einen Teil des Zungenbeinbogens repräsentiert und
einem der Abschnitte des Proc. styloideus der Säuger zu vergleichen sei. Diese Auf-
fassung ist seitdem von Versluys bestätigt worden , der geradezu den Proc. par-
oticus dem Intercalare (Laterohyale) der Säuger homologisiert und ihn dementsprechend
benennt. Mit diesen Feststellungen ist nun allerdings die Frage nach dem Verbleib
der Sauropsiden-Extracolumella bei den Säugern noch nicht erledigt, die Thatsachen
sprechen aber dafür, daß die von mir begründete Auffassung der Sauropsiden-
columella und ihres Verhältnisses zur Amphibieucolumella einerseits sowie zum
Säugerstapes andererseits sich in richtigen Bahnen bewegt.
608 E. Gaupp,
Die hier vorgetragene Anschauung wird in sehr vielen Punkten bestritten. Fast
allgemein ist allerdings die Vorstellung, daß der sehalUeiteude Skelettapparat mono-
phyletischen Ursprungs ist, daß die einzelnen Formen, in denen er auftritt, aneinander
anzuschließen sind, daß somit auch die Fenestra vestibuli durch die ganze Reihe
von den Ami^hibien bis zu den Säugern dieselbe Bildung darstellt (Widerspruch nur
bei DeÜner, s. u.). Aber auch auf dem Boden dieser Anschauung sind viele einander
widersprechende Vorstellungen geäußert worden und zum Teil noch verbreitet. Zu-
nächst ist in der Stapes-Columella-Frage noch manches ungeklärt. Der onto-
genetische Zusammenhang des Operculum und des Plectrum der Amphibien mit der
Ohrkapsel, der schon lange bekannt ist (Huschke 1824, besonders aber Rathke 1832)
ließen in beiden Elementen labyrinthäre, der Ohrkapselwand entstammende Stücke
sehen; von anderer Seite wurde nur für das Operculum die labyrinthäre, für das
Plectrum der Anuren aber eine hyale Herkunft behauiJtet (Paekee, 1871). Selbst
das Operculum in seiner einfachen Form, wie es bei Urodelen auftritt, ist, trotzdem
ontogenetisch eine Entstehung vom Zungenbeinbogen aus noch nicht beobachtet
wurde, doch als eine hyale Bildung angesprochen worden (Wiedeesheim, Witebsky,
J. B. Peatt). Der Gedanke an die Hyomandibula der Fische sowie an die Be-
funde bei Sauropsiden waren hierbei wohl ausschlaggebend. Auf der anderen Seite
haben aber auch wieder die Befunde bei den Amphibien offenbar ihren Einfluß bei
der Erforschung der Sauropsidenzustände geäußert. Reicheet kam zwar zu dem
Schluß, daß die ganze Sauropsidencolumella hyalen Ursjjrungs sei, und diese Vor-
stellung wurde in der Folgezeit und wird auch jetzt noch von den meisten Forschern
geteilt, C K. Hoffmann dagegen (1889) erklärte nur ihren äußeren Abschnitt für
hyal (Hyofttapes), den inneren dagegen für labyrinthär. Ganz das Gleiche zeigt sich
beim Stapes der Säuger: auch dieser wurde von Reicheet für ein Derivat des
Zungenbeinbogens erklärt, alsdann als rein labyrinthär und endlich als halb-laby-
rinthär, halb-hyal aufgefaßt (Geadenigo, V. Nooeden). Zweifellos spielt bei diesen
Schwankungen in der Beurteilung der Funde der Gedanke an das Amphibienoper-
culum, das sich bisher nur als labyrinthäre Bildung ergeben hat, hinein. Noch ein
anderer, die Sauropsidencolumella und den Sä,ugerstapes betreffender Punkt ist
kontrovers. Von den Meisten wird die ganze Sauropsidencolumella mit der Am-
phibiencolumella verglichen, während ich selbst, hauptsächlich auf Grund des Ver-
haltens der Chorda tympani, die Anschauung vertrete, daß die Extracolumella, d. h.
der äußere Abschnitt der Sauropsiden erst bei diesen hinzugekommen ist. In
weiterer Verfolgung dieses Punktes kam ich zu dem Schluß, daß der Stapes nicht,
wie Reichert und nach ihm die meisten angenommen, der gesamten Sauropsiden-
columella homolog sei, sondern nur deren innerem Abschnitt, ein Gedanke, der schon
von KiLLlAN (IS'JO) geäußert wurde.
Nicht minder widerspruchsvoll sind die Anschauungen bezüglich der Hammer-
Amboß-Frage, mit der die nach der Natur des Kiefergelenkes der Säuger
aufs innigste verknüpft ist. Der Nachweis , daß Hammer und Amboß der Säuger
Derivate des Kieferbogens sind, stammt von Reichert, und von diesem ist auch
(18:58) die Homologie: Incus = Quadratum, Malleus = Gelenkstück des Unterkiefers
niederer Vertebraten , zuerst ausgesprochen worden. Auf dem Boden dieser An-
schauung stehen fast alle, die die Dinge wirklich an Säugerembryonen untersuchten,
unter anderen Beuch, Huxley (1858, 1864), Gegenbaur, Köelikee, Paekee
(von 1885 an), Salensky, Rabl, Geadenigo, Baumgaeten, Dreyfüss, Zondek,
Beoman, ich selbst. Nur vorübergehende Bedeutung hat die von Huxley (1869)
stammende und von Paekee (1871, 1874, 1877) modifizierte Vorstellung gehabt, daß
nur der Malleus dem Kieferbogeu entstamme (homolog dem Quadratum), der Incus
dagegen dem Zungenbeinbogen (= Suprastapediale der Sauropsidencolumella). Paekee
selbst hat 1885 diese Vorstellung fallen lassen und ist zur REiCHEET'schen zurück-
gekehrt.
Die Widersprüche gegen die letztere betreffen teils die Hammer- und Amboß-
homologie, teils die Lehre von dem sekundären Kiefergelenke der Säuger. Im
Vordergrund steht dabei die Frage nach dem Verbleib des Quadratums" bei den
Säugern. Den ersten Anstoß zur Wiederbelebung dieser Frage, die durch Reicheet
zu einem Abschluß gekommen schien, gab Petees (in mehreren Arbeiten von 1867
bis 1874), und zwar durch den Nachweis, daß bei manchen Reptilien eine knorpelige
Verbindung des äußeren Abschnittes der Columella mit dem Unterkiefer besteht.
Daraufhin gründete Petees die Anschauung, daß der äußere Columellaabschnitt
der Sauropsiden dem Malleus der Säuger entspreche; den Incus hält er bei den
Sauropsiden für rudimentär geworden. An diese Vorstellung knüpfen die von
Albeecht, Baue, Dollo, Gadow an, die in Bezug auf die Totalhomologie der
Gehörknöchelchen bei allen Wirbeltieren im wesentlichen auf gleichem Boden stehen.
In der damit eng zusammenhängenden Frage nach der Natur des Säuger-Kiefer-
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 609
gelenkes differiereu sie allerdings sehr wesentlich. Während Albrecht und mit
ihm Batjr und DoLLO auch die Kiefergelenke für gleichwertige Bildungen halten
und das Quadratum der Säuger in dem unteren, die Gelenkfläche tragenden Ab-
schnitt des Squamosums erblicken, hält Gadow au der Vorstellung, daß das Säuger-
Kiefergelenk eine neue, sekundäre Bildung sei (Art. squamoso-dentalis), fest und
sieht das Quadratum der Säuger in dem Tynipanicum, wie das seiner Zeit Geoffroy,
Spix und CuYiER thaten. Noch anders denkt sich Broom (1890) die Sache: nicht
das Tynipanicum oder ein Teil des Squamosum ist das Quadratum , sondern der
Discus articidaris des Kiefergelenkes (schon von Aeby 1871 geäußert). Wie sich
Broom die sonstigen Umwandlungen denkt, wo die zweite, doch auch nicht ganz
unwichtige Komponente des alten ICiefergelenkes, nämlich der Gelenkteil des Meckel-
schen Knorpels, zu suchen ist, erfahren wir nicht. Angemerkt sei, daß bei den
Monotremen ein Discus articularis fehlt (Parsons). Endlich ist von Emery (19Ü3)
auch noch der accessorische Knorpelkern im Proc. condyloideus des Unterkiefers der
Säuger als Quadratum angesprochen worden. Das Dentale soll das Qudratum um-
wachsen, und dieses sich dann an die Außenfläche des MECKEL'schen Knorpels be-
geben haben; die alte Quadrato-articularverbindung wäre also als aufgelöst zu
betrachten. Die Gehörknöchelchen der Säuger führt Emery auf die Reihe von
Elementen zurück, die bei Fischen aus dem Hyomandibulare, Symplecticum und
hinterem Ende des MECKEL'schen Knorpels gebildet wird.
Nur von einer einzigen Seite ist bisher der Versuch gemacht worden, im Gegen-
satz zu allen bisher genannten Vorstellungen , einen polyphyletischen Ursprung der
schallleitenden Skelettapparate zu begründen, und zwar durch Drüner (1904). Auch
Drüner hält die Homologie des Kiefergelenkes der Säuger mit dem der niederen
Vertebraten , sj^eciell der Urodeleu , für erwiesen. Der Unterkiefer der Säuger ist
nach ihm eine cänogenetische Vereinigung der Anlage von Dentale, Angulare und
Articulare ; am Aufbau der Gelenkfläche des Squamosum und der Bildung des Discus
nimmt das Quadratum teil. Ina übrigen gehen aus dem Quadratum der Urodeleu
der Stapes, Incus, ein Teil des Malleus und des MECKEL'schen Knorpels der Säuger
hervor. (Grus longum incudis + Stapes = Grus ventrale quadrati Urodel., d. h. wohl
gleich dem Proc. basalis quadrati). Mit der Columella der Urodeleu hat der Stapes
nichts zu thun. Dann ist auch die Fenestra vestibuli der Säuger nicht homolog
der vom Operculum verschlossenen Fenestra der Urodeleu , sondern eine an ganz
anderer Stelle gelegene Neubildung. Die ontogenetische Verbindung der Anlage des
Malleus und des MECKEL'schen Knorpels bei den Säugern ist sekundär.
Auf eine Diskussion dieser verschiedenen Anschauungen einzugehen , ist hier
nicht der Ort. Nur auf eins sei hingewiesen. Alle die letztgenannten Vorstellungen
haben nur ein Gemeinsames: die Negation, d. h. die Ablehnung der REiCHERX'schen
Theorie; im Positiven, d. h. in dem, was sie an die Stelle der letzteren setzen wollen,
gehen sie weit auseinander und setzen, zum Teil wenigstens, Umwandlungen voraus,
die gewiß nicht geringer sind als die von der REiCHERTschen Theorie geforderten.
Dabei sind die gegen die REiCHERx'sche Theorie ins Feld geführten Momente fast
ausschließlich funktioneller, nicht morphologischer Natur: es ist hauptsächlich die
Schwierigkeit , sich die Ergänzung der schaUleitenden Kette durch neue Elemente
sowie den Ersatz des primären Kiefergelenkes durch ein sekundäres zu denken.
Unter diesen Umständen haben, wie mir scheint, die sehr zahlreichen Vertreter der
REiCHERX'schen Theorie noch keine Veranlassung, die letztere als ernstlich gefährdet
zu betrachten. (Eine sehr ausführliche Darstellung der ganzen Frage gab ich an
anderem Orte, 1899.)
C. Die Schädelknochen.
1. Allgemeines über ihre Entstehung. Einteilung der
Schädelknochen. Verhältnis der Schädelknochen zu
einander. Knochen komplexe. Knochenkern e. Ueb er-
zähl ige Knochen.
Die Schädelknochen treten in der näheren oder weiteren Um-
gebung des Primordialcraniums auf und verdanken der Thätigkeit
besonderer Osteoblasten ihre Entstehung. Sie können außer jeder
näheren Verbindung mit dem Primordialcranium bleiben oder aber
sich an die Stelle desselben setzen. Ihre Bildung erfolgt unter ver-
schiedenen Umständen und an verschiedenen Lokalitäten.
1) Bei Fischen und Amphibien geht die Entstehung mancher zahu-
Handbuch der Entwickelungslehre. III. 2. 39
610 E. Gaupp,
tragenden Knochen nachweislich von den Zähnen aus und erfolgt in
der Weise, daß erst die Zähne entstehen und dann die basalen Cement-
sockel derselben zusammenfließen (0. Hertwig). Dieser Entwicke-
lungsmodus ist nicht gerade häufig.
2) In den allermeisten Fällen erfolgt die Knochenbildung selb-
ständig in einer zelligen oder zellig-faserigen Anlage. Doch auch hier
sind Verschiedenheiten, vor allem bedingt durch die Lokalität, zu be-
merken.
a) Zahlreiche Knochen entstehen in einer „Anlage", die eben nur
als solche auftritt und sich gegen die Umgebung ziemlich scharf be-
grenzt. Solche selbständigen Knochenanlagen können unter der Haut
oder Mundschleimhaut, in mehr oder minder großer Entfernung vom
Knorpelschädel, auftreten und sind von diesem, wenn sie ihm auch
nahekommen, doch durch eine Bindegewebsschicht getrennt.
b) Andere Knochen erscheinen als Ossifikationen präformierter
Bindegewebsbildungen, mögen diese Membran- oder Bandform besitzen.
(Muskelsehnen, Bänder, Membranen in der Begrenzung des Cavum
cranii.) In den genannten Bildungen können Ossifikationen selb-
ständig auftreten; häufiger ist es aber, daß sich eine Verknöcherung,
die an einer anderen Stelle entstand, in sie hinein fortsetzt. Im
ersteren Falle entstehen besondere Knochenindividuen, im zweiten nur
Fortsatzbildungen an solchen^
c. Endlich nimmt eine große Anzahl der Schädelknochen ihre
Entstehung im P erichon drium des Primordialcraniums in der Art,
daß schon die erste perichondrale Knochenlamelle dem Knorpel direkt,
ohne Intervention von Bindegewebe, aufliegt. In noch näher zu schil-
dernder Weise kann sich hieran Zerstörung des Knorpels und Occu-
pation der entstehenden Räume durch Knochen anschließen , sei es
nun, daß der letztere im Anschluß an die perichondrale Knochen-
lamelle einwächst, sei es, daß zunächst nur Knochenbildungsgewebe
in den Knorpel einwächst und von innen heraus (endochon dral)
Knochen erzeugt. So kommt es zu einem völligen Ersatz eines
Knorpelgebietes durch Knochen (knorpelig präformierte
K n 0 c h e n).
Die vergleichende Entwickelungsgeschichte lehrt, daß homologe
Schädelknochen (deren Homologie aus Gleichheit der topographischen
und sonstigen Beziehungen erschlossen werden kann) bei verschiedenen
Wirbeltierformen differente Entwickelungsmodi zeigen können, und läßt
dadurch die einzelnen Momente, in denen diese Verschiedenheiten zum
Ausdruck kommen, nicht in gleichem Maße als wesentlich und be-
deutsam erscheinen , stempelt vielmehr manche von ihnen zu Modi-
fikationen der speciellen Ontogenese, die die morphologische Be-
deutung eines Skelettstückes nicht berühren. Doch erscheint es bei
Berücksichtigung aller Thatsachen berechtigt, zwei Kategorieen von
Schädelknochen zu unterscheiden, die schon in der Einleitung als Be-
leg- oder Deckknochen (Ossa investientia, Allostosen)
und Ersatzknochen (Ossa substituen t ia, primordiale
Knochen, Au tos tosen) bezeichnet wurden. Als Deckknochen
sind die zu bezeichnen , die bei ihrem ersten Auftreten sich in der
Umgebung des Primordialcraniums bilden und von diesem durch
Bindegewebe getrennt sind, als Ersatzknochen die, die bei ihrem erst-
maligen Auftreten in der Phylogenese im Perichondrium des Primordial-
craniums in direktem Kontakt mit dem Knorpel entstehen. Jeder
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 611
Knochen der beiden Kategorieen hat phylogenetisch seine besondere
Geschichte, die aus der Ontogenese einer Einzelform nicht immer
rekonstruierbar ist. Im Laufe dieser Geschichte kann er auch gewisse
Charaktere der anderen Kategorie (als der, der er angehört) annehmen.
Die Befunde an fossilen und recenten Formen weisen darauf hin,
daß die Deckkuochen die ersten knöchernen Gebilde am Wirbeltier-
schädel waren, und dieser Annahme entspricht auch die Erscheinung,
daß in der Ontogenese die Deckknochen im allgemeinen früher auf-
treten als die Ersatzknochen.
Der Gegensatz zwischen den beiden Kategorieen von Knochen ist dem Gesagten
zufolge ein primär-topographischer, durch die Lolvalität des ersten Auftretens der
Knochen bedingter. In weitaus der Mehrzahl der Fälle sind dabei die Deckknochen
„häutig präformiert", die Ersatz- oder primordialen Knochen „knorpelig i^räformiert",
doch kommen in beiden Punkten Ausnahmen vor, die das rein histogenetische Prinzip
als minder bedeutsam für die Unterscheidung beider Kategorieen erscheinen lassen.
Die Begriffe ,,Deck- und Ersatzknochen" decken sich also nicht mit ,, häutig und
knorpelig präformierten Knochen" ; höchstens müßte man von ,,in der Phylogenese
häutig oder knorpelig präformierten Knochen" sprechen. Aber dieser Unterschied
verliert rein histogenetisch dadurch seine Bedeutung, daß auch an der Bildung der
,, knorpelig präformierten" Knochen der Knorpel selbst keinen Anteil nimmt, sondern
zu Grunde geht, während die Knochenbildung vom Perichondriura ausgeht. Somit
ist es bei jenen Unterschieden wesentlich das topographische Prinzip, welches eine
Gruppenbilduug unter den knöchernen Skelettstücken berechtigt erscheinen läßt.
Vielleicht werden sich dereinst noch schärfere Kriterien auffinden lassen, basiert auf
den kausalen Momenten, die die verschiedenen Knochenstücke ins Leben riefen.
Verhältnis der Schädelknochen zu einander. Knochen-
komplexe. Knochenkerne. Das Verhältnis der verschiedenen
Schädelknochen zu einander — mögen sie dieser oder jener Kategorie
angehören — kann sich verschieden gestalten. Bei niederen Wirbel-
tieren kann die Verbindung zwischen den einzelnen Elementen eine
verhältnismäßig lose bleiben. In erster Linie wird das begreiflicher-
weise für die Deckknochen gelten, da die Ersatzknochen durch das
Knorpelgerüst, zu dem sie in nähere Beziehung treten, zusammen-
gehalten werden. Wenn aber die Bedeutung des Knochenschädels
gegenüber dem Knorpelschädel wächst, findet sich nicht selten ein
engerer Zusammenschluß der Elemente des ersteren, und es können
knöcherne Verwachsungen von anfangs getrennten Stücken eintreten
(Ersatzknochen untereinander, Deckknochen untereinander, Ersatz-
knochen mit Deckknochen). Solche Verwachsungen, durch die neue
K n 0 c h e n k 0 m p 1 e X e (G r o ß k n o c h e n , P. und F. Sarasin 1890)
gebildet werden, erfolgen bei den einzelnen Wirbeltierklassen in ver-
schiedenem Umfang, in verschiedener Weise und zu verschiedenen
Zeiten. Ihre Besprechung hat im Anschluß an eine Betrachtung der
sog. K n 0 c h e n k e r n e zu erfolgen.
Die Ossifikation eines Knochens (sowohl eines Deck- wie eines
primordialen Knochens) erfolgt gewöhnlich von einer bestimmten Stelle
aus, die als 0 ssifikationscentrum oder Knochen kern be-
zeichnet wird, und schreitet von hier aus fort. Nicht alle Knochen
verknöchern jedoch von einem einzigen Centrum aus: viele besitzen
deren zwei oder mehr. Die Verschmelzung solcher mehrfachen Knochen-
kerne zu einem Knochenterritorium, das dann als Ganzes weiterwächst,
kann zu sehr verschiedenen Zeiten, also auf den verschiedensten Stadien
der Entwickelung des Einzelkernes, erfolgen. Davon hängt es ab,
welches Maß von Ausdehnung und selbständiger Individualität die
einzelnen bereits erlangt hatten. Die Vereinigung kann schon im
allerfrühesten Stadium vor sich gehen, bald nach dem Auftreten der
39*
612 E. Gaupp,
Kerne. In anderen Fällen erfolgt die normale Fusion erst, nachdem
beide Knochenkerne sich zu ausgedehnteren knöchernen Stücken ent-
wickelt haben. Prinzipiell ist es dabei gleichgiltig , ob die Ver-
schmelzung noch während des Embryonallebens oder erst nach dem-
selben erfolgt. Je später sie erfolgt, um so länger werden die ein-
zelnen Komponenten als selbständige Stücke erscheinen, und um so
leichter wird das Verschmelzungsprodukt als ein Knochen komplex
erkannt werden können. Bei den verschiedenen Wirbeltieren kommen
auf diese Weise sehr verschiedenartige, aber immer typische Komplexe
zu Stande, ja bei manchen Formen (Vögel, Echidna u. a.) verschmilzt
sogar ein großer Teil aller selbständig angelegten Knochenstücke früh-
zeitig zu einem Coutinuum. Für das Individuum bedeutet jede Ver-
schmelzung eine Beschränkung des Schädelwachsthums, da mit den freien
Knochenrändern auch die Wachtumsgrenzen verschwinden, an denen
sonst die Apposition neuer Knochensubstanz erfolgt. Eine Verschmel-
zung mehrerer Knochen erfolgt schließlich vielfach als Alterserscheinung.
Auch dieser Vorgang ist prinzipiell nicht von den ersterwähnten zu
trennen ; unterschieden ist er von ihnen nur durch das Atypische seines
Auftretens, sowohl der Zeit als der Lokalität nach.
Die erwähnten Vorgänge besitzen in mehrfacher Hinsicht ein großes Interesse.
Durch den Umstand, daß zahlreiche ScMdelknochen nicht mono-, sondern di-
oder polycentrisch entstehen, erklärt sich in vielen Fällen das Auftreten über-
zähliger Schädelknochen: es braucht nur, wie das schon angedeutet wurde, die
normale Fusion der Kerne oder der aus ihnen hervorgehenden Knochenstücke zu unter-
bleiben. Ferner aber bieten diese Vorgänge auch ein wesentliches Interesse für die
vergleichende Osteologie. Vielfach läßt sich nachweisen, daß Knochenstücke,
die bei einer Form nach kürzerer oder längerer Selbständigkeit normalerweise mit-
einander verschmelzen, und ein einheitliches Knochenstück erzeugen, bei anderen
Formen als typische knöcherne Elemente zeitlebens bestehen bleiben. In manchen
anderen Fällen, namentlich für viele Knochenkerne, die schon sehr frühzeitig mit
anderen verschmelzen, ist das Gleiche bisher aber nicht nachgewiesen, imd die poly-
centrische Entstehung eines Knochens erfährt keine Begründung durch die ver-
gleichende Entwickelungsgeschichte.
Primordialf usion und Primordi aldivision. Im Anschluß an das zu-
letzt Gesagte sind noch zwei weitere Fragen zu erörtern.
Als Fusion primordiale bezeichnet Duoes (1834) einen von ihm rein
hypothetisch angenommenen Vorgang, den er überall da als wirksam voraussetzt, wo
ein Knochen, der seiner Lage nach als der Repräsentant mehrerer erscheint, doch
einheitlich entsteht. Im Gegensatz dazu nennt Duges die Verschmelzung zweier
anfangs getrennter Stücke: f usion seeondaire. Mit Recht hat Hertwig (1874)
geltend gemacht, zu wie großer Willkür bei der Bestimmung von Knochenhomologieen
die kritiklose Anwendung des Prinzips der fusion primordiale notwendigerweise
führen muß, und bei DuGf:s thatsächlich geführt hat. Hertwig hält es theoretisch
für möglich, daß ein Knochen, der phylogenetisch aus der Verschmelzung zweier
entstanden ist, auf dem Wege einer abgekürzten Entwickelung von vornherein ein-
heitlich auftritt, fordert aber, eine solche fusion primordiale nur dann anzunehmen,
wenn eine Reihe anderweitiger anatomischer Gründe uns in einem embryonal einfach
angelegten Knochenstück den Repräsentanten einer größeren Anzahl Knochen er-
blicken läßt. Auch heute noch wird von der Annahme einer fusion primordiale
wie zu DuGKs' Zeiten oft genug skrupellos Gebrauch gemacht; auf der anderen Seite
muß der Vorgang als solcher wohl als möglich angenommen werden (Basalknochen
von Ichthyophis, Basisphenoid der Teleostier, besonders aber alle Deckknochen, die
auf Konkrescenz von Zähnen oder Schuppen zurückgeführt werden). Von gleichem
prinzipiellen Interesse ist die Frage, ob etwa auch der gegenteilige Vorgang
angenommen werden kann: daß nämlich aus einem Knochen, der bei einer Form
einheitlich ist, bei einer anderen zwei werden können. Auch in diesem Punkte ist
die vergleichend-anatomische Betrachtung oft genug skrupellos verfahren und hat
das Auftreten zweier Knochen an einer Stelle, wo bei anderen Formen nur einer
liegt, kurzweg auf eine Teilung, Zerlegung eines Stückes, Absprengung eines Fort-
satzes u. dergl. zurückgeführt. Eine wirklich wissenschaftliche Begründung des
supponierten Vorganges (_den man in Analogie zu der Primordialfusion als
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 613
Primordialdivision [Primordialzerfalll bezeichnen könnte) ist erst in wenigen
konkreten Fällen versnobt (wenn man von den irregulären Nahtknochen am Menschen-
schädel absieht), und ich habe mich daher seinerzeit gegen die offenbare Willkür
jener Betrachtungsweise ausgesprochen. Als theoretisch möglich muß aber auch der
in Kede stehende Vorgang (Auftreten von zwei Knochen an Stelle nur eines) zu-
gegeben werden, und eis wird eine dankbare Aufgabe weiterer Forschung sein, sein
thatsächliches Vorkommen für typische Knochen zu beweisen. Die sog. inneren
Lamellen, die sich bei der Entstehung mancher primordialer Knochen bilden,
sprechen zu Gunsten der Bejahung der gestellten Frage. (Siehe Parasphenoid der
Vögel und sog. Pterygoid der Säuger.)
Aus dem häufigen Auftreten mehrerer Knochen kerne bei der Bildung eines
später einheitlichen Knochens ergiebt sich, daß der Knochenkern nicht das
Knochenindividuum bestimmt. Wodurch dieses dann aber bestimmt wird, und
welches die Einheiten sind, die in der vergleichenden Osteologie und Osteogenese
verglichen werden sollen, darüber kann zur Zeit noch keine bestimmte Auskunft ge-
geben werden. Vor allem ist hier die Herbeischaffung eines viel größeren Thatsachen-
materials nötig, als zur Zeit erst vorliegt. Namentlich sollten die Verhältnisse der
Gefäßverteilung zu den verschiedenen Knochen und Knochenkernen genauer bekannt
sein. Im Augenblick ist die Lehre von den Knochenkernen und ihrer Bedeutung
ein so mangelhaft bekanntes Gebiet, daß jeder Versuch einer Zusammenfassung nur
einen rein provisorischen Charakter haben könnte.
U e b e r z ä h 1 i g e Knochen. Das Kapitel der überzähligen
Knochen ist bisher nur für den Schädel des Menschen und einiger
Säuger genauer durchforscht. Hier werden die überzähligen Knochen
in zwei Gruppen eingeteilt, die Ranke als prinzipale und acces-
sorische bezeichnet. Die prinzipalen kommen zu stände, wenn
ein typischer Elem eiitarb estandteil des Schädels, der nor-
malerweise mit anderen sich zu einem Knochenkomplex vereinigt, ab-
normerweise selbständig bleibt. Die accessorischen überzähligen
Knochen gehören dagegen nicht zu den typischen Elementarbestand-
teilen, sondern sind atypische, zufällige Bildungen. Nach dem Ort
ihres Auftretens werden sie noch als Nahtknochen (WoRM'sche
Knochen), Fugenknochen und Fontanellknochen unterschieden.
Bei allen diesen handelt es sich um irreguläre Knocheninseln auf der
Grenze zwischen zwei oder mehr Knochen, deren Auftreten an sich
durch die Vorgänge der normalen Entwickelung der Nachbarknochen
erklärbar, deren Selbständigbleiben aber als zufällige, halbpathologische
Erscheinung zu betrachten ist. (Genaueres siehe beim Schädel des
Menschen.)
2. Die Deck- oder Beleg knochen (Ossa investientia).
a) Zur Histogenese der Deckknochen.
Die Deckknochen entstehen in einer zelligen oder zellig-fibrösen
Anlage durch Osteoblastenthätigkeit, in der Regel ohne Beteiligung
von Knorpel. Nur in einigen seltenen Fällen kommt es dabei zur
Ausbildung von Knorpelgewebe, das mit dem des Primordialcraniums
keinen Zusammenhang besitzt. Dies ist beobachtet am Unterkiefer
der Säuger, bei der Geweihbildung der Cervicornia (allerdings hier
bestritten) sowie in einigen anderen Fällen ; dieselben lehren zugleich,
daß am Schädel auch außerhalb des Primordialcraniums Knorpel auf-
treten kann. Bei „Verknöcherung" jenes Knorpels handelt es sich,
nach Schaffer, wie bei der Genese der Ersatzknochen um Zer-
störung des Knorpels und Ersatz durch Knochen, also um einen
neo plastischen Prozeß, nicht aber um einen metaplastischen
Vorgang, wie frühere Autoren schilderten.
b) Herkunft und Bedeutung- der Deckknochen.
1) Eine gut abgrenzbare Gruppe von Deckknochen wird seit
O. Hertwig (1874) als Zahn knochen aufgefaßt, d. h. als Knochen,
614 E. Gaupp,
die ursprünglich aus einer Konkrescenz von Zähnen entstanden sind.
Die hierher gehörigen Elemente sind bei niederen Wirbeltieren in oder
unter der Schleimhaut gelegen und können alle — bei dieser oder
jener Form — Zähne tragen. Für einige von ihnen ist bei Fischen
und Urodelen thatsächlich festgestellt, daß sie ontogenetisch durch
eine Konkrescenz von Zahnsockeln entstehen : hier geht also die
Zahnbildung der Knochenbildung voraus. Bei anderen zeigt sich nur
der erste Anfang der Knochenbildung an die Zahnsockel geknüpft,
der durch Konkrescenz solcher enstandene Knochen wächst dann
ohne Beteiligung von Zähnen weiter, und wo diese später noch auf-
treten, verbinden sie sich sekundär mit dem Knochen. Hierin prägt sich
also ontogenetisch schon eine Emancipation der Knochen von den
Zähnen aus. Ein nächster Grad der Emancipation ist darin gegeben,
daß der ganze Knochen selbständig entsteht , und die nachträglich
auftretenden Zähne sich sekundär mit ihm verbinden ; endlich kann
nur noch der Knochen zur Entstehung kommen, während die Bildung
der Zähne unterdrückt wird. Die Existenz dieser Knochen ist also
nicht an das Fortbestehen der Zähne geknüpft, vielmehr kann im
Laufe der Phylogenese aus einem zahntragenden Knochenstück ein
zahnloses werden. Der Theorie nach müssen die fraglichen Knochen
ursprünglich nahe dem Mundepithel in der Schleimhaut gelegen haben,
und hier finden sie sich in der That bei manchen Fischen (Polypterus) ;
schon bei den meisten Teleostiern liegen sie aber in größerer Tiefe,
ein Zustand, der als sekundär zu betrachten ist. — Die hauptsäch-
lichsten Knochen, für die Hertwig die erörterte Herkunft annimmt,
sind: Parasphenoid, Vomer, Palatinum, Pterygoid, die zahntragenden
Abschnitte des Praemaxillare, Maxillare, Dentale, das Operculare, sowie
die zahntragenden Knochen auf dem Hyobranchialskelett der Tele-
ostier.
Nach dieser, auch schon an einer anderen Stelle dieses Handbuches erörterten
Hypothese trat die Zahnbildung ein zu einer Zeit, wo das Kopfskelett noch allein
durch das Primordialcranium repräsentiert wurde. In dem Cementteil, mit dem die
Selachierzähne in der Schleimhaut stecken, ist das Baumaterial gegeben, aus welchem
knöcherne Belegplatten für das Knorpelcranium sich bilden konnten. Daß diese ur-
sprünglich zahntragenden und durch Konkrescenz von Zähnen entstandenen Knochen-
platten dann von der Zahnbildung unabhängig wurden und sogar da noch erhalten
bleiben, wo die Zähne nicht mehr zur Anlage kommen, erklärt sich aus der Wichtig-
keit, die sie als knöcherne Gebilde im Schädelaufbau gewinnen, aus den Verbindungen,
die sie mit anderen Elementen eingehen, und durch die sie innerhalb der Gesamt-
konstruktion des Schädels als Skelettstücke unentbehrlich werden. Die Emanzipation
der Knochenbildung von der Zahnbildung ist also der sekundäre Zustand. — Diese
von Hertwig angenommene Herkunft der Mundhöhlenknochen ist, wie gesagt, für
mehrere derselben thatsächlich — bei dieser oder jener Form — nachgewiesen; für
andere fehlt dieser Nachweis noch. Die Dipnoer zeigen in ihren Zahnplatten das
supponierte Anfangsstadium der Knochen fixiert.
2) Die übrigen Deckknochen entstehen als Verknöcherungen im
Bindegewebe am dorsalen und lateralen Umfang des Kopfes. Sie
z,8igen ein sehr verschiedenes Verhalten und sind wohl auch nicht alle
gleichartig zu beurteilen.
Eine große Gruppe dieser Elemente wird nach dem Vorgange
von (lEGENBAUR (1870) Und Hertwig (1874, 187G, 1879) aufgefaßt als
ursprüngliche Integumentalossifikationen, gleichwertig den Schuppen-
bildungen am Rumpfe und wie diese in letzter Instanz zurückführbar
auf Konkrescenz von Plakoidschuppen, wie sie die Selachier besitzen.
Die verschiedenen Zustände, die für sie als Entwickelungsetappen
postuliert werden müssen, finden sich unter den Fischen fixiert. Der
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 615'
Zahnbesatz, der ihnen der Theorie nacli ursprünglich zugekommen sein
muß, ist noch erhalten bei Lepidosteus und Hypostoma; die Bau-
übereinstimmung mit den Integumentalossifikationen des Rumpfes ist
deutlich ausgeprägt bei Ganoiden (Acipenseriden, Polypterus, Lepi-
dosteus), aber auch bei manchen Teleostiern (Panzersiluroiden), und
bei all diesen Formen sind sie auch ihrer oberflächlichen Lage nach
noch als Hautossifikationen zu bezeichnen. Ihre Beziehung zum
Schädel kann sich dabei auf eine Deckung des Knorpelcraniums be-
schränken (Acipenseriden). Bei den meisten Teleostiern linden sie
sich in größerer Tiefe, in innigerer Verbindung mit den übrigen Teilen:
des Schädels, als integrierende Stücke desselben und infolge der Re-
duktion des Knorpelcraniums beteiligt an der Deckung des Gehirns.
In der sie bedeckenden Haut können sogar aufs neue Ossifikationen
entstehen. Die wichtigsten Knochen, für welche diese Phylogenese
anzunehmen wäre, sind : Parietale, Frontale, Nasale, Paraquadratum
(der Amphibien, wahrscheinlich dem Quadratojugale der Reptilien, viel-
leicht auch dem Tympanicum der Säuger entsprechend), Squamosum,
Postfroutale (resp. Postfrontalia), Praefrontale (Praefrontalia), Lacri-
male, Septomaxillare, Jugale, Quadratomaxillare (der Anuren), Angulare,
Supraangulare. Complementare am Unterkiefer der Sauropsiden, end-
lich die Gesichtsteile des Praemaxillare. Maxillare und Dentale. Nach
0. Hertwig bestehen diese drei letztgenannten Knochen aus zwei
Komponenten : einer Integumentalossifikation (Gesichtsteil) und einer
aus Zahnkonkrescenz hervorgegangenen (Schleimhautteil). Bei den
Acipenseriden und unter den Teleostiern besonders bei den Panzer-
siluroiden ist die Zahl der Schädeldeckknochen noch eine größere, und
in Form und Anordnung verhalten sie sich weniger typisch als bei den
höheren Fischen : es kann dies als ein primitiver, mehr indifferenter
Zustand angesehen werden. Es finden sich ferner bei den Fischen in
reicherer Verbreitung gewisse Knochenstücke, die nicht auf die höheren
Formen vererbt werden (Orbitalia, Opercularia). — Viele der Deck-
knochen am Dach und lateralen Umfang des Kopfes werden bei Fischen
von Schleim hau tkanälen durchsetzt, eine Beziehung, die zur
Identifizierung der fraglichen Knochen von Bedeutung wird. Nach
Vrolik ist hierin eine primäre Funktion der Knochen zu sehen,
nach Walther handelt es sich um sekundär erlangte Beziehungen.
Nach der GEGENBAUR-HERTWiG'scheu Vorstellung sind die Deckknochen am
Dach und seitlichen Umfang des Kopfes also ihrer ursprünglichen Herkunft nach
analog den Mundhöhlenknochen : wie diese aus Konkrescenz der Basalplatten zahl-
reicher Zahnchen entstanden. Da Haut- und Mundhöhlenzähne als gleichwertige
Bildungen zu betrachten sind, so ergiebt sich der Satz: alle Deckknochen des
Schädels sind gemeinsamer Abstammung und finden ihre Uranlage in gleichartigen
Teilen eines Hautpanzers, der einst bei den Vorfahren der Fische, Dipnoer, Am-
phibien und aller Amnioten bestanden hat, und welcher nicht nur die Körperober-
fläche, sondern auch die Mundhöhle bis zum Anfang des Oesophagus bedeckt hat
(Hertwig). Die größeren Hautossifikationen, namentlich die typisch gewordenen
Belegknochen sind dabei nicht als direkt durch Verschmelzung von umfangreicheren
Gruppen von Hautzähnen, sondern als erst allmählich entstanden zu denken: es
haben sich erst viele kleinere Knochenstücke .gebildet, aus denen dann durch erneute
Konkrescenz eine geringere Zahl größerer Stücke hervorging. Wie bei den Zahn-
knochen der Mundschleimhaut, sohat sich auch bei den Integumentalossifikationen
die Knochenbildung sekundär von den Zähnen emanzipiert. Die besondere Ent-
wickelungsrichtung, die die Hautossifikationen des Kopfes einschlagen, erklärt sich
durch die Beziehungen, die die letzteren zum Primordialcranium gewannen, und die
sich bei Acipenseriden noch in den ersten Anfängen erhalten zeigen.
Außer den eben geschilderten Elementen, die von den Fischen an
verfolgbar sind und, ursprünglich oberflächlich auftretend, allmählich
616 E. Gaupp,
in den Aufbau des inneren Skelettes übergehen, giebt es noch ge-
legentlich Integumentossifikationen, die als sekundär hinzugekommen
kaum eine bis zu den Plakoidschuppen der Selachier zurückreichende
Stammesgeschichte durchgemacht haben können. Ich denke hier an
die Schläfenpanzerknochen und die Superciliarknochen der Saurier,
die wohl als Ossifikationen des Coriums ohne jene Genealogie zu be-
trachten sind. Endlich legen manche Erscheinungen den Gedanken
nahe, daß einige Schädeldeckknochen primär als Membran- oder
Bandverknöcherungen entstanden sind. Sicheres läßt sich darüber
jedoch noch nicht sagen.
Für weitaus die meisten Deckknochen kann dem Gesagten zufolge das In-
tegument als Ausgangslokalität angesehen werden. Die Frage nach der Herkunft
•der Osteoblasten, die dabei wirksam sind, ist hier nicht genauer zu erörtern,
doch muß darauf hingewiesen werden, daß Klaatsch die fraglichen Elemente vom
Ektoderm ableitet. Nach gewöhnlicher Auffassung sind sie niesoderraaler Natur.
Ob sie von vornherein Gebilde sui generis sind, oder ob sich Bindegewebszellen zu
Osteoblasten umwandeln können, muß einstweilen noch fraglich bleiben. Gegen-
BAUR (1898) leitet sämtliche Knochenbildung im Körijer vom Integument ab :
von hier aus könnten 1) integumentale Ossifikationen als solche in die Tiefe rücken;
2) osteoblastisches Material sich dem Mesoderm beimischen und in der Tiefe Knochen
produzieren (s. Ersatzknochen).
c) Beziehungen der Deckknochen zum Pi'iinordialcranium und zu den
Ersatzknochen.
Die meisten Deckknochen zeigen wenigstens bei ihrem ersten Auf-
treten in der Wirbeltierreihe lokale Beziehungen zum Primordial-
cranium, derart, daß sie sich Teilen desselben auf- oder anlagern,
also richtige Belegknochen desselben bilden ; für einige wenige ist das
bisher nicht nachweisbar gewesen. Man wird annehmen dürfen, daß
die einzelnen Belegstücke ursprünglich in topographischem Verhältnis
zu ganz bestimmten Teilen des Knorpelschädels standen, eine An-
nahme, die zur unabweisbaren Forderung wird bei den Mundhöhlen-
knochen, da ja die Konkrescenz einer Anzahl von Zähnen zu
zahntragenden Knochenplatten nur einen Sinn haben kann an Stellen,
wo eine solche Platte sich an eine feste Unterlage anlehnen kann.
Es wird somit eine Definition der einzelnen Stücke aus diesen topo-
graphischen Beziehungen versucht werden müssen. Die ursprüng-
lichen Beziehungen können aber im Laufe der Phylogenese undeutlich
oder selbst ganz verwischt werden, und zwar dadurch, daß das unter-
liegende Primordialcranium und die aufgelagerten Deckknochen selb-
ständige Entwickelungswege einschlagen. Es kann da Verschiedenes
erfolgen. Zunächst kann die Auflagerung eines Deckknochens auf
einen bestimmten Teil des Knorpelschädels die Folge haben, daß
letzterer zu Grunde geht. Es begreift sich das aus der höheren
funktionellen Bedeutung des Knochenstückes, durch die der darunter
gelagerte Knorpel entwertet wird. In diesem können so Lücken,
Fensterbildungen entstehen, auf deren Rändern dann der Deckknochen
aufliegt; erfolgt weiterhin Ossifikation des primordialen Knorpels,
so tritt der Ersatzknochen in Randverbindung mit dem Deck-
knochen: das appositioneile Verhältnis, das ursprünglich in der
Flächendeckung bestand, kommt dann nur noch in der Rand-
verbindung zum Ausdruck. Es kann aber auch, wenn der Deck-
knochen durch Verbindung mit anderen Deckknochen genügend Halt
und Festigkeit erworben hat, der Knorpel, auf den er sich früher
stützte, ganz zu Grunde gehen. Endlich kann auch der Fall eintreten.
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 617
daß ein Deckknochen zwar seine Lage am Gesamtschädel im allge-
meinen beibehält, dadurch aber, daß unter ihm die knorpeligen Teile
Veränderungen erfahren, neue topographische Beziehungen, zu anderen
Teilen des Primordialcraniums, erhält. Dies gilt in viel höherem Maße
für die Belegknochen des visceralen als für die des neuralen Prim-
ordialcraniums; speciell in hohem Maße für die Zahnknochen. Auch
durch selbständige Ausdehnung kann ein Deckknochen seine ursprüng-
lichen topographischen Beziehungen ändern, Verschiebungen erleiden.
Specielle Topographie der Deckknochen am Knorpelschädel.
Die primären topographischen Beziehungen der Deckknochen zu bestimmten
Teilen des Knorpelschädels sind noch nicht für alle Stücke genügend erkannt.
Folgendes läßt sich mit einiger Wahrscheinlichkeit über die wichtigsten Stücke sagen.
Von den Knochen des Schädeldaches sind das Parietale und das Frontale
Elemente, die ihre ursprüngliche Lage an der Schädeldecke in der Labyrinth- und
Orbito-temporalregion hatten. Bei Acipenser finden sie sich hier noch dem knorpe-
ligen Schädeldach aufliegend. Das Parietale läßt diese Beziehung bei den meisten
Wirbeltieren noch erkennen ; auch wo das Knorpeldach der Labyrinthregion lücken-
haft ist, stützt sich der Knochen hinten meist noch auf das Tectum synoticum, seit-
lich auf die Ohrkapseln. Selbst bei Säugern ist diese Beziehung noch erkennbar,
trotz der erheblichen Lageveränderung, die jene primordialen Teile erleiden. Aller-
dings kann aus der ursprünglichen Flächendeckung eine Ränderverbindung zwischen
dem Parietale und den primordialen Teilen werden. Das Frontale lagert sich ur-
sprünglich dem knorpeligen Schädeldach in der Orbito-temporalregion auf; später,
wenn letzteres verschwunden i»t,, läßt sich doch meist noch eine nähere Beziehung zum
oberen Rande der orbito-temporalen Schädelseitenwand erkennen. Das vordere Ende
des Frontale schiebt sich häufig noch auf die Nasenkapsel herauf. Als besonderer
Deckknochen am lateralen Bogengang der Ohrkapsel findet sich bei Amnioten das
Squamosum; bei Knochengan oiden und Teleostiern ist ein entsprechender Knochen
vorhanden, verliert aber hier seine Deckknochennatur. Die primären Beziehungen
der bei den Amnioten unter den Namen Postfrontale (event. Postfrontale
mediale und P. laterale) und Jugale bekannten Knochen sind zur Zeit noch
nicht anzugeben. Zu den Deckknochen der Ethmoidalregion gehören: Nasale,
Supraethmoidale (der Teleostier), Praefrontale (resp. Praef rontalia) der
Amphibien und Sauropsiden, Septom axillare (im hinteren Gebiet der Fenestra
narina bei Amphibien und Reptilien, kann sich teils mehr in die Nasenkapsel, teils
aus derselben heraas ausdehnen), Lacrimale der Säuger. Ob diesem das Lacri-
male der Saurier und Krokodile entspricht, ist zweifelhaft; bei Lacerta besitzt das-
selbe keine Beziehung zum Knorpelschädel. Die appositioneilen Beziehungen des
Praemaxillar e, Maxillare und des Vomers zum Ethmoidalskelett sind mög-
licherweise sekundär erlangt. Das Parasphenoid ist zweifellos ein Schleimhaut-
knochen an der Basis des neuralen Craniums.
Am Palatoquadratu m findet sich zunächst auf der lateralen Oberfläche
ein bei Amphibien sehr ausgedehnter Knochen, den ich wegen dieser typischen Lage-
beziehung als Paraquadratum bezeichnet habe. Bei den Reptilien läßt das sog.
Qu adrato jugale noch die gleiche Lagebeziehung erkennen und dürfte daher dem
Paraquadratum zu horaologisiren sein. Ob letzteres auch im Tympanicum der
Säuger wiederzufinden ist, ist noch nicht ganz sicher. Wenig bekannt sind noch
die Verhältnisse des sog. Quadratomaxillare der Amphibien. — Vieles spricht
dafür, daß der Vom er, das Palatinum und das Pterygoid (event. Ekto- und
En topterygoid bei den Teleostiern) als zahntragende Deckknochen auf der Pars
palatina des Palatoquadratums entstanden, und daß sie somit zurückzuführen sind
auf die Zähne, die bei den Selachiern dem genannten Knorpelbogen aufsitzen. Doch
liegt schon bei den Teleostiern der Vom er, und bei den Amphibien auch das Pala-
tinum nicht mehr an Teilen des Palatoquadratums, sondern an solchen des Eth-
moidalskelettes, also au der Basalf lache der Nasenkapsel. Nur das Pterygoid
läßt bei den Amphibien, ja selbst noch bei manchen ReptiMen die ursprüngliche Be-
ziehung zu der Pars jjalatina des Palatoquadratums erkennen. Die Lage des Vomer,
Palatinum und Pterygoids in der Tiefe der Mundhöhle (während der Palatoquadrat-
knorpel mit seinen Zähnen bei den Selachiern den Mundrand bildet) erklärt sich durch
die Ausbildung des Prämaxillare und Maxillare. Der obere Mundrand der höheren
Fische und aller höheren Vertebraten entspricht danach nicht dem oberen Mundrand
der Selachier. (Abweichende Anschauungen sind geäußert und neu zu prüfen.) Für
das Praemaxillare und Maxillare, die beiden zahntragenden Knochen, die von
r
618 E. Gaupp,
den höheren Fischen an den oberen Mundraud bilden, könnte dann der vorderste
Teil des Ethmoidalskelettes als ursprüngliche Anlagerungsstätte in Frage kommen.
Indessen ist es wahrscheinlicher, daß Knorpel, die in die Kategorie der Lippen-
knorpel fallen, in dieser Hinsicht in Anspruch zu nehmen sind, und daß die Lage-
rung der genannten Knochen am Ethmoidalskelett bereits den abgeänderten Zustand
repräsentiert. — Am Unterkiefer bietet der primordiale Unterkiefer (MECKEL'sche
Knorpel) die Anlagerungsstätte für Zahn- und Tntegumentknochen. Wie am Ober-
kiefer, so können auch am Unterkiefer zwei Zahnbogen unterschieden werden : ein
äußerer, repräsentiert durch das Dentale, imd ein innerer, repräsentiert durch das
Operculare (Spleniale), event. in Verbindung mit einem oder mehreren Prae-
splenialia. Da die Zähne auf dem primordialen Unterkiefer der Selachier wohl
als O p er eular zahne zu betrachten sind, so verdient die Frage Erwägung, ob
nicht auch das Dentale ursprünglich einen vor dem Kieferbogen gelegenen prim-
ordialen Skelettstück auflagerte, ähnlich wie das für Prämaxillare und Maxillare
angenommen wird. Auch die reinen Integumeutverknöcherungen des Unterkiefers,
in deren Benennung sehr große Willkür und Verwirrung herrscht (Dermangulare,
Dermarticulare, Supraangulare, Complementare), sind Belegstücke des
MECKEL'schen Knorpels. — Am Hyobranchialskelett endlich finden gewisse
Zahnknochen der Teleostier (Pharyngeum superius, Ph. inferius, Dermobranchialia,
Denuentoglossum) Anlagerung; bei höheren Formen sind Deckknochen an diesem
Teil des primordialen Skeletts nur noch ausnahmsweise vorhanden (Amphiuma).
Als charakteristisch für die Deckknochen wurde angegeben^
daß dieselben bei ihrem ersten Auftreten vom Knorpelschädel durch
Bindegewebe getrennt sind. In diesem losen Verhältnis können sie
zeitlebens bestehen bleiben. Andererseits können sie aber auch schon
bei oder bald nach ihrer Entstehung innigere Beziehungen zum Knorpel-
schädel darbieten. Am besten bekannt, wenn auch nicht allein vor-
kommend, sind diese Dinge bei den Teleostiern. Verschiedenes ist
auseinanderzuhalten. Zunächst kommt es vor, daß ein als Deck-
knochen aufgetretenes Skelettstück sehr bald nach seiner Entstehung
mit einer perichondralen Ossifikation zu einer neuen Einheit verschmilzt.
Diese entwickelt sich dann als einfacher Knochen weiter, der seine
Doppelnatur dadurch dokumentiert, daß er Charaktere von Deckknochen
mit solchen von Ersatzknochen in sich vereinigt, also auch in den
Knorpel einwächst und diesen ersetzt. Der Deckknochen-Charakter
kommt häufig in dem Besatz mit Zähnen oder der Umschließung von
Schleimkanälen zum Ausdruck. (Beispiele: Palatinum, Squamosum der
Teleostier.) van Wijhe hat vorgeschlagen, die beiden Komponenten
durch die Vorsilben Auto- und Dermo- zu charakterisieren, der
Mischknochen selbst wäre durch Amphi- zu bezeichnen (Dermo-
palatinum und Autopalatinum bilden also das Palatinum, das bei
Teleostiern ein Amphipalatinum ist). Es ist zu bemerken, daß die
später erscheinende Auto-Komponente nicht immer ganz selbständig auf-
tritt, sondern in manchen Fällen schon von vornherein wenigstens an
einer Stelle mit dem Deckknochen vereinigt ist. Die Auffassung, daß
hier die Deckknochenossifikation auf das Perichondrium übergegriffen
hat, ist für diese Fälle nicht von der Hand zu weisen, andererseits
könnte es sich ja aber auch um einen abgekürzten Entwickelungsgang
handeln, hervorgegangen aus einem ursprünglicheren, wo beide An-
teile völlig selbständig auftraten. Hierfür scheinen die Befunde bei
Ganoiden zu sprechen, wo selbst im erwachsenen Zustande manche
der Dermo- und Auto -Komponenten selbständig gefunden werden.
Etwas anders liegen die Verhältnisse beim Vom er der Teleostier: hier
ist thatsächlich ein allmähliches Vorschreiten der als Deckknochen auf-
getretenen Ossifikation in die Tiefe und in das Perichondrium an der
Basis der Ethmoidalregion zu konstatieren — ja, der Knochen scheint
sogar in den Knorpel eindringen zu können. Endlich bietet das D en-
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 619
tale bei Teleostiern (und, wie es scheint, auch bei anderen Wirbel-
tieren) die Besonderheit, daß es schon bei seiner ersten Entstehung
mit seinem vorderen Ende im Perichondrium dem Knorpel eng an-
liegt, während es weiter hinten die typische Deckknochennatur zeigt,
d. h. von dem Knorpel durch Bindegewebe getrennt ist. — Alle diese
Thatsachen sind noch sehr mangelhaft bekannt und verlangen specielle
vergleichend-entwickelungsgeschichtliche U^ntersuchungen.
3. Die Ersatzknochen (Ossa substituentia).
(Primordiale Knochen, Autostosen.)
a) Zur 1118101:611686 der Ersatzkiioehen.
Die typischen Ersatzknochen beginnen ihre Entwickelung mit der
Entstehung einer Knochenlamelle, die im Perichondrium irgend eines
Teiles des Primordialcrauiums auftritt und der Oberfläche des Knorpels
direkt aufliegt. Je nach der Form des primordialen Knorpelteiles ver-
hält sich auch die perichondrale Knochenlamelle verschieden. Um
Knorpelstäbe bilden sich cirkuläre röhrenförmige Knochenscheiden,
auf der Oberfläche der neurokranialen Teile dagegen platte Auflage-
rungen. Das weitere Schicksal dieser perichondralen Lamellen ge-
staltet sich verschieden, ihre Weiterentwickelung kann chondrifugal
und chondripetal erfolgen. Bei niederen Wirbeltieren bestehen manche
Skelettstücke zeitlebens aus einem Knorpelstück, das von einer Knochen-
rinde umgeben ist (z, B. Hyomandibulare von Acipenser), und dem-
entsprechend giebt es Knochen, die zeitlebens am neuralen Cranium
intaktem Knorpel aufliegen, im übrigen aber gegen die Umgebung
hin sich mannigfach weiterentwickeln. Bei den höheren Formen bildet
der Zustand der corticalen Knochenlamelle auf Knorpel nur das An-
fangsstadium, dem sich Zerfall des Knorpels anschließt. Dabei wird
Verschiedenes beobachtet. Die Resorption kann unter perichondralen
Knochenlamellen , die auf der Außenfläche des Primordialcrauiums
liegen, doch von der inneren, cerebralen Oberfläche des Knorpels aus
erfolgen. So kann der Knorpel völlig zu Grunde gehen und nur die
Knochenlamelle stehen bleiben, die sich ihrerseits durch chondrifugal
erfolgende Apposition neuer Knochensubstanz verdicken kann. (Knochen
der Urodelen u. a.) Oder: die zuerst entstandene Knochenlamelle er-
fährt eine Perforation durch lokale Resorption, und durch die Lücken
dringen periostale Sprossen in den vorher verkalkten Knochen und
bringen diesen zur Zerstörung. Die so entstandenen primordialen
Markräume können dann von Knochen occupiert werden, der im An-
schluß an die perichondrale Knochenlamelle einwächst, oder die Knochen-
bildung erfolgt von den eingewachsenen Sprossen aus selbständig
endochondr al , und die endochondralen Knochenbalken vereinen
sich erst sekundär mit dem perichondralen Knochen. Auf die Einzel-
heiten dieser viel beschriebenen Vorgänge einzugehen, ist hier nicht
der Ort.
Der Anschluß der endochondralen Verknöcherung an die peri-
chondrale erfolgt meist da, wo ein stabförmiges Knorpelstück cirkulär
von einer perichondralen Knochenrinde umgeben wird, oder wo ein
platter Knorpelteil von zwei auf seinen beiden Oberflächen abgelagerten
Knochenlamellen in die Mitte genommen wird. Letzteres ist am neu-
ralen Cranium geknüpft an das Auftreten der sog. inneren La-
mellen, d. h. perichondraler Knochenlamellen an der inneren (cere-
620 E. CtAupp,
bralen) Fläche der knorpeligen Scliädehväude oder an den Innenflächen
der Ohr- und Nasenkapsel. Gewöhnlich entstehen sie selbständig,
ohne daß ontogenetisch ein Zusammenhang mit einer äußeren Lamelle
nachweisbar wäre. Doch spricht die Wahrscheinlichkeit dafür, daß sie
phylogenetisch von solchen abstammen, und in einigen Fällen entstehen
sie in der That in direktem Anschluß an äußere Lamellen, indem von
einer solchen die Verknöcherung auf dem Wege einer Lücke des
Primordialcraniums (Nerven- oder Gefäßloch) sich an die Lmenfläche
des letzteren fortsetzt. Ließen sich alle inneren Lamellen in dieser
Weise von äußeren ableiten, so wäre damit der oben besprochene Vor-
gang der Primordialdivision bewiesen. Daß Ersatzknochen von Nerven-
oder Gefäßlöchern aus ihre Entstehung nehmen, ist eine häutige Er-
scheinung. — Vielfach, namentlich bei niederen Formen, schließen sich
die Vorgänge der endochondralen Verknöcherung erst geraume Zeit
nach dem Auftreten der perichondralen Knochenlamelle an, und die
letztere kann unterdessen sich selbständig in die Umgebung ausdehnen,
Leisten und Fortsätze bilden, während der unterliegende Knorpel noch
durchaus intakt ist. Dagegen folgt bei höheren Formen die endo-
chondrale Verknöcherung der perichondralen unmittelbar nach und
läßt die Anteilnahme des Knorpels an der Bildung des Skelettstückes
größer erscheinen.
Im großen ganzen ahmt der Ersatzknochen die Form des prim-
ordialen Knorpelgebietes nach, an dessen Stelle er tritt. Doch kann
sich von ihm aus die Ossifikation auch chondrifugal sehr stark in die
Umgebung ausdehnen, namentlich Muskelsehnen und Bändern folgen,
und so ein kompliziertes, durch Leisten und Fortsätze gebildetes Relief
der Knochenoberfläche zu stände bringen. Ganz besonders ausgeprägt
sind diese Vorgänge bei Teleostiern. Statt mimimorpher Stücke ent-
stehen dann automorphe, deren Gestalt von der der primordialen
Grundlage ganz verschieden ist.
Alle diese Erscheinungen zeigen, daß die Knochenbildung den Knorpel nur als
erstes Modell, als Unterlage benutzt, im übrigen aber unabhängig von ihm vor sich
geht. Auch die Vorgänge bei der endochondralen Verknöcherung müssen entsprechend
gedeutet werden, sie sind ein Ausdruck für die chondripetale Ausbreitung des
Knochens, wobei es zu einem Kampf beider Gewebe kommt, in dem der Knorpel
unterliegt und der Knochen an seine Stelle tritt. Vielleicht handelt es sich sogar
direkter um eine Art Ernährung des Knochens durch den zerfallenden Knorpel.
Jedenfalls besitzt der letztere nur eine rein provisorische Bedeutung, gewissermaßen
als Platzhalter für den erst später auftretenden Knochen (s. auch p. 592).
Die Erscheinungen der chondrifugaleu Ausdehnung eines perichondral ent-
standenen Knochens verlangen noch genauere Untersuchung. So ist festzustellen,
ob ein perichondral entstandener Knochen durch Ausdehnung in die Um-
gebung, speciell gegen das Integument hin, die Oberflächenstruktur typischer Deck-
knochen annehmen kann, wie das z. B. am Pleuroethmoidale und Sphenoticum
der Teleostier nicht ausgeschlossen erscheint. Die Möglichkeit einer fusion pri-
mordiale würde dabei zu berücksichtigen sein. Ferner verdient die wichtige Frage
Erwägung, ob ein ursprünglich perichondraler Knochen, der sich auf ein Band fort-
setzte, aus seiner ursprünglichen Lage herausgedrängt werden kann, so daß nun nur
jener sekundäre Auswuchs, mit dem Charakter eines Belegstückes am Knorpelschädel,
übrig bleibt — ein Vorgang, den Sagemehl für das Intercalare der Teleostier an-
nimmt. Daß frühzeitige Verwachsungen von perichondralen und Deckknochen vor-
kommen, wurde schon erwähnt.
Zu den primordialen oder Ersatzknochen im Sinne der oben ge-
gebenen Definition sind nun aber auch einige Knochen zu zählen, die
ontogenetisch nur membranös präformiert sind. Ich rechne hierzu
diejenigen Skelettstücke resp. Teile von solchen, die in Lücken des
Knorpelschädels auftreten, in den bindegewebigen Partieen, die ihrer
Die Entwickelung des Kopfskelettes, 621
ganzen Lage und Anordnung nach als nicht verknorpelte Teile des
Primordialcraniums aufgefaßt werden dürfen (z. B. Basisphenoid und
Orbitosphenoid der Teleostier). Bei der derzeitigen Mangelhaftigkeit
unserer Kenntnisse vom Primordialcranium kann vorläufig nur als
Vermutung ausgesprochen werden, daß diese Knochen von ursprüng-
lich perichondral gelegenen abzuleiten sind, also phylogenetisch
knorpelig präformiert waren.
1)) Topographie der Ersatzknocheu.
Durch das Auftreten der Ersatzkuochen wird das kontinuierliche
knorpelige Neurocranium in eine Anzahl knöcherner Territorien
zerlegt, es werden damit einzelne Knochenindividuen geschaffen,
die zunächst durch die unverknöcherten Reste von Knorpel vereinigt
bleiben und, solange als dies der Fall ist, an diesen Trennungszonen
durch Apposition weiterwachsen können. Später können die letzteren
auch verknöchern (Konkrescenz der einzelnen Stücke). Die Knochen-
territorien richten sich in ihrer Ausdehnung nicht nach den Grenzen
der ursprünglichen Kegiouen und Abschnitte des Chondrocraniums,
wenn auch im allgemeinen eine Zusammenfassung bestimmter Stücke
zu 4 Segmenten (Occipital-, Otical-, Sphenoidal-, Ethmoidal-Segment)
möglich ist. Als Ossifikationen der Occipitalregion werden ge-
wöhnlich betrachtet : Basioccipitale, Pleuroccipitalia, Supra-
occipitale, doch ist hierzu zu bemerken, daß das Supraoccipitale
meist aus der Verknöcherung des Tectum synoticum , das zur
Labyrinthgegend gehört, hervorgeht. Supraoccipitale und Pleuroccipi-
talia greifen vielfach auf die Ohrkapselu über. Von den haupt-
sächlichsten Ossifikationen der Oticalregiou (den Ossa periotica):
Opisthoticum, Epioticum, Prooticum, Sphenoticum,
Pteroticum (wozu noch speciell bei den Säugern eine Anzahl un-
benannter Centren kommt) ist das Prooticum, das an Stelle der vor-
deren Ohrkapselhälfte tritt, das konstanteste; an Stelle eines selb-
ständigen Opisthoticum und Epioticum dehnen sich oft das Pleur-
occipitale und das Supraoccipitale auf die hintere Ohrkapselhälfte aus ;
ein Sphenoticum besteht nur bei Fischen als selbständige Ossifikation
der vorderen Ohrkapselkuppel und des anschließenden Teiles der orbito-
temporalen Schädelseitenwand ; das Pteroticum ist ebenfalls eine nur
bei Fischen vorkommende Ossifikation, die aber nicht selbständig
bleibt, sondern als Autosquamosum mit dem Dermosquamosum zum
Squamosum verschmilzt. Sie entsteht am lateralen Bogengang. In
der Orbito-temporalregion werden Basisphenoid, Prä-
sphenoid, Alisphenoidea und Orbitosphenoidea in sehr
wechselndem Verhalten angetroffen. In der Ethmoidalregion
finden sich Pleur oethmoidalia und Praee thmoidalia bei
Fischen, ein einheitliches Ethmoidale bei Säugern.
Inwieweit die bei den einzelnen Wirbeltieren mit gleichen Namen bezeichneten
Ersatzknochen des Neurocraniums wirklich homologe Bildungen sind, ist noch gar
nicht zu sagen ; zu einer wirklich wissenschaftlichen Erörterung ist diese Erage für
viele Knochenstücke überhaupt noch nie gekommen.
Am Palatoquadratum verknöchert sehr allgemein die Pars
quadrata als Os quadratum; bei den Teleostomen kommt das
Metaptery goid als zweite primordiale Ossifikation hinzu. Das
vordere Ende der Pars palatina ossifiziert bei Teleostomen alsAuto-
palatinum, das meist mit einem Dermopalatinum verschmilzt. Aus
622 E. Gaupp,
der Verknöcherung des Gelenkstückes des MECKEL'schen Knorpels
geht sehr allgemein ein Articulare hervor; bei Teleostomen gesellen
sich oft noch ein Autangiilare als Ossifikation des Proc. retro-
articularis und ein Autocoronale als Ossifikation des Proc. prae-
articularis hinzu. Das vordere Ende des MECKEL'schen Knorpels
verknöchert häufig als Mentomandibulare. das vielfach mit
dem Dentale zusammenfließt. Im Hy obranchiaiskelett können
kleinere Abschnitte einheitlich verknöchern (Stylohyale, die ein-
zelnen Glieder der Branchialbogen , das Glossohyale), oft
genug aber treten auch hier innerhalb eines Knorpelsegmentes mehrere
Ossifikationen auf (je zwei im Keratohyale und Hypohyale der Teleostier,
mehrere als Symbranchialia bezeichnete in der Copula). Die
hierdurch geschaffene Zerlegung und Gliederung ist natürlich von ganz
anderem Wesen und Werte als die ursprüngliche Knorpelgliederung.
Die Verschiedenlaeit der durch den Ossifikationsprozeß bewirkten Schaffung
einzelner Skelettstücke von der Gliederung des Knorpelskelettes wird leider durch
die vergleichend-osteologische Nomenklatur vielfach ignoriert und verwischt, indem
sowohl Teile des Knorpelschädels, die noch durch nichts abgegrenzt sind, mit dem
Namen von Knochen territorien belegt werden, die später ihre Stelle einnehmen, als
auch für manche Ossifikationen Namen verwendet werden, die von Teilen des
Knorpelskelettes hergenommen sind (Epihyale der Teleostier).
c) Herkunft und Bedeutung der Ersatzknocheu.
Ueber Herkunft und Bedeutung der Ersatzknochen bestehen
wesentlich zwei Hypothesen : nach der einen sind sie von Deckknochen
abzuleiten, nach der anderen dagegen selbständig an Ort und Stelle
erstmalig entstanden.
Die erste Anschauung geht davon aus, daß onto- und phylo-
genetisch die Deckknochen früher auftreten als die Ersatzknochen, daß
auch die Ersatzknochen dem Knorpel ursprünglich nur aufliegen und
daß bei einigen Deckknochen (besonders der Teleostier) thatsächlich
ein allmähliches Vordringen von der Oberfläche gegen die Tiefe und
in das Perichondrium nachgewiesen ist. Dieser Vorstellung zufolge
würde das Integument die erste Bildungsstätte aller Hartgebilde sein,
deren Aufbau aus Knochengewebe erfolgt: die ersten Knochen wären
Deckknochen gewesen, und diese seien allmählich durch tiefere Bettung
zu perichondralen geworden. In dieser Form ist die Anschauung
wohl nicht haltbar, es würde schwer sein, für alle perichondralen
Ossifikationen eine solche Herkunft nachzuweisen, ja, so viel Bestechen-
des die ganze Vorstellung auch hat, so ist doch bisher für keinen
einzigen typischen Ersatzknochen eine entsprechende Genese wirklich
festgestellt.
Nach der zweiten Vorstellung sind die Ersatzknochen autochthon
entstanden, als perichondrale Knochenauflagerungen. Als Momente,
die zu ihrer Entstehung geführt haben, lassen sich mehrere Faktoren
anführen. So spricht manches dafür, daß eine Anzahl der Ersatz-
knochen erstmalig an den Ansatzstellen von Muskelsehnen oder Bändern
entstanden. Hierauf machte zuerst Vrolik und später besonders
VAN WijHE, unter Hinweis auf die Lage der Ossifikationen im Man-
dibularbogen der Ganoiden, nachdrücklich aufmerksam. Auch die Be-
teiligung an einer Gelenkbildung, ja vielleicht jede Situation, durch
die an einem Knorpel ein starker Druck oder Zug ausgeübt wird,
kann möglicherweise als ein Moment, welches Knochenbildung am
Knorpel bedingt, in Frage kommen. Hierüber sind unsere Kenntnisse
noch ganz mangelhaft.
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 623
Die Frage nach der Herkunft und Bedeutung der einzelnen Knochenstücke ist
wohl zu trennen von der Frage nach der Herkunft der knocken bildenden Elemente.
Gegenbaur (1898), der die integumentale Herkunft aller Knochensubstanz vertritt,
nimmt zwei Wege an, auf denen Knochenbildung sich dem Perichondrium mitteilen
kann : einmal, indem ein Hautknochen zu letzterem herabrückt und das, was er an
osteoblastischen Formelementen mitbringt, dem Perichondrium sich anschließen läßt,
zweitens, indem die osteoblastischen Formelemente als solche zum Perichondrium
gelangen. Diese letztere Annahme führt allerdings alle Knochenbildner auf eine ein-
heitliche Quelle zurück, läßt aber die Frage, welchen Momenten die einzelnen
Knochenstücke ihre Entstehung verdanken und wie dieselben zu gruppieren sind,
unbeantwortet.
D. Historisches zur Lehre von dem Primordialcranium
und den beiden Kategorieen von Sehädelknochen.
Die Bezeichnung Primordialcranium für den Knorpelschädel der Wirbeltiere
stammt von Jacobson (1842). Die Kenntnis des Knorpelschädels selbst reicht jedoch
weiter zurück: nachdem er schon in älteren Abbildungen des Fischschädels zur Dar-
stellung gekommen war, widmete ihm als erster E. Arendt (1822) bewußte Be-
achtung und hob hervor, daß er beim Hecht w'ie beim Lachs zeitlebens in großer
Ausdehnung bestehe, daß die knöchernen Elemente dem Knorpel zum Teil nur auf-
gelagert, zum Teil eingesprengt seien ; ja er wies auch darauf hin, daß in diesem
Vorhandensein eines Knorpelschädels eine Verknüpfung der Zustände bei den
Teleostiern mit denen bei den Chondropterygiern gegeben sei. Ausführlich erörterte
dann Baer (1826) das Vorhandensein eines Knorpelschädels bei Fischen und das
verschiedene Verhalten der Knochen zu demselben. Duges lehrte (1834) auch den
larvalen und definitiven Knorpetechädel der Anuren genau kennen und fand hier
ebenfalls die zwei Kategorieen knöcherner Elemente: solche, die als Ossifikationen des
Knorpels entstehen („primordiale Knorpel"), und solche, die sich auf der Oberfläche
des Knorpels bilden. Auf die Tragweite dieser Befunde, die auch den Anuren-
schädel mit dem Hai- und Knochen fischschädel näher verknüpften, weist Duges
ebenfalls hin. Bald nach Duges wurde selbständig von anderer Seite und zunächst
an anderem Objekte eine genetische Verschiedenheit der knöchernen Schädelelemente
festgestellt. Reichert (1886, 1837, 1838), der ün Anschluß an Rathke's Arbeiten
die Visceralbogen verfolgte, lehrte zunächst die Schicksale kennen, die die knorpeligen
„Visceralstreifen" bei Vögeln und Säugern erleiden; er zeigte ferner, daß nur ein
Teil der Gesichtsknochen durch Verknöcherung dieser Knorpel entstehen, andere
aber, ohne daß vorher in ihrem Blastema eine knorpelige Substanz zu entdecken ist.
Von dem das Gehirn bergenden Teil des Schädels giebt Reichert auch für die
höheren Wirbeltierformen an, daß er noch im Knorpelzustand kontinuierlich sei.
durch den Ossifikationsprozeß aber in 3 Schädelwirbel zerlegt werde. Dabei laufen
denn freilich auch merkwürdige Irrtümer unter, wie der, daß auch die Frontalia und
Parietalia der höheren Wirbeltiere aus Knorpel hervorgehen. Eine Konsequenz dieser
Vorstellung ist die, daß die Frontalia und Parietalia bei den Knochenfischen, die
noch ein vollständiges oder lückenhaftes knorpeliges Schädeldach besitzen, gar nicht
den gleich benannten Stücken der höheren Formen entsprechen, auch gar nicht in-
tegrierende Bestandteile des Schädels sind, sondern der Haut angehören und für den
Kopf das Gleiche sind wie die Schuppen für den Rumpf. Die bei der Entwickelung
des Schädels der Natter gewonnenen Erfahrungen veranlaßten dann Rathke (1839),
auch die Kraniogenese anderer Wirbeltiere zu untersuchen, und die Ergebnisse ge-
statteten, allgemein giltige Grundgesetze der Schädelentwickelung bei allen Wirbel-
tieren aufzustellen. Dabei gelangte auch Rathke zur Scheidung von zweierlei
Komponenten des Schädels : eines Abschnittes, der auf die „Belegungsmasse der
Wirbelsaite" zurückführbar und somit gleichen Ursprungs ist wie die Wirbelsäule,
und eines zweiten, bei dessen Elementen das nicht der Fall ist. Im einzelnen be-
sitzen die letzteren eine verschiedene Bedeutung: einige sind Schaitknochen, d. h.
Ergänzungsstücke der aus der Belegungsmasse entstandenen Abschnitte (Frontalia,
Parietalia u. a.), andere sind „Belegungsknochen" in der Nähe solcher Abschnitte.
Eine präcise Fassung erfuhren die bisher mehr oder minder klar erkannten That-
sachen durch Jacobson (1842), der das embryonale „Primordialcranium" bei Säugern
und dem Menschen beschrieb und scharf zwischen zwei Kategorieen von Knochen unter-
schied: solchen, die knorpelig präformiert sind, durch Verknöcherung des Primordial-
craniums entstehen, und solchen, die an der Außenseite des letzteren in Membranen
sich bilden. In zustimmender Weise sprachen sich zu den jACOBSON'schen Aus-
führungen JoH. MÜLLER (1843), Stannius (1846), Owen (1846), Bergmann (1846)
aus, und namentlich der letztere hat die große Bedeutung der Genese für die Be-
624 E. Gaupp,
trachtung des Wirbeltierschädels scharf formuUert. Vor allem aber war es Kölliker,
der, nachdem er schon 1846 durch Spöndli den Primordialschädel der Säuger und
des Menschen hatte untersuchen lassen, 1849 in einem größeren Aufsatz alles bis
dahin über die Schädelentwickelung Bekannte zusammenfaßte und durch eigene Be-
obachtungen vermehrte, manche Einwände (namentlich von A. Bidder auf Ver-
anlassung Reichert's erhoben) zurückwies und damit der Lehre von dem Aufbau
des Wirbeltierschädels eine feste allgemein giltige Form gab. Kölliker stellt als
Thatsachen fest: das Vorkommen eines knorpeUgeu Primordialschädels bei allen
Wirbeltieren und die doppelte Genese der Schädelknochen : die einen (primären
oder primordialen) entstehen als Verknöcherungen des Primordialcraniums und
sind demnach knorpelig vorgebildet, die anderen (sekundären, Deck- oder Be-
legkuochen) bilden sich ohne Anteil des Primordialcraniums außen von dem-
selben in weichem Blastem.
Mit Kölliker's Aufsatz kam die Lehre vom Aufbau des Wirbeltierschädels
vorerst zu einem Abschluß, und die verschiedenen Komponenten wurden in der
Folge mehr für sich Gegenstand der Untersuchung. Das Interesse für den Knorpel-
schädel ist besonders durch Huxley (1858) und Gegenbaur (1872) neu belebt
worden; durch Huxley, der die Einheitlichkeit seines für alle Wirbeltiere giltigen
Grundplanes und die Kontinuität seiner Wände als Momente gegen die Wirbeltheorie
ins Feld führte und mehrere jetzt gebräuchliche Termini einführte, und Gegen-
BAUR, der durch seine Darstellung des Selachierschädels die sichere Grundlage für
eine rationelle Betrachtung des ausgebildeten Primordialcraniums schuf. Ihnen reihen
sich an : Leydig (Saurier, 1872), Parker (alle Wirbeltierklassen in zahlreichen Ar-
beiten), Born (Nasenskelett von Amphibien und Re])tilien ; erste Verwendung der
Plattenmodelliermethode!), Stöhr (Amphibien, Salmo), Gaupp (Rana, Lacerta),
KiNGSLEY, J. Platt, Peter (verschiedene Amphibien), Winslow (mehrere Ich-
thyopsiden), Neumayer (Cyclostomen), Schauinsland, Howes and Swinnerton
(Hatteria), Suschkin, Tonkoff (Vögel), Sewertzoff (Selachier und Ascalabotes),
Decker, Fischer (Säuger), Jacoby, Levi (Mensch). In mehreren Arbeiten habe
ich selbst versucht, feste Gesichtspunkte für specielle Vergleichungen aufzustellen
und allgemein verwendbare Bezeichnungen zu schaffen. Die Bestrebungen, die auf
die Erforschung des Urzustandes des Knorpelcraniums gerichtet sind, und die über
diese Frage geäußerten Anschauungen wurden schon oben besprochen (S. 598 u. ff.).
Durch Kölliker's Aufsatz von 1849 war aber zugleich auch die Basis für
eine Betrachtung der knöchernen Elemente des Schädels gewonnen. Wie Bergmann,
so erklärte auch Kölliker, daß für die Entscheidung über die anatomische Bedeutung
eines Knochens die Genese das oberste Kriterium bilde, und daß in der vergleichenden
Osteologie nur primäre Knochen mit primären. Deckknochen mit Deckknochen ver-
glichen werden dürfen. Für die Unterscheidung beider Kategorieen kam dabei in
erster Linie das histogenetische Moment in Frage, daneben aber auch das morpho-
logische, auf den Beziehungen zum Primordialcranium beruhende. Auch war Kölliker
schon bekannt, daß bei der Entwickelung einiger Deckknochen Knorpel gebildet
wird, der mit dem Primordialcranium nichts zu thun hat, und schon 1850 stellte er
das lokale, topographische Prinzip bei der Knochenentwickelung über das rein histo-
genetische. Im allgemeinen wird aber doch in der Folgezeit das histogenetische
Prinzip ganz oder fast ausschließlich betont und findet in den kurzen Bezeichnungen
Knorpelknochen und Bindegewebsknochen seinen Ausdruck. Auf dieser Grundlage
hat namentlich C. Bruch für die vergleichende Skeletogenese Außerordentliches ge-
leistet. Die Bedeutung des histogenetischen Prinzips wurde aber schwer erschüttert
und geradezu vernichtet durch die Befunde, die sich aus einem genauen Studium
der Osteogenese ergaben. Vor allem H. Müller (1858) und Gegenbaur (1864,
1867) zeigten, daß auch die Verknöcherung der knorpelig präformierten Knochen ein
neoplastischer Vorgang ist, bei dem der Knorpel zerstört und durch Knochengewebe
ersetzt wird, das in letzter Instanz der Thätigkeit von Osteoblasten, die ursprünglich
im Perichondrium lagen, seine Entstehung verdankt. Somit ergab sich als Quelle
für alle Knochenbildung die Umgebung des Knorpels und an die Stelle der
dualistischen Auffassung der knöchernen Elemente konnte eine monistische gesetzt
werden. Dies geschah durch Gegenbaur. Mit besonderem Nachdruck hebt
Gegenbaur die Thatsache hervor, daß ontogenetisch wie phylogenetisch die sog.
primären Knochen als Auflagerungen auf intaktem Knorpel entstehen, daß sie in
diesem Zustand bei gewissen Formen (Teleostier, Alepocephalus) zeitlebens verharren
können, während sich bei anderen das Einwuchern in den Knorpel anschließt. So
ergiebt sich thatsächlich der endochondral entstehende Knochen als der sekundäre,
während der perichondrale der eigentlich primäre ist; beide Bezeichnungen drücken
aber keine fundamentalen Verschiedenheiten aus^ sondern nur bestimmte Zustände,
die sich besser als Entwickelungsphasen betrachten lassen. Einen weiteren wichtigen
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 625
Schritt that Gegenbaur 1870 mit seiner Deutung der Deckknochen an der
Schädeloberfläche als ursprünglicher Hautossifikationen. Daß die an der Schädel-
oberfläche gelegeneu Knochenstücke bei manchen Fischen, namentlich den Acipen-
seriden, ihrer Lage nach den wirklichen Hautossifikationen zuzuzählen seien, war
früher schon mehrfach betont worden und K. E. v. Baer, Reichert, Kölliker
hatten die fraglichen K^^nochen daher aus der Reihe der integrierenden Schädelknochen
gestrichen und den Schuppen zugezählt. Dagegen waren sie von Huxley (1864)
den Komponenten des Schädels zugeteilt und mit den Parietalia, Frontalia, Squamosa
u. s. w. verglichen worden. Es hatte ferner Williamson (1849, 18r)l) gezeigt, daß
bei den Fischen durch Verschmelzung mehrerer placoidschuppenähnlicher Haut-
zähnchen größere Knochenplatten entstehen können, während Leydig (1853) nach-
wies, daß bei Polypterus die Deckknochen an der Oberfläche des Kopfes denselben
histogenetischen Bau bieten wie die Schuppen des Rumpfes, daß sie demnach auch
als Verknöcherungen der Lederhaut, als Schuppen des Kopfes aufzufassen seien.
Alle diese Thatsachen vereinend stellte Gegenbaur die Anschauung auf, daß die
Deckknochen an der Oberfläche des Kopfes ursprüngliche Ossifikationen des Integu-
mentes seien, die durch die topographischen Beziehungen zum Primordialcranium
eine besondere Bedeutung erlangt haben. — Auf den von Gegenbaur geschaffenen
Grundlagen bauten Vrolik und O. Hertwig in verschiedenem Sinne und in ver-
schiedener Richtung weiter. Vrolik (1873) hat das Verdienst, das verschiedene
Verhalten der primordialen Knochen zum Knorpelschädel bei den Teleostiern aus-
führlicher kennen gelehrt zu haben: ihr erstes Auftreten als perichondrale Lamellen
auf intaktem Knorpel und ihr allmähliches Eindringen in den letzteren. Daneben
weist er auf einige funktionelle Beziehungen hin, die vielleicht als kausale Momente
für das Auftreten der Knochen in Betracht kommen : einige erscheinen als Integument-
knochen mit der ursprünglichen Bestimmung, Schleimkanäle zu schützen, andere al»
Ossifikationen au Stellen, wo Muskelzug wirksam ist. Den bezüglich der Herkunft
der Schädeldeckknochen von Gegenbaur aufgestellten Gedanken verfolgt O. Hertwig
(1874, 1876, 1879, 1882) weiter und gelangt dabei zu einer einheitlichen Auffassung
aller Deckknochen des Schädels und Zurückführung derselben auf Haut- resp.
Schleimhautzähne in der oben (p. 613) auseinandergesetzten Weise, andererseits aber
auch, ebeu auf Grund dieses Momentes, zu einer bestimmten Gegenüberstellung der
Deckknochen und der primordialen Knochen. Die Elemente beider Kategorieen haben
nichts miteinander zu thun und können auch nicht ineinander übergehen. Hertwig's
zunächst nur an Urodelen gemachte Befunde, daß zahntragende Knochen durch
direkte Konkrescenz von Zahnsockeln entstehen, ist in der Folge vielfach auch für
Fische bestätigt worden (Rose, Walther, Friedmann), und demzufolge hat sich
die HERTWiG'sche Anschauung ziemlich allgemein Geltung verschafft. Dagegen ist
die Frage nach dem Verhältnis der Deckknochen zu den primordialen Knochen noch
wiederholt Gegenstand von Kontroversen gewesen, die jedenfalls das Gute gehabt
haben, daß die Entwickelung der Schädelknochen bei einigen Formen genauer unter-
sucht wurden. Besonders geschah dies mit denen der Fische mit knöchernem
Schädel, auf deren Bedeutung Gegenbaur schon einmal (1867) hingewiesen hatte.
Zunächst kam Gegenbaur (1878) selbst noch einmal auf sein früheres Unter-
suchungsobjekt (Alepocephalus rostratus) zurück imd bestimmte hier genauer das
Verhalten der einzelnen Elemente zum Primordialcranium. Auch diese Untersuchung
führt ihn dazu, zu betonen, daß alle Knochen bildung am Primordialcranium ur-
sprünglich eine oberflächliche ist und daß das Einwachsen des Knochens in den
Knorpel und Zerlegung des letzteren in knöcherne Territorien sekundäre Vorgänge
sind. Dem Vorhandensein oder J'ehlen einer Bindegewebsschicht zwischen dem
Knorpel und dem aufliegenden Knochen schreibt daher Gegenbaur keine prinzipielle
Bedeutung zu; trotzdem nimmt auch er eine Unterscheidung einzelner Kategorieen
von Knochen an, aber nicht nach den früher maßgebenden Kriterien, sondern auf
Grund der ursprünglichen Herkunft, der Phylogenese: man kann dermatogene
Knochen unterscheiden, die aus dem Hautskelett hervorgehen, und autogene, für
welche das nicht erwiesen ist. Fast gleichzeitig (1879) nahm auch Kölliker aufs
neue Stellung zu der Frage; er hält dabei an der Unterscheidung der Deckknochen
und der primordialen Knochen fest, läßt aber dabei als Kriterium das histogenetische
Prinzip zurück- und das morphologische hervortreten : die primordialen Knochen sind
Verknöcherungen des (knorpeligen) Primordialskelettes, die Deckknochen, außerhalb
dieses Skelettes gebildet, sind mit Wahrscheinlichkeit Haut- oder Schleimhaut-
ossifikationen. Die pnmordialen Knochen entstehen zuerst perichondral, dann peri-
chondral und endochondral. Die Ausdrücke perichondrale Knochen und Deckknochen
sind nicht gleichbedeutend. — Die Schädelknochen der Fische sind das speciellc
Untersuchungsobjekt von van Wijhe (1880, 1882), Walther (1882), Göldi (1884),
ScHMiD-MoNNARD (1883), SAGEMEHL (1884, 1885, 1891), Friedmann (1897), Schleif
Handbuch der Entwickelungslehre. HI. 2. 40
626 E. Gaupp,
(1903). VAN WlJHE, der das Visceralskelett der Ganoiden behandelt, steht im all-
gemeinen auf dem Boden der Lehre von den zwei Kategorieen knöcherner Elemente,
fügt aber der KÖLLiKER-HERTWiG'schen Auffassung mehrere wichtige Punkte zu,
besonders: 1) nicht alle Deckknochen sind durch Verschmelzung von Zähnen oder
Schuppen entstanden, sondern in allen Formen des Bindegewebes können solche
Ossifikationen auftreten; 2) bei einem Knochen, der phylogenetisch knorpelig präfor-
miert erscheint, kann in einer specieUen Ontogenese das Knorpelstadium unterdrückt
werden, es kann also auch ein primordialer Knochen häutig präformiert sein; 3) ge-
wisse Knochen der Ganoiden besitzen Doppelnatur, indem sie Charaktere von Deck-
knochen mit solchen von primordialen Knochen vereinen : hier kann Verschmelzung
zweier Komponenten (die van Wijhe durch die Vorsilben Dermo- und Auto-
bezeichnet) oder Einwuchem einer Hautossifikation in den Knorpel oder Ausbreitung
einer Knorpelossifikation in das umliegende Gewebe vorliegen, aus dem Vergleich ist
in einigen Fällen zu schließen, daß es sich um Verschmelzung zweier Komponenten
handelt; 4) überall, wo an einem Knorpel ein starker Druck oder Zug ausgeübt
wird, kann wahrscheinlich eine Verknöcherung auftreten und unter der Wirkung
solcher kausaler Momente sind viele primordiale Knochen wahrscheinlich ent-
standen zu denken. In einigen Punkten widersprechend lauten die Resultate
Walther's. Derselbe beobachtete zwar, daß ein aus Zahnkonkrescenz entste-
hender Knochen (Palatinum des Hechtes) allmählich in das Perichondrium einwachsen
kann, glaubt jedoch, daß ein weiteres Vordringen (in den Knorpel) bei einem solchen
Knochen nicht möglich sei. Daß dieser Vorgang aber doch vorkommt, zeigte
Friedmann am Pharyngeum inferius von Cyprinus und ebenso lehrte Schmid-
MoNNARD im Squamosum der Teleostier einen Knochen kennen, der, im Binde-
gewebe als Deckknocheu entstehend, sich im Laufe seiner Entwickelung dem
Schädelknorpel anlegt und dann alle Wachstumserscheinungen perichondral ent-
standener Knochen darbietet ; Öchmid-Monnard bestätigte so die Auffassung, die
schon Gegenbaur und Vrolik von dem fraglichen Knochen gehabt hatten. Daß
dieser Vorgang auch sonst bei den Teleostiern vorkomme (Vomer, Supraethmoidale),
machte Sagemehl durch Vergleich der ausgebildeten Zustände wahrscheinUch ; Sage-
mehl's Arbeiten sind im übrigen die wertvollsten Beiträge zur Osteologie der Tele-
ostiercranien, und speciell der schon in Gegenbaur's, Hertwig's und van Wijhe's
Anschauungen zum Ausdruck kommende Gedanke, daß ein jedes Knochenindividuum
seine specielle Geschichte hat, und daß diese Geschichte unbefangen und ohne
dogmatische Voreingenommenheit zu verfolgen ist, ist gerade von Sagemehl scharf
und bestimmt ausgesprochen worden. Aus Schleip's Untersuchungen endlich er-
giebt sich, daß Knochen mit Mischcharakteren sowohl durch Verwachsung zweier
selbständig angelegter Komponenten wie durch Uebergreifen eines Deckknochens auf
das Perichondrium mit anschließender endochondraler Verknöcherung entstehen
können ; auch hat Schleip gewisse Besonderheiten der primordialen Knochen ge-
nauer kennen gelehrt: das starke chondrifugale Wachstum, während sie noch intaktem
Knorpel aufliegen, sowie die Verknöcherung von Membranen, die ihrer Lage nach
als nicht verknorpelte Teile der Anlage des Primordialcraniums betrachtet werden
müssen.
Die schon Kölliker (1849) bekannte Thatsache, daß bei der Entwickelung des
Unterkiefers der Säuger, also eines typischen Deckknochens, Knorpel gebildet wird,
der mit dem Primordialcranium nicht zusammenhängt, ist seitdem ebenfalls mehrfach
behandelt worden, vor allem sehr ausführlich von Stieda (1875) und Schaffer (1888).
So haben also die Untersuchimgen gelehrt, daß ihrer Histogenese nach die
Knochen sich prinzipiell gleichartig verhalten, daß ferner auch die knorpelige oder
häutige Präformation nicht in dem Maße einen Gegensatz bedinge, als früher ange-
nommen wurde, daß endlich manche Skelettstücke auf diese oder jene Art Misch-
charaktere erlangen. Die Frage, ob unter diesen Umständen an einer Unterscheidung
mehrerer Kategorieen von Schädelknochen festgehalten werden müsse, habe ich selbst
mehrfach erörtert (1895, 1901, 1903) und bejaht. Als Unterscheidungsmerkmal stellte
ich dabei (1901) die ursprüngliche Genese oder die ursprüngliche Lokalität der
Knochen bildung hin : gewisse Knochen sind ursprünglich in der weiteren Um-
gebung des Primordialcraniums entstanden und sind erst sekundär in den Bestand
des Schädels eingetreten, die Knochen der zweiten Kategorie entstanden von vorn-
herein im Perichondrium des Knorpelschädels. Die Elemente beider Kategorieen
machen ihre selbständige Geschichte durch und können im Verlauf derselben ge-
wisse Charaktere der anderen Kategorie erlangen. Die Knochen der ersten Kategorie
sind die Deck- oder Belegknochen (Mantelknochen, Ossa investientia) , die der
zweiten Kategorie sind die primordialen der alten Nomenklatur, als bessere Be-
zeichnung empfiehlt sich Ersatzknochen (Ossa substitientia), da sie bestimmt sind,
einen Teil des in schwächerem Material aufgebauten provisorischen Skelettgerüstes
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 627
durch Stücke aus festerem Material zu ersetzen. Kürzere Gegensätze wären: Auto-
st osen {=^ Ersatzknochen) und Allostosen (= Deckknochen) (Gaupp 1895).
Die KöLLiKEP.'schen Bezeichnungen, primäre und sekundäre K. , enthalten einen
Fehler, da gerade die Deckknochen (die sog. sekundären K.) phylogenetisch und
ontogenetisch die ursprünglicheren sind.
Die hier gegebene Darstellung schließt sich an meinen Aufsatz von 1901 an,
in dem die ganze Frage eine viel eingehendere und ausführlichere Behandlung er-
fahren hat.
II. Speeielle Eiitwickehiiigsgeschichte des Kopfskelettes.
Amphioxus.
Beim Amphioxus finden sich im Bereiche des vorderen Körper-
endes außer der Chorda dorsalis, den ihr ansitzenden häutigen Bogen-
bildungen und den ebenfalls häutigen Myocommata noch dreierlei dem
Skelett zugerechnete Bildungen: der Cir renring mit den Cirren-
stäbchen. die Velartentakel und das Kiemen skelett.
Der Girren ring mit den Girren Stäbchen entsteht (Klaatsch),
wie die Girren selbst, bei der Metamorphose, und zwar tritt seine An-
lage genau an der Stelle auf, wo vor diesem Zeitpunkt die sogenannte
kolbenförmige Drüse, ein noch rätselhaftes entodermales Organ lag,
das kurz vor der Metamorphose verschwindet. Danach hält Klaatsch
es für möglich , daß die* kolbenförmige Drüse die Anlage des Cirren-
skelettes darstelle, letzteres also eine entodermale Entstehung habe.
WiLLEY hält es für mesodermal.
Auch über die histologische Struktur und die Stellung des Girren skelettes zu
anderen Skelettbildungen gehen die Anschauungen auseinander. Unterschieden werden
der zellige Inhalt und die kernlose Hülle der Stäbe. Die letztere besteht nach
V. WlJHE aus hyaliner Knorpelgrundsubstanz und wird von den Zellen in der Achse
des Stabes abgeschieden. Als Abscheidungsi^rodukt (Basalmembran) der Innenzellen
wird sie auch von Joseph betrachtet. Der von letzterem beschriebene Halbcylinder,
der dem einzelnen Cirrenstab anliegt, ist ein Umwandlungsprodukt der Cutis (Joseph).
Ueber die Entstehung der Velar tentakel liegen gar keine be-
stimmten Beobachtungen vor; ihrer Struktur nach sind sie den Kiemen-
stäbchen ähnlich.
Die Stäbe des Kiemen skelettes werden von Benham, Joseph
und VAN WijHE als mesodermale Bildungen betrachtet (im Gegensatz
zu Spengel. der sie für ecto- und entodermale Ausscheidungsprodukte
ansah). Joseph bezeichnet sie als Differenzierungsprodukte des Binde-
gewebes der Kiemenbogen und führt das letztere seiner Herkunft nach
auf das Gölomepithel zurück. Auch aus dem Verhalten der Abschnitte
der Kiemenstäbe, die im Bereiche des Schlundvorhofes liegen, folgert
VAN WijHE die bindegewebige Entstehung: die Stäbe liegen hier
innerhalb der mit Endothel belegten bindegewebigen Lamelle des epi-
branchialen Göloms.
VAN WiJHE schildert die Kiemenstäbe als aus verklebten elastischen Fasern be-
stehend und bestreitet ihre Knorpelnatur ; Joseph sieht in der Substanz der Kiemen-
stäbe eine Vorstufe des Knorpels der Cranioten.
Cyclostomen.
Eine einigermaßen zusammenhängende Darstellung von der Ent-
wickelung eines Gyclostomenschädels hat nur W. K. Parker (1883)
gegeben ; sie bezieht sich auf Petromyzon. Beobachtungen , die sich
nur auf einzelne Punkte beziehen, liegen auch von anderer Seite vor.
40*
628 E. Gaupp,
Die Schädelentwickelimg von Myxiiie und Bdellostoma wurde bisher
nicht verfolgt.
Die morphologische Auffassung aller Teile des Cyclostomenschädels
ist noch nicht genügend gesichert, und daher läuft eine Einteilung
nach dem Schema der Gnathostomenschädel Gefahr, unbewiesenes
zum Ausdruck zu bringen. Doch ist zweifellos, daß der von Huxley
1876 durchgeführte Vergleich des Cyclostomenschädels mit dem Kaul-
quappenschädel sehr viel für sich hat, und so bin ich im Nachfolgenden
auch der HuxLEY-PARKER'schen Nomenklatur gefolgt. Eine erneute
Untersuchung ist aber doch sehr notwendig.
Das Kopfskelett des Ammocoetes ist erheblich, einfacher als das des umge-
wandelten Petromyzon; zahlreiche Teile werden erst bei der Metamorphose neu ge-
bildet , andererseits erfahren schon vorhandene Knorpel bei der Metamorphose eine
beträchtliche Vergrößerung. Die Knorpelstücke, die ganz neu entstehen (Knorpel in
der Umgebung des Mundes, der sogen. Palatoquadratknorpel und die als Repräsen-
tanten des Hyalbogens gedeuteten Stücke), treten an Stelle von Gewebspartieen, die
als Schlei mknorpel (Schneider 1879) bezeichnet werden und bei Ammocöten eine
große Verbreitung besitzen. Doch wird nicht sämtlicher Schleiraknorpel von Ammo-
coetes in Hyalinknorpel luugewandelt; die sonstigen Schicksale des Schleimknorpels sind
allerdings noch nicht genügend verfolgt, und nur das ist Thatsache, daß bei Petro-
myzon keine Spur von ihm mehr gefunden wird (Schaffer). Die histologischen
Vorgänge bei der Bildung des Hyalinknoriiels auf schleim knorpeliger Grundlage sind
von Schaffer beschrieben worden.
Für den Abschnitt des Schädels, der zweifellos als neuraler
zu bezeichnen ist, ist charakteristisch, daß er nur drei Regionen dar-
bietet: die Ethmoidal-, Orbito-temp oral- und Labyrinth-
region. Eine Occipitalregion fehlt; der Glossopharyngeus und Vagus
treten hinter der Oberkapsel aus, und in einiger Entfernung dahinter
folgt, der Chorda aufsitzend, der erste Wirbelbogen. Im Sinne der
FÜRBRiNGER'schen Nomenklatur (p. 597) repräsentiert somit das Cy-
clostomencranium ein P a 1 ä o c r a n i u m (Autocranium).
Bei Ammocoetes legen sich nach Sewertzoff (1897, 1899) die
ersten Skelettteile auf einem Stadium an, wo eine Kopfkrümmung des
Gehirns kaum vorhanden ist. Ventral vom Gehirn, resp. vom Opticus,
bilden sich zwei lange Knorpelstücke, welche mit ihren rostralen Enden
die Hypophyse umgreifen und mit ihrem kaudalen Ende an beiden
Seiten des Vorderteiles der Chorda dorsalis liegen (Fig.32G). Ihre Lage ist
aus dem anfangs erwähnten Grunde nahezu horizontal, d. h. sie setzen
die Pachtung der Chorda dorsalis fort. Es sind dies die Trabe culae
cranii. An beiden Seiten der Chorda (doch hinter der Spitze der-
selben), vor den Ohrkapseln, bilden sich ferner zwei kleine Knorpel, die
Sewertzoff vordere Parachordalia nennt: mit diesen verwachsen
die hinteren Enden der Trabeculae, und so bildet sich jederseits die
dem vorderen Chordaende anliegende (hintere) Trabecu lar platte
aus. Als drittes Paar selbständiger Gewebe schildert Sewertzoff
hintere Parachordalia. Diese entstehen auch lateral von der
Chorda, aber medial von der hinteren Partie der Ohrblasen, als läng-
liche Knorpelplatten. Sie liegen epaxial, d. h. dorsal von der Achse
der Chorda und überragen dorsal die vordersten kleinen Myotome ; sie
beginnen nach Sewertzoff zwischen dem ersten und dem zweiten,
und endigen zwischen dem zweiten und dritten metotischen Kopf-
myotom. Schon im Prochondralstadium erfolgt eine Verbindung der
hinteren Parachordalia mit den proximalen Enden der ersten Kiemen-
bogenknorpel, die den kaudalen Parachordalenden anwachsen. Später
verwachsen die hinteren Parachordalia mit der Trabecularplatte (= vor-
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 629
deren Parachordalia, mit denen die Trabeculae verwachsen sind), und
bilden so den knorpeligen Boden des chordalen Schädelabschnittes.
Hinter dem Vagus bildet sich ein in den Schädelaufbau eingehendes
Parachordale nicht mehr aus ; der Vagus tritt auch beim erwachsenen
Tier zwischen Ohrkapsel und vorderem Rumpfwirbelbogen aus, d. h.
das einheitliche Parachordale entspricht nur der Pars otica des
Parachordale der Gnathostomen.
Bezüglich der Abstammung des für die ersten Schädelteile verwendeten Bildungs-
materials finden sich bei Koltzoff (1902) einige Andeutungen. Danach beteiligt
sich das Skierotom des ersten Somites (dessen Myotom die Oculomotoriusmuskulatur
liefert) anscheinend an der Bildung des Balkens, während das vordere Parachordale
Sewertzoff's im Skierotom des zweiten Somites (Myotom = Trochlearismuskulatur)
sichtbar wird. Am hinteren Teil des Parachordale scheint das Skierotom des dritten
Somites beteiligt. Auf die weiteren Angaben bezüglich der sonstigen Herkunft der
Mesenchymzellen einzugehen, ist hier nicht der Ort.
Das vordere Parachordale ist von Sewertzoff zuerst gefunden, be-
schrieben und benannt worden. Die Berufung Sewertzoff's auf v. Kupffer ist
nicht richtig; Kupffer erwähnt (1896) den Namen „vorderes Parachordale" über-
haupt nicht, und von den beiden parachordal entstehenden Knorpelstreifen, die er
beschreibt, ist der hintere der hypochordale Längsstab des Kiemengerüstes und hat
somit mit dem neuralen Schädel nichts zu thun. Die anderen von Kupffer er-
wähnten Parachordalknorpel, ,, welche die Verbindung der Trabeculae cranii mit der
Chorda vermitteln", sind somit die dem neuralen Cranium zufallenden Parachordalia
kurzweg; eine weitere Teilung in einen vorderen und einen hinteren Abschnitt, wie
Sewertzoff sie beschreibt, h^t Kupffer nicht erwähnt. Koltzoff (1902) be-
streitet sogar die Selbständigkeit der Trabeculae von den Parachordalia und läßt
beide zusammen entstehen. Daß dies den Angaben Sewertzoff's entspreche, wie
Koltzoff annimmt, ist aber unrichtig; gerade Sewertzoff beschreibt Trabeculae,
vordere und hintere Parachordalia als selbständige Elemente und vergleicht das
vordere Parachordale mit der (hinteren) Balkenplatte, und das hintere Parachordale
mit dem mesotischen Knorpel der Amphibien,
Die Art, wie die Verbindung des Kiemenskelettes mit dem Schädelbalken zu
Stande kommt, schildert Schaffer anders als oben dargestellt. Nach Schaffer
wächst das dorsale Ende des Branchiale I (s. u.) in einen nach vorne gerichteten
parachordalen Knorpelstab aus, der mit dem kaudalen Ende des Schädelbalkens
verwächst. In Einklang mit der SEWERTZOFF'schen Darstellung ist diese Angabe
nur durch die Annahme zu bringen, daß zwar eine selbständige prochondrale Anlage
des Parachordale (resp. des vorderen und hinteren Parachordale) besteht, die Ver-
knorpelung aber kontinuierlich vom Branchiale I nach vorn hin fortschreitet. Jeden-
falls sind hier noch so viel Widersprüche vorhanden, daß die Dinge schlechterdings
neu untersucht werden müssen.
Die Verbindung, die der erste Kiemenbogenknorpel mit dem Parachordale ein-
geht, hat wohl zu der Anschauung Hatschek's geführt, daß das Parachordale und
der Balken des Ammocoetesschädels als dorsale Elemente (Stützplatten) der ersten
(zwei?) Kiemenbogen aufzufassen seien.
Die vorderen Parachordalia liegen anfangs erheblich hinter der
Chordaspitze, so daß diese selbst in die vordere basikraniale Fontanelle
frei vorspringt (Fig. 326, 327). Später dehnen sich die Knorpelmassen
weiter nach vorne aus, doch ragt auch noch beim metamorphosierten
Tier die Spitze der Chorda über den Vorderrand der Basalplatte frei
vor (Fig. 329). Die beiderseitigen Parachordalia kommen streckenweise
auch dorsal und ventral von der Chorda zur Vereinigung, so daß
eine einheitliche Basal platte resultiert, in der die Chorda zeitlebens
erhalten bleibt.
DieOhrkapsel findet Parker schon bei einem 7,8 mm langen
Embryo von Petromyzon Planeri verknorpelt und nur mit einer großen
Lücke in der medialen Wand (primäre Fenestra acustica) versehen, im
übrigen von dem Parachordale durch einen Zwischenraum getrennt.
Im Laufe der weiteren Entwickelung verbreitert sich das Parachordale
in der Mitte der Ohrgegend und verbindet sich eine Strecke weit
630
E. Gaupp,
mit dem medial-ventralen Rande der Ohrkapsel, unterhalb der Fenestra
acustica. Dies geschieht noch vor der Metamorphose (Fig. o26 — 328).
Fig. 326.
Trabecula
Palatoquadr.
Caps, aitdit.
Parachordale
Chorda dorsaUs
Caps, nas..
Plan, trabec ant.
Trabecuh
Palatoquadr.
Capsula audit.
Chorda dors
Fig. 326. Schädelanlage bei einem 7,8 mm langen Embryo von Petromyzon
Planeri; von unten. lOOmal vergr. Nach W. K. Parker.
Fig. 327. Schädel einer 6 Zoll langen Larve von Petromyzon fluviatilis; von
oben. lOmal vergr. Nach W. K. Parker.
Durch die primäre Fenestra acustica, wie ich die große Lücke der
medialen Wand (Fig. 329) nennen will, tritt der N. acusticus in die Ohrkapsel.
Vor der Ohrkapsel tritt der Trigeminus aus, hinter der Ohrkapsel der Glosso-
pharyngeus und Vagus. Der Facialis tritt, wie Schneider (1879) fand, und
Wiedersheim (1880) und Hatschek (1892) bestätigen, mit dem Acusticus in die
Ohrkapsel und verläßt diese wieder durch ein Foramen, das vorne an ihrem Boden
gelegen ist. Dies Verhalten gleicht dem, das manche LTrodelen zeigen. (Parker
läßt den Facialis mit dem Trigeminus zusammen vor der Ohrkapsel auftreten, also
wie bei den Anuren ; doch findet sich auf einer seiner Abbildungen das Foramen
des Ohrkapselbodens, das Schneider als Facialisaustrittsöffnung bezeichnet. Seine
Bedeutung ist Parker unbekannt geblieben. Neumayer erwähnt von den Nerven
luid ihrem Verhalten zum Schädel gar nichts.)
Erst bei der Metamorphose tritt im Gebiet der vorderen Ohr-
kapselhälfte eine obere Randleiste am medial-dorsalen Rande der
Kapsel auf, die medialwärts in das häutige Schädeldach vorspringt
und auch (aber sehr spät, Bujor) eine Strecke weit mit der der
anderen Seite verschmilzt, so ein schmales Knorpeldach der Schädel-
höhle bildend. Außerdem geht die Leiste einer jeden Seite in die
Seitenwand der Orbito-temporalregion kontinuierlich über (Fig. 329).
Die gleiche Randleistenbildung zeigen die Anuren.
Die Trabeculae, die anfangs vorn frei endigen, vereinigen sich
später mit ihren Vorderenden , so daß eine quergelagerte Platte
Die Entwickelung des Kopfskelettes.
631
(vordere Trabecularplatte möge sie heißen) und eine große F e -
nestra basicranialis anterior zu stände kommen (Fig. 326, 327).
Noch vor der Metamorphose be-
ginnt sich vorn im Anschluß an
den oberen Rand des Schädel-
balkens die Schädelseitenwand
der Orbito - temporalregion zu
bilden. Erst bei der Metamor-
phose kommt es (Parker und
BujOR zufolge) zu einer voll-
ständigen Verknorpelung der
Schädelseiten wand, in der jedoch
eine große Lücke ausgespart
bleibt, die vom Opticus (und den
anderen Augenmuskelnerven '?)
zum Durchtritt benutzt wird. Es
bildet sich somit ein hinterer
Seitenwaudpfeiler (vor der Ohr-
kapsel), der mit dem vorderen
Seitenwaudpfeiler durch eine
dorsale Randspange vereinigt
wird, sich aber außerdem über
dem Trigeminus mit der Ohr-
kapsel verbindet. So kommt
zwischen der letzteren und der
Fig. 328.
Cornu trabec.
Palato-
quadr.
Epikeraio-
hyale
Plan, basale
Ca2)s. audit
Fig. 329.
Comic trabec.
Chorda
dors.
Fen. subocular
Fen. acust.
For. proot.
Epikeratohyale
Palatoquadr.p^^^^ ojoitca
Fig. 328. Schädel eines noch nichl vÖUig umgewandelten Petromyzon marinus
von 4 Zoll Länge. 8mal vergr. Von oben, ohne die Nasenkapsel, Lippen- und
Zungenknorpel. Nach W. K. Parker.
Fig. 329. Schädel eines kürzlich umgewandelten Petromyzon marinus von
5 Zoll Länge, median durchschnitten. Rechte Hälfte von innen ; ohne Nasenkapsel,
Lippen und Zungenknorpel. 8mal vergr. Nach W. K. Parker.
In den Figg. 327 (p. 630) und 328 bestehen die getönten Partieen, Parker's
Angaben zufolge, aus „hard cartilage", die ungetönten, nur punktierten aus „soft
cartilage".
orbitotemporalen Schädelseitenwand ein Foramen zu stände, das durch-
aus dem Foramen prooticum der Amphibien gleicht (Fig. 329).
Einer Angabe von Wiedersheim zufolge scheint auch der Abducens
hier auszutreten. Es findet ferner eine beträchtliche Einengung der
Fenestra basicranialis anterior statt, indem in deren vorderer, beim
632 E. Gaupp,
Ammocoetes nur membranös geschlossener Hälfte zwischen beiden
Trabekeln sich ein knorpeliger Schädelboden ausbildet. Nach Parker
entsteht derselbe selbständig („hintere Intertrabecula" Parker's), ver-
bindet sich aber bald mit den Trabekeln und der vorderen Trabecular-
platte. Der hintere Teil der Fenestra basicranialis anterior bleibt zeit-
lebens offen ; er entpricht der Fenestra hypophyseos der Gnatho-
stomata. Die Existenz dieser Oelfnung bei den Cyclostomen ist bei
dem ganz anderen Verhalten der Hypophyse ganz besonders von
Interesse.
Zu den Skelettteilen der Ethm oidalregion gehören beim er-
wachsenen Petromyzon die breite Platte, die Parker als Cornu
trabeculae bezeichnet (hintere Deckplatte des Mundes Jon. Mijller's,
posterior dorsal cartilage Huxley's), sowie die Nasen kap sei. Die
unpaare Nasenkapsel entsteht schon beim Ammocoetes um das
Geruchsorgan herum und hängt mit der Trabecularplatte zusammen.
Genaueres über die Art dieses Zusammenhanges sowie über die Art
der Kapselbildung findet sich bei Parker nicht. Beim umgewandelten
Petromyzon zeigt sie sich in Zusammenhang mit der vorderen Tra-
becularplatte sowie mit dem sog. Cornu trabeculae und ist nach vorn
sowie nach hinten gegen das Cavum cranii otfen. Die breite, als
Cornu trabeculae bezeichnete Platte entsteht erst bei der Meta-
morphose, und zwar nach Schaffer aus einer Schleimknorpelplatte,
die beim Ammocoetes unter und vor der Nasenkapsel liegt und auf
deren Kosten sich auch die Nasenkapsel selbst vervollständigt.
Die visceralen Skelettteile von Petromyzon sind in ihrer
speciellen Bedeutung noch sehr strittig. Huxley deutet den knorpe-
ligen Subocularbogen als Palatoqua drat um, Parker glaubte auch
Repräsentanten des ventralen Abschnittes des Mandibular-
bogens zu erkennen. Zum Hyalbogen werden einige in der Um-
gebung des vorderen Teiles der Mundhöhle gelegene Stücke, sowie
das sog. Extrahyale gerechnet; Branchialbogen endlich sind 7 vor-
handen. Außerdem giebt es noch eine Anzahl Knorpel, die als
Lippe nknorpel aufgefaßt werden. Da manche der Auffassungen
noch unsicher sind, so ist im Nachfolgenden eine andere Gruppierung
befolgt.
Der von Huxley als Palatoquadratum gedeutete Teil, der
beim erwachsenen Petromyzon einen Subocularbogen bildet, erscheint
nach Parker bei der sehr jungen Larve nur in Form eines vom Schädel-
balken ausgehenden kurzen Knorpelfortsatzes, der vor der Ohrkapsel
nach der Seite vorspringt. Parker betrachtet speciell diesen zuerst
entstehenden Abschnitt als Pedicle, d. h. als homolog dem Proc.
basalis des Palatoquadratums der Anuren. Dieser Zustand bleibt bis
zur Metamorphose bestehen. Bei dieser entwickeln sich dann noch
— in einer larval vorhandenen Schleimknorpelmasse — das breite
Knorpelband, das unter dem Auge hinzieht, die vordere Verbiiidung
desselben mit der Schädelbasis in der Gegend der vorderen Trabecular-
platte und der von Parker als praepalatine cartilage bezeichnete
Vorsprung.
Daß der so gebildete Subocularbogen die allergrößte Aehnlichkeit mit dem der
Anurenlarve besitzt, ist zweifellos. Die vordere Verbindung würde der Commissura
quadrato-cranialis anterior entsprechen. Von besonderem Interesse ist, daß der
Eintere Teil des Palatoquadratums in Kontinuität mit dem neuralen Oranium, als
ein Fortsatz desselben, entsteht. Ist Huxley's Auffassung der Teile richtig, so kann
in der Existenz eines Palatoquadratums ein Moment gesehen werden, das zu Gunsten
der Ableitung der Cyclostomen von Gnathostomen spricht.
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 633
Knorpel in der Umgebung der Mundöffnung und des
vorderen Teiles der Mundhöhle. Die in der Umgebung der
Mundöffnung und des vorderen Teiles der Mundhöhle gelegenen Knorpel
fehlen auf dem Ammocoetesstadium und treten erst bei der Metamor-
phose auf. Nach Bujor und Schaffer entstehen sie in Schleim-
knorpelmassen des Ammocoetes. Die Skelettteile, um die es sich
handelt, sind die, welche von Parker, hauptsächUch im Anschluß an
HuxLEY, als selbständige Lippenknorpel, als Repräsentanten des
ventralen Mandibularbogenabschnittes und als solche des Zungen-
beinbogens aufgefaßt werden. Zu den Lippenknorpelbil-
dungen werden von Parker gerechnet: der Halbringknorpel
(vordere Deckplatte des Mundes, medianer oberer Lippenknorpel), die
Plättchen knorpel (Antero-lateralknorpel), die Rhomboidal-
knorpel (Postero-lateralknorpel) und der Ringknorpel (Unter-
lippenknorpel, im Gegensatz zu den fünf erstgenannten, die Oberlippen-
knorpel repräsentieren) ; zum ventralen Teil des Mandibular-
bogens: die lateralen Mandibularia (Dornfortsätze des Ring-
knorpels, P. Fürbringer) und das mediane Mandibulare (Co-
pula, P. Fürbringer) ; zum Zungenbeinbogen: das Epikerato-
hyale (styliform und cornual, Huxley), die Zungenknorpel oder
das Linguale (Basihyale, Parker) und das sog. Extrahyale, das
vom Epikeratohyale zum Branchialskelett zieht (s. Hyobranchialskelett).
Die erste Andeutung des Epikeratohyale findet Parker schon beim
Ammocoetes als kleinen Auswuchs am Hinterrande der Knorpelspange,
•die die erste Anlage des sog. Palatoquadratums darstellt (des Pedicle
nach Parker) (Fig. 328).
Zweifelhafter Natur sind besonders die als Mandibularia und die als hyale
Elemente gedeuteten Stücke. Die vordere obere Deckplatte hat schon Huxley mit
■den Oberlippenknorpeln der Anurenlarven, den Ringknorpel mit den (verschmolzenen)
Unterlippenknorpeln derselben verglichen.
Hyobranchialskelett. Hierher gehören die 7 Branchialia
mit dem Pericardiaiknorpel, sowie das sog. Extrahyale. Die Ent-
wickelung dieser Teile von Petromyzon Planeri ist hauptsächlich von
Dohrn (1884) untersucht worden; ich folge im wesentlichen seiner
Darstellung,
Bei Ammocoetes werden 8 Visceralspalten angelegt, von denen
aber die vorderste, der Hyomandibularspalte der Gnathostomen ent-
sprechende, nicht zum Durchbruch kommt. Aus den übrigen sieben
gehen die Kiemensäcke hervor, deren vorderster also als hyobranchi-
aler im Sinne der Gnathostomen zu bezeichnen ist. Durch die Vis-
ceralspalten werden die Visceralbogen abgetrennt, deren vorderster,
wie bei den Gnathostomen, den Mandibularbogen repräsentiert. Der
auf die letzte Spalte folgende hinterste Visceralbogen wird kaudal vom
Pericardium begrenzt. Ein innerer Zusammenhang zwischen den sich
anlegenden Visceralbogen und -sacken einerseits und den mesodermalen
Somiten andererseits besteht nicht; die Segmentierung des Kiemen-
-apparates erfolgt unabhängig von jenen (Koltzoff 1902). In den
eigentlichen Kiemenbogen, deren Reihe also mit dem 3. Visceral-
bogen beginnt, liegen bei 4 mm langen Ammocöten als abgerundete
Schläuche die Kopf höhlen, umgeben von Mesodermzellen und außen
von Ektoderm, innen von Entoderm begrenzt. Nachdem die Bogen
ihre ursprüngliche Stellung etwas verändert haben, so daß sie nun
mit ihrer Querachse schräg zur Körperachse stehen, erscheint in
634
E. Gaupp,
jedem eigentlichen Kiemenbogen der ursprüngliche Gefäßbogen, und
zwar hart an der inneren Kante des Bogens, während zugleich die-
Zellen des ursprünglichen Muskelschlauches sich in eine parietale und
eine viscerale Reihe ordnen. Endlich entsteht auch gleichzeitig durch
Verdichtung der Mesoderinzellen vor dem Muskelschlauch die Anlage
des Kiemenknorpels, die nun von hier aus dorsal- und ventral-
wärts weiterwächst. Dorsal legt er sich an die Chorda, ventral um-
faßt er die ganzen Kiemen bis an den durch die Thyreoidea in zwei
Aeste gespaltenen Arterienstiel. Der Muskelschlauch sondert sich im
Verlauf der weiteren Entwickelung in eine innere (Adductoren-) und
eine äußere (Constrictoren-)Gruppe; der Muskulatur lagert sich eine
Strecke weit der Knorpelbogen ein, der im übrigen schon frühzeitig
mehrfache Biegungen macht, so daß er bald visceralwärts, bald pa-
rietalwärts von der Muskulatur gefunden wird. Die anfangs vonein-
ander getrennten 7 Kiemenbogen jeder Seite (der vorderste liegt hinter
dem ersten Kiemenloch, umgreift dasselbe aber auch von vorn durch
eine besondere, kopfwärts gerichtete Knorpelschlinge; s. Fig. 331)
bleiben nun nicht isoliert, sondern treten mehrfach miteinander in
Fig. 330.
Mundeingang
Boden der Mund-
rachenhöhle
Branchiale I
II. Kiemensack
Schilddrüsen2)latte
ventr. Längsstab
hypotremaler
Längsstab
Branchiale VII
Fig. 331.
hypochord. epitremaler
Längsstab Längsfortsatz Caps. aud.
Bran-
chiale
VII
ventr. Längsstah Branchiale I
hypotrem. Knorpelschlinge des
Längsstab Branch. I vor dem
ersten Kiemenloch
Fig. 330. Vordereude eines 15 cm langen Am-
mocoetes mit freipräpariertem Kiemenskelett, vort
der ventralen Fläche gesehen. Fast 2mal vergr.
Nach J. Schaffer.
Fig. 331. Dasselbe Objekt wie Fig. 330, nach
Entfernung der ventralen und dorsalen Körpermuskulatur der rechten Seite mit
vollkommen freigelegtem Kiemenskelett. Nach J. Schaffer.
Verbindung: es entstehen die von Schaffer als hypochordaler, epi-
tremaler, hypotremaler und ventraler Längsstab bezeichneten Bil-
dungen (Fig. 330 und 331). Die dorsalen Enden d(^r 6 hinteren
Bogen, die sich dicht an die Chorda anlagern, von der Elastica aber
durch eine Bindegewebsschicht getrennt bleiben, verwachsen unterein-
ander zu einem hypochordalen Längsstab, der vorn mit einer
vom zweiten Branchiale ausgehenden, vorwärts gerichteten Spange
über dem zweiten Kiemensack frei endet (Fig. 331). Auch die beider-
seitigen hypochordalen Stäbe können unterhalb der Chorda sich strecken-
weise miteinander vereinigen. Das dorsale Ende des vordersten
Kiemenbogens geht dagegen (schon prochondral) eine Verbindung mit
dem kaudalen Ende des hinteren Parachordale ein, das der Chorda
unmittelbar anliegt (Sewertzoff; s. oben). Wie die dorsalen, sO'
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 635
verwachsen auch die ventralen Enden, und zwar aller 7 Kiemenbogen,
zu einem ventralen Längs stab; die ventralen Längsstäbe beider
Seiten zeigen je 6 medianwärts gerichtete Ausbiegungen, von denen
•die hinteren 3 Paare in der Mittellinie verwachsen, während die
vorderen drei Paare durch die Thyreoidea auseinandergedrängt bleiben
(Schaffer, s. Fig. 330). Jeder der 6 hinteren Bogen entwickelt
ferner einen longitudinalen Fortsatz, der oberhalb des vor dem Bogen
gelegenen Kiemenloches nach vorn zieht, den davor gelegenen Bogen
aber nicht erreicht. Ein zusammenhängender epitremaler Längs-
stab existiert also nicht, sondern nur 6 epitremale Fortsätze. Da-
gegen kommt durch hypotremale Längsspangen, die von den hinteren
6 Bogen ausgehen, ein kontinuierlicher hypotre maier Längsstab
zu Stande (Fig. 330 u. 331). Die sog. Läugsstäbe sind somit sekun-
däre Bildungen.
Wie die Knorpelschlinge des ersten Bogens, die das erste Kiemenloch vorn
umgreift, entsteht, scheint noch nicht direkt beobachtet zu sein ; es liegt nahe, sie
aus der Vereinigung eines epi- und eines hypotremalen Fortsatzes des ersten Bogens
abzuleiten. So faßt wohl auch Schneider sie auf.
Bei der Metamorphose erfährt das Branchialskelett einige
Veränderungen, deren wichtigste folgende sind. Es entsteht das von
Parker sogenannte Extrahyale, d. h. ein achter, vor der ersten
Kiementasche gelegener* Querstab, der bestimmt ist, das Branchial-
skelett mit dem Epikeratohyale zu verbinden. Nach Nestler und
ScHAFEER bildet sich dieser, wohl zweifellos zum Zungenbembogen
zu rechnende und den Branchialbogen homodyname Knorpelstab im
hinteren Rande einer schon von Schneider beschriebenen großen
Schleimknorpelplatte, die die Mundrachenhöhle umgiebt, und zwar
(Nestler) ebenso wie die übrigen Visceralbogen, d. h. in der Mitte
beginnend. Später erst verbindet sich sem unteres Ende knorpelig
mit dem vorderen Ende des ventralen Längsstabes, während das obere
sich an das Epikeratohyale anschließt. Von der Knorpelschlinge,
die die erste Kiemenöffnung umgiebt, wächst ferner ein Fortsatz nach
vorn, der sich mit dem Extrahyale verbindet.
In einem Ausnahmefall beobachtete Schaffer die Kuorpelspange bereits bei
einem 9 cm langen Ammocoetes, wenigstens auf der einen Seite. Der Bezeichnung
Extrahyale liegt die Vorstellung zu Grunde, daß das ganze Kiemenskelett von
Petromyzon ein „äußeres" sei. Da diese Anschauung aber wohl aufzugeben ist, so
wird auch die obige Bezeichnung inkorrekt, doch habe ich sie vorläufig beibehalten,
■da erst eine erneute Bearbeitung des Gegenstandes eine bessere Nomenklatur fest-
stellen kann.
Weitere Veränderungen des Branchialskelettes, die bei der Meta-
morphose auftreten, sind: die Bildung des Pericardialknorpels hinter
dem Branchialskelett und in Zusammenhang mit dem letzten Bogen
(also nicht auf schleimknorpeliger Grundlage), ferner (was wenigstens
aus Parker's Abbildungen zu folgen scheint) eine vollkommenere
Verschmelzung der beiderseitigen ventralen Längsstäbe, weiterhin das
Auftreten zahlreicher kleinerer (schleimknorpelig präformierter) Fort-
sätze an den einzelnen Branchialbogen. Endlich scheinen auch die
ringförmigen Knorpel um die einzelnen Kiemenöffnungen, die Born
bei Petromyzon marinus beschreibt, und Nestler bei P. Planeri be-
stätigt, bei der Metamorphose zu entstehen. Verfolgt wurde ihre
Bildung bisher nicht.
DoHRN, dessen Darstellung von der Entwickelung der Kiemenbogen bei
Ammocoetes ich oben gefolgt bin, kommt auf Grund dieser Entwickelung zu dem
636 E. Gaupp,
Schluß, daß die Kiemenbogen der Petrorayzonten denen der Selachier, also überhaupt
denen der Gnathostomen homolog sind, und widerspricht damit der von Eathke,.
CuviER, J. Müller, Gegenbaur und Balfour vertretenen Vorstellung, daß die
Kiemenbogen der Petromyzonten als ,, äußere" denen der Gnathostomen (als „inneren")
gegenüberzustellen, dagegen den bei manchen Selachiern vorhandenen äußeren
Kiemenbogen zu homologisieren seien (s. Selachii). In dieser Auffassung schließt
sich Goette (1901) an Dohrn an; sie darf als ziemlich gesichert angesehen werden.
Die Kontinuität der Bogen bei den Cyclostomen betrachtet Dohrn als den ur-
sprünglichen Zustand. Der weitere Schluß von Dohrn, daß die seiiundär entstehen-
den Längsauswüchse der Bogen bei Petromyzon letzte Andeutungen von Radien
seien, wird dagegen von Goette nicht angenommen ; nach letzterem können die
Cyclostomen keine Radien besitzen, weil ihnen Hautkiemen und Septen fehlen.
Von der durch Dohrn gegebenen Darstellung weicht die Schilderung von
V. KuPFFER (1895) in sehr wichtigen Punkten ab. Kupffer bestätigt allerdings,
daß die vertikalen aber stark sich krümmenden Knorpelstäbe des Kiemeugitters von
Ammocoetes sich kontinuierhch entwickeln und stimmt auch bezüghch des ventralen
und des hypotremalen Längsstabes mit Dohrn überein, läßt den hypochordalen
Längsstab aber vollständig im parachordalen Gewebe entstehen und die dorsalen
Enden der Kiemenbogen mit ihm verwachsen, Außerdem aber vindiziert Dohrn
nur dem hypochordalen Längsstab einen mesodermaleu Ursi^rung, läßt dagegen die
Kiemenbogen selbst aus dem Ektoderm entstehen, und zwar aus einer inneren^
von ihm als Branchiodermis bezeichneten Schicht desselben, die sich in der ganzen
Ausdehnung der Branchialregion vom Auge an bis zum Oesophagus, und zwar nur
an der ventralen Seite, findet. Diese Branchiodermis entwickelt, nach Kupffer,
schon vor dem Durchbruch der Kiementaschen leisten förmige Verdickungen hinter
jeder Kiementasche, die sich dann abschnüren und zu den Kiemenknorpeln werden.
Auch hinter der Hyoraandibularspalte bildet sich die entsprechende Leiste. Somit
würden die Kiemenbogen der Petromyzonten als ektodermale Bildungen mit den
mesodermaleu Bogen der Selachier gar nicht vergleichbar sein. Hierzu hat denn
auch Dohrn (1902) sich nochmals geäußert. Dohrn erkennt die Branchiodermis
Kupffer's als ektodermale Bildung an, betrachtet sie aber als hervorgegangen aus
einer Proliferation der Ganglienleistenzellen. im übrigen nimmt er Kupffer's Dar-
stellung von der ektodermalen Natur der Kiemenknorpel an, sieht aber gerade darin
eine Uebereinstimmung mit den Verhältnissen bei den Selachiern, wo sich, nach ihm,
die Kiemenknorpel ebenfalls ektodermal entwickeln sollen (s. auch Selachier, sowie
die Bemerkungen im allgemeinen Teil, p. 589). Auch die Schleimknorpel sind
nach Dohrn ektodermaler Herkunft. — Der Vorstellung von der ektodermalen Ent-
stehung der Petromyzon-Kiemenknorpel widerspricht Goette (1901).
Selachier.
A. Neuraler Teil des Craniums.
Die Entwickelung des Neurocraniums der Selachier ist 1878 durch
W. K. Parker, in der neuesten Zeit (1899) durch Sewertzoff be-
arbeitet worden, so daß wenigstens einige Hauptvorgänge jetzt klar
liegen. In manchen Punkten, namentlich bezüglich der vorderen
Schädelregion, sind allerdings auch hier neue Untersuchungen nötig.
Ich lege die SEWERTzoFP'schen Befunde, die an Acanthias und
Pristiurus gewonnen sind, der nachfolgenden Darstellung zu Grunde;
nur die Bezeichnungen sind stellenweise im Interesse einer einheit-
lichen Nomenklatur geändert, und außerdem sind an einigen Punkten
Ergänzungen nach den Angaben anderer Forscher beigefügt.
Einige Angaben über die Segmentierung des Gesamtkopfes der Selachier sind
vorauszuschicken. Bei Scyllium und Pristiurus wies van Wijhe (1882) auch im
Kopfgebiet eine Gliederung des dorsalen Mesoderms nach und beschrieb die neun
vorhandenen Segmente als Somite (Ursegmente). Die Somitennatur der 4 Seg-
mente des Vorderkopfes wird bestritten (RabI; 1889). C. K. Hoffmann schloß sich
(1894) der Darstellung und Auffassung von van Wijhe an, fand aber, daß bei
Acanthias noch das 10. Segment sich am Aufbau des Kopfes beteilige, und schloß
daraus, daß bei Acanthias die Grenze zwischen Kopf und Rumpf um ein Ursegment
weiter kaudal liege als bei den oben genannten Haien. Alle Segmente liefern Binde-
gewebe; das der Labyrinthregion entstammt nach van Wijhe dem 4. bis 6. Segment,
während das für den Aufbau der üccipitalregion von den letzten 4 Segmenten
Die Eutwickelung des Kopfskelettes. 637
geliefert wird. Sewertzoff schließt sich bezüglich der Kopfsomitenzahl bei
Acanthias an C. K. Hoffmann an (10 Somite, davon 6 metotische; das erste
Occipitalmyotom geht aus dem zweiten metotischen Somit, d. h. dem 6. Seg-
mente der Gesamtreihe, hervor), läßt aber die 5 hinteren Somite (6 — 10) sich am
Aufbau der Occipitalregion beteiligen. Im übrigen hält er an der HoFFMANN'schen
Vorstellung fest, daß der Acanthiasschädel ein Segment länger sei als der Pristiurus-
schädel: bei Pristiurus fand auch er nur die 9 van WuHE'schen Somite, von
denen die 4 hinteren die Occipitalregion liefern. Demgegenüber hat Beaus (1899)
bei Spinaciden und Scylliiden 11 Kopfsomite (davon 7 metotische) festgestellt, die
nach der von Fürbringer vorgeschlagenen Nomenklatur als t — z zu bezeichnen
sind, und ist zu dem Schluß gekommen, daß bei den früheren Autoren ein Irrtum
in der Bestimmung der kranio-vertebralen Grenze vorgekommen sei. Auch die von
VAN Wijhe untersuchten Formen sowie Acanthias besitzen 11 Kopfsomite, von
denen 7 als metotische zu bezeichnen sind. (Das vierte Kopfsomit ist durch seine
Lage neben der Ohrblase charakterisiert ; es wird allgemein noch zu den prootischen
gerechnet. Nur Koltzoff plädiert auf Grund der Befunde bei Petromyzon dafür,
es als erstes metotisches zu bezeichnen. Ich schließe mich im Nachfolgenden der
konventionellen Bezeichnung an, nach der als erstes metotisches Somit das fünfte der
Gesamtreihe bezeichnet wird, das, wie schon van Wijhe feststellte, wieder zu Grunde
geht und jedenfalls keine bleibenden Muskelfasern entwickelt.)
Zu ganz besonders interessanten Resultaten ist neuerdings (1902) Froriep bei
der Untersuchung von Torpedoembryonen gelangt. Froriep findet, daß auf sehr
jungen Stadien die Urwirbelreihe bis zur rostro-dorsalen Ecke der ersten Visceral-
tasche sich erstreckt und ebensoweit auch specifisch differenzierte Chorda reicht,
während von hier an rostralwärts sich ein Mesoblastabschnitt anschließt, der sich
nicht gliedert, und ein Chordaabschnitt, der weich und hinfällig bleibt. Die Anlage
der Ohrgrube entspricht aijf diesem jungen Stadium den vordersten Urwirbeln, so
daß also alle Urwirbel als metotisch zu bezeichnen wären. Im Verlaufe der
weiteren Eutwickelung werden die vordersten der 13 Kopfurwirbel — in rostro-
kaudaler Richtung — in Mesenchym aufgelöst, das die Anlagen der späteren Para-
chordalia liefert. Diese wären danach in ganzer Ausdehnung spinaler Herkunft.
Der ungeghederte präspinale Mesoblast wächst sehr stark heran und bildet den
präspinalen Kopfbezirk nebst den Visceralbogen. — Ein weiteres Eingehen auf die
vielen Angaben in betreff der Kopfsegmentierung der Selachier gehört nicht hierher.
(Literatur, außer den genannten Arbeiten, besonders noch: Dohrn [zahlreiche
„Studien"], Ktllian, Koltzoff u. A.)
Die ersten Anlagen des Kopfskelettes erscheinen nach Sewertzoff
bei Acanthias und Pristiurus zu einer Zeit, wo die anderen Organe
des Kopfes schon einen ziemlich hohen Grad der Ausbildung erlangt
haben (etwa dem Stadium L von Balfour entsprechend). Mund-
öffnung und Kiemenspalten sind durchgebrochen ; Auge, Ohr, Nase
haben die ersten Stadien ihrer Entwickelung durchgemacht, am Gehirn
sind die Hauptabschnitte ausgebildet, und die Kopfbeuge ist sehr stark
ausgesprochen. Die ersten Skelettteile, die auf diesem Stadium sicht-
bar werden, erscheinen als zwei lange Streifen von prochondralem
Gewebe, zu beiden Seiten des vorderen Chordaabschnittes. Sie ent-
stehen zuerst in der Ohrregion, ventral von den Ohrblasen, und von
hier aus schreitet ihre Bildung in rostraler und kaudaler Richtung fort.
Rostral reichen sie bis in die Gegend des Facialisaustrittes und hören
hier mit quer verlaufendem Rande auf; die Chorda dorsalis er-
streckt sich aber, und das ist auch auf einigen späteren Stadien noch
der Fall, noch eine Strecke weit frei über diesen Rand hinaus nach
vorn, um in der Infundibularregion des Gehirnes mit einem dünnen,
ventral umgebogenen Ende aufzuhören (Fig. 334). Kaudalwärts setzt
sich die Bildung der parachordalen Skelettstreifen ohne Grenze auf
das Rumpfgebiet fort. Die parachordalen Skelettstreifen bilden die
erste Anlage des chordalen Schädelabschnittes und des vorderen Teiles
der Wirbelsäule. Eine Abgrenzung dieser beiden Gebiete ist anfangs
nicht gegeben, aber doch ist eine Zerlegung des Parachordalstreifens
jeder Seite in zwei Abschnitte möglich: in einen vorderen unseg-
638
E. Gaupp,
mentierten (Pars otica) und einen hinteren segmentierten (Par s
occipitalis). In der Ohrblasen gegend bilden sich die genannten
Streifen aus indifferentem Mesodermgewebe und lassen weiter keine
Besonderheiten erkennen ; hinter der Ohrblase dagegen, oder genauer,
hinter der Vaguswurzel zeigen sie Andeutungen einer Segmentierung,
die in enger Beziehung zu der Metamerie der Myotonie und Spinal-
nerven dieser Gegend steht. Hinter dem Vagus beginnt die Myotom-
reihe des Körpers, und genau dem Myocomma zwischen je zwei
Myotomen entsprechend zeigt der prochondrale Streifen neben der
Chorda eine Erhebung, Von jeder dieser wellenförmigen metameren
Cart. sphenolat.
Corp. pin.
I h/ xi \ Prn.^ //
Arc.br. 5 Arc.br. 1 Mand. \
Arc.hy. Pal.-Q.
Parachord.
Trabec. Sacc. nas.
Fig. 332. Graphische Rekonstruktion (nach Sagittalschnitten) des Kopfskelettes
und des Nervensystems eines Embryo von Acanthias vulgaris. Nach Skwertzoff.
Der Kiefer- und der Zungenbeinbogen bestehen aus jungem Knorpel, die 5 Bran-
chialbogen befinden sich noch auf prochondralem Stadium. Sl u. s. w. Skelettseg-
mente der Occipitalregion ; hinter .S" '> bildet sich nach Sewertzoff die cranioverte-
brale Grenze aus. ,Sp.v. ventrale Spinalnerven würzet. Sp.d. dorsale Spinalnerven-
wurzel. G.sp Ganglion spinale. Die übrigen Abkürzungen erklären sich selbst.
Erhebungen, die Skelettsegmente repräsentieren, geht das ent-
sprechende Myocomma aus, und zwischen je zwei Erhebungen tritt
eine ventrale Spinalnervenwurzel aus, um zu ihrem Myotom zu ver-
laufen (Fig. 332). Somit beginnt hinter dem Vagus das Gebiet des
Körpers, in dem eine Metamerie des Muskel-, Nerven- und Skelett-
systems ausgesprochen ist, und innerhalb dieses segmentierten Gebietes
bildet sich später die Grenze zwischen Kopf und Rumpf aus. Dem-
nach ist der Teil des axialen Skelettes, der später die Occipitalregion
des Craniums bildet, auf frühen Stadien gleichzeitig mit der Wirbel-
säule segmentiert; Sewertzoff zieht geradezu den Schluß, daß bei
Pristiurus und Acanthias auf frühen Entwickelungsstadien die Occi-
pitalregion nach ihren Merkmalen zum Rumpfe und nicht zum Kopfe
gehört.
Die Verknorpeln ng der Parachordalplatten beginnt vorn und
schreitet in kaudaler Richtung vor. Auch der Occipitalteil verknorpelt
als ein einheitliches Ganzes, ohne daß dabei bestimmte Centrierungen
(Bogen u. s. w.) auftreten. Von den beschriebenen Erhebungen
fließen die vordersten über den trennenden Nerven zusammen, so daß
diese nun (als Nn. occipitales) durch Kanäle der so entstandenen
Occipitalregion austreten. Die vordersten bilden sich wieder zurück.
Mit der Chorda zusammen bilden die beiden Parachordalia, soweit
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 639
sie dem Schädel zugeteilt werden, eine dorsalwärts konkave Platte,
die die Basis cranii in der Occipital- und Labyrinthregion darstellt,
die Basal platte. Vorn schließt sie mit querem, anfangs von der
Chorda dorsalis überragtem Rande (Sattellehne) ab (Fig. 334);
hinten grenzt sie sich, aber erst verhältnismäßig spät, gegen die
Wirbelsäule ab. Die Grenze ist jedoch schon vorher deutlich dadurch,
daß sich in dem Gebiet der Parachordalstreifen, das der Rumpf-
region zugeteilt wird, Wirbelbogen und Intercalaria ausbilden, während
in dem davor gelegenen (Kopf-)Gebiet, wie erwähnt, die Skelett-
segmente zu einer einheitlichen Masse zusammenfließen.
Segmentierung der Occipitalregion. Was die Zahl der Skclett-
segmente (d. h. der wellenförmigen ErJiebungen des Parachordale) anlangt, die in
den Aufbau des Haifischschädels eingehen, so bestimmte Sewertzoff dieselbe, ent-
sprechend der bereits einleitungsweise erwähnten Begrenzung des Kopfgebietes, bei
Pristiurus auf 4, bei Acanthias auf 5. Das letzte Skeletlsegment bei Pristiurus soll
zum 5. metotischen Somit gehören und dem Myocomma zwischen ihm und dem
6. metotischen Somit entsprechen ; bei Acanthias läge das letzte Skelettsegment erst
zwischen dem ti. und 7. metotischen Somit : der Acanthiasschädel wäre um ein
Skelettsegment länger als der Pristiurusschädel (s. o.). Infolge der Feststellung von
Braus, daß die kranio-vertebrale Grenze wahrscheinlich bei den meisten Haien
(jedenfalls bei Scylliiden und Spinaciden) an konstanter Stelle, nämlich zwischen
dem 7. und 8. metotischen Somit liegt, verlangen jene Angaben Sewertzoff's eine
Revision. Das Wahrscheinlichste ist wohl, daß in der Lagebestimmung der Skelett-
segmente zu den Somiten ein Irrtum besteht, daß also in der That bei Acanthias 5,
bei Pristiurus nur -4 Skelettsegijiente in den Aufbau der Occipitalregion eingehen,
bei beiden Formen aber das letzte dieser Segmente zwischen dem 7. und 8. metoti-
schen Somit liegt. Die andere Möglichkeit, daß nämüch bei beiden Formen die
kranio-vertebrale Grenze weiter kaudal liegt, als der Bestimmung von Sewertzoff
entspricht, daß also bei beiden Formen 6 Skelettsegmente am Aufbau der Occipital-
region teilnehmen, hat weniger Wahrscheinlichkeit für sich, da ein Irrtum in der
Bestimmung der kranio-vertebralen Grenze auf den späteren Stadien, wo das Skelett
schon deutlich angelegt ist, wohl weniger leicht anzunehmen ist. Sewertzoff hat
sich hierzu bisher nicht geäußert. (In dem Schema 1 der Fig. 325 sind die Befunde
von Sewertzoff und von Braus im Sinne der ersteren Alternative miteinander
kombiniert.) Im Zusammenhang mit der Frage nach der Zahl der metotischen Kopf-
segmente steht die nach der Zahl der Nerven, die als occipitale Nerven dem
Cranium einverleibt werden. Hoffmann und Sewertzoff finden embryonal ven-
trale Wurzeln vom 3. metotischen (^ 7. van WUHE'schen) Somite, also in der
FÜRBRiNGER'schen Nomenklatur von v an, lassen aber die des 7. und 8. Somites
wieder zu Grunde gehen und nur die des 9. und 10. erhalten bleiben, in Kanäle
der Occipitalregion eingeschlossen. Da nach Braus auch der Nerv des 11. Gesamt-
somites (als z) noch in den Schädel einbezogen wird, so müßten beim erwachsenen
Acanthias drei occipitale Nerven die Occipitalregion durchsetzen, — was
Sewertzoff thatsächlich in einem untersuchten Falle fand (aber anders deutete).
Diese drei würden also x, y, z der FÜRBRiNGER'schen Nomenklatur entsprechen
(s. Fig. 325, Schema 1). Daß hierin Varianten vorkommen, folgt aus einer Angabe
von FÜRBRINGER, der nur zwei occipitale Nerven {y, z) beim erwachsenen Acanthias
konstatierte. Bei Pristiurus erhalten sich die ventralen Wurzeln y und z (Braus).
Im Sinne der Auffassung von M. Fürbringeb (p. 597) stellt die Occipitalregion der
Selachier ein protametameres Neocranium dar.
Erwähnung verdient noch der Befund von Braus, daß bei Spinax niger das
erste Intercrurale in der Entwickelung deutlich ein Teil des Schädels ist, der mit
der Schädelbasis zusammenhängt, dann aber sich von diesem ablöst und nun frei
zwischen Schädel und erstem Crurale hegt. Dabei erfahren auch die Wurzeln des
Nerven z eine interessante Verlagerung: während die dorsale Wurzel, die anfangs
das erste Intercrurale durchsetzt, später wieder verschwindet, wird die ventrale, die
anfangs zwischen dem Cranium und dem Intercrurale I liegt, vom Schädelknorpel
selbst umwachsen und in einen Kanal desselben aufgenommen. Hier ist also ein
Abghederungsvorgang am hinteren Ende des Schädels ontogenetisch konstatierbar.
Dagegen scheint für Squaliden mit Sicherheit noch kein Fall konstatiert zu sein,
daß wirklich normalerweise, nach Ausbildung der primitiven Kranio-vertebral-
grenze, sich noch ein Wirbel dem Cranium anschlösse. Eine hierauf bezügliche
Angabe von Eosenberg (Carcharias betreffend) ist in ihrer Deutung noch nicht
ganz klar.
640 E. Gaupp,
Sehr interessante Vorgänge spielen sich endlich nach Braus während der
Ontogenese bei Torjjedo narce Risso ab. Es wird nämhch der erste Spinalnerv (der
dem 8. metotischeu Somite zugehört) in den Schädel aufgenommen, ohne daß sich
dabei der 1. Wirbel dem Schädel anschließt. Der Grund hierfür ist wohl in der
Ausbildung der beiden lateralen Occipitalgelenke zu sehen, die zur Folge hat, daß
die medialen, nahe der Chorda gelegenen Skelettteile der Wirbelsäule zu Grunde
gehen. Der erste Spinalnerv kommt so zunächst in eine Membran zu liegen, die
zwischen dem Schädel und dem 1. Wirbel sich findet (während er bei den
meisten Squaliden durch den Anfangsteil der Wirbelsäule verläuft), und wird dann
von dem Schädelknorpel umwachsen, so daß er nun diesen durch einen Kanal durch-
setzt. (Der gleiche Einschmelzungsprozeß am vorderen Ende der Wirbelsäule hat
zur Folge, daß der zweite Spinalnerv aus der Wirbelsäule ausgeschaltet wird und
schließlich zwischen Cranium und Wirbelsäule heraustritt.) Der 1. Wirbel geht
wahrscheinlich ganz zu Grunde. Infolge der starken Reduktion der medialen Teile
des vorderen Wirbelsäulenendes bleibt hier nur eine breite Ugamentäre Verbindung
zwischen Wirbelsäule und Cranium übrig, in die auch die Chorda aufgeht.
Der Vorgang der Assimilation von ursprünglich freien Spinalnerven, der bei
Torpedo ontogenetisch verfolgbar ist, kann bei verschiedenen anderen Rochenformen
aus dem Verhalten beim erwachsenen Tier erschlossen werden (Füebringer 1897,
Braus 1898 und 1899).
Chorda dorsalis. Beim Acanthiasembryo vom Stadium K nach Balfour
macht das vordere Ende der Chorda dorsalis eine der Kopfbeuge entsprechende
Krümmung ventralwärts ; die vorderste Spitze ist sogar etwas kaudalwärts umgebogen
(Rabl-Rückhard). Zwischen dem Scheitel der Krümmung und der Gehirnbasis
Vorderhim ^——««^—^
-Mittelhirn
. Mittelhirnpolstei'
vorderes Ende- "^^ ' ' ^ ' "'
der Chorda
I£y2}02)hysts '''^^"-~ '^'' ' ^"HM^^^^ ^-Nachhirn
Chorda dors.
prim. Rachenhaut
Fig. 333. Dorso-ventraler Längsschnitt des Kopfes eines Embryo von Acan-
thias vulgaris (Stadium K nach Balfour). Nach Rabl-Rückhard.
(in dem Winkel zwischen der Basis des Vorder-, Mittel- und Hinterhirns) liegt ein
dickes, aus embryonalem Bindegewebe bestehendes und viele Gefäße einschließendes
Mittelhirn polster (s. p. 580). Wie Kölliker (1860) und Gegenbaur (1872) fest-
stellten, umgiebt sich auch der Kopfteil der Chorda mit denselben Hüllen wie die
Rumiifchorda. Es sind also bei Acanthias die Elastica interna, Faserscheide und
Elastica externa zu unterscheiden ; letztere trennt die Faserscheide von dem Knorpel
der Parachordalia. Wie Gegenbaur weiter schildert, verschwindet später die El.
externa, so daß der Knorpel der Faserscheide direkt an den Knori^el der Para-
chordalia anstößt und mit diesem am Aufbau der Basalplatte teilnimmt. Die Chorda
selbst hat bei den verschiedenen Haien ein verschiedenes Schicksal. Bei Heptanchus,
Mustelus, Centrophorus granulosus, Acanthias vulg. und Squatina (nach Kölliker),
sowie bei Hexanchus, Cestracion und Centrophorus calceus (nach Gegenbaur) bleibt
sie auch in der Basis des erwachsenen Schädels als ein dünner Strang vorhanden,
der in einem dorsalwärts konkaven Bogen bis in die Sattellehne verläuft, wo er endet.
(Da bei Acanthias embryonal das vordere Chordaende aus der Sattellehne herausragt,
später aber nicht, so scheint eine Rückbildung wenigstens des vordersten Endes
stattzufinden.) Scymnus und Mustelus sind Repräsentanten der Gruppe von Haien,
bei denen die Schädelchorda embryonal wieder zu Grunde geht (Gegenbaur). —
Das embryonale Bindegewebe des Mittelhirnpolsters, das bei jungen Embryonen
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 641
sehr reichlich entwickelt ist, wird später sehr reduziert und bildet schließlich nur
einen die A. basilaris tragenden unbedeutenden Bindegewebsfortsatz der Pia mater
(RABL-KtJCKHARD).
Die Ausbildung der Cranio-vertebralverbindungen wurde im speciellen
noch nicht verfolgt.
lieber die Bildung der Sattellehne s. u.
Die Anlage der Ohr kapsei wird nach Sewertzoff schon früh-
zeitig deutlich und erscheint als eine tellerförmige Verbreiterung
des prochondralen Parachordale, ventral von der Mitte der Ohrblase.
Irgendwelche Selbständigkeit kommt ihr nicht zu, sie bildet von vorn-
herein ein Continuum mit der Parachordalplatte. Auch ihre Ver-
knorpelung erfolgt nach Sewertzoff's Schilderung im Zusammen-
hang mit der der Parachordalplatte; von der anfangs nur den Boden
-der Kapsel bildenden Verbreiterung aus umwächst der Knorpel weiter-
hin das häutige Labyrinth, und zwischen Labyrinth und Gehirn bildet
sich eine knorpelige Scheidewand. Sie wird zuletzt von allen Wänden
vollständig. Auch dorsal bleibt das Labyrinth längere Zeit unbedeckt.
Der Glossopharyngeus und der Vagus laufen anfangs hinter der
Anlage der Ohrkapsel nach außen ; durch die Verbindung des Occi-
pitalteiles mit der Ohrkapsel werden sie in zwei Kanäle eingeschlossen.
Ob dabei etwa zuerst ein einheitliches Foramen entsteht, das sekundär
in zwei zerlegt wird, oder ob erst der Glossopharyngeus und dann
selbständig der Vagus 'umschlossen wird, geht aus Sewertzoff's
Darstellung nicht hervor.
Sewertzoff's Angaben über die Ohrkapsel können nur so verstanden werden ,
daß die ganze Kapsel im Anschluß an die Parachordalplatte verknorpelt; ein selb-
ständiger Verknorpelungsherd, wie er bei niederen Wirbeltieren am lateralen Bogen-
gang gewöhnlich vorkommt, würde danach bei Selachiern fehlen. Die Thatsache
wäre, wenn richtig, auffallend.
Bald nach den Parachordalia werden im Gebiete des parachordalen
Schädelabschnittes Skelettteile sichtbar: die Trabeculae cranii
und die Cartilagines sphenolaterales, beide selbständig auf-
tretend, im Gegensatz zu dem als Continuum mit der Wirbelsäule
sich anlegenden chordalen Abschnitt. Die beiden Trabeculae
cranii entstehen zu beiden Seiten der Hypophysis cerebri, zu einer
Zeit, wo diese noch mit dem Mundhöhlenepithel in Zusammenhang
steht, zwischen dem Epithel des Mundhöhlendaches und dem Infundi-
bulum. Wie Fig. 332 zeigt, blickt in diesem Stadium infolge der
starken Kopfbeuge die ventrale Fläche des Infundibulum kaudalwärts,
und so kommt es, daß die Trabekel bei ihrer Entstehung nicht die
axiale Fortsetzung der Parachordalia bilden, sondern etwa recht-
winklig gegen die letzteren gestellt sind. Dabei stößt das dorsale
Ende einer jeden Trabecula an die Ventralfläche des gleichseitigen
Parachordale, in kurzer Entfernung hinter dem Vorderrande desselben,
an ; das vordere, ventralwärts gerichtete Trabekelende erreicht vor-
erst den Nasensack nicht (Fig. 332). Etwas später als die Trabekel
treten selbständig die Seitenwände der Orbito-temporalregion auf, die
Sewertzoff als Alisphenoidplatten bezeichnet, die ich aber lieber
Sphenolateralknorpel (Cart. sphenolaterales) nennen möchte, da
sie zum Alisphenoid der Säuger keine Beziehung haben. Sie stellen
anfangs (Fig. 332) zwei Platten von trapezoidaler Form dar, die mit
ihren kaudalen Enden an die Vorderenden der Parachordalia zu liegen
kommen und die axiale Verlängerung der letzteren bilden. Zwischen
dem Sphenolateralknorpel und der Ohrblase treten der N. facialis und
Handbuch der Entwickelungslehre. III. 2. 4:1
642
E. Gaupp,
der N. trigeminus aus, zwischen Sphenolateralknorpel und Trabekel
verläuft der Opticus.
Wie Sewertzoff (1897) bemerkt, haben sich die Sphenolateralknorpel an-
scheinend in Zusammenhang mit der Aügenmuskulatur, die bereits auf einem
früheren Stadium auftritt, entwickelt. Sie dienen zur Anheftung der 4 Mm. rect.
oculi und des M, obliquus superior.
Bald treten nun die getrennt entstandenen Teile des Primordial-
craniums untereinander in Verbindung. Es verbinden sich die
Trabekel untereinander, die Trabekel mit den Parachordalia , die
Sphenolateralknorpel mit den Parachordalia und später auch mit den
Ohrkapseln. Zugleich schreitet die Knorpelbildung im Anschluß an
die bereits entstandenen Stücke vor. Die Vereinigung der Trabekel
untereinander erfolgt zuerst vor der Hypophyse. Es entsteht dadurch
eine breite Bodenplatte (Trabecularplatte, Sewertzoff) unter dem
Sacc. nas.
Carl, sphenolat.
Chorda dors.
Fig. 334. Graphische Rekonstruktion (nach Frontalschnitten) des Kopfskelettes
eines etwas älteren Embryo von Acanthias vulgaris, von oben. Nach Sewertzoff.
** Gegend der späteren Kranio-vertebral-Grenze.
Vorderhirn. In ihren dorsalen , die Hypophyse umgreifenden Ab-
schnitten bleiben die Trabekel noch eine Zeitlang voneinander ge-
trennt ; später schließt sich auch diese Lücke ; und damit ist ein kon-
tinuierlicher knorpeliger Boden der Schädelhöhle in der Orbito-
temporalregion gebildet. Die Vereinigung der Trabekel mit den
Parachordalia erfolgt in der Weise, daß die Trabekel mit ihren dor-
salen Enden an die Ventralfläche der Parachordaha anwachsen. Der
embryonalen, durch die starke Kopfbeuge bedingten Lage der Trabekel
entsprechend (Fig. 332) stößt auch die Bodenplatte der Orbito-temporal-
region anfangs unter rechtem Winkel an die Ventralfläche der Para-
chordalplatte an ; später wird aus diesem rechten Winkel ein ven-
tralwärts ofi"ener stumpfer, und der Schädelboden erleidet in einiger
Die Entwickelung des Kopfskelettes.
643
Entfernung weiter vorn eine Knickung in der Art, daß sein vorderer
Abschnitt dorsalwärts gehoben wird. Bedingt ist diese Kjiickung,
deren Ort durch die AnlageruÄig des Proc. palatobasalis des Palato-
quadratums näher bestimmt ist, durch die Veränderung in der An-
ordnung der Gehirnteile: durch die Ausbildung der Brückenbeuge er-
fahren die vorderen Gehirnteile eine Verlagerung in dorsaler Richtung,
und dementsprechend ändert sich auch die Lage der Skelettteile, die
den Boden unter dem Gehirn bilden. Die Parachordalplatte schmiegt
Rostrum
Parachord.
Parachordale
(Pars cranialis)
Sattellehne
Schädeipc
d.Orb.'-tp.-rg.
Nasensack
Anlage
der
Wirbel-
säule
Sattellehne
Rostrum
Mittel-
spange
Nasenseptum
Fig. 335. Gehirn und Schädel von Pristiurus auf 3 verschiedenen Entwicke-
lungsstadien in Medianschnitten. Nach Sewertzoff. Die Länge des chordalen
Schädelabschnittes ist in allen 3 Figuren als gleich angenommen. Die Vergrößerung
ist also in den einzelneu Figuren eine verschiedene, a stellt das jüngste, c das
älteste Stadium dar.
sich der Form der Brückenbeuge an und wird dorsalwärts konkav,
der prächordale Schädelboden wird unter Abknickung an der erwähnten
Stelle dorsalwärts gehoben und kommt so in die gleiche Horizontal-
ebene mit dem Boden des chordalen Schädelbodens zu liegen. Durch
diese Vorgänge erklären sich zwei Formeigentümlichkeiteu des er-
wachsenen Acanthiasschädels : die Bildung der Sattellehne und
der Basalecke. Die Sattellehne wird hergestellt durch den vorderen
Rand der Basalplatte, der über die Anlagerungsstelle des prächordalen
Bodens hinaus nach vorn vorspringt. Die Beibehaltung der embryo-
41*
644 E. Gaupp,
nalen Winkelstellung des hinteren Abschnittes des prächordalen Bodens
hat danij die Knickung innerhalb desselben zur Folge, und die durch
die Knickung entstandene Kante bildet eben die Bas alecke (s.
Fig. 336, die punktierte Linie).
Im Hinblick auf die Verhältnisse bei den Amnioten ist hervorzuheben, daß
die Sattellehne der Selachier bis zu ihrem vorderen Rand von der Chorda dorsalis
durchsetzt wird.
Bei Pristiurus besteht anfangs ebenfalls eine rechtwinklige Stellung der
Trabekel zu den Parachordalia, und dementsprechend springt auch hier bei der
folgenden Anwachsung der Trabekel an die Parachordalia der vordere Rand der
Basalplatte als Sattellehne vor. Aber bei der Ausbildung der Brücken beuge des
Gehirns wird der Boden des prächordalen Schädelabschnittes mehr als Ganzes ge-
hoben, so daß die erwähnte Winkelstellung sich fast ausgleicht und eine Basalecke
nicht zur Ausbildung kommt. Der Schädelboden von Pristiurus flacht sich somit
mehr ab als der von Acanthias (Fi^. 335).
Bei einem 8,5 cm langen Embryo von Callorhynchus antarcticus, dessen Cra-
nium von Schauinsland (1903) modelliert wurde, springt die Sattellehne ebenfalls
weit in den Schädel vor und wird bis zum vordersten Rand von der Chorda durch-
zogen. Daraus kann wohl geschlossen werden , daß auch hier die Anwachsung
der Trabekel an die Parachordalia in prinzipiell gleicher Weise erfolgt wie bei
Acanthias.
Der Boden des prächordalen Schädelabschnittes bildet sich in der
Richtung von hinten nach vorn ventral vom Gehirn weiter, wobei
eine prochondrale Verdichtung der Verknorpelung vorhergeht. In
der Gegend zwischen beiden Nasengruben kommt nur eine schmale
mediane Bodenleiste zur Ausbildung, die von Sewertzoff mehrere
Namen erhalten hat: Rostrum stiel, Rostrum kiel, Inter-
nasalplatte. Ich möchte den letzteren Namen bevorzugen. Sie
verbreitert sich in der Gegend rostral von den Nasengruben zu einer
breiten Platte, der Rostralplatte (Fig. 334). Auch diese liegt an-
fangs unter dem vordersten Teil des Gehirnes und gelangt erst im
Laufe der weiteren Entwickelung durch starkes Längenwachstum des
Schädelbodens über das Gebiet des Gehirnes hinaus nach vorn. Ihr
weiteres Verhalten kommt später zur Sprache.
Seitlich von dem Boden der Orbito-temporalregion entsteht nun
noch, anfangs, wie es scheint, selbständig, dann aber mit dem Boden
verschmelzend und somit als lateraler Fortsatz am vorderen Teil des-
selben erscheinend, eine Knorpelspange, die sich nach vorn-außen
unter den vorderen Teil des Auges und zugleich über den Nasensack
vorschiebt. Sewertzoff bezeichnet sie mit dem wenig glücklichen
Namen Ethmoidknorpel, den ich trotz seiner Unzweckmäßigkeit
einstweilen beibehalte. Der Knorpel zeigt entschiedene Aehnlichkeit
mit dem Antorbitalfortsatz der Urodelen und dürfte wenigstens
teilweise demselben entsprechen.
Der Sphenolateralknorpel, der als selbständige Anlage der
Schädelseiten wand in der Orbito-temporalregion auftrat, verbindet
sich, wie erwähnt, zunächst mit dem rostralen Ende des iParachordale
medial vom Austritt des Trigeminus und des Facialis, und etwas
später auch mit der Ohrkapsel über den beiden genannten Nerven
(Fig. 334). Das Foramen, in das die beiden Nerven auf diese Weise
eingeschlossen werden, wird später durch eine Brücke in zwei zer-
legt. Das vordere, für den Trigeminus bestimmte, ist das For.
p r 0 0 1 i c u m , wie es für den Wirbeltierschädel typisch ist. So er-
langt der Sphenolateralknorpel hintere Befestigungen am Parachordale
und an der Ohrkapsel. Sein ventraler, dorsaler und vorderer Rand
sind zunächst frei. In der Folge bildet sich zwischen dem Auge und
Die Entwickelung des Kopfskelettes.
645
dem Gehirn eine Verbindung des vorderen Teiles des Sphenolateral-
knorpels mit dem Ethmoidfortsatz aus, und dadurch kommt eine
vordere Begrenzung der Schädelseitenwand in der Orbito-temporal-
region zu stände. Diese Seitenwand ist aber zunächst noch von einer
Caps, aud
Cart. supraorb. Cart. praespir. ]
IX
Cart. antorb
Rostr. P. lat.
: \Sp.v. I
': Occ. 4
Occ.S
Hyomand.
Are. hyal.
P. vent.
^, ^ Cart. Ifeckel
Eostrum Caps. Cart, P. Pal.-Q.
p. med. nas. suborb. palat. '.
Proc. palatobas.
Fig. 336. Graphische Rekonstruktion (nach Sagittalschnitten) des Kopfskelettes
(ohne die Kiemenbogen) eines 50 mm langen Embryo von Acanthias vulgaris. Nach
Sewertzoff. Die punktierte Linie auf dem Palatoquadratknorpel deutet den Ver-
lauf der Schädelbasis mit der Basalecke an. Das For. opticum ist noch sehr weit.
sehr großen Oeffnung (zwischen dem Boden, dem Sphenolateral-
knorpel, dem Ethmoidfortsatz und dem Verbindungsknorpel der beiden
letzteren) durchbrochen, durch die der N. opticus heraustritt, und die
erst später auf ein kleines Foramen opticum reduziert wird
(Fig. 336). Der N. oculomotorius, der kaudal und dorsal vom
N. opticus austritt, wird in ein Foramen eingeschlossen, das durch
Herabwachsen des Sphenolateralknorpels und Emporwachsen des
Randes des Schädelbodens (also der Trabecula) entsteht. Der
Ethmoidfortsatz springt über die Verbindungsstelle mit dem Spheno-
lateralknorpel hinweg nach vorn und außen vor, und läßt auch den
seitlichen Vorsprung entstehen, in den beim erwachsenen Acanthias-
schädel die Antorbitalwand ausläuft. (Es ist das der Fortsatz, der
bei Notidaniden besonders gut entwickelt, bei Rochen als Schädel-
flossenknorpel abgegliedert ist, s. Gegenbaur.) Im Anschluß an den
oberen Rand des Sphenolateralknorpels bildet sich bei Acanthias eine
supraorbitale Leiste aus; vorn geht sie in eine antorbitale
Wand über, die abwärts auf den Ethmoidfortsatz ausläuft.
Bei Pristiurus fehlt eine supraorbitale Leiste, dagegen bildet sich, wie bei
manchen anderen Haien (Scyllium, Mustelus u. a.) eine breite suborbitale
Leiste, d. h. ein dem unteren Rande der Schädelseiten wand ansitzender Boden
der Orbita, der von der Basis der Ohrkapsel zur Ethmoidalregion zieht. Die Ver-
knorpelung dieser Leiste beginnt bei Pristiurus, nach Sewertzoff, an zwei Stellen:
vorn in der Ethmoidalregion und hinten in der Labyrinthregion und schreitet in
kaudaler und rostraler Richtung vor. Der vordere Abschnitt dieser Suborbitalleiste
entspricht nach Sewertzoff dem Ethmoidfortsatz von Acanthias.
Nicht alle Selachier besitzen ein derartig plattbasisches Cranium, wie etwa
Acanthias; bei anderen ist ausgesprochen der tropibasische Typus erkennbar. Eine
specielle Untersuchung hierüber unter Berücksichtigung der Frage, welcher von
646 E. Gaupp,
beiden Typen der ursprünglichere ist, wäre sehr wesentlich. — Bei den Holo-
cephalen bleibt in der Schädelseitenwand der Orbito-temporalregion eine nur häutig
geschlossene Lücke, ähnlich der, die sich beim Acanthiasembryo findet (Fig. 83(3).
Sehr spät bildet sich das Dach der Schädelhöhle, so daß diese
lange Zeit dorsalwärts offen ist. Sewertzoff giebt an, daß das
Dach zwischen den Ohrkapseln (T e c t u m s y n o t i c u m) in Zusammen-
hang mit den letzteren, die Decke im Gebiet der Orbito-temporal-
region im Zusammenhang mit dem Sphenolateralknorpeln entstehe,
und daß ferner bei Pristiurus das Tectum synoticum zuerst von allen
Deckenteilen entsteht, was mit Rücksicht auf die Schädel anderer
Wirbeltiere von Interesse ist. Ein dem Occipitalteil zugehörender,
Deckenabschnitt scheint nicht zur Ausbildung zu kommen. An der
vorderen Grenze der Spheuoidalregion bleibt eine Dachfontanelle, die
bekannte Präfrontallücke, erhalten. Bei Callorhynchus wird auch
diese geschlossen.
Es bleiben nun endlich noch die Hauptbildungsvorgänge in der
Ethmoidalregion zu besprechen.
Von der schon erwähnten Rostral platte wachsen vorn seit-
liche Fortsetzungen aus, die sich aufwärts krümmen und mit den
vorderen Rändern der Sphenolateralknorpel sowie mit den Verbindungs-
leisten zwischen diesen und den Ethmoidknorpeln verbinden. Dadurch
wird jederseits von der Interuasalplatte eine große kranio-nasale Oeff-
nung begrenzt, durch die der N. olfactorius aus der Schädelhöhle
zum Geruchsorgan tritt. Sie wird durch eine später auftretende
Knorpelspange noch in zwei Teile zerlegt: eine laterale größere Oeif-
nung, das eigentliche Foramen olfactorium und eine mediale
kleinere Oetfnung, die später, wenn das Gehirn sich aus dem Gebiet
der Rostralplatte zurückgezogen hat, als ein die Wurzel des Rostrums
vor der Schädelhöhle durchsetzendes Foramen erscheint (s. Gegen-
baur). Im Anschluß an die Rostralplatte verknorpelt, verhältnis-
mäßig spät, die N a s e n k a p s e 1 , anfangs durch eine gebogene Knorpel-
platte hergestellt, die den Geruchsack von vorn und außen umgreift
(in diesem Zustand befinden sich die Nasenkapseln noch auf dem
Stadium, das in Fig. 336 dargestellt ist und im übrigen dem aus-
gebildeten Schädel schon sehr nahe steht). Die weitere Ausbildung
der Nasenkapsel hat Sewertzoff nicht verfolgt; daß sich im An-
schluß an die Interuasalplatte das Septum nasi bildet, ist wohl an-
zunehmen.
Bezüglich des Rostrums von Pristiurus, das bekanntlich aus drei Stäben, einem
medianen und zwei lateralen, besteht, schließt sich Sewertzoff an die Auffassung
von Gegenbaue (1872) an, nach der diese zierliche Gerüstbildung durch eine Ver-
größerung der kleinen bei Acanthias vorhandenen -Durchbrechungen des Eostrums
entstanden zu denken ist. Den Grund dafür sieht Sewertzoff in der stärkeren
Ausbildung der Schleimkauäle bei Pristiurus. — Den sog. Nasenflügelknorpel
finde ich bei einem 8 cm langen Embryo von Mustelus vulg. in kontinuierlicher
Verbindung mit der Nasenkapsel; er ist eine von der letzteren ausgehende Bildung.
Mehrere Knorpelstücke liegen in der Umgebung der Nasenöffnung der Holo-
cephalen ; Schauinsland fand sie schon bei einem älteren Embryo von Callo-
rhynchus vom Nasenskelett losgelöst. —
Die Ausbildung des Kopfskelettes erfolgt in caudo-rostraler Rich-
tung; der chordale Schädel geht somit in seiner Entwickelung dem
prächordalen voraus. Der prächordale Abschnitt zeigt aber während
der Ontogenese das bei weitem bedeutendere Wachstum als der chor-
dale Teil. In welcher Weise sich das Wachstum der einzelnen Ab-
Die Entwickelung des Kopfskelettes, 647
schnitte gestaltet, zeigen die vergleichenden Schemata (Fig. 335), in
denen die Längenausdehnung der einzelnen Abschnitte des Pristiurus-
schädels auf dem Medianschnitt von drei Stadien dargestellt ist, und
zwar derartig auf ein gleiches Maß gebracht, daß der chordale Schädel-
teil in seiner Ausdehnung als unverändert angesehen ist. Es zeigt
sich, daß der prächordale Schädelteil den chordalen im Laufe der
Ontogenese erheblich im Längenwachstum überholt.
B. Visceralskele tt,
Lippenknorpel. Ueber die Entwickelung der Lippenknorpel
findet sich bei Sew^ertzoff (1899) nur eine kurze Bemerkung: die
Lippeuknorpel von Acanthias treten viel später auf als die knorpeligen
Visceralbogen , zu einer Zeit , wenn die letzteren sich schon voll-
kommen differenziert haben. Auch bei Callorhynchus entstehen die
Lippenknorpel spät (Schauinsland); auf die besondere Ausbildung,
die sie bei den Holocephalen erfahren, sei hier hingewiesen (s. Hub-
recht, K. Fürbringer).
Visceralbogen. Die Visceralbogen legen sich nach Sewer-
TZOFF bei Acanthias in rostro-kaudaler Richtung an ; die prochondralen
Anlagen der vordersten erscheinen zu einer Zeit, wo die Verknor-
pelung der Parachordalia? schon begonnen hat: die Entwickelung des
neuralen Schädelteiles geht also der des visceralen etwas voraus.
Bezüglich der Herkunft des Mesenchyms, aus dem sich die knorpeligen Visceral-
bogen differenzieren, hat DoHKisr neuerdings (1902) angegeben, daß dasselbe ekto-
dermaler Natur sei und hauptsächlich aus der Ganglienleiste des Kopfes stamme.
Daß auch andere Teile des Ektoderms sich an der Lieferung jenes Materials be-
teiligen, hält DoHRN nicht für ausgeschlossen.
Die prochondrale Anlage des Man dibular bogen s ist, der
Form des Mundrandes sich anpassend, C-förmig gekrümmt, das dorsale
Ende einer jeden Hälfte liegt der Trabecula nahe. Die ventralen
Enden beider Hälften des Bogens stoßen frühzeitig zusammen. Noch
nachdem die Ueberführung des Gewebes in jungen Knorpel erfolgt
ist, stellt der Mandibularbogen jeder Seite ein einheitliches Gebilde dar,
dessen dorsale Hälfte (das spätere Palat oquadratum) durch zwei
Fortsätze ausgezeichnet ist: einen dorsalen (Proc. palatobasalis),
der durch dichtes Gewebe mit der Trabecula seiner Seite innig ver-
bunden ist, und einen vorderen (Pars p a 1 a t i n a), der der Trabecula
parallel ventralwärts zieht und sich in der Richtung von hinten nach
vorn entwickelt (Fig. 332). Später gliedert sich der dorsale Abschnitt
des Mandibularbogens von dem ventralen (dem primordialen
Unterkiefer) ab, die Partes palatinae beider Palatoquadrata kommen
vorn in der Mittellinie zur Vereinigung, und an der Stelle der Ver-
bindung des Proc. palatobasalis mit der Trabecula bildet sich ein Ge-
lenk aus. Die wichtigste Verbindung des Palatoquadratum mit dem
neuralen Cranium erfolgt aber bei den meisten Selachiern durch das
Hyomandibulare (h y o s t y 1 e r Typus, Fig. 336).
Sewertzoff ist der Ansicht, daß das dorsale Ende des Mandibularbogens, das
sich frühzeitig mit der Trabecula verbindet, den oberen Enden der übrigen Visceral-
bogen entspricht, und schließt weiterhin aus dem geschilderten Verhalten, daß das
Palatobasalgelenk, das aus jeuer frühen Verbindung hervorgeht, die primitive An-
heftungsstelle des Mandibularbogens an das neurale Cranium sei, und daß die Ver-
bindung mit der Ohrkapsel, die die Notidaniden zeigen, eine sekundäre Erscheinung
darstelle. Nach Gegenbaur (1872) ist gerade diese bei den Notidaniden vorhandene
Verbindung die primitive (auch von Dohrn 1885 bestritten). Eine merkwürdige
Thatsache, die vielleicht durch die Entwickelungsgeschichte verständhcher werden
648 E. Gaupp,
könnte, ist die verschiedene Lage der Anheftungsstelle des Proc. palatobasalis am
neuralen Cranium. Gegenbaur nimmt das Verhalten, wo die fragliche Gelenk-
facette weit hinten in der Orbito-temporalregion liegt (Notidaniden) als Ausgangsform
und läßt die Anlagerungsstelle von diesem Zustande aus nach vorn in die Ethmoidal-
region (z. B. Mustelus) wandern. Für die Beurteilung der Zustände bei Ganoiden,
Teieostiern und Amphibien ergeben sich daraus Schwierigkeiten, die bisher nicht zu
beseitigen sind.
Im Gegensatz zu dem Befund Sewertzoff's bei Acanthias steht der von
DoHBN (1885) bei Pristiurus, Scyllium, Centrina, wonach das Palatoquadratum und
der primordiale Unterkiefer von vornherein mit selbständigem Knorpelkern entstehen.
— Beim Callorhynchusembryo von 8,5 cm Länge fand Schauinsland das Palato-
quadratum bereits fest mit dem neuralen Schädel verwachsen; diese für die Holo-
cephalen so charakteristische Verwachsung (autostyler Typus des Schädels!) erfolgt
also sehr frühzeitig. Das Kiefergelenk ist sehr weit nach vorn verschoben. — Die
Genese der von White bei Laemargus und Hexanchus, von K. Fürbringer auch
noch bei Chlamydoselachus und von Schaulnsland bei Callorhynchus gefundenen
Co pul a zwischen beiden Unterkiefern ist bisher nicht beschrieben worden.
Spritzlochknorpel. Der Spritzlochknorpel der Haie (Fig. 336)
und Rochen entsteht als Verdichtung des Mesenchyms in der vorderen
Wand des Spritzloches (Dohrn). Bei Spinax, wo sich im erwachsenen
Zustand mehrere Knorpel finden, werden dieselben auch diskret an-
gelegt (K. Fürbringer). Gegenbaur's Anschauung, daß die Spritz-
lochknorpel als zum Kieferbogen (Palatoquadratum) gehörige Kiemen-
strahlen aufzufassen seien, wird von Dohrn bestritten durch den Hin-
weis auf die Lage vor dem Blutgefäßapparat der Spritzlochkieme ;
K. Fürbringer's Befunde sprechen dagegen wieder zu Gunsten von
Gegenbaur's Ansicht.
Hyal bogen. Die prochondrale Anlage des Hyalbogens wird
bei Acanthias in Form einer einheitlichen Spange auf jeder Seite
gleichzeitig mit der des Mandibularbogens erkennbar. Auch nach der
Ueberführung in Knorpel ist die Spange jeder Seite noch einheitlich;
als selbständige prochondrale Anlage tritt jedoch das Basihyale auf.
Schon gleich nach der Verknorpelung heftet sich das obere Ende des
Hyalbogens an die ventrale Fläche der Ohrkapsel an. Die weiteren
Schicksale des Bogens hat Sewertzoff nicht verfolgt: aus der bis-
herigen Schilderung geht aber hervor, daß der Zerfall in ein dorsales
Stück (Hyomandibulare) und ein ventrales Stück (eigentliches Hyale)
ein erst nach der Verknorpelung erfolgender Vorgang ist. An der dor-
salen wie an der ventralen Hälfte des Hj^albogens entstehen Kiemen-
strahlen, das Vorhandensein eines dorsalen Strahles am Hyomandi-
bulare, der sich als homodynam mit den sog. äußeren Kiemenbogen
erweist, zeigt nach Dohrn, daß das Hyomandibulare einem Epi- und
Pharyngohyale entspricht (s. u.).
Bei den Rochen (Torpedo) entsteht nach Dohrn (1885) in einem
Stadium, in welchem die knorpeligen Gebifde erst unbestimmt ange-
legt sind, in der Substanzmasse des „Hyoidbogens" eine doppelte
Konzentration der Mesodermzellen : eine in nächster Nähe des Hinter-
randes, eine zweite vorn, neben dem Hinterrande des Spritzloches.
Dementsprechend sind auch zwei Anlagen von Muskulatur vorhanden.
Die vordere Anlage ist die des sog. Hyomandibulare, die also selb-
ständig ist, die hintere entspricht in ihrem Verhalten den übrigen
vollständigen Kiemenbogen und wird, wie diese, durch die Venen-
querkommissur des Zungenbeinbogens in eine obere und eine untere
Hälfte zerlegt. An der oberen wie an der unteren Hälfte bilden sich
je 4 Knorpelstrahlen, und obere wie untere Hälfte gliedern sich noch
in je 2 Stücke, so daß der ganze Bogen die gleiche Gliederung auf-
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 649
weist wie die echten Kiemenbogen : in 4 Stücke, von denen die beiden
mittelsten mit Knorpelradien besetzt sind.
DoHRN schließt, daß das Verhalten bei den Rochen das primäre sei, und daß
das Hyomandibulare einem selbständigen Kiemenbogen entspreche, während bei den
Haien das Hyomandibulare als mit der dorsalen Hälfte (Epi- imd Pharyngohyale)
des hinteren Hyalbogens (im Sinne der Rochen) verschmolzen anzusehen sei. Gegen-
BAUR betrachtet umgekehrt das Verhalten bei den Rochen als einen abgeänderten
Endzustand: ursprünglich habe das Hyomandibulare, wie bei den Haien, das obere
Stück des Hyalbogens gebildet, dann sei es infolge der Beziehungen zu dem Kiefer-
bogen selbständiger geworden , und hinter ihm habe sich die ventrale Hälfte des
Hyalbogens in die Höhe geschoben und zugleich die für die ganzen Kiemenbogen
typische Gliederung in 4 Stücke sekundär angenommen. Eine dritte Deutung liegt
von VAX WiJHE (1902) vor: der hinter dem Hyomandibulare aufsteigende Bogen der
Rochen sei ein Hyobranchiale, d.h. ein selbständiger Bogen, der bei den Haien
gänzlich zu Grunde gegangen sei. Umgekehrt wäre bei den Rochen das ventrale
Stück des eigentlichen Hyalbogens verloren. Hyal- und Hyobranchialbogen waren
einmal 2 selbständige Bogen, durch eine Kiemenspalte getrennt. Diese sei zu Grunde
gegangen.
Beim Callorhynchusembryo findet Schauinsland den Hyalbogen
jederseits in 3 Stücke (Kerato-, Epi-, Pharyngohyale) zerlegt, was einen
primitiven Zustand andeutet. Am Kerato- und Epihyale sitzen Radien-
gruppen, die die großen, als Kiemendeckel funktionierenden Hautfalten
stützen.
Die Arcus branchiales sind in ihrer Entwickelung vor allem
von DoHRN (bei verschiedenen Selachiern: Pristiurus, Scyllium, Tor-
pedo) verfolgt worden. Danach tritt an einem der mittleren Visceral-
bogen die zur Bildung des knorpeligen Kiemenbogens führende Mes-
enchymverdichtung zu einer Zeit ein , wo innerhalb der Masse des
Gesamtbogens sich die vordere und hintere Vene und zwei Querkom-
missuren zwischen denselben gebildet haben, und der aus der Visceral-
bogenhöhle hervorgegangene Muskelschlauch in der Mitte seiner Länge
in eine mediale und eine laterale Abteilung sich zerschnürt hat. Die
Verdichtung beginnt hinter dem medialen Teil des Muskelschlauches,
zwischen den beiden Venenkommissuren, und schreitet dorsal- wie
ventralwärts vor. Später, wenn die Trennung des Muskelschlauches
in eine mediale (Abductor-) und eine laterale (Constrictor-)Portion
vor sich gegangen ist, greift die Knorpelbildung außen um die mediale
Portion auf deren Vorderseite herum. Nach Dohrn's Darstellung ist
nicht nur der prochondrale, sondern auch der knorpelige Bogen jeder
Seite anfangs einheitlich und wird erst unter dem Einflüsse der sich
ditferenzierenden Muskulatur in die typischen 4 Stücke zerlegt. Zu-
erst erfolgt die Gliederung in eine dorsale und ventrale Hälfte (an der
Stelle, wo die untere Venenkommissur liegt), dann gliedert sich die obere
Hälfte noch in das obere Mittelstück (Epibranchiale) und das Basale
(Pharyngobranchiale), die untere Hälfte in das untere Mittelstück
(Keratobranchialej und das Copulare (Hypobranchiale). Die Ent-
wickelung der Copulae (Basibranchialia) scheint mit größerer Selb-
ständigkeit und Unabhängigkeit von den Bogen in der ventralen
Mittellinie vor sich zu gehen, ist aber von Dohrn nicTit genau ver-
folgt worden.
Wesentlich später als die Knorpelbogen selber entstehen die
Kiemen strahlen (Radii). Sie treten als selbständige Ver-
dichtungen der Mesenchymzellen, getrennt von dem Kiemenbogen, auf;
zuerst auf derselben Höhe, wo auch die Bildung des Knorpelbogens
begann, und dann von hier aus dorsal- wie ventralwärts fortschreitend.
Erst wenn sie beträchtlich an Größe zugenommen haben, nähern sie
650 E. Gaupp,
sich mit ihrer Basis den Mittelstücken des Knorpelbogens und setzen
sich an diese an. Hiervon machen nur der am meisten ventrale und
der am meisten dorsale eine Ausnahme. Sie erreichen die Mittelstücke
nicht, sondern verbinden sich : der obere mit dem Basale (Pharyngo-
brauchiale), der untere mit dem Copulare (Hypobranchiale), und zwar
bindegewebig. In der Folge krümmt sich der obere ventralwärts, der
untere dorsalwärts, beide wachsen aufeinander zu und werden so zu
den sog. äußeren Kiemen bogen. Danach wären also die äußeren
Kiemenbogen terminale (dorsale und ventrale) Kiemeustrahlen, die
zudem sehr spät entstehen (s. S. 636).
Die Genese der von J. E. Stumpfe entdeckten und von M, FtJRBRiNGER (1903)
als Extras eptalknorpel bezeichneten Knorpel, die bei Eochen oberflächlich im
Bereiche der die Kiemenspalten deckenden Lamellen liegen, ist bisher nicht unter-
sucht worden. Das Gleiche gilt von gewissen mehr accessorischen Elementen, die
an verschiedenen Stelleu (zwischen Kiefer- und Zungenbeinbogen, zwischen diesem
und 1. Kiemenbogen und an anderen Stellen) bei einzelnen Formen gefunden
werden. Hierüber wie überhaupt über das Visceralskelett der Selachier siehe außer
Gegenbaur's Arbeiten vor allem K. Fürbringer (1903).
Ganoiden.
Unsere Kenntnis von der Entwickelung des Ganoidenschädels ist
noch sehr gering. Die Schädel von Acipenser (ruthenus und sturio)
sowie von Lepidosteus osseus sind durch W. K. Parker auf mehreren
Stadien beschrieben worden ; dazu kommen einige neuere, die Ent-
wickelung der Occipitalregion bei Acipenser, Amia und Lepidosteus
betreffende Angaben von Sewertzoff, Allis und Schreiner. Die
Anatomie des ausgebildeten Schädels der Ganoiden ist in den Haupt-
punkten gut bekannt und muß, bei der Lückenhaftigkeit des embryo-
logischen Materiales, hier mitberücksichtigt werden.
I. Primordialcranium.
A. Neurales Primordialcranium.
Acipenser. Von der Anlage des chordalen Schädelteiles (außer
den Ohrkapseln) bei Acipenser ruthenus handelt Sewertzoff (1895),
dessen Befunde ich hier, unter Aenderung der Bezeichnungen, wieder-
gebe. Jederseits von dem vorderen Ende der Chorda dorsalis legt
sich die Pars otica des Parachordale an, durchaus unsegmen-
tiert, nach rückwärts bis in den Bereich des vordersten Myotoms
reichend (Myotonie sind bis zum Vagus nachweisbar). Dahinter legt
sich die Occipitalregion an, die sich aus mehreren (3) Abschnitten
aufbaut. Der vorderste Teil („Occipitalteil" Sewertzoff) entsteht
selbständig, besitzt die Form eines Wirbelbogens und zeigt Andeutung
einer Segmentierung darin, daß er sich im Bereich dreier Myotome
(des 2. bis 4. inkl.) bildet, und daß die Myocommata zwischen dem
2. und 3., dem 3. und 4. und dem 4. und 5. Myotom sich mit seinem
Perichondrium verbinden, ebenso wie später die Myocommata der
Rumpfmyotome mit dem Perichondrium der entsprechenden Bogen.
Der zweite Teil wird gebildet von 3 selbständig und gesondert ent-
stehenden oberen Wirbelbogen, die sich mit den Myocommata zwischen
dem 5. und (3., dem 6. und 7., dem 7. und 8. Myotom verbinden.
Durch Verschmelzung der genannten Abschnitte untereinander und
mit der Pars otica des Parachordale (wobei die zugehörigen Myotome
verkümmern) kommt der axiale Teil des chordalen Schädelabschnittes
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 651
in seiner primären Ausdehnung zu stände. Ihm fügt sich aber
sekundär als dritter Teil der Occipitalregion noch eine weitere Anzahl
diskret entstandener Wirbelbogen an, die sich von den primär an-
geschlossenen dadurch unterscheiden, daß ihre Form nicht bis zur
Unkenntlichkeit verwischt ist. Von den Myotomen sind die beiden
vordersten ohne Nerven ; dem 3. und 4. kommt je eine ventrale Wurzel
zu, die wieder verschwinden ; vom 5. Myotom an finden sich richtige
Spinalnerven mit dorsaler und ventraler Wurzel. Die dorsalen Wurzeln
des 5., 6., 7. Myotom s gehen wieder zu Grunde, die ventralen Wurzeln
derselben bleiben erhalten (Fig. 325, p. 598, Schema 2).
Nach Sewertzoff (1899) entspricht mir der vordere Teil der Occipitalregion
(sein „Occipitalteil") der Occipitalregion der Selachier, und schon die 3 Bogen, die
den mittleren Abschnitt bilden, wären neu hinzugekommen. Dagegen vergleicht
FÜRBRLNGEE, (1897) die Occipitalregion von Acipenser, wie sie durch den vordersten
und den mittleren Abschnitt gebildet wird, mit der Occipitalregion der
Selachier und bezeichnet dementsprechend die drei erhalten bleibenden ventralen
Wurzeln (des 5., 6., 7. Myotoms) als x, y, x, also als occipitale Nerven. Braus
(1900) hält sie dagegen für y, x, a. Die Zahl der sekundär angeschlossenen und
kontinuierlich mit dem Cranium verschmelzenden Wirbel beträgt nach Fürbringer
5 — 6, dazu kommen aber noch 2 — o, die nur unvollständig mit den vorhergehenden
verwachsen. Die zu allen sekundär assimilierten Wirbeln gehörigen Nerven haben
spinalen Typus, d. h. dorsale und ventrale Wurzeln ; sie sind als occipito-spinale zu
bezeichnen. Durch die sekundär assimilierten Wirbel erfährt das Acipensercranium
einen Zuwachs gegenüber dem Selachiercranium, es ist auximetamer. Bei den
Stören hat sich also das Cranium sehr weit nach hinten auf Kosten der Wirbelsäule
ausgedehnt, aber der gesamte neu entstandene kraniospinale Skelettkomplex hat
noch keine scharfe Grenze gegen die übrige Wirbelsäule erlangt.
Die übrige Schädelentwickelung bei Acipenser hat Parker (1882)
studiert; eine klare Vorstellung davon ist allerdings aus seiner Stadien-
und Schnittbeschreibung nicht zu gewinnen.
Ich greife nur einige Punkte heraus. Die Ohrkapsel scheint im Anschluß
an den Paracbordalknorpel zu entstehen; ihre mediale Wand kommt am spätesten
zur Entwickelung und scheint auch beim erwachsenen Tier nicht sehr vollständig
zu werden. Die Trab ekel entstehen gleichzeitig mit den Parachordalia (jedenfalls
nicht früher); sie sind von vornherein sehr breit und nur durch einen schmalen
Zwischenraum voneinander getrennt, unter der Hypophysis sogar frühzeitig unter-
einander verbunden zu einer Platte, die nur von einer kleinen Oeffnung durchbohrt
wird. Später tritt vollkommene Verschmelzung der Trabekel ein. Die Verknorpelung
der Seitenwand in der Orbito-temporalregion scheint nicht von vornherein
kontinuierlich zu erfolgen ; Parker erwähnt ein besonderes Knorpelband als „Orbito-
sphenoid" und „Alisphenoid" (nach Sewertzoff's Bericht hat auch Salensky
dieses Knorpelband als etwas Selbständiges beschrieben) und ein „Superorbitalband",
das sich über dem Gehirn einwärts biegt, zur Bildung des Schädeldaches. Auf
der Grenze der Orbita gegen das Geruchsorgan springt schon auf jungem Stadium
ein Antorbitalfortsatz nach außen vor; die Trabekel enden anfangs mit freien
vorderen Enden. Später bildet sich gerade in der Ethmoidalregion eine sehr dicke
Knorpelmasse, die jederseits das Geruchsorgan eingelagert enthält und nach vorn als
Rostrum vorspringt. Eine dicke Knorpelmasse (Septum nasi) trennt beide Geruchs-
gruben; jede der letzteren steht durch ein Foramen olfactorium, aus dem mit dem
Größerwerden des Schädels ein Canalis olfactorius wird, mit dem Cavum cranii in
Verbindung, Die Schädelbasis erscheint im vorderen Teil der Orbito-temporalregion
etwas von beiden Seiten zusammengedrückt, so daß ein leichter Grad von ,, Kielbasis"
zu stände kommt.
Lepid Ostens. Bei Lepidosteus ist das neurale Chondrocranium
unvollständiger als bei Acipenser und bietet manche Besonderheiten.
Angaben über die erste Anlage der Parachordalia, Ohrkapseln und
occipitalen Schädelteile macht Schreiner. Die Gewebsverdichtungen
der Parachordalia erscheinen bei 9 mm langen Larven ; bei etwas älteren
hängen sie, auf dem Vorknorpelstadium, bereits mit dem periotischen
Vorknorpelgewebe zusammen. Die Parachordalia gehen kaudalwärts
652
E. Gaupp,
ohne Grenze in die beiden (dorsalen und ventralen) Längsleistenpaare
über, die der Chorda anliegen und aus denen später die dorsalen und
die ventralen Wirbelbogen hervorgehen. Von den Myotomen, die bis
an die Ohrblase zu verfolgen sind, gehen die drei ersten zu Grunde,
das 4. bleibt mit einer ventralen Nervenwurzel (die zugehörige
dorsale ist nur transitorisch vorhanden) erhalten, zum 5. gehören wie
zu den folgenden stets eine dorsale und eine ventrale Nervenwurzel.
Die weitere Entwickelung der Occipitalregion läßt 2 Abschnitte unter-
scheiden, einen vorderen, an dem eine Segmentierung nur durch die
Beziehungen zu den Muskelsepten ausgedrückt ist, und einen hinteren,
der deutlicher die Gliederungsverhältnisse
der Wirbelsäule zum Ausdruck bringt. Der
vordere reicht bis zur Austrittsstelle des
zum 5. Myotom
verbinden sich
dem 3. und 4.
und 5. Myotom.
5. Myotom s fol
Lepidosteus
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Amia
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wenigstens
Fig. 337. Zwei Schemata,
die Ausdehnung und Seg-
mentierung der Occipitalregion
bei Lepidosteus und Amia
illustrierend. Unter Zugrunde-
legung der Befunde von
Schreiner und der Auf-
fassung von M. FÜRBRENGER.
gehörigen Nerven ; mit ihm
das Myoseptum zwischen
und das zwischen dem 4.
Hinter dem Nerven des
gt ein Skelettabschnitt, der
in der ersten Anlage mit einem
dorsalen Bogen übereinstimmt und dem
Myoseptum zwischen dem 5. und 6. Myotom
entspricht, und auf diesen folgen endlich
noch 2 richtige dorsale Bogen (mit den
Myosepten zwischen dem 6. und 7. und
zwischen dem 7. und 8. Myotom zusammen-
hängend). Hinter dem zweiten dieser Bogen
bildet sich die kraniovertebrale Grenze aus.
Man kann also sagen, daß jedenfalls 3 deut-
liche spinale Skelettsegmente in den Schädel-
aufbau übergehen, daß aber auch der davor
gelegene Abschnitt der Occipitalregion die
Andeutung einer ursprünglichen spinalen
Gliederung zeigt. Der aus der Verschmel-
der 2 hinteren
zung
Bogen hervorgehende
Skelettabschnitt bildet den hinteren Teil des
Pleuroccipitale beim erwachsenen Tier, den Gegenbaur (1887) von
dem davor gelegenen Teil des Pleurocc. durch Naht getrennt fand.
In das Skelett der Occipitalregion werden 4 Nerven von spinalem Typus voll-
ständig, und ein 5. unvollständig eingeschlossen. Der vorderste (Nerv des vierten
metotischeu Myotoms) ist nur durch die ventrale Wurzel repräsentiert, die anderen
besitzen dorsale und ventrale Wurzeln. Von dem 5. wird nur die ventrale Wurzel
in das Cranium eingeschlossen, während die dorsale durch die Membran hindurch-
tritt, die das Cranium mit dem 1. Wirbel verbindet. Nach FÜRBRmGER's Auf-
fassung und Nomenklatur ist der vorderste Nerv ein occipitaler (z), die folgenden
sind occi pito- spinale {a, b, c, d), die Occipitalregion ist auximetamer mit drei
sekundär assimilierten Wirbein.
Weitere Angaben macht Parker. Das jüngste von ihm darge-
stellte Stadium (eben ausgeschlüpfte Tiere von 5 — 5,5 Linien Länge)
zeigt das Parachordale jeder Seite bereits kontinuierlich mit der Ohr-
kapsel verschmolzen, an deren Basis sich ein nur häutig geschlossenes
Forameu (Foramen ovale, Parker) findet. Ob es auch wie das
der Telostier (s. diese) bei der Verbindung der Ohrkapselanlage mit
dem Parachordale ausgespart bleibt, ist bisher nicht bekannt. In
einiger Entfernung hinter der Chordaspitze gehen die Parachordalia,
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 653
indem sie sich lateralwärts von der Chorda entfernen, in die Trabekel
über, die anfangs divergierend nach vorn ziehen, dann konvergieren
und in eine Platte sich fortsetzen, die, wenn auch von sehr geringer
sagittaler Ausdehnung, doch für die vordere Hälfte der Orbito-tempo-
ralregion wie für die ganze Ethmoidalregion die erste Skelettanlage
darstellt, soweit sich wenigstens aus Parker's Darstellung erkennen
läßt. In die von den Trabekeln umschlossene spindelförmige Fenestra
basicranialis reicht die Chorda mit ihrem vorderen Ende weit hinein
(wie bei den Teleostei) ; jedeTrabecula wird von einem Foramen caroticum
durchsetzt. Die Seiten und das Dach des Craniums sind noch häutig,
auch die mediale Ohrkapselwand ist membranös. Im Verlaufe der
weiteren Entwickelung bildet sich zwischen den beiderseitigen Ohr-
kapseln ein knorpeliges Dach über der Schädelhöhle; indem sich dieses
über die Ohrkapsel jeder Seite hinaus kaudalwärts ausdehnt und sich
hinter dem Vagus mit der dorsalen Parachordalleiste verbindet, kommt
das Foramen jugulare zu stände (Schreiner). Das Foramen an der
Ohrkapselbasis wird knorpelig geschlossen. Vor der Ohrkapsel ent-
steht in beschränkter Ausdehnung eine knorplige Schädelseitenwand,
ebenso vorn, im vordersten Gebiete der Orbito-temporalregion, wo
die erwähnte Platte sich zu einem niedrigen Septuni interorbitale um-
gestaltet. Beide Schädelseitenwandpartieen werden durch eine am
oberen lateralen Rande der Schädelhöhle hinziehende Spange, die
hinten in die dorsale Kante der Ohrkapsel übergeht (Taenia mar-
ginalis; Supraorbitalband Parker's), untereinander verbunden; der
größte Teil der Schädelseitenwand in der Orbito-temporalregion bleibt
jedoch häutig. Am Boden der Region kommt es, spät, zur Ausbildung
einer queren Knorpelbrücke vor der Chordaspitze zwischen den hinteren
Enden beider Trabekel ; dadurch wird die große Fenestra basicranialis
in eine kleinere Fen. bcr. posterior und eine größere Fen. bcr. anterior
(Feu. hypophyseos) zerlegt. Ferner entwickelt sich vom hinteren Ende
der Trabecula aus ein lateralwärts vorspringender Pro c. bas iptery -
g 0 i d e u s zur Artikulation mit dem Palatoquadratura. Das Dach der
Orbito-temporalregion bleibt zum größten Teil häutig; nur vorn über
den Lobi olfactorii verknorpelt es; diese Deckenpartie verbindet die
schon erwähnten Seitenwände untereinander. Der vordere Teil der
Schädelhöhle über dem Septum interorbitale verjüngt sich sehr be-
deutend und öffnet sich dann jederseits in die Orbita (For. ol fac-
to rium evehens). Das Septum interorbitale setzt sich als solches
noch eine Strecke weit fort und geht dann in das Septum internasale
über. — Das Skelett der Ethmoidalregion erfährt die bemerkens-
werteste Ausbildung, deren Darstellung durch Parker allerdings viel
zu wünschen übrig läßt. Aus den Abbildungen, die noch am ver-
ständlichsten sind, geht hervor, daß ein mittlerer und zwei seitliche
Abschnitte des Ethmoidalskelettes zu unterscheiden sind : der mittlere
bildet als Fortsetzung des Septum interorbitale ein Septum nasi, das
nach vorn etwas weiter reicht als die beiden lateralen Teile ; die beiden
seitlichen stellen schmale und lange Platten dar, die mit ihrem medialen
Rande in den basalen Teil des Septums übergehen und jederseits
eine am Septum hinziehende dorsal offene Rinne für die Nn. olfactorii
formieren. Die Bildung dieser drei Skelettabschnitte erfolgt nach Parker
von hinten nach vorn im Anschluß an die anfangs vorhandene basale
Platte; charakteristisch für die ganze Ethmoidalgegend ist ihr sehr
starkes Auswachsen in die Länge. In den erwähnten Rinnen ver-
654 E. Gaupp,
laufen die Nn. olfactorii nach vorn zu den lateral von dem vordersten
Septumabschnitt gelegenen Nasensäcken, die, wie es scheint, keine
Knorpelkapsel erhalten.
Nach Parker's Schnittbildern sowie nach der von Sägemehl (1884) gegebenen
Darstellung treten die Nu. olfactorii ans dem vordersten kanalartig verengten Teil
der Schädelhöhle heraus, laufen eine Strecke weit frei durch die Orbita neben dem
Septum interorbitale und treten dann in die erwähnten ßinnen ein. Der Verlauf
ist somit sehr ähnlich dem bei den Teleostiern. Die Nasenrinnen scheinen aus einer
durch starkes Auswachsen der ganzen Ethmoidalgegend erklärbaren Verlängerung
von Geruchsgruben, wie sie etwa Acipenser und die Teleostier zeigen, hervorgegangen.
Auffallend ist, daß, wenigstens nach Parker zu schließen, die Geruchssäcke selbst
ohne knorpelige Umhüllung sind. Neue Darstellungen wären sehr erwünscht.
Amia. Gegenüber Lepidosteus bietet Amia das interessante Ver-
halten, daß von den 3 deutlichen vertebralen Skelettsegmenten, die
sich dem Schädel anschließen, nur das erste (vorderste) vollständig in
diesen aufgeht, während von den beiden anderen zwar die Körper
mit den Parachordalia verschmelzen, die Bogen aber frei bleiben und
die schon lange bekannten freien Occipitalbogen bilden
(Schreiner; Fig. 337, p. 652.) Die speciellen Vorgänge weichen etwas
von denen bei Lepidosteus ab. Den beiden hinteren in das Cranium
eingehenden Wirbeln kommen auch ventrale Bogenanlagen zu und
werden noch beim erwachsenen Tier in Form kleiner Knorpelchen an
der VentralÜäche des Basioccipitale gefunden. Die kaudale Ausdehnung
des Amiacraniums ist an der Basis die gleiche wie die des Lepidosteus-
craniums, in den Seitenteilen aber eine geringere : nur 2 Nerven (^
und a nach der FÜRBRiNGER'schen Nomenklatur) treten durch das
Cranium, der dritte verläuft zwischen Cranium und erstem freien Occipital-
bogen. Von den 2 in das Cranium eingeschlossenen Nerven wird der
vorderste, zu dem 3. metotischen Myotom gehörige, nur durch eine
ventrale Wurzel repräsentiert, der zweite besitzt anfangs eine dorsale und
eine ventrale Wurzel, doch geht die erstere embryonal wieder zu
Grunde. Mit den Befunden bei Lepidosteus sind die bei Amia wohl
so in Einklang zu bringen, daß das 1. bisher nachgewiesene Myotom
von Amia dem 2. Myotom von Lepidosteus entspricht (Fig. 337).
Die Occipitalspange, mit der das Cranium von Amia in den Seiten-
teilen abschließt, bildet sich auf der Grenze zwischen dem 4. und 5.
metotischen Myotom und kann als einem früheren freien Wirbelbogen
entsprechend angesehen werden.
Weitere Angaben über die Ontogenese des Amiacraniums fehlen ; über den
definitiven Zustand desselben siehe Bridge, Sagemehl, E. Ph. Allis. Letzterer
macht auch einige Angaben über die Entwickeln ng der Occipitalregion.
Von den beiden durch das Cranium hindurchtretenden spino-occipitalen Nerven
kannten v. Wijhe und Sagemehl den zweiten ; der vorderste ist von E. Ph. Allis und
FÜRBRiNGER festgestellt, von Braus und Schreiner bestätigt worden. Braus (19G0)
bezeichnet ihn anders als Fürbringer. Der Auffassung der Letzteren bin ich in
Schema Fig. 337 gefolgt.
B. Primordiales Visceralslcelett.
Präkraniale Skelettteile.
Bei den Knorpelganoiden sind Knorpelstücke, die mit dem Palato-
quadratum zusammenhängen, als Repräsentanten von Lippenknorpeln
aufgefaßt worden (s. Palatoquadratum). Bei Polypterus beschreibt
JoH. Müller (1844) einen Mundwinkelknorpel, der die Ober-
und Unterlippe stützt. Embryologische Angaben fehlen.
Visceralbogen.
Kieferbogen. Acipenser zeigt nach Parker den hyostylen
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 655
Typus schon bei sehr jungen (8,5 — 9,5 mm langen) Embryonen, bei
denen der Knorpel noch sehr weich ist; die Ausbildung dieses Typus
war ontogenetisch nicht verfolgbar. Demnach ist die mit dem Ge-
lenkkopf versehene Pars quadrata von vornherein sehr klein und er-
reicht die Schädelbasis nicht ; die Pars palatina zieht von hier aus am
Dach der Mundhöhle nach vorn und endet ventral von der Antorbital-
gegend. Hier kommen die beiderseitigen zur Vereinigung, und in
dem Winkel, den beide bilden, hinter der medianen Naht, entstehen
mehrere selbständige Knorpelstückchen, die nur durch Bindegewebe
untereinander zusammenhängen. Parker bezeichnet sie mit dem un-
zweckmäßigen Namen Metapterygoide ; ihre Bedeutung ist unbekannt.
Zuerst tritt ein unpaares Stück auf, dann folgen paarige in variabler
Menge (in einem Fall beschreibt Parker im ganzen 15).
Bei jungeu Stören faud van Wijhe einen kleinen knoriDeligen Fortsatz des
Palatoquadratums, der, vom Hinterrande des letzteren ausgehend, sich an der Außen-
fläche des M. adductor mandibulae nach vorn erstreckt. Viel kräftiger entwickelt
ist dieser Knorpel bei Spatularia, auch noch bei erwachsenen Tieren. Gegenbaur
(1898) giebt an, daß hier der Knorpel auch an seinem vorderen Ende mit dem
Palatoquadratum zusammenhänge, so daß der genannte Muskel zwischen ihm und
dem Palatoquadratum hindurchtreten muß. Gegenbaur vergleicht daraufhin den
Knorpel mit dem zweiten oberen Labialknorpel der Selachier.
Der primordiale Unterkiefer besitzt von vornherein eine
fast quere Verlaufsrichtung, zwischen seinem proximalen Ende und
dem Gelenkhöcker des Palatoquadratums bildet sich das Gelenk aus.
Die beiderseitigen erreichen sich anfangs in der Mittellinie nicht, später
werden ihre vorderen Enden bindegewebig verbunden.
Bei Lepidosteus zeigt das Palatoquadratum nach Parker
wichtige Abweichungen von Acipenser. Bei jung ausgeschlüpften
Tieren besitzt der hintere Teil (P. quadrata) eine von hinten nach vorn
gehende Richtung; sein hinteres Ende liegt frei an der Schädelbasis
zwischen der Ohrkapsel und dem Schädelbalken. Die Pars palatina ist
schon auf diesem Stadium an ihrem vorderen Ende mit der vorderen
lateralen Ecke der vorderen Trabekularplatte kontinuierlich knorpelig
verschmolzen. Später bildet sich zwischen dem proximalen Ende der
Pars quadrata und dem Balken, resp. dem an diesem entstehenden
Proc. basipterygoideus eine Gelenkverbindung aus (Art. basi-pala-
tina). Außer dieser direkten Artikulation des Palatoquadratums an der
Schädelbasis wird aber eine zweite Verbindung des Palatoquadratums
mit dem neuralen Cranium hergestellt durch das Hyomandibulare.
Das Kiefergelenk steht infolge der Richtung des Palatoquadratums sehr
weit vorn (bei jungen, ca. 2 Zoll langen Lepidostei liegt der Gelenk-
kopf des Quadratums etwa in gleicher Querebene mit dem For.
olfactorium). Am hinteren Ende bildet sich noch ein kurzer Proc.
oticus aus, der aber so kurz bleibt, daß er die Ohrkapsel nicht er-
reicht. Aus der vorderen, anfangs kontinuierlichen Verbindung des
Palatoquadratums mit der vorderen Trabekularplatte geht später eine
lose Verbindung (Art. ethmo-palatina) hervor. Der wichtige
Unterschied, den Lepidosteus gegenüber Acipenser zeigt, liegt also
darin, daß bei Lepidosteus das Palatoquadratum nicht nur durch das ,
Hyomandibulare getragen wird, sondern sich außerdem selbst noch
gelenkig mit dem Proc. basipterygoideus verbindet. Es ist das also
ein amphistyler Typus (Huxley) in ganz ausgesprochener
Form. — An dem langen und schlanken primordialen Unter-
kiefer von Lepidosteus ist in kurzer Entfernung vor der GelenkMäche
ein hoher Processus coronoideus bemerkenswert.
656 . E. Gaupp,
Polypteriis. Hyostyler Typus. Art. ethmo-palatina.
Aniia. Amphistyler TyiJiis. Das Palatoqiiadratum tritt an seinem hinteren
Abschnitt mit dem neuralen Cranium direkt in Verbindung: durch ein kurzes Band
mit einem Fortsatz der Schädelbasis zwischen Foramen opticum und der Hauptmasse
des Trigeminus (van Wijhe), ferner durch ein Band, das einen Fortsatz des Palato-
quadratums an die hintere Wand der Orbita heftet (VAN Wijhe). Vorn bildet sich
eine Art. ethmo-palatina aus.
Die Junctura basi-palatina, wie sie bei Lepidosteus als Gelenk und bei
Amia (nach van Wijhe) als Syndesmose besteht, scheint aus der Junctura palato-
basalis der Selachier hervorgegangen. Dann wäre die Articul. ethmo-palatina
(Verbindung des vorderen Endes des Palatoquadratums an dem Planum ethmoidale)
eine neue P^inrichtung, verständlich durch die Aufgabe der medianen Verbindung
beider Palatoquadrata. Die ethmoidale Lage der Palatobasalverbindung bei manchen
Selachiern fordert jedoch zu neuen Untersuchungen hierüber auf.
Zungenbeinbogeu. Der Zungenbeinbogen von Acipenser und
Lepidosteus wurde von Parker schon sehr frühzeitig in seine einzelnen
(knorpeligen) Segmente zerlegt gefunden. Diese Segmente sind bei
Acipenser (5) : Hyomandibula (artikuliert an der Ohrkapsel unter dem
lateralen Bogengang), Symplecticum (ist mit dem Palatoquadratum und
Unterkiefer durch ein Band verbunden), Stylohyale. Keratohyale,^
Hypohyale; bei Lepidosteus fällt das Symplecticum als selbständiges
knorpeliges Element weg und wird nur durch einen Fortsatz der
Hyomandibula repräsentiert.
Bei Lepidosteus und Amia wird die Hyomandibula vom N. facialis durchbohrt
Ein selbständiges knorpeliges Symplecticum findet sich auch bei Spatularia, fehlt
aber den anderen Ganoiden ; über das embryonale Verhalten fehlen Angaben. Die
Verbindung des Sym^^lecticums (resp. des entsprechenden Fortsatzes der Hyomandi-
bula) mit dem Unterkiefer findet sich bei Acipenser, Spatularia, Amia (hier dui'ch.
Gelenk hergestellt); bei Acipenser kommt es in dem Band, das die fragliche Ver-
bindung herstellt, zur Bildung eines Knorpelkernes (van Wijhe). Zur Verbindung^
mit dem Operculum bildet sich bei den Ganoiden am hinteren Umfang der Hyo-
mandibula ein Proc. opercularis aus.
Kiemen bogen. Die 5 Kiemenbogen bei Acipenser und Lepi-
dosteus sind anfangs ungegliederte Knorpelspangen auf jeder Seite,^
erst nachträglich erfolgt die Zerlegung in einzelne bindegewebig ge-
trennte Stücke (Parker). Bei Acipenser zerfallen die beiden ersten
Bogen in je 5 Stücke: Hypo-, Kerato-, Epi-, Infrapharyngo- und Supra-
phar3mgobranchiale, der 3. Bogen in: Hypo-, Kerato-, Epi-, Pharyngo-
branchiale (letzteres einem Infrapharyngobr. entsprechend), der 4. (Par-
ker) in Kerato-, Epi-, Pharyngobranchiale, der 5. nur in Kerato- und
Epibranchiale. Die Gliederung bei den übrigen Ganoiden ist ähnlich.
Auf die doppelten Pharyngobranchialia hat van Wijhe aufmerksam gemacht;,
wo sie bestehen, tritt die Kiemen vene zwischen ihnen hindurch. Ist nur ein Pharyngo-
branchiale vorhanden, so ist dies immer das Tnfrapharyngobranchiale. Lepidosteus
besitzt, wie Acipenser, die doppelten Pharyngobranchialia an den beiden ersten
Bogen. Bei Polypterus kommen nur 4 Branchialbogen zur Ausbildung. Genaue
Angaben über die Verhältnisse der Branchialbogen bei den erwachsenen Ganoiden
macht VAN Wijhe.
Copulae. Die Zahl der Copulae bei den Ganoiden schwankt.
Bei Acipenser ist in jungen Stadien, nach Parker, nur eine vor-
handen, an die die Hypohyalia und die o ersten Hypobranchialia
beider Seiten sich anlegen, auf späteren Stadien kommen hinter dieser
noch 3 weitere hinzu. Bei Lepidosteus entsteht zuerst eine Copula
communis zwischen den beiderseitigen 5 Branchialia, davor entsteht
später ein selbständiges Glossohyale, das sich in die Zunge erstreckt.
Nach VAN Wijhe's Darstellung des erwachsenen Kiemenapparates
würde auch eine Zerlegung der Copula communis in zwei Stücke
erfolgen.
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 657
Amia besitzt 4 Copulae, Polypterus nur eine. Ein Glossohyale fehlt beiden
Formen.
Kieme 11 Stäbchen. Endlich ist noch der dünnen knorpeligen
Kiemenstäbchen zu gedenken, die als Stützen der Kiemenblättchen in
diesen auftreten. Durch ihre Lage unterscheiden sie sich von den in
den Septis gelegenen Kiemenstrahlen der Selachier; ob sie genetische
Beziehungen zu diesen besitzen, ist daher fraglich.
IL Die Schädelknochen.
Bei den Ganoiden treten Verknöcherungen am Schädel in ver-
schiedenem Umfange auf. In einigen derselben können mit ziemlicher
Sicherheit schon die Homologa der Schädelknochen höherer Vertebraten
erkannt werden ; andere sind für den knöchernen Fischschädel charak-
teristisch. Daß die von den höheren Formen hergenommene Nomen-
klatur der Schädelknochen vielfach falsch ist, indem sie Homologieen
vortäuscht, die nicht bestehen, ist zweifellos. Zusammenhängende
Darstellungen über die Entwickeluugsgeschichte der Schädelknochen
bei den Ganoiden liegen, abgesehen von den aphoristischen Angaben
Parker's, nicht vor; folgendes ist aus dem Verhalten der Knochen
in ausgebildetem Zustande erschlossen worden.
Ersatzknochen des neuralen Prim ordialcranium s.
Das neurale Primordialcranium bleibt bei den Knorpelganoiden ganz,
bei den Knochenganoiden in großer Ausdehnung knorpelig und bildet
bei den letzteren mehr oder minder ausgedehnte knorpelige Partieen
zwischen und unter den einzelnen Ersatzknochen, die hier auftreten.
Die letzteren verhalten sich an Zahl und Ausdehnung bei den einzelnen
Formen verschieden, vielfach durchsetzen sie nicht die ganze Dicke
des Knorpels, sondern dringen nur eine Strecke weit in ihn ein, so
daß die Zerlegung des Knorpelschädels in einzelne Knochenterritorien
sehr unvollständig sein kann. Besonders gilt dies von Amia, wo ein
großer Teil des Knorpelschädels zeitlebens erhalten bleibt. Ueber die
Entwickelung dieser Knochen ist so gut wie nichts bekannt, nur
Parker hat sie von Lepidosteus auf einem jungen Stadium abgebildet
und geschildert. Ich beschränke mich daher auf eine Aufzählung der
in Betracht kommenden Stücke, unter Zugrundelegung der Verhält-
nisse von Amia (nach Bridge, Sagemehl, E. Ph. Allis), wo die
Zahl der Knochen die größte ist. Bei Polypterus ist sie wesentlich
kleiner ; wie weit hier Ausfall einzelner Elemente oder Verschmelzung
mehrerer in Betracht kommen, bleibt noch festzustellen. In der Occi-
pitalregion treten auf: Basioccipitale und zwei Pleuroccipitalia. Ein
Supraoccipitale fehlt den Ganoiden. In der Oticalregion finden sich:
Epioticum, Intercalare (Opisthoticuin), Prooticum, Sphenoticum, alle
paarig. Ein interessanter Knochen ist das Intercalare, das bei Amia
nach Sagemehl und bei Lepidosteus nach Parker in den Knorpel-
schädel eingesprengt, nach Allis dagegen bei Amia Deckknochen sein
soll. Neuuntersuchung bleibt abzuwarten. Orbito-temporalregion :
Basisphenoid (paarig, klein; fehlt bei Lepidosteus), Alisphenoid, Orbito-
sphenoid, beide ebenfalls paarig. Ethmoidalregion : Pleuroethmoidale
(Präfrontale Aut), Präethmoidale (Septomaxillare, Bridge, Sagemehl ;
siehe Teleostier).
Deckknochen an der Oberfläche und der Seite des
Kopfes. Diese besitzen bei den Ganoiden ein besonderes Interesse in-
folge der mannigfachen Uebereinstimmungen, die sie mit den Schuppen-
Handbuch der Entwickelungslehre. III. 2. 42
658 E. Gaupp,
und Plattenbildungen des Rumpfes besitzen und durch die sie als den
letzteren gleichwertige Integumentossifikationen charakterisiert werden
(0. Hertwig). Sie befinden sich hier also noch in einem primitiven
Verhalten. Zum Ausdruck kommen diese Uebereinstimmungen in der
sehr oberflächlichen Lage, im Bau und in der vielfach noch indifferenten
Anordnung. Das Gesagte gilt für die Knochen im Bereich des neu-
ralen Graniums wie für die der Kieferränder.
Deckknochen im Bereich des neuralen Craniu ms. Bei
Acipenser liegen Knochenplatten sowohl auf der Decke des Primordial-
craniums wie hinter dem Hyomandibulare in der Haut des Kiemen-
deckels. Von der Epidermis sind sie nur durch eine sehr dünne
subepidermoidale Gewebsschicht getrennt; eine ebenfalls nur sehr
dünne Bindegewebsschicht trennt sie vom Knorpel des Primordial-
craniums. Auch bei Lepidosteus und Polypterus liegen sie in gleicher
Schicht mit den rhombischen Schuppen des Panzers im Corium und
sind wie diese mit einer Ganoinschicht überzogen ; bei Lepidosteus
tragen sie sogar noch kleine Zähnchen. Bei Amia ist ein Ganoin-
überzug nicht beschrieben ; die Lage der Knochen ist auch sehr ober-
flächlich. Was ihre Anordnung anlangt, so lassen sich bei Acipenser
nur in einigen von ihnen Vorläufer der Parietalia, Frontalia und
einiger anderer typischen Schädelknochen höherer Formen erkennen ;
bei anderen ist das nicht möglich. Die Zahl der Knochenplatten ist
größer als die der typischen Deckknochen der höheren Formen,
namentlich in der das Rostrum bedeckenden Haut findet sich eine
große Anzahl kleiner Knochenstücke. Das System der Schädeldeck-
knochen befindet sich also bei Acipenser gewissermaßen noch in einem
Zustande der Indifferenz. Die Zahl und Anordnung der fraglichen
Knochen bei den Holostei entspricht dagegen schon mehr dem Ver-
halten bei höheren Formen ; speciell Amia gestattet gut den Teleostiern
den Anschluß. Polypterus und Lepidosteus zeigen manche Besonder-
heiten, namentlich an mehreren Stellen kleinere schuppenähnliche
Knochenplatten (in der Umgebung des Auges, in der Schläfengegend
und bei Lepidosteus auch am Oberkieferrand). Typisches Verhalten
zeigen bei Amia: Parietalia, Squamosa (bei Amia reine Deckknochen).
Frontalia, Nasalia, Supraethmoid (Dermoethmoid, Bridge; Ethmoid,
Sagemehl; Supraethmoid, Parker and Bettany).
An der Basis des neuralen Graniums liegen als Schleimhaut-
ossifikationen das Parasphenoid und die Vomeres, alle drei bei
Amia zahntragend und von einer dünnen Bindegewebsschicht bedeckt.
Bei Polypterus liegen diese Knochen (ebenfalls bezahnt) dicht unter
dem Epithel (Leydig, Sagemehl); bei Lepidosteus sind sie zahnlos.
Bei den Knorpelganoiden ist der Vom er unpaar und ebenso wie das
Parasphenoid zahnlos.
Knochen des 0 b e r k i e f e r r a n d e s. P r a e m a x i 1 1 a r i a fehlen
den Knorpelganoiden; bei Knocbenganoiden liegen sie, bezahnt, dem
vorderen Ende des Primordialcraniums an. DasMaxillare liegt bei
Knorpelganoiden (bei Acipenser zahnlos, bei Spatularia in der Jugend
bezahnt, van Wijhe) am lateralen Umfang der oben erwähnten
Knorpelspange, die von Gegenbaur als Rei)räsentant eines Lippen-
knorpels gedeutet wird; bei den Knochenganoiden liegt es (bezahnt)
dem neuralen Cranium an; bei Lepidosteus wird es durch eine Reihe
(8 — 9) schuppenähnlicher (piadratischer Knochenplättchen repräsentiert,
die auf ihrer unteren Fläche Zähne tragen. Die als A d m a x i 1 1 a r i a
Die Entwickelimg des Kopfskelettes. 659
(Gegenbaur 1898; Supramaxillare, Jugale) bezeichneten, manchmal
in der Mehrzahl vorhandenen Knochenstücke sind reine Haut-
ossifikationen.
Ossifikationen der Visceralbogen. Das Verhalten der
Ersatz- und Deckknochen im Bereiche der Visceralbogen bei aus-
gewachsenen Ganoiden ist von van Wijhe speciell festgestellt worden ;
die entwickelungsgeschichtliche Untersuchung wird gerade hier noch
manche Frage zu klären haben.
Im Palatoqu adr atum wurde bei Knorpelganoiden nur ein
Ersatzknochen gefunden, nämlich das Autopalatinum bei einem
alten Stör und einer alten Spatularia. Bei den Knochenganoiden giebt
es deren drei : Autopalatinum, Quadratum, Metapterygoid;
jeder kann mit Verknöcherungen in der Schleimhaut der Mundhöhle
verschmolzen sein. Als Deckknochen, welche das Palatoquadratum
ganz oder fast ganz von der Begrenzung der Mundhöhle ausschließen,
treten Dermopalatinum, Ekto- und Entopterygoid auf;
bei Knorpelganoiden ist statt der beiden letztgenannten Knochen nur
ein einziges Pterygoid vorhanden. Alle 3 Knochen können Zähne
tragen und selbständig sein, oder sich mit anderen, auch Ersatz-
ossilikationen, vereinen. Bei Amia findet van Wijhe 2 Dermopalatina,
wohl als Folge unvollkommener Verschmelzung von Zahnbasen.
(Genaueres s. bei van Wijhe.) Im Meckel 'sehen Knorpel können
4 Ersatzossifikationen vorkommen : A u t a r t i c u 1 a r e , A n g u 1 a r e ,
Autocoronale,Mentomandibulare; bei Knorpelganoiden fand
van Wijhe keine einzige Ossifikation , doch haben Parker für
Acipenser, und Bridge für Spatularia (alte Tiere) ein Mentomandi-
bulare beschrieben. Von Deckknochen kommt nur das Dentale
allgemein vor; bei den Knochenganoiden findet sich außerdem ein
Operculare (Spleniale), ein Der marticulare und, mit Aus-
nahme von Polypterus , auch ein Supraangulare (Dermo-
coronale). Das Vorhandensein zweier selbständiger zahntragenden
Knochen vor dem Operculare bei Polypterus und Amia ist wohl wie
das doppelte Dermopalatinum von Amia die Folge einer unvoll-
kommenen Verschmelzung von Zahnbasen.
Die Ersatzknochen des Kiet'erbogens liegen alle entweder an einem Gelenke
oder an der Befestigungsstelle eines Ligamentes. An einem Gelenke entstehen
Quadratum und Autarticulare ; bei den Knochenganoiden auch das Autopalatinum,
bei Lepidosteus noch das Metapterygoid. An der ßefestigungsstelle eines Ligamentes
entstehen das Autopalatinum der Knorpelganoiden (Insertion des Lig. ethmopala-
tinum), das Metapterygoid (Lig. metapterygoideum) und am Unterkiefer das Angu-
lare (Lig. mandibulo-hyoideum) sowie das Mentomandibulare (Symphysenligament).
Das Autocoronale giebt bei Lepidosteus der Sehne des M. temporalis eine feste An-
heftung; bei Amia artikuliert es mit dem iSympleticum (VAN Wijhe).
Hyobranchialskelett. JDie Hyomandibula ossifiziert bei
Polypterus als einheitliches Knochenstück; bei Amia und Lepidosteus
treten in ihr zwei Ossifikationen auf, eine obere und eine untere, die
beide durch eine Synchondrose verbunden bleiben und als 0 s h y o -
mandibulare (die obere) und Os symplecticum bezeichnet
werden. Auch das Keratohyale wird bei Amia und Lepidosteus
durch den Ossifikationsprozeß in 2 durch Knorpel verbundene Knochen
zerlegt, von denen der obere unzweckmäßigerweise als Epihyale,
der untere als Keratohyale bezeichnet wird. Die obere ist wohl
durch die Anheftung des Lig. mandibulo-hyoideum bedingt. Bei
Polypterus besteht in erwachsenem Zustand nur eine einheitliche
42*
660 E. Gaupp,
Ossifikation, über deren Bedeutung die Ontogenie noch aufklären
muß. Das Stylohj'ale verknöchert bei Polypterus ; bei den anderen
Formen bleibt es knorpelig. Das Hypohyale verknöchert einfach
bei Amia, Polypterus, Lepidosteus. Bei den Knorpelganoiden erhalten
nur die Hyomandibula und das Keratohyale eine den Knorpel in
seiner Mitte röhrenförmig umgebende Scheide, aus der die beiden
Enden des Knorpels als Epiphysen herausstecken.
Unzweckmäßig ist die Bezeichaung Epihyaie wegen des Anklanges an die
„Epibranchialia". Diese sind aber Teile der knorpeligen Kiemenbogeu, während das
sog. Epihyaie nur eine selbständige Ossifikation ist, die weder funktionell noch
morphologisch mit einem Epibranchiale verglichen werden kann. Auch die Ver-
wendung der gleichen Bezeichnung Syraplecticum für den selbständigen Knorpel
der Knorpelganoiden und den Knochen der Knochenganoiden ist unzweckmäßig.
Die Verknöcherung der Segmente der Branchialbogen
sowie die der Copulae erfolgt in verschiedener Ausdehnung.
(Hierüber s. die Angaben von van Wijhe bezüglich der ausgebildeten
Verhältnisse.) Die Ossifikationen bei den Knorpelganoiden bleiben
oberflächlich, perichondrale Knochenscheideu.
Der bei den Ganoiden auftretende Opercularap parat (Oper-
cularknochen und Radii branchiostegi) besteht aus sehr oberflächlich
gelagerten Ossifikationen. Ein Operculum, das mit einem Höcker
des Hyomandibulare verbunden ist, kommt überall vor und ist bei
Spatularia der einzige Knochen ; bei Polypterus besteht daneben noch
ein Suboperculum; Acipenser besitzt 3 Stücke (Operculum,
Suboperculum, Interoperculum), Lepidosteus und Amia 4
(Op., Subop., Interop. und Praeoper culum ). Das Praeoperculum
ist ein Schleimkanalknochen. Branchiostegal strahlen besitzen
Spatularia und die Knochenganoiden.
Teleostei.
L Primordialcranium.
Untersuchungen über die Entwickelung des Primordialcraniums
bei Teleostiern liegen vor von Parker, Stöhr, Willcox, Sewer-
TZOFF, SwiNNERTON ; für die vergleichende Beurteilung hat Sagemehl
Bedeutendes geleistet. Für die nachfolgende Darstellung sind außer
den Angaben der Genannten auch eigene, an Salmo salar gewonnene
Befunde vielfach verwertet.
A. Neurales Primordialcranium.
Die Skelettteile des neuralen Craniums erscheinen früher als
die des Visceralskelettes, und zwar gilt dies nicht nur für das Sicht-
barwerden der vorknorpeligen Anlagen, sondern auch für das Auf-
treten der knorpeligen Differenzierung (Stöhr; für Salmo salar und
S. truttaj. Mit wenigen Ausnahmen sind die Anlagen der Knorpel-
teile schon vor der Verknorpelung an der Lagerung der zelligen
Elements wohl erkenn- und abgrenzbar. Die frühesten Anlagen fand
Stöhr bei Lachsembryonen von 7 mm Länge, als paarige, jederseits
hinter dem Vagusaustritt der Chorda dorsalis anliegende Gewebs-
verdichtung: die hinteren Parachor dal platten. Gleichzeitig
machen sich am lateralen Umfang der Ohrblase jederseits Vorläufer
des p er io tischen Knorpels bemerkbar. Alsbald erscheinen im
prächordalen Schädelgebiet die T r a b e c u 1 a e b a s e o s c r a n i i als
paarige cylindrische Spangen seitlich unter dem Gehirn, Sie stehen
Die Entwickelung des Kopfskelettes.
661
außer jeder Beziehung zur Chorda dorsalis und sind überhaupt voll-
kommen selbständig, enden also vorn wie hinten frei (Fig. 338). Eine
fernere selbständige Anlage erscheint jederseits in einiger Entfernung
lateral von der vorderen Chordaspitze : die v o r d e r e P a r a c h o r d a 1 -
platte. Die Chordaspitze selbst bleibt geraume Zeit eine ganze
Strecke weit vollkommen frei, nur von indifferentem Gewebe um-
geben. Die vordere Parachordalplatte jeder Seite erhält einen
selbständigen Knorpelkern, dehnt sich dann aber nach hinten hin aus,
nähert sich dabei der Chorda und setzt sich zur Seite derselben mit
der nach vorn wachsenden hinteren Parachordalplatte in Verbindung.
So entsteht im chordalen Schädelabschnitt eine Basalplatte, die
von der Chorda dorsalis in zwei seitliche Hälften zerlegt wird, und
deren beide Hälften noch je zwei getrennte Knorpelherde aufweisen.
Fig. 339.
Trabec.
Caps,
aud.
Chorda dors.
Parachord.
ant.
Cart. mesot.
Pars occip.
Chorda dors.
Covim. basicaps.
ant.
Caps. aud.
Comm.
basicaps.
post.
Pila occip.
Fig. 338. Neurales Cranium eines ca. 11 mm langen Embryo von Salmo salar,
von oben. Nach einem Plattenmodell von Ph. Stöhr (Kopie von Ziegler). Vergr.
ca. 65fach.
Fig. 339. Neurales Cranium eines ca. 13 mm langen Embryo von Salmo salar,
von oben. Nach einem Plattenmodell von Ph. Stöhr (Kopie von Ziegler). Vergr.
ca. 65fach.
Noch vor vollendeter Verbindung des vorderen und hinteren Para-
chordale trennt sich das hintere in zwei durch verschiedene Dicke
unterscheidbare Abschnitte, einen vorderen dickeren, der medial von
der Ohrkapsel liegt, und einen hinteren dünneren, kaudal von der
Ohrkapsel gelagerten. Im Anschluß an diesen hinteren dünneren
Abschnitt bildet sich ein aufsteigender wirbelbogenähnlicher Knorpel-
teil aus: der Seitenteil der Occipitalregion (Occipitalbogen,
Stöhr, Occipitalpfeiler). Ein spinalartiger Nerv wird in den-
selben nicht eingeschlossen; der erste derartige Nerv tritt hinter
dem Occipitalpfeiler heraus und wird erst bei der Verknöcherung in
das Pleuroccipitale aufgenommen.
Die drei neben der Chorda gelegenen und je eine Basalplattenhälfte kon-
stituierenden Teile (vorderes Parachordale, vordere und hintere Hälfte
662 E. Gaupp,
des hinteren Parachordale) vergleicht Stöhr den bei den Amphibien als
Balkenplatte, mesotischer Knorpel, Occipi talplatte bezeichneten
Teilen. Vorderes Parachordale und mesotischer Knorpel repräsentieren also die
Pars otica des Gesamtparachordale. Von dem Occipitalteil des Schädels geben
Sewertzoff (1897j und Willcox (1899) an, daß derselbe in der ersten Anlage An-
deutungen einer Segmentierung zeige, die allerdings wesentlich im Verhalten der
Myotome und Nerven ausgeprägt sei. Nach Sewertzoff entspricht der Occipital-
teil des Schädels bei Carassius 8 Wirbelbogen (genauere Darstellung fehlt bisher);
Willcox, dessen Untersuchung leider zu früh abbricht, fand, daß bei Salmo salar
und Trutta fario der Occipitalteil inkl. desOccipitalbogens sich im Bereiche der
5 vordersten metotischen Myotome anlege. Die Myosepten zwischen dem 2. und 3.,
dem 3. und 4., sowie dem 4. und 5. Myotom befestigen sich an dem Parachordale;
der Occipitalbogen Stöhr's, der mit dem Parachordale zusammenhängt, liegt mit
seiner Basis in dem Myoseptum zwischen dem 5. und 6. Myotom, steigt aber schräg
nach vorn hin auf, indem er das 5. Myotom kreuzt. Die 2 vordersten Myotome
und der zum 3. gehörige Spinalnerv gehen embryonal wieder zu Grunde; die
ventrale Wurzel des 4. Myotoms und der Nerv des 5. Myotoms sollen sich vereinen
und den Wirbelkanal gemeinschaftlich vor dem zwischen dem 5. und 6. Myotom
gelegenen Bogen (den Willcox als Occipitalbogen Stöhr's auffaßt) verlassen. Diese
Angaben sind zum mindesten auffallend und verlangen eine Nachprüfung, da, wie
bemerkt, bei Salmo der sog. Hypoglossus des erwachsenen Tieres erst bei der Ver-
knöcherung in das Pleuroccipitale eingeschlossen wird. Auch Harrison's dies-
bezügliche Angaben sind nicht verwertbar, da er die Thatsache, daß beim er-
wachsenen Lachs ein Nerv durch das Pleuroccipitale austritt, nicht berück-
sichtigt. — Bei Gasterosteus konnte Swinnerton am Parachordale einen
occipitalen und einen otischen Abschnitt unterscheiden, eine Segmentierung der
Pars occipitalis aber nicht nachweisen. Auch bei Gasterosteus wird wie bei Salmo
ein spino-occipitaler Nerv erst bei der Verknöcherung des Pleuroccipitale in das
Cranium eingeschlossen. — Ein Stadium der Selbständigkeit der ührkapsel war bei
Gasterosteus nicht zu konstatieren ; letztere steht schon auf frühestem Stadium in
Zusammenhang mit dem vorderen Teil des Parachordale.
Die Mangelhaftigkeit der embryologischen Angaben macht es bisher unmög-
lich, die Frage nach der Ausdehnung des Teleostiercraniums im Vergleich etwa mit
der des Ganoidencraniums mit Sicherheit zu beantworten. Auf Grund des Ver-
gleiches der ausgebildeten Zustände nimmt Sagemehl an, daß der bei Amia freie
erste Occipitalbogen bei fast allen Teleostiern mit dem Cranium verschmolzen sei :
er werde im erwachsenen Teleostierschädel repräsentiert durch die Knochenspange
zwischen dem Foraraen hypoglossi und dem For. occipitale. Der Hyijoglossus der
Teleostier entspräche dann dem Nerven, der bei Amia zwischen dem Cranium und
dem ersten freien Occipitalbogen austritt. Gegen diese Vorstellung hat Gegenbaur
(1887) Bedenken erhoben, indem er auf das verschiedene Verhalten des Hypoglossus-
austrittes bei den Teleostiern hinweist und daraus folgert, daß auch ein Nerv allein
dem Cranium einverleibt werden könne, ohne daß ein Wirbel zu folgen braucht.
Die Befunde bei Salmo und Gasterosteus lassen diese vorsichtige Kritik Gegex-
baur's als vollauf begründet erscheinen und zeigen zugleich, wie notwendig eine
erneute genaue (und vollständige!) Untersuchung ist. — Wahrscheinlich ent-
spricht die Ausdehnung des Craniums der Teleostier neben der Chorda der von
Lepidosteus und Amia. — Ueber das Schicksal, das der 2. freie Occipitalbogen von
Amia bei den Teleostiern erleiden kann, ist bei der Entwickelung der Wiroelsäule
zu handeln. Bei Salmo, wie bei vielen anderen Teleostiern, bleibt er frei. Auch die
Thatsache, daß bei manchen Teleostiern der 1, Wirbel total mit dem Schädel ver-
schmilzt (Ostracion, Thynnus, Xiphias ; s. Gegenbaur 1887), gehört in das Kapitel
von der Wirbelsäule.
Die Trab ekel scheinen schon bei oder doch bald nach ihrer Entstehung in
der axialen Verlängerung der Parachordalia zu liegen und wachsen in dieser Lage
mit den letzteren zusammen. Zur Bildung einer definitiven Sattellehne kommt es
nicht ; das MitteJhirnpolster wird in seinem oberen Abschnitt schon sehr frühzeitig
zu einer dünnen Bindegewebsschicht (Rabl-Rückhard 1886).
Die Chorda dorsalis zeigt nach Swinnerton bei Gasterosteus zu keiner
Zeit Zeichen der Reduktion, doch bleibt sie im Wachstum gegenüber den übrigen
Schädelteilen zurück. Swinnerton fand sie noch beim erwachsenen Gasterosteus
im Basioccipitale, wo sie im hinteren Abschnitte eine sehr starke Verbreiterung
zeigte.
Das periotische Gewebe, das zur Ohrkapsel verknorpelt, stammt nach
V. NooRDEX (1883) von dem parachordalen Gewebe ab (bei Salmoniden und einigen
anderen Teleostiern beobachtet).
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 663
In der Folge treten nun noch weitere Verbindungen zwischen den
verschiedenen isoliert entstandenen Skelettpartieen ein. Die Balken,
deren vordere Enden schon vorher durch einen dicken Bindegewebs-
strang miteinander verbunden wurden, werden nun knorpelig vereinigt,
so daß eine breite Ethmoi dal platte entsteht, die sich mit ihren
Seitenteilen unter die Geruchsgruben herunterschiebt. (Lundborg
giebt an, bei Salmo salar die Abstammung des Knorpels der Eth-
moidalplatte vom Ektoderm, und zwar vom Epithel des Mundhöhlen-
daches beobachtet zu haben.) Hinter ihr legen sich die Balken ganz
nahe aneinander und verschmelzen zu einer in der Mittellinie ge-
legenen basalen Trabecula communis; erst die hinteren Enden
der Balken weichen auseinander und begrenzen so eine Oeffnung
(Fenestra hypophyseos oder Fen. basicranialis anterior),
die sich kaudalwärts in die Fen. basicranialis posterior fort-
setzt (Fig. 339). Letztere liegt zwischen den beiden vorderen Para-
chordalia ; in sie ragt von hinten her die Chorda dorsalis hinein. Die
hinteren Balkenenden verschmelzen mit den vorderen Parachordalia ;
die ursprüngliche Grenze liegt anfangs etwa in der Höhe der vorderen
Chordaspitze und entspricht dem (in der Folge sich mehr verengern-
den) Uebergang der vorderen und hinteren basikranialen Fontanelle.
Schließlich tritt auch eine vordere und eine hintere Vereinigung
zwischen dem Parachordale und dem inzwischen vergrößerten peri-
otischen Knorpel ein. Die zuerst auftretende vordere dieser basi-
c a p s u 1 ä r e n Kommissuren, wie ich sie nennen möchte, bildet
sich hinter dem Facialisaustritt (postfacial) zwischen dem periotischen
Knorpel und dem vorderen Parachordale, die hintere zwischen jenem
und dem mesotischen Knorpel, Auf diese Weise kommt zwischen
dem lateralen Rande der Basalplatte, den beiden basicapsulären
Kommissuren und dem periotischen Knorpel (der zunächst noch sehr
wenig kapselartig gestaltet ist, sondern einen bandförmigen Knorpel-
streifen am lateralen Umfang der Ohrkapsel darstellt) eine große
basicapsuläre Lücke zu stände, die ventral von der Ohrblase gelagert
ist und zunächst nur durch faseriges Bindegewebe verschlossen wird
(Fig. 339). Parker, der sie zuerst (1872) beschrieb, bezeichnet sie
als primordiale Fenestra ovalis, und auch Stöhr weist auf
die bedeutungsvolle Thatsache hin, daß sie in ihrem ganzen Verhalten
mit der Fenestra vestibuli der höheren Vertebraten (wenigstens mit
der ersten Anlage derselben ; s. Amphibien) übereinstimmt. Die
hintere basicapsuläre Verbindung bildet sich bei Salmo salar (nach
eigenen Untersuchungen) zwischen dem Glossopharyngeus und dem
Vagus, so daß der Glossopharyngeus zunächst durch den hintersten
Teil der basicapsulären Fenestra austritt.
Bei Gasterosteus ist nach Swinnerton die vordere basicapsuläre Verbindung
schon sehr frühzeitig vorhanden, die hintere bildet sich viel später, und zwar auf-
fallenderweise vor dem Glossopharyngeus, so daß dieser zusammen mit dem Vagus
in ein gemeinsames Foramen jugulare eingeschlossen wird, das erst bei der Ver-
knöcherung des Pleuroccipitale durch eine Brücke in zwei Teile zerlegt wird.
Die Vorgänge, die zu einer weiteren Vervollkommnung des Chondro-
craniums, von dem in Fig. 339 dargestellten Stadium aus, führen,
mögen nach den einzelnen Regionen geschildert werden. Der auf-
steigende Teil der Occipitalregion verschmilzt mit dem hinteren
Umfang der inzwischen vollständiger gewordenen Ohrkapsel hinter
dem Vagus (Bildung des Foramen jugulare), und zwischen den
Seitenteilen der Region entsteht eine ausgedehnte knorpelige Decke
664
E. Gaupp,
über der Schädelhöhle. Dies erfolgt, wie Swinnerton für Gasterosteus
feststellte, mehr von den Ohrkapseln als von den Occipitalbogeu aus.
Das Schicksal der Chorda dorsalis sowie die Ausbildung der craniovertebralen
Verbindungen verlangen noch specielle Untersuchung.
In der Labyrinth region schreitet die Verknorpelung der Ohr-
kapsel weiter vor, wobei die basicapsuläre Fenestra geschlossen und
der Glossopharyngeus in ein besonderes Foramen eingeschlossen wird.
Eine Verknorpelung der medialen Wand erfolgt nicht, so daß zwischen
Palatoquadratum
Palatoquadr.
(P. palatina)
Cart. Meckel
Palatoquadr
(P. quadr.)
Fen. Hypoph
Hyomand. —
Fen. bas.-C7~an.post.
For. JV. hyomand. —*
Fossa nas.
Plan, antorb.
Ted. er an.
Taen. marg.
Trah. commnn.
Trabec.
Incis. proot.
^1— ^ For. JV. pal. VII
For. ZV! hyomand. VII
Parachord. ant.
Chorda dors.
Can. sc. ant.
Can. sc. lat.
Tect. synot.
Can. sc. post.
Fig. 340. Neurales Primordialcrauium nebst Kieferbogen und Hyomandibula
eines 25 mm langen Embryo von Salmo salar. Von der Dorsalseite. Nach einem
bei 25facher Vergrößerung hergestellten Plattenmodell. Verhältnis von Abbildung
zu Modell =-1:3.
der Labyrinth- und der Schädelhöhle zeitlebens eine große Lücke be-
stehen bleibt, und der Ohrkapselraum nur eine Seitennische des
Cavum cranii bildet. Doch entstehen knorpelige Leisten (Septa
semicircularia) medial von den Mittelstücken der häutigen Bogen-
gänge (Fig. 341). Solche Septa, um die sich also die häutigen Bogen-
gänge herumschlagen, finde ich bei Salmo salar 3 (S. semic. anterius,
posterius, laterale) ; bei Gasterosteus beschreibt Swinnerton nur 2
(S. post. und lat.). Die vordere Ohrkapselkuppel springt nach vorn
und seitlich als Processus postorbitalis des Knorpelcraniums vor.
Auch bei den anderen Wirbeltieren erfolgt die Verknorpelung der medialen
Ohrkapsel wand zuletzt; bei Petromyzon bleibt sogar eine große nur häutig ge-
schlossene Lücke bestehen. Das Verhalten bei Teleostiern (und Ganoiden) ist wohl
(phylogenetisch) als Reduktionserscheinung aufzufassen und abzuleiten von einem
Zustand, wo eine vollständigere Verknorpelung der Wand bestand. Es scheint mir
zusammenzuhängen mit einem Mißverhältnis zwischen der Volumszunahme des
Gehirns und dem Breiten Wachstum des gesamten Schädels. Auf jüngeren Stadien
von Salmo besitzt der Utriculus des häutigen Labyrinthes eine verhältnismäßig
größere Breite als später, wo seine mediale Wand durch das in die Breite wachsende
Die Entwickelung des Kopfskelettes.
665
Gehirn lateralwärts gebuchtet wird. Das heißt also wohl, daß das Breitenwachstum
des Schädels nicht Schritt hält mit dem Breitenwachstum des Gehirnes. In dem
von dem Gehirn ausgeübten Druck dürfte dann der Grund dafür liegen, daß die
Verknorpelung der medialen Ohrkapselwand unterdrückt wird. Durch vergleichend-
anatomische Untersuchungen hat Sagemehl es wahrscheinlich gemacht, daß die
Fenestrieruug der medialen Ohrkapselwand phylogenetisch von dem Acusticusforamen
ausging.
An der Basis des chordalen Schädelabschnittes ist die wichtigste
Veränderung dadurch bedingt, daß die Parachordalia sehr beträchthch
Proc. postorbit. For. hyomand.
Taen. marg. \ .Sept. sc. mit.
Hyomand. ; Sept. sc. lat.
Palatoquadr. i i ■ ; i | Sept. sc. jiost.
Ted. crem. \ [ l l \: Tect. synot.
Fossa nasalis
For. olfact.
For.-orb.-
nas.
Plan, antorb
Trabec. comm.
Palatoquadr. (P. palatina)
Cart. SIeckel ^«^««-"Q- Trabec.
(P. qii.adr.) :
Fen. hyj)ophys.
Caps . aud.
Hyomandibula
For. N. hyomand.
Fig. 341. Dasselbe Modell wie Fig. 340, von der linken Seite,
Über die vordere Spitze der Chorda hinaus nach vorn wachsen, diese
letztere aber im Wachstum zurückbleibt, sich also scheinbar zurück-
zieht und nur noch mit ihrer vordersten Spitze in den hintersten Teil
der basikranialen Fontanelle vorspringt. Zwischen der vorderen
Kuppel der Ohrkapsel und dem Parachordale bildet sich dann auch
vor dem Facialis eine breite knorpelige Verbindung aus (präfaciale
basisapsuläre Commissur), die den Austritt des Facialis von dem des
Trigeminus trennt und mit selbständigen Oeffnungen den R. hyomando-
bularis des Facialis (lateral), den R. palatinus desselben Nerven (mehr
medial, am Seitenrande des ursprünglichen vorderen Parachordale)
und eine aus dem Schädelraum von vorn herkommende und vor dem
N. hyomandibularis austretende Vene (V. jugularis Autt.) umschließt,
während ihr Vorderrand die Incisura prootica bildet, vor welcher
der Trigeminus austritt (Fig. 340). Ueber die vorderen Parachordalia
hinweg wachsen von beiden Seiten her die Mm. recti laterales der
Augen kaudalwärts vor, um durch die hintere basikraniale Fontanelle
an die Ventralfläche der Schädelbasis zu gelangen. Die vorderen
Parachordalia, über denen sie liegen, werden dadurch ventralwärts
niedergedrückt, so daß sie in ein tieferes Niveau zu liegen kommen,
als die mesotischen Teile der Basalplatte. Sie bilden so den Boden
des mittleren Abschnittes des (hinteren) A u g e n m u s k e 1 k a n a 1 s , der
zwischen der Schädelbasis und dem Cavum cerebrale cranii in der
Labyrinthregion und dem hintersten Teil der Orbito-temporalregion
666
E. Gaupp,
zur Ausbildung kommt. Die laterale Begrenzung dieses Abschnittes
des genannten Raumes, in dem die Mm, recti laterales liegen, bildet
jederseits der basicapsuläre Verbindungsknorpel, während die Decke
des Raumes (Fig. 342) durch den häutigen Boden des Cavum cerebrale
cranii zu stände kommt, der in Form einer Membran zwischen den
in höherem Niveau bleibenden Seitenteilen der Schädelbasis ausge-
spannt ist und hinten (dorsal von der Chorda) in den mesotischen
Teil der Basalplatte, vorn in den supraseptal gelegenen häutigen
Boden des Cavum cerebrale cranii der Orbito-temporalregion über-
geht. Diese Anfangs membranöse Decke über dem mittleren Ab-
schnitt des Augenmuskelkanals verknorpelt zum Teil : es bildet sich
dabei erst eine Querbrücke über und vor der vorderen Chordaspitze
Frontale
Caps, audit.
Squamos. -ß
Syomand.
Praeoperc,
iV. hyomand. \ 'Parachord. ant.
Parasphenoid..
Pseudohranchie
M. rect. lat. oc.
\m3/
Stylohyale . ^
Interop . -Ul V \ \
Keratohyale -^^
Fig. 342. Querschnitt durch den vprderen Teil der Labyrinthregion eines 24 mm
langen Embryo von SaUno salar. Vergr. 24mal. Der Schnitt geht durch den mitt-
leren Abschnitt des Augen muskelkanales und zeigt das Verhalten desselben zu dem
Skelett sowie zum Cavum cerebrale cranii.
(Fig. 340), diese dehnt sich dann kaudal- und rostralwärts weiter aus
und läuft in eine vordere, zwischen beiden Nu. abducentes median
gelegene Knorpelzunge aus. Die Nn. abducentes durchbohren also
den lateral-vorderen häutigen Teil der Decke des Augenmuskelkanals,
um in diesen einzudringen (hinter den Nn. palatini). In anderer Weise
kommt der hinterste Abschnitt des Augenmuskelkanals zu stände.
Die Mm. recti laterales, die durch die Fenestra basicranialis post.
hindurch an die Ventralfläche der primordialen Schädelbasis wachsen,
lagern sich zwischen diese und das Parasphenoid. Ihre Dickenzunahme
drängt das Parasphenoid von der primordialen Schädelbasis weiter ab,
während der mittlere Teil der Basalplatte über den Muskeln empor-
gedrängt wird, und die Basalplatte neben den Muskeln sich nach
abwärts verdickt, so daß der Augenmuskelkanal eine laterale Be-
grenzung erhält.
Die Eutwickelung des Kopfskelettes.
667
Während also der mittlere Abschnitt des Augenmuskelkanals (der vorderste
gehört der Orbito-temporalregion an) sich zwischen den vorderen Parachordalia und
dem Gehirn, also dorsal von der primordialen Schädelbasis bildet und einen Ab-
schnitt des primordialen Cavum cranii darstellt, entsteht der hintere Abschnitt ventral
von der primordialen Schädelbasis und stellt einen Raum zwischen dieser und dem
Parasphenoid dar, das die Basis des definitiven Craniums bildet. Die hintere basi-
kraniale Fontanelle vermittelt die Verbindung zwischen beiden Abschnitten. Der
Augenmuskelkanal gewinnt mit fortschreitender Entwickelung der Mm. recti laterales
an Höhe und Breite; die Austrittsöffnung des N. palatinus kommt dadurch in ihn
zu liegen, und der N. palatinus muß erst durch die häutige Decke des Kanals in
diesen eindringen, um dann erst durch das basal gelegene Foramen an die Ventral-
flache der Schädelbasis (auf die Dorsalfläche des Parasphenoids) zu gelangen. — Die
hinteren Partieen der vorderen Parachordalia, die anfangs durch einen Zwischen-
raum von der Chorda getrennt waren, nähern sich ihr im Laufe der Entwickelung;
ein schmaler Zwischenraum bleibt aber bestehen und wird später knöchern ausge-
füllt (s. Basioccipitale).
Gegexbaur (1872) leitet den hinteren Augenmuskelkanal der Teleostier (ein
' „vorderer" findet sich im Skelett der Ethmoidalregion) von dem Canalis transversus
her, der bei Selachiern die Schädelbasis quer durchsetzt. Sagemehl (1884) schließt
sich ihm an, und weist darauf hin, daß auch Amia einen in der Basis cranii ge-
legenen Raum besitzt, der aber zum größten Ted von lymphoidem Gewebe erfüllt
wird. Man kann nach S. annehmen, daß dieser Raum als Lymphraum präformiert
war und sekundär von den Ursprüngen der Mm. recti laterales occupiert wurde.
Diese Anschauung ist für den vorderen und den mittleren Abschnitt des Kanals
ganz plausibel, der hintere Abschnitt ist aber auf Grund der obigen Darstellung
anders aufzufassen: als ein Raum, der sich unter der ursprünglichen Basis cranii
zwischen dieser und dem Parasphenoid, gebildet hat, bei der weiteren Ausdehnung
der Mm. recti laterales.
Au der Decke der Schädelliöhle bildet sich zwischen den hinteren
Hälften beider Ohrkapseln ein ausgedehntes knorpeliges Dach (Tee tum
synoticum), das sich kaudalwärts in das Dach der Occipitalregion
fortsetzt (Fig. 340).
In der Orbito-temporalregion, deren Grundlage die
Trabekel und die aus der Verschmelzung ihrer vorderen Abschnitte
hervorgegangene mediane
Trabecula communis bilden,
kommt es nur zu einer ge-
rin gfügigen Verknorpelun g
der Wände des Schädel-
rohres ; in der Hauptsache
bleiben dieselben häutig
und werden später aus
diesem Zustand direkt in
Knochen übergeführt. Die
Konfiguration des häutigen
Schädels erleidet eine be-
merkenswerte Umwandlung
Taen.
inarg.
%
Fig. 343. Querschnitt durch
den vorderen Teil der Orbito-tem-
poralregion eines 12 mm langen
Embryo von Salmo fario (Serie
von Herrn Dr. Schlfip). Vergr.
48mal. Septum interorbitale über
der Trabecula communis noch
ganz niedrig.
~V«.^»<<'
I
PalatoquaiJr
(P. palat.)
Trabec. covim
Meckel
durch Ausbildung des Septum interorbitale, d. h. der medianen
Scheidewand zwischen beiden Orbito-temporalhöhlen, die über der
(durch die paarigen und die unpaaren Trabekel gebildeten) Schädelbasis
668
E. Gaupp,
und unter dem eigentlichen Cavum cerebrale cranii entsteht. Durch
ihre Ausbildung wird der Boden der Schädelhöhle in supraseptale
Lage emporgehoben, also von der Basis des Gesamtschädels entfernt.
Das Septum, das anfangs überall niedrig ist (Fig. 343), nimmt mit
fortschreitender Entwickelung namentlich in seinem vorderen (pro-
chiasmatischen) Teil sehr bedeutend an Höhe zu (Fig. 344), während
— Frontale
^'^^^f^\M-
Seiit. interorbit.
(B-
y
Para-
sphenoid
Palatoquadrattim,
Fig. 344. Querschnitt durch den vordersten Teil der Orbito-temporalregion
eines 25 mm langen Embryo von Salrao salar. Vergr. 56mal. Septum interorbitale
über der Trabecula communis hoch; in seinem oberen Rande auf der Grenze gegen
den supraseptalen häutigen Boden des Schädelrohres eine Verknorpelung, die nach
vorn hin in den Knorpel der Ethmoidalregion übergeht. (Der Schnitt entstammt
der Serie, nach der das Modell Fig. 340 u. 341 hergestellt sind und geht durch den
vordersten Teil der Orbito-temporalregion, über der bereits ein knorpeliges Tectum
cranii besteht.)
sein hypo- und metachiasmatischer Abschnitt niedriger bleiben (Fig. 345).
Seine basale Anheftung findet es im hypo- und prochiasmatischen Ab-
schnitt an der Trabecula communis, die zu einem niedrigen aufwärts
gerichteten medianen Knorpelkamm auswächst, hinter dem Chiasma
opticum dagegen, d. h. im Bereich der Fenestra hypophyseos, an einer
Membran, die hier die beiden Trabekel verbindet und die erwähnte
Lücke verschließt.
An seinem oberen Rande geht das Septum in den häutigen Boden
der Schädelhöhle über, der sich kaudal an den knorpeligen Boden der
Labyrinthregion anschließt und vor dem Chiasma opticum, entsprechend
dem Verhalten des Septums, sehr erheblich ansteigt.
Der niedrige hypo- und metachiasmatische Abschnitt des Septums liegen nicht
zwischen den Augen selbst, sondern zwischen den Augenmuskeln, die neben ihm
sich nach^rückwärts erstrecken. Der supraseptale häutige Schädelhöhlenboden dieser
Die Entwickelung des Kopfskelettes.
669
Gegend deckt die Augenmuskeln (Mm. recti mediales und inferiores) von oben
(Fig. 345) und geht lateralwärts in die Seitenwände des Cavum cranii über, die
wenigstens im hinteren Teil der Orbito-temporalregion zur Verknorpelung kommen
(Verbindungsmassen zwischen der Ohrkapsel und dem vorderen Parachordale und
der Trabekel). In diesem Gebiet der Orbito-temporalregion kommt es so zur
Bildung des vordersten Abschnittes des Augenmuskelkanals: der}Boden des-
selben wird von beiden Trabekeln und der Membran zwischen beiden^ (sowie dem
Frontale
Caps. aud.
oculoii
Ggl. Trigemin
Palatoquaclr.
Hyomand.
Praeoperc.
Interoperc U
Keratohyale
N. ocidomot. — ?-#
N. palatin.
Knorpel der
Fseudo- Hiipophys.
branchie Parasphen.
31. rect. lat. oc
Trabec.
M. rect. med. oc.
Fig. 345. Querschnitt durch den hinteren Teil der Orbito-temporalregion eines
24 mm langen Embryo von Salmo salar. Vergr. 24mal. Der Schnitt geht durch
die Fenestra hypophyseos (zwischen beiden Trabekeln) und zeigt, wie die Hypophyse
durch die beiden Mm. recti mediales ocul. und den zwischen diesen befindlichen
metachiasmatischen Abschnitt des Septum interorbitale dorsalwärts aus dem Gebiete
der Fenestra hinaus verlagert wird.
Parasphenoid), die Decke von dem häutigen Boden der Schädelhöhle gebildet,
während die seitliche Begrenzung jederseits durch den unteren Abschnitt des Seiten-
wandknorpels zwischen Ohrkapsel und Trabekel zu stände kommt. Kaudalwärts
geht er in den mittleren Abschnitt des Augenmuskelkanals (Fig. 342) über, ventral-
wärts öffnet er sich nach der Seite hin gegen die Orbita, entsprechend dem freien
vorderen Rand des Seiten wand knorpels.
Durch die Augenmuskeln wird somit auch im hinteren Abschnitt der Orbito-
temporalregion das Gehirn von der eigentlichen Basis cranii abgedrängt, und auch
die Hypophysis cerebri kommt dadurch aus dem Gebiet der Fenestra hypophyseos
heraus (Fig. 345).
Die Partieen, die innerhalb der häutigen Schädelwände der Orbito-
temporalregion zur Verknorpelung kommen, sind bei Salmo folgende:
1) der hinterste Teil der Seitenwand, unter und vor der vorderen
Ohrkapselkuppel: er bildet eine den Postorbitalfortsatz vergrößernde,
mit der Ohrkapsel zusammenhängende, über dem Trigeminus gelagerte
Knorpelwand, sowie eine ventral vom Trigeminus gelegene, nicht sehr
ausgedehnte Wandpartie die sich hinten an die präfaciale basicapsuläre
Commissur anschließt und vorn eine Verbindung mit der Trabekel
erlangt, 2) eine obere Randleiste (Taenia marginalis, Supraorbitalband) :
dieselbe zieht im Anschluß an den dorsalen Abschnitt der oben ge-
670 E. Gaupp,
schilderten Wandpartie am dorsal-lateralen Rande der häutigen
Schädelwand nach vorn, um in den gleich zu erwähnenden Deckenab-
schnitt überzugehen (Fig. 341) ; 3) die Decke über der vorderen Hälfte
des orbito-temporalen Schädelhöhlenabschnittes : in sie geht die Taenia
marginalis über; endlich 4) ein Teil des Septum interorbitale und der
anschließenden Schädelwand jederseits (Boden und Seitenwände) ganz
vorn hinter der Ethmoidalregion (in Fig. 344 im Beginn). Die übrigen
Gebiete der Schädelhöhlenwände, also auch das Gebiet der Seiten-
wand, durch das die Aeste des Trigeminus, der Oculomotorius und
der Trochlearis hindurchtreten, bleiben bis zu ihrer Verknöcherung
häutig. Vorn endet das Cavum cranii blind an dem dorsalen Teil
der ethmoseptaleu (präcerebralen) Knorpelmasse; an der Basis dieses
vordersten Schädelhöhlenabschnittes liegt jederseits neben der Mittel-
linie ein F 0 r a m e n o 1 f a c t o r i u m e v e h e n s , durch das der N. olfac-
torius heraustritt, um eine Strecke weit frei durch die Orbita zwischen
dem M. obliquus superior und dem M. obliquus inferior zu verlaufen
und dann erst durch das F o r a m e n o 1 f a c t o r i u m a d v e h e n s des
Planum antorbitale zur Geruchsgrube zu dringen. Auf jungen Stadien,
wo der Geruchssack lateral vom ventralen Umfang des Gehirns liegt,
hat der N. olfactorius nur einen ganz kurzen Verlauf; erst mit der
Entfernung des Geruchssackes vom Gehirn wächst er lang aus, ohne
aber in seinem hinteren Abschnitt eine Skelettumhüllung zu bekommen
(s. Ethmoidalregion).
Septum interorbitale. Zur Ausbildung eines Septum interorbitale (tropi-
basischer Schädeltypus) kommt es bei den meisten Teleostiern ; nur in einzelnen
Fällen unterbleibt sie (Siluroiden, Homaloptera unter den Cyprinoiden ; nach Sage-
mehl). Ueber Details der Septumbildung s. Sagemehl. Die Höhe des Septums
ist sehr verschieden, so daß die Orbitae bald nur in ihrem unteren Teil, bald in fast
ganzer Höhe durch dasselbe getrennt werden. Entsprechend verhält sich die Aus-
dehnung der supraseptal gelegenen Schädelhöhle: bei niedrigem Septum ist sie
weiter als bei höherem. Bei Fehlen des Septums reicht die Schädelhöhle von der
Schädelbasis (Parasj^henoid) bis zur Schädeldecke, und die Foramina optica sind ge-
trennt; bei Vorhandensein des Septums fließen die letzteren zusammen. Die Aus-
bildung des Septums hängt zusammen mit der Größe der Augen, offenbar aber
auch mit der Lagerung derselben: die Augen bleiben nahe dem Gehirn, d. h. der
Mittelebene, liegen und entfernen sich nicht sehr weit lateral wärts. So drängen sie
bei ihrer Vergrößerung die Schädelhöhle mit dem Gehirn aufwärts und bedingen
die Ausbildung des Septums unter der letzteren. Vielleicht fällt die Bildung des
Septum interorbitale unter den gleichen Gesichtspunkt wie der Mangel der medialen
ührkai^selwand : beide Erscheinungen lassen sich in Zusammenhang bringen mit der
schmalen, von beiden Seiten komj^rimierten Form des Teleostierschädels, die einem
Zusammengedrängtsein aller Teile gegen die Mittelebene ihre Entstehung verdankt.
Die Bildung des vorderen und hinteren Augenmuskelkanals kann in Zu-
sammenhang mit dieser Umwandlung als eine Einrichtung aufgefaßt werden, die
eine Verlängerung der Muskeln ermöglicht.
Decke der Orbito -tem poralr egion. Die Decke über der vorderen
Hälfte des orbito-temporalen Schädelhöhlenabschnittes besitzt bei ihrer Entstehung
eine Beziehung zu dem Corpus pineale. Sie bildet sich als Deckenquerleiste (E p i -
physarleiste) dicht hinter dem Corpus pineale und tritt dann in Verbindung
mit der von hinten herkommenden Randspange sowie durch eine ähnliche Spange
jederseits mit dem Knorpel der Ethmoidalregion. So werden 2 Fontanellen des
Schädeldaches, eine größere hintere und eine kleinere vordere, gebildet. Die vordere,
die wohl der Präfrontallücke der Selachier entspricht, schließt sich allmählich (in
Fig. 340 ist als Andeutung von ihr noch eine kleine Oeffnung vorhanden); die
hintere wird nicht vollständig knorpelig geschlossen, wohl aber später in 2 {auch
beim erwachsenen Tier bestehen bleibende) seitliche Hälften zerlegt, indem sich eine
mittlere Deckenspange (Taenia tecti raedialis) ausbildet (Fig. 346). Dieselbe
verknorpelt hauptsächlich von vorn her, im Anschluß an die Mitte der ursprünglichen
Epiphysarleiste, doch zeigt die im Bereich der vorderen Hälfte der Labyrinthregion
sich bildende Partie eine größere Selbständigkeit und verknorpelt für sich. Der
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 671
hinterste Teil der Fontanelle bleibt ungeteilt, da die mittlere Deekenspange nicht
ganz bis an das Tectiim synoticum reicht; seine Verschlußmembran verknöchert
später (s. Supraoccipitale p. 677).
Bei Gasterosteus entsteht nach Swinnerton ebenfalls hinter dem Corpus
pineale die Epiphysarspange; diese setzt sich jedoch durch obere Eandspangen nur
mit dem Ethmoidalskelett, nicht aber mit der Ohrkapsel in Verbindung. Die hintere
Dachfontanelle erhält somit keine seitlichen Begrenzungen. Dagegen ist bei manchen
anderen Teleostiern (z. B. Esox), die Decke des Knorpelschädels vollständiger als
bei Salmo. — Bei Gasterosteus gehen, nach Swinnekton, Teile der Taeniae
marginales sowie die Trabekel neben der Fenestra hypophyseos embryonal zu Grunde,
so daß der vordere und der hintere Teil des Primordialcraniums voneinander ge-
trennt werden.
Das Skelett der Etil moi dal region bildet sich im Anschluß an
die Ethmoidalplatte (p. 663). Auf dieser erhebt sich das Sep-
tum nasi, in seinem mittleren Teil schmal, vorn und hinten ver-
dickt. In dem hinteren verdickten präcerebralen Teil endet dorsal das
Cavum cranii blind. Der vordere verdickte Teil nebst dem medianen
Gebiet der Ethmoidalplatte wächst zu einem kurzen Rostrum aus.
Lateral vom Internasalseptum auf den Seitenteilen der Ethmoidalplatte
lagern die Geruchssäcke ; die G e r u c h s g r u b e n , die medial vom
Septum, basal von der Ethmoidalplatte, vorn von der rostralen Ver-
breiterung des Septums begrenzt werden, erfahren eine Begrenzung
gegen die Orbita durch Ausbildung je eines hohen Planum ant-
orbitale, das sich auf der Ethmoidalplatte erhebt, medial mit dem
Septumknorpel zusammenhängt und dorsal in das Tectum des orbi-
to-temporalen Schädelhöhlenabschnittes übergeht. Auf der Grenze
zwischen dem Planum antorbitale und dem Septalknorpel liegt jeder-
seits das Foramen olfactorium advehens, lateral-dorsal davon
das Foramen orbitonasale für den R. ophthalmicus des Trige-
minus. Zwischen beiden Foramina olfactoria wird der präcerebrale
Teil der septalen Knorpelmasse eine Strecke weit ausgehöhlt durch
den vorderen Augen muskelkan al, eine vorn blind im Knorpel
«ndende Grube, in die von beiden Orbitae aus die Ursprünge Mm,
obliqui oculi (sup. und inf.) einwachsen. Die Grube, in ihrem hinteren
Teil durch ein knorpeliges Septum in zwei seitliche Hälften geteilt, in
ihrem vorderen einheitlich, dringt mit fortschreitender Entwickelung^
als enger Kanal tief nach vorn hin in das Internasalseptum ein.
In der Umgebung der Nasenlöcher und in der Hautbrücke, die
beide trennt, bildet sich bei vielen Teleostiern (Cyprinoideu, Chara-
ciniden) ein 8-förmiger Nasenflügelknorpel, der mit dem Knorpel
des Primordialcraniums nirgends zusammenhängt. Er ist dem der
Selachier homolog (Sagemehl). Ob er selbständig entsteht, ist un-
bekannt.
Verhalten des N. olfactorius. Das eigentümliche, vielen Teleostiern zu-
kommende Verhalten, daß die Wand der iSchädelhöhle in der vorderen medialen
Ecke der Orbita von einem For. olfactorium evehens durchsetzt ist, und der heraus-
tretende N. olfactorius eine Strecke weit frei durch die Orbita verläuft, um durch
ein besonderes For. olfactorium advehens des Planum antorbitale zur Geruchsgrube
zu dringen, muß wohl abgeleitet werden von dem gewöhnlichen Verhalten, wo die
Wände der Schädelhöhle direkt in das Skelett der Ethmoidalregion übergehen, und
das Cavum cranii durch ein For. olfactorium oder einen längeren Canalis olfactorius
mit der Geruchsgrube kommuniziert. Entsprechende Formen giebt es auch unter
den Teleostiern (Siluroiden, Cyprinoiden, Mormyriden, Gadiden, nach Sagemehl).
Sagemehl hat darauf aufmerksam gemacht, daß bei diesen letzteren Formen sich
auch der Lobus und Nervus olfactonus anders verhalten : der Bulbus olf. liegt dem
Geruchssack an und wird durch einen Jangen, in dem CanaHs olfactorius verlaufen-
den Tractus mit dem Hemisphärenhirn verbunden (Selachiertypusj. Bei höher
stehenden Formen tritt nun an der vorderen Ecke der Orbita eine durch eine
672 E. Gaupp,
Membran geschlossene Lücke der Schädelhöhlenwand auf, und von hier aus läßt sich
eine Reihe von Zuständen feststellen, in denen diese Fenestrierung fortschreitet.
Gleichzeitig damit zieht sich der Bulbus olfactorius vom Geruchssack gegen das
Gehirn zurück, und zwischen ihm und dem Geruchssack spinnt sich ein lauger
Nervus olfactorius aus. Dieser kommt bei fortschreitender Fenestrierung der Schädel-
höhlenwand frei in die Orbita zu liegen. Dies die Vorstellung von Sagemehl. Es
will mir jedoch scheinen, als ob es sich hauptsächlich um eine P'enestrierung und
Usurierung der Wand eines Canalis olfactorius, wie er z. B. bei Amia besteht,
nicht aber um eine solche der eigentlichen Schädelhöhlenwand handelt. Für das
Verständnis des Vorganges kommen offenbar mehrere Momente in Betracht : die
Ausbildung des Septum interorbitale, die Vergrößerung der ürbita nach vorn hin in
den antorbitalen Knorpel und besonders auch das Einwachsen der Mm. obliqui oculi
in den medianen Knorpel der Ethmoidalregion. Gerade das letztere Moment scheint
mir als definitiv befreiender Faktor für den Olfactorius von besonderer Wichtigkeit.
Der Canalis olfactorius selbst ist als in den Raum der Orbita aufgegangen zu
betrachten, die beiden Foramina olfactoria als seine ursprüngliche rostrale und
kaudale Mündung. Die vermittelnden Zustände sind ontogenetisch bisher noch gar
nicht untersucht.
B. Primordiales Visceralskelett.
Prä kraniale Skelettteile.
In der Umgebung des vorderen Schädelendes der Teleostier
kommen knorpelige Skelettstücke vor, die als präkraniale aufgefaßt
und in irgend einer Weise mit den so bezeichneten Teilen der
Selachier verglichen werden. Ihre Natur ist noch sehr unsicher.
1. Ein unpaarer, von Sagemehl als Rostrale bezeichneter
Knorpel (Schnauzenteil, Stannius ; Premaxillary piece, Pollard), der
diskret ist oder mit dem vorderen Ende des Schädels zusammenhängt,
findet sich bei Siluroiden, Scomberesociden, Cyprinodonten u. a. und
dient hier zur Anlagerung des Praemaxillare.
Sagemehl vergleicht ihn einem Knorpel, der bei Heptanchus in der Syndes-
mose zwischen beiden Palatoquadrata liegt; Pollard findet sein Homologon bei
Myxine und scheint ihn auch für eine dem vorderen oberen Lippenknorpel der
Selachier gleichwertige Bildung zu halten.
2. Bei Salmo bildet sich seitlich unter dem Rostrum je ein kleines
Knorpelchen (S ubr os trale), dem das Praemaxillare aufliegt. Der
Knorpel entsteht erst nach dem Knochen (s. Praemaxillare). Dieser
diskrete Knorpel verträgt wohl eher den Vergleich mit dem vorderen
Oberlippenknorpel der Selachier. Parker beschreibt statt eines zwei
Knorpelchen (upper labials).
3. Als Submaxillaria bezeichnet Sagemehl 1—3 kleine
Knorpelchen, die unter dem Maxillare zur Ausbildung kommen können
(Catostomiden, Gymnotus, Perca). Vielleicht repräsentieren sie in ihrer
Gesamtheit den hinteren Oberlii)penknorpel der Selachier.
4. Vielen Teleostiern kommt endlich ein M u n d w i n k e 1 k n o r p e 1
zu, der in der Mundwinkelfalte liegt (Joh. Müller, Stannius). Er
scheint dem unteren Lippenknorpel der Sehxchier zu entsprechen.
Pollard beschreibt im ganzen 7 Paare präkraniale Skelettteile der Teleostier,
die bei Siluroiden, bei der einen oder anderen Form, zu langen Tentakeln aus-
gewachsen vorkommen können. Darunter zählt er auch die Nasenflügelknor^iel
sowie einige „vorknorpelige" Partieen. Die Tentakel vergleicht er mit denen von
Myxine. Die Richtigkeit dieser Vorstellungen ist sehr zweifelhaft.
Die Visceralbogen.
Kurz nach Beginn der knorpeligen Differenzierung des neuralen
Craniums erscheinen der Reihe nach von vorn nach hinten die An-
lagen der Visceralbogen als paarige Gebilde, die, in den „häutigen"
Visceralbogen gelegen, mit dem neuralen Schädel in keiner Verbindung
stehen, sondern dorsal wie ventral frei enden. In der ventralen
Die Entwickelimg des Kopfskelettes. 673
Mittellinie entwickelt sich selbständig ein median gelagerter Knorpel-
stab, Copula communis, an dessen Seiten sich Zungenbein- und
Kiemenbogen bald anfügen. Bei ca. 9 mm langen Embryonen von
Salmo trutta finden sich 6 von den 7 Visceralbogen sowie die Copula
communis deutlich angelegt und in der knorpeligen Differenzierung
begriffen ; bei jungen, seit einigen Tagen ausgeschlüpften Lachsen ist
das knorpelige Visceralskelett in seinen wesentlichen Teilen ausgebildet
(Stöhr).
Kiefer bogen. Schon bei den 9 mm langen Embryonen von
Salmo trutta sind das Palatoquadratum und der primordiale Unter-
kiefer voneinander abgesetzt, und zwar zeigt sich das Palatoquadratum
nicht so weit entwickelt wie der Unterkieferknorpel (Stöhr). Vom
Palatoquadratum ist zuerst nur der Quadratteil vorhanden; die defini-
tive Form desselben, namentlich auch die verdickte Pars articularis,
bilden sich erst allmählich aus. Die Pars palatina tritt erst später
(bei 12 — 13 mm langen Lachsembryonen) auf und zwar als ein Aus-
wuchs des Quadratabschnittes. Die Bildung eines vorknorpeligen
Streifens geht der Knorpelbildung voraus; nach Lundborg stammt
das ihn bildende Zellmaterial vom ektodermalen Epithel des Mund-
höhlendaches. Zuweilen schreitet die knorpelige Dift'erenzierung nicht
kontinuierlich von hinten nach vorn vor, sondern in der vorderen
Hälfte der vorknorpeligen Leiste entsteht ein selbständiger Knorpel-
herd, der erst später mit dem von der Pars quadrata aus entstandenen
Abschnitt zusammenfließt. Das vordere Ende des Palatinknorpels legt
sich anfangs an die Seite der Ethmoidalplatte an ; bei älteren Embry-
onen von Lachs und Hecht (Abb. bei Walther) haben sich zwei
Verbindungen ausgebildet, eine hintere an der Basis der Antorbital-
gegend (Junctura ethmo-palatina) und eine vordere zur Seite des
vordersten Teiles des Ethmoidalskelettes (sie mag J. rostro-palatina
heißen).
Nach Paeker entsteht der vor der J. ethmo-palatina gelegene (Prepalatin-)
Abschnitt des Palatinknorpels sekundär als ein Auswuchs aus dem hinteren Teil;
dann würde also die J. rostro-palatina ebenfalls sekundär sich erst ausbilden; die
Abbildungen von Walther (von Esox) legen aber den Gedanken nahe, ob nicht
beide Verbindungen aus der ursprünglichen Anlagerung des Palatinknorpels an der
Seite der Ethmoidalplatte (die in ziemlich langer Linie erfolgt) hervorgehen. Neu-
untersuchung ist notwendig.
Der primordiale Unterkiefer ist an seinem ventralen Ende
von dem der anderen Seite anfangs weit getrennt, rückt diesem aber
später immer näher, so daß bei jung ausgeschlüpften Lachsen eine
nur schmale Fuge die beiderseitigen Knorpel vereinigt.
Zungenbein bogen. Auch die beiderseitigen Hälften des
Zungenbeinbogens sind anfangs weit voneinander getrennt; der Bogen
entsteht also paarig. Zwischen den ventralen Enden beider Hyalia
liegt schon frühzeitig das vordere Ende der Copula communis. Schon
bei 9 mm langen Embryonen von Salmo trutta fand Stöhr einen
jeden Bogen als einen prochondralen Streifen, an dem drei isolierte
Knorpelherde zu konstatieren waren, als Anlagen des Hyomandi-
bulare, Symplecticum und Keratohyale. Das Hyomandi-
bulare wird vom Truncus hyoideo-mandibularis des Facialis durchbohrt;
sein dorsales Ende liegt seitlich unter der Ohrblase, das ventrale
gabelt sich in zwei vorknorpelige Fortsätze, die aber Knorpelkerne
enthalten : der vordere ist das Symplecticum, der hintere das Kerato-
hyale. Das Symplecticum liegt dicht hinter dem Quadratum, wird
Handbuch der Entwickelungslehre. III. 2. 43
674 E. Gaupp,
aber von diesem durch eine schmale Lücke getrennt; das Keratohyale
endet ventral frei. Später tritt am ventralen Ende des Keratohyale als
isolierter Knorpelherd noch das Hypohyale auf, und von dem
dorsalen Ende des Keratohyale gliedert sich das Sty lohyale ab. In
Gegensatz hierzu steht die nachträgliche knorpelige Vereinigung des
Symplecticums mit dem Hyomandibulare. Bei jung ausgeschlüpften
Lachsen bildet das Hyomandibulare eine mächtige sagittal gestellte
Platte, deren dorsaler Rand den vordem zwei Dritteln der Ohrkapsel
angeheftet ist, und die nach unten in einen schmäleren Knorpelfortsatz
(in den das Symplecticum aufgegangen ist) ausläuft (Stöhr).
Von Interesse ist, daß das Symplecticum zuerst mit einem selbständigen
Knorpelkerne auftritt (wie bei Knorpelganoiden), dann aber mit dem Hyomandibulare
verschmilzt. Durch, den Ossifikationsprozeß wird dann aufs Neue eine Zerlegung des
Hyomandibularknorpels bewirkt.
Von den Kiemen bogen sind bei 9 mm langen Embryonen von
Salmo trutta 4 angelegt als paarige Stäbe, deren Länge vom L
bis zum 4. abnimmt. In der ventralen Mittellinie hängen die
beiderseits entsprechenden nicht zusammen, dorsalwärts verlieren sie
sich in indifferentes Gewebe. Erst später entwickelt sich auch das
5. Kiemenbogenpaar. Die knorpeligen Bogen sind alle ursprünglich
ungegliedert; die Gliederung erfolgt also erst nachträglich, und zwar
findet Stöhr zuerst die Hypobranchialia von den ventralen Enden der
drei ersten Bogen abgegliedert.
Bei Salmo zerfallen die drei ersten Bogen jederseits in ein Hypobranchiale,
Keratobranchiale, Epibranchiale, Pharyngobranchiale; am 4. Bogen
fand sich nur einmal (Salmo salar, 25 mm) ein Hypobranchiale abgegliedert, meist
unterbleibt die Abgliederuug, und beim erwachsenen Tier fehlt ein solches Stück
stets ; das 5. Branchiale bleibt ungegliedert und kurz. Das gleiche Gliederungs-
schema hat nach Stanniüs für die meisten Teleostier Gültigkeit.
Copulae. In dem kernreichen Gewebe zwischen den ventralen
Enden der Kiemenbogen differenziert sich ein Knorpelstab, dessen
vorderes Ende zwischen den ventralen Enden der Zungenbeinbogen
liegt, und der sich von hier aus nach hinten weiter bildet. An diese
längere Zeit ungegliedert bleibende Copula communis stoßen von
den Seiten her die Hyal- und Branchialbogen an. Die Zerlegung in
mehrere Stücke erfolgt sekundär. Zurerst gliedert sich das vorderste
stark verbreiterte Ende als Glossohyale ab und wächst zu einer
platten langen Knorpelzunge heran. Die Abgliederung erfolgt ent-
sprechend der Anlagerungsstelle der Hypohyalia. Der dahinter ge-
legene Abschnitt der Copula zerfällt beim Lachs noch in zwei Teile,
von denen der vordere im Bereich des 1., 2. und 3., der hintere in
dem des 'S., 4. und 5. Branchiale liegt. Das 3. Branchiale artikuliert
auf der Grenze der beiden Abschnitte. Im ganzen wird also die
Copula communis in drei knorpelige Copulae zerlegt.
K i e m e n s t ä b c h e n. Von diesen gilt das bei den Ganoiden
Gesagte (Fig. 340). Auch in der Pseudobranchie treten zahlreiche
knorpelige Stäbchen auf (Fig. 345).
IL Die Schädelknochen.
Ueber die Entwickelung der Schädelknochen bei den Teleostiern
verdanken wir Huxley, Parker, Gegenbaur, Vrolik, Walther,
SCHMID-MONNARD, SAGEMEHL, FrIEDMANN , SwiNNERTON UUd
ScHLEip Angaben, die verschiedene Teleostierformen betreffen. Die
auf meine Veranlassung unternommenen Untersuchungen von Schleip
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 675
beziehen sich auf Salmo salar und S. fario; ich lege sie der nach-
folgenden Darstellung hauptsächlich zu Grunde,
Die Schädelknochen der Teleostier, über deren Nomenklatur und
Homologisierung das für die Ganoiden Gesagte gilt, zeigen in ihrer
Genese manche Besonderheiten, die bei anderen Wirbeltieren wenigstens
nicht in diesem Maße ausgebildet sind. Sie kamen schon teilweise
im allgemeinen Teil zur Sprache.
Nach dem Schema typischer Deckkuochen entwickeln und
verhalten sich bei Salmo: Parietale, Frontale, Nasale, Supraethmoidale,
Praemaxillare, Maxillare, Jugale, Ekto-undEntopterygoid, Parasphenoid,
die Orbitalia, Supratemporalia, das Supraoperculare und die Knochen
des Opercularapparates. Knochen , die als Deckknochen entstehen,
bald nach ihrem Auftreten aber mit einer Ersatzknochenkomponente
zu einer neuen Einheit verschmelzen (Amphios tosen, Misch-
knochen), sind bei Salmo: Squamosum, Palatinum , Articulare,
Supracopulare. Ein Fortschreiten der Deckknochenossifikation in die
Tiefe und auf das Perichondrium zeigen der Vomer bei Salmo und
das Pharyngeum inferius bei Cyprinus ; von vornherein zeigt den
doppelten Charakter das Dentale.
Die als Deckknochen auftretenden Ossifikationen, mögen sie
diesen Charakter zeitlebens behalten oder auf die eine oder die
andere Art auch Ersatzknochencharaktere erlangen, entstehen entweder
ohne Beziehung zu irgendwelchen besonderen Gebilden, oder zeigen
Beziehungen zu Schleimkanälen oder Zähnen. In dem Vorhandensein
oder Fehlen derartiger Beziehungen verhalten sich die einzelnen
Knochen bei den verschiedenen Teleostierformen durchaus nicht gleich-
artig.
Ganz ohne derartige Beziehungen sind bei Salmo : Parietale, Orbitale I, Supra-
orbitaie, Supraethmoidale, Jugale, Intercalare, Parasphenoid, Ektopterygoid, Ento-
pterygoid, Supracopulare, Operculum, Inter- und Suboperculum, die ßadii bran-
chiostegi.
Die Anlage der Knochen, die zu Schleim kanälen Beziehungen
besitzen, beginnt bereits zu einer Zeit, wo noch keine eigentlichen
Schleimkanäle, sondern erst die einzelnen Sinnesknospen in der Epi-
dermis bestehen. Unter den Sinnesorganen erfolgt eine Ansammlung
von Zellen, die das Bildungsmaterial für den späteren Knochen ab-
geben, und in deren Mitte auch bald eine Knochenlamelle auftritt.
In der Folge senkt sich die Haut, in deren Gebiet die Sinnesorgane
liegen, dem späteren Verlaufe des Schleimkanals entsprechend, ein
und bildet eine Schleimfurche, die sich weiterhin zu einem Schleim-
kanal abschnürt. Die Knochenlamelle nimmt dabei die Form einer
Hohlriune and dann die einer Röhre an, die nur von Stelle zu Stelle
durchbrochen ist, um die kleinen Querkanälchen des Schleimkanals
zur Haut treten zu lassen. Die als Schlei mröhrenknochen seit
Alters bekannten Gebilde bleiben auf diesem Zustande stehen ; bei
den typischen Deckknochen findet in der Folge noch eine Verbreite-
rung des Knochens statt, und zwar wächst die ■ „Basalplatte" der
Röhre, d. h. der Teil, der den Grund des Kanals bildet, unter der
Röhre weg stark in die Fläche, so daß ein breiterer Knochen ent-
steht, dem die enge Röhre aufsitzt.
Knochen mit Schleimkanälen sind bei Salmo: Frontale, Nasale, die Orbitalia
(außer dem ersten), Supraoperculare, Supratemporalia, Praeoperculum, die Deck-
knochenanteile des Squamosum, Dentale, Articulare. Nasale, Supraoperculare,
Supratemporalia werden gewöhnlich als Schleimröhrenknochen bezeichnet.
43*
676 E. Gaupp,
Nach Klaatsch sind die Osteoblasten, die sich unter den Sinnesknospeu an-
sammeln, und das Bildungslager für den Knochen abgeben, ektodermaler Herkunft.
Allgemeine Anerkennung hat das bisher nicht gefunden,
Bei den Panzerwelsen liegen die Schädeldeckknochen im Corium und sind
zahlreicher als bei den meisten anderen Teleostiern; eine Bestimmung der Homo-
logie der einzelnen Elemente stößt daher auf Schwierigkeiten. Ganz besonders gilt
das von Hypostoma, wo der primitive Charakter auch noch durch den Zahubesatz
(wie ihn die Platten des Rumpfes besitzen) ausgedrückt ist (O. Hertwig). Bei
Callichthys ist die Zahl der Knochenplatten geringer als bei Hypostoma, die ein-
zelnen sind regelmäßiger gestaltet und zahnlos. Auch bei anderen Teleostierformen
findet sich die sehr oberflächliche Lage der Schädeldeckknochen (Sclerodermi,
Ery thrin inen), bei anderen liegen sie tiefer und werden dann von dickerer Haut be-
deckt. Bei den Knochen, die einen Schleimkanal einschließen, bedingt nach Sage-
mehl die verschieden tiefe Lagerung einen Wechsel im Verhalten des Kanals.
Liegen die Knochen oberflächlich, so laufen die Schleimkanäle in ihnen ; rücken die
Knochen in größere Tiefe, so prominieren die Röhren, in denen die Schleimkanäle
liegen, über die Fläche des Knochens ; bei gewissen Formen der Teleostier kommt
es sogar zu einer völligen Ablösung der Knochenröhren von den Knochen des
Schädeldaches (Gymnotus, einige Muränoiden, Cyprinoiden u. a.). Es finden sich
dann Schleimröhrenknochen über den eigentlichen Schädelknochen.
Für manche der zahn tragen den Knochen der Teleostier ist
noch die Entstehung aus Konkrescenz von Zähnen nachgewiesen
(Pharyngeum superius und Pharyngeum inferius von Sahno, Esox,
Cvprinus); bei den meisten derartigen Knochen erfolgt aber wenigstens
bei Sahno die Entwicklung unabhängig von den Zähnen, und letztere
verbinden sich erst sekundär mit den Knochen.
Zahntragend sind bei Salmo: Praemaxillare, Maxillare, Vomer, Palatinum,
Dentale, Pharyngeum inferius, Phar. superius, Dermentoglossum. Gerade In dieser
Hinsicht zeigen die verschiedenen Teleostierformen viele Differenzen.
Die Ersatzknochen occupieren das Chondrocranium bei den
Teleostiern in sehr verschiedenem Umfange; meist bleibt ein sehr
beträchtlicher Teil von ihm im knorpeligen Zustande erhalten. Die
Zahl der einzelnen Ersatzknochen ist dabei ziemlich groß, aber ihre
Ausdehnung ist beschränkt. Und zwar können, wie bei den Ganoiden,
nicht nur zwischen den einzelnen Stücken größere Knorpelzonen be-
stehen bleiben, sondern bei manchen Formen dringen die Knochen
auch nur wenig in die Tiefe des Knorpels ein, so daß die Zerlegung
des Kuorpelschädels in knöcherne Territorien sehr unvollständig sein
kann (Alepocephalus, Gegenbaur). Die Ethmoidalgegend bleibt
häufig in größter Ausdehnung knorpelig.
Die perichondralen Kuochenlamellen auf der Oberfläche des
Chondrocraniums. mit denen die Ersatzknochen ihre Entstehung be-
ginnen, entwickeln sich häutig sehr selbständig gegen die Umgebung
hin weiter und bilden Leisten und Fortsätze aus, während der unter-
liegende Knorpel noch durchaus intakt ist. Die enchondrale Ver-
kuöcherung schließt sich also erst spät an die perichondrale an. Doch
kommt es auch vor, daß der Knorpel einfach resorbiert wird, und nur
die perichondral entstandene Knocheulamelle stehen bleibt. Mehrere
Knochen am neuralen Cranium entstehen von 2 perichondralen
Knochenlamellen aus, einer äußeren und einer inneren, die Anfangs
auch selbständig sein können. Endlich verknöchern auch die un-
verknorpelt gebliebenen Teile der Anlage des Primordialcraniums und
lassen so teils selbständige Knochen , teils Abschnitte von solchen
hervorgehen.
Knochen im Gebiete des neuralen C r a n i u m s.
Reine Ersatzknochen des neuralen Craniums sind: Basi-
occipitale, Pleuroccipitalia, Supraoccipitale, Epiotica,
Die Entwickelung des Koijfskelettes, 677
Prootica, Sphenotica, Basis plienoid, Alisphenoidea,
0 r b i 1 0 s p h e n 0 i d e a , P 1 e u r o e t h m o i d a 1 i a , P r a e e t h m o i -
dalia; dazu kommen als Mischknochen die Squamosa und als
Bandverknöcherungen die Intercalaria.
ßasi occipitale. Entsteht bei Salmo (S. salar, 24 mm) paarig, und zwar
jederseits aus 2 perichondralen Knochenlamellen, die der dorsalen und der ventralen
Fläche der Basalplatte seitlich von der Chorda dorsalis aufliegen und nur vorn, im
Bereich der Fenestra basicranialis posterior, am medialen Rande des parachordalen
Knorpels zusammenhängen. In diesem Gebiete bildet sich zwischen der Chorda und
eben dieser [Jebergangspartie der dorsalen und ventralen Knochenlamelle eine
knöcherne Aust'üUmasse. Diese, sowie dahinter die beiderseitigen Knochenlamellen
selbst umwachsen dann die Chordascheide, so daß eine Vereinigung der beider-
seitigen Anlagen zu stände kommt. Markraumbildung, endochondrale Verknöche-
rung des Basalplattenknor23els schließen sich an. Durch Verknöcherung des sub-
cerebralen der Schädelbasis aufliegenden faserigen Bindegewebes entsteht über der
ursprünglichen perichondralen Lamelle und mit ihr zusammenhängend eine dicke
spongiöse Knochenmasse; auch an der (gegen den hinteren Teil des Augenmuskel-
kanals blickenden) Ventralfläche erhält das Basioccipitaie eine leistenförraige Ver-
dickung durch Ossifikation des Bindegewebes zwischen ihm und dem Parasphenoid,
die zum Teil auch auf Kosten des hier entspringenden M. rectus lateralis oculi zu
setzen ist (s. p. 622). Die dorsale Lamelle des Knochens bleibt von der Begrenzung
des For. occipitale magnum ausgeschlossen durch die cerebrale Lamelle des Pleur-
occipitale, die sich bis an die Chorda vorschiebt.
Pleuroccipitale. Bildet sich ebenfalls aus zwei perichondralen Knochen-
lamellen, die am Knorpel in der Umgebung des Vagusloches auftreten und zunächst
nicht zusammenhängen. Später dehnt sich die perichondrale Verknöcherung aus, so
daß das Glossopharyngeusloch, die laterale Wand des Recessus sacculi und die
untere und die mediale Wand des Canalis semicircularis posterior in den Bereich
des Knochens zu liegen kommen ; an den Rändern der Nervenlöcher findet Ver-
einigung der inneren und der äußeren perichondralen Lamelle statt. Die Ver-
knöcherung ergreift ferner den ganzen Seitenteil der Occipitalregion, und setzt sich
sogar kaudalwärts über den Rand desselben fort, so den 1. spinalen Nerv um-
schließend, der dann als N. hypoglossus das Pleuroccipitale durchsetzt. Im An-
schluß an die perichondrale Verknöcherung ossificieren endlich auch die membra-
nösen Partieen am Eingang zum Recessus sacculi und zum Canalis semicircularis
posterior. Markraumbilduug, endochondrale Verknöcherung treten ebenfalls später auf.
Supraoccipitale. Entsteht von vornherein unpaar mit einer dorsalen und
einer ventralen perichondralen Knochenlamelle auf dem Tectum synoticum. Diese
greifen nach vorn auf die Seitenränder der großen Dachfontanelle über, und zwib'chen
ihnen wird die Lücke durch Ossifikation der Membran ausgefüllt, die den hinteren
Teil dieser Fontanelle verschließt. Später, wenn die Taenia tecti medialis sich nach
hinten hin bis in dieses Gebiet ausgedehnt hat, erhält auch sie noch eine Strecke
weit eine dorsale und eine ventrale perichondrale Knochen lam eile. Durch Ossi-
fikation der medianen Endsehne zwischen den dorsalen Abschnitten des Seiten-
rumpfmuskels entsteht die Spina occipitalis mediana als Fortsatz des Supraoccipi-
tale. Das Supraoccipitale fehlt den Ganoiden ; sein Auftreten bei den Teleostiern
führt Sagemehl auf den Uebertritt eines Dornfortsatzes auf den Schädel zurück.
Das Ej^ioticum (Hüxley; Occipitale externum, Cuvier) erscheint zu gleicher
Zeit wie das Pleuroccipitale bei 12 mm langen, eben ausgeschlüpften Forellen, zu-
nächst als äußere perichondrale Knochenlamelle oben am lateralen Umfang des Ca-
nalis semicirc. post. Später wird der Knorpel von innen her durch Resorptionsvor-
gänge verdünnt, und zugleich erscheint — an dem noch in tak ten Knorpel — eine
innere Lamelle, die nirgends mit der äußeren zusammenhängt. Im Anschluß an die
äußere Lamelle verknöchert ein Teil des Ligamentes, durch das der obere Zinken des
oberen Supracleithrale sich an den Knochen anheftet. Letzterer erhält so einen Fort-
satz. In dieser Gegend ist später unter der äußeren perichondralen Lamelle der
Knorpel ganz geschwunden, so daß, da hier auch keine innere Lamelle vorhanden
ist, die Wand des Bogenganges nur von der äußeren gebildet wird.
Das Intercalare (Vrolik; Opisthoticum, Huxley) ist eine bei Lachsen
von 33 mm Länge auftretende Ossifikation eines Teiles des Bandes , das den
unteren Zinken des oberen Supracleithrale an die Unterfläche des Pleuroccipitale
heftet. Der Knochen ist vom Pleuroccipitale durch Bindegewebe getrennt und geht
hinten in den unverknöchert bleibenden Teil des Bandes über. Das Intercalare von
Salmo ist somit eine reine Bandossifikation, und dies scheint bei der Mehrzahl der
Teleostier der Fall zu sein, wofern es nicht überhaupt fehlt. Doch glaubt Sage-
678 E. Gaupp,
MEHL, daß bei Characiniden der Knochen wenigstens zum Teil durch Ossifikation
eines Teiles des Primordialschädels entstehe. Sagemehl knüpft daran, unter Be-
rufung auf die Zustände bei Amia, die Hypothese, daß das Intercalare der Teleostier
ursprünglich ein primordialer Knochen war, der durch partielle Ossifikation des
oben genannten Bandes einen hinteren Fortsatz erhielt. Durch das Autosquamosum,
das sich im Knorpel der Labyrinthregion nach hinten hin ausbreitete, sei dann das
Intercalare beschränkt und schließlich aus dem Primordialschädel überhaupt heraus-
gedrängt worden. Nur der hintere Fortsatz habe sich wegen seiner Beziehung zu
dem Bande länger erhalten. Schließlich kann aber auch er schwinden.
Prooticum (Huxley; Alle temporale, Cuvier). Beginnt bei 24 mm langen
Lachsen mit zwei perichondralen Knochenlamellen auf dem Knorpel in der Um-
gebung des Facialisloches, Beide Lamellen, eine innere (dorsale, cerebrale), und
eine äußere (ventrale), hängen anfangs nicht zusammen und vereinen sich erst später
am Foramen n. facialis und an der Incisura prootica. Knorpelresorption, die mit
Zerstörung der Knochenlamellen (vor allem der inneren) beginnt, schließt sich an,
und später auch endochondrale Verknöcherung, Die ursprünglich perichoudrale
Ossifikation breitet sich aus: einerseits nach außen auf die Sehnen der Levatores
arc. brauch, und des Adductor arc. pal., andererseits nach innen, auch auf un-
verknorpelte Partieen des häutigen Primordialcraniums. So erhalten der vordere
und mittlere Abschnitt des Augenmuskelkanales knöcherne Decke und Seitenwand ;
die Foramina des Abducens, Facialis, Palatinus, Oculomotorius und des zweiten
und dritten Trigerainusastes werden knöchern umrandet ; die Vena jugularis wird
in einen Knochenkanal eingeschlossen.
Sphenoticum (Parker und Bettany; Frontal posterieur, Cuvier). Ent-
steht bei 30 mm langen Lachsen als äußere perichoudrale Knochenlamelle auf dem
Proc. postorbitalis des Primordialcraniums (Fig. 34G) und dehnt sich von hier aus
längs des Ansatzes des M. levator arc. palat. nach hinten aus bis an den lateralen
Umfang des vorderen Bogenganges, sowie dorsal- und venlralwärts. Später ent-
steht selbständig an der Innenwand des Can. semicircul. eine innere Lamelle. Das
Sphenoticum geht somit vorn nur aus einer äußeren Lamelle, hinten, wo der
Knorpel nur eine verhältnismäßig dünne Wand des Bogenganges darstellt, aus einer
doppelten perichondralen Lamelle hervor. — Der Umstand, daß das Sphenoticum
bei vielen Teieostiern auf seiner Oberfläche die Skulptur typischer Hautknochen
zeigt und auch einen Schleimkanal enthält, fordert zu specieller Untersuchung auf.
Sagemehl hält den Knochen für einen Integumentknocheu, der sekundär in die
Tiefe gerückt sei.
Squamosum (Pteroticum Parker). Ist seiner Natur nach ein Amphi-
squamosum, d.h. es entsteht aus zwei Komponenten : einem D e r m o s q u a m o s u m ,
das im Integument um einen Schleimkanal herum sich bildet, und einem Auto-
squamosum, das als perichoudrale Ossifikation am Knorpel der Ohrkapsel sich
bildet.
Das Dermosquamosum entsteht wie andere Schleim kanalkn ochen ; die be-
treffenden Sinnesknospen sind bei jung ausgeschlüpften Forellen bereits vorhanden
und kommen dann in eine Furche zu liegen, die durch Einsenkung der Epidermis
entsteht. Bei Forellen von 17 mm Länge beginnt in einer subepithelialen (durch
deutliche Basalmembran vom Epithel getrennten) Zellansammlung die Bildung ein-
zelner dünner Knochenplättchen. Die Furche schnürt sich zum Kanal ab, und dieser
wird vom Dermosquamosum umwachsen. Bei Lachsen von 24 mm tritt dasAuto-
squamosum als perichondrale Knochenlamelle am Canalis semicircularis laterahs
der knorpeligen Ohrkapsel auf, vom Dermosquamosum durch eine Bindegewebs-
schicht getrennt. ■ Bald erscheint auch an der Innenwand des lateralen Bogenganges
eine innere perichondrale Lamelle. Dermo- und Autosquamosum verwachsen dann ;
der gemeinsame Knochen dehnt sich weiter aus, Knorpelresorption und endochon-
drale Verknöcherung schließen sich an. Außen erhält der Knochen ein Eelief durch
Ossifikation benachbarter Gewebspartieen : durch Ossifikation der Sehne des
M. levator operculi entsteht eine Crista, und hinten bildet sich am Autosquamosum-
abschnitt ein Processus, an dessen Entstehung ein Band sowie Muskelsehnen be-
teiligt sind ; endlich ossifiziert das Gewebe, das die Gelenkfläche für das Hyo-
mandibulare auskleidet und das embryonalem Knorpel gleicht. (Schmid-Monnard
beschreibt es beim Hecht als Knorpelgewebe, das direkt verknöchert.)
Nicht an allen Stellen ist die getrennte Anlage des Dermo- und des Auto-
squamosum gleich deutlich erkennbar; an einigen Stellen, wo das Auftreten einer
selbständigen perichondralen Lamelle bisher noch nicht zu beobachten war, liegt
gleichwohl in späteren Stadien das Squamosum dem Knorpel ganz eng an. Die
Selbständigkeit der perichondralen Lamelle an den anderen Stellen läßt trotzdem
den Knochen in seiner Gesamtheit als Compositum auffassen ; an jenen erwähnten
Die Entwickelung des Kopfskelettes.
679
Stellen scheint die pericliondrale Lamelle sofort bei ihrer Entstehung mit dem Dermo-
squamosum zu verschmelzen oder, was vielleicht richtiger ist, von vornherein im
Anschluß an das letztere zu entstehen.
Basisphenoid (nicht allen Teleostiern zukommend). Erscheint bei 26 mm
langen Lachsen als Verknöcherung in dem metachiasrnatischen häutigen Abschnitt
des Septum interorbitale vor der Hypophysis cerebri und in der supraseptal ge-
legenen Membran , die den Boden des Oavum cerebrale cranii und zugleich die
Decke über dem vordersten Abschnitt des hinteren Augenmuskelkanals bildet
(Fig. 346). Durch die Lokalität der Entstehung erklärt sich die T-Form des
Taen. tect. med.
Frontale
Proc. postorb
N. oculomot.
Rect. super ior
Rect. inferior " -^
Rect. lateralis
Rect. med.
Orbitale
Ento-
ptery-
goid
N. trochlearis
Prooticinn
Sj^henotic.
N. trig. I
Basisphen.
Trabec.
N.palatin.
Parasph.
Metapter.
Keratobr.I
Quadratum
Proc. symplect.
Hyomand.
Dermarticulare
Angulare
Keralohyale
Fig. 346. Querschnitt durch den hinteren Teil der Orbito-temporalregion eines
40 mm langen Embryo von Salmo fario (Serie von Herrn Dr. Schleif). Vergr.
16mal. Die knorpeligen Kiemenstäbchen sind nicht bezeichnet.
Knochens, dessen vertikale Platte ein Septum des Augenmuskelkanals bildet. Das
Basisphenoid ist somit bei Salmo ontogenetisch häutig präformiert und von vorn-
herein unpaar. Die häutige Präformation darf aber wohl nicht dazu führen, es aus
der Reihe der Ersatzknocnen zu streichen ; möglicherweise läßt sich bei anderen
Teleostiern noch Knorpelbildung bei der Genese des Basisphenoids nachweisen. Bei
Amia ist das Basisphenoid paarig und in den Knorpel eingesprengt; der unpaare
Charakter bei den Knochenfischen kann auf die Ausbildung des Septum interorbitale
zurückgeführt werden (Sagemehl).
Alisphenoid. Entsteht sehr spät (Salmo fario von 40 mm) in Form von
zwei perichondralen Knochenlamellen, einer inneren und einer äußeren, auf der
knorpeligen Schädelseitenwand vor der Ohrkapsel. Im Anschluß an den perichon-
dral entstandenen Abschnitt ossifiziert auch ein Teil der häutig gebliebenen Seiten-
wand der Orbito-temporalregion. Das Alisphenoid schließt in selbständige Foramina
den N. trochlearis und den ersten Ast des Trigeminus ein und begrenzt von oben
her das Foramen opticum. Hat nichts mit dem Alisphenoid der Säuger zu thun.
680 E. Gaupp,
Orbito sphenoid. Entsteht paarig bei 35 mm langen Lachsembryonen
durch Ossifikation der membranösen Schädelseitenwand hinter dem Olfactorius-
austritt, oberhalb des Septum interorbitale. Dorsal setzt sich die Verknöcherung
auf das äußere und das innere Perichondrium des ventralwärts gebogenen Randes
des knorpeligen Schädeldaches, ventral auf das Perichondrium des Septum inter-
orbitale fort. Hier kommen auch die beiderseitigen Anlagen zur Vereinigung. Der
Knochen umwächst das For. olfactorium evehens jeder Seite. Das unpaare Orbito-
sphenoid der meisten Teleostier ist von den paarigen Orbitosphenoiden von Amia
abzuleiten. Die Ausbildung des Interorbitalseptums kann nicht der einzige Grund
für die Verschmelzung beider Knochen zu einem sein, da auch die Siluroiden trotz
Mangels eines Interorbitalseptums den Knochen unpaar besitzen (Sagemehl). Viel-
fach wird das Orbitosphenoid als Ethmoid aufgefaßt wegen der Beziehung zum
Olfactoriusaustritt (Cüvier, Stannius, Bruch u. A.).
Pleuroethmoidale (Ethmoidale laterale; Bojanus, Arendt; Frontal
anterieur, Cuvier). Ist ein typischer perichoudraler Knochen, der bei 35 mm
langen Lachsembryonen als penchondrale Auflagerung auf dem Antorbitalfortsatz
auftritt. Resorption und endochondrale Verknöcherung des Knorpels folgen später,
und zugleich ossifiziert der Anfang eines Ligamentes, das vom Processus antorbi-
talis zum Palatoquadratknorpel zieht.
Praeethmoidale (Swinnerton; Septomaxillare, Sägemehl). Kommt beim
Lachs nicht vor , wohl aber bei Esox . bei Cyprinoiden u. a. Es stellt eine
primordiale Verknöcherung vorn seitlich an der Spitze des Ethmoidalknorpels dar, über
der vorderen lateralen Ecke des Voraer. Der Vergleich dieses Knochenterritoriums mit
dem Septomaxillare der Amphibien, den Bridge aufgestellt hat, ist ganz unmög-
lich, und die Uebertragung des gleichen Namens auf den Knochen ein Mißgriff. Der
von Swinnerton gebrauchte Name Praeethmoid erscheint ganz zweckmäßig. Der
Knochen ist schon bei Amia vorhanden, besitzt aber hier die Beziehung zum Pala-
tinum noch nicht, die wohl als sekundär erworben zu betrachten ist (Sagemehl).
D e c k k n 0 c h e n am neuralen C r a n i u m sind : Parietale,
Frontale, Nasale, Supraorbitale, Supi'atemporalia,
Supraoperculare, alle beiderseits vorhanden, dazu das unpaare
Supraetlimoidale; Para sphenoid und Vom er unpaar an der
Schädelbasis.
Das Parietale entsteht auf dem dorsolateralen Umfang der Ohrkapsel; das
Frontale (Fig. 344—346) auf dem vordersten Teil der Ohrkapsel, der Taenia
marginalis und dem Tectum cranii in der vorderen Hälfte der Orbito-temporal-
region, das Na'sale auf dem Knorpel der Ethmoidalregion. Im übrigen kann be-
züglich der genannten Knochen wie über die 6 Orbitalia, das Supraorbitale,
die Supratemporalia und das Supraoperculare (Bruch) das schon Ge-
sagte genügen. Das Supraethmoidale, das bei Salmo wie bei vielen anderen
Teleostiern einen richtigen Deckknochen darstellt, gewinnt bei manchen Formen
(Cyprinoiden, Characiniden u. a.) Beziehungen zum Primordialcranium, indem es sich
tief in den Knorpel des Internasalseptums hinein fortsetzt. In welcher Weise diese
Beziehungen erlangt werden, ob durch kontinuierliches Fortschreiten der Ossifikation
von dem Deckknochen aus oder durch Auftreten einer selbständigen perichondralen
Ossifikation, bleibt noch festzustellen.
Parasphenoid und Vorne r sind die Schleimhautknochen an der Schädel-
basis. Das Parasphenoid ist der bei Salmo ontogenetisch am frühesten auf-
tretende Knochen; er nimmt wesentlichen Anteil an der Begrenzung des hinteren
Augenmuskelkanals. Der Vom er entsteht bei Salmo in der Mundschleimhaut
unter dem Ethmoidalknorpel unabhängig von den Zähnen, mit denen er erst nach-
träglich verschmilzt. Er ist anfangs vorn paarig, hinten unpaar angelegt. Bei Esox
fand Walther die erste Anlage des Vomer paarig und auf jeder Seite durch Kon-
krescenz von 2 Zahncementplatten zu stände kommen. Nach Verschmelzung der
beiderseitigen Anlagen zu einem uupaaren Stück wächst dieses dann selbständig
weiter, und die übrigen noch auftretenden Zähne verbinden sich sekundär mit ihm.
Auch Friedmann scheint den Vomer zu meinen, wenn er sagt, daß beim Hecht
der Oberkiefer durch Konkrescenz von Zahnsockeln entsteht. (Das Maxillare von
Esox besitzt keine Zähne I) Bei Salmo verfolgte Schleif das Vorschreiten der Ver-
knöcherung gegen den Knorpel der Ethmoidalregion hin, unter dem der Vomer
entsteht. Schließlich liegt der Vomer dem Knorpel an einer Stelle unmittelbar an.
Die weitere Entwickelung ist noch nicht beobachtet, dagegen ist bekannt und be-
sonders von Sagemehl hervorgehoben, daß bei vielen Teleostiern (Characiniden,
Cyprinoiden u. a.) im erwachsenen Zustand der Vomer sich tief in den Knorpel des
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 681
Internasalseptums hinein erstreckt. Es scheint somit, daß die Ossifikation, nach-
dem sie das Perichondrium erreicht, auch weiter in den Knorpel hineindringt.
Durch das Supraethmoid und den Vomer kann ein großer Teil des Knorpels der
Ethmoidalregion knöchern ersetzt werden.
Knochen im Gebiete das Visceralskelettes.
Zu den Knochen, die sich auf Teile des Visceralskelettes auf-
lagern, werden bei den Teleostiern auch das Praemaxillare und
das Maxillare gerechnet, da die ihnen untergelagerten Knorpel-
stücke als Repräsentanten von Lipp enknorpeln aufgefaßt werden.
Im Bereiche des Palatoquadratums entstehen: Quadratum,
Metaptery goid, Auto palatin um (Ersatzknochen), Ecto-
pterygoid, Entopterygoid, Dermopalatinum (Deckknochen) ;
im Unterkiefer bilden sich Autarticulare, Angulare, Coro-
nale (Ersatzknochen); Dermarticular e und Dentale (ersteres
Deckknocheu, letzteres mit Doppelnatur). Auch im Gebiete des
Hyobranchialskelettes kommen Ersatz- und Deckknochen zur
Ausbildung, dazu Elemente mit Mischcharakteren. Stylohyale,
H y 0 m a n d i b u 1 a r e , S y m p 1 e c t i c u m , E p i h y a 1 e , K e r a t o -
h y a 1 e , H y p o h y a I i a , die S y m b r a n c h i a 1 i a (Cupulaossifikationen),
Pharyngo-, Epi, Kerato- und Hypobranchialia sind reine
Ersatzknochen; Dermopharyin geum superius, D er men to-
glos sum, Supracopulare sind reine Deckknochen; als Com-
positum erscheint das Pharyngeum inferius. Die Knochen des
Opercular app arates sind Deckknochen.
Knochen des Oberkieferrandes. Das Praemaxillare wird bei
Ifi mm langen Forellen sichtbar innerhalb eines Zellhaufeus jederseits vom Rostrum.
Nachträglich verbindet es sich mit den selbständig entstandenen Zähnen. Durch
Umwandlung des Gewebes zwischen dem Rostrum knorpel und dem Praemaxillare
bildet sich ein selbständiges Knorpelstück, dem dann das Praemaxillare wie
ein Deckknochen aufliegt. Der Knorpel ist bei 40 mm langen Forellen gut aus-
gebildet. Es liegt nahe, denselben als Repräsentanten eines vorderen oberen
L ippe n kn orpels , wie ihn die iSelachier besitzen, zu deuten, und darin eine Be-
stätigung der GEGENBAUR'schen Anschauung zu sehen, daß das Praemaxillare als
Zahnknochen auf dem vorderen oberen Lippenknorpel entstand. Die späte onto-
genetische Entstehung des Knorpels (nach dem Knochen) wäre dieser Auffassung
nicht hinderlich und würde nur den Lijipenknorpel als eine im Verschwinden be-
griffene Bildung charakterisieren. Bei anderen Teleostiern lagern sich die Prae-
maxillaria gegen das von Sagemehl als Rostrale bezeichnete Skelettstück, dessen
Bedeutung unbekannt ist. Bei Cyprinoiden scheint dasselbe zu verknöchern (Sage-
Mehl). Das Maxillare wird schon bei eben ausgeschlüpften Forellen angelegt
gefunden. Es entsteht als Deckknochen, der sich erst nachträglich mit den Zähnen
vereinigt. Das Vorderende des Knochens liegt dem Palatoquadratum eine kurze
Strecke weit an, durch eine Schicht indifferenten Bindegewebes getrennt. In diesem
tritt ein Spalt (Gelenkhöhle) auf, und das dem Maxillare anliegende Gewebe nimmt
knorpelähnlichen Charakter an. Wie schon bemerkt, fand Sagemehl bei ver-
schiedenen Teleostiern an der gleichen Stelle 1 — 3 Submax illarkn orpel, deren
hypothetische Bedeutung bereits berührt wurde. Sie verknöchern bei Cobitididen
(Sagemehl). Dem Maxillare angeschlossen ist das Ad maxillare (Supramaxillare,
Jugale), das als Deckknochen ohne Beziehung zu anderen Teilen entsteht. Bei
Clupeiden u. a. sind 2 Admaxillaria vorhanden.
Im Palatoquadratum entstehen das Quadratum und das Meta-
pterygoid als richtige Ersatzknochen des hinteren Teiles des Palatoquadratums,
d. h. zunächst als perichondrale Knochenlamellen, von denen aus später die Ossi-
fikation auch in den Knorpel eindringt (Fig. 34ö). Auch in die Umgebung setzt
sich die Ossifikation fort. Eine am vorderen Ende des Palatoquadratums auftretende
perichondrale Knochenanlage, das Autopalatinum, bleibt nicht selbständig,
sondern verschmilzt mit einem Dermopalatinum frühzeitig zu dem Pala-
tinum. Als Deckknochen am Palatoquadratum entstehen Ectopterygoid ,
Entopterygoid, Dermopalatinum. Die beiden Pterygoide bilden sich bei
682 E. Gaupp,
Salmo ohne Beziehung zu Zähnen als Verknöcherungen in der zwischen dem Palato-
quadratum und dem Mundhöhlenepithel gelegenen Bindegewebsschicht (Fig. 346).
Das Dermopalatinum entsteht ebenfalls als richtiger Deckknochen an der
Unterseite des Palatoquadratums unabhängig von Zähnen, mit denen es aber sehr
bald eine Verbindung eingeht. (Beim Hecht erscheint es deutlicher als eine aus
Konkrescenz von Zahncementplatten hervorgegangenen Bildung [WaltherJ.) Später
tritt auch im Perichondrium des Palatoquadratums über dem Dermopalatinum eine
Knochenlamelle (Autopalatinu m) auf, die aber schon bei ihrer Entstehung stellen-
weise mit dem Dermopalatinum verbunden erscheint. Aus der Weiterentwickelung
beider Komponenten geht das Palatinum hervor, das einerseits Zähne trägt,
andererseits in den Knorpel des Palatoquadratums einwächst.
Im Bereich des Unterkiefers bei Öalmo kommen zur Ausbildung: Arti-
culare, Angulare, Coronale, Dentale. Das Articulare kann als Ver-
wachsungsprodukt eines Der m articulare und eines Autarticulare aufgefaßt
werden. Das Dermarticulare entsteht zuerst als richtiger Deckknochen, der auch
einen Schleimkanal einschließt (Fig. 346) ; nach ihm tritt das Autarticulare auf als
perichondrale Knochenscheide um den MECKEL'schen Knorpel, die in der Haupt-
sache selbständig ist und nur an einer Stelle von vornherein mit dem Dermarticulare
zusammenhängt. Später vereinen sich beide Komponenten in größerer Ausdehnung
zu einem Knochen, der Deckknochen- wie Ersatzknochen-Charaktere in sich ver-
einigt. Durch die Verhältnisse bei Knochenganoiden (Amia, Lepidosteus), wo ein
Autarticulare und ein Dermarticulare als selbständige Elemente beschrieben werden,
erfährt die Auffassung des Articulare der Teleostier als eines zusammengesetzten Ge-
bildes eine weitere Begründung. Das Angulare entsteht als perichondrale Ossi-
fikation am Proc. retroarticularis des primordialen Unterkiefers, da, wo das Lig.
mandibulo-hyoideum ansetzt, ist also ein Ersatzknochen. Das Gleiche gilt von dem
Coronale, das im Perichondrium des Proc. praearticularis entsteht, sich von hier
aus aber auch in die Sehne des M. adductor mandibulae fortsetzt, so einen deut-
lich hervortretenden Proc. coronoideus bildend. Das Dentale endlich bietet
wieder die Doppelnatur, doch in besonderer Weise. Es liegt schon bei seinem
ersten Auftreten mit seinem vorderen Ende perichondral, unmittelbar auf dem
MECKEL'schen Knorpel, während es weiter hinten von dem letzteren durch Binde-
gewebe getrennt wird, also Deckknochennatur zeigt. Die Deckknochennatur doku-
mentiert es weiterhin dadurch, daß es sich mit (selbständig entstandenen) Zähnen
verbindet und einen Schleimkanal umwächst. Andererseits schreitet am Meckel-
schen Knorpel im Anschluß an das vorderste Stück des Dentale die Bildung einer
perichondralen Knochenlamelle, die den Knorpel einscheidet, vor, und diese verbindet
sich dann mit dem über ihr gelegenen Deckknochenabschnitt des Dentale in größerer
Ausdehnung. Es entsteht so wieder ein Knochen mit doppeltem Charakter, der
phylogenetisch als aus einer Verwachsung des Dentale mit dem bei Knochenganoiden
(Polypterus , Amia) selbständigen Mentomandibulare hervorgegangen betrachtet
werden kann. Beim Hecht entsteht das Dentale durch Konkrescenz von Zahn-
cementplättchen (Walther, Friedmann).
Im Hyalbogen entstehen mehrere perichondrale Verknöcherungen. Das
Stylohyale verknöchert für sich als Os stylohyale; in den anderen Stücken
treten je zwei Ossifikationen auf. Der Hyomandibularknorpel wird so in zwei durch
Synchondrose verbundene Stücke zerlegt, das obere Os hyo mandibulare (vom
Facialis durchbohrt) und das untere Os symplecticum; das als Knorpel ein-
heitliche Keratohyale läßt ein oberes Epihyale und ein unteres Keratohyale
hervorgehen; aus dem Hypohyale geben eine ventrale und eine dorsomediale Ossi-
fikation hervor, beide als Ossa hypohyalia bezeichnet.
Sehr interessant gestaltet sich somit die Ontogenese des Symplecticum: das
betreffende Territorium verknorpelt selbständig, verschmilzt dann mit dem Hyo-
mandibularknorpel und erhält dann als Knochen wieder eine größere Selbständigkeit
gegenüber dem Os hyomandibulare, mit dem es jedoch knorpelig verbunden bleibt.
Beide Gliederungsvorgänge sind ihrem Wesen nach verschieden : die zuerst auf-
tretende repetiert den Zustand, der bei Kuorpelganoiden bleibend ist und hier eine
Vermehrung der Beweglichkeit zur Folge hat ; die selbständige Ossifikation dagegen
bezweckt größere Festigkeit des fraglichen Skelettabschnittes, dessen freie Beweg-
lichkeit schon durch die Verschmelzung mit dem Hyomandibularknorpel unterdrückt
wurde. Folgerichtig sollte die Symplecticumossifikation einen anderen Namen er-
halten als der Symplecticumknorpel der Kuorpelganoiden. — Beachtung verdient
auch, daß die als Epi- und Keratohyale bezeichneten Ossifikationen an einer und
derselben knorpeligen Grundlage auftreten. Diese Gliederung hat somit einen ganz
anderen Wert und Sinn als die der sog. Epi- und Keratobranchialia an den Kiemen-
bogen.
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 683
Im Gebiete des eigentlichen Branchialskelettes treten ebenfalls peri-
chondrale und Deckknocheuossifikationen auf. Die vier Stücke der 3 ersten Kiemen-
bogen verknöchern perichondral zu selbständigen Knochen ; vom vierten gilt das
Gleiche nur bezüglich des Kerato- und Epibranchiale, während das Pharyngo-
branchiale knorpelig bleibt (ein selbständiges Hypobranchiale ist schon embryonal
der Regel nach nicht vorhanden). Auch an dem Branchiale "V tritt eine selb-
ständige perichondrale Knochenscheide auf, bleibt aber, wie gleich zu schildern,
nicht selbständig. Von den Copulae erhält die erste (das Glossohyale) nur
an ihrem kaudalen Ende eine perichondrale Knochenscheide (Sym branchiale I);
in der Hauptsache bleibt sie knorpehg. Die zweite Copula zerfällt in drei durch
Synchondroseu verbundene Knochenterritorien (Symbranchial ia II, III, IV), von
denen das vorderste an die Ossifikation des Glossohyale anstößt; die dritte Co-
pula (Urohyal e) bleibt knorpelig. Deckknochen entstehen im Bereich des
ßranchialskelettes bei iSalmo an vier Stellen: am Epi- und Pharyngobranchiale des
4. Bogens, am 5. Bogen, über der ersten und über der zweiten Copula.
Am Epi- und Pharyngobranchiale des 4. Bogens tritt ein Dermophary n-
geum SU per ins als Verschmelzungsprodukt einzelner zahntragender Knochen-
plättchen auf; es bleibt von den Stücken des Branchiale getrennt. Ebenso entsteht
ein Dermopharyngeum inferius über dem Branchiale V, scheint aber später
mit dem Autopharyngeum (der perichondralen Knochenscheide am Branchiale V) zu
verschmelzen (Pharyngeum inferius). Beuch findet beide Komponenten auch beim
erwachsenen Lachs noch selbständig. Bei Cyprinus carpio entsteht, nach FRlEDMAlsrN,
der Knochen auch durch Konkrescenz von Zähnen; von hier aus dringt aber dann
die Ossifikation allmählich in die Tiefe, greift auf das Perichondrium über und führt
zur vollkommenen Resorption des Knorpels. — lieber dem Glossohyale bildet
sich ein Deckknochen, der mit selbständig entstandenen Zähnen verschmilzt. Das
so entstandene Dermentoglossum (Su prälinguale] ist auch beim erwachsenen
Lachs noch selbständig. Ueber der 2. Copula entsteht auch ein Deckknochen (Supra-
copulare), aber ohne Beziehung zu Zähnen. Er verschmilzt mit der zweiten intra-
copularen Ossifikation (d. h. dem Sym branchiale III), bleibt dagegen von den beiden
anschließenden Synchondroseu getrennt. So findet er sich noch bei 40 mm langen
Forellen ; sein Verhalten beim erwachsenen Tier ist noch unbekannt. — Beim Hecht
entsteht, nach Walther, das Pharyngeum superius als Deekknochen nicht an dem
4. Branchiale, sondern an der Schädelbasis (durch Zahnkonkrescenz), zugleich aber
bilden sich auch noch an den 4 ersten Branchialbogen durch Konkrescenz von Zahn-
sockeln zahntragende Deckknochen, die selbst bei ganz alten Tieren mit den peri-
chondralen Knochen scheiden der Branchialia nicht verwachsen waren. Man könnte
sie D ermobr anchialia nennen. Die Knochen des Oper cularapparates
und die Branchiostegal strahlen sind Integumentalossifikationen. Das Prae-
operculum besitzt Beziehungen zu einem Schleimkanal; an seinem oberen Ende bildet
sich das kleine Supraoperc ular e (Bruch; Supratemporale, Agassiz) um die
obere Fortsetzung des aus dem Praeoperculum heraustretenden Schleimkanales.
Dipnoi.
Angaben über die Entwickelung des Dipnoerscliädels liegen nur
sehr spärlich vor. Die wenigen vorhandenen, die von Sewertzoff
und K. FÜRBRiNGER stammen, betreffen embryonale Zustände des
Primordialcraniums von Ceratodus. Durch die in Aussicht gestellte
ausführliche Arbeit von K. Fürbringer über die Entwickelung des
Ceratodusschädels wird hoffentlich bald diese fühlbare Lücke aus-
gefüllt werden ^).
Das Chondrocranium der Dipnoer besitzt dadurch ein be-
sonderes Interesse, daß es bis auf eine kleine Partie in der Occi-
pitalgegend und einige Teile des Hyalbogens zeitlebens knorpelig er-
halten bleibt. Bei Ceratodus ist es am vollständigsten, bei Protopterus
und Lepidosiren mehr reduziert. Es zeigt große Aehnlichkeit mit
dem der Urodelen.
LTeber die Zustände des erwachsenen Schädels handeln Huxley, Wieders-
HEIM und besonders Bridge, letzterer in einer sehr genauen, alle 3 Formen berück-
sichtigenden Monographie.
Anm. b. d. Korrektur. Die Arbeit ist mittlerweile erschienen, konnte aber
nicht mehr benutzt werden. Siehe Litteraturverzeichnis.
684 E. Gaupp,
Im Stadium 4(3 nach Semon (A. L. III ^ 1893) findet Sewertzoff
das Primordialcranium eben angelegt und jederseits aus dem Parachor-
dale, der orbitotemporalen Schädelseitenwand und dem Palatoquadratum
bestehend. Die Parachordalia sind flache, schmale Platten, die vor der
Chordaspitze untereinander zusammenhängen und sich kaudalwärts zu-
spitzen. Mit der Chorda zusammen bilden sie die Basalplatte. Sie re-
präsentieren nur die Pars otica des Parachordale ; ein occipitaler Teil
kommt jederseits erst später hinzu. Vorn hängt jedes Parachordale
kontinuierlich mit der orbitotemporalen Schädelseitenwand zusammen,
einer Knorpelplatte, deren ventraler Rand verdickt ist (Trabecula;
ob diese anfangs gegenüber der dorsalen Partie der Knorpelplatte
selbständig ist, oder nicht, wäre noch zu ermitteln). Getrennte An-
lagen von Trabeculae und Parachordalia sind bisher nicht beobachtet.
Das Palatoquadratum ist jetzt bereits mit dem Trabecularabschnitt
der orbitotemporalen Schädelseitenwand verbunden, doch ist das Ver-
bindungsgewebe noch nicht verknorpelt. Auf einem späteren Stadium
(Stad. 47 nach Semon) hat sich die 0 ccipitalregion angelegt. In
den Aufbau derselben gehen 3 anfangs deutlich isoliert angelegte
Wirbelbogen ein, von denen der vorderste ziemlich weit hinter der
Ohrkapsel auf der Grenze des .5. und (5. metotischen Myotoms liegt.
Durch den Zwischenraum zwischen dem 1. Occipitalbogen und der
Ohrkapsel tritt der Vagus aus. In diesem Gebiet, also zwischen der
Ohrkapsel und dem 1. Occipitalbogen ist die Anlage der Occipital-
region von vornherein kontinuierlich, aus dem Vorhandensein von 3
spino-occipitalen Nerven (K. Fürbringer) darf jedoch auf eine frühere
Metamerie geschlossen werden.
Sewertzoff findet vor dem 1. Occipitalbogen nur 2 spino-occipitale Nerven
und glaubt, daß sie den beiden ersten der 5 beim erwachsenen Ceratodus beobach-
teten entsprechen. Wäre dies richtig, so müßten hinter dem 1. Occipitalbogen noch
3 spino-occipitale Nerven folgen, deren Einschluß in das Cranium die Assimilation
von ebenfalls drei weiteren Occipitalbogen (also im ganzen von vier OccijMtal-
bogen) erforderte, wenn nicht etwa der hinterste Nerv noch von dem vor ihm
liegenden Bogen aus umwachsen wird. Sewertzoff spricht sich hierüber nicht aus,
und seine Schilderung bleibt damit unverständlich. Nach K. Fürbringer (1904)
liegen vor dem 1. Occipitalbogen noch 8 Nerven, die (nach M. FtJRBRiNGER's Nomen-
klatur) X, y, z entsprechen würden; zwischen den o Bogen liegen dann noch die
Nerven a und b, die durch Konkrescenz der Bogen untereinander und mit dem
Autocranium in den Schädel eingeschlossen werden. Bei den Dipneumones ist nach
K. FtJRBRiNGER der mittlere der 3 Occipitalbogen als gänzlich verkümmert zu be-
trachten. Im Sinne der M. FÜRBRiNGER'schen Nomenklatur repräsentiert also die
Occipitalregion der Dipnoer ein auximetameres Neocranium mit 2 sekundär assi-
milierten Wirbeln und 2 occipito-spinalen Nerven (a, b). Der vorderste Occipital-
bogen von Ceratodus entspräche dem hintersten Occipitalsegment der Selachier, die
3 vordersten spino-occipitalen Nerven von Ceratodus sind den occipitalen (x, y, z)
der Selachier vergleichbar. Der vorderste kann fehlen, so daß dann im ganzen nur 4
spino-occipitale Nerven vorhanden sind (M. Iurbringer). Am vordersten Occipital-
bogen sitzt bei den Dipneumones ein Skelettteil, der als Rippe (Koj^frippe) zu deuten
ist, ebenso wie die dem 3. Occipitalbogen von Ceratodus ansitzende, stark ausgebildete
Rippe (K. Fürbringer). Letztere hegt nach Sewertzoff bei Ceratodus im Myo-
comma zwischen dem 7. und 8. Myotom. Die vorderen Kopfmyotorae liegen merk-
würdigerweise dorsal vom parachordalen Schädelboden, da dieser nicht die Fort-
setzung der Wirbelbogen (lateraler epichordaler Skelettanlagen), sondern der Basal-
stümpfe (lateraler hyj^ochordaler Skelettanlagen) bildet. Die Basen der Wirbelbogen
werden jederseits durch einen epichordalen Knorpelstreifen untereinander verbunden,
der sich auch in den Schädel fortsetzt, so daß auf jungem Stadium sich außer dem
hypochordalen Schädelboden noch ein epichordaler bildet (Sewertzoff). Wie sich
diese beiden Böden weiter entwickeln, ist unbekannt. Auch die sonstige Weiterent-
wickelung der Occipitalregion ist noch nicht verfolgt worden. Bei den erwachsenen
Dipnoern besteht in der Occipitalgegend ein Knorpeldach, in das die Seitenwände
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 685
dieser Gegend, soweit sie dem 1. Occipitalbogen entsprechen, übergehen (den An-
gaben von Bridge zufolge). Zu dem 2. und 3. Occipitalbogen gehört beim er-
wachsenen Schädel ein Proc. spinosus, der somit auch erst eine spätere Bildung dar-
stellt. Die Chorda bleibt erhalten.
Die Ohrkapsel ist nach Sewertzoff auf Stadium 46 (Semon)
noch nicht angelegt, auf Stadium 47 vollständig verknorpelt und mit
dem parachordalen Schädelboden sowie mit der orbito-temporalen
Schädelseiten wand verschmolzen ; ein Tectum synoticum besteht noch
nicht, bildet sich aber später. Die Hinterwand der Kapsel wird von
dem N. glossopharyngeus durchsetzt. In der Orbito-temporal-
gegend ist die Seiten wand auf dem zweiten von Sewertzoff unter-
suchten Stadium ausgedehnter geworden und wird von Oefifnungen
für den Opticus und die Augenmuskelnerven durchsetzt. Zwischen
ihrem Hinterrand und der Ohrkapsel bleibt eine große Oeffnung,
durch die nach Sewertzoff der zweite und dritte Trigeminusast, so-
wie der erste und zweite Facialisast austreten.
Daß diese Lücke der Hauptsache nach ein Foramen prooticum darstellt,
wie es bei allen anderen Wirbeltierschädeln besteht, ist klar. Wie bei den Anuren
wäre mit ihr das Facialisloch verschmolzen zu denken. Die Oeffnungen für den
Tr. hyomandibularis des Facialis und den R. ophthalmicus profundus trigemini
schildert Sewertzoff als selbständig; nach seiner Darstellung wird die Abtrennung
von der großen Hauptöffnung aber lediglich durch die Fortsätze des Palatoquadra-
tums bewirkt, und so würde die exakte Schilderung dahin lauten müssen, daß am
neuralen Cranium selbst nur eine große Oeffnung für den ganzen Trigeminus
und Facialis besteht, diese aber durch das ihr vorgelagerte Palatoquadratum in
mehrere Teile zerlegt wird. Den Abducens erwähnt Sewertzoff nicht besonders ;
da er sonst gewöhnlich basal austritt, so wäre sein Verlauf durch die orbito-tempo-
rale Schädelseiten wand, wie er nach Sewertzoff's allgemein gehaltener Angabe über
die Augenmuskelnerven anzunehmen ist, auffallend.
In dem zweiten von Sewertzoff untersuchten Stadium von
Ceratodus wird die orbito-temporale Schädelseitenwand in der vorderen
Hälfte der Region sehr niedrig, auf die Trabecula reduziert, die medial
vom Nasensack weiter nach vorn zieht und hier mit der der anderen
Seite zu einem niedrigen Septum nasi zusammenfließt. Von diesem
gehen dann vorn, rostral von den vorderen Nasen Öffnungen, jederseits
ein dorsaler und ein ventraler Fortsatz aus. Letzterer umgreift den
Nasensack von vorn her, der dorsale steigt vor dem Nasensack auf
und wendet sich dann etwas über ihm nach hinten. Aus ihm bildet
sich wahrscheinlich das Dach der Nasenkapsel. Auf der Grenze der
Orbito-temporal- und Ethmoidalregion springt von der Trabecula aus
ein Fortsatz lateralwärts vor, kaudal von der hinteren Nasenöffnung.
Sewertzoff bezeichnet ihn mit dem unzweckmäßigen, weil nichts-
sagenden Namen Proc. ethmoideus; Bridge bringt mit der Benennung
Proc. a n 1 0 r b i t a 1 i s wohl auch die richtige Homologie zum Aus -
druck. Der Boden der Orbito-temporalregion wird auf diesem Stadium
von einer großen Fenestra basier anialis anterior einge-
nommen.
Die Art, wie sich das geschilderte noch sehr einfache Gerüst der Orbito-tem-
poral- und Ethmoidalregion zu dem ausgebildeten Zustand vervollkommnet, harrt
noch der Untersuchung. Bei Ceratodus kommen kontinuierliche Seitenwände, Decke
und Boden zur Ausbildung, bei Lepidosiren und Protopterus bleiben die Seitenwände
niedriger, eine Decke bildet sich überhaupt nicht, am Boden bleibt eine Fen. basi-
cran. ant. bestehen. Antorbitalfortsätze finden sich bei allen 3 Formen (Wieders-
HEIM, RÖSE, Bridge); bei Ceratodus verlieren sie ihren knorpeligen Zusammenhang
mit den Trabekeln. Das Nasenskelett besteht bei allen 8 Dipnoern aus dem
Septum nasi, mit dessen oberem Rande die Nasenkapseln zusammenhängen. Letz-
tere werden in der Hauptsache von gebogenen, mehrfach durchbrochenen Knorpel-
lamellen gebildet, die den dorsalen und lateralen Umfang der Nasensäcke umziehen.
686 E. Gaupp,
Pränasale, gegen die Oberlippe vorspringende Fortsatzbildungen sind, wohl mit
Unrecht, für Lippenknorpel erklärt worden. Basal findet sich lediglich ein schmales
Knorpelband (Suonasalknorpel, Bridge), das als Fortsetzung der Seitenwand, quer-
gelagert, medialwärts zum Septum zieht, mit diesem aber nur bindegewebig verbunden
ist. Es zerlegt die große basale Lücke in eine vordere und hintere Hälfte, für die
vordere und hintere Nasenöffnung. Dies Verhalten erinnert also schon ganz an das
bei den terrestrischen Wirbeltieren (Fenestra narina. Fenestra basalis, Lamina
transversalis anterior). Wie überhaupt, so ist auch in der Ethmoidalregion das
Chondrocranium von Ceratodus massiver als das der beiden anderen Dipnoer; die
Canales olfactorii, die sich im hinteren Teil der Region finden, und durch die das
Oavum cranii mit den Nasenkapsel räumen kommuniziert (Nn. olfactorii!), sind daher
bei Ceratodus von besonders dicken Knorpelraassen umgeben.
Vom Visceralskelett wären zunächst Lippenknorpel zu
erwähnen. Unter diesem Namen sind vielerlei Dinge beschrieben
worden : am Neurocranium Teile des Nasenskelettes (Proc. antorbitalis,
die quere basale Knorpelspange, die Pränasalknorpel), am Unterkiefer
Fortsatzbildungen am vorderen Ende des MECKEL'schen Knorpels.
Alle diese verdienen jene Bezeichnung nicht. Bridge beschreibt
bei Lepidosiren jederseits einen Oberlippenknorpel als selbständiges
Knorpelstück vor dem Antorbitalfortsatz und homologisiert ihn einem
schon von Peters bei Protopterus gefundenen Gebilde. K. Für-
bringer zählt auch diesen zu den neurokranialen Skelettteilen, so
daß den Dipnoern obere Lippenknorpel im Sinne der Selachier über-
haupt fehlen würden. Außen vom Unterkiefer von Lepidosiren be-
schreibt Bridge einen kleinen selbständigen Knorpel; ob dieser etwa
einem Unterlippenknorpel zu vergleichen ist, muß sich noch zeigen.
Das Palatoquadratum der Dipnoer zeigt die Amphibienähn-
lichkeit in mehreren Punkten : in der Stellung (schräg nach vorn ge-
richtet, wie bei den Urodelenlarven), in der Natur seiner Fortsätze
(Proc. basalis, Pr. oticus, Pr. ascendens) und in der festen Ver-
wachsung mit dem neuralen Cranium (autostjder Typus). Seine selb-
ständige Entstehung hat Sev^^ertzoff festgestellt, der auch den Ver-
gleich der Fortsätze durchführte. Der Basalfortsatz entspricht der
primären Anlagerung des Palatoquadratums an die Trabekel. Bridge
beschreibt bei Ceratodus sogar einen Proc. pterygoideus. Der prim-
ordiale Unterkiefer ist kräftig entwickelt und bleibt zeitlebens
knorpelig erhalten. Der Forsatzbildungen an seinem vorderen Ende
wurde schon gedacht.
Hyal bogen. Das Vorhandensein eines kleinen Hyomandi-
bulare bei Ceratodus, das Huxley zuerst erkannte, wird von Se-
WERTZOFF und K. FÜRBRiNGER bestätigt. Der übrige Hyalbogen
zerfällt in ein großes Keratohyale und ein kleines Hypohyale.
Die Hypohyalia werden durch eine kleine Copula (Basihyale,
RiDEWOOD) untereinander verbunden. Knorpelstücke, die bei allen 3
Dipnoern der Innenfläche des Operculum und des Interoperculum an-
sitzen, wurden als Radien des Zungenbeinbogen s gedeutet (Huxley,
1876; Bridge).
Branchialbogen. Die Zahl der Kiemenbogen bei den Di-
pnoern beträgt 5. Auf dem jüngsten, von Sewertzoff untersuchten
Stadium von Ceratodus waren erst 4 Kiemenbogen angelegt, der 5.
bildet sich also zuletzt aus. Die 4 vorderen bestehen je aus 2 Stücken,
einem langen ventralen Keratobranchiale und einem kleinen dorsalen
Epibranchiale. Copulae waren auf den von Sewertzoff unter-
suchten Stadien zwischen den ventralen Enden der Kiemenbogen
nicht vorhanden; beim erwachsenen Ceratodus findet sich außer der
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 687
schon erwähnten hyaleu Copula noch eine zweite zwischen dieser und
den ventralen Enden der Keratobranchialia I.
Bei Protopterus besteht vor der 1. Kiemenspalte, zwischen dieser und dem
Hyale, eine Knorpelspange, die mittelst eines fibrösen Stranges an der Schädelbasis
befestigt ist und eine halbe Kieme trägt. Nach M. Fürbrixgee, (1897) ist sie nicht
konstant; manchmal besteht sie nur als Rudiment. Früher wurde sie für den 1.
Kieraenbogen gehalten ( — dann würde Protopterus 6 Kiemeubogen besitzen — ); nach
TAN WiJHE (1902) steht sie ein Hyobranchiale dar, d. h. einen Skelettbogen,
der als selbständiger Bogen hinter dem Hyalbogen anzunehmen ist (s. p. 592). Ob
das von Huxley bei Ceratodus gefundene Knorpelstückchen wirklich das Rudiment
eines 6. Bogens ist, bleibt zu ermitteln. — Beim erwachsenen Ueratodus beschreibt
VAN WiJHE (1882) an den ersten 3 Branchialbogen auch Pharyngobranchialia.
Knochen.
Die Zahl der Knochen ist am Schädel der Dipnoer viel geringer
als an dem der Knochenganoiden und Teleostier. Das neurale Prim-
ordialcranium bleibt zum größten Teil knorpelig; nur in der Occipital-
region tritt als Ersatzknocheu das Ple ur occipitale jederseits auf,
nach K. P'ürbringer aus der Verknöcherung des vordersten Occipital-
bogens hervorgehend. (Auch der 3. Occipitalbogen verknöchert nach
K. FÜRBRiNGER bei Ceratodus, der zweite bleibt knorpelig.) Das
Palatoquadratum bleibt völlig knorpelig. Das unpaare F r o n t o -
parietale von Protopterus und Lepidosiren, das ebenfalls unpaare
Supraethmoidale, die beiden eigentümlichen, von Bridge den
Pr aefron talia der Urodelen verglichenen Knochen (Supraorbitalia
Autt., dermal ectethmoids Bridge), endlich das Scleroparietale
von Ceratodus sind Deckknochen an der Dorsalseite des neuralen
Craniums. Die Orbitalknochen von Ceratodus schließen sich ihnen
an. Das Squamosum scheint in der Hauptsache topographische
Beziehungen zum Palatoquadratum zu haben und entspricht somit
vielleicht dem Paraquadratum der Amphibien. An der Ventraltiäche
des Primordialcraniums kommen ein zahnloses Parasphenoid sowie
jederseits ein Vom er und ein Palatoptery goid zur Ausbildung.
Die beiden letztgenannten Zahnplatten sind darum von besonderem
Interesse, weil sie sehr schön die Entstehung von Zahnknochen durch
Verwachsung von Zähnen, im Sinne der von 0. Hertwig aufge-
stellten Theorie, zeigen. Das Gaumenskelett der Dipnoer verharrt
auf einer Entwickelungsstufe, die von den Urodelen in ihrer Ontogenie
rasch durchlaufen wird (0. Hertwig). Die kleine Vomer-Zahn-
platte liegt an der Ventralfläche des Ethmoidalskelettes und stützt
sich gegen das Septum nasi, das ausgedehnte Palatopterygoid
liegt mit seinem hinteren Ende dem Palatoiiuadratum an, mit seinem
medialen Rande der Trabecula, mit seinem vorderen Ende der Nasen-
kapsel. (Bei Ceratodus deutet Bridge die der Trabekel ansitzende
Knorpelleiste, der das Palatopterygoid anliegt, als Proc. pterygoideus
Palatoquadrati.) Der vordere zahntragende Teil des Knochens ist dem
Palatinum, der hintere unbezahnte dem Pterygoid zu vergleichen;
letzterer ist schon echter Skelettknochen geworden (0. Hertwig).
Nur der aus Vomer und Pterygopalatinum gebildete innere (Gaumen-)
Zahnbogen ist bei den Dipnoern vorhanden, der äußere (Kiefer-)Bogen
fehlt.
Im Unterkiefer bleibt der primordiale Unterkiefer zeit-
lebens knorpelig erhalten, eine Ossifikation entsteht in ihm nicht.
688 E. Gaupp,
Deckknochen sind : Operciilare und Angulare; bei Ceratodus be-
schreibt HuxLEY auch noch ein Dentale. Das Operculare ist eine
am inneren Umfang des Knorpels gelegene Zahnplatte. Wie am Ober-
kiefer, so besteht auch am Unterkiefer nur der innere (operculare)
Zahnbogen, der äußere fehlt. Im Bereich des Hy obranchial-
skelettes treten bei Ceratodus perichondrale Knochenscheiden auf
am Keratohyale und an der ersten Copula (Basihyale). Unter den
Knochenscheiden bleibt der Knorpel erhalten (erstes Stadium der Er-
satzknochen). Ein Opercuhim und ein In t er op er cul um (Deck-
knochen) kommen bei allen 3 Dipnoern zur Ausbildung ; interessant
ist, daß ihrer Innenfläche noch Knorpelstücke ansitzen. Es kann
daraus geschlossen werden, daß die genannten Knochen als Deck-
knochen außen von primordialen Radien des Zungenbeinbogens ent-
standen.
Urodelen.
Die Kenntnis der Schädelentwickelung bei den Urodelen ist stellen-
weise noch lückenhaft. Namentlich gilt dies für die knöchernen
Skelettteile; doch auch die Teile des Knorpelschädels sind noch nicht
alle genügend in ihrer Bedeutung erkannt. Die sichersten Angaben
liegen über den Schädel der Salamandriden vor, von dem ich
daher ausgehe.
Bei den Salamandriden wird die Schädelentwickelung durch das Larvenleben
und die darauf folgende Metamorphose sehr wesentlich beeinflußt: namentlich das
Hyobranchialskelett wird zuerst in einer provisorischen Form ausgebildet, die dann
bei der Metamorphose durch Zerstörungs- und Umbildungsprozesse in die definitive
umgewandelt werden muß. Geringer sind die Veränderungen;, die das Palato-
quadratum erleidet.
I. P r i m 0 r d i a 1 c r a n i u m.
Die ersten Skelettteile, die bei Triton cristatus, Tr. taeniatus und
Siredon pisciformis am Kopfe angelegt werden, sind die Visceral-
bogen; erst nach diesen erscheinen Skelettanlagen im Gebiete des
neuralen Craniums (Stöhr 1879). Diese Thatsache ist darum
von Interesse, weil sonst meist die Konsolidierung im Bereiche des
neuralen Craniums der im Visceralskelett vorangeht. Ich beginne in
der Schilderung trotzdem mit dem neuralen Cranium.
A. Neuraler Teil des Primordialcraniuins.
Die verschiedenen Abschnitte des neuralen Craniums bei den oben genannten
Salamandriden differenzieren sich aus dem ursprünglichen embryonalen ßildungs-
gewebe nicht zu gleicher Zeit und nicht in gleicher Weise; sie werden successive
als gegen die Umgebung begrenzte Teile sichtbar, die einen schon vor der Verknor-
pelung durch die eigentümliche Anordnung und den besonderen Charakter ihrer
zelligen Elemente, die anderen erst durch den Verknorpelungsprozeß. Von den am
frühesten auftretenden Teilen sind schon vor der Verknorpelung jederseits abgrenz-
bar: 1) der Balken, 2) die Balkenplatte (Stöhr), 3) der OccipitalteiL
Erst durch die Verknorpelung grenzen sich die Skelettteile der Labyrinth-
region deutlich gegen die Umgebung ab. Die genannten Teile sind ursprünglich
paarig vorhanden; die Balken im prächordalen, die übrigen Abschnitte im chordaleu
Schädelgebiet.
Die Differenzierung der neurokranialen Skelettteile nimmt der
Schilderung von Stöhr zufolge im prächordalen Kopfgebiet ihren
Anfang. (Auch hier besteht also ein Gegensatz gegenüber anderen
Formen, z. B. den Selachiern.) Zuerst erscheinen die Schädel-
balken, schon vor der knorpeligen Differenzierung erkennbar an der
Die Entwickelung des Kopfskelettes.
689
dichtgedrängten Lage der Zellen, die bei Triton cristatus durch rund-
liche Kerne, sehr geringes Protoplasma und fast vollkommenen Mangel
an Dotterplättchen ausgezeichnet sind. Die Form der Balkenanlage
jeder Seite ist nur vorn die einer basal gelagerten rundlichen Spange,
weiter hinten dagegen die einer hohen, aufrecht stehenden, vom N.
opticus durchsetzten Lamelle, die somit von vornherein die ganze
orbito-temporale Schädelseitenwand repräsentiert. Der über dem N.
opticus befindliche Teil der Lamelle wird gewöhnlich als Crista trabe-
culae bezeichnet. Die Balkenanlage differenziert sich von vorn nach
hinten und verknorpelt rasch (Triton crist. von 9,5 mm Länge). Kurz
nach ihr erscheint jederseits die Balken platte, als paarige zu
Form eines recht-
der Chorda), die in
3n Punkten von dem
Balken selbst unterscheidet und mit diesem auch zunächst nicht zu-
Auch die Balkenplatte verknorpelt rasch und ver-
Seiten der Chordaspitze gelegene Anlage, von der
winkligen Dreiecks (rechter Winkel vorn neben
ihrer histologischen Differenzierung sich in eini
sammenhängt
Trabec.
Crista fr ab.
Tahtoquadr.
BaLkenplatte
(Stöhr)
Chorda dors.
Fig. 347. Primordiales Neurocranium und Palatoquadratum eines 7,5 mm
langen biredon pisciformis. Von oben gesehen. Vergr. ca. 60mal. (Nach einem
Plattenmodell von Ph. Stöhr, unter Zugrundelegung der von Fr. Ziegler her-
gestellten Kopie des Originalmodelles.)
schmilzt mit dem Balken (Fig. 347). Bald erfolgt auch eine Ver-
einigung der beiderseitigen Balkenplatten vor der Chordaspitze, sowie
über oder unter der Chorda.
Bei Triton taeniatus findet die Vereinigung ventral, bei Biredon dorsal, bei
Triton cristatus ventral und dorsal statt, — doch kommen auch hierin Varianten
Handbuch der Entwickelungslehre. III. 2. 44
690 E. Gaupp,
vor. — Necturus zeigt von dem Geschilderten einige Abweichungen; die wichtigste
ist die selbständige Verknorpelung der Crista trabeculae (J. Platt). Die Angabe
von J. Platt, daß bei Necturus die vorderen Balkenhälften ektodermaler Herkunft
seien, wird von G. Buchs zurückgewiesen.
Nicht lange nach den Balkenplatten entsteht am hintersten Ab-
schnitt der Schädelchorda eine neue Knorpelanlage: der Occipital-
teil des Schädels. Er ist paarig und gleicht anfangs durchaus einem
oberen Wirbelbogen, daher Occipi talbogen (Stöhr; s. Fig. 348,
Arcus occipitalis). Der Bogen entstellt in dem die elastische
Chordascheide umgebenden Gewebe, oben und seitlich von der Chorda,
hängt bei Siredon mit dem Myocomnia zwischen dem 2. und 3. met-
otischen Myotom zusammen (Sewertzoff 1895) und verbreitert sich
dann an seiner Basis, so daß diese, die der Chorda anliegt, alsOcci-
pitalplatte dem dünneren aufsteigenden Bogenabschnitt (Occi-
pital pfeiler) gegenübergestellt werden kann. Zu einer Vereinigung
der beiderseitigen Öccipitalplatten kommt es vorerst nicht. Endlich
entsteht zu derselben Zeit selbständig die Ohrkapsel, zuerst als
isolierter Knorpelherd am lateralen Umfang des lateralen Bogen-
gauges auftretend (Fig. 348).
So besteht nun der Schädel jederseits aus drei getrennten Teilen:
dem Balken mit der Balkenplatte (die beiderseitigen Balkenplatten
pflegen allerdings frühzeitig vor der Chordaspitze untereinander zu
verschmelzen), dem Occipitalbogen und der Ohrkapselanlage. Die
etwa parallel zueinander gelagerten Balken treiben au ihren vorderen
Enden laterale flache Verbreiterungen, die sich unter die Nasensäcke
herunterschieben und so die erste Andeutung eines Bodens der Nasen-
kapseln bilden. Sie werden meistens schon als Trab ekelhörn er be-
zeichnet, obwohl sie nur Teile der Trabekelabschnitte sind, die im
Arcoccip
_ ... -„«™„™_ Chorda dors
Cornulrabei
Caps aadit
hoc otic
^PalatoqUadr
Parsartical
Fig. 348. Primordiales Neurocranium und Palatoquadratum eines 9 mm langen
Siredon pisciformis. Von links und etwas von 'oben (-gesehen. Vergr. ca. 35mal.
Wie Fig. 347, nach Stöhb.
Anschluß an Rathke mit jenem Namen belegt werden dürfen (s. später).
Mit der orbito-temporaleu Schädelseitenwand , vor der Ohrkapsel,
setzt sich das Palatoquadratum durch den Proc. ascendeus in Ver-
bindung. Diesen Zustand des Schädels zeigt Fig. 348. Das Verhalten
der Nerven kommt später zur Sprache.
Bei sehr jungen Embryonen von Siredon pisciformis konstatierte Sewertzoff(1895)
die Ausdehnung der Reihe der Somite bis zur Gehörblase. Die beiden vordersten gehören
dem Kopfgebiet an, auf der Grenze zwischen den Myotomen des 2. und 3. entsteht der
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 691
Occipitalbogen, mit dessen Perichondrium sich das Myocomma zwischen den beiden
genannten Myotomen verbindet. Das 1. Myotom verschwindet völlig, vom 2. bleiben
Keste während des ganzen Lebens bestehen ; zu diesen beiden Myotomen wurden
Nerven nicht nachgewiesen. Bei Necturus findet J. B. Platt nicht 2, sondern 3
Kopfmyotome; der Occipitalbogen steht mit dem Myocomma zwischen dem 3. und
4. metotischen Myotom in Verbindung. Da die kaudale Grenze des Urodelen-
echädels doch wohl überall die gleiche ist, so ist das dahin zu deuten, daß bei
Siredon das vorderste Myotom von Necturus nicht mehr zur Differenzierung gelangt.
Auf Grund der Lagerung zwischen 2 Myotomen halten Sewertzoff und J. ß. Platt
den Occipitalbogen der Urodelen thatsächlich nur für homodynam einem einzigen
Wirbelbogen. Und zwar vergleicht ihn Sewertzoff dem 1. Skelettsegment der
Occipitalregion bei Acanthias. Dann wäre die Occipitalregion der Selachier um
mehrere vertebrale Skelettelemente länger als die der Urodelen ; die ersten freien
Wirbel der letzteren wären innerhalb der Occipitalregion der Selachier zu suchen.
Gegen diesen an sich schon unwahrscheinlichen Schluß, der dem Schädel der Am-
phibien eine viel primitivere Stellung zuweist als dem der Selachier, wendet sich
FÜRBRINGER unter Vertretung des Standpunktes, daß die Occipitalregion der Urodelen
(und Amphibien überhaupt) einem Multiplum von spinalen Skelettsegmenten ent-
spreche, die nur infolge weit vorgeschrittener Verkümmerung nicht mehr alle onto-
genetisch zur Anlage kommen. Zu Gunsten dieser Auffassung spricht das Vor-
handensein eines die Occipitalregion durchsetzenden Nerven, der zuerst von FÜR-
BRINGER bei Cryptobranchus, neuerdings (1901, 1904) von Drüner auch bei Larven
von Triton und Salamandra sowie bei Menopoma gefunden wurde. Er ist als
occip italer Nerv (s) im Sinne Fürbringer's zu bezeichnen und beweist, daß die
Occipitalregion der Amphibien, wie immer wirbelähnlich sie sei, doch nicht einem
einfachen Wirbel entspricht, sondern ein Compositum darstellt. Eine Vereinigung
dieser Anschauung mit der Thatsache der Entstehung des Occipitalbogens zwischen
2 Myotomen ist durch die Annahme möglich, daß zwar der schlanke aufsteigende
Occipitalpf eiler nur einem Wirbelbogen entspricht, daß aber der basale Abschnitt
der Occipitalregion (die Occipitalplatte Stöhr's), der sich längs der Chorda nach vorn
hinzieht, noch Material von anderen reduzierten Wirbelbogen enthält (Gaupp, 1898).
Analoge Verhältnisse zeigen sich bei den Säugern. Jedenfalls ist es bei Berücksich-
tigung aller Verhältnisse am wahrscheinlichsten, daß die Ausdehnung des Amphibien-
craniums die gleiche ist wie die des Selachiercraniums, daß also auch die Occipital-
region des Amphibiencraniums ein protometameres Neocranium im Sinne
Fürbringer's repräsentiert, das starke Reduktionen erlitten hat. Der einzige bisher
aufgefundene occipitale Nerv würde mit z zu bezeichnen sein.
Die weitere Vervollständigung des Schädels ist für die einzelnen
Abschnitte gesondert zu betrachten.
Basal platte, Occipitalregion. Die Balkenplatte und die
Occipitalplatte, die anfangs weit voneinander getrennt sind (Fig. o4<S),
wachsen sich in der Folge einander entgegen und vereinigen sich zur
Seite der Chorda. So bilden sie den Achsen teil der Basalplatte
(Stöhr), der vorn (Balkenplatte) und hinten (Occipitalplatte) breit,
im Gebiet des Ohrbläschens dagegen sehr schmal, im ganzen also
sanduhrförmig gestaltet ist. Seinem lateralen Rande schließt sich das
mesotische Gewebe (Stöhr) an, das lateralwärts in das peri-
0 tische Gewebe, d, h, die Umhüllung der Ohrkapsel, übergeht. Der
aus seiner Verknorpelung alsbald hervorgehende Knorpel (m eso-
tisch er Knorpel, Stöhr) verbreitert die Basalplatte, indem er sich
an den schmalen Achsenteil derselben anfügt; zugleich bildet er, sich
seitwärts erstreckend, den Boden der Ohrkapsel und verbindet sich
mit den selbständig entstandenen Teilen der letzteren. So entsteht
schließlich eine durch den ganzen chordalen Schädelabschnitt sich er-
streckende breite Basalplatte, die von der Chorda dorsalis durch-
setzt wird, und die jederseits in l^ger Linie in die Ohrkapsel
übergeht.
Dem Gesagten zufolge setzt sich die ßasalplatte auf jeder Seite genetisch aus
3 Abschnitten zusammen: der Balkenplatte (vorn), der Occipitalplatte (hinten) und
dem mesotischen Knorpel (in der Mitte). Letzterer reicht aber nicht bis an die
44*
692 E. Gaupp,
Chorda selbst, sondern wird von dieser getrennt durch den schon vorher verknorpeki-
den parachordalen Streifen, der die Balkenplatte mit der Occipitalplatte verbindet.
Bei Necturus ist eine solche Dreiteilung der Basalplatte nicht erkennbar;
hier erfolgt die Verknorpelung der zuerst vorknorpelig angelegten Platte nur von den
Balkenwurzeln (vorn) und der Occipitalgegend (hinten) aus. Die Platte besitzt im
Vorknorpelstadium eine größere Ausdehnung als später: die medial- vorderen, neben
der Chordaspitze gelegenen Teile der Vorknorpelplatte verschwinden später wieder,
so daß die Chorda frei bis zur Hypophysis verläuft (J. Platt).
Atlanto-occipitalverbin düngen. Von den drei Atlanto-occipital Verbin-
dungen bilden sich die beiden lateralen Gelenke unter Beteiügung des Occipito-
vertebralgewebes (Intervertebro-occipitalgewebe, Stöhr), d. h. des Gewebes, das anfangs
zwischen dem Bogen des 1. Rumpfwirbels und dem hinteren Rande der Basalplatte
jederseits gelegen ist. Der vordere Teil dieses Gewebes schließt sich der Basalplatte
an und bildet, jederseits verknorpelnd, einen Condylus occipitalis, der hintere
Teil fügt sich an die Basis des 1. Wirbelbogens und bildet die Pfanne. Die beiden
lateralen Gelenke entsprechen nach Peter (1894) Bogengelenken der Wirbelsäule. —
Komi^lizierter sind die Vorgänge bei der Bildung der medianen Verbindung, die beim
erwachsenen Tier durch einen Fortsatz des 1. Wirbels, das Tuberculum inter-
glenoidale (Processus odontoideus aut.) hergestellt wird. Es erfolgt
nämlich eine Loslösung der beiden Basalplattenhälften von den Seiten des hintersten
Teiles der Schädelchorda, und statt dessen tritt eine neue Vereinigung der beiden
Plattenhälften ventral von der Chorda ein. Sie mag als hypochordale
Kommissur bezeichnet werden. Bei der nun innerhalb des 1. Wirbels erfolgenden
Verknorpelung der Chorda setzt sich der Verknorpelungsprozeß in das hintere aus
der Basalplatte herausgeschälte Stück der Schädelchorda fort, das so die erste
Grundlage des Tuberculum interglenoidale bildet. Später verschwindet aber dieser
Teil der Chorda wieder spurlos: das definitive Tuberculum bildet sich nur um sie
herum aus dem die Chordascheide umgebenden Gewebe. Anfangs knorpelig, ver-
knöchert es später, und vom Knorpel bleibt nur ein Rest als Gelenküberzug vor-
handen. Der Fortsatz bewegt sich in einer Rinne der Basaijilatte, auf der hypo-
chordalen Kommissur zwischen beiden Occipi talplatten, die auch beim erwachsenen
Tier als mediane Synchondrose zwischen beiden Pleuroccipitalia erhalten bleibt.
Bänder an der Spitze und an den Seiten befestigen den Fortsatz an der Basis des
Schädels.
Schicksal der Chorda dorsalis und der Basali)latte. Das weitere
Schicksal der Chorda dorsalis innerhalb des Schädels gestaltet sich bei Triton taeni-
atus (nach eigenen Untersuchungen) folgendermaßen. ■ Ein vorderes, nicht sehr großes
Stück der Chorda wird, wie erwähnt, dorsal von Knorpel bedeckt, indem die beiden
Basalplattenhälften sich über ihm vereinigen (bei anderen Urodelen erfolgt diese Ver-
einigung ventral von der Chorda, s. o.); der hinterste Abschnitt wird aus der
Basalplatte in schon geschilderter Weise herausgeschält und zur Grundlage des
Tuberculum interglenoidale; der mittlere, längste Abschnitt bleibt dorsal wie ventral
unbedeckt von Knorpel. Im Laufe der weiteren Entwickelung geht schließlich die
ganze Schädelchorda spurlos zu Grunde. Doch macht sie vorher noch einige er-
wähnenswerte Veränderungen durch. Ihr vorderster Abschnitt verknorpelt selb-
ständig. Man findet also ein Stadium (Triton taeuiatus von 2 cm Länge), auf dem
das vorderste Chordastück einen Knorpelstab darstellt, der zwischen den beiden
knorpeligen Basalplattenhälften, bei Triton taeniatus ventralwärts verschoben, gelagert
ist. Ganz vorn nimmt der Knorpel in der That den ganzen Chordaquerschnitt ein,
weiter hinten beschränkt er sich auf die ventrale Hälfte des Querschnittes. Der
mittlere Teil der Schädelchorda verknorj^elt nie. Uebrigeus kommen auch betreffs
des vorderen Endes Abweichungen von dem eben Geschilderten vor.
Auch die knor^ielige Basalplatte geht bei Triton taeniatus in größter Aus-
dehnung zu Grunde. Dies geschieht in der Weise, daß zunächst die jederseits an
die Chorda anstoßenden mittleren Partieen beider Basalplattenhälften zerstört werden.
So entsteht zunächst eine große Fenestra basi-cranialis posterior im chor-
dalen Schädelgebiet, die von der Chorda dorsalis durchsetzt wird. Vorn wird sie
durch eine hinter der Hypophyse stehen bleibende quere Knorpelspange (Crista retro-
sellaris), in der das vorderste verknorpelte Chordaende steckt, von der zwischen den
Balken gelagerten vorderen basi-kranialen Fontanelle getrennt, hinten erhält sie einen
Abschluß durch die hypochordale Kommissur der Occipi talregion, lateralwärts dehnt
sie sich bis nahe an die Ohrkapsel aus.' Durch Schwund der Crista mit der eingeschlos-
senen Chorda (bei Triton cristatus bleibt nach Stöhr ein Rest der Crista auch beim
Erwachsenen knorpelig) fließen die vordere und die hintere basi-kraniale P^ontanelle
zu einer großen rechteckigen Lücke, Fenestra basi-cranialis communis zu-
sammen, die hinten durch die hypochordale Kommissur, vorn erst durch die Inter-
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 693
nasalplatte (s. Orbito-teniporalregion) begrenzt wird, und in deren hinterem Teil die
Chorda zu Grunde geht. ISie wird durch das Parasphenoid geschlossen und bleibt
beim erwachsenen Tier bestehen; ebenso bleibt bei diesem ein Rest der hypochor-
dalen Kommissur knorpelig zwischen beiden Pleuroccipitalia am ventralen Umfang
des For. occipitale magnum erhalten.
Ohrkapsel. Die erste zur Bildung der Ohrkapsel führende
Verknorpelung beginnt am lateralen Umfang des lateralen Bogenganges ;
wo zunächst ein kleines ovales Knorpelplättcheu entsteht (Fig. 348).
Bei Triton taeniatus finde ich außerdem noch ein besonderes Knorpel-
zentrum am dorsalen Umfang des vorderen Bogenganges. Von diesen
beiden Zentren aus erfolgt die knorpelige Umschließung des Labyrinthes
an seinem lateralen, dorsalen, vorderen und hinteren Umfang. Die
mediale Wand bleibt längere Zeit unverknorpelt ; nur von vorn und
hinten her setzt sich die Knorpelbildung etwas auf sie fort, während
in der Hauptsache eine größere mediale Lücke bestehen bleibt. Die
Bildung des Bodens der Kapsel erfolgt von dem mesotischen Knorpel
aus, der sich lateralwärts ausbreitet und mit dem vom lateralen Um-
fang her kommenden periotischen Knorpel verschmilzt. Zwischen
beiden Knorpelarten besteht anfangs auch am Boden eine große, nur
häutig geschlossene Lücke, die primäre Fenestra vestibuli,
die mit fortschreitender Knorpelbildung immer mehr eingeengt wird
zu der definitiven Fenestra vestibuli, in der sich später das
Operculum bildet. Der Uebergang des Bodens in die hintere Kuppel
erfolgt vor dem Glossopharyngeus und Vagus, der in die vordere
Kuppel vor dem P'acialis. Letzterer wird also bei Triton in die Ohr-
kapsel eingeschlossen; er betritt sie anfangs durch die große Lücke
der medialen Wand und verläßt sie wieder durch zwei Foramina, die
an ihrem Boden vor der Fenestra vestibuli ausgespart bleiben.
Bei Necturus liegen die Dinge etwas anders : hier verbindet sich die vordere
Kujjpel der Ohrkapsel nach ihrer Verknorpelung dicht hinter dem Abgang des N.
hyomandibularis vom iacialisganglion mit der Basalplatte, und der Facialis bleibt
so außerhalb der Kapsel. Später entsteht noch eine neue Verbindung der Kapsel
und der Basalplatte vor dem Facialis, zwischen ihm und dem Trigeminus (präfaciale
basicapsuläre Kommissur) , so daß dann der Facialis unterhalb der vorderen Ohr-
kapselkuppel durch einen kurzen Kanal aus der Schädelhöhle heraustritt. Die
hintere basicapsuläre Kommissur findet sich, wie bei Triton, vor dem Glossopharyngeus
und Vagus (j. B. Fi.att).
Die große Lücke der medialen Wand, die anfangs bestehen bleibt,
wird hauptsächlich durch Herab wachsen des periotischen Knorpels
vom dorsalen Kapselrande aus, zum Teil aber auch durch Empor-
wachsen des mesotischen Knorpels in mehrere Oetfnungen zerlegt: für
den Ductus endolymphaticus (For. en doly mphaticum),
den N. facialis (For. faciale), den N. acusticus (For. acu-
sticum; bei manchen Formen sind mehrere vorhanden) und den
Ductus perilymphaticus (For. perilymphaticu m). Die Bil-
dung des Operculums in der definitiven Fen. vestibuli kommt später
zur Sprache ; von den beiden Austrittsöffnungen des Facialis am Boden
der Ohrkapsel dient die mediale dem N. palatinus, die laterale dem Stamm
des Hyomandibularis. Vor diesen Oelfnungen verschmilzt der Proc.
basalis Palatoquadrati mit dem Ohrkapselboden. Im Innern der Ohr-
kapsel bilden sich knorpelige Leisten (S e p t a s e m i c i r c u 1 a r i a), durch
welche die für die Bogengänge bestimmten Räume von dem gemein-
samen Hauptraum der Ohrkapsel wenigstens auf einer Strecke ihres
Verlaufes abgetrennt werden.
Bei 2 cm langen Larven von Triton taeniatus finde ich nur ein Sej^tum semic.
anterius und ein Septum laterale, dagegen kein Septum posterius. Ebenso fehlt bei
694
E. Gaupp,
einem 82 mm langen Siredon pisciformis das Septum post., während die beiden anderen
vorhanden sind. Dem letzteren Befund entspricht die iSchilderung des ausgebildeten
Zustandes durch Hasse (1873). Bei einem viel jüngeren Siredon war ein hinteres
Septum, wenn auch schwach entwickelt, vorhanden. Der Innenraum der Ohrkapsel
wird also in ein Cavum vestibuläre commune und mindestens zwei Cava semicircu-
laria zerlegt. Weitere Untersuchungen sind abzuwarten.
Cav. internasale
dahinter : Fen. praecerebralis
Fen. olfactoria
Proc. antorbit -M~
For. proot. ^^^
Chorda dors.
Gart. Meckel.
N. opticus
Proc. asc.
Proc. otic.
P.-Q.
Caps, audit.
Tect. synotic. Cond. occip.
Fig. 349. Primordiales Neurocranium und Kieferbogen einer 2 cm langen
Larve von Triton taeniatus. Nach einem eigenen Original-Plattenmodell (bisher
nicht veröffentlicht). Das Modell ist bei öOfacher Vergrößerung hergestellt, die Ab-
bildung auf die Hälfte verkleinert, giebt somit die wirklichen Verhältnisse in 25-
facher Vergrößerung wieder. (Die Lücke in der Basalplatte neben der Chorda dor-
salis zeigt den beginnenden Verfall der Basalplatte an.)
Durch die Verbindung der vorderen Ohrkapselkuppel mit der
oberen Hälfte des Hinterrandes der orbito-temporalen Schädelseiten-
wand wird das Ganglion trigeniini in ein Foramen (For amen pro-
oticum) eingeschlossen, durch das (außer dem Trigeminus) auch der
N. abducens hindurchtritt. In ähnlicher Weise verschmilzt hinten
das obere Ende des Occipitalpfeilers mit der hinteren Ohrkapselkuppel,
wodurch ein allseitig knorpelig umrandetes Foramen für die Vagus-
gruppe (Foramen metoticum oder For amen jugulare) for-
miert wird. Schließlich erfolgt noch eine Verknorpelung des Gewebes,
das zwischen den hinteren Dritteln beider Ohrkapseln an der Decke
der Schädelhöhle gelagert ist. So entsteht hier ein beide Ohrkapseln
verbindendes, in longitudinaler Richtung schmales, knorpeliges Schädel-
dach, Tee tum synoticum.
Bei Necturus verknorpelt dasselbe von zwei selbständigen Centren aus; J. Platt
rechnet es hier zu den Occipital bogen und nennt es nach meinem Vorschlag Tee tum
Die Entwickelung des Kopfskelettes.
695
interoccipi tale. Ich halte die Zugehörigkeil zu dem Occipitalbogen nicht für
erwiesen.
Verhalten des Facialis. Von Interesse und Bedeutung ist das Ver-
halten des N. facialis der Urodelen zur Ohrkapsel, auf das ich (1893) aufmerksam
machte. Bei manchen Urodelen (Siredon, Necturus, Amphiuma) tritt der Facialis
durch einen besonderen kurzen Kanal des Knorpelschädels aus dem Cavum cranii
heraus. Dieser Kanal erhält sein Dach von dem ventralen Umfang des vorderen
Teiles der Ohrkapsel, seinen Boden von einer lateralen Verbreiterung der Basalplatte,
Cac. internas.
, Solum nas.\
' Plan, internas.
- Proc. antorb.
For. 'prooticum
Proc. ascend. P.-Q.
P.-Q.
Palatoquadr. —
I Proc. basal
I Proc. otic.-'"
N.
VII
{For.
{For.
N. hyomd. '
iV!, palat. y
Caps, audit.
For. jugul.
Cond. occip. Fen. vestib.
Fig. 350. Dasselbe Modell wie Fig. 349 ; in Ventralansicht, ohne den Meckel-
schen Knorpel.
seinen Vorderrand durch eine Verbindung der Basalplatte mit der Vorderen Ohr-
kapselkuppel (der präfacialen Commissur). Bei anderen Formen (Triton, Salamandra)
kommt das Dach dieses Facialiskanales nicht zur Verknorpelung, und so zieht der
Nerv durch den Eaum der knorpeligen Ohrkapsel hindurch. Ich habe seiner Zeit
den Zustand, wie ihn Siredon, Necturus, Amphiuma zeigen (geschlossener Facialis-
kanal) als den ursprünglicheren aufgefaßt, von dem der bei Triton und Salamandra
als durch Schwund der Knorj^eldecke des Kanals entstanden abzuleiten ist. Die
allgemeine Stellung der in Betracht kommenden Formen zueinander spricht dafür,
außerdem der Umstand, daß bei Triton später der Facialiskanal noch eine knöcherne
Decke gegen den Ohrkapselraum hin erhält: es erscheint somit nur die provisorische
Verknorpelung dieser Decke unterdrückt. Andererseits ist daran zu erinnern, daß
auch bei Petromyzon der Facialis durch die Ohrkapsel verläuft, und daß dies doch
vielleicht ein primitiveres, aus der Zusammengehörigkeit des Fascialis und Acusticus
ableitbares, Verhalten darstellt. Doch glaube ich nicht, daß auch der Zustand der
Triton- und Salamanderlarve in gleichem Sinne als primitiv zu betrachten ist. Wie
dem auch sei, jedenfalls ist die larvale Ohrkapsel von Triton nicht ganz gleichwertig
der Ohrkapsel etwa von Necturus: mit der ersteren ist ein Facialiskanal vereinigt,
der von der letzteren abgetrennt ist.
Columella auris. Bei den Urodelen findet sich zum ersten
Male in der Wirbeltierreihe eine F e n e s t r a v e s t i b u 1 i in der lateral-
696 E. Gaupp,
veutralen Ohrkapselwand und eine Columella auris (s. p. 583).
Letztere wird repräsentiert durch eine knorpelige oder knöcherne Platte
(Operculum), die die Fenestra vestibuH verschließt, und der sich
noch ein kleiner Stiel (Stilusj, kontinuierlich mit der Platte ver-
bunden, anfügen kann.
Wie Stöhr zuerst betont hat und seitdem allgemein anerkannt ist,
bleibt bei der Verknorpelung der Ohrkapsel von vornherein am lateral-
ventralen Umfang derselben eine anfangs weite, später sich mehr ver-
engende Lücke, die nur von einem zellig-faserigen Gewebe, dem
Opercular ge webe, verschlossen wird. Die Lücke ist die oben
erwähnte P^enestra vestibuli; ihre ventral-mediale Begrenzung
kommt durch den lateralen Rand des mesotischen Knorpels zu stände.
Erst wesentlich später bildet sich außen auf dem Verschlußgewebe
das knorpelige Operculum. Es steht nach Stöhr bei Triton (T. crist.
und taen.) anfangs in knorpeliger Verbindung mit dem vorderen Rand
der Fenestra, wächst gewissermaßen als Fortsatz desselben nach
hinten und schnürt sich dann ab. Bei Siredon ist nach Stöhr das
gleiche der Fall, während Witebsky hier den knorpeligen Zusammen-
hang mit dem Fensterrande leugnet; bei Necturus ist die Verknorpe-
lung des Operculum selbständig (J. Platt). Bei Triton entwickelt
sich nur das Operculum ; bei anderen Urodelen bildet sich im Anschluß
an letzteres noch ein Stilus operculi aus, der in verschiedener
Weise mit dem Suspensorialapparat des Unterkiefers verbunden ist.
Bei Siredon (Witebsky), Desmognathus fusca und Spelerpes biline-
atus (Kingsbury) entsteht derselbe so, daß embryonal im Anschluß
an das 0]jerculum ein Zellstrang auftritt, der sich nach vorn bis an
das Paraquadratum (Spelerpes) oder bis zum Palatoquadratum (Siredon)
oder bis zu beiden (Desmognathus) ausdehnt und eine Strecke weit
vom Operculum aus verknorpelt. Sein vorderer Teil wird zu einem
Bande, Lig. su spenso rio-coluniellare. Bei Desmognathus er-
scheint die Verknorpelung des Stieles mehr selbständig. — Bei Siredon
wird in späteren Stadien auch eine Verbindung des Stieles mit dem
oberen Ende des Hyalbogens durch dichtes Gewebe erkennbar.
Ein ursprünglicher genetischer Zusammenhang des Opercu-
lums oder seines Stieles mit dem Hyalbogen ist bisher bei keiner
Urodele und von keinem Untersucher beobachtet worden.
Die zwischen der Columella und dem Suspensorialapparat des Unterkiefers sich
ausbildende Verbindung kann sehr verschiedene Formen zeigen. Mehrfach schließt
sich an das Operculum oder den Stiel desselben ein Ligament an, das mit seinem
vorderen Ende an dem Os paraquadratum oder an dem Quadratum selbst oder an
beiden befestigt ist. Bei Necturus geht dieses Lig. suspensorio-columellare anfangs
direkt aus dem Operculum hervor, verknöchert aber dann im Anschluß au das letztere
eine Strecke weit; nur der Rest bleibt als Band erhalten und geht in das Os para-
quadratum über. Bei Amphiuma legt sich der knorpelige Stiel des Operculums
selbst mit seinem vorderen Ende an einen Fortsatz (Proc. columellaris) an, der vom
Hinterraude des Palatoquadratums nach hinten vorspringt. Weitere Formen siehe
bei WiEDERSHEiM (1877). Die Vergleichbarkeit der verscliiedenen suspensorio-colu-
mellaren Brücken stößt auf Schwierigkeit besonders wegen des Verhaltens zu dem
hinteren Hauptast des N. facialis. Die oft citierte Angabe von Wiedershp:im, daß
der Nerv bei allen Urodelen ohne Ausnahme über diese Brücke hinweglaufe, ist
irrig; vielmehr scheint der Verlauf der Nerven ventral von der fraglichen Brücke
das häufigere zu sein. Letzteres findet sich bei Amphiuma (Hay 1890, auf Grund
eines von Prof. Norris hergestellten Modelies kann ich diese Angabe bestätigen),
Siredon (Hasse 1873, Parker 1877) und zahlreichen auderen Urodelen (Proteus,
Desmognathus fusca, Spelerpes bilineatus (nach soeben veröffentlichten Untersuch-
ungen von Kingsbury); der Verlauf des R. jugularis facialis über die erwähnte
Verbindung findet sich bei Necturus (Hüxley) und Proteus (DRtJNER, Kixgsbury).
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 697
Es sind somit wohl 2 verschiedene suspensorio-coiumellare Brücken auseinander zu
halten, eine über und eine unter dem Faciahs (Gaupp 1899).
Zur Litteratur und Auffassung des Operculum. Das Operculum
der Urodelen ist von den meisten Autoi'en, die sich mit ihm beschäftigt haben, für
einen losgelösten Teil der Ohrkapsel gehalten worden. So faßte es Huschke (1824)
beim Salamander auf, Reichert (1838) bei Triton. Eingehender hat Semmer (1872)
seine Genese untersuchen wollen, doch ist derselbe in einen ähnlichen Irrtum ver-
fallen wie vor ihm (1831) Windischman : er hat eine nicht verknöchernde Knorpel-
partie des Ohrkapselbodens zwischen Prooticum und Pleuroccipitale für das Oper-
culum genommen. Somit sind Wiedersheim und Parker (1877) die ersten,
die wirklich die Bildung des Operculum bei den Urodelen verfolgt haben. Wieders-
heim legt besonders Wert darauf, daß es ihm in keinem Entwickelungsstadium von
Triton alpestris und Amblystoma gelungen ist, Beziehungen zwischen dem oberen
Ende des Hyalbogens und der Labyrinthwand nachzuweisen, und schildert dann die
Entstehung des Operculums so, daß letzteres durch eine cirkuläre Verdünnung der
bereits allseitig geschlossenen knorpeligen Ohrkapselwandung sekundär wieder heraus-
geschnürt werde — ,,ein deutlicher Beweis, daß das Operculum der Urodelen onto-
genelisch nicht vom Kiemenapparat, sondern von der Gehörkapsel selbst herzuleiten
ist". Trotzdem hält Wiedersheim die Columeüa phylogenetisch für ein Differen-
zierungsprodukt des Hyalbogens. Nach Parker bildet sich erst die Fenestra vesti-
buli als eine Spalte in der bereits geschlossenen knorpeligen Labyrinthwand, und
dann erst wächst aus dem inneren Rande dieser Spalte wie ein Deckel das Operculum
hervor, bleibt zunächst in knorpeliger Verbindung mit dem medialen l'^ensterrand
und schnürt sich dann erst ab. Zu einer gründlichen Bearbeitung kam die Frage
erst durch Stöhr (1879), dessen Darstellung ich oben im wesentlichen gefolgt bin.
Auch Stöhr betont, daß das Operculum als ein Teil der knorpeligen Ohrkapsel
entsteht, aber genetisch in keiner Beziehung steht zu dem Hyalbogen. Sachlich zu
dem gleichen Resultat kommt auch Witebsky (bei Siredon); doch lautet Witebsky's
Schlußfolgerung gerade entgegengesetzt, nämlich dahin, daß das Operculum samt
seinem Stiel sich vom Visceralskelett und zwar vom oberen Abschnitt des Zungen-
beinbogens herleite. Die hyale Natur der Ohrcolumella der Urodelen wird auch von
J. B. Platt wenigstens als wahrscheinlich hingestellt (s. auch p. 605 u. ff).
Orbito-temporalregion. Im Bereiche der Orbito-temporal-
region kommt das Chondrocrauium der Urodelen nur zu geringer
Entwickelung: der Zustand, den Fig. 349 zeigt, erfährt keine nennens-
werte Weiterbildung. Ein knorpeliger Boden bildet sich in der Or-
bito-temporalregion selbst nicht aus; hier bleibt die große Fenestra
basicranialis anterior bestehen, die hinten durch die Basal-
platte, vorn durch die der Ethmoidalregion angehörige Internasalplatte
begrenzt wird (Fig 349). Sie fließt sjjäter mit der Fen. bcr. posterior
zusammen (s. o.). Da auch ein Dach nicht zur Ausbildung kommt,
so repräsentieren nur die beiden Seitenwände des Cavum cranii das
Primordialskelett in der Orbito-temporalregion. Vor der Ohrkapsel
verschmilzt der Proc. ascendens PalatO(iuadrati mit dem oberen Teil
der Seitenwand.
Beide Seitenwände ziehen, wie vorher, etwa parallel von hinten nach vorn, das
Cavum cerebrale cranii besitzt also in der ganzen Orbito-temporalregion bis nach
vorn die gleiche Weite: das Cranium ist platybasisch. — Die Seiten wand wird
von 2 Foramina durchsetzt, dem vorderen For. opticum (für den Opticus und
ein Gefäß), und dem hinteren For. oculomotorium (für den Oculomotorius und
ebenfalls ein Gefäß). Der N. trochlearis zieht über die dorsale Kante der Wand
nach außen; der gesamte Trigem in us nebst dem Abducens passiert durch das
For. prooticum.
Ethmoidalregion. Mannigfache Verschiedenheiten bietet die
Ausbildung des Ethmoidalskelettes bei den Urodelen, und gerade hier
ist unsere Kenntnis der Onto- und Phylogenese noch recht mangelhaft.
Die sichersten Angaben bezüglich der Ontogenese lassen sich auch
hier für Triton machen ; ich halte mich dabei au Born und an eigene
Untersuchungen.
Die Geruchssäcke liegen bei den Salamandriden anfangs neben dem vorderen
Ende des Gehirnes, also sehr stark seitlich. Noch bei 17 mm langen Larven von
698 E. Gaupp,
Trit. taen. geht ein Querschnitt, der den Vorderrand der Choane schneidet, etwa durch
das vordere Ende des Lobus olfactorius. Später findet eine Verschiebung in der
Weise statt, daß der Hinterrand der Choane ungefähr mit dem Vorderrand der Lobi
olfactorii zusammenfällt. Die laterale Lage der Nasen sacke bleibt aber erhalten; zu
jeder Zeit werden (bei Triton und den meisten Salamandriden) die Innenwände der-
selben durch einen In ternasalraum getrennt. In diesen erstreckt sich dem Ge-
sagten zufolge das Gehirn anfangs hinein, später zieht es sich daraus zurück.
Die beiden Trabekel , die anfangs in ganzer Ausdehnung weit
voneinander getrennt sind, setzen sich im Verlaufe der weiteren Ent-
wickelung vorn durch eine In t er nasalplatte in Verbindung, die
selbständig verknorpelt. Erst hierdurch werden die vordersten Ab-
schnitte der Trabekel als Trabekelhör n er (Cornua trabecularum)
abgegrenzt. Ein jedes Trabekelhorn liegt am medial-ventralen Umfang
des Nasensackes seiner Seite (auf der Grenze gegen den Internasal-
raum) und trägt vorn die schon vorher aufgetretene und auch meist
schon als Trabekelhorn bezeichnete basale Platte, die lateralwärts unter
den Nasensack sich vorschiebt. Am lateralen Umfang jeder Trabekel
entsteht auf der Grenze zwischen Orbito-temporal- und Ethmoidalregion
(bei Triton taen. von ca. 16 mm Länge) der Proc. antorbitalis, der
die Choane von hinten her begrenzt (Fig. 349, 350, 354). Im Anschluß
an dieses erste primitive Gerüst erfolgt dann die weitere Umschließ-
ung eines jeden Nasensackes, indem das perirhinische Spindelzellen-
gewebe sich in Knorpel umwandelt. Im Anschluß an das Trabekelhorn
entsteht bei Triton eine vollständige Innenwand für einen jeden Nasen-
sack ; es bilden sich ferner ein vorderer kuppeiförmiger Abschluß
(Cartilago cupularis), verschiedene Spangen am Boden und an der
Seite und ausgedehntere Knorpelpartieen an der Decke und am hinteren
Umfang. Der Internasalraum wird hinten auf eine kurze Strecke
knorpelig überbrückt, doch kommt es bei Triton nicht zu einem Ab-
schluß gegen das Cavum cranii. Das vorderste Ende des Trabekel-
hornes, das sich schon frühzeitig gegen das Os praem axillare stützt,
springt später als besonderer Fortsatz vor : Cartilago praenasalis
inferior lateralis.
Die Fig. 349 und 350 lassen einiges aus dem Gange der Verknorpelung ge-
nauer erkennen. Jedes Trabekelhorn h^t sich zu einer noch wenig ausgedehnten
Innenwand der Nasenhöhle erhoben; der obere Eand dieser Innenwand ist durch
eine Knorpelbrücke mit dem oberen llande der orbitalen Schädelseitenwand ver-
bunden. So wird die große Fenestra olfactoria begrenzt, deren Ebene vertikal
steht und nach vorn außen blickt. Entsprechend dem hinteren Umfange des For-
amens beginnt die Deckenbildung über dem hintersten Teile des Nasensackes, wäh-
rend entsprechend dem vorderen Umfang des Foramens sich die dorsale Knorpel-
brücke zwischen den Innenwänden beider Nasenkapseln gebildet hat, unter der die
Fenestra praecerebralis aus dem Cavum cranii in das Cavum int ernasale
führt. —
Ueber die Konfiguration der Nasenkapsel von Triton taeniatus nach der Me-
tamorphose orientieren die Fig. Söl — 353. Die Fenestra olfactoria ist nach
wie vor sehr groß, ihre Ebene steht vertikal und fast sagittal ; davor findet sich
eine ausgedehnte Innenwand, die vorn in die vordere Kuppel übergeht. Diese wird
an der Basis durch ein großes Foramen apicale durchbrochen, durch das der
N. medialis nasi (N. V) heraustritt. Unter ihm springt die Cart. praenasalis
inferior lateralis vor. Hinten besteht eine kontinuierliche Hinterwand (Pla-
num antorbitale), die hauptsächlich durch Herabwachsen der Decke entstanden
ist (vergl. Fig. 349 u. 354); das Foramen orbito-nasale mediale, durch das
der N. medialis nasi, der Hauptast des N. ethmoidalis, aus der Orbita in die
Nasenkapsel tritt, bezeichnet die obere Grenze des ursprünglichen Processus ant-
orbitalis. Durch eine laterale kleinere Oeffnung (For. orbito-nasale late-
rale) tritt der N. lateralis nasi in die Nasenkapsel ein. Außer den kleineren Nerven-
öffnungen sind in jeder Nasenkapsel 4 größere Fenster vorhanden: die Fenestra
dorsalis an der Decke, die Fenestra basalis (choanalis) am Boden, und
Die Entwickelung des Kopfskelettes.
699
zwei in der Seitenwand, eine vordere Fenestra narina (F. r ostrolateralis ,
Bruner 1901) und eine hintere Fenestra infraconchalis (Gaupp 1901). Die
Fenestra dorsalis wird von der Fen. narina durch eine schmale Knorpelspange (Cart.
Carl, praenas. inf. lat.
Fen. dors. nasi
Cart. obliq.
Cav. internas
Tect. internas
For. orb.-nas. lat.
Fen. praecer.
Plan, internas.
Cart. cctochoan.
Planum antorbitale
Fen. olfact. : For. orbito-nasale med.
Schnittfläche der orbitalen Schüdelseiternvand,
Fig. 351. Rechte Nasenkapsel, nebst einem Teil der linken, von Triton taeni-
atus (völlig uragewandelses Tier von :)4 mm Länge). Nach einem bei SOfacher Ver-
größerung hergestellten eigenen Plattenmodell (bisher nicht veröffentlicht). Ansicht
von oben; -'A der Größe des Modelles.
Fig. 352. Dasselbe
Modell wie Fig. 351, Ven-
tralansicht.
obliqua) getrennt, die hin-
ten in das breitere Pla-
num conchale (mit der
Impressio conchalis)
übergeht. Letzteres geht
einerseits nach hinten hin
in die Decke des hinteren
■ Nasenkapselabschnittes
über und hängt anderer-
seits mit einem basalen
Knorpelband zusammen,
das von der vorderen
Kuppel aus beginnt, dann
nach hinten zieht (dabei
die Fenestra narina und
die Fen. infraconchalis
ventral begrenzend) und
hinten einerseits in die
laterale Ecke des Planum
antorbitale übergeht, an-
dererseits einen frei vor-
springenden Fortsatz nach
hinten sendet. Durch die
Cart. praenas.
For, apicale inf. lat.
Fen.
choanalis
Cart.
ectochoanal.
For. olfact.
Plan, internas.
Fen. 2'>raecerebr.
For. orbito-nasale med.
* ^ Cavum internasale
Verbindung dieses Knorpelbandes mit dem Planum antorbitale kommt der hintere
Abschluß der Fenestra infraconchalis zu stände. Die Fenestra narina, die in dem
vorderen, weniger ausgedehnten Teil der Nasenkapsel liegt, wird von der Apertura
nasalis externa sowie von dem Ductus nasolacrimalis und der Gl. nasalis ext. zum
Durchtritt benutzt, während durch die Fenestra infraconchalis, die im hinteren,
700
E. Gaupp,
breiteren Abschnitt der Nasenkapsel liegt, sich der_^ untere Blindsack der Nasenhöhle
und die seitliche Nasenrinne etwas herausdrängen.' ;'Auf dem Planum conchale
das sich etwas gegen den Raum der Nasenhöhle einbuchtet (Muscheleinbiegung,
Impressio conchalis) liegen die Glandula nas. ext. und der Thränennasengang.
nasi
Cart. obliqiia
For. orh.-nas.
Cav. internas.
For. apicale
■Cart. 'p7'aenas. lat.
Cart. cupular.
Fen. narina
Cart. injranarma
Fen. uifraconch. . p^„„_ conchale
Cart. ectochoan. (Impr. conch.)
Fig. 353. Dasselbe Modell wie Fig. 851, Lateralansicht.
Im Bereich der sehr ausgedehnten Fenestra basalis öffnet sich hinten die
Choane; vorn wird das Fenster durch den Vomer geschlossen. Die vordere Hälfte
des basalen Knorpelbandes, ventral von der Fen. narina, mag Cart. infranarina
heißen ; die hintere Hälfte, von der Grenze zwischen beiden Nasenkapselabschnitten
an bis zur Spitze des freien Fortsatzes, nenneich Cart. ectochoanalis (Gaupp
1900); der hinterste freie Teil ist der Gaumenfortsatz Seydel's (1895).
Einige Besonderheiten des Ethrao idalskelettes der ürodelen.
Wie schon bemerkt, bietet die Ethmoidalregion der Ürodelen sehr beträchtliche Ver-
schiedenheiten , von denen wenigstens einige erwähnt werden müssen. Entwicke-
lungsgeschichtlich ist über sie erst wenig bekannt.
Septum und Internasalraum. Bei manchen Ürodelen besteht zwischen
den hinteren Teilen der Nasenhöhlen ein medianes knorpeliges Septum. Nach
WiEDERSHEiM ist das der Fall bei Siren, Meuopoma, Cryptobranchus, Amphiuma
und auch bei einigen Salamandriden (Salamandra, Salamandrella, Plethodon, Spe-
lerpes). Die sagittale und transversale Ausdehnung des Septums ist verschieden;
sehr dick ist es z. B. bei Siredon, während es bei Amphiuma, Salamandrella u. a.
eine dünne mediane Platte darstellt. Durch das Septum wird die Ausdehnung des
Internasalraumes natürlich beschränkt: erst vom Vorderrande des Septums an be-
kommen die vorderen Hälften der Nasenkapseln eigene Innenwände, zwischen denen
ein Internasalraum bleibt (s. die Abbildungen von Menopoma und Spelerpes bei
WiEDERSHEiM). Daß bei Vorhandensein eines Septums am Knorpelschädel auch
nach Entfernung der Deckknochen eine direkte Kommunikation zwischen dem Cavum
cranii und dem Cavum internasale nicht besteht, bedarf kaum der Erwähnung
(Fig. 354 zeigt das sehr breite Septum bei einem jungen Axolotl; nach Wieders-
HEIM wird die beim jungen Siredon noch bestehende Internasalhöhle im T>aufe des
weiteren Wachstums noch mehr ausgefüllt). Entwickelungsgeschichtlich ist wenig
über die Bildung des Septum bekannt. Bei Salamandra maculosa finde ich die
Innenwand der Nasenkapsel schon gebildet zu einer Zeit, wo sich noch das Gehirn
nach vorn bis zwischen beide Naseusäcke ausdehnt. Daß unter diesen Umständen
die beiden Nasenkapseln anfangs durch ein weites Cavum internasale getrennt werden,
ist naturgemäß. Später, wenn das Gehirn sich zurückgezogen hat, erfolgt eine Strecke
weit eine Vereinigung der Innenwände beider Knorpelkai)seln durch mediane Knorpel-
massen, so daß ein dickes Septum zu stände kommt. Bei Triton unterbleibt der
letztere Vorgang. Die Glandula intermaxillaris bildet sich viel später; sie ist also
im ontogenetischen Geschehen an der Entstehung des Internasalraumes durchaus
unbeteiligt: dieser ist viel früher als die Drüse vorhanden.
Was die phylogenetischen Beziehungen des Septums und des Internasalraumes
anlangt, so ist zunächst daran zu erinnern, daß schon bei Selachiern und Dipnoern
ein Nasenseptum (sogar als dünne Platte) vorhanden ist, und daß auch bei Ganoiden
Die Entwickelung des Kopf Skelettes. 701
und Teleostiern die Geruchsorgane in die dicke Knorpelmasse der Ethmoidalregion
eingelagert sind, somif. auch durch dicke septale Knorpelnoassen voneinander getrennt
werden. Demnach ist es wohl das Vorhandensein des Internasalraumes bei den Uro-
delen, das der Erklärung bedarf. Wiedersheim und Peter machen dafür die
Glandula intermaxillaris verantwortlich, die bei den höheren Salamandriden den
Internasalraum einnimmt. Danach wären also die Innenwände beider Nasenkapseln
(z. B. bei Triton) gewissermaßen durch Spaltung einer früher vorhanden gewesenen
septaien Knorpelmasse unter dem Einfluß der einwachsenden Drüse entstanden zu
denken. Wie weit aber die Drüse wirklich das primäre ursächliche Moment für die
Entstehung des Internasalraumes war, kann zweifelhaft sein, da ja auch bei Meno-
poma, wo sie fehlt, die vorderen Hälften beider Xasenkapseln ähnlich wie bei Sala-
mandra durch einen Internasalraum getrennt werden (s. die Abbildungen bei Wie-
dersheim 1877, Fig. 24, 25 u. 72). Ferner fehlt ein unpaares Septum bei Meno-
branchus und Proteus, bei denen ebenfalls eine Intermaxillardrüse nicht vorhanden
ist. Andererseits besitzen die Anuren eine kräftige Intermaxillardrüse, die aber vor
der Nasenkapsel und ihrem soliden Septum gelagert ist. Es müssen also zum min-
desten noch andere Momente mit in Frage kommen. Ontogenetisch erweist sich als
erste Ursache für das Vorhandensein eines Internasakaumes die starke Ausdehnung
des Gehirnes nach vorn. Wenn nun z. ß. bei Triton auch nachdem sich das Gehirn
mehr zurückgezogen hat, doch die beiden Nasensäcke nicht nahe an die Mittellinie
rücken, so hat das doch wohl zunächst darin seinen Grund, daß sie keine sehr be-
trächtliche Ausweitung erfahren (wie etwa bei den Anuren, wo frühembryonal die
Lage der Nasensäcke auch viel mehr lateral ist). Damit ist aber die Vorbedingung
für das Bestehenbleiben des schon embryonal vorhandenen Internasalraumes gegeben.
Um abzuwägen, weiche Bedeutung die Drüse dafür hat, daß dieser Raum nicht mit
Knorpel ausgefüllt wird, daß es also nicht zur Bildung eines dicken, knorpeligen
JSeptums kommt, wären vor allem noch die Deckknochen zu berücksichtigen, die
sich ebenfalls in den Internasalraum hinein entwickeln. Wäre allein die Drüse das
ursächliche Moment, so müßte wohl gefolgert werden, daß z. B. Menopoma von
Formen stammt, die eine Intermaxillardrüse besaßen, diese aber wieder verloren hat,
und daß nun nur die nachträglich in den Internasalraum emgewachsenen Deck-
knochen den Fortbestand derselben bedingen. Das würde sich mit der Ansicht be-
rühren, daß überhaupt die Ichthyoden sekundär abgeänderte Urodelen sind, bleibt
aber zur Zeit doch noch Hypothese. Da starke Entwickelung der Deckknochen
überhaupt viele Urodelen charakterisiert, so ist doch denkbar, daß diese am Zu-
standekommen des Internasalraumes auch einigen Einfluß haben. Daß ontogenetisch
die Drüse spät in den Räum einwächst, ist dabei ein Moment, das ich noch gar-
nichl einmal hoch bewerten will.
Pränasalfortsätze. Bei Siren finden sich (nach Wiedersheim und Par-
ker) drei pränasale Fortsätze, ein mittlerer und zwei seitliche. Da das Gleiche bei
vielen Anuren der Fall ist, so wird die Auffassung von Peter zweifelhaft, wonach
die beiden seitlichen (wie sie z, B. bei Triton, vorhanden sind) durch Spaltung eines
früheren einheitlichen medianen entstanden zu denken seien. Vielmehr erscheinen
alle 3 als gleichwertige Gebilde. Der mediane Fortsatz allein findet sich bei Ich-
thyophis. Ich habe seinerzeit (1893) auf die Aehnhchkeit der Pränasalknorpel mit
dem Rostrura der Selachier hingewiesen.
Impressio conchalis. Daß die oben als Impressio conchalis bezeichnete
Einbiegung der lateralen Wand die erste Andeutung einer Muschel sei, hat zuerst
Born (1879) ausgesprochen; Seydel (1895; hat sich ihm angeschlossen. In der
Impressio liegen der Thräuenkanal, sowie die Schläuche der Glandula nasalis externa.
Die Einbiegung, die gegen die Nasenhöhle eine Vorwölbung bedingt, ist nicht bei
allen Urodelen gleich deutlich. Bei Plethodon findet sich an dieser Stelle innen an
der Kapselwand ein kompakter Knorpelvorsprung, der eine Schleimhauterhebung be-
dingt (Wiedersheim).
Konfiguration der Gesamtkapsel. Die Form und Ausbildung der ge-
samten knorpeligen Nasenkapsel variiert bei den verschiedenen Urodelen mannigfach ;
häufig scheint sie, wie Wiedersheim's Abbildungen zeigen, vollständiger und weniger
lückenhaft zu sein als die von Triton (z. B. bei Salamandra, Menopoma, Ranodon).
Exakte Vergleiche fehlen. Die 8 im allgemeinen Teile unterschiedenen Skelettzonen
(vordere, mittlere, hintere) können auch bei Triton bestimmt werden; die mittlere
ist repräsentiert durch die Gart, obliqua, das Planum conchale und die Knorpel-
brücke, die von hier aus zu der C'art. infranarina führt. Von dieser Stelle aus zieht
bei Amphiuma (nach einem von Herrn Prof. NoRRis angefertigten Modell) eine
Lamina transversalis am Boden bis zum Septum, so daß auch hier eine Gegend be-
steht, wo die Kapsel ringförmig geschlossen ist (Zona anularis, s. p. .587). Zwischen
dieser Lam. transversalis ant. und der Gart, infranarina bleibt bei Amphiuma eine
702
E. Gaupp,
besondere vordere Bodeiiiücke, die in ihrer Bedeutung unbekannt ist. Ueberhaupt
erfordert diese ganze Gegend erneute spezielle Untersuchung.
Ganz abweichend ist das Verhalten der Nasen kapseln von Necturus und Pro-
teus. Dieselben bestehen hier aus einem zierlichen Gitterwerk von Knorpelspangen,
das mit dem übrigen Schädel nur bindegewebig, aber nicht knorpelig zusammen-
hängt (Leydig 1852; Wiedersheim 1877). Auch der Antorbitalfortsatz ist mit
dem öchädelbalken nur durch fibröse Gewebe verbunden (Huxley 1874, Wieders-
heim). Zwischen den beiden Nasenkapseln setzt sich eine niedrige unpaare Inter-
nasalplatte nach vorn fort und endet in 2 Hörnern. Es darf dies Verhalten wohl
als ein sekundäres betrachtet werden.
B. Visceraler Teil des Priniordialcraniuins.
Die Visceralbogen sind die ersten Skelettteile, die am Triton-
schädel auftreten. Der Kieferbogen macht den Anfang, ihm folgt der
Ziingenbeinbogen, und dann rasch, in der Reihenfolge von vorn nach
hinten sichtbar werdend, die 4 Kiemenbogen. Bei einem 9 mm langen
Embryo von Triton cristatus sind die Anlagen sämtlicher Visceral-
bogen, mit Ausnahme des letzten, deutlich. Alle entstehen paarig
und hängen mit dem noch häutigen neuralen Cranium nicht zusammen
(Stöhr).
Die Anlagen der Visceralbogen sind wie die der Balken charakterisiert durch
die dichtgedrängten Zellen mit rundlichen, stellenweise facettierten Kernen, sehr ge-
ringen Protoplasmamengen und fast vollkommenem Mangel an Dotterplättcheu.
Tect synot
■api aiid
Ca*, internoi
Palatoquadrat.
Solum nasi ' ~ -
Parsartiad.
Fig. 354. Neurales Primordialcranium und Palatoquadratum eines 23 mm
langen Öiredou pisciformis. Von der linken Seite. Nach einem bei 40facher Ver-
größerung hergestellten Plattenmodell. Abbildung zu Modell = 4:9.
a) Der Kiefer bogen. Der Kieferbogen ist von den anderen
Bogen getrennt; er läßt schon früh eine Teilung in einen dorsalen
Abschnitt, das Palatoquadratum, und einen ventralen Abschnitt,
den primordialen Unterkiefer (MECKEL'schen Knorpel) er-
kennen. Beide verknorpeln selbständig, das Palatoquadratum zuerst
(Trit. crist., 9V2 mm). Auch nach der Verknorpelung bleibt letzteres
zunächst noch durch das Ganglion Trigemini vom neuralen Cranium
getrennt (Fig. 347), erst sekundär setzt es sich mit diesem in Ver-
bindung, und zwar durch 3 Fortsätze, die kontinuierlich mit dem
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 703
Neurocranium verschmelzen (Fig. 354). Die Urodelen sind also auto-
styl und zugleich monimostyl; das Palatoquadratum wird isoliert au-
gelegt, dann aber völlig fixiert. Von den Fortsätzen ist der Processus
ascendens anfangs der kräftigste, später nimmt er immer mehr ab ;
er verbindet sich mit der Schädelseiten wand vor der Ohrkapsel; er
ist dadurch charakterisiert, daß der erste Trigeminusast zwischen ihm
und der Schädelseitenwand nach vorn verläuft, während der zweite
und dritte Trigeminusast hinter ihm hinweg nach außen ziehen. Der
Proc. oticus steigt schräg nach hinten oben auf und legt sich -an
die knorpelige Ohrkapsel an, mit der er bald völlig verschmilzt. Der
Proc. basalis legt sich an die untere Fläche der Ohrkapsel an, da
wo diese mit der ßasalplatte in Verbindung steht, und verschmilzt
später ebenfalls mit ihr (Fig. 350). Ganz zuletzt entsteht der sog.
Proc. pterygoideus, der die Pars palatina des Fisch-Palato-
quadratums repräsentiert (Fig. 354). Stöhr fand ihn zuerst deutlich
bei einem etwa 40 mm langen Triton cristatus, der eben in der Um-
wandlung begriffen war. Der Fortsatz legt sich dem schon viel früher
entstandenen Os pterygoideum auf und endet vorn zugespitzt.
Seine Entstehung zeigt auch bei derselben Species manche Varianten. So
fand ihn Stöhe, bei einer 60 mm langen Larve von Triton cristatus nicht, und
statt dessen an einer vom Körper des Palatoquadratums weit entfernten Stelle an der
lateralen Fläche des Os pterygoideum eine Gruppe von Zellen, die mit Knorpelzellen
einige Aehnlichkeit hatten: der Proc. pterygoideus schien also hier selbständig an-
gelegt zu werden. Selbständige Knorpelpartieen, die vor der Spitze des Proc. ptery-
goideus auf dem Os pterygoideum gelagert sind, finden sich bei Urodelen hin und
wieder: man kann sie als Hinweis darauf auffassen, daß der Fortsatz sich früher
weiter nach vom hin ausdehnte. Unter den jetzt lebenden Urodelen besitzt, nach
WiEDERSHElM, Ranodon noch eine Ausdehnung des Proc. pterygoideus bis zur
Nasenkapsel, und eine Verbindung seines vorderen Endes mit einem Fortsatz der-
selben, also ein Verhalten, wie es die Anuren zeigen.
Das sehr späte Auftreten des Fortsatzes in der Ontogenese, auf das Stöhr
zuerst aufmerksam gemacht hat, scheint der Auffassung, daß der Proc. pterygoideus
der Pars palatina des Fischpalatoquadratums homolog ist, nicht gerade günstig zu
sein und dem Fortsatz vielmehr die Bedeutung einer bei den Amphibien neu auf-
tretenden Bildung zu verleihen, wofür er denn auch thatsächlich vielfach gehalten
worden ist. Indessen ist hier einmal hinzuweisen auf die mancherlei zeitlichen Ver-
schiebungen, die bei der Entwicklung der knorpehgen Schädelteile erkennbar sind,
andererseits darauf, daß gerade Teile, die phylogenetisch in Reduktion begriffen, also
entwertet sind, in der Ontogenese häufig verspätet angelegt werden. Auch die Los-
lösung des Fortsatzes vom Körper des Palatoquadratums bei Menopoma, seine gänz-
liche Unterdrückung bei Necturus und Proteus, dazu das gelegentliche Auftreten
eines gesonderten vorderen Knorpelstückes, das sich erst sekundär mit dem hinteren
Teil des Fortsatzes vereinigt, sind alles Erscheinungen, die als Zeichen der Reduktion
aufgefaßt werden können, die eintrat, nachdem der Fortsatz seiner ursprünglichen
Hauptbestimmung, eine vordere Befestigung für das Palatoquadratum zu bilden,
«ntrückt war. Das Hervortreten der Knochen ist am Urodelenschädel der leicht
erkennbare Grund dafür (Gaupp 1893). Der Proc. basalis scheint dem Proc.
palatobasalia der Selachier zu entsprechen ; seine Anlagerungsstelle an der Schädel-
basis wäre dann als noch weiter kaudalwärts gerückt aufzufassen. Daß die basalen
Verbindungen des Palatoquadratums mit dem Neurocranium eine besondere neue
Untersuchung erfordern, wurde schon bemerkt.
Die Monimostylie der Urodelen entsteht, wie die der Dipnoi, durch knor-
pelige Verschmelzung des Palatoquadratums mit dem neuralen Cranium. Dadurch
unterscheidet sie sich von der der Krokodile und Schildkröten, bei der es sich um
eine Unterdrückung der Beweglichkeit des Quadratums durch die sich ausdehnenden
und fest miteinander verschmelzenden Deckknochen handelt.
Bei der Metamorphose der Caducibranchiaten erleidet das Palato-
quadratum eine Stellungsänderung, indem es aus der schräg nach
vorn und abwärts gerichteten Stellung in eine mehr quere übergeht.
Es bildet sich dabei (bei Triton cristatus, Stöhr) eine Spalte zwischen
704
E. Gaupp,
dem Proc. oticus und der Ohrkapsel, die wahrscheinlich in Beziehung^
zu jenem Vorgange der Stellungsänderung steht (Lösung des Zu-
sammenhanges von Quadratum und Ohrkapsel). Außerdem erfolgt
aber, wie ich in eigenen Präparaten sehe, eine Erweichung des Knorpels
innerhalb des Palatoquadratums; der Proc. basalis bleibt mit der
Schädelbasis vereinigt. Die genaueren Vorgänge bei der Stellungs-
änderung, sowie das Verhalten des Palatoquadratums nach derselben
erfordern spezielle Untersuchung.
' Die beiderseitigen Meckel' sehen Knorpel werden anfangs
vorn in der Mittellinie durch eine Lage nicht verknorpelten Gewebes
voneinander getrennt; später verknorpelt auch dieses. Bei der Meta-
morphose geht der mittlere Teil des MECKEL'schen Knorpels (wenig-
stens bei Triton taeniatus) zu Grunde : das proximale Ende verknöchert,
und der vorn in der Mittellinie gelegene Knorpel bleibt als mediane
Synchondrose zwischen beiden Dentalia erhalten. Wenigstens tinde
ich ihn hier noch bei erwachsenen Exemplaren von Tr. taen. Bei
manchen Urodelen scheint eine Verknöcherung des vorderen Endes
des MECKEL'schen Knochens vorzukommen (s. Knochen).
Bei den Perennibranchiaten bewahrt die Pars qiiadrata des Palatoquadratums
zeitlebens ihre von hinten oben nach vorn unten gehende Richtung. Bei Araphiuraa
gleicht die Stellung der bei den Salamandriden, während Cryptobranchus und Meno-
poma das Quadratum mit seiner Gelenkfläche nach außen und etwas nach hinten
gerichtet zeigen. , Ob diese Anordnung von vornherein besteht, oder embryonal sich
erst ausbildet, ist unbekannt.
b)DasHyobranchialskelett. Salamandriden. Die Ent-
wicklung des Hyobranchialskelettes bei Triton cristatus von der ersten
bis zur Vollendung des larvalen Zustandes verläuft nach
Anlage
H
Br.
I
Br.
11
Br.
III
Br.
IV
Br. II
Br. III
IV
Fig. 355. Hyobranchialskelette von Triton cristatus, halbschematisch. Nach
Stöhr. a Embryo, 9 mm lang; b eben ausgeschlüpfte Larve, 9 5 mm lang; c Larve,
10 mm lang. /T Hyalbogen. Br I — /F Brachiale I — IV. Cop. St. Copulastiel.
Stöhr
crist. von
folgendermaßen.
Die erste vorknorpelige Anlage bei Trit.
9 mm ist eine einheitliche und
Zungenbein-
und
läßt den Hyalbogen und o
Die medialen Enden des
der 2 ersten Branchialbogen werden schon auf diesem
Branchialbogen unterscheiden (Fig. 355 a)
Die Entwickelung des Kopfskelettes.
705
jungen Stadium durch eine uupaare mediane Anlage untereinander
verbunden, die 3. Kiemenbogen erscheinen erst als kurze mediale
Auswüchse an den distalen Enden der 2. Bogen ; von den 4. ist noch
nichts wahrzunehmen. Doch erscheinen die letzteren bald (Trit. crist.,
9,5 mm, Fig. 355b) als mediale Sprossen der dritten. Zugleich verbinden
sich die dorsalen Enden sämtlicher Kiemenbogen untereinander. Sehr
bald darauf erfolgt auch die knorpelige Differenzierung, und
zwar zunächst getrennt in den Seitenteilen. Bei einer 10 mm langen
Larve von Triton cristatus (Fig. 355 c) findet Stöhr den Zungenbein-
und sämtliche Branchialbogen in einem Zustand, der von nun an —
Segmentierung abgerechnet — mit nur geringen Abänderungen durch
das ganze Larvenleben persistiert. Die ventralen Enden des Zungen-
beinbogens haben sich von der unpaaren medianen Anlage abgegliedert,
mit der aber der 1. und 2. Branchialbogen noch zusammenhängen.
Doch haben sich die Verhältnisse hier so umgestaltet, daß aus der
ursprünglich einheitlichen unpaaren Anlage zwei Teile hervorgegangen
Fig. 356.
Dorsalansicht.
Original.
Hypohyale
-Keratohyale
Copula (P. dors.)
~ Hyobranchiale I
\%^"^^J[_~""^|^^^ Copulastiel
■Hyobranchiale II
Keratobranchiule I
- Keratobranchiale II
KeratohroMchiale III
Keratobranchiale IV
Hyobranchialskelett einer 2 cm langen Larve von Triton taeniatus.
Bei öOfacher Vergr. modelliert, Zeichnung auf die Hälfte verkleinert.
sind, ein dorsaler und
zusammenhängen und
die 2.
miteinander
der dorsale
ein ventraler, die nur ganz vorn
.^v^xx .^.xv^ von denen der ventrale in die 1.,
in üie z. Kiemenbogen übergeht. Der ventrale Teil hat die Form
einer breiten dreieckigen Platte, die hinten in einen langen medianen
Fortsatz, den Copulastiel (Urobranchiale, Stöhr) ausläuft, der
dorsale die eines drehrunden Stieles (Fig. 355 c). Noch jetzt bilden
die 4 Branchialbogen beider Seiten mit den unpaaren Teilen ein
Die Art, wie hier die Gliederung erfolgt, hat
Bei Triton taeniatus, also einer Form, die Tr.
sich nach Ablauf des Segmentierungsprozesses
356 und 357 demonstrieren. Der Zun gen -
knorpeliges Continuum,
Stöhr nicht verfolgt,
crist. nahe steht, findet
der Zustand,
den die Fi gg.
Handbuch der Kntwickelungslehre. III. 2.
45
706 E. Gaupp,
b einbogen ist in zwei knorpelige Stücke zerlegt, ein kleines Hypo-
hyale und ein großes Keratohyale. Das Hypohyale legt sich dem
lateralen Umfang des vordersten rundlichen Endes der unpaaren
-ja|~p.- — Hypohyale
^^Wä ^, ^sr-~Keratohyale
f^fm -.JT '^L^fer^ Copula (P. ventr.)
/ J^ M. / I ^B"wiÄ"'^fe^v — Hypobranchiale II
B W^i. "^.^^ — Hypobranchiale I
_3L>-,-V -Ss-.l^L — Copulastiel
^W / -.-- fi.'W Keratohranchiale 1
'^^l^^w ^^-v^^ Keratohranchiale II
Fig. 357. Vorderster Teil des Hyobranchialskelettes einer 2 cm langen Larve
von Triton taeniatus. Ventralansicht. Dasselbe Objekt wie Fig. 356. Orig. (Die
Lücke im ventralen Teil der Copula ist eine zufällige Besonderheit des vorliegenden
Objektes.)
Copula an. Diese selbst ist nur vorn einheitlich; nach hinten hin
teilt sie sich in die zwei übereinander gelegenen Abschnitte. Der
ventrale bildet eine breite, über die Fläche gekrümmte, dreieckige
Platte, deren beide lateral-hintere Ecken kontinuierlich in die beiden
Hypobranchialia der 1 . Branchialbogen übergehen, während von
der Mitte der hinteren quer verlaufenden Dreiecksbasis der Copula-
stiel als langer medianer Fortsatz nach hinten geht. Das dorsale
Teilstück, in das sich die Copula nach hinten fortsetzt, ist kurz dreh-
rund; hinten sind an ihm die Hypobranchialia der 2. Bogen be-
festigt.
Das ersteBranchiale istinHypo- und Keratohranchiale
gegliedert; das Hypobranchiale I hängt kontinuierlich mit dem ven-
tralen Teil der Copula zusammen. Ebenso zerfällt das zweite
Branchiale in ein Hypo- und ein Keratohranchiale; das
Hypobranchiale II ist aber von dem hinteren Ende des dorsalen stiel-
förmigen Copulaabschnittes abgeghedert. Das ventrale Ende des
Keratohranchiale II ist mit den ventralen Enden der Keratobranchialia I
und III verbunden. Der dritte und der vierte Branchialbogen
erreichen die Mittellinie nicht mehr; ein jeder besteht nur aus einem
Keratohranchiale. Das ventrale Ende des 3. verbindet sich durch
nicht verknorpeltes Gewebe mit den ventralen Enden des 2. und 4.;
das des 4. kommt nur zur Verbindung mit dem des 3. Die dor-
salen Enden aller 4 Branchialbogen sind durch Knorpelkommissuren
(Commissurae terminales) untereinander verbunden.
Die wichtigsten Veränderungen bei der Umwandlung des larvalen
Hyobranchialskelettes in das Zungenbein des erwachsenen Triton sind
folgende (Fig. 358). Das Hypohyale geht ganz zu Grunde, statt
dessen bildet sich etwas weiter hinten, aber noch in der Nachbarschaft
des vorderen Copulaendes, der Bügelknorpel neu. Er besteht aus
3 Teilen, die nach Kallius auch genetisch selbständig sind: 2 seit-
lichen, die als kleine Stäbchen von der Copula nach der Seite abstehen,
Die
Entwickelung
des Kopfskelettes.
707
und einem mittleren Bügel, der dorsal von der Copula jene beiden
untereinander verbindet. Das Keratohyale verliert den Zusammen-
mit dem übrigen Zungenbeinapparat und wandelt sich in eine
hang
Bügelknorpel
— Copula (Corjms)
--Keratohyale
{Cornu hyale)
— Hypohrancldule I
---Hypohranchiale II
(CoriiH braiLcIi. II)
Kendohranchiale I
(mit dem Hypobr. I
das Cornu brauch . ]
bildend)
Fig. 358. Hyobranchialskelett von Triton taeniatus nach der Metamorphose;
Dorsalansicht. (Länge des Tieres 84 mm.) Nach einem bei öOfacher Vergr. her-
gestellten Modell. Figur auf die Hälfte verkleinert, also die natürlichen Verhältnisse
bei 25facher Vergr. wiedergebend. — Knorpel blau, Knochen grau.
breitere Platte um, die nur hinten in ein rundliches Endstück über-
geht. So bildet es das Cornu hyale, das aber, wie gesagt, von dem
übrigen Apparat losgelöst ist. Hypohranchiale I und Kerato-
branchiale I bleiben als Cornu branchiale I erhalten, das
erstere gliedert sich von der Copula ab, bewahrt aber die Verbindung
mit ihr. Vom 2. Branchiale bleibt nur das Hypohranchiale II
als Cornu branchiale II erhalten, proximal mit dem kaudalen
Ende der Copula, distal mit dem Keratobranchiale I verbunden, dessen
ventrales Ende zu diesem Zweck besonders verdickt ist. Die Kerato-
branchialia II, III und IV gehen zu Grunde. Von der Copula
geht der ventrale platte Teil nebst dem Copulastiel zu Grunde, der
dorsale Teil bleibt (als Corpus oss. hyoid.) erhalten und wächst
stark in die Länge. Seinem lateralen Umfang legt sich das Hypo-
hranchiale I, seinem hinteren Ende das Hypohranchiale II an.
Am larvalen Hyobranchialskelett von Salamandra maculosa, das im ganzen dem
von Triton gleicht, soll das Hypohranchiale I von der Copula abgegliedert sein, das hin-
tere Ende des Copulastieles ist gegabelt. Hin und wieder kommt ein rudimentäres Hypo-
hranchiale III vor (Kallius, Drliner). Bei der Metamorphose bleiben die Hypo-
hyalia erhalten (als sog. vordeire Radien), verlieren aber den Zusammenhang mit
dem Keratohyale; ein hinteres Radien paar, den Seitenteilen des Bügelknorpels
von Triton entsprechend, bildet sich neu ; Hypo- und Keratobranchiale I verwachsen
untereinander (Drüner), das Hypohranchiale II bleibt erhalten, die ?> hinteren
Keratobrauchialia
gehen
zu Grunde. Der Copulastiel
geht
m der Hauptsache zu
45*
708
E. Gaupp.
Grunde, doch bleibt das hintere gegabelte Ende erhalten und bildet, verknöchernd,
das Os thyreoideuni oder Os triquetrum. Aehnlich verhält sich Amblystoina.
Drüner hebt hervor (was ich bestätigen kann), daß bei der Larve (Siredon pisci-
formis) die Copula mit den Hypobrauchialia I und II eine zusammenhängende
Knorpelmasse bildet; bei Amblystoma ist die Abgliederung erfolgt. Die Hypohyalia
bleiben bei der Metamorphose erhalten (vordere Radien), bewahren aber hier den
Zusammenhang mit den Keratohyalia; als Neubildung erscheint ein Bü gelknorpel,
der aber dauernd aus 3 getrennten Stücken besteht: 2 lateralen, die den hinteren
Eadien von Salamandra entsprechen, und einem dorsal über die Copula hinweg-
ziehenden unpaaren bogenförmigen Stück (cf. Triton). Das hintere Ende des Copula-
stieles bleibt, wie bei Salamandra, erhalten. Hypobranchiale I, Keratobranchiale I
und Hypobranchiale II bleiben in der Anordnung wie bei Triton erhalten; die
Keratobranchialia II, III, IV gehen zu Grunde (Drüner's Angaben beziehen sich
auf Amblystoma mavortium).
Ichthyodea. Die Form, die das Hj'obranchialskelett der Sala-
mandrideiilarven zeigt, entspricht in den Hauptzügen der, die die
Ichthyoden zeitlebens aufweisen. Die wichtigsten Resonderiieiten, die
bei letzteren zur Beobachtung kommen, bestehen in Reduktion der
Kiemeubogenzahl. Diese findet sich bei Perennibranchiaten. wie bei
Derotremen. Unter den Perennibranchiaten besitzen Necturus und
Proteus nur 3, unter den Derotremen Cryptobranchus sogar nur 2
Branchialbogen. Siren unter den Perennibianchiaten, Ampliiuma und
Menopoma unter den
— Hypohyaie Derotremcu bewah-
ren die Vierzahl der
Branchialia. Das Hy-
ale zerfällt gewöhn-
lich in ein Hypo-
und ein Keratohyale.
Fast stets ist das
Branchiale I in
Hypo- und ein
ratobranchiale
gliedert. Ein Plypo
branchiale 11 kann
rudimentär sein oder
ganz fehlen. Statt
einerCo])ula können
deren zwei hinter-
einander gelagerte
vorhanden sein; sie werden, nach dem Vorgange von Huxley (1874),
als 1. und 2. Basibranchiale bezeichnet (Fig. oö9). Das hintere ent-
spricht offenbar dem Copulastiel der Salaniandridenlarven, ob es aber
wirklich ein selbständiges Basibranchiale darstellt, das bei den Sala-
niandridenlarven in Konkrescenz mit dem vorderen Basibranchiale
auftritt, ist bisher nicht bewiesen.
Ueber die frühen Zustände des Hyobranchialskelettes von Necturus haben
J. B. Platt (181)7) und G. Buchs (1902) Angaben gemacht. Den Befund von J.
B. Platt, daß das Material des Hyobranchialskelettes von Necturus (außer der
Anlage des sog. Basibranchiale II) ektodermaler Herkunft sei, konnte Buchs nicht
bestätigen. Auf vorknorpeligem Zustand ist die Anlage des gesamten Hyobranchial-
skelettes nach Miss Platt eine einheitliche und besitzt eine Form, die Fig. 860
ülustriert (von einem Embryo von 15 mm). Der Hyalbogen besteht hier aus einem
einheitlichen hufeisenförmig gekrümmten Bogen, der in der ventralen Mittellinie mit
einer longitudinal nach hinten ziehenden Gewebsmasse verbunden ist. Vom hinteren
Ende derselben geht jederseits die Anlage des 1. Branchialbogens aus; in dem
Winkel, der durch die Divergenz der beiderseitigen Bogen gebildet wird, springt
Adilus
lar.
Basibranchiale I
Keratohyale
Hypobranchiale I
Basibranchiale II
Hypobranchiale II
Keratobranchiale
Keratobranchiale
Keratobranchiale
I
II
III
ralis,
Fig.
von
359
der
Hyobranchialskelett von Necturus late
Ventralseite. Nach Huxley.
ein
Ke-
ge-
Die Entwickelung des Kopfskelettes.
709
noch ein kleiner Gewebsknopf nach hinten vor. Die Anlagen des 2. und 3. Bran-
chialbogens erreichen die Mittellinie nicht; sie sind jederseits mit ihren ventralen
Enden vereinigt durch einen kurzen, gemeinsamen Stiel, der sich dem hinteren Um-
Trabec.
Cart. Meck.
Palatoquadr. -
Are. hyal. ^
Are, braneh. 7__
Are. braneh .II...
Are. br. III --
Are. oceip.
_ Trabee.
— Cart. ßleckel
Hypohyale
K Basibranchiale I
Keratohyale
--For. N. fac.
'- Hypobranch. I
-- Fen. vestibuli
-- Keratobraneh. I
-- Hypobraneh. II
■ Keratobraneh. II
• Keratobraneh. III
Basibraneh. II
Fig. 860.
Fig. 361.
Fig. 360. Prochondrale Anlagen der Visceralbogen von Necturus (15 mm lang).
Ventralansicht. Nach J. ß. Platt.
Fig. 361. Knorpelschädel von Necturus (19 mm lang). Ventralansicht. Nach
J. B. Platt.
fange des 1. Branchialbogens in einiger Entfernung von der Mittellinie anlegt. —
Bei der Verknorpelung entstehen sofort die Stücke des definitiven Hyobranchial-
skelettes durch selbständige Chondrifikation (Fig. 361). Aus der medianen An-
lage zwischen dem Hyal- und dem 1. ßranchialbogen geht das erste Basibran-
chiale, aus der hinteren Fortsetzung der Anlage das zweite Basibranchiale
hervor (über die Nomenklatur s. oben). Der Hyalbogen jeder Seite verknorpelt
von zwei Zentren aus, die das Hypo- und das Keratohyale bilden. Ebenso entsteht
jederseits aus dem 1. Branchialbogen ein Hypobranchiale I und ein Kerato-
branchiale I. Der kurze, einheitliche Anfangsstiel des 2. und 3. Branchiale ver-
knorpelt selbständig als Hypobranchiale II; dazu kommen dann noch das
Keratobranchiale II und das Keratobranchiale III. — Auf die spezielle
zum Teil sehr merkwürdige Gestaltung des Hyobranchialskelettes bei den verschie-
denen Ichthyoden einzugehen, ist hier nicht Eaum ; s. die Arbeiten von J. G. Fischer,
Parker, Wiedersheim, Drüner.
Ein Vergleich der verschiedenen Urodelenzustände lehrt besonders
die Tatsache, daß die Gliederungen im Bereiche des Hyobranchial-
skelettes zu sehr verschiedenen Zeiten auftreten können, manchmal
nur auf bestimmten Stadien vorübergehend bestehen, ja stellenweise
von vornherein unterbleiben. Alles dies läßt sie als etwas Sekundäres
erkennen und warnt vor der Ueberschätzung der einzelnen Gliederungs-
stücke als selbständiger morphologischer Elemente. — Ob die als
Hypo- und Keratobranchialia bezeichneten Abschnitte den ebenso ge-
nannten Stücken der Fische ganz gleichwertig sind, ist noch zu unter-
suchen ; HuxLEY und nach ihm Parker und Wiedersheim bezeich-
710 E. Gaupp,
neten die Hj-pobranchialia der hier gebrauchten Nomenklatur als
Keratobranchialia, die Keratobranchialia als Epibranchialia. Auch über
die Auffassung der Copulateile gehen die Ansichten vielfach auseinander.
Ganz unklar ist die Bedeutung des Bügelknorpels resp. der hinteren
Radien, die bei der Metamorphose der Salamandriden neu auftreten.
Auch bei manchen Ichthyoden finden sich im vorderen Bereich des
Hjobranchialskelettes Besonderheiten noch ungeklärter Natur (Amphi-
uma, Menopoma).
II. Die Schädelknochen.
Die Knochenbildung beginnt bei den Salamandriden sehr
frühzeitig, noch innerhalb des Eies, zu einer Zeit, wo das Primordial-
cranium noch wenig vom umgebenden Gewebe gesondert, die Vereini-
gung der Trabekel zur Internasalplatte noch nicht erfolgt, und das
Geruchsorgan erst als ein kleines Grübchen wahrnehmbar ist (0. Hert-
wiG). Speziell die Anlagen des Dentale, Angulare und Pterygopala-
tinum konnten schon bei noch nicht ausgeschlüpften Embryonen von
Siredon, Salamandra, Triton nachgewiesen werden. Die Deckknochen
des Schädeldaches entstehen allerdings erst viel später.
Die Zahl der embryonal angelegten Knochen entspricht nicht der Zahl
der Knochen des erwachsenen Schädels. Vielfach kommt es im Laufe
der Entwickelung zur Verwachsung von Knochen, die getrennt
angelegt waren ; namentlich bei den Tritonen kommen frühzeitige Ver-
bindungen zwischen verschiedenen Knochenstücken zu stände (Ver-
wachsung beider Praemaxillaria untereinander, sowie Verwachsung des
Vomer mit dem Palatinum zu einem Vomeropalatinum). Auf der
anderen Seite kommt es auch vor, daß Knochenstücke im Zusammen-
hang entstehen und erst sekundär sich voneinander trennen (Pala-
tinum und Pterygoid).
Auch totale Rückbildung eines embryonal angelegten
Knochens wird beobachtet (Operculare von Salamandra und Triton).
Ersatz knochen des Urodelenschädels sind: im Bereiche des
neuralen Craniums 1) Pleuroccipitale, 2) Prooticum, 3) Or-
bit o s p h e n o i d , 4) C 0 1 u m e 1 1 a r e , alle 4 paarig ; im Bereiche des
Kieferbogens 1) Quadrat um, 2) Articulare, 3) Mentomandi-
bulare; im Bereiche des Hyobranchialskelettes zahlreiche, nicht ganz
konstante Verknöcherungen der einzelnen Teile dieses Apparates.
Die Bildung aller dieser Ersatzknochen erfolgt perichon dral; sie
entstehen als anfangs dünne perichondrale Knochenlamellen auf dem
Knorpel, der darauf verschwindet oder auch stellenweise (bei manchen
Formen in ausgedehnterem Maße) bestehen bleiben kann. Ein Ein-
wachsen von Knochenbildungsgewebe in den Knorpel und enchondrale
Knochenbildung kommt nur in Ausnahmefällen vor. Gewöhnlich
schwindet der Knorpel einfach unter der perichondralen Knochenlamelle
und die Skelettteile können (wofern sie nicht drehrund sind und
cirkulär von der Knochenscheide umgeben werden) sehr erheblich ihr
Aussehen verändern : an Stelle der früheren plumpen Knorpelteile
treten dünne Knochenlamellen.
Als D e c k k n o c h e n werden angelegt : im Bereiche des Ober-
schädels 1) Parietale, 2) Frontale, 3) Praefrontale (ev. 2 Praefrontalia),
4) Nasale, 5) Septomaxillare, 6) Paraquadratum, 7) Quadratomaxillare,
8) Praemaxillare, 9) Maxillare, 10) Vomer, 11) Palatinum, 12) Pterygoid
— alle paarig; dazu 13) das unpaare Parasphenoid ; im Bereiche des
Die Entwickeluno; des Kopfskelettes. 711
Unterkiefers 1) Dentale, 2) Operculare, 3) Angulare ; im Bereiche des
Hyobranchialskelettes bei Amphiuma ein Knochen am Keratohyale:
Parahyale.
Bei den Fischen, bei denen der Kiefera2>parat im allgemeinen eine größere
Selbständigkeit gegenüber dem neuralen Cranium besitzt, und auch das Praemaxillare,
Maxillare, Palalinum und Pterygoid noch auf Knorpelteilen sich anlegen, die dem
Visceralskelett zugezählt werden, war eine Einteilung der Schädeldeckknochen in
solche des neuralen Craniums und solche des Visceralskelettes möglich. Von den
Amphibien an verwischt sich dieses Unterscheidungsmerkmal dadurch, daß jene
Knorpelteile immer mehr schwinden und die genannten Knochen demzufolge ganz
ohne knorpelige Unterlage in der Mundschleimhaut entstehen oder sich an Teile des
neuralen Craniums anlegen. Die oben gegebene rein topographische Einteilung in
Knochen des Oberschädels, des Unterkiefers und des Hyobranchialskelettes erscheint
damit praktischer.
Von diesen Knochen besitzen ein besonderes Interesse die, die
zur Umwandung der Mundhöhle beitragen und, wenigstens zum Teil,
mit Zähnen besetzt sind (M u n d h ö h I e n k n o c h e n). Einige von ihnen
(Vomer, Palatinum, Operculare, Teile des Maxillare, Praemaxillare und
Dentale) entstehen noch ontogenetisch aus einer Konkrescenz von
Zähnen, und diese Knochen sind es ja auch gewesen, auf deren Genese
O. Hertwig die im allgemeinen Teil auseinandergesetzte Hypothese
gegründet hat.
0. Hertv^^ig teilt die hierher gehörigen knöchernen Elemente in
3 Gruppen: Zu der ersten Gruppe gehören Vomer, Palatinum, Oper-
culare; dieselben sind richtige Zahnknochen und entstehen durch
Konkrescenz von Zähnen. Die zweite Gruppe umfaßt das Prae-
maxillare, Maxillare und Dentale, Knochen, bei deren Entstehung sich
ein aus Zahnkonkrescenz entstandener Abschnitt mit einem anderen,
der eine selbständige Integumentossitikation darstellt, verbindet. Die
Knochen der dritten Gruppe endlich (Pterygoid, Parasphenoid, An-
gulare) zeigen ontogenetisch keine Beziehungen zu Zähnen, sondern
entstehen rein durch Ossifikation im Bindegewebe.
Knochen des Oberschädels.
a) E r s a t z k n 0 c h e n.
Typische Ersatzkuochen im Bereiche des Oberschädels sind :
Pleuroccipitale, Prooticum, Orbitosphenoid, Columellare, Quadratum.
Die speziellen V^orgänge bei der Bildung dieser Knochen wurden bis-
her nicht verfolgt, und auch die Frage, wieviel von dem ursprüng-
lichen Knorpelcranium in den ausgebildeten Zustand übernommen
wird, bedarf vielfach noch einer genaueren Prüfung. Die ausgedehn-
testen Angaben über den letzteren Punkt finden sich bei Wieders-
HEiM (1877). Charakteristisch für die Urodelen wie für die Amphibien
überhaupt ist die geringe Anzahl von Ersatzknochen des neuralen
Craniums, die vor allem eine Folge des gänzlichen Fehlens aller un-
paaren Ossifikationen ist. Alle Ersatzknochen der Amphibien sind
paarig.
Pleuroccipitale und Prooticum. Bei den Ichthyoiden und (nach WlE-
DERSHEIM) bei einigen lechriodonten Salamandriden bleiben die beiden genannten
Knochenterritorien getrennt: das Pleuroccipitale nimmt die Occipitalregion und die
hintere Hälfte der Ohrkapsel, das Prooticum die vordere Hälfte der Ohrkapsel ein. Bei
den meisten Salamandriden erfolgt schon frühzeitig eine Vereinigung beider. Bei Triton
taeniatus finde ich nur die ersten Anfänge der perichondralen Knochenbildung ge-
trennt: die des Pleuroccipitale nimmt ihren Ausgang am For. jugulare, die des
Prooticum in der Gegend der Facialisöffnungen. Sehr bald ist aber die knorpeüge
Ohrkapsel von einer einheitlichen perichondralen Knochenlamelle bedeckt und auch
712 E. Gaupp,
an der inneren Oberfläche tritt perichondrale Knochenbildung auf. Auf die lateralen
Teile der Basalplatte setzt sich diese in Form einer ventralen und einer dorsalen
Lamelle fort, ebenso auf das Tectum synoticuni. Der Üccipitalteil des Chondro-
craniums wird allseitig umscheidet. Der ursprüngliche Knorpel geht an den meisten
Stellen einfach durch Auflösung zu Grunde; am Tectum synoticum kommt es (bei
Triton cristatus, nach Stöhr) zu enchondraler Ossifilcation. Im Gebiet der vorderen
Ohrkapselhälfte erhält auch bei Triton der Faciaiiskanal einen knöchernen Abschluß
gegen den Ohrkapselraum, trotzdem hier im Knorpelstadium ein solcher Abschluß
nicht besteht. Bei den meisten 8alamandriden wird also die ührkapsel zusammen
mit dem Occipitalteil ein einheitliches Knochenstück. Knorpelig erhalten bleiben hier
von der Occipital- und Labyrinthregion gewöhnlich nur der Gelenkknorpel des
Condylus occipitahs, ein medianer Streifen der hypochordalen Kommissur (zur Ar-
tikulation mit dem Tuberculum interglenoidale des 1. Wirbels), die mediane Partie
der l'ectum synoticum, der Rand der Fenestra vestibuli und die Stellen, wo sich
der Proc. oticus und der Proc. basalis des Quadratums anlegen (Stöhr).
Bei Necturus mac. beschreibt H. H. Wilder statt eines einheitlichen Pleurocci-
pitale2 Knochen, ein Pleuroccipitale und ein Opisthoticura , das erstere nimmt
die Occipitalregion, das letztere die hintere Hälfte der Ohrkapsel ein. Huxley (1874)
erwähnt das Opisthoticum Wilder's als Epiotic, bemerkt aber, daß es eng ver-
bunden sei mit dem Pleuroccipitale (also nicht selbständig).
Orbitosphenoid (Sphenethmoid, Parker). Der Knochen, der gewöhnlich als
Orbitosphenoid bezeichnet wird, entsteht bei Triton taen. perichondral auf der Grund-
lage der knorpeligen Schädelseiten wand der Orlntalregion. Er erreicht verschiedene
Ausdehnung (s. die Abbildungen bei Wiedersheim und Parker). Ob er dem
gleichnamigen Knochen der Säuger entspricht, ist ganz fraglich.
Os columellare. Das Operculum l)leibt häufig zeitlebens knorpelig, kann
aber auch (ev. mit seinem Stiel) verknöchern. Aller auch in diesem Falle scheint
die innere Fläche knorpelig zu bleiben.
Quadratum. Bei Triton cristatus verknöchert nach Stöhr der größte Teil
des Quadratknorpels, und zwar perichondral ; der Knorpel zerfällt zum größten Teil,
enchondrale Verknöcherung erfolgt nicht. Auch der Proc. ascendens verknöchert
perichondral, während die hinteren Fortsätze (Proc. oticus und Proc. basalis) sich
bei Triton crist. zu einem Zellknorpel umwandeln. Bei Triton taen. bleiben sie
hyalinknorpelig. Ein Teil des Quadratknorpels wird in wirkliches Bindegewebe um-
gewandelt. Der Proc. pterygoideus verknöchert nicht, sondern bleibt knorpelig
(immer?). Erneute Untersuchungen über das Schicksal des Quadratums bei den
Urodelen, speziell den höheren Formen, sind sehr notwendig (s. auch Paraquadratum).
b) Deckknoclien im Bereiche des Oberschädels.
Die Deckknochen erlangen bei den Urodelen eine ganz besonders
hohe Entwickeinng, und darauf kann wohl auch die Lückenhaftigkeit
des Primordialcraniums zurückgeführt werden. Bei einigen Formen
(Necturus, Proteus, Amphiuma nach Wiedersheim) bilden die Deck-
knochen fast allein das ganze Schädelrohr.
a) D e c k k n 0 c h e n am Dach und an den S e i t e n w ä n d e n
des Ober Schädels sind jederseits: Parietale, Frontale, Nasale,
Praefrontale (statt eines können auch 2 Praefrontalia vorhanden sein),
Septomaxillare, Paraquadratum, Quadratomaxillare. Alle diese Knochen
entstehen, soweit bekannt, in größerer Tiefe, entweder auf Teilen des
Chondrocraniums oder unmittelbar außen vom Schädelcavum. Zu-
sammenhängende Angaben über ihre Entwickelung liegen nicht vor.
Bezüglich der Topographie und allgemeinen morphologischen Verhält-
nisse mögen einige der wichtigsten Momente kurz erwähnt sein.
Parietale. Entsteht lateral. Hinten legt es sich auf der Dorsalfläche der
Ohrkapsel an (Fig. 3G3); vor dieser ruht es gewöhnlich mit seiner lateralen, ventral-
wärts umgebogenen Randpartie (Proc. orbitalis, Wiedersheim) , auf dem oberen
Rande der orbitotemporalen Schädelseitenwand (Fig. 362). Der Proc. orbitalis kann
sehr beträchtliche Dimensionen erreichen und sich medial von der knorpeligen
Schädelseiten wand bis zum Parasphenoid erstrecken (Necturus, vergl. Wiedersheim).
Frontale. Legt sich ebenfalls lateral am oberen Rande der orbito-temporalen
Schädelseiten wand vor dem Parietale an und schiebt sich teils nach hinten auf die
Oberfläche des Parietale (Fig. 362), teils nach vorn auf die Nasenkapsel. Auch der
Die Entwickelung des Kopf Skelettes.
713
Orbitalfortsatz des Frontale kann einen sehr großen Anteil am Aufbau der fechädel-
seitenwand der Orbitalgegend gewinnen. Außerdem aber erlangt das Frontale
manchmal einen sehr beträchtlichen Anteil an der vorderen Begrenzung des
Cavum cranii, durch Entwickelung einer absteigenden Platte, die den Olfactorius bei
seinem Austritt aus der Schädelhöhle mehr oder minder vollständig umschließt
(Amphiuma, Necturus, s. Wiedersheim).
Frontale
Parietale
Ocidomot,
Ophthalm. (V, 1)
ticns
Parasphen.
Cart. pterygoid.
Pterygoid
Cart. Meckel
Dentale
Angidare
Hypobr. I Keratohyale
Copulastiel Hypobranch. II
Fig. 362. Querschnitt durch die Orbito-temporalregion eines jungen, 8,2 cm
langen feiredon pisciformis (dicht vor dem Oculomotoriusforamen).
Nasale. Ist ein Deckknochen auf dem knorpeligen Nasendache, paarig, meist
in einiger Entfernung von der Mittellinie gelegen, und nach vorn bis nahe an die
Fenestra narina reichend. Fehlt bei Necturus und Proteus, bei denen infolgedessen
die Nasenkapseln frei unter der Haut liegen.
Praefrontalia. Den meisten Urodelen kommt jederseits nur ein Praefron-
tale zu. Dasselbe Ijildet einen Belegknochen auf dem hinteren Teil des Nasen-
kapseldaches (zwischen Frontale, Nasale und Maxillare) und dehnt sich meist auch
mehr oder weniger weit am Planum antorbitale venlralwärts aus. Bei Necturus,
Proteus, Siren und einigen Salamandriden (Spelerpes fuscus) fehlt es, bei den Dero-
tremen ist es vorhanden, bleibt aber auf das Dach der Nasenkapsel beschränkt
(Wiedersheim). Bei den Salamandriden wird der Knochen gewöhnlich von dem
Ductus nasolacrimalis auf seinem Wege zur Haut durchsetzt. Bei EUipsoglossa
(naevia und nebulosa), Ranodon, Salamandrella, Dicamptodon finden sich nach
Wiedersheim 2 oder 3 Praefrontalia. EUipsoglossa und Ranodon besitzen 2, ein
Praefrontale an terius und ein Prae front ale posterius, von denen das
vordere bei jungen Tieren von EUipsoglossa noch in 2 zerfällt. Das vordere wird
vom Thränennasengang durchsetzt (Wiedersheim 1886).
Ueber das Verhältnis des einfachen Praefrontale zu dem doppelten ist nichts
Sicheres zu sagen. P. und F. Sarasin (1890) fassen das Vorhandensein zweier
Knochen als ursprüngliches Verhalten auf und nehmen für die übrigen Salaman-
driden eine Verwachsung beider Stücke zu einem an. Das vordere betrachten
sie als das Homologon des Lacrimale der Stegocephalen und Amnioten. Wie
weit diese Anschauung richtig ist, läßt sich zur Zeit noch nicht entscheiden.
Septomaxillare. Bei manchen Urodelen (Salamandra mac, Amblystoma,
Spelerpes, Desmognathus, Plethodon ; nach Parker 1877 und 1882, sowie Bruner
1901) kommt im Gebiete der Nasenkapsel ein Deckknochen vor, den Parker als
Septomaxillare bezeichnet. Nach Bruner, der ihn neuerdings (als Intranasale) be-
schrieben hat, liegt er im hinteren Teil der Fenestra narina und wird von dem Ductus
nasolacrimahs durchsetzt. Da Bruner den Knochen auch in Fällen fand, wo außer-
dem noch ein vom Ductus nasolacrimalis durchsetztes Praefrontale vorhanden war
(Plethodon, Desmognathus, Amblystoma), so folgt, daß die beiden genannten Knochen
nichts miteinander zu thun haben. Dagegen könnte die Frage zur Erörterung
kommen, ob etwa das Septomaxillare einem vorderen Praefrontale entspricht, wie
714
E. Gaupp,
■es in anderer Lagerung bei Ellipsoglossa und Eauodon bestellt. Darüber läßt sich
zur Zeit noch nichts Bestiaimtes sagen; wahrscheinlich ist es allerdings nicht.
Paraquadra tum. Mit dem Namen Paraquadratura bezeichne ich den großen
Deckknocheu, der bei den Urodelen auf der Außenfläche des Quadratums liegt und
sich mehr oder weniger weit auf die Ohrkapsel heraufschiebt (Fig. 363). Seine Ho-
Panetale
ladrat.
semic. lat.
Operculum
Parasi^hen.
Kera tobr. I
'cratohr. II
tobr. III
Keratobr. IV
Fig. 363. Querschnitt durch die Labyrinthregion eines jungen, 8,2 cm langen
Siredon pisciformis.
mologie (Squamosum oder Tympanicum?) ist noch nicht sicher ermittelt, und so
wähle ich den von der Topographie hergenommenen, im übrigen rein provisorischen
Namen. Genauer verfolgt ist seine Genese bisher nicht.
Quadratom axillare. Medial von dem Paraquadratum, zwischen ihm uud
dem Quadratknorpel, liegt bei Larven von Triton taeniatus, bei Siredon pisciformis,
Amphiuma (Modell von Prof. Norris), Necturus (Modell von Prof. Kingsbury)
noch ein kleinerer Deckknochen, der somit eine Strecke weit das Paraquadratum
vom Quadratknorpel trennt. Er wird von Osaw^a (1902) bei Crypobranchus als
Tympanicum beschrieben. Seine Aehnlichkeit mit dem Quadratomaxillare der Anuren
veranlaßt mich, ihm den gleichen Namen zu geben; eine spezielle Begründung der
Homologie bleibt freilich noch Desiderat. Von dem genannten Knochen der Anuren
unterscheidet er sich vor allem dadurch, daß er nicht nach vorn bis zum Maxillare
reicht. Es ist mir aber nicht unwahrscheinlich, daß zwischen ihm und dem vorderen
Fortsatz des Os quadratum, den Riese bei Tylototriton verrucosus beschreibt, eine
Beziehung besteht. Dies sowie eine etwaige Beziehung zu dem Proc. jugalis des
Quadratums der Apoden bleibt festzustellen.
ß) D e c k k n 0 c h e 11 am M u n d h ö h 1 e n cl a c h e. Die Topographie
dieser Knochen verlangt eine andere Gruppierung als die oben (p. 711)
gegebene. Es findet sich zunächst ein ausgedehnter unpaarer Knochen
an der Schädelbasis, das Parasphenoid; ferner noch jederseits 2
Knochenbogen, deren Elemente wenigstens zum Teil Zähne tragen :
der äußere (Oberkiefer-)Bogen, der den Mundrand begrenzt und aus
dem Praemaxillare und dem Maxillare besteht, sowie der innere
(Gaumen-)Bogen, der in seiner primitivsten Anordnung dem äußeren
Bogen parallel verläuft und sich aus dem V o m e r , P a 1 a t i n u m und
Pterygoid zusammensetzt. Diese Stücke erleiden vielfache Lage-
veränderungen, die systematisch verwertet werden (lechriodonte, meko-
donte Salamandriden).
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 715
ParaspheDoid, Gehört mit zu den am spätesten auftretenden Knochen (bei
Siredon, Salamandra, Triton). O. Hertwig beobachtete es zu der Zeit, wo das
Maxillare sich bildet, als eine dünne, gitterförmig durchbrochene Lamelle von ovaler
Gestalt, die fast den ganzen Zwischenraum an der Schädelbasis zwischen Vomer,
Palatinum und Pterygoid bedeckte. Es entsteht bei den genannten Formen als selb-
ständige Schleimhautossifikation, ohne jede Beziehung zu Zähnen. Der Knochen
schließt die basikraniale vordere Fontanelle von unten, liegt mit seinen Seitenrändern
unter den Seitenwänden der Orbito-temporalregion, mit seinem hinteren Teil unter
der knorpeligen Basalplatte, mit dem vorderen unter der Interuasalplatte. Der hin-
tere Teil tritt anfangs in Beziehung zur Chorda dorsalis, indem er den ventralen
und lateralen Umfang derselben umwächst. —
Ein Zahnbesatz des Parasphenoids findet sich bei einer ganzen Reihe von
lechriodonten Salamandriden, z. B. Plethodon, Spelerpes, Desmognathus u. a. WlE-
DERSHEIM (1875, 1877) stellte fest, daß bei Spelerpes die Sphenoidalzähne einer be-
sonderen, durch Konkrescenz der Zahnsockel entstandenen Platte aufsitzen, die mit
dem eigentlichen Parasphenoid nur lose verbunden ist. Es kommt somit auch bei
Spelerpes das eigentliche Parasphenoid ontogenetisch ohne Beteiligung von Zähnen
zur Ausbildung, und die subsphenoidale, das ganze Leben persistierende Zahnplatte
ist eine sekundäre Bildung. Bei jungen Tieren von Spelerpes ist die Platte einheit-
lich, bei älteren wird sie durch Resorptionsprozesse von vorne her in der Mittellinie
in 2 Hälften zerlegt (Wiedersheim 1875).
Praem axillare. 0. Hertwig unterscheidet am Praemaxillare (Siredon, Sa-
lamandra, Triton) 3 genetisch verschiedene Teile. Die Proc. praenasalis ist der
zuerst gebildete Teil, eine Integumentossifikation, die im Corium an der Gesichtsfläche
des Schädels entsteht und sich unten vor das vordere Ende des Trabekelhornes legt.
Die Pars palatina entsteht durch Verschmelzung der Basalplättchen von embryo-
nalen, in mehreren Reihen stehenden Zähnen, und ist somit eine Schleimhautossi-
fikation. Anfangs stehen die Zähne einreihig, später fügen sich neue ein (vom inneren
Rande aus, wo die Zahnleiste liegt) und die Stellung wird zweireihig, schließlich
wird sie wieder einreihig. Der Proc. dentalis, der die Zähne trägt, ist zurück-
zuführen auf eine Ansammlung und Verschmelzung nicht resorbierter Zahnteile,
Beim Zahnwechsel wird der Zahn unvollkommen resorbiert, lamellenartige Teile des
Sockels bleiben zurück und bilden allmählich den Proc. dentalis. Dabei geht die
mehrreihige Zahnstellung in die einreihige über. — Das Praemaxillare tritt erheblich
früher auf als das Maxillare, wenn das Nasenskelett sich noch auf dem Zustande
des ersten Gerüstes befindet; bei frisch ausgeschlüpften Axolotl- und Tritonlarven
ist seine erste Anlage in Form von 2 kleinen Zähnchen bemerkbar, die noch lose in
der Schleimhaut am Eingang der Mundhöhle stecken. Bei den Tritonen verschmel-
zen beide getrennt entstandenen Praemaxillaria zu einem einheitlichen Knochen.
Maxillare. Das Maxillare hat eine ganz ähnliche Entstehung wie das Prae-
maxillare (O. Hertwig). Zunächst entsteht die Pars facialis als Integument-
ossifikation an der Gesichtsfläche des Schädels (am ventral-lateralen Umfang der
Nasenkapsel); dazu kommen die Pars palatina als Verschmelzungsprodukt der
Basalplatten von embryonalen, anfangs in einer, dann in mehreren Reihen
stehenden Zähnen, und schließlich der Proc. dentalis als Bildung der beim Zahn-
wechsel nicht resorbierten Teile der Zahnsockel. Bei seiner Entstehung geht die
mehrreihige Zahnstellung in die einreihige über. Das Maxillare tritt viel später auf
als das Praemaxillare ; bei frisch ausgeschlüpften Larven (Siredon und Triton) ist
noch nichts von ihm vorhanden. Erst wenn das Praemaxillare schon eine beträcht-
liche Größe erreicht hat (Siredon von 2 cm Länge) beginnt das Maxillare zu ent-
stehen. Bei Necturus, Proteus, Siren fehlt das Maxillare (Wiedersheim). —
"Vomer. Ist, wie das Palatinum und das Operculare, ein richtiger Zahn-
knochen, d. h. er entsteht durch Verschmelzung der Basalplättchen einer Anzahl
von Zähnen (O. Hertwig). Bei Embryonen kurz vor dem Auskriechen (Siredon,
Triton, Salamandra) fand Hertwig an Stelle des späteren Vomer unter dem
Schädelbalken erst einen jungen Zahn ; bei frisch ausgeschlüpften Larven liegt vorn
unter dem vorderen Abschnitt der Trabekel ein sehr kleines Knochen blättchen
mit einem Zahn ; es wächst, indem sich ihm innen (von der Zahnleiste aus) suc-
cessive neue Zähne anfügen. Zu bestimmter Zeit stellt somit der Vomer eine
Knochenplatte dar, die über und über mit Zähnen besetzt ist. Dieser Zustand (der
bei Siren lacertina zeitlebens erhalten bleibt) ändert sich bei den Salamandriden im
Laufe der weiteren Entwickelung: die vielreihige Zahnstellung wird in eine zwei-
reihige (ältere Siredonexemplare), oder einreihige (ausgebildete Salamandriden) redu-
ziert. Dies geschieht in der Weise, daß Zähne, die bereits gebildet waren, durch
Osteoclasten wieder zerstört werden, während die Knochenplatte, der sie aufsaßen,
erhalten bleibt. Diese Knochenplatte kann in der Folge aber auch selbständig
716 E. Gaupp,
wachsen und sich in eigener Richtung fortentwickeln , indem sie angrenzendes
Schleimhautgewebe in den Verknöcherungsprozeß hineinbezieht. Bei den Tritonen
verschmilzt der Vomer mit dem Palatinum zu einem Vomeropalatinum. Dasselbe
ist wahrscheinlich auch bei vielen anderen Urodelen der Fall (s. Palatinum).
Palatinum und Pterygoideum. Bei Embryonen von Siredon, Salaman-
dra, Triton kurz vor dem Ausschlüpfen fand Hertwig an der Stelle des späteren
Palatinum (unter dem vorderen Abschnitt der Trabecula dicht hinter dem Vomer)
zwei mit ihren Basen verschmolzene Zähuchen. Jung ausgeschlüpfte Larven besitzen
bereits ein Knochenplättcheu, das vorn 2 Zähnchen trägt, während es hinten zahn-
los ist. Die vordere zahntragende Hälfte stellt die Anlage des Palatinums dar,
die hintere zahnlose die des Pterygoids. Palatinum und Pterygoid
hängen somit ursprünglich zusammen, und dieser Zusammenhang
erhält sich auch noch bei älteren Larven.
Der vordere Abschnitt, der das Palatinum repräsentiert, entsteht nach dem
Gesagten als richtiger Zahnknochen (wie der Vomer) aus einer Verwachsung von
Zähnen und wächst durch Anfügung neuer Zähne am inneren Rande. Wie die
anderen Zahnknochen (Vomer, Operculare) ist somit auch das Palatinum eine Zeit
lang ein Knochen, der von vielen Reihen von Zähnen besetzt ist. Durch Resorption
wird dieser Zustand bei älteren Exemplaren von Siredon in den zweireihigen, bei
Salamandra (sehr spät) und Triton in den einreihigen übergeführt. Zugleich damit
entsteht der Proc. dentalis, wie beim Praemaxillare (s. dieses). Der vielreihige
Zustand, der somit als der primitivere aufzufassen ist, erhält sich dauernd bei Siren
lacertina.
Der hintere Abschnitt, das Pterygoid, entsteht und wächst ohne Beteiligung
von Zähnen durch Ossifikation des Schleimhautgewebes. Es trägt bei den Amphi-
bien überhaupt niemals Zähne.) Seine Loslösung vom Palatinum (durch resorptive
Tätigkeit von Osteoclasten) erfolgt bei Siredon (ältere Tiere), Salamandra (ca. 6,2 —
6,5 cm lange Larven), Triton (ca. 4 cm lange Larve von T. cristatus).
Bei Siredon behält das Pterygoid auch nach der Loslösuug vom Palatinum
seine ursprüngliche Lage, d. h. es bleibt dem Palatinum angeschlossen und bildet mit
diesem und dem Vomer einen knöchernen Bogen, der innen vom Kieferrand und
diesem parallel verläuft. Das Pterygoid lagert sich an die Ventralfläche des Proc.
pterygoideus des Palatoquadratums (der aber erst später entsteht als der Knochen!).
Bei Salamandra und Triton erfolgen nach der Trennung der Knochen
Lageveränderungen. Das Palatinum rückt nach seiner Loslösung weiter nach der
Mittellinie zu und dehnt sich hier nach hinten weiter aus. Bei Triton verschmilzt
es mit dem Vomer zum Vomeropalatinum. Das Pterygoid erleidet eine
Lageveränderung, die mit der Stellungsänderung des Palatoquadratums in Zusammen-
hang steht. In dem Maße, als das Unterkiefergelenk nach rückwärts wandert, ändert
auch das Pterygoid seine Stellung, indem es mit seiner vorderen Spitze seitwärts rückt.
Der Ontogenese zufolge ist (nach O. Hertwig) das Vorhandensein eines ein-
heitlichen Pterygopal atin ums als der primitive Zustand — für die Amphibien
überhaupt — aufzufassen; dieser Zustand hält sich zeitlebens bei manchen Pha-
nerobranchiaten (Necturus, Proteus). Bei Siren fehlt das Pterygoid; ebenso
(WiEDERSHElM) bei allen mit Sphenoidalzähnen begabten lechriodonten Salaman-
driden. Bei den Derotremen ist nach Hertwig das Palatinum rückgebildet und
fehlt ; andere Autoren (z. B. Wiedersheim) lassen es auch hier mit dem Vomer ver-
schmolzen sein. Ontogenetische Befunde fehlen.
Unsicher ist auch die Deutung der Zustände bei den lechriodonten Salaman-
driden. Während O. Hertwig für Plethodon em Fehlen des Palatinums annimmt,
läßt Wiedersheim diesen Knochen mit dem Vomer (wie bei Derotremen) verschmolzen
sein. Auch hierüber fehlen genaue Angaben, wie denn auch die Umwandlung des
primitiven Pterygopalatinbogens von Siredon in den von Amblystoma noch nicht
bekannt ist.
Was die Anordnung der drei Knochen des Gaumenbogens, Vomer,
Palatinum und Pterygoid, anlangt, so hält O. Hertwig den Zustand, den Siredon
sowie Salamandra- und Tritonlarven zeigen, und wobei die 3 Knochen einen inneren,
dem Oberkieferrande parallelen Bogen bilden, für den primitiven, von dem sowohl
der mecodonte wie der lechriodonte Zustande der erwachsenen Salamandriden abge-
leitet werden muß. Gegenüber den Zuständen bei Fischen ist hervorhebenswert,
daß nur noch das Pterygoid in ein appositionelles Verhältnis zu einem Teile des
Palatoquadratums (dem Proc. pterygoideus) tritt, während Vomer und Palatinum in
verschiedener Weise topograjjhische Beziehungen zum Nasenskelett gewinnen.
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 717
Knochen des Unterkiefers.
Im Bereiche des Unterkiefers können jederseits zur Ausbildung
kommen : 2 Ersatzknochen und 3 Deckknochen. Die 2 Ersatzknochen
sind das Articulare und das Mento mandibulare, Verknöche-
rungen des proximalen und distalen Endes des MECKEL'scheu Knorpels ;
die 3 Deckknochen sind : Dentale, Operculare, Angulare. Das
Operculare fehlt häufig; das Angulare kann mit dem Articulare ver-
schmelzen.
Die speciellen Vorgänge bei der Bildung des Articulare und des Mentomandi-
bulare wurden bisher nicht verfolgt. Letzteres, das Mentomandibulare, beschreibt
Parker von Proteus, auch Hertwig erwähnt seines Vorkommens; bei Triton
taeniatus habe ich es nicht feststellen können.
Von den Deckknochen des Unterkiefers besitzen das Dentale und das
Operculare Beziehungen zu Zähnen und bilden 2 Zahnbogen, die dem äußeren
und dem inneren Zahnbogen am Mundhöhlendache entsprechen. Ihnen gesellt sich
das Angulare hinzu, das zu Zahnbildungen keine Beziehung besitzt.
Dentale. Gleicht in seiner Entwickelung nach 0. Hertwig wesentlich dem
Prämaxillare und Maxillare. Es entsteht aus mehreren genetisch verschiedenen
Teilen. Der zuerst gebildete Teil ist eine Integunientossifikation und liegt im Corium
an der Gesichtsfläche des Schädels. Dazu kommt später ein zweiter Teil, der aus
der Verschmelzung der Basal plättchen von Zähnen entsteht und somit eine Ossifi-
kation der Schleimhaut darstellt. Anfangs ist die Zahnreihe einfach, später wird sie
durch Einfügung neuer Zähnchen (von der innen gelegenen Zahnleiste aus) doppelt,
um schließlich wieder in den einreihigen Zustand (durch Resorption) überzugehen.
Die im Corium entstehende Lamelle ist bei Embryonen schon kurze Zeit vor dem
Verlassen der Eihüllen als zarter Knochenstreifen an der Außenseite des Meckel-
schen Knorjaels nachzuweisen. Die Zähne entwickeln sich bei frisch ausgeschlüpften
Larven.
Operculare. Entsteht durch Verschmelzung von Zähnchen. Bei jung aus-
geschlüpften Axolotl- und Tritonlarven wird es repräsentiert durch 3 Zähnchen, die
mit ihren Basen einem Knochen blättchen aufsitzen und durch dasselbe zusammen-
hängen. Es liegt an der Innenseite des MECKEL'schen Knorpels. Sein Wachstum
erfolgt in der Weise, daß sich ihm successive ein Zahn nach dem anderen anfügt,
und zwar an der inneren Seite von der Zahnleiste aus. So entsteht ein Knochen
mit zahlreichen, vielreihig stehenden Zähnen, wie er bei Siren lacert. dauernd bleibt.
Schon frühzeitig machen sich Resorptionsvorgänge vom äußeren Rande her bemerk-
bar. Knochen- und Zahngewebe werden aufgelöst und die Zahl der Zähne dadurch
reduziert. Bei Siredon wird auf diesem Wege die vielreihige Zahnstellung in eine
zweireihige reduziert, bei Salamandra und Triton kommt es sogar bis zu einer völ-
ligen Auflösung der Zähne und des ganzen Operculare. Die Zahnleiste bildet sich
zurück (O. Hertwig).
Angulare. Entsteht ohne Beteiligung von Zähnen als ein anfangs (bei frisch
ausgeschlüpften Axolotln und Tritonlarven) gitterförmig durchbrochener Knochen-
streifen an der unteren und inneren Seite des proximalen Endes des MECKEL'schen
Knorpels. 0. Hertwig zählt es zu den Integumentossifikationen.
Knochen des Hyobranchialskelettes.
Die Knochen des Hyobranchialskelettes sind in der Hauptsache
Ersatzknochen, deren Bildung mit dem Auftreten cirkulärer peri-
chondraler Knochenscheiden an den Teilen des Knorpelskelettes an-
fängt. Bei Amphiuma entsteht ein richtiger Deckknochen am medialen
Umfange des Keratohyale (Hay).
LTeber die sehr wechselnde Ausdehnung der Ossifikation bei den einzelnen Uro-
delen s. die Schilderungen und Abbildungen bei J. G. Fischer, Wiedersheim,
Parker, Drüner. Die Verknöcherungen bei Triton taeniatus sind in Fig. 358 an-
gegeben; es bleiben hier knorpelig: das vordere und hintere Ende der Copula, der
Bügelknorpel, der vordere breitere Abschnitt sowie die hintere Spitze des Cornu
hyale, die proximalen und die distalen Enden des Hyi^obranchiale I und des Kerato-
branchiale I, endlich das ganze Hypobranchiale IL Die übrigen Teile verknöchern.
Bei vielen Salamandriden (aber nicht bei Triton) geht aus dem abgeschnürten
gegabelten Ende des Copulastieles das üs thyreoideum oder Os triquetrum hervor.
Der Deckknochen am Keratohyale von Amphiuma, von dessen Existenz ich mich an
718 E. Gaupp,
einer Serie von Herrn Prof. Norris überzeugt habe, mag den Namen Parahyale
erhalten; von Interesse wäre die Frage, ob zwischen ihm und der i^erichondralen
Knochenhülse, die bei anderen Urodelen die partielle Verknöcherung der Keratohyale
einleitet, eine Beziehung besteht.
Anuren.
Die Vorgänge der Schädelentwickelung bei den Anuren sind
schon vielfach untersucht worden ; zu Grunde gelegt wurden meist die
Verhältnisse bei Rana fusca. Besonders gut ist die Entwickelung des
Knorpelschädels bekannt, während über die Entwickelung der Knochen
noch manche Punkte der Feststellung harren.
Die wichtigsten Arbeiten über das Anurencranium, seine Entstehung und Um-
wandlung, stammen von Duges (1834), Martin St. Ange (1831), Reichert (1838),
W. K. Parker (1871, 1876, 1877, 1881), Goette (1875), Stöhr (1881), Gaupp
(1893 u. 1893*), Spemann (1898). Von den Arbeiten vor Duges ist hauptsächlich
von Wert die Monographie Eathke's über den Zungenbeinapparat, in der der
Zungenbein- und Kiemenapparat, aber auch andere Teile, wie die Ohrcolumella, in
ihrer Genese verfolgt werden. Für die Bildung der Nasenkapsel ist grundlegend die
Arbeit von Born (1877). In der nachfolgenden Darstellung schließe ich mich haupt-
sächlich an Spemann, Stöhr und meine eigene Darstellung an.
Wie bei den Urodelen, so ist auch bei den Anuren der zuerst
zur Ausbildung kommende Zustand des Kopfskelettes ein den Be-
dürfnissen des Larvenlebens angepaßter. Die speciellen hierdurch
bedingten Einrichtungen sind sogar bei den Anuren noch weiter-
gehend, als bei den Urodelen, so daß auch der Vorgang der Meta-
morphose mit viel ausgedehnteren Zerstörungs- und Umbildungs-
prozessen verknüpft ist, als bei jenen.
Während der ganzen Larvenperiode bildet in erster Linie das
knorpelige Primordialcranium die festen Skelettteile des Kopfes.
Es kommt in größerem Umfange zur Ausbildung als bei den Urodelen.
Die Entwickelung der Knochen erfolgt, im Gegensatz zu den Uro-
delen, verhältnismäßig spät; die Knochen erlangen auch nicht in dem
Maße wie bei vielen Urodelen das Uebergewicht über den Knorpel-
schädel : auch im ausgebildeten Zustande des Schädels bleibt das
Knorpelcranium in größerem Umfange erhalten und besitzt eine sehr
wesentliche Bedeutung.
L Primordialcranium.
Die einzelnen Bezirke des Primordialcraniums werden successive
sichtbar. Die meisten von ihnen sind dabei schon vor der knorpeligen
Differenzierung erkennbar und abgrenzbar durch eine bestimmte
dichtere Gruppierung der Zellen ; bei einigen jedoch (mesotisches Ge-
webe) erfolgt die Verknorpelung unvermittelt, ohne daß eine solche
Verdichtung vorherging.
Stöhr unterscheidet: 1) allererste Anlage, charakterisiert a) durch dicht
stehende Zellen, die einen runden Kern und wenig Protoplasma haben, b) durch die
relative Armut an Dotterplättchen. — 2) Weiter entwickelte Anlagen („An-
lagen" kurzweg), charakterisiert a) durch eine dichtere Gruppierung der Kerne in
kontinuierlichem Protoplasma, b) durch Färbung des ganzen Gewebszuges (nach An-
wendung;von Knorpelfärbungsmitteln, wie Bismarckbraun), c) durch die relative Armut
an Dotterplättchen. — 3) Knorpel. — Das Gewebe, das Stöhr als „weiter ent-
wickelte Anlage" bezeichnet, entspricht dem Vorknorpel anderer Autoren.
Die ersten Skelettanlagen im Bereiche des Kopfes treten bei
Rana fusca, wie überall, relativ spät auf: bei Larven von ca. 5 mm
Länge (Spemann), d. h, auf einem Stadium, das im übrigen dadurch
charakterisiert ist, daß die äußeren Kiemen hervorzusprossen beginnen
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 719
und 5 Schlundfalten (als kompakte Falten) vorhanden sind. In der
Umgebung dieser Falten und des Mundes zeigen sich die ersten
Skelettanlagen, Zuerst sichtbar werden die Anlagen des 1. und
2. Visceralbogens, sowie die des sog. Supr aro strale. In der
Schilderung stelle ich trotzdem auch hier das neurale Cranium voran.
Wie schon erwähnt, ist der erste Zustand des Kopfskelettes den Bedürfnissen
des Larvenlebens angepaßt. Dies gilt in erster Linie, außer von dem schon genannten
Suprarostral e, von den Visceralbogen, die denn auch bei der Metamorphose
viel ausgedehnteren Zerstörungs- und Umbildungsprozessen unterworfen werden.
Doch bleibt auch das neurale Cranium davon nicht unbeeinflußt. Namentlich
die Ausbildung der Skelettteile der Ethraoidalregion findet erst zur Zeit der Meta-
morphose ihre Vollendung, imd Neubildungsprozesse setzen gerade in dieser Region
zur Zeit der Metamorphose mit besonderer Intensität wieder ein. Zerstörung, Um-
bildung und Neubildung sind die Vorgänge, die bei der Metamorphose sich im Be-
reiche des Knorpelcraniums abspielen, und die Ausdehnung, die die beiden erst-
genannten erreichen, lassen die früher besprochene Bedeutung des Knorpelschädels
als einer provisorischen Bildung ganz besonders deutlich hervortreten.
A. Neurales Crauium.
Erstes Gerüst. Im Gebiete des neuralen Craniums geht, wie
bei den Urodelen, die Entwickelung des prächordalen Abschnittes
der des chordalen Abschnittes voraus. Zuerst (Rana fusca von 7 mm
Länge) erscheinen die Anlagen der Trabecu lae baseos cranii,
als 2 Streifen dichtgedrängter Zellen mit rundlichen Kernen, wenig
Protoplasma und sehr geringer Menge von Dotterplättchen, die seit-
lich unter dem Gehirn in der Orbito-temporalregion gelagert sind.
Ihr Zellmaterial soll nach Lundborg von einer Proliferation des ekto-
dermalen Epithels am Dache der Mundhöhle stammen. Das Vorderende
eines jeden Streifens biegt als T rab ekel hör n um das Riechsäckchen
nach unten und außen um und tritt mit der Anlage des Suprarostrale
in Verbindung, die aber in der Differenzierung bereits etwas weiter
vorgeschritten ist (s. Visceralskelett).
Von vorn nach hinten deutlich werdend erreichen die Trabekel-
anlagen anfangs die Chordaspitze nicht, so daß, wenn sie selbst schon
erkennbar sind, die Chorda noch von indifferentem Gewebe umgeben
wird. In der Folge schreitet aber die Gewebsverdichtung der Trabekel
nach hinten vor und erreicht den seitlichen Umfang der Chorda, etwas
hinter der Spitze derselben. Diese parachordale, mit dem Balken zu-
sammenhängende Masse bildet die erste Anlage der Balken platte
(Stöhr), d. h. des vordersten Abschnittes der chordalen Schädelbasis.
Die Richtung der Trabekel setzt die Richtung der Chorda dorsalis
ziemlich genau fort, es besteht also auch embryonal keine nennens-
werte Winkelstellung zwischen den Trabekeln und der Chorda —
entsprechend dem Mangel einer Kopfbeuge (Sewertzoff 1897.) —
Bald erlangt nun auch das anfangs ganz fortsatzlose Palatoquadratum
Verbindungen mit dem noch sehr primitiven prächordalen Schädel-
skelett. Es erfolgt zuerst vorn, hinter dem Riechsack, eine Verbin-
dung zwischen Palatoquadratum und Trabekel durch die Commis-
sura quadrato-cranialis anterior (Gaupp), und später sendet
das Palatoquadratum dicht vor der Ohrgegend den Processus
ascendens palatoqu adrati gegen den Balken hin. Der Ver-
knorpeln ngsprozeß führt zu einer festen Vereinigung der ver-
schiedenen Teile. Vorn kommt es zu einer medialen Verbindung
beider ursprünglich selbständigen Trabeculae durch die Intern asal-
platte (Stöhr; vordere Trabekularplatte, Gaupp) hinter den Riech-
720
E. Gaupp,
Säcken , ferner zu einer festen Verschmelzung der Commissura
quadrato-cranialis anterior mit dem Schädelbalken, hinten zu einer
solchen des Processus ascendens palato-quadrati mit einem sehr früh-
zeitig sich bildenden Schädelseiten wandabschnitt in der Gegend vor der
Ohrblase (Fig. 364). Dieser Schädelseitenwandteil verknorpelt in un-
Plan. infernas
fsi0 — Cornu froh.
Comm qu.-cran.
ant.
Proc. ascend.
Chorda dors.
Fig. 364. Primordiales Neurocranium und Palatoquadratum einer etwa 7,5 mm
langen Larve von ßana temporaria. Von oben gesehen. Vergr. ca. 65mal. (Nach
einem Plattenmodell von Ph. Stöhr, unter Zugrundelegung der von Fr. ZiegLer
hergestellten Kopie des Originalmodelles.)
mittelbarem Anschluß an die Trabecula. Ein zweiter frühzeitig auf-
tretender Schädelseitenwandabschnitt entsteht, ebenfalls in direktem
Anschluß an den Schädelbalken, vorn, in der Gegend, wo die Be-
festigung der Commissura quadrato-cranialis anterior sich findet.
Zwischen den beiden Trabekeln bleibt an der Schädelbasis eine weite
Lücke, die vorn durch die Internasalplatte, hinten durch die beiderseitigen
Balkenplatten begrenzt wird: die vordere basicraniale Fonta-
nelle (Fenestra basicranialis anterior). In ihrem hintersten
Abschnitt liegt die Hypophysis cerebri.
Die Differenzierung der Skelettteile im chordalen Schädel-
abschnitt folgt der im prächordalen nach. In Betracht kommen die
Basalplatte mit dem aufsteigenden Teil der Occipital-
r e g i 0 n , sowie die 0 h r k a p s e 1. Eine jede Hälfte der Basalp latte
baut sich wie bei den Urodelen aus 3 hintereinander gelegenen Ab-
Die Ent Wickelung des Kopfskelettes. 721
schnitten auf: der Balkenplatte, dem mesotisclien Knorpel und der
Occipitalplatte. Die Balken platte bildet sich, wie schon erwähnt,
im Anschluß an das hintere Ende des Balkens, zeigt also etwas ge-
ringere Selbständigkeit gegenüber dem Balken als bei den Tritonen.
Der meso tische Knorpel entsteht durch Verknorpelung des
m esotischen Gewebes, einer Gewebsmasse, die hinter der Balken-
platte neben der Chorda dorsalis gelagert ist und lateralwärts in das
die Ohrblase umgebende periotische Gewebe übergeht. Die Occipital-
platte endlich, d. h. der basale Abschnitt der Occipitalregion, wird
sehr spät deutlich, zu einer Zeit, wo die davor befindlichen parachor-
dalen Gewebsmassen schon verknorpelt sind. Sie geht bei der Ver-
knorpelung dem aufsteigenden Abschnitt der Region beträchtlich voran ;
letzterer, der 0 ccipitalp feiler, folgt erst nach einiger Zeit nach.
(In Fig. 3(i5 ist zwar die Basis, aber noch nicht der aufsteigende Teil
der Occipitalregion verknorpelt.) — Balkenplatte und mesotischer
Knorpel bilden die Pars otica des Parachor dale , die Occipital-
platte die Pars occipitalis. Im Gegensatz zu den Urodelen liegt
bei den Anuren auch der mesotische Knorpel der Chorda direkt an.
Beide Parachordalia vereinigen sich später an verschiedenen Stellen,
teils über, teils unter der Chorda, und so entsteht die einheitliche
Basalplatte.
Das mesotische Gewebe besteht aus spindelförmigen oder rundlichen Zellen
mit ovalen oder runden Kernen und verknorpelt direkt, ohne vorknorpelige Stadien
(wie Balken und Visceralskelett) zu durchlaufen. Es kommt in diesem Gewebe also
nicht zu einer dichteren Grupjiierung der Elemente, sondern die intercelluläre Sub-
stanz wird plötzlich in hyaline Knori^elmasse umgewandelt (Stöhr).
Das Occipitalskelett läßt bei seiner Entstehung einen metameren Aufbau
nicht erkennen. Doch sind von Sewertzoff (1895) bei Pelobates fuscus 3 Soraite
im hinteren Kopfgebiet nachgewiesen, die alle 3, ebenso wie das 1. Rumpfsomit,
wieder zu Grunde gehen. (Das vorderste rechnet S. schon zur jDrootischen Region,
doch ist das nicht genauer bestimmbar.) Nerven kommen für die Koj^fsomite nicht
zur Entwickelung; der Nerv des 1. Rumpfsomites degeneriert mit diesem selbst.
Der Occipitalpfeiler entsteht auf der Grenze zwischen dem 3. Kopf- und dem
1. Rumpf myotom. Daß die Ausdehnung des Anurencraniums in kaudaler Richtung
die gleiche ist wie die des Urodelencraniums, ist fraglos; es gelten somit auch für
das Anurencranium die bei den Urodelen gemachten Bemerkungen. Occipitalnerven
sind bei Anuren bisher nirgends gefunden worden.
Als selbständige Anlage der Ohrkapsel erscheint zuerst in dem
das Labyrinth umgebenden per io tischen Gewebe am lateralen
Umfange des lateralen Bogenganges ein Knorpelherd, der sich nach
vorn und hinten ausdehnt. So bildet er eine nach innen offene Schale
um den äußeren Bogengang, die vorn und hinten kuppeiförmig ab-
schließt und sich in der Nähe beider Kuppeln mit der Basalplatte
verbindet (vordere und hintere basicap sulär e Kommissur,
Gaupp). Zwischen beiden Kommissuren, der Schale am äußeren
Bogengang und dem lateralen Rande der Basalplatte bleibt eine große
Lücke bestehen , die F e u e s t r a b a s i c a p s u 1 a r i s (p r i m ä r e
Fenestra vestibuli). Die Basalplatte schiebt sich lateralwärts bis
unter das häutige Labyrinth vor und bildet dementsprechend später
einen Teil des Bodens der Ohrkapsel (Fig. 365).
Den Zustand eines Primordialcraniums, das die bisher geschil-
derten Teile ausgebildet besitzt, zeigt Fig. 365.
Weiterbildung der einzelnen Regionen. Die haupt-
sächlichsten weiteren Veränderungen, die das Chondrocranium erleidet,
sind für die einzelnen Abschnitte recht verschieden : Vergrößerung des
Handbuch der Entwickelungslehre. HI. 2. 46
722
E. Gaupp,
schon bestehenden, formale Umbildung, Neubildung und Zerstörung
sind nebeneinander wirksam.
Basal platte, Occipitalregion. Die Basal platte, die
schon bei 15 mm langen Larven (R. fusca) ihre definitive Ausdehnung
Jnfrarostr.-
Suprarostr
Drnu frab.
Cart. Meck.
Comm.(ju.-c.
ani.
Comm. basi-capS'.
ant.
Ten boii - Caps.
Comm. basi-caps.
post
Proc. wu5C.(orb.J
^alafo-(^uadr.
Trabec
Proc. asc.
Caps.cud.
Pars occip. /-,_,.
^ Chorda dors.
Fig. 365. Primordialcranium (ohne Hyobranchialskelett) einer 14 mm langen
Larve von ßana fusca, nach Verschwinden der äußeren Kiemen. Dorsalansicht. Jsach
einem bei öOfacher Vergr. hergestellten Plattenmodell (kojsiert von F. ZiEGLER-Frei-
burg). Vergr. von Abbildung zu Modell ^ 2:3; demnach Vergr. etwa 35fach.
an der Chorda erlangt hat, verharrt eine Zeit lang auf diesem Zustand,
und dann erst verknorpeln im Anschluß an ihre hinteren Partieen die
Züge verdichteten Gewebes, die hinter der Glossopharyngeus-Vagus-
Gruppe jederseits aufsteigen. Indem dieser Occipitalpfeiler. der sich
verjüngend etwa den halben Umfang des Centralnervensystems um-
greift, mit der hinteren Ohrkapselkuppel verschmilzt, kommt ein ge-
schlossenes Foramen jugulare zustande (für Glossopharyngeus,
Vagus und einen perilymphatischen Gang).
Atlanto-occipi talverbind ungen. Die vollkommene Abgliederung
des Schädels gegen den 1. Wirbel vollzieht sich langsam, und der definitive Zustand
ist erst nach der Metamorphose hergestellt. Aehnlich wie bei den Urodelen bilden
sich zwei laterale Gelenkverbindungen und eine mediane Bandverbindung aus. Bei
der Herstellung aller 3 Verbindungen ist das Occipito-vertebralgewebe be-
teiligt, das anfangs eine kontinuierliche Verbindung zwischen dem Atlas und der
Basalplatte herstellt und median von der Chorda dorsalis auf ihrem Wege vom Atlas
in die Basalplatte durchsetzt wird. Die seitlichen Partieen dieses Gewebes helfen
die Condyli occipitales und die Gele nkpf annen des Atlas herstellen, die
mittlere Partie bildet, verknorpelnd, einen kurzen medianen Höcker des 1. Wirbels
(Tu bereu lum interglenoidale), in dem die Chorda (ohne vorher verknorpelt zu
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 723
sein) zu Grunde geht. Der hinterste Teil der Schädelchorda wird ventralwärts aus
der ßasalplatte verdrängt, indem die beiden Hälften derselben sich über ihm ver-
einigen, und bildet die Grundlage des Ligamentum apicis (atlantis), das von
dem Tuberculum interglenoidale zur Veutralfläche der Basalplatte zieht. Bei Rana
kommt es also zur Bildung einer medianen epichordalen Kommissur der Basal-
platte, im Gegensatz zu der hypochordaleu der Tritonen.
Schicksal der Chorda dorsalis und der Basalplatte. Das Schicksal
der Schädel chor da ist nicht an allen Abschnitten das gleiche. Der vorderste
Teil bildet sich ganz zurück und geht zu Grunde; ein dahinter gelegener mittlerer
Abschnitt verknorpelt und geht in den Aufbau der Basalplatte ein. Der hinterste
Teil wird in bereits geschilderter Weise aus der Basalplatte ausgeschaltet und bildet
die Grundlage des Lig. apicis, das vom 1. Wirbel zur Schädelbasis zieht. In dem
mittleren Teil tritt der Knorpel autochthon auf und zwar erst nach der Meta-
morphose; bei erwachsenen Tieren ist der Teil der Chorda, der in den Aufbau der
Basalplatte übergegangen ist, nicht mehr als selbständige Knorpelpartie erkennbar.
Die lateralen Teile der Basalplatte werden durch Knochen, das Pleuroccipitale unel
Prooticum jederseits ersetzt; bestehen bleibt nur eine kreuzförmige Synchondrose :
der Längsschenkel des Kreuzes liegt median, die beiden Hälften des Querschenkels
trennen auf beiden Seiten das Pleuroccipitale vom Prooticum, können bei sehr alten
Tieren auch verknöchern (bei Rana fusca häufiger als bei R. esculenta). Der Ge-
lenküberzug auf den Condyli occipitales bleibt natürlich auch knorpelig.
Ohrkapsel. Die Veränderungen in der Labyrinthregion
bis zum Eintritt der Verknöcherung bestehen in der vollkommneren
Verknorpelung der Ohrkapsel, wobei die anfangs bestehenden weiten
Oeffnungen eine beträchtliche Einengung erfahren. Auch Decken-
bildungen über dem der Labyrinthregion zufallenden Teil des Cavuni
cranii kommen zustande. Von 2 Seiten geht die knorpelige Um-
schließung des häutigen Labyrinths und des perilymphatischen Raum-
systems aus: 1) von der Seite der Chorda (mesoti scher Knorpel ,
Stöhr), 2) vom äußeren Umfang des lateralen Bogenganges (peri-
otischer Knorpel).
Im Anschluß an den mesotischen Knorpel erfolgt die knorpelige Umschließung
der medial-ventralen Teile des mittleren Labyrinthabschnittes, während im Anschluß
an den periotischen Knorpel, der anfangs eine Knorpelschale des äußeren Bogen-
ganges darstellt (Fig. 365) die knorpelige Umwandung der lateralen sowie der hinten
und vorne gelegenen Teile des häutigen Labyrinthes vor sich geht. Doch schreitet
der Verknorpelungsprozeß nicht gleichmäßig an allen Stellen vor, sondern ge-
wisse Bezirke gehen voraus und bilden dann ihrerseits wieder gewissermaßen „Centren"
von denen der Verknorpelungsprozeß sich weiterhin ausbreitet. So verknorpelt früh-
zeitig eine obere Randleiste, die die vordere und die hintere Kuppel miteinander
verbindet und am medial-dorsalen Umfange des Labyrinthes liegt. Von ihr aus er-
folgt dann die Verknorpelung der Decke, sowie eines Teiles der medialen Wand der
Ohrkapsel. In dem Auftreten der verschiedenen auf der Grenze zwischen einzelnen
Abschnitten gelegenen Knorpelpartieen glaubte ich (1893) gewissermaßen die Tendenz
befolgt zu sehen, zunächst die Grundlinien für die gesamte Kapsel anzulegen, so
daß nach Schaffung dieses vorläufigen Gerüstes die Verknorpelung allmählicher er-
folgen kann.
Die verschiedenen Gebilde, die durch die Ohrkapselwände hindurch
treten, werden zuerst in weitem Umkreise vom Knorpel umzogen, dann
werden diese Oeffnungen immer mehr eingeengt und eventuell in mehrere
zerlegt. Von der sehr weiten Oeffnung, mit der anfangs das Schädel-
cavum in das Labyrinthcavum übergeht, wird zunächst ein größerer,
hinten und basal gelagerter Abschnitt als ein großes Foramen
p e r i 1 y m p h a t i c u m com m u n e abgetrennt, das aus der Labyrinth-
in die Schädelhöhle führt. Später erfolgt eine weitere Zerlegung dieses
Foramens in zwei: ein vorderes Foramen perilymphaticum
super ins, das aus der Labyrinthhöhle direkt in die Schädelhöhle
führt, und ein hinteres, das als Foramen perilymphaticum
inferius mehr nach der Gegend des Foramen jugulare hin blickt,
später sogar direkt in dieses Foramen einmündet. Nach Abtrennung
46*
724
E. Gaupp,
des F'oramen perily mphaticuin commune bleibt noch eine
sehr große Lücke in der medialen Ohrkapsehvand, durch die beide
Acusticusäste und der Ductus endolymphaticus treten, und die erst
Suprarostr.
Cor au trab;
ifrarosir.
Cart.Meck.
For. olfacl.
Pröc musc.
Forcran pal
Palatoguadi
Proc. asc.
p.q
Prpc.otic.
T.q.
Taen. marg.
Taeii tecl. med.
Caps audit
For.carot
Ted 5} not
For.occip. mag.
Fig. 366. Primordialcranium (ohne das Hyobranchialskelett) einer 29 mm langen
Larve von Rana fusca; Dorsalansicht. Nach einem bei 50f acher Vergr. hergestellten
Plattenmodell (kopiert von F. ZiEGLER-Freiburg). Verhältnis von Abbildung zu
Modell = 1:3; also Vergr. etwa 17fach. Von den Nerven wäre zu erwähnen : der
Trigeminus, Abducens und Facialis treten durch die große Fenestra prootica aus;
der Oculomotorius besitzt bereits ein eigenes Foramen in der Schädelseiten wand,
dessen Lage auf der linken Seite der Figur durch einen Schatten (vor dem Proc.
ascendens Palatoquadrati) angedeutet ist. Opticus und Trochlearis ziehen noch ober-
halb des oberen Trabekelrandes hinweg nach außen.
später in einzelne Foramina (For, endoly mphaticum , For.
acusticum an t er ins, For, acusticum posterius) zerlegt
wird. Es erfolgt also auch bei den Anuren die Bildung der medialen
Ohrkapselwand zuletzt (s. p, 583 u. 664), Im Innern der Ohrkapsel
bilden sich 3 Septa semicircularia und trennen die 3 Bogen-
gangsräume unvollkommen von dem großen Hauptraum ab. Als späte
Bildung entsteht außen am lateralen Bogengang die Crista paro-
tica, in der Hauptsache als Verdickung der Ohrkapselwand, Doch
erfährt sie später durch die Anlagerung des Palatoquadratums eine
Verbreiterung,
Die verschiedenen Knorpelbildungen
höhle in der Labyrinthregion (Tee tum
an der Decke der Schädel-
synoticum, hintere Teile
der Taen iae marginales, Taenia tecti medialis; s, Fig. 366)
entstehen durch lokale Verknorpelung der vorher nur häutigen Schädel-
decke, Die hinteren Teile der Taeniae marginales
hören der Orbito-temporalregion an) sind anfangs
Ohrkapselrändern getrennt, später verschmelzen sie
ge-
(die vorderen
von den oberen
mit denselben.
Die Entwickelung des Kopfskelettes.
725
C 0 1 U m e 1 1 a a ll r i S. Von den beiden Stücken, die den bchallleitenden Appa-
rat oder die Coluraella auris der Anuren zusammensetzen, nenne ich den runden DecKel
Operculum, das selbständige Stäbchen aber Plectrum. Bisher wurde das
Stäbchen häufig allein als Columella bezeichnet und dem Operculum gegenüber-
Suprarosfr
Jnfrawstr.
hart. M ecket
Cornu habec.
Trabec.
/
Fen. vestibüli
Palatoquadr
vrcran.-pai
Proc ascend.
F-q.
Proc. otic. P-q.
Hr penlymph. mf
"Forperilymph.acc.
Chorda dors. Forjugulare
Fig. 367. Dasselbe Objekt wie Fig. 366; Ventralansicht.
gestellt, ein Verfahren, das offenbar eine Inkongruenz der Bezeichnungen der schall-
leitenden Teile bei den Anuren und den anderen Wirbeltieren schuf. Einige Haupt-
besonderheiten des schallleitenden Apparates bei den Anuren habe ich an anderem
Orte (1899) zusammengestellt. Hier sei vor allem daran erinnert, daß das Oper-
culum der konstanteste Teil des Apparates ist, während das Plectrum fehlen kann
(z. ß. bei Bombinator, sowie bei Phryniscus laevis und Phryniscus varius, nach
W. K. Parker 1881). Wo das Plectrum vorhanden ist, ist gewöhnlich sein proxi-
males Ende gelenkig mit dem Operculum verbunden , das distale Ende in ein
Trommelfell eingelassen. Das Trommelfell wieder spannt sich in einem besonderen
knorpeligen Anulus tympanicus aus, der genetisch zum Palatoquadratum gehört
und daher bei diesem zu schildern ist. So bei Rana. Bei diesen Formen ist denn
auch gleichzeitig eine Paukenhöhle vorhanden. Bei den oben genannten 3 Formen
(Bombinator, Phryniscus laevis und Phr. varius) fehlen dagegen mit dem Plectrum
auch Paukenhöhle, Trommelfell und Anulus tympanicus. Weitere Besonderheiten s.
an dem angegebenen Orte.
Die Entwickelung des Operculums und des Plectrums ist schon vielfach unter-
sucht worden (Hüschke 1824, H. Eathke 1832, Reichert 1838, Parker 1871,
1876, HuxLEY 1875, Cope 1889, Villy 1890, Killia^- 1890, Gaupp 1893). Die
Resultate der neueren Untersucher stimmen in den wesentlichsten Punkten überein.
Bei der nachfolgenden Schilderung schließe ich mich meinen eigenen Darstellungen
(1893, 1899) an.
Die primäre Fenestra vestibüli (Fen. basicapsularis,
s. p. 721) verkleinert sich im Laufe der Entwickelung zunächst auf
eine sekundäre Fenestra vestibüli. In dem Verschlußgewebe
dieser sekundären Fenestra treten auf: 1) das Operculum, 2) die Pars
interna plectri. — Das Operculum geht dem Plectrum in der Ent-
726 E. Gaupp,
Wickelung voraus : es bildet sich noch mitten während des Larven-
lebens, während das Plectrum erst zur Zeit der Metamorphose auftritt
und selbst nach Beendigung derselben noch keineswegs fertig aus-
gebildet ist. Das Operculum entsteht durch eine selbständige Ver-
knorpelung des Gewebes, das den größeren hinteren Abschnitt der
sekundären Fenestra vestibuli schließt (R. fusca von ca. 30 mm). In
dem vorderen sichelförmigen Abschnitt der sekundären Fenestra
vestibuli, der vom Operculum frei gelassen ist, entsteht als zweite
selbständige Verknorpelung die Pars interna plectri, die aber bald in
knorpeligen Zusammenhang mit dem unteren Rande der Fenestra
tritt. Die Verknorpelung beginnt erst gegen das Ende der Meta-
morphose und folgt dann einem Zuge dichteren Gewebes, der sich bis
zum Palatoquadratum erstreckt. Durch die Stellungsänderung des
Palatoquadratums, die mit einer Zerstörung seiner hinteren Abschnitte
beginnt, gelangt das distale Ende dieses Gewebszuges in engere Be-
ziehungen zur Tuba auditiva und wird von dieser zur Haut alDgelenkt,
wo es dann, aussen vom blinden Tubaende, umzogen vom Anulus
tympanicus, liegt. Die Verknorpelung des ganzen Stranges schreitet
in centrifugaler Richtung, d. h. von der Labyrinthkapsel aus gegen
die Peripherie vor, und nur die Verknorpelung des äußersten Teiles
(Pars externa plectri) erfolgt mehr selbständig (Cope, Gaupp). Zwischen
der Pars externa plectri und dem Teil der Crista parotica, der gene-
tisch zum Palatoquadratum gehört (p. 736), tritt eine sekundäre Ver-
bindung durch den Processus ascendens plectri auf. — Nach der
Metamorphose findet eine Verengerung der sekundären Fenestra vesti-
buli auf die definitive Fen. vest. statt, die nur ungefähr der
hinteren Hälfte der sekundären entspricht. Der vordere Abschnitt der
sekundären Fenestra wird in eine Grube verwandelt, in der der (peri-
lymphatische) Ductus fenestrae vestibuli liegt, und die von der Pars
interna plectri ebenso bedeckt wird, wie die Fenestra vestibuli selbst
vom wahren Operculum.
Für die Auffassung des Gewebsstranges, in den hinein sich das knorpelige
Plectrum entwickelt, ist von Bedeutung, daß der N. facialis über ihn hin wegtritt.
HuxLEY (1875) homologisiert ihn daraufhin Idem Lig. suspensorio-coluraellare der
Urodelen, was durch die auf p. 696 mitgeteilten Thatsachen eine Einschränkung da-
hin erleidet, daß nur ein Bandzug, wie ihn z. B. Necturus zeigt, für jene Homologie
in Frage kommt. Bezüglich der Verlaufsänderungen, die der R. hyomandibularis
des N. facialis und der sich mit ihm vereinigende R. communicans des N. glosso-
pharyngeus erleiden, verweise ich auf meine Arbeit (1893). — Die selbständige Ver-
knorpelung der Pars externa plectri wurde von Cope (1888) zuerst beschrieben: ich
habe sie mehrfach bestätigt gefunden. Die Bedeutung dieses Fundes ist noch nicht
klar; bemerkenswert ist, daß auch bei anderen Amphibien etwas ähnliches vorzu-
liegen scheint (Ichthyophis nach Peter).
Mit dem Hyale hat weder das Operculum noch das Plectrum ontogenetisch
etwas zu thun : dasselbe befindet sich beim Auftreten beider noch im vorderen Teil
der Orbi to-temporalregion in Verbindung mit dem Palatoquadratum.
Orbito-temporalregion. Die Fortbildungen, die das Skelett
der Orbito-temporalregion von dem in Fig. 365 dargestellten Zustande
aus erleidet, sind sehr beträchtlicli. Aus dem früh-larvalen Verhalten,
das durch das Vorhandensein der beiden dicken basalen Schädel-
balken zur Seite einer großen basikranialen Fontanelle charakterisiert
ist, geht schließlich das definitive hervor, ausgezeichnet durch einen
kontinuierlichen Boden, hohe kontinuierliche, nur von Nervenlöchern
durchbohrte Seitenwände und selbst einige Deckenspangen über der
Schädelhöhle.
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 727
Der Boden verknorpelt im Anschluß an die Ränder der basikranialen Fonta-
nelle, und zwar hauptsächlich von den Seiten (Trabekel), aber auch von vorn (Inter-
nasalplatte) und von hinten (ßasalplatte). Die Trabekel behalten ihre zueinander
parallele Lage bei; es entsteht ein plattbasischer Schädel, dessen Boden durch
Verknorpelung des intertrabekulären Gewebes zu stände kommt. Der hinterste Teil
der ursprüilglichen Fontanelle, der die Hypophysis cerebri eingelagert enthielt, ist
erst nach der Metamorphose vollständig geschlossen. Bei der Verknorpelung des
Bodens bleiben 2 Foramina ausgespart: ein hinteres, das (primäre) For amen caro-
ticum, durch das die A. carotis interna in den Schädelraum eintritt und ein vorderes
(For. cranio-palatinum), durch das ein Ast dieser Arterie aus dem Cavum
cranii heraus an das Dach der Mundhöhle tritt (Fig. 366 und 367; das For. caro-
ticum der linken Seite ist auf dem abgebildeten Modell noch nicht völlig geschlossen,
sondern bildet erst eine Incisur). Beide Foramina erleiden weiterhin beträchtliche
Veränderungen. Das Foraraen caroticum verschmilzt mit dem über dem Schädel-
balken gelagerten Foramen N. oculo-motorii (durch das auch die A. ophthalmica
austritt), indem der trennende Trabekelabschnitt zu Grunde geht. Dadurch wird
der Abschnitt der Carotis bis zur Abgabe der Ophthalmica wieder aus der Schädel-
höhle ausgeschlossen, so daß im ausgebildeten Zustande die A. carotis cerebralis
durch das Oculomotoriusloch in das Schädelcavum tritt, nachdem sie (außerhalb der
Schädelhöhle) die A. ophthalmica abgegeben hat. Manchmal trennt sich später von
dem Oculomotoriusforamen noch der Teil, den die A. carotis cerebralis passiert, ab:
das so entstandene Carotisloch hat aber nichts mit dem primären, larval vorhan-
denen zu tun. Nur dieses letztere, das an der Schädelbasis zur Seite der Hypo-
physis cerebri liegt, entspricht dem Foramen caroticum, das bei Saui'opsiden und
Säugern die Basis des Primordialcraniums durchsetzt. Das Foramen cranio-
palatinum verschwindet nach der Metamorphose, ebenso wie die A. cranio-palatina,
die früher durch das Foramen hindurchtrat.
Die ersten Abschnitte der Seiten wand entstehen auf der vorderen und hinteren
Verbindungsstelle des Schädelbalkens mit dem Palatoquadratum. Die zwischen
diesen beiden Stellen befindliche Partie der Schädelwand verknorpelt zum Teil im
Anschluß an den Schädelbalken nach aufwärts, zum Teil von einer oberen Rand-
leiste (vordere Hälfte der Taenia marginalis) aus, die sich zwischen den oberen
Teilen jener zuerst entstandenen VVandstücke bildet. Hier wiederholen sich also
Verhältnisse, wie sie sich auch bei Selachiern, Ganoiden und Urodelen (Necturus)
finden. Der N. opticus, N. oculomotorius und N. trochlearis werden in
besoudere Foramina der Schädelseitenwand eingeschlossen. (Ueber die späteren Be-
ziehungen des primären For. caroticum zum For. oculomotorium s. oben.) Noch
bevor die kontin uierhche Schädelseitenwand sich gebildet hat, erfolgt eine Vereinigung
des hinteren (der Labyrinthregion angehörigen) Abschnittes der Taenia marginalis
mit der oberen Partie des hinteren Schädelseitenwandpfeilers, wodurch eine große
Fenestra prootica zu stände kommt. Der N. trigeminus, N. facialis und
N. abducens treten durch dieselbe aus (Fig. 866). Später verwächst der laterale
Rand der Taenia marginalis mit dem oberen Ohrkapselrand und ebenso der Hinter-
rand der orbito-temporalen Schädelseitenwand mit der Ohrkapsel. Dadurch wird die
anfangs weite Fenestra prootica auf ein enges Foramen prooticum ver-
kleinert. Daß mit dem Trigeminus auch der Abducens durch dieses For. prooticum
hindurchtritt, entspricht dem Verhalten bei allen Amphibien; der Anschluß des
Facialis an den Trigeminus ist dagegen eine Besonderheit der Anuren (nicht aller).
Er läßt sich erklären durch die Annahme, daß die Knorpelbrücke, die bei manchen
Urodelen (Amphiuma, Siredon) die beiden Nerven trennt, bei den Anuren nicht zur
Ausbildung gelangt.
Die Bildung des Bodens und der Seitenwand vollzieht sich, dem Gesagten zu-
folge, in ähnlicher Weise wie die Bildung der Ohrkapsel: es entsteht zuerst ein
Gerüst, das in großen Zügen die definitive Form vorzeichnet und sich aus einzelnen
Spangen zusammensetzt, welche die Nerven- und sonstigen Oeffnungen weit um-
kreisen. Erst später findet eine Einengung dieser Oeffnungen von den Rändern
her statt.
Die Trabekel (abgesehen von dem zu Grunde gehenden Stück zwischen For.
caroticum und For. N. oculoraotorii) erleiden während der Ausbildung des Bodens und
der Seitenwand der Orbitalregion beträchtliche formale Umwandlungen. Sie verüeren
in dem Maße an Mächtigkeit, als die Verknorpelung des Gesamtcraniums Fortschritte
macht, und zwar dadurch, daß sie einer partiellen Resorption unterliegen und auf
diese Weise in ihrer Dicke den übrigen Teilen des Bodens und der Seitenwand gleich
gemacht werden. Darin prägt sich deutlich aus, daß die Trabekel in der kräftigen
Ausbildung, die sie bei Anuren anfangs haben, speziell für das Larvenleben bestimmt
sind, besonders wohl, um das feste Widerlager für den Kieferapparat zu bilden.
728
E. Gaupp,
Daß hierin ihre Hauptbedeutung liegt, erhellt daraus, daß sie schließlich als be-
sondere Elemente verschwunden sind, wenn der Öuspensorialajjparat seine Befesti-
gung von ihnen ganz auf die Ohr- und Nasenkapsel verlegt hat. In dieser Wandlung,
die sie durchmachen , bieten sie ein interessantes Beispiel für die auch an dem
Trabekelhorn und dem Infrarostrale zum Ausdruck kommende Erscheinung, daß für
die Larvenperiode der Anuren gewisse Teile massiger angelegt werden, als für das
Bedürfnis des definitiven Zustandes nötig ist, und daß erst in der Metamorphose
die Reduktion auf das notwendige Maß erfolgt, dadurch, daß die definitive Form wie
aus dem Block erst herausgearbeitet wird (Gaupp 1893, 1901).
Eine kontmuierliche knorpelige Decke über dem Cavuni cranii kommt in der
Orbito-temporalregion nicht zur Ausbildung, es bildet sich nur im hinteren Teil der
Eegion eme quere Deckenspange (Taenia tecti trans versalis), die sich nach
hinten mit der Taenia tecti medialis der Labyrinthregion in Verbindung setzt und
nach vorn hin noch einen kurzen medianen Fortsatz entwickelt. Die genannte
Spange entsteht gewöhnlich durch gleichmäßiges Vorschreilen der Verknorpelung
von den oberen Eändern der Seitenwände aus nach innen ; hin und wieder aber
verknorpelt auch die mittlere Partie ganz selbständig. Es handelt sich also
auch hier (wie auch bei der Bildung des Bodens und der Seitenwand) um eine lokale
Verknorpelung eines schon vorher vorhanden gewesenen Gewebes, nicht aber um ein
wörtlich zu nehmendes ,, Vorwachsen" des Knorpels der Seitenwände. Die Taenia
tecti transversalis entspricht der Epiphysarspange der Teleostier.
E thmoidalregioD. Die Ausbildung des Skelettes der Eth-
moidalregion, das bei dem erwachsenen Frosch eine so hohe Ent-
wickelung und Komplikation aufweist, vollzieht sich ziemlich spät.
Während des größten Teiles der Larvenperiode bestehen in der Eth-
moidalregion nur die beiden aus der In ter nasalplatte heraus-
For.olf.
Fon orh nas. I Carl oblieg.
Cart. alar.
Flan.antorb
Jeyl na 5.
~Cart. pra enoi.
j (Cart. Wieder5heim.J
"Cornu trab.
roc. max. anf.
Froc. pteryg.
Palatoauadr.
Fig. 368. Anlage des Nasenskelettes der rechten Seite über dem intakten Tra-
bekelhorn, von einer 37 mm langen Rana fusca gegen Ende der Metamorphose
(ganze Länge 37 mm, Schwanz 22 mm, hintere Extremitäten kräftig). Nach einem
bei 50facher Vergr. hergestellten Plattenmodelle. Verhältnis von Abbildung zu Modell
= 1:2; demnach Vergr. 25fach.
tretenden Trabekelhörner , die an ihren vorderen Enden die
Suprarostralia tragen (Fig. 365, 366, 367). Von diesen Teilen gehen
während der Metamorphose die Suprarostralia sowie die vorderen
Hälften der Trabekelhörner völlig zu Grunde; die Internasalplatte
sowie die hinteren Hälften der Trabekelhörner bleiben — wenigstens
teilweise — erhalten, nachdem sie vorher in den Aufbau des Nasen-
Die
Entwickelung
des Kopfskelettes.
729
Skelettes einbezogen wurden. Die Bildung des Nasenskelettes beginnt
zu einer Zeit, wo die Trabekelhörner noch völlig intakt, und die
Suprarostralia noch in Funktion sind, über den hinteren Teilen der
Trabekelhörner (Fig. 368).
Auch bei Rana liegea ia jungen Stadien die Nasensäcke weit lateral, in be-
trächtlicher Entfernung von der Mittelebene. (Anfangs liegen sie sogar neben dem
Gehirn, erst später finden sie sich apicalwärts von demselben.) Die Choane liegt
seitlich von der Interuasalplatte vor der Commissura quadr.-cran. ant., die übrigen
Teile liegen im wesentlichen lateral von der hinteren Hälfte des Trabekelhornes,
ragen aber über dessen obere Kante dorsalwärts empor (Fig. 369 — 371). Erst später
dehnen sie sich etwas mehr auf die Oberfläche der Trabekelhörner aus. Es besteht
also anfangs wie bei Urodelen ein Internasalraum zwischen den Innenwänden beider
Nasensäcke.
Zuerst erfolgt der vordere Abschluß des Cavum cranii
gegen^den
Internasalraum durch eine Präcerebralplatte, die zwischen den
beiderseitigen Nn. olfactoriis entsteht und sich über diesen Nerven
mit dem vordersten Abschnitt der orbitalen Schädelseitenwand in Ver-
setzt.
bindung
mediane laterale
N. med. nas. Skelett-Anlage
Lig. quadr.-
ethmoid.
Fig. 369. Querschnitt durch den hinteren Teil der Ethmoidalregion einer vor
der Umwandlung stehenden Larve von Rana fusca. Anlage des Nasenskelettes über
den intakten Trabekelhörnern. "Vergr. 30mal. (Der Schnitt geht gerade noch durch
den vordersten Rand der Interuasalplatte hindurch.)
Wie Fig. 366 zeigt, entsteht dabei zuerst medial von jedem N. olfactorius ein
Pfeiler, der sich einerseits über dem Nerven mit der orbitalen Schädelseitenwand
verbindet (wodurch das For. olfactorium zu stände kommt) und andererseits
auch mit seinem Partner eine dorsale Verbindung eingeht. So kommt wie bei Uro-
delen (Fig. 349, a. jd. 694) eine Fenestra praecerebralis zu stände, die aber
alsbald, im Gegensatz z. B. zu Triton, durch Verknorpelung des sie ausfüllenden
Schleimgewebes verschlossen wird. So wird die Präcerebralplatte vollständig.
Alsdann kommt es zur Bildung des Planum ant orbitale,
d. h. der hohen Knorpelwand, die die Hinterwand der Nasenkapsel
bildet und die Nasenhöhle von der Orbita trennt. An ihrer Bildung
ist die Commissura quadrato-cranialis anterior nicht be-
teiligt, vielmehr entsteht der Knorpel neu, in dem Winkel zwischen
der genannten Kommissur und der Schädelseitenwand. Der Knorpel,
der dem Antorbitalfortsatz der Urodelen entspricht, bildet hier
bei den Anuren das hohe Planum antorbitale fast allein (während
730
E. Gaupp,
dieses bei den Urodelen zum größeren Teil durch den von der Decke
aus heral) wachsenden Knorpel gebildet wird) und entwickelt außen 2 Fort-
sätze, den Processus m a x i 1 1 a r i s anterior und den Processus
m axillaris posterior, von dem sich der letztere gegen das Ende
der Metamorphose mit dem Processus pterygoideus des Quadratknorpels
■ ''' " ' setzt (Fig. 372, a. p. 736).
in
Verbindung
JV. med. nas.
Gland. nas. med. I JV. olfactor.
Cornu trabec.
~ Lig. qiiadr.- ethm.
Anlage des Septiim Lig. intertrah. ivf.
Fig. 370. Querschnitt wie Fig. 369; etwas weiter vorn. Vergr. 30mal.
Gland. nas. med.
Cav. sup.
( in med.
Cai I nf.
Co) Uli tiabec.
Lig. intertrab. inf.
Fig. 371. Querschnitt wie Fig. 369 u. 370; noch weiter vorn. Vergr. 30mal.
Zwischen dem oberen Rande des Planum antorbitale und der Decke der Nasen-
kapsel, die sich mit seinem oberen Rande verbindet (Fig. 372), bleibt ein For. orbito-
nasale, durch das der erste Trigeminusast aus der Augen- in die Nasenhöhle tritt.
Auch dadurch erweist sich das Planum antorbitale als eine dem Proc. antorbitahs
der Urodelen entsprechende Bildung ; sein spätes Auftreten bei den Anuren hängt
wohl mit der späten Ausbildung des Geruchsorganes und mit dem Vorhandensein
der Commissura quadrato-cranialis anterior zusammen.
Das gesamte, vor der Ethmoidalplatte und der Antorbitalplatte
gelegene Nasengerüst entsteht aus einer unpaaren medianen und zwei
seitlichen paarigen Anlagen. Das unpaare auf dem Querschnitt T-för-
mige Septum (Fig. 369—371) bildet sich im Anschluß an die Prä-
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 731
cerebralplatte von hinten nach vorn durch Verknorpelung des medianen,
zwischen beiden Nasensäcken gelegenen Schleimgewebes ; die beiden
seitlichen Anlagen verdichten sich aus dem p er irhinischen Ge-
webe, das die Nasensäcke umgiebt. Zunächst bildet sich, vom oberen
Rande des vordersten Teiles der orbitalen Schädelseitenwand (lateral
vom For. olfactorium) an nach vorn hin eine Decke, deren Innenrand
anfangs frei ist und erst sekundär mit der oberen Querleiste des Sep-
tums verschmilzt (Fig. 369). Dazu kommt im vorderen Abschnitt
der Nasenhöhle noch eine besondere mediale Wand für den oberen
Nasenraum (der den sog. oberen Blindsack umschließt). Indem auch
diese Wand mit dem Septum verschmilzt, erfährt das Septum an
dieser Stelle eine ganz besondere Verdickung (s. Fig. 371 ; doch ist
hier die Verknorpelung noch nicht erfolgt). Vom Boden bildet sich
der hintere Abschnitt unter N'erwendung des Trabekelhornes, der
ganze vordere Abschnitt dagegen durch Knorpelneubildung über dem
Trabekelhorn. Dieses geht, wie gesagt, in seiner vorderen Hälfte ganz
zu Grunde. Der vordere komplizierte Abschluß der Nasenhöhle ent-
steht durch lokale Verknorpelung des perirhinisclien Gewebes; die
Gart, alaris bildet sich durchaus im Zusammenhang mit dem vor-
deren Kuppelknorpel und hängt auch noch lange Zeit nach der Meta-
morphose knorpelig mit ihm zusammen. Erst bei älteren Tieren
gliedert sie sich durch bindegewebige Umwandlung einer schmalen
Knorpelzone von ihm ab. Als kleiner Vorsprung entsteht an ihr der
obere Pränasalkuorpel.
Der Knorpelbildung geht überall eine lokale Verdichtung der an den ver-
schiedenen Stellen gelegenen üewebsmassen voraus. So erfolgt eine Verdichtung
des medianen Sehleimgewebes (Anlage des Septums) und eine solche des Gewebes,
das vom Dorsalumfauge des einen Nasensackes zu dem des anderen herüberzieht.
Letzteres hängt in der Medianebene mit der Septumanlage zusammen, so daß die
verdichtete Gewebsmasse auf dem Querschnitt die Form eines T erhält (Figg. 369
bis 371). Die Verknorpelung schreitet in den 3 Schenkeln des T gesondert von
hinten nach vorn vor (wobei das Septum den beiden Decken etwas voraus geht),
allerdings tritt sehr bald auch die knorpelige Verschmelzung ein. Im hinteren Ab-
schnitt der Nasenhöhle bleibt die Verdichtung des perirhi9ischen Gewebes auf die
Decke beschränkt ; im vorderen Abschnitt dagegen setzt sie sich von der Decke auf
den medialen Umfang des Hauptraumes der Nase (des oberen Blindsackes Born's),
sowie zwischen diesen und den unteren Blindsack fort (Fig. 371). Letztere Partie
bildet später die Crista intermedia. Der untere Raum erhält keine eigene
Innenwandung, sondern dehnt sich bis an das mediane Septum aus. Die übrigen
Knorpel partieen (am vorderen und lateralen Umfang des vorderen Teiles des Nasen-
sackes) entstehen an Ort und Stelle in dem perirhinischen Gewebe. — Am merk-
würdigsten vollzieht sich die Bildung des Bodens der Nasenkapsel. In der ersten
Zeit bilden die Trabekelhörner denselben ganz allein. Später gesellen sich aber neue
Teile hinzu. Zunächst sind hier die mediale und die laterale Randleiste zu
nennen. Das Septum, das anfangs mit freiem ventralen Rande aufhört, wächst bald
soweit nach abwärts, daß es auf das Ligam en tum intertrabeculare inferius
(Born), d. h. eine zwischen beiden Trabekelhörnern ausgespannte Membran (Fig. 3711
stößt. In diese hinein setzt sich dann die Verknorpelung vom unteren Septumrande
aus nach beiden Seiten fort, und so entsteht zwischen dem unteren Rande des
Septums und dem medialen Umfange des Trabekelhorns jeder Seite ein Knorpel-
streifen, der erheblich niedriger ist als das Trabekelhorn selbst (mediale oder para-
septale Randleiste). Dieses Verhalten hat jedoch nur für den hintersten Teil der
Nasenhöhle Giltigkeit; etwas weiter vorn folgt der Streifen nicht mehr dem medialen
Umfange des Trabekelhorns, sondern schiebt sich auf die Oberfläche des letzteren
herauf. Ein ganz entsprechendes Verhalten zeigt die laterale Randleiste, d.h.
ein neu entstehender Knorpelstreifen am lateralen Rande des Trabekelhornes.
Während sie hinten dem Trabekelhorn seitlich ansitzt, wendet sie sich weiter vorn
mehr auf die Oberfläche des letzteren und begleitet dasselbe in dieser Lage sogar
als rundlicher Streifen bis nahe an das vordere Ende. Das weitere Schicksal der
einzelnen Teile ist nun folgendes. Im hintersten Gebiete der Nasenhöhle wird das
732 E. Gaupp,
Trabekelhorn, durch Zerfall seiner Substanz am oberen und unteren Umfang, auf
die Dicke der beiden ihm ansitzenden Randleisten reduziert und bildet mit diesen
zusammen den Boden der Nasenkapsel. Weiter vorn wachsen sich die beiden Rand-
leisten auf der Dorsalfläche des Trabekelhornes entgegen, vereinen sich und bilden
so eine Strecke weit einen supratrabekulär entstandenen Boden. Das ventralwärts
verdrängte Trabekelhorn geht zu Grunde, und damit wird zugleich der vorderste
Teil der ,,lateraleu Randleiste", der seiner Überfläche auflag, als Cartilago
praenasalis inferior lateralis (WiEDERSHEiM'scher Knorpel) frei (Fig. 368).
Mit der Ausweitung der Nasenhöhle nach vorn hin (bei und nach der Metamorphose)
wird nun aber die Ebene der Nasenkapselvorderwand (die anfangs mit freiem ven-
tralen Rande aufhört) nach vorn hin verschoben. Der vorderste Abschnitt der
Nasenkapsel muß demnach einen Boden erhalten, der von vornherein ganz ohne Be-
ziehung zum Trabekelhorn ist. Dies ist denn auch der Fall : eine Gewebsverdichtung,
die den freien unteren Rand des vordersten Septumabschnittes (Fig. 368) mit der
lateralen Randleiste und der Vorderwand des unteren Nasenhöhleuraumes verbindet,
geht der Knorpelbildung voraus. Letztere erfolgt von außen nach innen. Neben
dem Septum bleibt dabei eine größere Lücke, das Foramen apicale (Fenestra
nasobasalis) ausgespart , durch das der N. medialis nasi den Nasenkapselraum
verläßt.
Wie Born (1877) gezeigt hat, sind bei Pelobates die Trabekelhörner viel mäch-
tiger ausgebildet als bei Rana, was wohl damit zusammenhängt, daß die Larve von
Pelobates im Verhältnis zum ausgebildeten Tier ungleich größer ist, als die von Rana.
Je größer aber die Larve im Verhältnis zum ausgebildeten Tier wird, um so auf-
fälliger wird das Mißverhältnis zwischen der Größe der specifischen Larvenwerkzeuge
und den inzwischen sich ausbildenden Organen der definitiven Form. Infolgedessen
liegen die Nasensäcke bei Pelobates rein seitlich von den hinteren Hälften der Tra-
bekelhörner, und die letzteren besitzen eine so beträchtliche Höhe, daß sie eine
vollkommene dicke Innenwand für jeden Nasensack bilden. Zwischen beiden Tra-
bekelhörnern findet sich der Internasalraum. Infolge dieser stärkeren Entwickelung
der Trabekelhörner erscheint der Gegensatz zwischen ihnen und den später entstehenden
Abschnitten des knorpeligen Ethmoidalskelettes noch schärfer als bei Rana, letztere
dokumentieren eine noch größere Selbständigkeit und Unabhängigkeit. Auch sind
bei Pelobates infolgedessen ausgedehntere Resorptionsvorgänge an den Trabekel-
hörnern nothwendig. Das Septum ist bei Pelobates eine sehr späte und sehr kom-
plizierte Bildung. Doch sind prinzipiell die Vorgänge die gleichen, wie bei Rana,
und die Unterschiede lassen sich durch die anfängliche Lageverschiedenheit der
Nasensäcke erklären. Genaueres s. bei Born.
Bei der im Einzelnen recht komplizierten Bildung des Ethmoidalskelettes ist
vor allem die Unabhängigkeit von den Trabekelhöraern zu betonen, die
schon von Born seinerzeit festgestellt wurde. Die Trabekelhörner in der Form, wie
sie bei Anurenlarven vorhanden sind, dokumentieren sich dadurch als besondere
provisorische Skelettteile, die vor allem bestimmt sind, für die Suprarostralia und
die oberen Hornkiefer ein festes Widerlager zu bieten. Als ganz besondere Anpas-
sung an diese Aufgabe sind ihre vorderen Abschnitte anzusehen, die später total
zerstört werden. Ihre Ausbildung bedingt das eigen thümliche Verhalten, das der
Proc. praenasalis inf. lat. anfangs zeigt (Fig. 368); bei Urodelen ist derselbe von
vornherein frei, weil die ,, Trabekelhorn er" sich nicht in der Weise ausbilden, d. h.
nicht so weit nach vorn reichen, wie bei Anuren. Die hinteren Partieen der Tra-
bekelhörner der Anuren können auf die Teile bezogen werden, die auch bei den
L'rodelen mit dem gleichen Namen bezeichnet werden; nur daß auch sie eine ganz
besondere Massenentwickclung erfahren. Haben sie dann ihre larvale Rolle aus-
gespielt lind sind ihnen die übrigen Partieen des P2thmoidalskelettes in der Verknor-
pelung nachgefolgt, so werden sie zur Bildung des Nasenkapselbodens verwendet,
aber unter beträchtlicher Reduktion ihrer Masse: es wird, wie das auch an den
Trabekeln der Orbitalregion zu beobachten ist, ein Teil ihrer Substanz eingeschmolzen,
resorbiert, so daß sie auf dieselben Stärke kommen, wie die selbständig entstandenen
Boden partieen.
Was die Konf igura tion des Nasen skelettes bei den Anuren anlangt, so
läßt sich der Grundplan, der bei den Salamandriden herrscht, auch hier erkennen,
wenn auch in reicherer Ausführung. Auch bei den Anuren lassen sich eine vordere,
mittlere und hintere Skelettzone unterscheiden. Die vordere zeigt die meisten sjDeciellen
Komplikationen, in Anpassung an die Konfiguration des vorderen Teiles des Nasen-
sackes. Außer den Scheidewandbildungen zwischen den verschiedenen Blindsäcken
ist besonders zu erwähnen die (unvollkommene) Zerlegung der großen Fenestra
narina in einen vorderen oberen Abschnitt für die Apertura nasalis externa und einen
hinteren unteren Abschnitt für den Thränennasengang und die Glandula nasalis externa,
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 733
— bewirkt durcli die Cartilago alaris, die von vorn her vorspringt. Abgesehen
hiervon erscheint als eines der wichtigsten Merlviuale, daß bei den Anuren die hintere
Hälfte der Nasenkapsel die vordere noch erheblicher an lateraler Ausdehnung über-
trifft, als das bei den Urodeleu der Fall ist. Darauf kann die völlige Trennung der
mittleren Skelettzone von der hinteren an der Seite und an der Basis der Anuren.-
nasenkapsel zurückgeführt werden. Das Planum conchale wird so zu einem
Plan u m terminale der Cart. obliqua, und hinter ihm erstreckt sich eine große
Durchbrechung der Wand (Fen. dorsolateralis) von der Decke über die Seite bis zur
Basis. Sehr interessant ist in dieser Hinsicht, daß nach Born (1877 ; ich kann es für
Bombinator bestätigen) bei Bombinator und Pelobates in jüngeren Stadien das Pla-
num terminale noch mit der Decke über dem hinteren Kapselabschnitt zusammen-
hängt und so wie bei den Urodelen eine Fenestra dorsalis von der Fenestra lateralis
(infraconchalis) getrennt wird. Es ist dies als primitiveres Verhalten aufzufassen.
Außer den beiden Cartilagines praenasales inferiores laterales
kommt bei vielen Anuren (manchen ausländischen Kana-Species, wie R. tigrina, R.
gracüis u. a., ferner bei Pseudis paradoxa, Hyla arborea, Gomphobates, Calypto-
cephalus und vielen anderen, nach Parker 1881) noch eine unpaare mediane
Cartilago praenasalis inferior media vor, wie sie auch Siren und Ichthy-
ophis besitzen (s. Urodelen).
B) Primordiales Visceralskelett.
Bei (leu Anurenlarven kommen Kiefer-, Zungenbein- und 4
Kiemenbogen zur Ausbildung; daneben entstehen 2 Paare von Lippen-
knorpeln, ein oberes (Suprorostralia) und ein unteres (Infrarostralia).
Von diesen zeigen die Suprarostralia Beziehungen zu den Trabekeln,
die Infrarostralia solche zu den MECKEL'schen Knorpeln. Die Supra-
rostralia werden als in die Kategorie präoraler Skelettteile gehörig
aufgefaßt und sollen daher hier für sich geschildert werden ; die Infra-
rostralia, deren Bedeutung als abgegliederte Stücke der MECKEL'schen
Knorpel lediglich aus dem späteren Schicksal zu begründen ist, werden
beim Kieferbogen mitbehandelt werden.
1. Suprarostrale (Cartilago labialis superior, Oberlippen-
knorpel).
Noch ehe von den Trabekeln etwas sichtbar wird, auf dem oben
(p. 718) skizzierten Stadium (5 mm), ist die Anlage des Suprarostrale
schon als ein Haufen dicht gedrängter Zellen seitlich und vor der Mund-
höhle erkennbar (Stöhr, Spemann). Zuerst wird sein lateraler Teil
angelegt; während von ihm aus die Gewebsverdichtung längs des oberen
Hornkiefers fortschreitet, werden die Trabekel sichtbar. Das vor-
knorpelige Gewebe der Trabecula stößt dann mit dem des Supra-
rostrale zusammen, so daß eine Grenze zwischen ihnen nicht mehr
vorhanden ist (Stadium von 7 mm). An den Stellen, wo die erste
Gewebsverdichtung auftrat, beginnt auch die Verknorpelung: jedes
Suprarostrale erhält also auch einen eigenen Knorpelkern. Zwischen
dem Trabekelhorn und dem Suprarostrale bildet sich ein Gelenk aus :
die beiderseitigen Suprarostralia, die anfangs voneinander getrennt sind
(Fig. 365, a. p. 722), verschmelzen später untereinander zu einer breiten,
mit unterem scharfen Rande versehenen Platte (Fig. 366, a. p. 724), die
auf diesem Zustand während des Larvenlebens verharrt. Kurz vor dem
Durchbruch der vorderen Extremitäten beginnt die Zerstörung der
Suprarostralia, und zwar in den mittleren Partieen. Die lateralen,
nach hinten gerichteten Arme, die zu Muskelansätzen dienten, bleiben
länger erhalten. Die Zerstörung ist eine vollkommene; in den Auf-
bau des definitiven Schädels wird von den Oberlippenknorpeln nichts
übernommen. Sie sind ganz transitorische, für das Larvenleben be-
stimmte Gebilde (Gaupp).
734 E. Gaupp,
Auch der obere Hornkiefev beginnt, wie seine 8kelettgrundlage, das Supra-
rostrale, seine Bildung lateral und ist somit wie dieses anfangs in der Mitte unter-
brochen.
Die erste Entwickelung des Suprarostrale und sein Verhältnis zu der Anlage
des Balkens ist von Stöhr und Spemann ziemlich gleichlautend geschildert worden.
Aus dem vorknorpeligen Zusammenhang zwischen beiden Teilen schließt Stöhr, daß
die Suprarostralia durch Abschnürung von den Balkenanlagen entstehen und sich
hierdurch als vorderste Abschnitte der seitlichen Schädelbalken dokumentieren, die
sich von den Balken zur Uebernahme einer neuen Funktion abgegliedert haben.
Demgegenüber betont Spkmann die auch Stöhr nicht entgangene Thatsache, da!)
schon die ersten Gewebs Verdichtungen, die die Entstehung des Suprarostrale und
des Balkens einleiten, selbständiger Natur sind, und daß sich der Zusammenhang
zwischen beiden erst sekundär ausbildet. Somit würde also aus den Erscheinungen
der Ontogenese kein direkter Beweis für die Richtigkeit der STÖHR'schen An-
schauung zu entnehmen sein. Mit Recht betont jedoch Spemann, daß durch den
ontogenetischen Befund die STÖHR'sche Auffassung auch noch nicht als falsch hin-
gestellt werde. Ebensowenig wie die Ausbildung des vorknorpeligen Zusammen-
hanges für die Zusammengehörigkeit beider Teile spricht, kann die getrennte Ent-
stehung als Beweis für das Fehlen eines genetischen Zusammenhanges angeführt
werden. Der schon von Ht^xley angestellte Vergleich der Suprarostralia der
Anurenlarven mit dem sog. Halbringknorpel von Petromyzon scheint manches für
sich zu haben, doch ist die Frage, ob das Saugmaul der Anurenlarven direkt von
dem der Petromyzonten ableitbar (Balfotjr) oder als sekundär erworben aufzufassen
ist (HowES), noch nicht spruchreif. Aus der Thatsache, daß bei Dactylethralarven
das Suprarostrale einen langen Tentakel trägt, schließt Pollard, daß dasselbe dem
Präpalat inknorpel mancher Teleostier entspricht. Der Tentakel wäre einem
Maxillocoronoidtentakel zu vei'gleichen. Das Suprarostrale würde damit zugleich
dem zweiten Überlippenknorpel der Selachier entsprechen. Gegen diese Vorstellung
bleibt einzuwenden, daß bei den Teleostiern der Präpalatinknorpel die Unterlage für
das Maxillare abgiebt, wovon bei den bisher darauf untersuchten Anuren nichts zu
konstatieren ist. So bleibt die Bedeutung des Suprarostrale einstweilen zweifelhaft.
Die Form des Suprarostrale ergiebt sich aus den Figg. 3ö6, 3ö7; über sein
Verhalten zu den Muskeln s. F. E. Schulze (1892); im übrigen verweise ich auch
bezüglich der früheren Litteratur auf meine eigene Arbeit (Gaupp 1893).
2. Visceralbogen.
Die Anlagen des Kiefer- nnd des Zungenbein bogens werden
als erste Skelettanlagen im Bereiche des Kopfes deutlich (Stadium mit
5 kompakten Schlundfalten).
Kiefer bogen. Die Anlage des Kiefer bogens erscheint vor
der 1. Schlundfalte als ein dichterer Gewebsstrang, an dem schon
auf diesem jüngsten Stadium die spätere Gliederung (in ein Palato-
quadratum, den Meckel' sehen Knorpel und das Infra-
r 0 s t r a 1 e oder den U n t e r 1 i p p e n k n o r p e 1) durch Knickun gen
angedeutet ist (Spemann). Die beiderseitigen Anlagen stoßen in der
ventralen Mittellinie zusammen und umfassen so die Schlundhöhle.
Die Anlage des Palatoquadratums stellt auf diesem Stadium eine nach
vorn und außen geöffnete, flache Rinne von verdichtetem Gewebe dar,
in der die Anlagen der Kaumuskeln liegen. Sie steht senkrecht zur
Chorda dorsalis. Sehr bald entwickeln sich an dieser Anlage 2 Fort-
sätze, am lateralen Rande der Proc. muscularis oder Proc.
orbitalis (Fig. 365), am medialen Rande die Commissura
q u a d r a 1 0 - c r a n i a 1 i s anterior. Letztere wächst medialwärts gegen
die Anlage des Schädelbalkens hin und verschmilzt mit dieser hinter
dem Riechsäckchen. Zugleich wächst die Anlage des Quadratums
nach hinten und oben hin, und von dem hinteren Ende aus wächst
unter rechtem Winkel die Anlage des Processus ascendens
gegen den hinteren orbito-temporalen Schädelseitenwandpfeiler hin.
Durch die knorpelige Differenzierung erfolgt einerseits eine innige
Vereinigung vorher getrennter Teile, andererseits eine schärfere Tren-
Die Entwickehmg des Kopfskelettes. 735
niing bisher zusammenhängender Teile. Infraro strale, Meckel-
scher Knorpel und Quadratum gliedern sich durch selbständige
Verknorpelung schärfer gegeneinander ab, während andererseits die
Commissura quadrato-cranialis anterior und der Pro-
cessus ascendens innig mit dem neuralen Schädelgerüst ver-
schmelzen. Dies ist in Fig. 364, p. 720 (Primordialcranium einer
7,5 mm langen Larve von R. fusca, nach Stöhr) erreicht.
Bevor diese Verschmelzung erfolgte, hatte das Palatoquadratum seine Stellung
zur Chorda ziemlich beträchtlich verändert. Es steht nun nicht mehr, wie anfangs,
senkrecht zur Chorda, sondern bildet mit ihr nur noch einen stumpfen Winkel,
d. h. es hat als Ganzes, um die Spitze der Chorda als Drehpunkt, eine Drehung
nach oben ausgeführt (Spemann).
Zu den beiden genannten sehr früh auftretenden Verbindungen des
Palatoquadratums mit dem neuralen Cranium kommt bei Larven von
ca. 21 mm Länge eine dritte: durch den Processus oticus des
Quadratums, der gegen die Ohrkapsel hin wächst und mit dieser vorn
an ihrem lateralen Umfang (an dem durch den lateralen Bogengang ge-
bildeten Vorsprung) verschmilzt (Fig. 366, p. 724). Alsdann folgt die Bil-
dung des Proc. pterygoideus und seine Verbindung mit dem Proc.
m axillaris posterior der Nasenkapsel. Als Vorläufer dieses Fort-
satzes tritt schon frühzeitig eine Bandverbindung zwischen dem
Vorderrande der Commissura quadrato-cranialis und dem Trabekelhorn
auf, die ich als Ligamentum q u a d r a t o - e t h m o i d a 1 e bezeichnet
habe (Fig. 369). In 'dieses Band hinein schiebt sich von der Quadratum-
kommissur Knorpel vor (Proc. q uadrato-ethmoidalis: er ist in
Fig. 368 angedeutet und bereits als Proc. pterygoideus bezeichnet).
Wenn dann das Planum antorbitale sich gebildet und den nach hinten
vorspringenden Proc. maxillaris posterior entwickelt hat, legt
sich der letztere an die Spitze des Proc. quadrato-ethmoidalis an und
verbindet sich mit ihm (Fig. 372, p. 736), während der vordere Teil des
Lig. quadrato-ethmoidale zu Grunde geht, und so die Verbindung des
Proc. quadrato-ethmoidalis mit dem Balkenhorn gelöst wird. Bei der
Stellungsänderung des Quadratums während der Metamorphose geht
dann die Commissura quadrato-cranialis anterior zum größten Teil zu
Grunde, doch wird aus ihrem lateralen Abschnitt ein die rückwärtige
Verlängerung des Proc. quadrato-ethmoidalis bildendes Stück geschont,
also ebenfalls wieder aus der massigeren Anlage herausgearbeitet.
Der Proc. quadrato-ethmoidalis erhält dadurch einen Zuwachs in kau-
daler Richtung und entspringt nun als Proc. pterygoideus un-
mittelbar an dem Innenrande des Palatoquadratums selber. Der
bleibende Proc. pterygoideus besteht demnach aus dem erst spät ent-
standenen Proc. quadrato-ethmoidalis und einem Reste der Commis-
sura quadrato-cranialis anterior.
Die eben schon berührte Stellungsänderung des Palatoquadratums
spielt sich während der Metamorphose ab und führt zur Um-
wandlung des larvalen Kieferapparates in den defini-
tiven. Dabei gehen die larvalen Befestigungen des Palatoquadratums
(Proc. ascendens, Comm. quadrato-cranialis ant., Proc. oticus) sowie
der Proc. muscularis total zu Grunde, der Proc. pterygoideus wächst
stark aus, und das Palatoquadratum selbst wird in sich zusammen-
geschoben in der Richtung von vorn nach hinten. Die hinteren Par-
tieen des Palatoquadratums erliegen dabei einer Erweichung, mecha-
nischen Faltung und Zerstörung (Fig. 372). Dies ist wohl die Folge
des enormen Auswachsens des Meckel 'sehen Knorpels, der zu
736
E. Gaupp,
langen
dünnen, im wesentlichen in der Länssrichtung ver
einem
laufenden Stab wird (während er früher ein ganz kurzes.
liegendes Knorpelstück war, Fig. 366). Dadurch wird das
transversal
Quadratuni
Fol orh.-nas.
Caps, audi t. _
Froc.ascend
Troc ofic
Cart.alar.
Cartohliqu.
Flan anhrb;
qu -cr.ant
. max ant
Talatoquad'
Fror pferyg.
roc. max.post
Fig. 372. Primordialcranium von Eana fusca in der Metamoqihose. Laleral-
ansicht. Der hintere Teil der Ohrkapsel ist fortgelassen. Am Palatocjuadratimi ist
der Proc. ascendens zerstört, die Coramissura quadrato-cranialis anterior noch er-
halten, der Proc. pterygoideus aber auch schon gebildet und in Verbindung mit dem
Proc. maxillaris posterior der Nasenkapsel. Nach einem bei 50facher Vergr. her-
gestellten''Plattenraodell (kopiert von F. Ziegler- Freiburg). Verhältnis von Abbil-
dung zu Modell = 1:2; demnach Vergr. 25fach.
gegen die Ohrkapsel als festen Punkt zusammengeschoben. Die sich
bildenden Stauungsfalten werden später zerstört und resorbiert. Wenn
auf diese Weise endlich das Quadratomandibulargelenk bis in die
Lab5a'inthregion nach hinten gerückt ist, erhält das Palatoquadiatum
neue Befestigungen, indem es einerseits mit der an der Ohrkapsel ent-
standenen Crista parotica verschmilzt, wobei es diese etwas verbreitert,
andererseits einen neuen Fortsatz, den Proc. basalis entwickelt, der
sich an den Ohrkapselboden anlegt und hier eine Gelenkverbindung ein-
geht. Der Fortsatz zeigteine gewisse Selbständigkeit bei seiner Ent-
stehung und verknorpelt auch selbständig. Das Infraros trale ver-
liert während der Metamorphose seine gekrümmte Form ; es streckt
sich, aus der früher hohen Platte wird ein drehrunder Knorpelstab
herausmodelliert, der fast horizontal und transversal verläuft und mit
dem MECKEL'schen Knorpel fest verbunden wird. Es bleibt zeitlebens
bestehen und verknöchert später als Pars mentalis des Dentale
(Mentomandibulare). Aus einem kleinen unpaaren medianen Knorpel-
stück, das zu gewissen Zeiten bei Ranalarven zwischen beiden Infra-
rostralia besteht, geht die Symphyse zwischen beiden Unterkieferhälften
hervor.
Der kleine mediane Knorpel wurde auch bei anderen Formen (Xenopus, RlDE-
wood) gefunden und als besonderes medianes Element des Mandibularbogens (Basi-
mandibulare) erklärt. Auch bei Urodelen ist er vorhanden (p. 704).
Von vorübergehender Existenz und ganz unbekannter Bedeutung erscheint bei
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 737
30 nmi langen Larven von Rana fusca ein kurzer, platter Fortsatz, der sich vom
Hinterrande der Comm. quadrato-cranialis ant. aus neben der Trabekel kaudalwärts
in die Membrana subocularis vorschiebt. Er besteht nur sehr vorübergehend und
geht bei der Metamorphose spurlos zu Grunde. Ich nannte ihn provisorisch Proc.
pseudopterygoideus; bei Parker, der ihn von mehreren Anurenlarven (z. B.
Pseudis paradoxa) abbildet, fürt er den Namen Postpalatinum. Selbst die Frage,
ob er wirklich dem Palatoquadratum zuzuzählen und nicht vielleicht als Andeutung
eines Orbitalbodens, wie er bei Selachiern vorkommt, aufzufassen ist, harrt noch der
Beantwortung.
Anulus tympanicus. Zu den Teilen, die genetisch zum
Palatoquadratum geliören, zählt auch der Anulus tympanicus, jener
Knorpelring, in dem beim erwachsenen Frosch die Membrana tympani
eingespannt ist. Die Anlage desselben ist aufs engste geknüpft au
das periphere blinde Ende der Tuba auditiva (Villy, Gaupp). Schon
bei Larven von 12 mm Länge (äußere Kiemen links frei, rechts über-
wachsen) findet sich eine vom Quadratum ausgehende Zellwucherung
an der unteren vorderen Ecke des Proc. muscularis, der zu dieser
Zeit unterhalb des Auges sich befindet (also in der Situation wie in
Fig. o66). Die Zellmasse löst sich bald vom Quadratum los und ver-
mehrt sich sehr beträchtlich, so daß sie das ganze hier gelagerte blinde
Tubenende umzieht. Eine bestimmte geformte Anlage macht sich
jedoch in ihr erst bemerkbar, wenn das Palatoquadratum im Zurück-
weichen begriffen ist. Die V'^erkuorpelung beginnt dann ventral und
kranial von dem blinden Tubenende, so daß hier zunächst ein sichel-
förmiges Gebilde mit dorsal-kaudal gekehrter Oeffnung entsteht. Die
Ergänzung zum geschlossenen Ringe erfolgt durch Wachstum an beiden
Enden der Sichel, rascher aber vom unteren Ende aus nach hinten-
aufvvärts, als vom vorderen. Der Anulus, der, wie gesagt, weit vorn
unter dem Auge entsteht, behält während der Stellungsänderung des
Quadratums immer die gleiche Lage zu letzterem bei und wird von
ihm nur etwas abgedrängt durch das zwischen beiden Gebilden ent-
stehende Os paraquadratum. Im übrigen rückt er aber mit dem
Palatoquadratum aus der Orbito-temporal- in die Labyrinthregion und
erlangt hier schließlich seine Befestigung an der Crista parotica.
Dies ist aber erst längere Zeit nach der Metamorphose vollendet (R.
fusca von ca. 40 mm Länge). Von dem Anulus umschlossen wandert
auch das blinde Tubenende rückwärts, in dessen Nachbarschaft später
das Lig. suspensorio-columellare als Vorläufer der Columella auris
auftritt (s. Columella auris p. 725).
Zur vergleichen den Morphologie des Kief erbogens und seiner
Abkömmlinge. Die Beurteilung des Kieferbogens der Anuren und seiner Teile
bietet verschiedene Schwierigkeiten dar. Was zunächst das Palatoquadratum
selbst mit seinen Fortsätzen anlangt, so sind der Proc. ascendens und der Proc.
basal is ohne Schwierigkeit mit den gleichnamigen Gebilden bei den Urodelen zu
vergleichen. Wie bei diesen, so verläuft auch bei den Anuren der 1. Trigeminusast
medial vom Proc. ascendens nach vorn, während die beiden anderen Aeste hinter
dem Fortsatz hinweg verlaufen (Stöhr 1881). Gegenüber den Urodelen zeigen die
Anuren ein weiter fortgeschrittenes Verhalten darin, daß sie den Fortsatz nur larval
besitzen, bei der Metamorphose aber verlieren. Andererseits erscheint die gelenkige
Verbindung des Proc. basalis an der Ohrkapsel bei den x\nuren als ein primi-
tiver Zustand gegenüber der kontinuierlichen Verwachsung bei den Urodelen. Die
Anuren sind noch nicht so vollständig monimostyl wie die Urodelen. Bezüglich des
Proc. oticus liegt eine Schwierigkeit darin, daß das Quadratum der Anuren sich
zeitlich zwei Mal mit dem lateralen Umfang der Ohrkapsel verbindet: zuerst wäh-
rend der Larvenperiode (larvaler Proc. oticus) und dann, nachdem diese Verbindung
bei der Metamorphose zerstört wurde, noch einmal. Es kann zweifelhaft sein, welche
dieser beiden Verbindungen mit der zu vergleichen ist, die sich bei den Urodelen
findet; das Wahrscheinlichere dürfte aber wohl sein, daß für diesen Vergleich die
Handbuch der Entwickelungslehre. III. 2. 4:7
738 E. Gaupp,
definitive Quadrat-Ohrkapselverbindung der Anuren in Betracht kommt, während
der larvale Proc. oticus nur als eine spezielle provisorische, in die Ontogenese ein-
geschobene Ijarveneinrichtung aufzufassen sein dürfte. Eine besondere Anpassung
an den larvalen Kieferapparat ist auch der Proc. muscuiaris. Für die larvale
Commissura quadrato-cranialis anterior findet sich bei den Urodelen
kein Analogen; em Proc. pterygoideus ist dagegen auch bei diesen vorhanden,
wenn auch gewöhnlich nicht in der Ausdehnung wie bei den Anuren (s. p. 703).
Noch nicht sj^ruchreif ist die Frage, wie die beiden letztgenannten Verbindungen
auf Verhältnisse des Palatoquadratums bei den Fischen zu beziehen sind. Die Com-
missura quadr.-cran. ant. wird seit Huxley (1876) mit der vorderen Verbindung des
Subocularbogens der Petromyzonten verglichen und bietet in der That mit dieser
große Aehnlichkeit. Für den Vergleich mit den gnathostomen Fischen ist zunächst
so viel klar, daß nur Teile der Pars palatina des Fischpalatoquadratnms als Ver-
gleichsobjekte in Frage kommen können. Und da auch in den Aufbau des bleiben-
den Proc. pterygoideus das proximale Stück der Comm. quadr.-cran. ant. eingeht,
letzteres also beiden Bildungen gemeinsam ist, so handelt es sich wesentlich um eine
Beurteilung der distalen Abschnitte und deren Verbindungen mit dem neuralen
Cranium. Hier bestehen zwei Möglichkeiten. Entweder repräsentiert die larvale
Verbindung der Comm. quadr.-cran. ant. mit der Trabekel die Junctura ethmo-pala-
tina der Fische, d. h. die Verbindung am Antorbitalfortsatz (auch bei den Anuren
entsteht der Antorbitalfortsatz in dem Winkel über der fraglichen Verbindung!): in
diesem Falle würde für die definitive Verbindung des Anurenquadratums (die
des Proc. pterygoideus mit dem Proc. maxillaris posterior der Nasenkapsei) als
einigermaßen vergleichbare Einrichtung nur die zweite vordere Verbindung des
Palatoquadratums (Junct. rostro-palatina) in Betracht kommen, die sich bei manchen
Teleostiern in einiger Entfernung vor der ersteren findet. Ihr könnte die larvale,
durch das Lig. quadrato-ethmoidale hergestellte Verbindung des Palatoquadratums
der Anuren mit dem Trabekelhorn entsprechen, und die Besonderheit, daß der
Knorpel, der sich in dieses Band hinein entwickelt, nicht bis an das Trabekelhorn
vordringt, sondern sich vorher mit dem Proc. maxill. post. der Nasenkapsel ver-
bindet, würde als spezielle Amphibieneigentümlichkeit zu betrachten sein, bo habe
ich früher die Dinge betrachtet. Zur Erwägung steht aber noch eine andere Deu-
tung (Gaupp 1901): die Commissura quadr.-cran. ist überhaupt nicht auf eine bei
gnathostomen Fischen bestehende Einrichtung zurückzuführen, sondern, ähnlich wie
der larvale Proc. oticus, eine besondere provisorische larvale Bildung (möglicherweise
auf Petromyzonzustände beziehbar), die Verbindung des Proc. pterygoideus mit dem
Proc. maxillaris posterior dagegen ist aus der alten Verbindung des Palatoquadra-
tums mit dem Antorbitalfortsatz bei den Fischen hervorgegangen. Die Unklarheit,
die noch bezüglich des sog. Palatoquadratums der Petromyzonten besteht, erschwert
die Entscheidung. — Jedenfalls ist aber auch der Proc. pterygoideus auf die Pars
palatina des Fischpalatoquadratnms zurückzuführen; sein spätes Auftreten in der On-
togenese findet — abgesehen davon, daß auch bei Selachiern die Pars palatina später
auftritt als die Pars quadrata — bei den Anuren eine Erklärung in dem Vorhanden-
sein der larvalen Commissura quadr.-cran., deren Ausbildung wieder in Zusammen-
hang steht mit dem späten Auftreten des Antorbitalfortsatzes, d. h. mit der durch das
Larvenleben verzögerten Ausbildung des Nasenskelettes. Darin, daß bei den Anuren
der Proc. pteryg. so weit nach vorn reicht, prägt sich ein primitiveres Verhalten aus,
als es die meisten Urodelen zeigen (s. auch die dort gemachten Bemerkungen).
Hyobranchialskelett. Die erste Entwickeliing des Hyo-
branchialskelettes bei Rana fusca verläuft (hauptsächlich uach Stöhr)
folgendermaßen :
Das Hyale ist schon sehr frühzeitig (Stadium mit 5 kompakten
Schlundfalten, Spemann) jederseits als eine Gewebsverdichtung er-
kennbar, die in ähnlicher Form wie später die Schlundhöhle umzieht,
von der der anderen Seite deutlich abgesetzt. Bei Larven kurz vor
dem Ausschlüpfen wird die ebenfalls paarige Anlage des ersten Bran-
chialbogens sichtbar, bei 9 — 10 mm langen Larven die des Bran-
chiale II; bald darauf erscheinen auch die des Brauch iale III
und die des Brauch iale IV: alle 4 anfangs selbständig und weder
in der Mittellinie noch untereinander zusammenhängend. In der Folge
wachsen die Anlagen heran, die beiderseitigen Hyalia vereinigen sich
in der ventralen Mittellinie, ebenso die beiderseitigen ersten Bran-
Die Entwickelung des Kopfskelettes.
739
chialia, und in der Mittellinie selbst bildet sich eine mediane Anlage
(Copula) aus, die den Hyal- und ersten Branchialbogen vereinigt
(Fig. 373 a — c). Die Anlagen der 3 übrigen Kiemenbogen erreichen
Hy.
Br. II -f2>
Br. III
Br. III
Br. IV
Fig. 373a — c. Larvale Hyobranchialskelette von Raua fusca. Kombinations-
bilder, 20mal vergr. Nach Stöhr. a von einer etwa 9 mm langen Larve; Vor-
knorpelstadium, b von einer etwas älteren Larve; Vorknorpelstadium, c von einer
12 mm langen Larve; die meisten Teile sind nun knorpelig, außer dem ventralen
Verbindungsteil der 4. Branchialia. Commissurae terminales ausgebildet.
die ventrale Mittellinie nicht, sondern legen sich nur mit ihren medial-
ventralen Enden an ihre Vordermänner an und verschmelzen mit
diesen. Die knorpelige Differenzierung vollzieht sich in derselben
Reihenfolge, in der die vorknorpeligen Anlagen auftraten; die Ver-
knorpelung beginnt selbständig in den Seitenteilen der einzelnen Bogen
und schreitet medialwärts vor.
Die wichtigsten formalen Veränderungen erfahren das Hyale und
das Branchiale I. Die Anlage des Hyale ist anfangs von der des
Palatoquadratums durch die 1. Schlundfalte getrennt, bald aber erlangt
das obere Ende ihres seitlichen Teiles den Anschluß an die Ventral-
fläche des Palatoquadratums in kurzer Entfernung hinter dem Kiefer-
gelenk (die Anlagerungsstelle ist in Fig. 367, a. p. 725, erkennbar, aber
nicht bezeichnet). Dies ist dadurch möglich, daß der hier befindliche
untere Teil der L Schlundfalte verstreicht, indem er sich in dem gleichen
Maße zurückzieht, als sich von dem dorsalen Teil der Falte aus die
Tuba auditiva entwickelt (Spemann). Der Anschluß des Hyale an das
Quadratum ist ein sehr inniger; beide Anlagen hängen eine Zeit lang
durch ein Gewebe zusammen, das vom vorknorpeligen nicht zu unter-
scheiden ist. Erst bei der Verknorpelung bildet sich ein Gelenk
zwischen beiden Skelettstücken aus. Auch im ventral-medialen Gebiet
vollziehen sich nach der Vereinigung der beiderseitigen Anlagen Ver-
änderungen. Die mittelste Partie sondert sich (als Pars reuniens,
Gaupp) von den beiden Seitenteilen ab ; sie hängt nach der Ver-
knorpelung zwar kontinuierlich mit den letzteren zusammen, unter-
scheidet sich aber von ihnen dadurch, daß die Knorpelkapseln kleiner
und die Kapselwände selbst dicker sind (ihre Grenzen sind in Fig. 373 c
angegeben). Die P. reuniens geht nach hinten hin kontinuierlich in
die Copula (Cop. II) über, die sich nach der Verknorpelung durch
47*
740
E. Gaupp,
den Charakter des Knorpels ziemlich scharf von der P. reuniens unter-
scheidet, sich in der Mittellinie nach hinten erstreckt, mit den me-
dialen Enden der beiderseitigen ersten Branchialia zusammenhängt.
Co. I
P. reun.
Co. II
Plan, hypobranch.
Hyale
Proc. branch.
Kbr. II
Comm. term.
Fig. 374. Hyobranchialskelett einer 29 mm langen Larve von Rana fusca.
Ventralansicht. Nach einem bei SOfacher Vergr. hergestellten Plattenmodell (kopiert
von F. ZiEGLER-Freiburg). Verhältnis von Abbildung zu Modell = 1:3.
und später über diese Verbindungsstelle hinaus kaudalwärts in Form
eines stumpfen ventralen Fortsatzes vorspringt (Fig. 374). Am ersten
Branchialbogen ist das bemerkenswerteste die Verbreiterung seines
medial-ventralen Abschnittes, der mit dem der anderen Seite in der
Mittellinie zur Vereinigung kommt, zu einer breiten Platte, der Hypo-
branchialplatte (Ridewood), die nach der Verknorpelung mit den
medialen Enden der 3 übrigen Bogen zusammenhängt. Daß diese
Platte thatsächlich, wenigstens zum größten Teil, von dem ventralen
Abschnitt des 1. Branchiale gebildet ist (während die übrigen Bran-
chialia sich nur mit ihren Vordermännern verbinden), gielat Stöhr
au. Der spangenförmige Abschnitt des Branchiale I, sowie die 3
hinteren Branchialia können dann als Ker atob rauch ialia (ent-
sprechend den gleichnamigen Stücken der Urodelen) bezeichnet werden.
Von den weiteren Veränderungen des Hyobranchialskelettes sind
noch zu nennen: 1) die Ausbildung der Commissurae termi-
nales (Gaupp), d. h. knorpeliger Verbindungen zwischen den dor-
salen Enden der 4 Branchialbogen; 2) die Entstehung von 4 Spi-
cula (Gaupp), knorpeliger langer Stacheln, die den Wurzeln der
4 Branchialbogen dorsal aufsitzen ; 3) die Ausbildung kurzer stumpfer
Knorpelhöcker an den 4 Branchialia und ihren dorsalen Kommissuren:
4) die Ausbildung des Proc. branchialis (F. E. Schulze), d. h.
einer henkeiförmigen Verbindung zwischen dem Branchiale II und
dem Branchiale III, an der Ventralseite, nahe der Hypobranchialplatte ;
5) das Auftreten einer kleinen medianen Knorpelbiklung (Copüla I)
vor der Pars reuniens der Hyalia, in dem Ligament, das die vorderen,
über die Pars reuniens vorragenden Fortsätze beider Hyalia verbindet.
(Alle diese Teile sind in Fig. 374 sichtbar.)
Die Entwickelung des Kopfskelettes.
741
Das larvale Hyobranchialskelett auf der Höhe seiner Entwickelung stellt, ab-
gesehen von dem kleinen isolierten medianen Knorpel vor der Pars reuniens der
Hyalia, ein knorpeliges Continuum dar, dessen specielle Gestaltung aus Fig. 374 er-
sichtlich ist. Näher auf dieselbe und die Bedeutung aller Einzelheiten im Zusammen-
hang mit den Einrichtungen des larvalen Kiemenapparates einzugehen, würde hier
zu weit führen ; ich verweise in dieser Hinsicht auf die Arbeiten von F. E. Schulze
(1892) und mir selbst (1893). Beachtenswert ist am Hyale die breite, durch P'ort-
sätze komplizierte Form; vom Branchiale i sei noch erwähnt, daß es streckenweise
in zwei Spangen, eine dorsale und eine ventrale, gespalten ist.
Die vergleichend- morphologische Auffassung aller einzelnen Teile des Hyo-
branchial&kelettes ist noch nicht ganz sichergestellt. Die bei Rana nur unbedeutende
Co pul a I ist bei Alytes viel größer und kräftiger (Gaupp 1893) und während der
Entwickelung in ihrem hinteren Teil deutlich paarig (Kallius 1901). Daß sie als ein
Basi hyale (Copula des Hyalbogens) aufzufassen ist, habe ich (1893) vermutungs-
weise ausgesprochen. Die Verhältnisse bei der Ichthyophislarve sprechen zu Gunsten
dieser Vorstellung (s. Apoden). Die Hauptcopula wäre dann ein Basibranchiale I;
ob der P. reuniens des Hyalbogens eine besondere morphologische Bedeutung zu-
kommt, oder ob die Eigenart ihrer Struktur lediglich funktionell begründet ist, bleibt
festzustellen. Die Hypobranchialplatte ist in der Hauptsache wohl dem Hypo-
branchiale I der Urodelen zu vergleichen ; doch scheint mir die Frage der Prüfung
wert, ob nicht auch iVIaterial eines zweiten Hypobranchiale zu ihrer Bildung beiträgt.
Eine Aehnlichkeit des Proc. postero-medialis, der später aus ihrer kaudal-raedialen
Eandpartie hervorgeht, mit dem Hypobranchiale II der Urodelen ist unverkennbar.
Daß die 4 spangenförmigen Abschnitte des Branchialskelettes den Keratobranchialia
der Urodelen entsprechen, ist unbezweifelbar. Dem Hyobranchialskelett der letzteren
gegenüber ist besonders die kontinuierliche Verknorpeiung des ganzen Apparates bei
den Anuren hervorzuheben.
Die Vorgänge bei der Metamorphose des geschilderten larvalen
Apparates sind von mir selbst (1893) genau verfolgt worden. Sie be-
stehen, wie am übrigen Chondrocranium, in Zerstörung, Umbildung,
Neubildung. Der größte Teil des larvalen Apparates geht verloren:
zu Grunde gehen die Copula anterior, die Pars reuniens und die Haupt-
copula in ihrer vorderen Hälfte, ebenso die 4 Branchialia.
Das Hyale bleibt seiner Bestimmung, den ganzen Apparat mit
dem Schädel zu verbinden, getreu, verändert aber seine Form sehr
erheblich in dem Maße, als das Palatoquadratum nach hinten rückt.
Manul)
Proc. ant. com. hy.
II
Fig. 375. Hyobranchial-
skelett einer Larve von
Ranafusca gegen das Ende
der Metamorphose. Ven-
tralansicht. Nach einem
bei oOfacher Vergr. her-
gestellten Plattenmodell
(kopiert von Fr. Zieglee,-
Freiburg). Linkerseits sind
auch Partieen mit darge-
stellt, die bereits zerstört
sind und nur durch das
noch erhaltene Perichon-
drium begrenzt werden ;
dieselben sind eng punk- „ , ,
tiert. Durch weite Punk- '
tierung sind die Knorpelpartieen kenntlich gemacht, die bei der Metamorphose neu-
gebildet werden. Verhältnis von Abbildung zu Modell ^=1:3.
Plan, hypobr.
Com. hyale
Während es in der Larvenzeit durchaus in transversaler Richtung ent-
wickelt war, wächst es, mit seiner Pars lateralis an das Palatoquadratum
gebunden, beim Zurückweichen des letzteren sehr erheblich nach hinten
hin aus, und hierdurch, sowie durch ausgedehnte Zerstörungsprozesse
wird es in einen schlanken Knorpelstab umgewandelt, der zugleich
742
E, Gaupp,
seine engen Beziehungen zum Palatoquadratum aufgiebt und während
das
um
anzulegen
Form ändert, medial von ihm in die Höhe rückt,
der Fenestra vestibuli an die Basis der Ohrkapsel
ist eine eigentümliche Umänderung der Lagebe-
auditiva bemerkenswert: während früher die Tuba
hinter der Quadrato-Hyalverbindung verlief, schiebt sich nunmehr das
Hyale hinter der Tuba in die Höhe. Zugleich ändert sich die Art
seiner Verbindung mit den übrigen Teilen des Hyobranchialapparates
in dem Maße, als die Copula ihre funktionelle Bedeutung als Centrum
Ziehung
letztere seine
sich unterhalb
Dabei
Tuba
zur
Proc. ant. com. hy.
Älanubriuvi
-Fror. alar.
\ i Com. hyale
Corpus
Proc. post. lat.
P'oc. post. med.
Fig. 376. Zungenbeinknorpel eines jungen umgewandelten Frosches (R. fusca).
von 2 cm Länge. Ventralansicht. Nach einem bei 25facher Vergr. hergestellten
Plattenmodell (kopiert von Fr. Ziegler). Verhältnis der Abbildung zum Modell
= ca. 2:3; also etwa 16mal nat. Gr. Die längsgestreifte Partie des Proc. postero-
medialis ist knöchern, alles übrige knorpelig.
des ganzen Systems, die sie im Larvenleben besitzt, aufgiebt und
der partiellen Zerstörung anheimfällt. Neugebildeter Knorpel, der
neben der Copula auftritt, vermittelt jene Verbindung des Hyale oder,
wie es nun zu nennen ist, des Cornu hyale, in Form eines Manu-
brium (Fig. 375, 376). Als Neubildung tritt am Cornu hyale ein
Proc. anterior auf. Aus den beiden Hypobranchialplatten, dem hinteren
Abschnitt der Copula und aus Knorpel, der neben dem letzteren neu
auftritt, bildet sich schließlich eine kontinuierliche Platte, (his Corpus
cartilaginis hyoideae, an der als sekundäre Bildungen die
Processus alares und postero-laterales sich bilden (Fig. 376). Die
Processus postero-mediales (Proc. thyreoidei) gehen nicht etwa aus
einem Keratobranchiale hervor, sondern sind die erhalten bleibenden
kaudal-inedialen Randteile der Hypobranchialplatten (Hypobranchialia II?
s. 0. p. 741).
Die hier angewendete Nomenklatur ist in der Hauptsache die von mir (1893) vor-
geschlagene und gebrauchte. BeiPelodytes punctatus, dessen Hyobranchialskelett
Die Entwickeluug des Kopfskelettes. 743
von RiDEWOOD in seiner Ausbildung verfolgt ist, entwickeln sich die bei der Metamor-
phose neu entstehenden Proc. anteriores der Hyalia nicht direkt nach vorn, sondern
medialwärts ; die beiderseitigen kommen zur Berührung und begrenzen so mit dem
Vorderrand des Zungenbeinkörpers und den beiden Manubria eine Üeffnung, durch die
der M. hyoglossus hindurchzieht (hyoglossal sinus). Der hintere Teil des Cornu hyalc
löst sich von dem vorderen los; das freie Ende des letzteren verschmilzt mit dem Proc.
alaris, so daß im seitlichen Teil des Zungenbeinkörpers eine Oeffnung (For. laterale)
zu Stande kommt. (Das Gleiche ist der Fall bei Pelobates.) Der Proc. postero-lateralis
geht aus dem persistierenden proximalen Abschnitt des Keratobranchiale I hervor.
Die übrigen Veränderungen sind prinzipiell die gleichen wie bei Rana; die Proc.
postero-mediales s. thyreoidei gehen auch hier aus der erhalten bleibenden Rand-
partie der Hypobranchialplatte hervor. Besonderheiten von Alytes obstetricans
sind (nach Ridewood) : Am larvalen Hyobranchialskelett besteht eine vordere Copula
(Gaupp, 1893) ; die Copula II trennt die beiderseitigen Hypobranchialplatten, die
somit nicht zur Vereinigung kommen; von den 4 Keratobranchiaha hängt nur das
4. kontinuierlich knorpelig mit der Hypobranchialplatte zusammen, das 3. und
1. sind bindegewebig mit ihr verbunden, das 2. ist von ihr sogar durch einen
Zwischenraum getrennt und wird nur durch seine Verbindungen mit dem
1. und 3. in seiner Lage gehalten ; die proximalen Enden des 1. und 2. Kerato-
branchiale hängen knorpelig zusammen. Die Veränderungen bei der Meta-
morphose ,sind im wesentüchen dieselben wie bei Rana, der Proc. i^ostero-lateralis
ist also auch eine Neubildung (im Gegensatz zu Pelodytes); die Copula I geht zu
Grunde. — Sehr abweichend erscheint die Form des Zungenbeines der Aglossa
(Xenopus und Pipa), doch ist auch hier die Form des larvalen Hyobranchial-
skelettes, von unwesentlichen Besonderheiten abgesehen, die glfeiche wie bei den Pha-
neroglossa. Die wichtigen Abweichungen erscheinen erst während und nach der Me-
tamoqjhose. Bei Pipa gehen die Hyalia völlig zu Grunde ; die kurzen Stiele aber,
durch die sie mit der Copula verbunden waren, wachsen vorher in der Länge (den
Manubria bei Rana entsprechend) und vereinen sich mit ihren vorderen Enden unter-
einander. So kommt das geschlossene Foramen M. hyoglossi zustande, das für beide
genannte Formen charakteristisch ist. Bei Xenopus bleiben die Hyalia erhalten.
Die breiten Platten (Alae) des Zungenbeins der Aglossa entstehen von den Hypo-
branchialplatten aus. Die Processus thyreoidei haben bei Pipa die gleiche Ent-
stehung wie bei den Phaneroglossa ; bei Xenopus läßt Ridewood sie mehr als Aus-
wüchse der Hypobranchialplatten auftreten. Sekundär erfolgen bei beiden Formen
Verwachsungen zwischen dem Zungenbein und dem Kehlkopfskelett.
II. Die knöchernen Elemente des Schädels.
Im Gegensatz zu den Urodelen erfolgt bei den Anuren die
Knochenbildung am Schädel sehr spät. Während bei den Urodelen
die Deckknochen der Mundhöhle noch in den Eihüllen, wenige Wochen
nach der Befruchtung des Eies, die Entwickelung beginnen, zu einer
Zeit, wo das Primordialcranium noch wenig vom umgebenden Gewebe
gesondert, und das Geruchsorgan erst als ein kleines Grübchen wahr-
nehmbar ist, fehlen Knochen bei Anurenlarven, die das Ei verlassen
haben, noch völlig und treten erst in einer späteren Periode des
Larvenlebens auf, wenn das Primordialcranium schon einen hohen
Grad der Ausbildung erlangt hat, und das Geruchsorgan mit seinen
Nebenhöhlen bereits vollständig angelegt ist (0. Hertwig). Auch die
Reihenfolge, in der die Knochen auftreten, weicht von der bei
den Urodelen ab : so ist z. B. das Parasphenoid bei den Urodelen ein
sehr spät entstehender Knochen, während es sich bei den Anuren von
allen Deckknochen am frühesten bildet.
Wie bei den Urodelen , so sind aber auch bei den Anuren die
Deckknochen die zuerst entstehenden knöchernen Elemente; die
Ersatzknochen folgen erst viel später nach.
Knochen des Oberseliädels.
a) Er satzknochen.
Im Bereiche des neuralen Craniums entstehen als Er satz-
knochen des Knorpelschädels: das Pleuroccipitale,
744 E. Gaupp,
Prooticum, Colli mellare und das sog. Ethmoidale (Os eu
ceinture). Im Palatoquadratiim kommt es nur an der Pars articularis
zu einer Verknöcherung und auch diese ist nicht ganz selbständig,
sondern setzt sich von dem als Deckknochen entstehenden Quadra-
tom axillare fort (s. Deckknochen).
Pleuroccipi tale. Ersetzt den Occipitalteil des Craniums und die hintere
Partie der Ohrkapsel; dazu je eine seithche Hälfte des Tectum synoticum und der
hinteren Partie der Basalplatte. Die Knochenhildung ist perichondral und nimmt am
For. jugulare ihren Ausgang. Die mediane Partie des Tectum synoticum und der
Basalplatte, sowie der Ueberzug der Condyli occipitales bleiben knorpelig.
Prooticum. Ersetzt die vordere Partie der Ohrkapsel nebst einer seitlichen
Hälfte der vorderen Partie der Basalplatte und den hintern Theil der orbito-
temijoralen Schädelseitenwand. Die Verknöcherung, perichondral, beginnt am Foramen
prooticum.
Eine mittlere quere Zone der Ohrkapsel (mit der Fenestra vestibuli), die mediane
Partie der Basalplatte und des Tectum syrioticum, dazu die übrigen Deckenspangen
(Taen. tecti), bleiben knorpelig; im Alter können knöcherne Verschmelzungen erfolgen.
Columellare. Entsteht als perichoudrale Verknöcherung des mittleren
Abschnittes des Plectrum, Operculum, Pseudoperculum und Pars externa plectri
bleiben knorpelig. Durch die Verknöcherung wird eine Zerlegung des im Knorpel-
zustand einheitlichen Plectrums in drei Abschnitte, Pars interna, P. media und P.
externa bewirkt. Die P. media ist der knöcherne Abschnitt.
Ethmoidale. Entsteht (R. fusca) paarig, und jederseits von 2 Lamellen aus,
einer äußeren und einer inneren. Die äußere beginnt sich hinter dem For. orbito-
nasale an der orbitalen Schädelseiteuwand abzulagern, die innere nimmt ihren Anfang
in der Gegend des For. olfactorium. Sehr bald erfolgt eine Vereinigung der beider-
seitigen entsprechenden Lamellen, und zwar zuerst basal, später auch dorsal (Dach
der Nasenkapsel). Bei fortschreitender Verdickung der inneren und der äußeren
Lamellen wird der Knorpel zerstört, es entstehen Markräume im Knorpel, in die der
Knochen einwächst. Der Knochen dehnt sich so hauptsächlich auf den vordersten
Teil der Orbito-temporalregion, aber auch eine Strecke weit auf das Planum ant-
orbitale, das Septum, Tectum und Solum nasi aus.
Die Homologie des Knochens ist strittig; gegen den naheliegenden Vergleich
mit dem Orbitosphenoid der ürodelen macht Wiederrheim die Lokalität des Aus-
ganges der Ossifikation geltend (1875, S. 101 ff.). Er hält es dagegen für ein dem
Ethmoidale der Apoden entsprechendes Element. GEGENBAnR (1898) betrachtet es
als dem Orbitosphenoid der Ürodelen homolog. Sehr naheliegend ist der Vergleich
der beiden Hälften des Ethmoidale der Anuren mit den beiden Pleuroethmoidalia
der Ganoiden und Teleostier, den Ossifikationen der Processus antorbitales des
Knorpelschädels. Schon Bruch hat (1862) auf diese Homologie, die auch mir sehr
wahrscheinlich ist, hingewiesen. Dagegen ist die Homologie mit dem Ethmoidale
der Säuger sehr fragwürdig.
Der größte Teil des Ethmoidalskelettes bleibt zeitlebens knorpelig erhalten.
b) D e c k k n 0 c h e n.
Die Deckknochen am Oberschädel der Anuren sind: Parie-
tale, P'rontale, Nasale, Septomaxillare, Paraqu adratum ,
Quadratom axillare, die alle paarig sind; dazu kommen die
Knochen, die an der ümwandung der Mundhöhle teilnehmen: das
unpaare P a r a s p h e n o i d und die paarigen P r a e m a x i 1 1 a r e, M a x i 1 -
1 a r e , V o m e r , P a 1 a t i n u m , P t e r y g o i d. Die meisten dieser Stücke
behalten zeitlebens ihre Selbständigkeit und können (wenigstens bei
Rana) noch am erwachsenen Schädel leicht vom primordialen Gerüst
losgelöst werden; nur das Quadratom axillare wächst frühzeitig
in den Knorpel des Quadratums ein. Parietale und P'rontale ver-
schmelzen frühzeitig untereinander.
Die Entstehung der K n o c h e n der M u n d höhle vollzieht sich
bei den Anuren, wie die Untersuchungen von 0. Hertwig ergeben,
in vieler Hinsicht anders als bei den Ürodelen. Die Unterschiede
betreffen nicht nur die zeitlichen Verhältnisse, die schon er-
Die Entwickelung des Kopfskelettes.
745
wähnt wurden, sondern auch die A r t u n d Weise d e r E n t s t e h u n g.
Das genetische Verhältnis der Mundliühlenknochen zu den Zähnen, das
bei den Urodelen noch zum Ausdruck kommt, ist bei den Anuren
Cart. nlii)
Carl, obliqiia
Plan, t er III.
Proc. ninx. aiit
Praema.c
Septomaxül.
Nasale
Bl axillare
For. opf.
Proc. 'pleryf/.
Pal.- Qu. '
For. oculomnt
For. proot. —
All. tymp.
Pterycj.
Frontoparietale
Plectrum
Quadr. max.
Pararjuadr.
Pal.-Quadr
P. artic.
Caps, audit.
Os occip. tat.
Fig. 377. Oherschädel eines jungen umgewandelten Frosches (Eana fusca) von
2 cra Länge. Linl^erseits sind die Deckknochen fortgelassen. Dorsalansicht. Nach
einem bei 25facher Vergr. hergestellten Plattenmodell (von F. Ziegler kopiert). Ver-
hältnis der Abbildung zum Modell = 4:9; die Abbildung entspricht also einer ca.
ntachen Vergr. der natürlichen Größe. BlaurKnorpeb Grau: Ersatzknochen. Gelb:
Deckknochen.
niclit mehr erkennbar. Während bei den Urodelen die Zähne früher
als die meisten Knochen (also in sehr früher embryonaler Zeit) angelegt
werden, tritt bei den Anuren die Zahnbildung erst sehr spät auf, zu
einer Zeit, wo das Skelett der Mundhöhle bereits in allen seinen Teilen
fertig ist. Dieses späte Erscheinen der Zähne bei den Anuren hängt
zusammen mit dem Vorhandensein des provisorischen Kauapparates
(Hornkiefer und Hornzähne), den die Anurenlarven besitzen. Aus
Differenzen ergiebt sich dann ohne weiteres, daß bei
einziger Knochen mehr ontogenetisch aus einer Ver-
Zähnen entsteht. Zähne und Knochen haben sich
hier völlig voneinander emanzipiert und entwickeln sich selbständig:
die Knochen durch Osteoblasten-Thätigkeit in einem sehr zellenreichen
Gewebe.
Frontoparietale. Die gesonderten Anlagen eines Parietale und eines Frontale
hat DuGES beschrieben: das Parietale entsteht am Dach der Labyrinth-, das Frontale
an dem der Orbito-temporalregion, Die Verknöchern iig begiimt lateral und schreitet
gegen die Mittellinie vor. Die Verschmelzung beider Knochen zu einem Frontopari-
etale erfolgt sehr früh. Der Knochen ruht hinten auf der Ohrkapscl, dem Tectuin
synoticum, den Taen. tect. med. und Taen. tect. transv. und schließt die große Dach-
diesen zeitlichen
den Anuren kein
Schmelzuno;
von
746 E. Gaupp,
fontanelle der Labyrinthregion ; im Gebiet der Orbito-temporalregion ruht er mit
seiner lateralen Partie dem oberen Rande der Schädelseitenwand auf, das vorderste
Ende schiebt sich auf das Dach der Nasen kapsei herauf.
Nasale. Entsteht als Deckknochen auf dem Dach der Nasenkapsel.
Septomaxillare. Tritt, Born zufolge, nach vollendeter Abschnürung des
Thränennasenganges auf. Es zeigen sich zuerst feine Knochensplitter um die einer
knorpeligen Stütze entbehrende äußere Seite des mittleren Blindsackes. Von da aus
verbreiten sich die Knochensplitter und nehmen allmählich die Form des definitiven
Knochens an. Das Septomaxillare ist also ein Deckknochen, der wie bei den Urodelen
im Gebiete der hinteren Hälfte der Fenestra narina liegt, die Decke des mittleren
Nasenraumes bilden hilft vmd den Kommunikationsgang zwischen dem oberen und
dem mittleren Nasenraum umschließt. Zugleich deckt er die Nasenmündung des
Thränennasenganges von oben oder umgiebt den Ductus mehr oder minder vollständig
(Pelobates, Bombinator; nach Born).
Der kleine Knochen wurde von Duges entdeckt und le cornet genannt. Parker
nennt ihn Septomaxillare, Born bezeichnet ihn infolge seiner Beziehung zum Ductus
nasolacrimalis als Lacrimale und homologisiert ihn dem einheitlichen Praefroutale
der Urodelen. Die Unrichtigkeit dieser Anschauung geht daraus hervor, daß bei
manchen Urodelen ein Septomaxillare in ganz ähnlicher Lage wie bei den Anuren
vorhanden ist, neben einem typischen einheitlichen Praefroutale (s. Urodelen). Auch
für die Annahme von Peter (1898), daß das Septomaxillare einem vorderen
Praefroutale entspreche, sind bisher keine näheren (xrüude angeführt worden. Was
schließlich noch die Anschauung Born's betrifft, daß das Septomaxillare der Anuren
dem Lacrimale der Amnioten entspreche, eine Anschauung, die schon von P. und
F. Sara SIN zurückgewiesen wurde, aber von Peter wieder vertreten wird, so ist
dagegen zu sagen, daß die Saurier neben einem Praefontale und einem vom Ductus
nasolacrimalis durchbohrten Lacrimale auch noch ein Septomaxillare in ganz ähn-
licher Lage wie die Anuren besitzen. Da mir die Homologie des Septomaxillare der
Anuren mit dem von Parker mit dem gleichen Namen bezeichneten Knochen der
Urodelen und Saurier jetzt festzustehen scheint, so ist es begründet, den von mir
1896 gebrauchten Namen ,,lutranasale" zu Gunsten der älteren PARKER'schen Be-
zeichnung wieder fallen zu lassen. Ein Homologon besitzen die Apoden (s. diese).
Paraquadratum. Entsteht zu einer Zeit, wo das Palatoquadratum noch
die Larvenstellung einnimmt (bei Larven von R. fusca kurz vor der Befreiung der
Vorderbeine, also mit schon beträchtlich reduziertem Schwänze), d. h. während das
Quadrato-mandibulargelenk noch weit vorn unter der Orbitalregion steht, und zwar
als knöcherne Auflagerung an der Außenfläche des Proc. muscularis s. orbitalis,
dicht am Vorderrande dieser breiten aufsteigenden Platte (Gaupp 1894). Es ist also
ein Deckknochen an der lateralen Seite des Palatoquadratums. Während der Meta-
morphose wird der Knochen mit dem Palatoquadratum kaudalwärts verlagert und
breitet sich dann auch auf die Ohrkapsel aus. Auch der Proc. zygomaticus entsteht
erst nach der Metamorphose.
Quadrato-maxillare. Schon bei 15 mm langen Larven von R. fusca er-
streckt sich ein Bandzug von der Pars articularis palatoquadrati nach vorn-innen
zur vorderen äußeren Ecke des Trabekelhornes, somit die Kaumuskulatur von außen
umgürtend. Hinten schließen sich die ihm eingelagerten Kerne direkt an das
Quadratum an. Nach Verschwinden des vorderen Abschnittes des Trabekelhornes,
Bildung der Nasenkapsel und Auftreten der knöchernen Maxilia verbindet jenes
Ligament den Gelenkteil des Palatoquadratums mit dem hinteren Ende der Maxiila.
Seine Verknöcherung beginnt schon während der Metamorphose, und zwar vom
kaudalen Ende aus. Bei der Metamorphose bleibt der Knochen dem Palatoquadratum
eng angeschlossen und erlangt später zu demselben eine noch innigere Beziehung,
indem sich die Verknöcherung von dem Quadrato-maxillare aus auf das Perichon-
drium jenes, und endlich auch in den Knorpel selbst fortsetzt (Gaupp 1894). Hier
ergreift er ziemlich den ganzen lateralen Höcker der Pars articularis palatoquadrati.
Daher ist beim erwachsenen Tier das Quadrato-maxillare ohne Zerstörung des Palato-
quadratums nicht zu entfernen.
Paraspheuoid. Entsteht schon bei Larven mit sehr kurzen hinteren Extremi-
täten (dem Stadium der Fig. 366 entprechend), während in der Orbito-temporalregion
noch eine weite Fenestra basicranialis anterior besteht. Die dünne Knochenlamelle
bildet sich zuerst unter dem vorderen Teil der Basalplatte und dehnt sich von hier
weiter aus. Die erwähnte Fontanelle, in der die Hypophyse liegt, erhält so erst
einen knöchernen Boden durch das Paraspheuoid, bevor die Bildung des Knorpel-
bodens erfolgt. Der Knochen bleibt zahnlos.
Praem axillare. Entsteht während der Metamorphose, zu einer Zeit, wo die
Trabekelhörner und Lippenknorpel noch intakt sind, und die unteren Präuasal-
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 747
knorpel den Trabekelhörnern aufliegen (Fig. 368). Es biklet sich zuerst der Proc.
praenasalis als eine Knochenlamelle, die dem oberen und dem unteren Pränasalknorpel
vorn und lateral anliegt; von ihr aus entwickelt sich dann die mediale Lamelle,
medial von den genannten Fortsätzen, nach hinten hin, während die Trabekelhörner
resorbiert werden. Die Pars palatina wächst ventral von der Intermaxillardrüse nach
hinten vor. Die Verwachsung mit den Zähnen erfolgt spät.
M axillare. Entsteht ebenfalls während der Metamorphose, wenn die Trabekel-
hörner und Lippenknorpel noch intakt sind, und das Nasenskelett über den Trabekel-
hörnern schon verknorpelt ist. Zuerst verknöchert der Teil, der dem Proc. maxillaris
anterior anliegt, und von hier aus entwickelt sich der Knochen nach vorn und hinten
weiter, legt sich vorn an den lateralen Umfang des vorderen Nasenkapselabschnittes,
hinten an das Planum trianguläre (Seitenwand des hinteren Kapselabschnittes) und
den Proc. maxillaris posterior an. Weiterhin verläßt er diesen und damit die knorpelige
Unterlage und wächst dem Quadrato-maxillare entgegen. Die Verwachsung mit den
Zähnen erfolgt auch beim Maxillare spät.
Vom er und Palati num entstehen an der Unterfläche der Nasenkapsel ziem-
lich spät, erst nach der Metamorphose. Ersterer verbindet sich mit Zähnen, letzteres
bleibt zahnlos.
Pterygoid. Entsteht, noch bevor die Stellungsänderung des Palatoquadratums
beendet ist, am dorsalen Umfang des Proc. pterygoideus palatoquadrati, den es
weiterhin auch von der Medialseite umwächst. Bleibt zahnlos.
Knochen des Unterkiefers.
Das Haiiptstück des primordialen Unterkiefers (auch die Pars
articularis) bleibt auch im erwachsenen Tier (Rana) knorpelig erhalten.
Nur das vorderste Stück, das bei der Larve als Infrarostrale fungierte,
erhält eine perichondrale Knochenscheide, doch bleibt auch in dieser
ein Rest des Knorpels zeitlebens erhalten, so daß das so gebildete
Mento mandib ulare auf einer primitiven Entwickelungsstufe eines
Ersatzknochens stehen bleibt. Auch ist es nicht selbständig, sondern
entsteht, indem sich die Verknöcherung vom Dentale aus auf das
Perichondrium des Infrarostrale foi'tsetzt, so daß der Knochen später
nur den vordersten Teil des Dentale bildet. Von Deckknochen sind
ein Dentale und ein Angulare vorhanden; ein Operculare, das
schon bei den Urodelen inkonstant ist, kommt bei den Anuren nicht
zur Entwickelung. Da dem Unterkiefer der Anuren die Zähne mangeln,
so entsteht auch das Dentale ohne Beteiligung von solchen.
Knochen des Hyobrauehialskelettes.
Der größte Teil des Hyoids bleibt knorpelig, Ersatzknocheu treten
nur an die Stelle der beiden Proc. postero-mediales. Doch bleiben
auch von diesen die Spitzen knorpelig. An der Ventralfläche des
Zungenbeinkörpers entsteht bei manchen Anuren (Alytes, Pelodytes)
ein unpaarer V- oder H-förmig gestalteter Deckknochen, der zum Teil
in den M. hyoglossus eingelagert ist (Ridewood). Seine Entwickelung
wurde noch nicht verfolgt.
Apoden.
Ueber die Entwickelung des Apodenschädels liegt nur eine aus-
führlichere Darstellung vor: die von Peter (1898), die die Entwicke-
lung des Schädels von Ichthyophis glutinosus auf Grund des von den
Vettern Sarasin gesammelten Materiales behandelt. Das Hyobranchial-
skelett ist in ihr nicht mitberücksichtigt; Angaben von P. und F.
Sarasin ergänzen diese Lücke teilweise.
Wie bei den Urodelen, so beginnt auch bei Ichthyophis die
Knochenbildung sehr frühzeitig, noch während die Ausbildung
des Primordialcraniums im Gange ist. Trotzdem ist im Nachfolgenden,
748 E. Gaupp,
wie auch bei Peter, die Schilderung der Knochenentwickelung als
besonderes Kapitel an die Darstellung des Primordialcraniums an-
geschlossen.
Peter kommt zu dem Schlüsse, daß der Apodenschädel von dem Urodelen-
schädel ableitbar ist, und daß die grabende Lebensweise der Cäcilien die Ursache
abgab, die den ursprünglichen Urodelenschädel in so bedeutender Weise veränderte.
Im einzelnen ergeben sich interessante Analogieen mit dem Schädel der Amphis-
baeniden, der in ähnlicher Weise einen durch das Graben umgeänderten Saurier-
schädel repräsentiert.
I. Das Primordialcranium von Ichthyophis glutinosus.
Schon bei dem jüngsten von Peter untersuchten Enibrj^o (Embryo
mit großem, noch nicht gewundenen Dotter und kurzen Kiemen, etwa
gleich Fig. 38, Taf. IV des SARASiN'schen Werkes) war äas ganze
Primordialcranium mehr oder weniger deutlich vorknorpelig ausgebildet,
so daß die ersten Anlagen desselben nicht festgestellt werden
konnten. Da sich jedoch eine in wichtigeren Punkten sehr beträcht-
liche Aehnlichkeit des Primordialcraniums von Ichthyophis mit dem
der Urodelen konstatieren ließ, so glaubt Peter auch bezüglich der
Entwickelung völlige Uebereinstimmung voraussetzen zu dürfen.
A. Neuraler Teil des Prlniordialcraniums.
Schon das vorknorpelige Primordialcranium zeigt im großen
und ganzen die gleichen Verhältnisse wie das spätere knorpelige; es
wandelt sich später einfach in echten Knorpel um, ohne diesem eine
weitere Ausbreitung zu gestatten. Größere Veränderungen im Laufe
der Entwickelung zeigt nur die Ethmoidalregion ; in den übrigen
Regionen sind die Unterschiede zwischen dem vorknorpeligen und
dem knorpeligen Zustand nur geringfügig, aber immerhin durch ihren
Charakter von Interesse: bei dem jüngsten von Peter untersuchten
Stadium wurde noch ein verhältnismäßig größerer Raum vom vor-
knorpeligen Primordialcranium eingenommen, als das später beim
fertigen Knorpel der Fall ist, „ein Beweis für bedeutendere Ent-
wickelung des Knorpelschädels bei den Vorfahren der Cäcilien und
für die selbst bis ins Embryonalstadium reichende Wirkung der
Reduktion". Letzteres gilt besonders von der Basis des chordalen
Schädelabschnittes.
Das Primordialcranium in seiner höchsten Ausbil-
dung ist seiner allgemeinen Form nach ohne Schwierigkeit auf das
der Urodelen zurückzuführen. Anklänge an die Anuren fehlen völlig.
Ein ganz besonders charakteristisches Merkmal des Ichthyophiscraniums
liegt aber in der geringen Entwickelung des Knorpels überhaupt. An
Stelle kompakter Massen findet sich (Fig. 378) vielfach nur ein zartes
Sparrenwerk, das große Oefinungen in weitem Bogen umkreist, und
wo zusammenhängende Platten vorhanden sind, erweisen sich auch
diese als außerordentlich zart und dünn. Unter Bezugnahme auf die
am Ranacranium gemachten Erfahrungen, nach denen bei der Bildung
des Primordialcraniums sich zuerst ein Gerüst anlegt, das in großen
Zügen die definitive Foi'm vorzeichnet und sich aus einzelnen, die
Nerven- und sonstigen Oeffnungen weit umkreisenden Spangen zu-
sammensetzt (Gaupp 1893, s. o. p. 723, 727), definiert Peter die Form
des Primordialcraniums von Ichthyophis als ein E m b r y o n a 1 s t a d i u ni
eines Knorpelschädels, das nicht überschritten wird, weil der
Knorpelschädel seine Bedeutung verloren hat. Phylogenetisch handelt
Die Entwickelung des Kopfskelettes.
749
es sich natürlich um einen Recluktionszustand, der in der Onto-
genese dadurch hergestellt wird, daß ein embryonales Verhalten bei-
behalten wird, und die letzten Stadien, die zur Vervollkommnung
führen sollten, eliminiert werden.
Im speciellen sind die Formverhältnisse aus der Fig. 378 leicht
erkennbar; bei der nachfolgenden Schilderung gebrauche ich zum Teil
eigene, von den PETER'schen abweichende Bezeichnungen.
Cart. cupul.
Cart. praenas. Inf. med.
For. apicale
Septum nasi
Feil. bas. jwst.
For. orh.-nas.
Proc. antorb.
For. opticiim
For. 'proot.
Proc. pteryg. P.-Q.
K fac.
f N. hyomand.
\ iV^. palat.
For. acust.
Proc. retroart.
(Cart. Meckel.)
Caps, audit
Fen. narina.
Cart. infranarina.
Fen. bas. ant.
Plan, internus.
Trabecula
-Taen. marg.
-Cart. 3feckel.
For. JY. VII
'For. acust.
For. perilymph.
For. jugid.
Plan, hyjjochord.
Fig. 378. Neurales Primordialcranium und Kieferbogen eines Embryo von
Ichthyophis glutinosus, von der Dorsalseite. Vergr. 20 : 1. Nach Peter.
Die 0 ccipital r egiion , von sehr geringer Ausdehnung, zeigt
die 2 Coudyli occipitales zur Verbindung mit dem Atlas, untereinander
verbunden durch eine schmale, basal gelagerte Spange, die Hy po-
ch ordalplatte (Occipitalplatte Peter), und aufwärts in je eine
schmale Spange verlängert, die als laterale Begrenzung des Foramen
occipitale magnum und zugleich hinter dem Vagus aufsteigt und sich
über dem letzteren mit der Ohrkapsel verbindet. Die Hypochordal-
platte repräsentiert am ausgebildeten Knorpelschädel einzig und allein
die Basis des Cavum cranii, während sich durch die Labyrinth- und
Orbito-temporalregion eine große Bodenfontanelle (Fenestra basi-
cranialis communis) ausdehnt.
Schon auf dem frühesten Stadium fand Peter den (jungknorpeligen) Hinter-
hauptsteil im Zusammenhange mit der Labyrinthkapsel. Die Chorda dorsalis
war noch gut entwickelt, die Occipitalplatte ließ deutlich 2 parachordale Hälften
erkennen, die durch eine noch dünne hypochordale Kommissur verbunden waren.
Somit vollzieht sich die Ausbildung der einheitlichen Occipitalplatte wie bei den
750 E. Gaupp,
Urodelen (paarige Anlage, Dachträgliche hypochordale Vereinigung beider Hälften).
Die Ausdehnung der Occipital platte (in sagittaler Richtung) ist auf den jüngeren
Stadien beträchtlicher als später: es findet also noch während des Embryonallebens
eine Reduktion der Platte statt.
Die Chorda dorsalis erstreckt sich auf dem frühesten Stadium nach vorn
bis an die bereits vom Mundepithel abgeschnürte Hypophyse. Nur ihr hinterster
Abschnitt liegt, nach seinem Austritt aus dem Atlas, der üccipitalplatte auf, weiter
vorn liegt sie frei im subcerebralen Bindegewebe. Der gesamte Schädelteil der Chorda
dorsalis geht noch während des Eilebens zu Grunde.
Für die Auffassung der Occipitalregion von großer Wichtigkeit ist der Nachweis
eines N. occipitalis (im Sinne Fürbringer's), der Peter gelang. Der Nerv, der
sich durchaus wie ein spinaler verhält, tritt zusammen mit dem Vagus durch das
Foramen jugulare aus, wird aber von jenem schon embryonal durch eine Binde-
gewebsbrücke getrennt. Bei der Verknöcherung wird er in einen eigenen Knochen-
kanal eingebettet. Sein Vorhandensein spricht zu Gunsten der Anschauung Für-
bringer's, daß der Hinterhauptsteil des Amphibienschädels einem Multiplum von
primären Occipitalwirbeln entspricht (s. p. 691).
Lab yrinth regio n. Die Ohrkapsel bietet in ihren Hauptzügen
die gleichen Verhältnisse wie die der Urodelen, nur ist sie bedeutend
zarter und zeigt ^ußer der sehr großen Fenestra vestibuli und
den 3 typischen aber stark erweiterten Oeffnungen der Innenwand
(F 0 r a m e n p e r i 1 y m p h a t i c u m , F o r. e n d o 1 y ni p h a t i c u m, F o r.
acusticum) noch einige weitere Oeffnungen an verschiedenen Stellen,
die keine Wichtigkeit beanspruchen und auch im Vorknorpelstadium
noch nicht vorhanden sind. Auch hier ist also ontogenetisch eine
Reduktion des Primordialcraniums festzustellen. Ein Tectum synoticum
fehlt und ist nur durch schmale Leisten an beiden Ohrkapseln ange-
deutet. Hinten ist die Ohrkapsel mit dem Occipitalteil verbunden
und zwar sowohl basal, als auch über dem Vagus mit dem oberen
Ende des Occipitalbogens. So wird das Foramen jugulare ge-
bildet. Unterhalb der vorderen Kuppel der Ohrkapsel besteht, wie
bei manchen Urodelen (Amphiuma, Siredon), eine selbständige Aus-
trittsöffnung des N. facialis, die hier bei Ichthyophis allerdings (wie
die Foramina alle) sehr groß ist, so daß ihre vordere und ihre basale
Begrenzung nur durch dünne Knorpelspangen gebildet wird. Die
basale Begrenzungsspange (Repräsentant der Basal platte, die im
übrigen fast ganz fehlt) hängt hinten mit dem Boden der Ohrkapsel
zusammen und geht vorn in die Trabecula baseos cranii über. Der
R. palatinus besitzt eine eigene Austrittsöffnung, die diese basale
Spange durchbohrt.
Von der dorsalen Ohrkapselkante aus zieht die dorsale Randspange
der Orbito-temporalregion nach vorn.
Im Innern der Ohrkapsel bestehen nur 3 sehr schmale Brücken,
die die Räume der 3 Bogengänge unvollständig von dem Hauptraum
der Kapsel trennen.
Die Columella auris ist im Knorpelstadium ein einheitliches
Gebilde, an dem ein Operculum und ein Stilus zu unterscheiden
sind. Das Operculum besitzt allerdings die Form eines dünnen Stabes
und vermag somit die sehr weite Fenestra vestibuli, in deren Bereich
es liegt, durchaus nicht zu verschließen : kernreiches Gewebe füllt den
Raum zwischen ihm und den Fensterrändern aus. Der Stilus be-
sitzt eine Oeffnung, die von der A. stapedia durchsetzt wird und legt
sich mit seinem vorderen Ende an den hinteren Umfang des Palato-
quadratums an. Die Anlage des Operculums ist auf jüngeren Stadien
durchaus einheitlich mit der der Ohrkapsel: die Ohrcolumella schnürt
sich von der Ohrkapsel ab und wächst von dieser aus. Das distale
Die Entwickeluug des Kopfskelettes. 751
Coluniellaende und das Palatoquadratum werden anfangs durch eine
Gewebsscliiclit getrennt, später bildet sich zwischen ihnen ein Gelenk
aus. Das distale Ende des Stilus ist möglicherweise gesonderten Ur-
sprungs (vom Quadratum ?). —
Das Skelett der 0 r b i t o - 1 e m p o r a 1 r e g i o n ist ganz besonders
reduciert. Hier fehlt jede Spur von Decken- oder Bodenbildung; nur
eine aus dünnen Spangen bestehende Seitenwand ist vorhanden. Zwei
dieser Spangen ziehen jederseits fast parallel nach vorn : die eine,
ventrale, ist die Trabecula baseos cranii und direkte Fort-
setzung der basalen Spange unter dem Facialisloch ; die andere,
dorsale, schließt sich an die vordere Kuppel der Ohrkapsel an und
entspricht dem orbito-temporalen Abschnitt der dorsalen Rand-
spange (Taenia marginalis). Zwei vertikale Stäbe verbinden
die beiden Längsspangen und begrenzen so 2 große Oeffnungen: eine
hintere für den N. trigeminus und eine vordere für den N. op-
ticus (P'or. prooticum und For. opticum).
Die Skelettteile der E t h m o i d a 1 r e g i o n entstehen am spätesten
und machen während des Embryonal- und Larvenlebens die meisten
Umwandlungen durch.
Dies hän^t vor allen Dingen ab von der Lageveränderung, die das Geruchs-
organ in Beziehung auf das Gehirn durchmacht. Im frühesten Stadium liegen die
Nasensäcke vollständig seitlich und ventral vom Gehirn ; erst allmählich lagern sie
sich vor das Gehirn. Das hat eine entsprechende Lageänderung der Skelettteile
zur Folge, die sogar die Orbito-temporalregion in Mitleidenschaft zieht : das For.
opticum liegt in frühen Stadien nicht rein vor, sondern teilweise unter dem For.
prooticum.
Die Differenzierung des Skeletts erfolgt in der Richtung von
hinten nach vorn, so daß die hinteren Partieen bereits Vorknorpel-
charakter angenommen haben, wenn die vorderen noch erst aus einem
zellreichen Gewebe bestehen. Zur Ausbildung kommen mediane, basale,
laterale, sowie hintere und vordere Knorpelpartieen, während an der
Decke die Knorpelbildung ausbleibt. Die medianen und die dorsalen
seitlichen Partieen verknorpeln im Anschluß an die Trabekel und die
dorsalen Randspangen, während die seitlich-unteren Knorpelzüge ohne
Anschluß an diese Gebilde für sich aus dem perirhinischen Gewebe
entstehen. Die Trabekel beider Seiten konvergieren vorn und ver-
einen sich zu der I n t e r n a s a 1 p 1 a 1 1 e , die sich weiter vorn zu
einem medianen, schon in der Anlage einheitlichen Septum erhebt.
Von der Septalanlage nach außen differenzieren sich vorn Carti-
lagines cupulares (Kuppelknorpel), um den vorderen Abschluß
beider Kapseln zu bilden. Zwischen ihnen verlängert sich aber das
Septum zu einem unpaaren Fortsatz: Cartilago praenasalis
inferior media. Die Taenia marginalis der Orbito-temporalregion
setzt sich in die Hinter- und Seitenwand der Nasenkapsel fort, in die
auch der an typischer Stelle vom Schädelbalken aus sich bildende
Processus antorbitalis übergeht. In der Konfiguration des
Seitenwandknorpels der Nasenkapsel zeigen sich Urodelen- wie Anuren-
merkmale. Vorn besteht eine große Fenestra narina, vorn durch
die Gart, cupularis, dorsal durch eine Gart, obliqua, ventral
durch eine Gart, infranarina begrenzt (in Fig. 378 hat die CarL
obliqua die vordere Kuppel noch nicht erreicht, daher ist die Fen.
narina dorsal noch nicht ganz geschlossen). Beide Knorpelspangen
gehen hinter der Fen. narina in den ausgedehntesten Teil der Nasen-
seitenwand über, der mit seiner vorderen Partie offenbar dem Planum
752 E. Gaupp,
conchale der anderen Amphibien entspricht. Die ventrale Hälfte der-
selben schließt mit freiem kaudalen und ventralen Rande ab (eine
Andeutung einer Gart, ectochoanalis scheint in späteren Stadien sich
auszubilden, aber ohne den Proc. antorbitalis zu erreichen) ; die dor-
sale Hälfte setzt sich dagegen in die seitliche Wand des hinteren
Nasenkapselabschnittes fort, in deren unteren Rand der Proc. ant-
orbitalis, und in deren oberen Rand die Taenia marginalis übergehen.
Von der Gegend des Planum conchale aus entwickelt sich schließlich
noch ein queres, basal gelagertes Knorpelband, das den unteren Rand
des Planum conchale mit der Basis des Septums verbindet.
Durch die geschilderten Knorpelpartieen werden mehrere große Oeffnungen be-
grenzt. Zunächst eine sehr ausgedehnte Fenestra dorsalis, die bei dem vöüigen
Mangel eines Nasendaches sich über beide Hälften der Kaj^sel ausdehnt und hinten
auch mit den Foramina olfactoria zusammenfließt. Die Fenestra narina wurde
schon genannt. An der Basis wird durch die basale quere Knorpelspange eine
Fenestra basalis anterior, die keine besondere Bedeutung besitzt, von der
Fen. basalis posterior s. choanalis abgetrennt, die für die Choane bestimmt
ist. Dieses Fenster fließt hinter dem Planum conchale zusammen mit einer seitlichen
Lücke, die der Fen. infraconchalis der ürodelen entsprechen würde. Diese bleibt
aber von der großen Fenestra dorsalis getrennt. Von kleineren Nervenlöchern sind
zu nennen das For. orbitonasale über dem Proc. antorbitalis (Eintritt des N.
ethmoidalis in die Nasenkapsel), dann vorn neben dem Septum im Kuppelknorpel
das For. apicale (Austritt des N. medialis nasi), und schließlich in der Seitenvvand
über dem Planum conchale eine Austrittsöffnung für den N. lateralis nasi, die
ich Foramen epiphaniale nenne. (In der Figur nicht sichtbar; über die Be-
zeichnung s, p. 587.)
Im ganzen ist somit auch am Ethmoidalskelett der Amphibien- und besonders
der Urodelentypus erkennbar, trotz der mancherlei Besonderheiten, die auf Kosten
der bedeutenden Ausbildung des Geruchsorgan es selbst und der bedeckenden Knochen
kommen. Letzterem Moment ist vor allem die Lückenhaftigkeit zuzuschreiben, die
die Kapsel selbst im Zustande höchster Ausbildung zeigt. Sehr auffallend ist der
völlige Mangel einer knorpeligen Decke, womit auch der mangelnde Abschluß des
For. olfactorium in Verbindung steht. Die quere Bodenspange hat dagegen Ich-
thyophis vor den meisten ürodelen voraus (vorhanden bei Amphiuma p. 701). In dem
Besitz eines unpaaren iSeptums schließlich repräsentiert Ichthyophis einen primitiveren
Zustand als die meisten ISalamandriden und schließt sich gewissen Ichthyoden an.
Im Laufe der weiteren Entwickelung wird die Nase bedeutend
flacher und länger; auch das Septum flacht sich ab. Die Kuppel-
knorpel vergrößern sich noch und bilden ein Dach für den vordersten
Teil der Nase sowie eine Kuppel für den vorderen P)lindsack; auch
für den hinteren Blindsack wird eine knorpelige Umhüllung geschaffen
und der Choanenschleimbeutel schärfer von dem Nasensack mit dem
jACOBSON'schen Organ getrennt. Daneben beginnen sehr früh Pro-
zesse der Knorpelzerstörung : der Knorpel wird teils durch Knochen
ersetzt, teils in Bindegewebe umgewandelt, so daß außer dem vorderen
Teil des Septums mit dem Pränasalknorpel nur die vordere Kuppel
und in Verbindung mit dieser ein oberes und ein unteres Stück der
Seitenwand erhalten bleiben. Aber auch diese Teile zeigen nicht mehr
den ausgesprochenen Charakter des hyalinen Knorpels: die Kapseln
sind verloren gegangen, und die zahlreichen Zellen liegen in einer
strukturlosen, festen Zwischensubstanz, die sich nur durch stärkere
Tinktionsfähigkeit von dem die Knochen trennenden Bindegewebe
unterscheidet.
Schicksal des neuralen P r i m o r d i a 1 c r a n i u m s. Zum bei
weitem größten Teile geht das Knorpelcranium völlig zu Grunde; nur
geringe Reste — am reichlichsten in der Ethmoidalregion — erhalten
sich beim ausgebildeten Tier. Das Zugrundegehen des Knorpels ist
an den meisten Stellen eine Folge des Auftretens perichondraler
Die Entwickelung des Kopfskelettes.
753
Knochen, an einigen anderen ist es unabhängig vom Knochen und be-
steht in einer Umwandlung des Knorpels in Bindegewebe.
B. Visceraler Teil des Primordialcraiiiums.
Kieferbogen. Das Palatoquadratum von Ichthyophis ist
im Knorpelstadium von dem der übrigen Amphibien vor allen Dingen
dadurch ausgezeichnet, daß es keine Verbindung mit dem neuralen
Cranium eingeht, sondern frei neben dem vordersten Teil der Labyrinth-
kapsel liegt. An dem Körper des Quadratums findet sich der Ge-
lenkhöcker zur Verbindung mit dem MECKEL'schen Knorpel, und ferner
gehen zwei Fortsätze von ihm aus: der Proc. ascendens und der
Proc. pterygoideus (die Pars palatina). Mit dem letzteren durch
eine dichte Zellanhäufung verbunden und in seiner direkten vorderen
Verlängerung findet sich noch ein Knorpelstab, der wieder in zwei
Teile gespalten sein kann : offenbar ist er gleichen Ursprungs wie der
Proc. pterygoideus. Ein Proc. oticus ist nur schwach angedeutet,
ein Proc. basalis fehlt gänzlich.
Am MECKEL'schen Knorpel ist der sehr
articularis besonders auffallend und erwähnenswert (Fig. 378).
Der Proc. pterygoideus des Palatoquadratums tritt, wie bei den Urodelen, so
auch bei Ichthyophis, sehr spät auf. Seine ZerfäHung in einzelne Stücke, von denen
das vorderste sehr weit nach vorn reicht, kann in dem gleichen Sinne aufgefaßt
werden, wie das analoge Verhalten bei den Urodelen : als Andeutung dafür, daß der
Fortsatz früher weiter nach vorn reichte (s. p. 703). Winslow (1898) postuliert
daraufhin eine sehr primitive Form der Amphibien als Stammform von Ichthyophis,
im Anschluß an die oben fp. 703) erörterte Anschauung, daß der weit nach vorn
reichende Proc. pterygoideus (wie ihn Kanodon und die Anuren zeigen) ein primi-
tives Merkmal darstellt. Darin unterscheidet sich Winslow's allgemeine Schluß-
folgerung etwas von der Peter's, der mehr einen direkten Urodelenursprung der
Cäcilien annimmt. Die Frage, ob die Selbständigkeit des Palatoquadratums vom
neuralen Schädel, phylogenetisch betrachtet, ein primitives Merkmal darstellt, oder
ob es sich hierbei um eine sekundäre Wiederloslösung handelt, läßt sich zur Zeit
noch nicht entscheiden.
lange Proc. retro-
Hyale
Branch.
Brauch. HI
Branch. IV
Branch. I
'Branch. II
Branch. III
Branch. IV
Fig. 379. Hyobranchialskelett von Ichthyophis glutinosus. Nach P. imd F.
Sarasin. a larvaler Zustand; etwa 8mal vergr. b ausgebildeter Zustand; etwa
4mal vergr.
Hyobranchialskelett. Die erste Entstehung des Hyobran-
chialskelettes ist unbekannt. Der verknorpelte Apparat der Larve von
Ichthyophis glut. zeigt manche Abweichungen von dem der Salaman-
dridenlarven (Fig. 379a). Es sind, nach der Darstellung von P. und
Handbuch der Entwickelungslehre. Uli 2.
48
754 E. Gaupp,
F. Sarasin, zwei Copulae vorhanden: an die Copnla I legen sich
seitlich die beiderseitigen Hyalia an, an die dahinter folgende Copula II
seitlich die beiderseitigen Branchiala I und au ihre kaudale Spitze die
Brauchialia IL Die Copula I ist wohl als Basihyale aufzufassen (s.
Auuren). Das Hyale wie die 4 Branchialia sind ungegliedert. Im
Gegensatz zu den Urodelen erreichen die Branchialia III die Mittel-
linie und sind hier sogar untereinander (in einiger Entfernung hinter
der 2. Copula) verschmolzen ; die medialen Enden der Branchialia IV
erreichen die Mittellinie nicht, sondern legen sich au den hinteren
Rand ihrer Vordermänner an.
Im jungen Embryonalstadium findet Peter noch ein Verbindungsstück zwischen
dem 2. und 3. Branchialbogen, das schon embryonal verloren geht. Wo es liegt,
wird nicht gesagt.
Die Metamorphose ist noch nicht genau verfolgt worden; die
bei ihr sich vollziehenden Umänderungen sind nur aus dem Zustand
des Hyobranchialskelettes des erwachsenen Tieres zu erschließen. Auch
dieses ist ganz knorpelig (Fig. 379 b). Eine Copula I ist nicht mehr
vorhanden ; die beiderseitigen Hyalia sind in der ventralen Mittellinie
untereinander verschmolzen und hängen außerdem durch ein unpaares,
offenbar aus der Copula II hervorgegangenes Knorpelstück mit den
Branchialia II zusammen. Die Branchialia II haben die Verbindung
mit der Copula verloren, ihre ventralen Enden sind untereinander
verschmolzen ; letzteres gilt auch noch von den Branchialia III. Als
Rudiment des Branchiale IV betrachten P. und F. Sarasin eine kleine
mediale Zacke am distalen Ende des Branchiale III.
Daß durch das Vorhandensein zweier Copulae bei der Ichthyophislarve die
Verhältnisse der Anurenlarven eine Erklärung finden, wurde oben bemerkt (p. 741).
IL Die Schädelknochen von Ichthyophis glutinosus.
Die Entwickelung der Schädelknochen von Ichthyophis, wie sie
durch Peter beschrieben worden ist, bietet manche an die Verhält-
nisse bei Teleostiern erinnernde Erscheinungen. Dahin gehört es,
daß manche Knochen, die perichondral entstehen und sich auch w^eiter-
hin wie richtige Ersatzknochen verhalten, doch zugleich ein starkes chon-
drifugales Wachstum zeigen, indem sich die Ossifikation auf Gewebs-
partieen fortsetzt, die nicht vorher verknorpeln. In einigen Fällen
sind diese Gewebspartieen offenbar als Teile der Anlage des Primor-
dialcraniums aufzufassen, die nicht zur Verknorpelung kamen, wie das
vielfach bei Teleostiern beobachtet wird; in anderen Fällen handelt
es sich um Bindegewebe in der Nachbarschaft des Knorpels, dem jene
Bedeutung sicherlich nicht zukommt. Daneben kommen wie bei den
Teleostiern frühzeitige Konkrescenzen von Deck- und Ersatzknochen
vor, ja selbst einheitliche Entstehung eines Skelettstückes, das doch
offenbar als Compositum aus einer Ersatz- und einer Deckkuochen-
komponente aufzufassen ist (Articulare- Angulare). Die Knochen-
bildung beginnt sehr früh.
Knochen im Gebiete des Oberseh Jidels.
a) Er satzkn ochen. Als ein Großknochen (P. und F. Sarasin),
der aus der Ossifikation der Occipital-, der Labyrinth- und eines Teils der
Orbito-temporalregion beider Seiten hervorgeht, und an dessen Auf-
bau sich auch noch das Parasphenoid beteiligt, erscheint der Basal-
kn ochen; an Stelle des vorderen Teiles der Orbito-temporalregion
Die Entwickeluug des Kopfskelettes. 755
und des größten Gebietes der Ethmoidalregion tritt das Ethmoi dale;
weitere Ersatzknochen im Bereiche des Oberschädels sind dasColu-
mellare und das Quadrat um.
Basalk nochen (Saeasin). Dehnt sich bei Ichthyophis über ein Gebiet aus,
das bei den Urodelen von einer größeren Anzahl verschiedener Knochen (Pleurocci-
pitaüa, Prootica, Paras23henoid) eingenommen wird. Indessen sind diese Stücke, nach
Peter, auch in der embryonalen Anlage nicht alle isoliert nachweisbar, vielmehr
besteht der Knochen bei Embryonen nur aus drei Stücken: dem unpaaren Para-
sphenoid und den beiden paarigen Knochen, die aus der Verknöcheruug des gesamten
Primordialcraniums der Occipital-, Labyrinth- und halben Orbito-temporalregion
hervorgehen. Von diesem ganzen Gebiet, das seine vordere Grenze in der Mitte des
Opticusfensters hat, bleibt jederseits nur die Gelenkfiäche des Condylus occipitaiis
knorpelig. Der mittelste Teil der Occipitalplatte (die hypochordale Kommissur) ver-
knöchert ebenfalls nicht, sondern degeneriert zu Bindegewebe.
Bei der Verknöcherung des genannten Abschnittes des Primordialcraniums tritt
die umhüllende perichondrale Knochenschale fast gleichzeitig um den ganzen Knorpel
auf. Es lassen sich bestimmte Centreu der Knochenbildung (die dem Pleuroccipitale
und dem Prooticum entsprechen) nicht nachweisen. Der in nächster Nachbarschaft
des Knorpels, im Perichondrium, auftretende Knochen beschränkt sich aber nicht
darauf , den Knorpel zu ersetzen , sondern er äußert auch ein sehr bedeutendes
chondrifugales Wachstum, d. h. er dehnt sich in das umgebende Bindegewebe aus.
So kommt es auch zu einem knöchernen Dach in der Occipitalregion, trotzdem ein
knorpeliges Dach hier niemals besteht. Bei der Verknöcherung ossifiziert auch die
oben erwähnte Bindegewebsbrücke, die den N. occipitaiis vom N. vagus trennt. Das
Parasphenoid entsteht als Deckknochen.
Die erste Anlage des Basalknochens fällt bereits in ein frühes Embryonal-
stadium; die Verschmelzung des Parasphenoids mit den beiden primordialen Kom-
ponenten erfolgt aber erst spät. Noch die älteste von Peter untersuchte Larve (von
16 cm Länge, Kiemenloch geschlossen, Flossensaum geschwunden) zeigte die einzelnen
Stücke nur durch Naht verbunden. Die einheitliche Verknöcherung der Occipital-
und Labyrinthgegend des Chondrocraniums kann als eine fusion primordiale im
Sinne von Duges gedeutet werden.
Ethmoi dale. Der sehr kompliziert gestaltete Knochen, der als Ethmoidale
bezeichnet wird, ist auch seiner Genese nach sehr eigenartig; zum Teil entsteht er
auf der knorpeligen Grundlage des Skelettes der Ethmoidalregion und der vorderen
Hälfte der Orbito-temporalregion , zum Teil ohne knorpelige Vorbildung. Ent-
sprechend der späten Ausbildung des knorpeligen Ethmoidalskelettes entsteht auch
das Os ethmoidale als letzter von allen Knochen; erst am Ende der Embryonalzeit
treten die ersten Ossifikationen auf. Das Septum des Knochens ist in seinem
vorderen Teil knorpelig präformiert, von hier aus setzt sich aber die Ossifikation
nach hinten zwischen die Lobi olfactorii ohne knorpelige Grundlage fort. Die
Lamina praecerebralis (Lamina cribrosa, Autt. ; Scheidewand zwischen dem
Cavum cranii und dem Cavum nasale) entsteht ohne knorpelige Vorbildung auf
bindegewebiger Grundlage. Die lateralen und die basalen Abschnitte (vordere
Schalen, Proc. conchoides und hintere Schale, nach der SARASix'schen Nomenklatur)
sind zum größten Teil knorpelig präformiert (hinterer Teil des ethmoidalen, vorderer
Teil des orbitalen Skelettes) ; zwischen den verknöchernden vorderen Abschnitten der
Trabecula und der dorsalen ßandspange jeder Seite entsteht Knochen ohne knorpe-
lige Präformation als Seitenbegrenzung der hinteren Schalen. Die Verknöchernng
beginnt im Septum.
Die Aehnlichkeit des Ethmoids der Apoden mit dem der Anuren ist naheliegend;
gegenüber dem letzteren zeichnet sich das der Apoden durch die geringere Ausdeh-
nung der knorpeligen Präforination aus. Auch die Homologie mit den beiderseitigen
Orbito-spheuoidea der Urodelen ist wahrscheinlich (s. p. 744).
Columellare (Stapes). Bildet sich nach Peter völlig aus der primordialen
Grundlage. Die Verknöcherung beginnt schon beim Embryo und zwar zuerst am
Operculum ; erst im späteren Embryonalleben überzieht sich auch der Stilus mit
Knochen. Frei bleiben davon das distale Ende des Stieles (das mit dem Qnadratum
eine Gelenkverbindung eingeht) und das rostrale des Deckels. Die Pars opercularis
wächst noch nach oben und unten etwas in die Breite, so daß sie zu einer ovalen,
die Fenestra vestibuli verschließenden Platte wird. Das schon im Knorpelstadium
vorhandene Loch des Stieles (für die A. stapedia) ist auch nach der Verknöchernng
deutlich.
Quadrat um. Das knorpelige Palatoquadratum verknöchert vollständig, mit
Ausnahme der beiden Gelenkflächen für den Stiel der Columella und den Ünter-
48*
756 E. Gaupp,
kiefer. Schon früh (Eml)ryo mit gedrehtem Dotter und langen Kiemen) bildet sich
eine Knochenschale um den ganzen Quadratknorpel mit Ausnahme des oberen Teiles
des Proc. ascendens; dieser bleibt an seinem Ende knorpelig bis ins Larvenleben
hinein. Von den jjerichondralen Knochenscheiden des Proc. ascendens und des Proc.
pterygoideus wächst schließlich (spät) eine knöcherne Platte (Proc. jugalis, P. und
F. Sarasin) aus, die den Zwischenraum zwischen den beiden genannten Fortsätzen
ausfüllt. Sie war niemals knorpelig präformiert. Peter vergleicht diesen Fortsatz
wegen seiner nur bindegewebigen Präformation mit dem vorderen, ebenfalls nur häutig
jsräformierten Teil des Quadratomaxillare der Anuren.
b) Als Deck kn och en des Oberschädels (außer dem schou beim
Basale erwähnten Parasphenoid) kommen jederseits noch zur Entstehung :
Parietale, Frontale, Nasale; P a r a q u a d r a t u m , P o s t f r o n-
tale, Praefrontale, Septomax illare; Praem axillare,
M a X i 1 1 a r e ; V 0 m e r , P a 1 a t i n u m , P t e r y g o i d.
lieber das Parietale, Frontale, Nasale, Post- und Praefront ale
liegen Angaben nicht vor.
Paraquadratum (Squamosum, Wiedersheim; Jugale, P. und F. Sarasin).
Entsteht nach Peter wie das Paraquadratum der Urodelen als Deckknochen am
lateralen Umfang des Palatoquadratums und des vorderen Endes der ührkapsel.
Die Verbindung mit dem Maxillare erfolgt erst sekundär im späten Larvenleben.
Das Septomax illare (Nasale laterale, Wiedersheim; Turbinale, P. und F.
Sarasin) ist ein Deckknochen in der lateralen Begrenzung des vorderen Teiles des
Nasensackes. Die Homologisierung dieses Knochens mit der unteren Muschel der
Säuger, und seine dementsprechende Bezeichnung als T u r b i n a 1 e (P. und F. Sarasin)
ist schon darum unmöglich, weil die untere Muschel ihrer Anlage nach zum prim-
ordialen Nasenskelett gehört. Dagegen hat die Homologisierung des Knochens mit
dem Septomaxillare der Anuren, wie sie ebenfalls von P. und F. Sarasin vertreten
wird, viel Wahrscheinlichkeit für sich und ich habe demgemäß den gleichen Namen
gewählt. (Nach der Darstellung von P. und F. Sarasin scheint der Knochen auch
im Gebiet der Fenestra narina zu liegen.) Ob aber damit auch eine Homologisierung
des Apoden-Septomaxillare mit dem vorderen Praefrontale mancher Urodelen gerecht-
fertigt ist, wie Peter annimmt, läßt sich darum im Augenblick noch nicht sagen,
weil über das Verhalten des Praefrontale anterius zu dem SeiJtomaxillare der Uro-
delen noch nichts Sicheres feststeht. P. und F. Sarasin weisen eine Beziehung des
Apoden-Septomaxillare zu dem einfachen oder doppelten Praefrontale der ITrodelen
zurück. Die Bezeichnung des Knochens durch Peter : „Turbinale oder Lacrimale"
kann, da diese beiden Namen ganz heterogene Dinge bezeichnen, auch nicht einmal
als Notbehelf gelten gelassen werden.
U eher das embryonale Verhalten der Mun dhöhl en knochen , namentlich
über die Beziehungen der Zähne zu den Ossifikationen mangeln Angaben. Vom
Maxillare ist zu berichten, daß es beim erwachsenen Tier mit dem Palatinum
zum Maxillopalati n u m verschmilzt (Sarasin). Sehr beachtenswert ist die Lage
des Vom er, Palatinum und Pterygoid (von denen die beiden ersten einreihig
Zähne tragen) am Mundhöhlendach: die genannten 3 Knochen zeigen die bogen-
förmige Anordnung, die O. Hertwig als die für die Amphibien primäre hingestellt
hat (Sarasin).
Knochen des Unterkiefers. Die Knochen des Unterkiefers
von Ichthj'ophis entstehen am frühesten. Wie bei manchen Urodelen,
so bildet sich auch bei Ichthyophis je eine perichondrale Ossifikation
am proximalen und am distalen Ende des MECKEL'schen Knorpels,
und außerdem 3 Deckknocheii. Die perichondrale Ossifikation am
proximalen Ende (Articulare) ist ganz besonders ausgedehnt, doch
fand Peter sie niemals ganz selbständig, sondern auch schon beim
Embryo mit dem als Deckknochen entstehenden Angulare ver-
schmolzen. Auch das distale Ende des MECKEL'schen Knorpels umgiebt
sich mit einer perichondralen Knochenlamelle (dem Mento mandi-
bulare der Urodelen entsprechend), die später mit dem Dentale
und dem Operculare (Deckknochen) verwächst.
Ein primitiver Charakter von Ichthyophis ist, daß außer der äußeren, dem
Dentale zukommenden Zahnreihe noch eine zweite, innere, besteht; nach P. und F.
Sarasin gehört sie dem Operculare an.
Im Gebiet desHyobranchialskelettes treten keine Knochen auf.
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 757
Saurier.
Die Litteratur über die Entwickelung des Saurierschädels ist nicht
groß. Die ersten bildlichen Darstellungen des Primordialcraniums von
Anguis fragilis und Lacerta viridis gab Leydig (1872) ; Parker
schilderte die gesamte Schädelentwickelung von Lacerta agilis und L.
vivipara (1879), Sewertzoff (1900) die frühesten Stadien des Kopf-
skelettes von Ascalabotes fascicularis. Ich selbst habe über das Pri-
mordialcranium von .Lacerta agilis mehrfach gehandelt (1891 u. 1891*,
1898 u. 1898*, 1900) und eine ausführliche Analyse desselben im
Vergleich mit dem der Amphibien und Säuger gegeben. Von einigen
Autoren wurde die Entwickelung bestimmter Schädelgebiete verfolgt:
Born (1879) schilderte die Bildung des Nasenskelettes, C. K. Hoef-
MANN (1889) und Versluys (1903) die der Columella auris. Angaben
über die Entwickelung der Knochen fehlen.
Im Nachfolgenden halte ich mich vielfach an eigene Untersuch-
ungen ; von den im Text erwähnten Schädelmodellen stammt das eine
von einem 31 mm, das andere von einem 47 mm langen Embryo von
Lacerta agilis. Zum Vergleich wurde auch das Cranium eines Anguis-
embryo modelliert.
I. P r i m 0 r d i a 1 c r a n i u m.
A. Neuraler Teil des Primordialcraniums.
Die frühesten Anlagen eines Sauriercraniums sind von Sewert-
zoff (1900) für Ascalabotes fascicularis beschrieben worden. Auf
einem Stadium, wo die Extremitätenanlagen in Gestalt abgerundeter
Höcker noch ohne Skelettanlagen im Innern erscheinen, ist die Ent-
wickelung des Gehirnes schon ziemlich weit vorgeschritten, das Mittel-
hirn groß, die Mittelhirnbeuge stark ausgesprochen, die halbzirkel-
förmigen Kanäle legen sich an, die Chorda reicht mit ihrem ventral
umgebogenen Vorderende bis zur Hypophyseneinstülpung. Auf diesem
Stadium sind die ersten Skelettanlagen durch sehr dichtes, zum Teil
verknorpelndes Gewebe dargestellt, und zwar können jederseits erkannt
werden: Parachordale, Trabecula, Sphenolateralplatte;
von diesen Teilen gehören das Parachordale dem chordalen, die beiden
anderen Teile dem prächordalen Abschnitt des Schädels an.
Im chordalen Schädelabschnitt sind die Parachordalia schon
auf prochondralem Stadium deutlich von den Halswirbelanlagen abge-
grenzt. Nur ihr hinterer, kaudal von den Ohrblasen gelegener Ab-
schnitt (die Pars occipitalis) ist wohl entwickelt und verknorpelt
vollständig; dagegen wird die Mesenchymschicht , die zwischen den
Ohrblasen die Anlage der Parachordalia bildet, in ihren mittleren
Partieen nicht in Knorpel umgewandelt. Diese Mesenchymschicht
wird rostralwärts immer dünner und geht vorn in die Anlage eines
vor der Chorda quer gelagerten Skelettbalkens (Crista sellaris,
Dorsum sellae) über, der jederseits mit der Anlage der Sphenolateral-
platte zusammenhängt.
Die Pars occipitalis des Parachordale ist neben der Chorda ein-
heitlich; an sie schließen sich aber lateralwärts jederseits 4 aufstei-
gende Bogen an , zwischen denen die 3 ventralen Hypoglossus-
wurzeln hindurchtreten (Sewertzoff 1897). Der erste hinter dem
Vagus folgende Bogen scheint nach Sewertzoff nur einem einzigen
758
E. Gaupp,
Segmente zu entsprechen. Lateral von der Pars occipitalis des Para-
chordale liegen die Occipitalmyotome, deren Myocommata mit den ge-
schilderten Bogenbildungen verbunden sind.
In diesem Verhalten prägt sich also eine Segmentierung des Occipitalteils des
Schädels aus, und zwar würde es sich nach Sewertzoff um 4 Segmente handeln.
Gegenüber den Amphibien, wo nur ein Segment deutlich nachweisbar ist, würden
also 3 Segmente als neu hinzugekommen zu betrachten sein. Die 3 Hypoglossus-
wurzeln der Reptilien entsj^rechen den 3 ersten, freien Spinalnerven der Amphibien; im
Sinne der FtJRBRiNGER'schen Nomenklatur sind sie als occipito-spiuale Nerven (a, b,c)
zu bezeichnen. Die Occiiiitalregion der Reptilien repräsentiert, der gleichen Nomen-
klatur zufolge, ein auximetameres Neocranium. Spino-occipitale Myotome
finden sich bei Lacerta nach C. K, Hoffmann (1889) 5, nach Chiarügi und Van
Bemmelen 4 ; nach FtJRBRiNGER wären sie als y, z, a, b, c zu deuten. Aus den
zu a, b, c gehörigen ventralen Wurzeln geht der N. hypoglossus hervor; die zu-
gehörigen dorsalen Wurzeln gehen embryonal zu Grunde. Transitorische ventrale
Wurzeln y und z sind auch beschrieben worden (s. Schema p. 598).
Die weitere Ausbil-
Dors seil. dung der 0 c c i p i t a 1 -
region der Saurier ist
mit zureichenden Metho-
den bisher nicht verfolgt
worden. Bei dem 31 mm
langen Embryo von La-
certa agilis hat sie be-
reits eine Form erreicht,
die in der Hauptsache
als für den Knorpelzu-
stand definitive anzu-
sehen ist. Der occipitale
Teil der Basalplatte
ist einheitlich ; die beider-
seitigen Hälften gehen
unter der Chorda inein-
Mesenceph.
Ohrblase
1 Parachord.
P.occip. j
Chorda
Fig. 380. Graphische Re-
konstruktion des Kopfskelettes
und Gehirns eines Embryo
von Ascalabotes fascicularis
(nach Frontalschnitten). Nach
Sewertzoff.
ander über (h y p o c h o r d a 1 e K o m m i s s u r , wie bei Urodelen). Kaudal
schließt die Basalplatte median mit einer leichten Einziehung ab, neben
der zwei flache Höcker kaudalwärts prominieren. Die Seitenteile der
Region steigen jederseits (als Occipitalpfeilei-) hinter der Ohrkapsel auf,
ihre oberen Enden gehen, medialwärts umbiegend, in das Tectum syno-
ticum über. Zwischen der Ohrkapsel und dem Occipitalpfeiler besteht
somit eine lange Spalte, Fissura m eto tica, durch die der Glossopha-
ryngeus und, getrennt von diesem, der Accessorio-Vagus hindurchtreten.
Als Grenze des basalen Teiles des Occipitalskelettes gegen den late-
ralen können jederseits die 3 Foramina Hypoglossi gelten, die zu-
dem die 3 hinteren occipitalen Skelettelemente erkennbar machen. Im
weiteren Verlauf der Entwickelung gleicht sich die erwähnte mediane
Einziehung an Hinterrand der Basalplatte aus, so daß letztere in der
Mitte mit einem einheitlichen Condylus occipitalis (Fig. 383) ab-
schließt; es tritt ferner (durch die Verknöcherung) ein Verschluß der
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 759
Fissura metotica ein, von der nur eine hintere Oeffnung, Foramen
Vagi, und eine vordere, Recessus scalae tympani, erhalten
bleiben. Durch letztere tritt der N. glossopharyngeus aus, außerdem
lagert sich in sie der Saccus perilymphaticus, der durch das For.
perilymphaticum aus der Ohrkapsel heraustritt (s. Regio otica).
Der Umstand, daß die Basalplatte anfaogs mit 2 flachen Condylen abschließt,
ist von Interesse mit Kücksicht auf das Verhalten bei den Säugern. Der monocon-
dyle Typus des Altlanto-occipitalgelenkes der Bauropsiden und der dicondyle der
Säuger müssen sich von einer gleichen Ausgangsform aus entwickelt haben. Jeden-
falls liegt die occipito-vertebrale Grenze bei den Reptilien an der gleichen Stelle wie
bei den Säugern.
In der Regio otica kommt es bei Lacerta an der Basis zur
Bildung einer knorpeligen Basalplatte, die aber in der Mitte von einer
großen Fenestra basicranialis posterior durchbrochen ist
(Fig. 382, 383). Kaudal wird diese durch die Pars occipitalis der
Basalplatte, vorn durch eine schmale Leiste, Crista sellaris, be-
grenzt; die Seitenteile der Basalplatte sind auch in der Oticalregion
gut ausgebildet. Vorn-lateral liegt jederseits in ihr das For amen
n. abducen t is (in Fig. 382 jederseits sichtbar, aber nicht bezeichnet).
Das Verschlußgewebe der Fenestra basier, post. wird anfangs von der
Chorda dorsalis durchsetzt.
Nach Sewertzoff kommt bei Ascalabotes fascicularis ein „mesotischer" Abschnitt
der Parachordalia überhaupt nicht zur Verknorpelung. Für Lacerta wäre eine solche
Ausdrucksweise unzutreffend , denn die lateralen Partieen der Basalplatte in der
Regio otica können doch wohl mit Recht darauf Anspruch machen, dem mesotischen
Abschnitt der Parachordalia im Sinne Sewertzoff's (p. 582) zugezählt zu werden. Nur
der iü unmittelbarer Umgebung der Chorda gelegene Teil des „mesotischen Gewebes"
verknorpelt bei Lacerta nicht. Im übrigen sind die Partieen, die bei den Amphibien
als mesotisches Gewebe und Balkenplatten unterschieden werden, bei den
Reptilien nicht voneinander abgrenzbar. — Wie die Crista sellaris (Fig. 382) zu
beurteilen ist, läßt sich mit Sicherheit noch nicht sagen. Sie entsteht ventral von
dem jNlittelhirnpolster, das wegen der starken Mittelhirnbeuge auch beträchtlich ent-
wickelt ist, aber keine Skelettteile aus sich hervorgehen läßt. Da sich die Chorda
in die Crista nicht hineinerstreckt, so wird die Zurückführung der letzteren auf den
vordersten Teil der Basalplatte, der bei Selachiern die Sattellehne bildet, etwas zweifel-
haft, da sich bis zu deren vorderem Rande die Chorda entwickelt. Andererseits ist
doch zu berücksichtigen, daß auch die Crista sellaris sich dicht hinter der Hypo-
physis bildet, so daß die Frage berechtigt ist, ob nicht vielleicht die Lage der Crista
vor der Chorda lediglich auf frühzeitigen Schwund des vordersten Chordaabschnittes
zurückzuführen ist. Um das zu unterscheiden, müßte das Verhalten der Chorda
von frühesten Stadien an bis zur Bildung der Crista sellaris verfolgt werden.
Sewertzoff faßt das Dorsum sellae bei Ascalabotes fasc. (daß dies dieselbe Bildung
ist, die ich Crista sellaris nenne, scheint mir aus den Abbildungen Sewertzoff's
hervorzugehen) als eine besondere Bildung auf, er schildert einen ,,Alisphenoid-
abschnitt" des Schädels als bestehend aus den 2 „Alisphenoidplatten" und einem
unpaaren transversalen, die beiden Platten verbindenden Balken. Daß aber aus dem
frühzeitigen Zusammenhang dieses Balkens mit den Sphenolateralplatten noch nicht
notwendig eine engere Zusammengehörigkeit der drei Gebilde folgt, ist wohl sicher.
Von der Chorda dorsalis giebt St.-Remy an, daß sie sich bei dem jungen,
dem eben abgelegten Ei entnommenen Embryo von Lacerta viridis über den Scheitel
ihrer Krümmung hinweg in Form einer Endknospe fortsetzt. Dieselbe geht bald
wieder zu Grunde. Die ganze Schädelchorda unterliegt frühzeitig dem Schwunde;
schon bei dem 47 mm langen Embryo von Lac. ag., dessen Schädel die Figg. 382
und 383 darstellen, war nur noch in der Occipitalregion ein Rest von ihr auf der
Basalplatte vorhanden; im Gebiet der Labyrinthregion war sie ganz zu Grunde
gegangen.
Die Anlagen der Ohr kapseln waren auf dem frühesten, von
Sewertzoff untersuchten Stadium von Ascalabotes fascicularis (s. o.)
noch nicht ausgebildet. In welcher Weise die Verdichtung und Ver-
knorpelung des periotischen Gewebes erfolgt, ist überhaupt im
speciellen noch nicht festgestellt worden ; ganz allgemein kann ich
760
E, Gaupp,
sagen , daß dieser Prozeß selbständig am lateral-ventralen Umfang
der Ohrblase beginnt, und daß die dorsalen und dorsal-medialen
Partieen zuletzt verknorpeln. Nach vollendeter Verknorpelung ist
eine im ganzen ovale Kapsel gebildet, die an ihrem medial-ventralen
Umfang kontinuierlich in die Basalplatte übergeht und vorn wie hinten
kuppelartig abschließt. Die zwischen der Incisura prootica und der
Fissura metotica gelegene Uebergangszone zwischen der Kapsel und
der Basalplatte ist in longitudinaler Richtung nicht sehr ausgedehnt;
in ihr liegt in kurzer Entfernung hinter der Incisura prootica das
Foramen n. facialis (Fig. 385). Zwischen diesem Foramen und
dem vorderen Ende der Fissura metotica verläuft die Grenzlinie
zwischen der Kapsel und der Basalplatte nicht geradlinig, sondern
macht einen medialwärts konvexen Bogen, d. h. die Kapsel weitet
sich hier zu einer gegen die ventrale Mittellinie vorspringenden basalen
Fortsetzung aus, der Pars cochlearis, die die Lagena beherbergt.
Die bei der Verknorpelung ausgesparten Oeftnungen der Ohrkapsel
sind :For. acustic um an terius,For. ac. posterius, For. end 0-
lymphaticum in der medialen Wand; Fenestra vestibuli in
der lateralen, und For amen perilymp haticum (Fen. Cochleae)
in der ventralen Wand der Pars cochlearis (Fig. 381). Eine Crista
p a r 0 ti c a entsteht außen am lateralen Bogengang (Fig. 384). Zwischen
CohwieUaX:'/^
Operculum
Branchiale II (f)
Parietale
Taen. marg,
Can. semic. ant.
Sept. semicirc. ant.
Paraquadratum
Palatoquadratum
Columella aur.
Hyale
Branchiale I
n . . .. Fen. cochL
Basioccipit. j^^^ ^^^^ ^^,„^_
Fig. 381. Querschnitt durch die Labyrinthregion eines 35 mm langen Embryo
von Lacerta agilis. Vergr. 32:1. Der mit Branchiale II (?) bezeichnete Querschnitt
ist der des in seiner Natur noch nicht ganz iilaren Knorpelstückes, das am Ventral-
umfang der Ohrkapsel im hinteren Abschnitt derselben angeheftet ist (s. Fig. 386).
Der Schnitt geht beiderseits durch das Foramen acusticum posterius.
den hintersten Abschnitten beider Ohrkapseln bildet sich ein in sagittaler
Richtung schmales Tectum synoticum, von dessen Vorderrand
eine median gelagerte schmale Knorpelzunge, Proc. ascendens tecti
synot. (der Taenia tecti medialis der Anuren entsprechend) sich nach
vorn erstreckt (Fig. 382). Das Tectum synoticum entsteht durch Ver-
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 761
knorpeliing des zwischen beiden Ohrkapseln an der Decke gelegenen
Gewebes, in das auch die oberen Enden der Occipitalpfeiler übergehen.
Nach der Verknorpelung bildet sich eine deutliche Grenze zwischen
den oberen Enden der Occipitalpfeiler und dem Tectum aus.
Am beachtenswertesten ist die Pars cochlearis. Wie ich selbst (1900) näher
ausgeführt und begründet habe, ist die Ausweitung derselben gegen die Mittellinie
hin in dem Sinne zu erklären , daß ein Teil des Skelettmateriales , das bei den
Amphibien die Basalplatte bildet, bei den Sauriern zur Umschließung der stärker
entwickelten Cochlea (Lagena) verwendet wird. Die Ohrkapsel der Saurier hat somit
gegenüber der der Amphibien einen Zuwachs erfahren. Auch abgesehen hiervon
bietet die Ohrkapsel der Saurier gegenüber der der Amphibien Unterschiede, die aber
in der Hauptsache hier übergangen werden können. Im Inneren werden durch 3
Septa semicircularia {Sept. semic. ant. Fig. 381) die 3 Cava semicircularia bis
auf je 2 Koramunikationsöffuungen vom Hauptraum abgetrennt; das Sept. semic.
posterius ist ausgedehnter als bei den Amphibien, doch liegen das hintere Ende des
lateralen und das untere Ende des hinteren membranösen Bogenganges noch in einem
gemeinsamen Raum, der jedoch durch eine Leiste von dem Hauptraum der Ohr-
kapsel abgetrennt ist. Dieser Hauptraum selbst wird durch ein Septum intervesti-
bulare in zwei Teile, Cavum vestibuläre anterius und Cav. vestib. posterius, geteilt; ein
in dem Septum gelegenes Foramen intervestibulare vermittelt die Verbindung zwischen
beiden. — Im Bereiche des For. perilymphaticum, sowie des Recessus scalae
tympani liegt anfangs indifferentes Bindegewebe (P'ig. 381), erst mit der Ausbildung
des Cavum perilymphaticum kommt es auch zur Entstehung des Saccus perilym-
phaticus, der durch das For. perilymphaticum hindurch in das Gebiet des Recessus
scalae tympani dringt. Hier legt sich ihm später die Paukenhöhlenschleimhaut an,
und so kommt es zur Bildung einer Membrana tympani secundaria, die die Apertura
lateralis recessus scalae tympani verschließt (also an anderer Stelle ausgespannt ist,
als die gleichnamige Membran der Säuger). Das For. perilymphaticum entspricht
in der Hauptsache der Fen. Cochleae der Säuger; wahrscheinlich aber dieser plus
dem Aquaeductus Cochleae (Gaupp 1900; von Fischer 1903 bestätigt).
Im p r ä c h 0 r d a 1 e n Schädelabschnitt sind schon auf sehr jungen
Stadien von Ascalabotes fascicularis (s. o.) die Trabeculae und die
Sphenolateralknorpel angelegt. Die Trabeculae entstehen
als selbständige Spangen, die mit ihren Hinterenden die Hypophysis
umgreifen und wegen der starken Mittelhirnbeuge anfangs mit der
Achse der Parachordalia, an deren Ventralfläche sie anstoßen, einen
Winkel bilden. Auf späteren Stadien wachsen sie weiter rostralwärts,
und ihre vorderen Enclen vereinen sich zwischen den Nasengruben zu
einer Internasalplatte. Ebenso erfolgt später die Verbindung ihrer
kaudalen Enden mit den Parachordalia vorn neben der Fen. basi-
cranialis posterior. — Die Sphenolateralknorpel (Alisphenoid-
platten Sewertzoff's; s. oben die Bemerkung im Kapitel über die
Selachier, p. 641) endlich legen sich nach Sewertzoff ebenfalls selb-
ständig zwischen Gehirn und Augenblasen an ; sie werden von den N n.
oculomotorii durchsetzt (Fig. 380). Schon frühzeitig hängen sie
untereinander durch die vor der Chorda quer gelagerte Crista sellaris
zusammen (s. o.).
Die weiteren Veränderungen sind im Zusammenhang und mit
zureichenden Methoden noch nicht verfolgt worden. Stadien, auf denen
die Verknorpelung in der Hauptsache vollendet ist, zeigen folgendes
(Fig. 382-384).
Die Orbito-temporalregion besitzt bei Lacerta den tropi-
basischen Charakter sehr ausgesprochen. Man kann somit einen
hinteren Teil unterscheiden, in dem die Schädelhöhle eine sehr be-
trächtliche Weite im Querdurchmesser besitzt, und einen vorderen
Teil, in dem ein hohes Septum interorbitale zur Ausbildung kommt,
das Cavum cerebrale cranii aber auf eine enge, supraseptal gelegene
Pars olfactoria reduziert ist. An der Basis des hinteren Abschnittes
762
E. Gaupp,
liegen die Trabeciilae, die nach vorn sehr stark konvergieren und
sich vor der Hypophyse zu einer Trabecula communis anein-
anderlegen, um weiterhin in den unteren Rand des Septum interorbitale
überzugehen. Mit der Crista sellaris zusammen begrenzen sie die
Fenestra hypophyseos, durch deren hinteren lateralen Winkel
Praemax.
Xasalc
- ßlaxillare
_. - Praefrontale
-Frontale
. Lacrimale
Palatin.
— ZycjoiHallcHin
^^Trunsvcrs.
Cart. al. sup.
Fcn. dors. nas.^
Adit. conchae
Fen. lat. nas
Fiss. orb.-nas,^
Cart. sphcn.-cthm. ~
Plan, antorblt.
Proc. max. post. -
Plan, suprasejit —
Fen. opt
ISubic. inßind. -
Fen. metopt..^
Fen. Hypophijs.
Proc. asccnd. P.-Q.-.
Taen. marg.
Colum. aur.'-"'<
yPo^itfront. tned.
- Parietale
Po.stfront. lat.
. For. endolymph.
Proc. asccnd. Tect. synot. Cond. occip.
Ted. synot. Chorda dors.
Fig. 382, Schädel eines 47 mm langen Embryo von Lacorta agilis. Auf der
linken Seite sind die Deckknochen entfernt. Nach einem bei uOfacher Vergr. her-
gestellten Plattenmodell (kopiert von Fr. Zikgler- Freiburg). Verhältnis der Ab-
bildung zum Modell = 1:3. Ansicht des Modelles von der Dorsalseite; Quadratum
linkerseits fortgelassen. (Rechterseits ist eine Supratrabecularspange vorhanden ;
linkerseits nicht.)
die A. carotis interna in das Cavum cranii eintritt. Gelegentlich kann
hier ein geschlossenes For. caroticum vorhanden sein. An der
Wurzel einer jeden Trabekel springt ein lateral gerichteter Proc.
b a s i p t e r y g o i d e u s vor (Fig. 883). An seiner Stelle liegt bei
jüngeren Embryonen (vor der Verknorpelung) ein Haufen verdichteten
Gewebes, der deutlicheren Zusammenhang mit der Anlage des Palato-
quadratums (Fußpunkt des Proc. ascendens) als mit der Balkenwurzel
Die Entwickelung des Kopfskelettes.
763
besitzt. Bei der Verkiiorpelung geht aus seiner medialen Hälfte der
mit der Schädelbasis zusammenhängende Proc. basipterygoideus hervor,
während sich in dem lateralen Teil der Meniscus pterygoideus (s.
Palatoquadratum) bildet. Zwischen diesen beiden Teilen bildet sich
eine Gelenkverbindung aus. - In dem embryonalen Bindegewebe, das
Praema.
Septomaxillare ,-
Vomer._
JlaxiUare ^
Frontale j1_
Palatin.-f-
Frontale
Zi/(joiiiaticnm
Transvcrsuiii -
Parietale
Pterygoid
Posijront. lat.-
Mcniscus pteryg.--.
Proc.
basiptcryg.
For. N. JaciaL-
Parasphenoid '
---Carl. alar. inf.
, Carl, eclochoan.
, Carl, paraseplal.
--Plan, anlorbit.
■ Proc. max. post.
^.Plcni. siiprasepl.
-- Taen. marg.
Feil. o}ilica
Proc. ascend. P.-Q.
(Colnmella)
Quadr. (P. articul.)
Columclla aur.
For. perilymph.
Fen. basicrun. j^ost.
Cond. occi]).
Fig. 383. Dasselbe Modell wie Fig. 382, von der Ventralseite. Quadratuin
linkerseits mit dargestellt.
lateral das Gehirn umhüllt, treten Verknorpelungen auf, die in ihrer
Gesamtheit eine aus dünnen Spangen aufgebaute und von mehreren
großen Oeffnungen durchsetzte Seitenwand des Cavum cranii bilden
(Fig. 382— 384). Eine dorsale Randspange (Taenia marginal is)
zieht von der dorsalen Kante der Ohrkapsel zu dem später zu
schildernden Planum supraseptale ; in einiger Entfernung ventral davon
läuft ebenfalls in longitudinaler Richtung eine zweite Spange, die
vorn aucli in das Planum suprasei)tale übergeht, hinten
kapsei durch einen vertikal aufsteigenden Pfeiler mit
lateralen Ecke der Basalplatte zusammenhängt. Beide
vor der Ohr-
der vorderen
Longitudinal-
spangen werden durch eine vertikale Spange untereinander verbunden.
Es sitzt ferner, vor der Fenestra hypophyseos, der Trabecula communis
764 E, Gaupp,
eine Ijesondere kleine nnpaare, aber aus zwei Hälften zusammengesetzte
Knorpelplatte auf, die unter dem Lobus infundibularis einen Boden
bildet (daher nannte ich sie Subiculum infundibuli), und diese Knorpel-
platte wird wieder durch eine aufsteigende Knorpelspange (Taenia
metoptica) mit der unteren der erwähnten Longitudinalspangen
verbunden. So kommen in der Schädelseitenwand des hinteren Ab-
schnittes der Orbito-temporalregion 4 große Fenster zu stände: ein
vorderes unteres dient als Fenestra optica dem Opticus zum
Durchtritt, es erhält seine vordere Begrenzung durch den frei an-
stehenden hinteren Rand des Septum interorbitale ; die dahinter ge-
legene Fenestra metoptica wird vom 0 culo m otorius und
Trochlearis benutzt ; das vordere obere Fenster, F e n. e p i o p t i c a ,
hat keine weitere Bedeutung; das hintere obere, das aber wegen des
Verhaltens der unteren Longitudinalspange bis an die Basalplatte herab-
reicht, stellt eine große Fenestra i)rootica vor und dient in seinem
ventralen Abschnitt dem gesamten Trigeminus zum Durchtritt.
Manchmal, doch nicht immer, verknorpelt auch noch eine kurze longitudinale
Spange, die in kurzer Entfernung dorsal von der Trabekel verläuft, hinten mit der
ßasalplatte, vorn mit dem Subiculum infundibuli verbunden (S upra trabe cular -
Spange). Sie kann auch einseitig vorhanden sein (so in Fig. 382 auf der rechten
Seite). Sewertzoff's Angaben über Ascalabotes fascicularis brechen leider zu früh
ab, so daß nicht gesagt werden kann, wie sich bei der genannten Form die Spheuo-
lateralplatte weiter entwickelt, ob hier etwa eine weniger lückenhafte Seitenwand
entsteht, oder ob es auch hier zur Ausbildung größerer Fenster kommt, und auf
welche Weise dies geschieht.
Im vorderen Teil der Orbito-temporalregion kommt es zwischen
den Augen zur Ausbildung eines hohen Septum interorbitale, in dessen
ventralen Rand die beiden Trabeculae übergehen. Es wird von einer
Fenestra septi (Fig. 384) durchbrochen und setzt sich vorn in das
Septum nasi fort. Ueber seinem oberen Rande verknori)elt jederseits
die Seitenwand des Cavum cranii als Planum supr aseptale; die
beiderseitigen Plana supraseptalia sind schräg gestellt, so daß sie vom
oberen Rande des Septums aus, an dem sie zusammenstoßen, nach
oben-lateralwärts divergieren. Mit dem Hinterrand eines jeden Planums
verbindet sich die Taenia marginalis, sowie die untere longitudinale
Seitenwandspange des hinteren Abschnittes der Orbito-temporalregion.
Der vordere Teil des Planum supraseptale bildet nur einen schmalen
Streifen, der nach vorn bis an die Fenestra olfactoria reicht und den
Lobus olfactorius trägt. Er geht dann in eine Knorpelspange (Gart,
spheno-ethmoidalis) über, die unter dem Bulbus olfactorius lateral-
wärts über den N. ethmoidalis hinwegtritt und in das Dach der Nasen-
kapsel übergeht (Fig. 382).
Von der ersten Anlage der Ethmoidalregion giebt Sewertzoff
nur an, daß bei Ascalabotes die rostralen Enden beider Trabeculae
sich zwischen den Nasengruben zu einer Platte (Internasalplatte) ver-
einigen. Welchen Anteil dieselbe am Aufbau des Nasenskelettes nimmt,
hat Sewertzoff nicht verfolgt; wahrscheinlich bildet sie den ventralen
Teil des Septum nasi. Dies geht aus der Darstellung hervor, die
Born von der Entstehung des knorpeligen Ethmoidalskelettes bei
Lacerta agilis giebt. Hier bilden sich, Born's Schilderung zufolge,
zuerst 2 Streifen verdichteten Gewebes, die nahe über dem Dach der
Mundhöhle innen und unten von den Riechgruben konvergierend nach
vorn ziehen (offenbar die Trabekel). Sie verschmelzen bald unter-
einander zu dem Nasenseptum, das in den vorderen Teil der Ethmoidal-
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 765
region von vornherein einheitlich hineinwächst. Die Entwickelung des
Knorpels geht in der Richtung von hinten nach vorn vor sich, sowohl
im Septum wie in den anderen Partieen des perir hinischen Gewebes.
Im Anschluß an den oberen Rand des Septums erfolgt die Verdichtung
des Gewebes an der Decke, an die sich die am lateralen Umfang an-
schließt. Hier setzt sie sich in den Muschelwulst hinein fort. Vorn
kommt ein kuppeiförmiger Abschluß der ganzen Kapsel zu stände.
Am Boden kommt es nur in geringer Ausdehnung zur Knorpelbildung:
vorn entsteht im Anschluß an den ventralen Rand des Septums ein
Boden (Lamina trans versalis anterior) unter dem Jacobson-
schen Organ, der lateral mit der Seitenwand dieser Gegend in Zu-
sammenhang tritt, so daß hier eine Strecke weit die Nasenhöhle ring-
förmig (oben, seitlich, unten, innen) von Knorpel umgeben wird. Vor
und hinter dieser Zona anularis unterbleibt die Bildung eines aus-
gedehnten Bodens ; nur dicht neben dem Septum entsteht ein schmaler
Streifen, Cartilago paraseptalis (Fig. 383), der vorn in die
Kapsel des JACOBSON'schen Organes, hinten in das Planum antorbitale
übergeht. Vor seiner Verknorpelung steht er mit der Anlage des
Septums in Zusammenhang, nach der Verknorpelung ist er vom
Septum durch einen schmalen Zwischenraum getrennt. Er richtet
sich, wie ich finde, im Laufe der Entwickelung mehr auf, so daß er
eine Fläche dorsal- und lateralwärts, die andere ventral- und medial-
wärts kehrt. Als kaudaler Abschluß der Nasenkapsel bildet sich ein
hohes Planum antorbitale, das lateral in die Seiten wand, medial-
ventral in die Gart, paraseptalis übergeht, vom Septum aber durch
eine Spalte getrennt bleibt und auch ventral mit freiem Rande ab-
schließt. Lateral läuft es in einen langen, nach hinten gerichteten
Proc. m axillaris posterior aus, ein kürzerer Proc. max.
anterior springt nach vorn hin vor (Fig. 384). Der dorsale Rand
des Planum antorbitale biegt in seiner lateralen Partie in das Dach
der Nasenkapsel um, in seiner medialen Partie bleibt er frei, über
ihm bildet sich hier die schon erwähnte Cartilago spheno-ethmoidalis,
die von dem Planum supraseptale in das Dach der Nasenkapsel über-
geht. Zwischen ihr und dem oberen Rande des Planum antorbitale
bleibt eine Spalte, Fissur a orbito-nasalis, bestehen, durch
die der N. ethmoidalis aus der Orbita in die Nasenhöhle tritt
(Fig. 382, 384).
Die Nasenkapsel in ihrer Vollendung läßt einen hinteren weiteren und einen
vorderen engeren Abschnitt unterscheiden (Fig. 382 — 384). Das Septum geht kon-
tinuierlich durch beide Abschnitte hindurch, nur am Uebergang in das Septum inter-
orbitale enthält es eine längliche Fenestra; eine Verdickung, Orista septi, dient
dem medialen Rande des Os septomaxillare zur Auflagerung. An der Decke des
hinteren Abschnittes liegt eine große Fenestra olfactoria, durch die die zahl-
reichen Aeste des N. olfactorius in die Nasenkapsel eintreten. Auch der N. ethmo-
idalis gelangt nach seinem Durchtritt durch die Fissura orbito-nasalis zuerst in das
Gebiet der Fenestra olfactoria, kreuzt sich hier mit den Olfactoriusästen (über diesen
liegend) und tritt dann durch die Fenestra in die Nasenkapsel ein.
Vor der Fenestra olfactoria erstreckt sich das Dach der Nasenkapsel rostral-
wärts über beide Abschnitte und geht vorn in den vorderen kuppelförmigeu Ab-
schluß der Kapsel über. Es wird im Gebiet der vorderen Kapselhälfte von einer
Fenestra dorsalis nasi durchbrochen. Die Seiten wand der Kapsel ist am kom-
pliziertesten gestaltet; nimmt man noch den vorderen und hinteren Kapselabschluß
hinzu, so kann man wie bei den Amphibien drei Skelettzonen unterscheiden. Die
hintere wird repräsentiert durch das Planum antorbitale und den hinteren Teil der
Seitenwand, der von einer großen Oeffnung (Fenestra lateralis nasi; sie fehlt
nach Born bei manchen Sauriern, z. ß. Hemidaetylus) durchbrochen ist und von
seinem unter dieser Oeffnung gelegenen Abschnitt den langen Proc. maxillaris posterior
766 E. Gaupp,
nach hinten entsendet. Letzterer liegt dem Maxillare auf. Zwischen ihm und dem
hinteren Ende der Cart. paraseptalis bilden sich vorübergehend auf der Dorsalfläche
des Palatinum kleine Knorpelinseln, die wahrscheinlich Andeutungen dafür sind, daß
das Planum antorbitale mit semem ventralen Rande früher dem Palatinum aufruhte
(Fig. 384). An ihrer Stelle wurde auch einmal ein mit der Cart. paraseptalis zusammen-
hängender Knorpelfortsatz gefunden. In dem Septum interorbitale kann der Grun<l
dafür gesehen werden, daß das Planum antorbitale sich von der Mundschleimhaut
(dem Palatinum) entfernte. Der hintere Abschnitt der Seitenwand geht mit seiner
dorsalen Partie in den mittleren Seitenwandabschnitt über, die ventralen Partieen
beider Abschnitte bleiben durch eine Spalte getrennt. Die der mittleren Skelettzone
(der Zona anularis) zuzuzählende Partie der Seitenwand gehört teils dem vorderen
schmäleren, teils dem hinteren weiteren Abschnitt der Nasenkajjsel an, liegt also auf
der Grenze zwischen beiden. Sie ist vor allem ausgezeichnet durch die Muschel.
Anfangs ist die Verdichtung des Gewebes in dem Muschelwulst mehr einheitlich,
später differenzieren sich nur die peripheren, der Schleimhaut folgenden Partieen
dieser Gewebsverdichtung weiter und verknorpeln, während die centralen Massen
zurückbleiben. So entsteht eine der Schleimhaut folgende Einfaltung der Knorpel-
wand, in die sekundär die Glandula nasalis lateralis von vorn her hineinwächst. Die
Einfaltung schließt sich später ventral und kaudal zu einer nur von vorn her zugäng-
lichen, mit dünner Basalplatte an der Seitenwand ansitzenden Röhre, wie sie der
erwachsenen Eidechse bekanntlich zukommt. Ueber dem Aditus conchae wird die
Seitenwand von einem besonderen Foramen für den N. lateralis nasi durchbrochen
(For. epiphaniale, s. p. 587). Born hat auf die Verschiedenheiten in der Form
der Muschel bei verschiedenen Sauriern aufmerksam gemacht, aus denen hervorgeht,
daß es auf die Gestalt des Muschelknorpels, ob Embuchtung, ob Röhre, ob Platte,
für die Beurteilung der Homologie nicht ankommt.
Ventral von der Stelle, wo die Muschel mit der Seitenwand der Nasenkapsel
zusammenhängt, setzt sich die letztere noch weiter ventralwärts fort und geht in
einen Bodenabschnitt über, der mit dem ventralen Septumrand zusammenhängt.
Dieser Bodenabschnitt (die schon erwähnte Lamina transversalis anterior)
bildet eine flache Knorpelschale für das jACOßSON'sche Organ (mit einer besonderen
Erhebung, der Concha des Jacobs. Org.) und setzt sich nach hinten in 2 Knorpel-
streifen, die Cartilago paraseptalis und die Cart. ectochoanalis, fort. Von diesen
zieht die schon erwähnte Cart. paraseptalis neben dem Septum nach hinten
und verbindet sich mit dem Planum antorbitale ; im Laufe der Entwickelung schiebt
sie sich mehr am Septum in die Höhe, erreicht mit ihrem oberen Rande die Crista
septi und kann sogar mit dieser verschmelzen. Die C. paraseptalis ist als Teil des
Bodens der Nasenkapsel zu betrachten, der die Verbindung mit dem Septum auf-
gegeben hat. Diese Loslösung steht in Zusammenhang mit der des Planum ant-
orbitale vom Septum. Es wird so die ganze hintere kuppeiförmige Partie der Kapsel
frei, im Gegensatz zu dem Verhalten bei den Amphibien (Fig. 383). Die Cart.
ectochoanalis wächst längs des medialen Randes der Gaumenplatte des Maxillare
nach hinten und liegt dabei lateral von dem Ausführungsgang des jACOBSON'schen
Organes und von der Schleimhautrinne, die von hier bis zur Choane hinzieht.
Vor der mittleren Skelettzone folgt eine über den Boden und die Seitenwand
der Nasenkapsel ausgedehnte Fenestra narina, die vorn durch die vordere Skelett-
zone begrenzt wird. Diese umgiebt kuppeiförmig (Cart. cupularis) den vorderen
Abschluß der Vorhöhle und wird vorn durch ein For. apicale (für den N. medialis
nasi) durchbrochen. Als obere und untere Begrenzung der eigentlichen Apertura
nasalis externa entwickelt sich von dem Kuppelknorpel aus nach hinten ein Proc.
alaris superior und ein Proc. alaris inferior.
B. Primordiales Visceralslielett.
Kieferbogen. Bei ca. 7 mm langen Embryonen von Lacerta
agilis hängen die vorknorpeligen Anlagen des Palatoquadratums nnd
des MECKEL'schen Knorpels noch in der Gegend des späteren Gelenkes
zusammen. Die wenig scharf begrenzte Anlage des Palatoquadratums
zieht sich vorn in einen medial gerichteten kurzen Zipfel aus, der in
2 Fortsätze übergeht: den Proc. ascendens und den nach vorn
ziehenden Proc. pterygoideus (Fig. 384). Außerdem schließt sich
auf diesem Stadium an den Fußpunkt des Proc. ascendens eine Masse
verdichteten Gewebes an, die medialwärts gegen die Wurzel der Balken-
anlage gerichtet ist und mit dieser in Verbindung tritt. Die Ver-
Die Entwickelung des Kopfskelettes.
767
knorpeliing des Quadratumkörpers erfolgt selbständig, ebenso die des
Proc. ascendens, der die sog. Columella bildet. Der Verbindungs-
strang zwischen dem Körper des Quadratums und der (^Columella ver-
Proc. asc. P.-Q. (Columella)
Taen. marg. Prom. semic. ant.
Fen. septi
Plan, suprasept.
Cart. sphen.-ethm
Fiss. orb.-nas.-
Fen. lat.
Fen. dors.
Concha
Proc. al.
sup.
Proc. asc. tect. syn.
Proviin. saccul.
Prom. semic. pst.
Prom. semic. lat.
Crista parotica
Fen. narin.l
Proc.
max. post
Proc. max. ant
Proc, parot.
Proc. Quadr. (jol. aur.
pteryg. basipter.
Caps. org. voin.-nas^ Sept. io.
Fig. 384. Chondrocranium eines 31 mm langen Embryo von^Lacerta agilis,
von der linken Seite. Nach einem bei öOfacher Vergr. hergestellten! Plattenmodell.
Verhältnis der Abbildung zum Original des Modelies = 1:3 (s. Gaupp 1900).
knorpelt nur in Ausnahmefällen. Der Proc. pterygoideus verknorpelt
im Anschluß an den Fußpunkt der Columella, geht aber später wieder
zu Grunde. In der erwähnten basalen Gewebsmasse bildet sich, wie
schon erwähnt, der Proc. basipterygoideus der Schädelbasis, außerdem
aber entsteht in ihm (und zwar in seinem lateralen Teil, der bei fort-
schreitender Verdichtung deuthcher mit dem Proc. ascendens des
Palatoquadraturas zusammenhängt) durch selbständige Verknorpelung
ein anfangs mehr drehrunder, später sich abplattender Knorpel am
medialen Umfang des Os pterygoideum, das sich von ventral her in
die verdichtete Gewebspartie vorschiebt. Zwischen dem zuletzt er-
wähnten Knorpel (Meniscus pterygoideus, Howes and Swinner-
TON) und dem Proc. basipterygoideus bildet sich eine Gelenkverbindung
aus (Fig. 384). — Die Anlagen beider Meckel' sehen Knorpel
kommen anfangs mit ihren rostralen Enden noch nicht zur Vereinigung,
später legen sie sich aneinander. Zwischen dem proximalen Ende
eines jeden MECKEL'schen Knorpels und dem Palatoquadratum entsteht
das Gelenk.
Daß die Columella der kionokranen Saurier genetisch dem Palatoquadratum
angehört und dem Proc. ascendens des Palatoquadratums der Amphibien entspricht,
habe ich selbst 1891 nachgewiesen. Mit dem Proc. ascendens des Amphibien-
Palatoquadratums hat sie auch das Verhalten zu den Trigeminusästen gemein : der
erste Ast läuft medial von ihr nach vorn, der zweite und dritte treten hinter ihr
nach außen. An der angegebenen Stelle machte ich auch auf den Proc. pterygoideus
der Saurier aufmerksam. Er wurde auch bei Anguis und Platydactylus gefunden,
hier aber ohne kontinuierlichen Zusammenhang mit der Columella. Sein vorderes
Ende biegt nach außen ab und liegt auf dem Os transversum. In dem Meniscus
pterygoideus, d. h. dem Knorpel, der dem Os pterygoideum anliegt und mit dem
Proc. basipterygoideus artikuliert, ist wohl auch eine zum Palatoquadratum gehörige
Bildung, und in der Articulation eine Einrichtung zu sehen, die auf die Verbindung
des Proc. basalis palatoquadrati mit der Schädelbasis bei niederen Vertebrateu zurück-
zuführen ist. Auch bei manchen Fischen kommt eine Artikulation des Proc. basalis
palatoquadrati mit einem besonderen Proc. basipterygoideus der Schädelbasis vor. —
Dem Gesagten zufolge besitzt das Palatoquadratum der Saurier im Erabryonalzustand
noch große Aehnlichkeit mit dem der Amphibien.
768
E. Gaupp,
Bei Lacerta kommen zur Anlage :
Zungenbein bogen
B r a n c h i a 1 b 0 g e n ,
H y 0 b r a n c h i a 1 s k e 1 e 1 1
jederseits ein Zungenbeinbogen und zwei
dazu eine unpaare mediane Copulamasse. Aus der Anlage des
Zungenbeinbogens gehen das Cornu hyale (priucipale) des Zungen-
beines, sowie die Columella auris hervor, welch letztere dadurch
als Differenzierung des oberen Endes des Zungenbeinbogens erscheint.
Ihre Entwickelung mag zuerst verfolgt werden (hauptsächlich im An-
schluß an Versluys).
Proc
Hyo-
stapes
Ps.interhyal.
Cornu hyale
Fig.
matisch.
Hyostapes
Insertionsteil
(P. superior)
P)-oc.
dors.
Otostapes
Pars 'interhy
Hyostapes
Insertionsteil
(P. super.)
Otostap.
Proc.intern.
Cornu hyale
dors.
parot.)
Oper-
culum
Otostapes
Proc. intern.
Cornit hyale
385a — c. Knorpelcentra in der Columella auris eines Lacertiliers, sche-
Nach Versluys. Knorpelcentra punktiert, Blastem weiß, a erstes Auf-
treten der Knorpelcentra. b weiter vorgeschrittenes Stadium, c Verknorpelung bei-
nahe vollendet. Die Wurzel des Proc. dorsalis und die Pars interhyalis sind rück-
gebildet, dadurch ist der Proc. dorsalis als Proc. paroticus frei geworden und das
Cornu hyale hat sich von der Columella abgegliedert. (Die spätere Grenze zwischen
dem Stapes und der Extracolumella tritt innerhalb des Otostapes auf!)
Schon bei ihrem ersten Auftreten bilden nach Versluys (bei
Lacerta, Gecko, Platydactylus) die Anlagen des Cornu hyale und
der Columella einen zusammenhängenden Blastemstab, dessen
dorsales, etwas medialwärts gekehrtes Ende in das Blastem der Ohr-
kapsel übergeht und bei Lacerta von demselben nicht zu trennen ist.
Bei Geckoniden ist dagegen die Grenze beider Teile bestimmt er-
kennbar. Die Columella-Anlage selbst ist eine einheitliche, eine Grenze
ist in ihr anfangs nicht vorhanden. Von der Stelle aus, wo sie in das
Zungenbeinhorn umbiegt, entsteht als Auswuchs der Insertions-
teil mit seiner Pars superior und P. inferior. Die Verknorpelung
der Columella erfolgt ohne Zusammenhang mit der Knorpelbildung
im Cornu hyale, und zwar von 3 Knorpelkernen aus (Fig. 385). Ein
medialer Kern entsteht da, wo die Fußplatte und der Stiel der Colu-
mella zusammenstoßen, ein lateraler da, wo der Stiel und der später
ins Trommelfell eingefügte Insertionsteil der Columella zusammen-
treffen, ein dritter endlich in dem sog. Proc. dorsalis, der schon
im Blastemstadium von der Mitte der Columella dorsalwärts wächst.
Die aus dem medialen und dem lateralen Kern hervorgehenden
Knorpelstücke sind die von C. K. Hoffmann (1889) als Otostapes
und Hyostapes bezeichneten Abschnitte, die beide kontinuierlich
knorpelig miteinander verschmelzen. (Als Andeutung der ursprüng-
lichen Grenze kann noch bei der erwachsenen Lacerta eine Diskonti-
nuität im Knorpel bestehen bleiben.) Beide Abschnitte sind aber nicht
identisch mit den als Stapes und Extracolumella bezeichneten
Teilen der ausgebildeten Sauriercolumella. Die Stapes-Extracolumella-
grenze entsteht vielmehr innerhalb des Otostapes, so daß also die
Extracolumella (bei Lacerta) aus dem Hyostapes und einem distalen
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 769
Abschnitt des Otostapes entsteht. Das Stapes-Extracolumellargelenk
entsteht sehr spät. Die Gelenkbildung kann unterbleiben, und dann
läßt sich eine Grenze zwischen Stapes und Extracolumella nur durch
die Ausdehnung des Verknöcherungsprozesses bestimmen: der Stapes
verknöchert, die Extracolumella bleibt zeitlebens knorpelig. Aus dem
im Proc. dorsalis auftretenden Knorpelkern geht ein Knorpelstück
hervor, das mit der Columella entweder nur durch ein Band verbunden
oder von derselben durch Reduktion der ursprünglichen V^erbindungs-
masse ganz getrennt wird. Es bildet als Proc. par oticus (Fig. 384)
eine Zeitlang die alleinige Verbindung des Palatoquadratums mit der
Crista parotica der Ohrkapsel, verschmilzt bei Lacerta mit letzterer,
tritt aber nach Versluys bei der Verknöcherung derselben wieder
als selbständiges Knorpelstück hervor, das noch an der Befestigung
des Quadratums am Schädel beteiligt ist. — Die Verbindung der
Columella mit dem Cornu principale des Zungenbeines löst sich, indem
das verbindende Blastem (Pars interhyalis, Fig. 385) zu Grunde geht.
Ein Teil des letzteren kann vorher verknorpeln und so einen ventral-
wärts gerichteten Fortsatz der Extracolumella entstehen lassen: Proc.
interhyalis (Proc. accessorius posterior).
Die erste ausführliche Darstellung von der Entwickelung der Ohrcoluraella von
Lacerta gab C. K. Hoffmann (1889): sie kommt zu dem Schluß, daß die Gesamt-
columella aus 2 genetisch verschiedenen Teilen besteht, einem labyri n thären
(Otostapes H.) und einem hyalen (Hyostapes H.). Beide Teile betrachtet H. als
identisch mit dem späteren Stapes und der Extracolumella. An der Richtigkeit der
doppelten Genese habe ich selbst, nachdem ich ihr früher zugestimmt, Zweifel ge-
äußert (1899) und es für wahrscheinlicher erklärt, daß beide Stücke hyalen Ursprunges
sind. Durch die Untersuchungen von Versluys erfährt letztere Auffassung eine
Stütze; auch Versluys kommt zu dem Schluß, daß sowohl der Otostapes wie der
Hyostapes hyaler Herkunft sind. Die beiden Bezeichnungen drücken somit nur topo-
graphische, aber nicht genetische Beziehungen aus. Neu und wichtig ist dabei der
Nachweis von Versluys, daß die beiden genannten Teile nicht den späteren Ab-
schnitten (Stapes und Extracolumella) entsprechen. Prinzipiell gutzuheißen ist die
Einführung neuer Bezeichnungen ; die alten Namen Supra-, Infra-, Extrastapediale
u. s. w. sind, abgesehen davon, daß sie Teils tücken den Charakter selbständiger
Individualitäten aufprägen, auch durch die Skrupellosigkeit, mit der sie angewendet
worden sind, allmählich recht wertlos geworden. — Die Pars interhyalis ent-
spricht nach Versluy'S dem ebenso benannten Abschnitt des Hyale bei den
Säugern.
Der Proc. paroticus ist zuerst von mir (1900) gefunden und als in geweb-
lichem Zusammenhange mit der Columella stehend nachgewiesen worden. Ich stellte
ihn als ein Gebilde, das offenbar zur Columella auris, d. h. zum Zungenbeinbogen
gehört, der zur Ohrkapsel gehörigen Crista parotica gegenüber, mit der er, wie ich
fand, erst sekundär verschmilzt. Aus diesem Grunde, wie aus dem Verhalten der
Chorda tympani erklärte ich die Vergleichbarkeit des Fortsatzes mit einem der Ab-
schnitte des Proc. styloideus der Säuger für höchst wahrscheinlich, wenn nicht fast
sicher. Die Richtigkeit dieser Thatsachen und Betrachtungen wird von Versluys
bestätigt und ist in dem von ihm gewählten Namen (Intercalare) zum Ausdruck ge-
bracht. Die Darstellung, die Versluys von meiner Schilderung giebt, ist allerdings
in mehreren Punkten unzutreffend. Ueber die Beziehungen der Columella der Rep-
tilien ^u der der Amphibien s. p. 605 u. ff.
Die Einzelheiten in der Ausbildung und definitiven Gestaltung der Saurier-
columella sind von Versluys (1898, 1903) sehr ausführlich dargestellt worden. Von
den Besonderheiten des Stapes ist das Vorkommen einer durch ein Gefäß bewirkten
Durchbohrung, wegen der dadurch bedingten Aehnlichkeit mit dem Stapes der
Säuger, beachtenswert (z. B. bei Pachydactylus bibroni). An der Extracolumella
(Gadovs^) sind mehrere Fortsatzbildungen zu verzeichnen. Der von dem Stiel ab-
fehende, genetisch zum Otostapes gehörige Proc. internus (Parker's Infrastape-
iale) ist gegen das Quadratum hin gerichtet, legt sich an dasselbe an und kann an
ihni eine längere Strecke weit ventralwärts ziehen. Andererseits kann er auch fehlen
(Geckoniden, Scinciden, Anguiden). Der in das Trommelfell eingelassene Insertions-
teil der Extracolumella, der als Auswuchs des Stieles erscheint, läßt den oberen Ab-
Handbuch der Entwickelungslehre. III. 2. 49
770 E. Gaupp,
schnitt als Pars superior, den unteren Abschnitt als P. inferior unterscheiden
(Pakker nennt die P. superior Suprastapediale, mit der gleichen Bezeichnung belegt
er bei Krokodilen einen Abschnitt, der ein ganz anderes Verhalten darbietet). Von
den accessorischen Fortsatzbildungen, die nicht konstant sind, ist die wichtigste der
Proc. interhyalis, da er aus dem Blastem hervorgeht, das die Anlage der Colu-
mella mit der des Cornu hyale des Zungenbeins in Verbindung setzt. — Die Ver-
bindung zwischen dem Stapes und der Extracolumella zeigt alle möglichen Ausbil-
dungen, vom wahren Gelenk bis zur kontinuierlichen Vereinigung. Nach Versluys'
Ansicht handelt es sich dabei um verschiedene Etappen eines Rückbildungsprozesses:
er nimmt an, daß die Stammformen der Lacertilier zwischen dem iStapes und der
Extracolumella ein funktionierendes Gelenk besaßen, daß dies aber im Laufe der
Zeit seine Funktion verlor und zu einer kontinuierlichen Verbindung umgestaltet
wurde. — Sehr aberrante hier nicht zu besprechende Verhältnisse bietet die Colu-
mella der Amphisbäniden.
Ueber die Entwickelung des übrigen Hyobrauchialskelettes
(Fig. 386) macht Kallius (1901) Angaben, die sich auf Lacerta
muralis beziehen. Außer im 2. Visceralbogen treten auch im 3. und
4., ziemlich gleichzeitig, Chondroblastemstäbe auf, die mit ihren
medial-ventralen Enden in eine breite mediane Blastemplatte über-
gehen. Von dieser Platte geht ein rostralwärts gerichteter langer
Fortsatz aus, die Anlage des Proc. e n t o g 1 o s s u s (mit Rücksicht
auf die Verhältnisse bei den Schildkröten wohl besser als Proc.
lingualis zu bezeichnen). Auch kaudalwärts geht ein medianer Ge-
websstrang von der Platte aus zum Aditus laryngis. Die anfangs
transversal gestellten Bogenanlagen gehen bald in eine schräge Stel-
lung über. Bei der darauffolgenden Verknorpelung bleibt der Hyal-
bogen zunächst in kontinuierlich-knorpeligem Zusammenhange mit
dem Zungenbeinkörper; die Gliederungen treten nach Kallius
sekundär auf. Das Cornu hyale verliert seine Verbindung mit der
Anlage der Columella, indem die Blastemmasse zwischen seinem dor-
salen Ende und der Columella verschwindet. Bei Lacerta bleibt dieses
dorsale Ende frei und verschiebt sich bald kaudalwärts ; bei Gecko-
niden wächst es empor, bis es eine knorpelige Platte auf dem Proc.
paroticus erreicht und sich daran anheftet, wobei eine mehr oder weniger
vollständige Verschmelzung der Knorpel stattfindet (Versluys).
Die fragliche Knorpelplatte steht in Zusammenhang mit dem Proc. paroticus,
bildet sich aber sicher zum größten Teil, vielleicht ganz, von derCrista parotica
der Ohrkapsel aus. Bei Uromastix kommt eine ähnliche Knorpelplatte vor, die aber
wahrscheinlich aus einem dorsalen Abschnitt des Cornu principale und vom Proc.
paroticus gebildet wird, woran aber die Crista parotica nicht beteiligt ist (Ver-
sluys).
Die ersten B ran chial bogen werden gleich bei der Ver-
knorpelung durch eine bindegewebige Grenzschicht vom Zungenbein-
körper abgegliedert (Kallius).
Die zweiten Bran chial bogen jeder Seite, die viel kürzer
sind als die Hyal- und ersten Branchialbogen, bleiben auch im Knorpel-
zustand stets (zeitlebens) kontinuierlich mit dem Zungenbeinkörper
(der Copula) verbunden, und ebenso geht letzterer kontinuierlich in
den Proc. entoglossus über. Der Chondroblastemstrang, der anfangs
eine Verbindung der Copulaanlage mit dem Larynxskelett herstellte,
wird weiterhin bindegewebig und geht zu Grunde. — Bei Lacerta (und
einigen anderen Sauriern) kommt zu diesen Teilen des Hyobrauchial-
skelettes noch ein kurzes, gekrümmtes Knorpelstück, das mit seinem
oberen Ende der Ventralfiäche der Ohrkapsel anliegt und ventral frei
endet (Fig. 386). Auch seine Blastemanlage finde ich ohne Kontinuität
mit einem der ventralen Bogenstücke, selbständig. Für seine Zuge-
hörigkeit zum 2. Branchialbogen (4. Visceralbogen) spricht der Um-
Die Entwickelung des Kopfskelettes.
771
stand, daß es bei Lacerta vivipara (Embryonen von 37 mm) mit seinem
ventralen Ende das obere Ende des genannten Bogenknorpels nahezu
berührt, den letzteren also dorsalwärts fortsetzt.
Dentale
Praeoperculare — <*
Cart. 3feckel.
Proc. entoglossus
Complementare
SnpraaiKjularc
Angulare.
Postopercida
Proc. retroartic
(Articulare)
Cor na principale
(hyale)
Cornu branchiale I-
hrch. II
Zum Cornu brauch. II behörig?
Fig. 386. Unterkiefer und Hyobrauchialskelett des Modelles Fig. 382, von der
Ventraiseite. Ersatzknochen : grau.
Daß das 1. Hörn des Zungenbeins der Saurier ein Cornu hyale, das 2, ein
Cornu branchiale 1 ist, war bekannt und erfährt durch die Entwickelung eine Be-
stätigung. Durch diese wird aber auch zur Gewißheit, daß die beiden hinteren Fort-
sätze, die kontinuierlich mit dem Zungenbeinkörper zusammenhängen, den Charakter
von Hörnern, d. h. von Branchialbogenrudimenten haben (p. 591). Ich kann die
diesbezüglichen Angaben von Kallius auf Grund eigener Serien bestätigen. Es zeigt
sich auch hier, daß Abgliederung oder Kontinuität nicht ausschlaggebende Momente
für die Beurteilung sind. Wohl aber ist die Lage jenes Skelettstückes im 4. Visceral-
bogen von Bedeutung. Dem Körper des Hyoids schreibt Gegenbaur die Bedeutung
mindestens zweier Copulae (Basihyale und eines Basibranchiale) zu; ob der Proc.
entoglossus ein in Konkrescenz befindliches Glossohyale darstellt, läßt er unsicher.
Ausgedehntere Vergleiche werden darüber aufklären müssen.
II. Knochen.
Knochen im Gebiet des Oberschädels.
Von dem neuralen Primordialcranium verknöchern die
Occipitalregion, Labyrinthregion und beschränkte Bezirke der Orbito-
49*
772 E. Gaupp,
temporalregion ; der größte Teil der Orbito-temporalregion sowie die
ganze Ethmoidalregion bleiben knorpelig. Zwischen den einzelnen
knöchernen Territorien sind V^erwachsnngen häufig, und ebensolche
treten auch ein zwischen Ersatzknochen und Deckknochen, speciell
dem Parasphenoid. Als Ossifikationen der 0 ccipitalregion treten
bei Lacerta ein Basioccipitale und 2 Pleuroccipitalia auf;
das aus der Ossifikation des Tectum synoticum hervorgehende Supra-
occipitale vervollständigt das „Occipitalsegment" des Osteocraniuins.
Von diesen Knochen verbindet sich das Pleuroccipitale jeder Seite
frühzeitig (embryonal) mit dem Opisthoticum zu einem Ötoccipi-
tale; das Supraoccipitale dehnt sich beiderseits auf den dorsalen
Umfang der Ohrkapsel aus. Als selbständige Verknöcheruugen der
Ohrkapsel treten ein Opisthoticum und ein Prooticum auf;
das erstere giebt seine Selbständigkeit sehr bald auf und verschmilzt
mit dem Pleuroccipitale. Die Crista sellaris und ihre Umgebung wird
von einem unpaaren Basis phenoid okkupiert; die Taenia metoptica
schließlich verknöchert als sog. 0 r bitosp henoid. Im Vergleich
mit den Amphibien erscheinen die unpaaren Knochen, Basi- und Supra-
occipitale, sowie Basisphenoid als neu hinzugekommen. Ihr Auftreten
vermittelt den Anschluß der Amnioten an tiefer stehende Formen, als
es die recenten Amphibien sind.
Die Knochen der Occipital- und Labyrinthgegend bewahren ihre
Selbständigkeit nicht zeitlebens. Schon bei der Geburt ist, wie be-
merkt, jederseits ein Otoccipitale vorhanden, und ebenso erfolgt
embryonal schon die Vereinigung des Basisphen oids mit dem
Parasphenoid zu einem einheitlichen Os sphenoidale. Basi-
occipitale, Otoccipitalia, Supraoccipitale, Prootica, Sphenoidale pflegen
bei jungen Tieren von Lacerta agilis durch Synchondrosen getrennt
zu sein. Diese verknöchern aber später, so daß ein einheitlicher
Knochen (Os basilare commune) entsteht, der die Elemente der
Occipital-, Otical-, Sphenoidalgruppe (mit Ausnahme des Orbito-
sphenoids) in sich vereinigt. Das Sphenoidale bewahrt am längsten
seine Selbständigkeit.
Bezüglich der speciellen Entwickelung dieser Knochen giebt Parker's Schil-
derung keinen Aufschluß; ich selbst verfüge erst über wenige eigene Erfahrungen.
Das Basioccipitale beginnt seine Bildung in der Umgebung der Chorda dorsalis,
im hintersten Teil der basikranialen Fontanelle. Hier entsteht um die Chorda ein
Knochenring, von dem aus die Verknöcherung weiter vorschreitet. Es bilden sich
dabei 2 perichondrale Knochenlamellen, die der ventralen und der dorsalen Fläche
der Basalplatte (hinter der Fontanelle und zu beiden Seiten derselben) aufliegen
(Fig. 381j. Von beiden aus erfolgt die Zerstörung des Knorpels und die Markraum-
bildung. Die Knochenbildung setzt sich aber auch nach vorn, in das Gebiet der
Fontanelle, fort, doch kommt es hier nur zur Bildung einer, ventral von dem Ver-
schlußgewebe der Fontanelle gelegenen Knochenlamelle, von der aus dann die Ver-
knöcherung dieses Gewebes selbst erfolgt (Ersatzknochen ohne knorpelige Prä-
formation!). Daher ist dieser Abschnitt des Basioccipitale auch beim erwachsenen
Tiere durch seine Dünne ausgezeichnet. — Das Pleuroccipitale beginnt mit der
Bildung zweier perichondraler Knochenlamellen, je einer auf der medialen und auf
der lateralen Fläche des Occipitalpfeüers. Beide Lamellen bilden sich von hinten
her und stehen frühzeitig an der Fissura raetotica, am hinteren Rande des Occipital-
pfeilers und an den Foramina Hypoglossi in Zusammenhang. Von ihnen aus erfolgt
die Zerstörung des Knorpels. Erheblich später als die Lamelle des Pleuroccipitale
erscheint selbständig eine Lamelle am lateral-ventralen Umfang der Ohrkapsel ; eine
innere Laraelle, auf der labyrinthären Fläche des hinteren Abschnittes der Ohr-
kapsel, gesellt sich dazu. Beide bilden die Anlagen des Opi sthoticums und
breiten sich an der Ohrkapsel weiter aus. Im Gebiet des von Bindegewebe ver-
schlossenen Abschnittes der Fissura metotica erfolgt die Vereinigung des Opisth-
oticuins mit dem Pleuroccipitale zu einem Otoccipitale. — Das Supraocci-
Die EntwickeluDg des Kopfskelettes. 77
o
pitale entstellt von einer ventralen und einer dorsalen perichondralen Knochen lam eile
am Tectum synoticum und dem oberen Umfange beider Ohrkapseln. Ihr erstes
Auftreten habe ich bisher nicht beobachtet ; auf späteren Stadien gehen die Seiten-
teile in der Entwickelung voran, so daß möglicherweise auch die erste Entstehung
eine paarige ist. Eine innere Lamelle an der Innenfläche des hinteren Bogenganges
erscheint selbständig. Der Proc. ascendens tecti synotici bleibt knorpelig. — Das
Prooticum bedarf auch besonderer neuer Untersuchung. In der Hauptsache geht
es aus der Ossifikation der vorderen Ohrkapselhälfte, sowie eines anschließenden Be-
zirkes der Basalplatte hervor, dazu kommt jedoch ein plattenförmig nach vorn in der
Seitenbegrenzung des Cavum cranii vorspringender Fortsatz, der ohne knorpelige
Präformation ossifiziert. Seine Genese ist noch zu verfolgen. Ebenso vermag ich
über das erste Auftreten des Basisi^henoids und seine Verbindung mit dem Para-
sphenoid noch nichts Bestimmtes zu sagen. Das sog. Orbitosphenoid geht, Parker's
Abbildungen zufolge, aus der Ossifikation der Taenia metoptica hervor. Endlich be-
schreibt Parker noch eine im hinteren Teil des Septum interorbitale auftretende
präsphenoidale Ossifikation.
Ersatzknochen, die an die Stelle von Teilen des Visceral-
skelettes treten, aber ira Gebiete des Oberscliädels liegen, sind:
Quadratum und Ant iptery goid (Columella), sowie derStapes.
Sie verknöchern von perichondralen Knochenscheiden aus. Das Antipterygoid
ist die Verknöcherung des Proc. ascendens palatoquadrati (s. p. 790).
Die Zahl der Deckknochen, die im Bereich des Oberscliädels
entstehen, ist sehr groß (Fig. 382, 383). Es gehören dazu: Parietale,
Frontalia, Nasalia, Squamosa, Praefrontalia, Septo-
m axillar ia, Post frontalia, Postor bitalia, Zj^gomatica,
L a c r i ni a 1 i a , P a r a q u a tl r a t a , P a r a s p h e n o i d , P r a e m a x i 11 ar e,
Maxiilaria, Vom eres, Palati na, Pterygoidea, Transversa.
Von denen, die phylogenetisch als Deckknochen des Palatoquadratums
entstanden, bewahren nur noch das Paraquadratum und Pterygoid
diese ursprüngliche Beziehung,
Zu diesen Knochen, die als integrierende Bestandteile des Schädels
sich untereinander verbinden und typische, fixierte Elemente des
Kopfskelettes der Saurier darstellen, gesellt sich bei vielen Sauriern
und so auch bei den Lacertiden noch eine Anzahl knöcherner Ele-
mente, die mehr accessorischer Natur, bei den einzelnen Lacertiden
größeren Schwankungen unterworfen und nach Art, Ort und Zeit ihrer
Entstehung verschieden von den erstgenannten sind. Bei Lacerta
agilis gehören hierher jeder seits : S u p r a o r b i t a 1 e, S u p r a o c u 1 a r i a,
S u p e r c i 1 i a r i a , Knochen des S c h 1 ä f e n p a n z e r s. Sie ent-
stehen später als die oben genannten Deckknochen und stellen Ver-
knöcherungen des Coriums dar.
Parietale. Wird bei Lac. ag. paarig angelegt, jederseits über der Taenia
tecti marginalis (Fig. 381, 382). Hinten sendet es einen Fortsatz zum oberen Rand
der Ohrkapsel, einen zweiten ventralwärts zum Squamosum. Wie die Vereinigung
der beiderseitigen Knochen zu dem unpaaren Parietale erfolgt, bleibt zu untersuchen.
Gegen die Unterfläche desselben legt sich die Spitze des Proc. ascendens tecti syn-
otici. Das For. parietale deutet auf die ursprüngliche Trennung beider Hälften.
Frontale. Entsteht ebenfalls lateral, über dem vorderen Teil der Taenia tecti
marginalis und dem hinteren Abschnitt des Nasendaches.
Nasale. Entsteht auf dem dorsalen Umfang der Nasenkapsel und deckt die
hier befindliche Fenestra dorsahs zu.
Squamosum. Legt sich am äußeren Umfang des lateralen Bogenganges der
Ohrkapsel an.
Praef rontale. Entsteht als großer, breiter und platter Knochen am hinteren
und seitlichen Umfang der Nasenkapsel.
Septomaxillare. Entsteht in der Nasenkapsel als Dach über dem Jacob-
SON'schen Organ, stützt sich mit seinem medialen Rande auf die Crista longitudinalis
septi, mit seinem lateralen Rande auf eine Leiste am Innern LTmfang der lateralen
Nasenwand, in seinem vordersten Abschnitt auch noch auf den Rand der Capsula
774 E. Gaupp,
orgaai vomero-nasalis. Entspricht wohl dem gleichbenannten Knochen der Amphi-
bien, hat sich diesem gegenüber aber tiefer ins Innere der Nasenkapsel hinein aus-
gedehnt.
Paraquadratum. Ist ein Deckknochen, der sich hinten auf das Quadratura
stützt und vorn mit dem Postfrontale zur Bildung des (oberen) Jochbogens zu-
sammenstößt. (Die Lacertilier sind monozygocr otaph , d. h. sie besitzen einen
und zwar einen oberen Jochbogen.) Der Knochen hat viele Bezeichnungen erhalten
und mancherlei verschiedene Deutungen erfahren. Ich meinerseits sehe in ihm das
Homologon des großen Deckknochens, der bei Amphibien an der Außenfläche des
Palatoquadratums liegt, und demnach auch des Quadratojugale, das bei Schildkröten
sich vom Quadratum zum Zygomaticum (Jugale) erstreckt.
Postfrontale (P. mediale). Entsteht ohne direkte Beziehung zum Knorpel-
schädel, schiebt sich aber mit seinem medialen ßande so weit nach innen vor, daß
es der Taenia marginalis nahe kommt, ohne dieselbe jedoch zu erreichen.
Po storbitale (Postfrontale laterale). Entsteht ohne Beziehung zum
Knorpelschädel am hinteren Umfang der Orbitn.
Zygomaticum. Ist ebenfalls ohne Beziehung zum Chondrocranium.
La er i male. Entsteht als selbständiger kleiner Knochen außen vom Ductus
nasolacrimalis, hat aber mit dem Knorpelskelett nichts zu thun.
Parasphenoid (Parabasale). Entsteht bei Lac. ag. (nach eigenen Unter-
suchungen) paarig, jederseits ventral von der Basalplatte, lateral von der Fencstra
basicranialis posterior, zugleich medial-ventra! von der A. carotis interna und dem N.
palatinus des Facialis. Der vordere Teil des Knochens (Rostrum), der die Fenestra hy-
pophyseos ventral verschließt und sich am ventralen Rande des Septum interorbitale
weit nach vorn erstreckt, entsteht später — ob ganz selbständig, vermochte ich noch
nicht genau festzustellen. (Bei Scinken scheint, nach einer Angabe von Siebenrock
zu schließen, dieser vordere Teil selbständig zu bleiben.) Die hinteren lateralen Teile
des Parasphenoids verschmelzen mit dem Basisphenoid, dabei kommt jederseits die
Bildung eines Canalis Vidianus zu stände.
Vom er. Entsteht in der Umgebung der Cart. paraseptalis, deckt mit seiner
Pars ascendens die mediale Seite derselben und liegt mit seiner P. horizontalis unter
der Mundschleimhaut. Bei manchen Sauriern verwachsen die beiderseitigen.
Praem axillare. Entsteht paarig vor und unter der vordersten Kuppel der
Nasenkapsel und wird bald einheitlich. Nur die beiden Proc. palatini bleiben (Lacerta)
getrennt. Die frühe Entwickelung des Knochens erklärt sich aus der Bedeutung, die
ihm als Träger des Eizahnes zukommt.
Maxillare. Legt sich der Seitenwand der Nasenkapsel in großer Ausdehnung
an und erstreckt sich weit nach hinten unter dem Processus maxillaris posterior der
Nasenkapsel. Der horizontal nach innen vorspringende Proc. palatinus schiebt sich
vorn mit seinem medialen Rande unter die Cartilago ectochoanalis. Ein Proc. den-
talis entwickelt sich als nach unten vorspringende Leiste. Die Zähne verbinden sich
mit ihm erst sekundär.
Das Pterygoid läßt die Beziehung als Deckknochen des Palatoquadratums
noch darin erkennen, daß es sich dem Proc. pterygoideus Palatoquadrati, vom Fuß-
punkt der Columella aus bis zum Vorderende, anlegt. Mit seinem medialen Um-
fang berührt es den Meniscus pterygoideus, durch den es mit dem Proc. basiptery-
goideus gelenkig verbunden wird. Auf jungen Stadien liegt das hintere Stück des
Pterygoids, vom Fußpunkt der Columella bis zum Quadratumkörper, dem medialen
Umfang des mehr oder minder vollständig verknorpelnden Zellstreifens an, der die
beiden genannten Teile verbindet und ihre genetische Zusammengehörigkeit doku-
mentiert. — DasPalatinum der Saurier läßt bei seiner Anlage keine Beziehungen
zu knorpeligen Teilen erkennen; es entsteht in dem embryonalen Bindegewebe dorsal
von dem Mundhöhlenepithel unter dem vordersten Teil des Auges. Erst nachdem
der Knochen schon gebildet ist, treten manchmal einige kleine Knorpelinseln auf
seiner Dorsalfläche auf, die, wie schon erwähnt wurde, vielleicht eine Andeutung
dafür bilden, daß das Planum antorbitale der Nasenkapsel früher bis zum Palatinum
herabreichte. Der vorderste Teil des Palatinums schiebt sich unter das hintere Ende
der Cart. paraseptalis vor, in der Hauptsache aber hat das Palatinum weder zum
Palatoquadratum, noch zum Ethmoidalskelett Beziehungen bewahrt. Ganz ohne Be-
ziehungen zum Knorpelskelett ist endlich das Trans versum, das ebenfalls eine
Ossifikation im Bindegewebe des Mundhöhlendaches darstellt. Beachtenswert ist
aber, daß, wie oben mitgeteilt, der Proc. pterygoideus des Palatoquadratums auf dem
Os pterygoideum die Richtung nach außen, gegen das Transversum hin, einschlägt.
Danach liegt die Vermutung nahe, daß das Transversum einmal als Deckknochen
des Proc. pterygoideus Palatoquadrati entstand. Das Verhalten bei Sphenodon be-
stätigt diese Vermutung. Ob der Knochen, wie vermutet wurde, dem Ectopterygoid
der Teleostier entspricht, läßt sich zur Zeit noch nicht mit Sicherheit beantworten.
I
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 775
Von den accessorischen Integuinentalossif ik ationen , die später als
die bereits geschiklerten Deckknochen bei Lacerta agilis noch hinzukommen, ist zu-
nächst das Öupraorbitale zu nennen. Es entsteht (Gaupp 1898) durch Ossifi-
kation eines Fasergewebes mit sehr zahlreichen dichtgedrängten Zellen , das den
Eindruck eines knorpelartigen Gewebes hervorrufen kann. Siebexrock bezeichnet
den Knochen daher als knorpelig vorgebildet; doch ist dagegen zu bemerken, daß
jenes Gewebe nicht Hyalinknorpel ist und auch mit dem Primordialcranium nichts
zu thun hat. Es liegt außen vom Praefrontale und geht lateralwärts in das Corium
über. Das Supraorbitale muß somit den Elementen der Lamina supraocularis,
Lam ina superciliaris und des Seh läf en panzers zugerechnet werden, von
denen schon Leydig wußte, daß sie Verknöcherungen des Coriums darstellen. Ueber
ihr Vorkommen und ihre Anordnung bei den verschiedenen Sauriern verdanken wir
Siebenrock sehr ausgedehnte genaue Angaben (Siebenrock 1892, 1894).
Knochen im Gebiete des Unterkiefers und des
Hyobranchialskelettes (Fig. 386).
Im Gebiet des Unterkiefers entstehen: das Articulare als Er-
satzknochen, das Dentale, Angulare, Supraangulare, Prae-
operculare, Postoperculare, Complementare als Deck-
knochen. Im Gebiete des Hyobranchialskelettes entsteht außer dem
Stapes als Ersatzknochen noch die Ossifikation des Cornu bran-
chiale priraum des Zungenbeins. Deckknochen fehlen.
Das eigentliche Articulare geht aus der Ossifikation des Gelenkendes des
MECKEL'schen Knorpels hervor. Schon während sich der Knochen noch auf dem
Stadium einer dünnen perichondralen Knochenlamelle am ventralen Umfang des
Gelenkteiles und des Proc. retroarticularis des MECKEL'schen Knorpels befindet, ver-
schmilzt er mit dem großen Deckknochen, der am medialen Umfang des hinteren
Teiles des MECKEL'schen Knorpels schon vorher entsteht. Dieser Deckknochen
(Postoperculare) ist ausgezeichnet dadurch, daß er die Chorda tympani um-
schließt. Aus der Verwachsung beider Stücke geht der Knochen hervor, der seit
CuviER als Articulare bezeichnet wird, der also, dem Gesagten zufolge, keine ein-
heitliche Größe, sondern ein Verschmelzungsprodukt darstellt. Ueber die übrigen
Deckknochen (Angulare, Supraangulare, PraeopercuJare, Complementare, Dentale —
im Sinne der alten CuviER'schen, von (Jegenbaur und den meisten anderen Autoren
beibehaltenen Nomenklatur) ist nichts Besonderes zu bemerken. Bei einer erwachsenen
Lacerta vivipara finde ich das vorderste Ende des MECKEL'schen Knorpels verkalkt
und das Dentale ihm unmittelbar anliegen. So scheint es nicht ausgeschlossen, daß
auch bei Sauriern das vorderste Ende des M. Knorpels verknöchern kann (Mentomandi-
bulare). Die Verwachsung der Zähne mit dem Dentale erfolgt sekundär, Ueber
Verwachsungen der einzelnen Unterkieferstücke untereinander siehe die verschiedenen
Arbeiten von Siebenrock.
In der Benennung des Angulare, Supraangulare, Complementare folge ich der
alten CuviER'schen, auch von Gegenbaur und vielen anderen Autoren beibehalte-
nen Nomenklatur. Am inneren Umfang des Unterkiefers kennt Cuvier nur einen
Deckknochen, das Oper culare (Spleniale, Owen); nachdem sich herausgestellt hat,
daß außer diesem noch ein zweiter hinterer vorhanden ist, der mit dem Articulare
verschmilzt (was Baur zuerst aussprach und ich bestätigen kann) sind neue Namen
nötig. Ich schlage dafür Praeoperculare (das alte Operculare) und Postoi^er-
culare vor. Baur nennt das Praeoperculare: Praespleniale, das Postoperculare:
Angulare und das CuviER'sche Angulare: Spleniale. Einen Grund für die Ver-
tauschung der Bezeichnungen Spleniale und Angulare, wie Baur sie vorschlägt,
vermag ich ebensowenig wie Siebenrock (1897) einzusehen.
Rhynchocephalia.
Die Schädelentwickelung von Sphenodon hat durch Schauinsland
(1900), sowie durch Howes and Swinnerton (1901) Bearbeitung ge-
funden ; zur vollständigen Kenntnis derselben fehlt allerdings noch
manches. Ueberall zeigen sich weitgehende Ueberein Stimmungen mit
dem Verhalten bei den kionokranen Sauriern.
776
E. Gaupp,
I. P r i m 0 r d i a 1 c r a n i 11 m.
Das neurale Primordialcranium von Sphenodon bietet große
Aehnliclikeit mit dem von Lacerta, weist aber im allgemeinen noch aus-
gedehntere Knorpelpartieen auf als dieses. Chordaler und prächordaler
Abschnitt legen sich gesondert an und bilden anfangs einen rechten
Winkel miteinander. Mit dem otischen Abschnitt der Basal platte
hängt die Anlage der Ohrkapsel, sowie auch die des Sphenolateral-
knorpels zusammen. In der Pars occipitalis finden die englischen
Autoren 4 Foramina jederseits, durch welche 5 Hypoglossuswurzeln
austreten. Zwei von diesen letzteren schwinden während der Onto-
genese, so daß wie bei Lacerta 3 Foramina Hypoglossi bestehen
bleiben. Der später als die Basalplatte erscheinende aufsteigende Teil
Frontale Fen
Plan, sivpraseqjt
Septum interorb.
Praefront
Plan, antorb
Caps.nas.
Ifaxill.
Prae-
maxill
Fen. epiopt.
For. N. IV
Postfront. med.
Sphenolateralplatte
Postfront, tat. (Postorb.)
Proc. asc. P.-Q. (Columella)
Caps. aud.
Squamos.
Palatoquadr.
Proc. dorsal.
For.i.d. Extraroi.
Extracolumella,
Hyale
Dentale \ Transvers. Complem.
Palatinum ] Zygomaticum :
Proc. pteryg. P.-Q. Svpraang.
Angulare
: Opercul.
Quadratojiig.
Fig. 387, Primordialcranium mit Deckknochen von einem jungen Sphenodon-
embryo (4,5 mm Kopflänge). Nach Plattenmodell von H. Schauinsland (kopiert
von P. OsTERLOH-Gautzsch b. Leipzig). Zu beachten ist noch : die kleine Oeffnung
unter dem For. N. IV dient dem N. oculomotorius zum Durchtritt; die Spheno-
lateralplatte ist noch nicht mit der Ohrkapsei verbunden, daher besitzt die Fen.
prootica noch keinen dorsalen Abschluß.
des Occipitalskelettes verbindet sich mit der Ohrkapsel; eine ausge-
dehnte Fissura metotica leitet wie bei Lacerta den Accessoriovagus,
Glossopharyngeus und eine Vene aus dem Schädelraum heraus ; im
vorderen Gebiet der Spalte öftnet sich das Foramen der Ohrkapsel,
das den Ductus perilymphaticus herausführt (Schauinsland). Der
kaudale Abschluß des Chondrocraniums auf weiter vorgeschrittenen
Stadien erfolgt mit zwei zur Seite der Mittellinie gelegenen Üachen.
nach hinten vorspringenden Höckern, wie bei Lacerta (H. a. Sw.). Die
anfangs durch die Chorda dorsalis in zwei Hälften geteilte Basalplatte
ist vollständiger als die von Lacerta, nur bei Embryonen von 4 — 5 mm
Schädellänge findet Schauinsland eine sehr kleine Fontanelle nahe
ihrem vorderen Rande; später scheint auch diese geschlossen zu werden.
An der Ohr kapsei, deren Anlage mit der der Basalplatte zusammen-
hängt, wird die mediale Wand zuletzt knorpelig; eine in dieser ge-
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 777
legene Spalte wird später in 2 Forainina acustica und ein For.
endolympliaticum zerlegt. In der äußeren Wand bleibt die P'enestra
vestibuli, am Boden das For. perilymphaticum bestehen. Vor der
Ohrkapsel tritt der N. facialis durch die Basalplatte hindurch ; in be-
trächtlicher Entfernung davor der N. abducens. Verhältnismäßig spät
erfolgt der dorsale Abschluß des For. occipitale maguum durch das
Tectum synoticum, das, wie Schauinsland besonders betont, auch
hier der Labyrinthregion, aber nicht der Occipitalregiou angehört. Von
seinem Vorderrande aus erstreckt sich in der Medianebene eine
schmale Knorpelzunge weit nach vorn bis zum Parietalauge und um-
wächst dieses (Schauinsland).
An der Basis des prächordalen Schädelabschnittes legen sich
die Trab ekel selbständig an. Sie begrenzen die Feuestra hypo-
physeos von der Seite und gehen im Prochondralstadium (Stad. P
von H. a. S.) im vorderen Teil der Orbito-temporalregion in eine
Vorknorpelplatte (basal ethmoidal plate H. a. S., meiner Trabecula
communis und Internasalplatte entsprechend) über. Von der Basal-
platte sind sie anfangs getrennt, sie stoßen an die Ventralfläche der-
selben unter rechtem Winkel au. Später gleicht sich der Winkel aus,
und die Trabekel verschmelzen mit der Basalplatte. Von dem hinteren
Ende einer jeden Trabekel aus entsteht ein Proc. basipterygoideus.
Die Anlage der Seitenwand in der hinteren Hälfte der Orbito-tempo-
ralregion (der Sphenolateralplatte) hängt, wie bereits erwähnt, anfangs
nur mit der Basalplatte zusammen und verknorpelt auch von dieser
aus; erst wenn die Kopfbeuge und in Zusammenhang damit die Ab-
knickung des vorderen Schädelabschnittes gegen den hinteren sich
ausgleichen , bekommen die verschiedenen Fortsätze , die von der
Sphenolateralplatte ausgehen, eine andere Richtung und verbinden sich
mit benachbarten Teilen : mit der Trabekel, der Supraseptalplatte und
der Ohrkapsel. Die Sphenolateralplatte wird anfangs von getrennten
Oeffnungen für den Oculomotorius und den Trochlearis durchbrochen,
durch Verbindung mit der Trabekel entstehen dazu noch 2 weitere
Foramina (für die A. ophthalmica und eine Vene, die H. a. S. als
V. jugularis bezeichnen); später fließen diese 4 Foramina zu einem
großen Fenster (Fen. metoptica) zusammen.
Die Sphenolateralplatte (Alispheaoid, SCH., Otosphenoidalplatte, H. a. S.) ist
also ursprünglich vollständiger und zeigt noch in der Ontogenese Reduktionserschei-
nungen. Nach ihrer Verbindung mit den Nachbarteilen und nach ihrer Fenestrierung
bietet das Knorpelgerüst in der hinteren Hälfte der Orbito-temporalregion weitest-
gehende Aehnlichkeit mit dem von Lacerta. Vor der Ohrkapsel findet sich die große
Fenestra prootica für den Trigeminusaustritt, die erst verhältnismäßig spät durch
Verbindung der Sphenolateralplatte mit der Ohrkapsel ihren dorsalen Abschluß er-
hält; davor findet sich dorsal eine Fen. epioptica (ohne Beziehung zu Nerven,
häutig geschlossen), unter dieser die Fen. optica (N. opticus), hinter dieser die
Fen. metoptica. Die Anordnung der Knorpelspangen ist somit auch ganz
ähnlich; auch einSubiculum infundibuli besteht und wird durch eine Supra-
trabecularspange mit dem Vorderrand der Basalplatte verbunden. Das Planum
supraseptale schließt die Fen. epioptica, der hintere Rand des Septum interorbitale
schließt die beiden Fenestrae opticae vorn ab (Fig. 387).
Im vorderen Teil der Orbito-temporalregion bildet sich ein Sep-
tum i n t e r 0 r b i t a 1 e aus. Nach H. u. Sw. entsteht es durch Aus-
wachsen der interorbitalen Vorknorpelplatte, in die anfangs die
Vorderenden der Trabekel übergehen. Sch. findet nach der Verknor-
pelung, daß die beiden Trabekel sich vor der Spitze der Fenestra
hypophyseos zwar dicht aneinander legen, aber noch eine große Strecke
778 E. Gaupp,
weit als besondere Elemente nach vorn ziehen und erst in der Nasen-
region wirklich zu einem Knorpelstab werden. Das Septum inter-
orbitale ist um diese Zeit noch nicht mit ihnen verschmolzen, sondern
von ihnen teils durch eine wirkliche Spalte, teils doch so getrennt,
daß man es gut von ihnen unterscheiden kann. Erst dort, wo das
Septum interorbitale in das Septum nasi übergeht, verschmilzt der
Trabekelstab mit dem Septum interorbitale und von hier aus schreitet
die Vereinigung (d. h. die Bildung einer Trabecula communis) in
älteren Stadien auch weiter kaudalwärts vor. Im Zusamenhange mit
der oben erwähnten interorbitalen Prochondralmasse stehen frühzeitig
die Anlagen der Supraseptalplatten (ethmoidal plates H. u. Sw.),
die, wie aus Schauinsland's Schilderung hervorgeht, selbständig
verknorpeln und dann erst knorpelig mit dem Septum verschmelzen.
Mit dem hinteren Rand einer jeden setzen sich 2 Fortsätze der
Sphenolateralplatte in Verbindung; vorn verlängert sich eine jede in
einen Knorpel, der lateral von der Fen. olfactoria in das Dach der
Nasenkapsel übergeht. Im Septum interorbitale tritt durch Knorpel-
reduktion eine Fenestra septi auf (Schauinsland, Howes u. Swin-
nerton).
Als erste Grundlage des Skelettes der Ethm oidalr egion er-
scheint nach H. u. Sw. im Vorknorpelstadium der vordere Teil der
„basalen Ethmoidalplatte" (die Internasalplatte), mit deren vorderem
Ende jederseits die Anlage einer den vorderen Teil der Nasenhöhle
umschließenden Schale zusammenhängt. Aus der Internasalplatte geht
das Septum nasi hervor; die Anlage der Nasenkapsel vervollständigt
sich nach H. u. Sw. durch Auswachsen mehrerer Fortsätze, sowie durch
selbständig auftretende Knorpelpartieen. Der Schilderung von Schau-
insland und den Figuren von Howes und Swinnerton zufolge bietet
die Konfiguration des Ethmoidalskelettes nach der Verknorpelung fast
gar keinen Unterschied von dem der Saurier.
Die Schilderung der englischen Autoren ist ganz aphoristisch und mit Be-
nutzung einer nur dem vorliegenden Objekt angepaßten und darum nicht allgemeiner
verwendbaren Terminologie abgefaßt. Schauinsland's Darstellung paßt sich mehr
den früheren Betrachtungen des Nasenskelettes der Reptilien an. Hervorheben s wert
ist, daß das Planum antorbitale nicht quer, sondern schräg steht, so daß es ohne
Grenze in die Seitenwand übergeht. Diese findet ScH. bei Embryonen von 4 — 5 mm
Kopflänge noch undurchbrochen, Abbildungen späterer Stadien von Howes und
Swinnerton zeigen eine Fenestra lateralis. Eine Fen. dorsalis, ein For. epiphaniale,
For. apicale, eine Fen. narina, Caps, organi vomero-nasalis, Cart. paraseptalis, ein
Proc. maxillaris post. sind vorhanden. Die Muschelbildung ist auf dem oben er-
wähnten Stadium Schauinsland's erst als Leiste an der Innenseite der Seitenwand
angedeutet; später wird dieselbe höher und biegt sich dabei ventral- und kaudal-
wärts ein.
Das viscerale Primordialcranium wird repräsentiert durch den
Kieferbogen, den Zungenbeinbogen und zwei Branchial-
b 0 gen.
Die Anlage des Kieferbogens läßt im Vorknorpelstadiiim,
nach Howes and Swinnerton, einen Körperabschnitt und 3 Fort-
sätze unterscheiden. Letztere sind der Proc. ascendens, Proc.
pterygoideus und die nach vorn gerichtete Anlage des Meckel-
schen Knorpels. Die Verknori)elung beginnt selbständig im dor-
salen Ted (P alatoquadrat um) und im MECKEL'schen KnorpeL
Am Palatoquadratum entsteht nachträglich noch der nach hinten ge-
richtete Proc. oticus und der nach abwärts gerichtete Proc. articularis.
Die Verknorpelung dehnt sich vom Körper des Palatoquadratums in
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 779
die Fortsätze aus, so daß also nach der Verknorpelung auch der Proc.
ascendens und der Proc. pterygoideus in kontinuierlichem Zusammen-
hange mit dem Quadratumkörper stehen (Fig. 387). Der Proc. ptery-
goideus verlängert sich bis auf das Transversum herauf und kommt
dem Ende des langen Proc. maxillaris posterior nahe. (In der zweiten
Pubhkation [1903] zeichnet Schauinsland das vorderste Stück des
Proc. pterygoideus auf späteren Stadien von dem Hauptteil abgelöst.)
Die MECKEL'schen Knorpel werden frühzeitig durch eine vorknorpelige
Symphyse untereinander verbunden. Diese verknorpelt vorübergehend,
und nachträglich tritt wieder eine bindegewebige Symphyse auf.
Dem Geschilderten zufolge verhält sich Sphenodon bezüglich des Palato-
quadratums primitiver als Lacerta, insofern als sich die Verknorpelung vom Körper
aus gleichmäßig auf den Proc. ascendens und Proc. pterygoideus erstreckt, und
letzterer noch ausgedehnter ist. Die Amphibienähnlichkeit des Palatoquadratums
fällt dadurch noch unmittelbarer in die Augen. Aus der Verknöcherung des Proc.
ascendens geht wie bei den kionokranen Sauriern die Columella (das Antipterygoid)
hervor. — Ueber die Entwickelung des auch bei Sphenodon vorhandenen (ScH., H.
u. Sw.) Meniscus pterygoideus, durch den das Pterygoid am Proc. basi-
pterygoideus artikuliert, fehlen Angaben. Die Thatsache, daß sich hier bei Sphenodon
dieselbe Gelenkeinrichtung findet wie bei den Lacertiliern, kann als Hinweis darauf
gedeutet werden, daß Sphenodon von Formen stammt, die ein bewegliches Quadratum
hatten, und die Streptostylie erst kürzlich verloren hat. In dieser Hinsieht repräsen-
tieren die kionokranen Saurier den primitiveren, Sphenodon den sekundär abgeänderten
Zustand.
Mit der Anlage des Zun genbein böge ns steht die der Colu-
mella auris schon auf prochondralem Stadium in kontinuierlichem
Zusammenhang. Die Anlage der Columella ist von vornherein eine
einheitliche, die Trennung in einen Stapes und eine Extracolu-
mella erfolgt erst sekundär. Das innere Ende der Columellaanlage
ist in die Anlage der Ohrkapsel eingelassen, nach der Verknorpelung
besteht sogar vorübergehend ein knorpeliger Zusammenhang zwischen
beiden genannten Teilen, und erst sekundär wird, durch Umwandlung
einer ringförmigen Knorpelzone in Bindegewebe, die Fußplatte der
Columella (das Operculum) wieder frei. Das sog. Suprastapediale
(Huxley) entsteht nach How. u. Swinn. als Auswuchs von dem äußeren
Teil der Columellaanlage und legt sich an das Palatoquadratum an.
Die Verknorpelung erfolgt aber nach Schauinsland selbständig,
ebenso wie die der Knorpelspange, die das seit Huxley bekannte
Foramen der Extracolumella lateral begrenzt. Versluys sieht darauf-
hin in dem Suprastapediale den Proc. dorsalis der Lacertilier-
columella, der auch selbständig verknorpeclt. (In Fig. 387 ist das
Suprastapediale Huxley's dementsprechend als Proc. dorsalis bezeichnet;
die lateral von dem Foramen der Extracolumella gelegene Spange ist
ohne Bezeichnung geblieben.)
Welche Bedeutung der schon lange bekannten Verbindung des Hyalbogens mit
der Ohrcolumella von Sphenodon zukommt, ist vielfach Gegenstand der Kontroverse
gewesen. Die Ermittelung von Schauinsland, sowie von Howes und Swinnerton,
daß diese Verbindung schon von Anfang an vorhanden ist und sich nicht erst sekundär
herstellt, ist für die Beurteilung ein wichtiges Moment. Es gleicht dem bei Sauriern
beobachteten embryonalen Verhalten und spricht für die genetische Zusammengehörig-
keit beider, der Gesamtcolumella einerseits und des Zungenbeinbogens andererseits.
Eine andere Frage ist es, ob das Erhalten bleiben des Zusammenhanges beider Teile
auch beim erwachsenen Tiere als ein Zeichen der primitiven Stellung von Sphenodon
anzusehen ist. In dieser Hinsicht hat sehr viel Wahrscheinlichkeit die neuerdings
(lUOS) von Veksluys ausgesprochene Ansicht, daß jenes Stehenbleiben auf dem em-
bryonalen Zustand die Bedeutung einer Hemmungsbildung besitzt. Sphenodon
leitet sich nach Versluys von Formen ab, die einen wohlausgebildeten schall-
leitenden Apparat mit Trommelfell besaßen, diesen aber durch die Erwerbung einer
780 E. Gaupp,
grabenden und schwimmenden Lebensweise wieder rückbildeten. So unterbleibt
jetzt bei Sphenodon die Abgliederung des Zungen beinbogens von der Columella, wie
sie sich bei den Lacertiliern vollzieht und wahrscheinHch auch bei den direkten
Vorfahren von Sphenodon vollzog, und es tritt so sekundär wieder ein sehr alter
Zustand auf. Für die Stammform der jetzt lebenden Sauropsiden muß der Besitz
eines Trommelfelles und eine Anordnung der Columella und des Zungenbeinbogens
ähnlich der der Saurier angenommen werden. (Schon oben wurde das Vorhanden-
sein eines Meniscus pterygoideus und eines Gelenkes zwischen ihm und dem Proc.
basipterygoideus in dem Sinne gedeutet, daß Sphenodon die Strejitostylie, also ein
Merkmal, das sich die kionokranen Saurier bewahrt haben, sekundär verloren hat.
Ueber die Ausbildung der übrigen Teile des Hyobranchialskeletts
von Sphenodon liegen nur dürftige Angaben vor. Bei der prinzipiellen
Uebereinstimmung des ausgebildeten Zungenbeines von Sphenodon
mit dem der Saurier, z. B. Lacerta, ist aber wohl an der Gleichheit
der Deutung der Teile nicht zu zweifeln. Danach sind die 3 Fort-
sätze auf jeder Seite auch als Cornu hyale, C. branchiale I, C.
branchialell zu bezeichnen. Das Cornu hyale findet Schau-
insland auf Knorpelstadium (Kopflänge 4 — 5 mm) vom Körper ge-
trennt; bei jüngeren Tieren ist auch eine Trennung vorhanden zwischen
dem kurzen transversalen Anfangsstück und dem Hauptteil des ge-
nannten Hornes. Dadurch dokumentiert jenes transversale Anfangs-
stück eine gewisse Sonderstellung, die noch näher zu untersuchen
bleibt. Bei ganz alten Tieren verschwindet es nach Sch., und an seiner
Stelle bleibt nur ein sehnenartiger Strang übrig. Auch das Cornu
branchiale I ist auf Knorpelstadium vom Zungenbeinkörper abge-
gliedert, vv^ährend das C. branchiale II kontinuierlich knorpelig
mit dem letzteren zusammenhängt. Wie die Ausbildung des Körpers
selbst und des Processus entoglossus sich vollzieht, ist un-
bekannt.
II. Knochen.
Als E r s a t z k n 0 c h e n des neuralen Primordialcraniums treten
auf: Basioccipitale, Pleuroccipitalia, Supraoccipitale,
Opisthotica, Prootica, Basis phenoid. Das Skelett der Or-
bito-temporalregion mit Ausnahme des durch das Basisphenoid er-
setzten Bezirks der Basis, sowie das gesamte Ethmoidalskelett bleiben
knorpelig. Von den im Gebiet des Visceralskelettes auftretenden
Ossifikationen kommen als Komponenten des Oberschädels jederseits
noch hinzu: Quadratum und Columella (Antiptery goid), die
zum Kieferbogen, und der Stapes, der zum Hyalbogen gehört.
Die Verknöcherung des Basioccipitale beginnt paarig, jederseits von der
Chorda mit einer dorsalen und einer ventralen perichondralen Knochenlamelle auf
der Basalplatte. Sehr bald erfolgt die Verschmelzung (Schauinsland). — Das
Pleuroccipitale jeder Seite scheint nur aus der Verknöcherung des Seitenteiles
der Occipitalregion hervorzugehen ; es umschließt die Foramina hypoglossi und hilft
das For. jugulare begrenzen. Auch an der Bildung des Condylus occipitalis gewinnt
es Anteil. Das Supraoccipitale entsteht aus der Verknöcherung des Tectum
synoticum und der dorsalen Teile beider Ohrkapseln. Der Proc. ascendens tecti
synotici bleibt knorpelig. Die Ohrkapsel wird außerdem noch in zwei knöcherne
Territorien zerlegt, von denen auch das hintere, das O pis thoticum, längere Zeit
(noch bei jungen ausgeschlüpften Tieren) selbständig bleibt, ehe es mit dem Pleur-
occipitale verschmilzt. In dieser Hinsicht verhält sich Sphenodon ähnlicher den
Cheionia als den Lacertiliern. Das Prooticum ist das viel ausgedehntere der
beiden otikalen Territorien. Das Basiphenoid verknöchert nach Schauinsland
wie das Basioccipitale, also paarig und von je einer dorsalen und einer ventralen
Lamelle aus, jedoch bleiben hier die beiden Hälften länger getrennt und verschmelzen
erst spät. Die Verknöcherung setzt sich in die Basipterygoidfortsätze hinein fort.
Später erfolgt eine Verschmelzung des Basisphenoids mit dem Parasphenoid.
Die Entwickelung des Kopfskelettes. • 781
Qu ad rat lim und Antipterygoid besitzen ihre eigenen Knochenkerne,
bleiben aber auch nach völliger Verknöcherung durch eine Knorpelzone im Zu-
sammenhang. Das Quadratum verschmilzt mit dem Quadratojugale.
Als Deckknochen im Gebiet des Oberschädels treten auf:
Parietale, Frontale, Nasale, S quam osum, Praefrontale,
Septem axillare, Postfrontale, Postorbitale, Zygomati-
cum, Quadratojugale, alle paarig; Parasphenoid, unpaar ;
Praeni axillare, Maxiila re. Vom er, Palatinum, Ptery-
goid, Transversum, paarig. Von diesen bieten das Quadrato-
jugale, Pterygoid und Transversum noch topographische Beziehungen
zum Palatoquadratum ; auch das Squamosum besitzt dieselben beim
ausgebildeten Tier, doch bilden sie sich erst sekundär aus.
Die Knochen des Schädeldaches entstehen am si^ätesten. Parietale und
Frontale legen sich zuerst, wie bei Lacerta, lateral an, auf dem dorsalen Rande
des Chondrocraniums (SchauIiI^SLAND). Nasale, Praefrontale, Septomaxil-
lare, Praem axillare, M axillare legen sich an Teile des Nasenskelettes an;
em besonderes Lacrimale besteht nicht. Das Bquamosum entsteht, den Figuren
von Schauinsland sowie Howes und Swinnerton zufolge, als Deckknochen am
lateralen Umfange der ührkapsel, dehnt sich dann aber auf das Palatoquadratum
aus. Damit dürfte seine Natur sichergestellt sein. Nach Schaujnsland besteht
zwischen ihm und dem Quadratum anfangs ein Gelenk ; es zeigt sich also auch hier
zuerst ein Merkmal des streptostylen Typus, das sekundär verloren geht. Von den
3 Knochen, die die Orbita von hinten begrenzen, Postfrontale mediale,
Postf r. lat erale (Postorbitale), Z ygom aticum , besitzt, den Abbildungen zufolge,
nur das Postfrontale mediale topographische Beziehungen zum Chondrocranium (zur
Sphenolateralplatte, s. Fig. 387).
Am lateralen Umfange der Pars articularis des Quadratums entsteht als Deck-
knochen das Quadratojugale (Fig. .387). Sein dorsalwärts gerichteter Teil wird
von dem Quadratum durch eine Lücke getrennt. Beide Knochen verschmelzen
später miteinander. Die Bezeichnung Quadratojugale drückt die Homologie des
Knochens mit dem Quadratojugale der Schildkröten aus, das ich als Homologon des
Paraquadratums der Amphibien ansehe (1894). Auch Sphenodon zeigt, wie die
Fig. 387 lehrt, die topographische Beziehung des Knochens zum Palatoquadratum
deutlich. Die Verhältnisse in der Schläfengegend bei Sphenodon liegen somit ähn-
lich wie bei den Krokodilen, wo auch das Squamosum an der Bildung eines oberen,
das Quadratojugale an der Bildung eines unteren Jochbogens beteiligt ist. (Rhyncho-
cephalen und Krokodile sind dizygocrotaph, d. h. sie besitzen 2 Jochbogen, einen
oberen und einen unteren.) Andererseits ergiebt sich ein Gegensatz gegenüber
Sauriern und Cheloniern, wo das Quadratojugale an der Bildung des oberen Joch-
bogens beteiligt ist. — Das Parasphenoid entsteht verhältnismäßig spät, von zwei
Centren aus, die bald miteinander verschmelzen. Auf diese Weise unpaar geworden,
schließt der Knochen die Fenestra hypophyseos von der Ventralseite und verschmilzt
später mit dem Basispheuoid (Schauinsland). Der Vom er jeder Seite entsteht
als Deckknochen am ventralen Rande des Paraseptalknorpels. Das Pterygoid
bildet sich als Deckknochen des Proc. j^terygoideus jialatoquadrati, erreicht im Ver-
laufe der Entwickelung sehr bedeutende Dimensionen und verwächst mit dem
Quadratum. Hierin liegt nach Schaltinsland ein Grund für die spätere Unbeweg-
lichkeit des letzteren. Das Palatinum liegt, wenigstens mit seinem hinteren Ende,
noch unter dem vordersten Teil des Proc. pterygoideus Palatoquadrati. Auch dieser
Knochen erfährt eine sehr beträchtliche Entwickelung, namentlich in die Breite. Die
Zähne entstehen selbständig und verschmelzen sekundär mit dem Knochen. Ohne
Beziehung zu Knorpelteilen entsteht anfänglich das Tr an sv ersum, erst durch weiteres
Wachstum nach innen und kaudal erreicht es den Proc. pterygoideus Palatoquadrati.
Im Unterkiefer geht das Articulare als Ersatzknochen aus
dem proximalen Gelenkende des MECKEL'schen Knorpels hervor ; als
Deckknochen entstehen an dem letzteren: Dentale, Postoper-
culare, Angulare, Supr aangulare, C omplem en tare. Ein
Praeoperculare fehlt. Der Körper des Zungenbeins verknöchert
nach OsAWA, während Schauinsland ihn auch bei alten Tieren
knorpelig fand. Auch das Cornu branchiale I verknöchert; das
Cornu hyale verkalkt dagegen nur. Deckknochen treten am Hyo-
branchialskelett nicht auf.
782 • E. Gaupp,
Krokodile.
Ueber die Schädelentwickelung der Krokodile sind die ausführ-
lichsten Mitteilungen die von W. K. Parker (1883), die sich auf
Alligator mississipensis und Crocodilus palustris beziehen. Einige die
Orbito-temporalregion betreffende Angaben machte ich selbst (1902).
Im ganzen sind unsere Kenntnisse hierüber noch sehr lückenhaft und
das Nachfolgende ist nur ein Versuch, aus den Stadienschilderungen
Parker's wenigstens die Hauptpunkte zu einer zusammenhängenden
Darstellung zu vereinen.
I. P r i m 0 r d i a 1 c r a n i u m.
Wie bei Sauriern, so ist auch bei Krokodilen zu der Zeit, wo
die Skelettteile des neuralen Craniums sich anlegen, die Kopf-
beuge sehr stark ausgeprägt, und demzufolge bilden die Anlagen des
chordalen und des prächordalen Schädelabschnittes einen etwa rechten
Winkel miteinander. Später streckt sich die kraniale Achse.
In seiner Konfiguration zeigt das n e u r a 1 e P r i m o r d i a 1 c r a n i u m
der Krokodile große Aehnlichkeit mit dem der Saurier, doch ist es
etwas vollständiger, d. h. weniger fenestriert als das letztere. So wird
die aus den beiden Parachordalia zusammengesetzte Basalplatte von
keiner Lücke durchbrochen ; sie setzt sich kontinuierlich über die
vordere Chordaspitze hinweg rostralwärts in ein Dorsum sellae fort,
dessen freier Rand gegen die Mittelhirnbasis blickt. Die Chorda hört
hinter der Hypophyse mit einem ventralwärts abgebogenen und aus
der Basalplatte herausragenden Ende auf. Das Dorsum sellae liegt,
wie aus Parker's Figuren hervorgeht, im unteren Teil des Mittel-
hirnpolsters hinter der Hypophyse. Parker's Schilderung zufolge
entsteht es durchaus in Kontinuität mit der Basalplatte, erscheint also
als der vorderste Teil derselben. Die Selbständigkeit gegenüber der
letzteren, die es bei den Sauriern zeigt (als Crista sellaris), dürfte
somit wohl mit dem Vorhandensein der Fenestra basicranialis posterior
zusammenhängen. — Auch bei Crocodilus schließt die Basalplatte an-
fangs mit zwei neben dem Chordaeintritt kaudalwärts vorspringenden
Höckern ab; später wird der Condylus durch starke Entwickelung
der hypochordalen Knorpelmasse einheitlich. Im Gebiet der Occipital-
region beschreibt Parker jederseits nur ein For amen hypoglossi,
in eigener Serie finde ich zwei ; durch die Fissur a metotica treten
der Glossopharyngeus und Accessorio-vagus vereint aus. Die Pars otica
der Basalplatte wird vorn jederseits von einem C a n a 1 i s a b d u c e n ti s
durchsetzt (Gaupp 1902), seitlich davon liegt auf der Grenze gegen die
Ohrkapsel das Foramen faciale, vor der Ohrkapsel findet sich die
Incisura prootica, später zur Fenestra prootica (N. V) ge-
schlossen. An der Ohrkapsel fällt (Fig. 389) die starke Verlängerung
der Pars cochlearis auf, die mit ihrer Spitze bis nahe an die Chorda
herankommt. Die Auffassung, daß sie eine der Cochlea angepaßte
Partie der Basalplatte darstellt (p. 583, 761), wird hier besonders ein-
leuchtend. In der Hauptsache wiederholen sich von den Sauriern her
bekannte Verhältnisse : For. e n d o 1 y m p h a t i c u m und 2 Fora m i n a
acustica in der medialen Wand, For. p erily mphaticum basal,
Fen. vestibuli lateral-basal. Ein Tee tum synoticum bildet
sich spät und verbindet auch hier nur die beiden Ohrkapeln. — Im
prächordalen Schädelteil entstehen die beiden Trab ekel; sie kommen
vor der Hypophyse einander sehr nahe und werden durch die „Int er-
Die Entwickelung des Kopfskelettes,
783
trabecula" (Parker), d. i. das Interorbitalsep tum, vereinigt.
Als Verdickungen neben dem basalen Rande des letzteren sind sie
bis ,zu den Nasenkapseln zu verfolgen. Durch die Fenestra liypo-
Fig. 388.
Fig. 389.
Septinrirnas
Fen.
metopt.
Chorda
dorn
narina
Ted. nasi
Fen. olfact.
Plan, suprasept.
Taen. marg.
For. opt.
Fen. epiopt.
Feil. Hypoph.
•Dors. sellae.
Fen. prootica
Cajis. audit.
Ted. synot.
Solum nas.
Fe», basal,
{choan. ?)
Plan, suprasept
Fen. epiopt.
Fen, metopt.
Fen. prootica
For. jugul.
Septum iorb.
Taen. marg.
Fen.
Hyjwphys.
Pars cochl.
Caps. aud.
Chorda dors.
For. occip. magii
For. hypoglossi
Cond. occ.
Fig. 388. Neurales Primordialcranium eines 3V2 Zoll langen Embryo von
Crocodilus palustris. Von oben. Nach W. K. Parker.
Fig. 389. Dasselbe Objekt wie Fig. 388; von unten. Nach W. K. Parker.
Von den beiden Foramina hypoglossi hat Parker nur das hintere als solches bezeichnet.
physeos treten auch die inneren Carotiden in den Schädelraum. Durch
das Auftreten eines Interorbitalseptums ist die Zerlegung der Orbito-
temporalregion in 2 Abschnitte, einen hinteren und einen vorderen, ge-
geben. Die Seitenwand des hinteren breiteren hängt wie bei Lacerta
frühzeitig mit der Crista sellaris zusammen, ist dagegen mit der Ohr-
kapsel wie mit dem Planum supraseptale anfangs nicht verbunden.
Nachdem diese Verbindung erfolgt ist, zeigt sich die Seitenwand etwas
vollständiger als die bei Lacerta, die Fenster sind kleiner. Die ein-
heitliche Fenestra prootica leitet den gesamten Trigeminus
heraus, die Fenestra optica den Opticus, über dieser liegt eine
große Fenestra epioptica; Oculomotorius und T r 0 c h 1 e a r i s
läßt Parker durch eine gemeinsame Oeffnung austreten, während ich
selbst für sie bei Crocodilus biporcatus (12 mm Kopflänge) gesonderte
Foramina finde. Ein Processus basipterygoideus kommt
nicht zur Ausbildung (eine Andeutung scheint vorhanden zu sein);
sein Fehlen erklärt sich als Rückbildungserscheinung durch den Ver-
lust der Streptostylie und Ausbildung der Monimostylie bei den Kroko-
dilen. Das Septum interorbitale, das sich mit seinem ventralen
Rande zwischen die vorderen Hälften beider Trabekel einkeilt (daher
Intertrabecula, Parker), kommt zu bedeutender Entwickelung;
an seinen oberen Rand schließt sich jederseits ein Planum supra-
784 E. Gaupp,
septale an, hinten durch eine Taenia marginalis mit der Schädel-
seitenvvand der hinteren Orbito-temporah-egion in Verbindung, vorn
in das Dach der Nasenkapsel übergehend (Fig. 388). Als erster Skelett-
teil der Ethm oi dal gegen d tritt in der Medianebene das Septum
nasi auf. die direkte Fortsetzung des Septum interorbitale, und vorn
in eine Cartilago praenasalis auslaufend. Die Verknorpelung
der Decke, der Seitenwand und des Bodens der Nasenkapsel erfolgt
später in der Richtung von hinten nach vorn. Die durch die Ver-
knorpelung geschaffene Kapsel ist vollständiger als die von Lacerta,
und macht einen längeren und schmäleren Eindruck. DieFenestra
olfactoria liegt am hinteren Teile des Daches in horizontaler Ebene,
der übrige Teil des Daches ist, Parker's Darstellung zufolge, un-
durchbrochen (Fig. 388). Auch die Seitenwand erscheint äußerlich
kontinuierlich und nur vorn von der Fenestra narina durchbohrt.
Endlich ist sogar ein knorpeliger Boden in großer Ausdehnung vor-
handen. Eine im hinteren Teil desselben befindliche Lücke hat wohl
die Bedeutung einer Fenestra choanalis; doch geht das aus
Parker's Schilderung nicht hervor (Fig. 389). Das Planum ant-
orbitale wird vom Septum durch eine Spalte getrennt; ein Proc.
maxillaris posterior fehlt. Im Innern bietet die Seitenwand Kompli-
kationen (,,obere" und „untere Muschel"), die sich mangels embryo-
logischer Daten einstweilen dem Verständnis entziehen.
Das primordiale Visceralskelett der Krokodile setzt sich
nach Parker zusammen aus dem Kiefer-, Zungenbein- und
erstem B r auch ialbo gen, wozu noch die Columella auris
und der Körper des Zungenbeines kommen.
Am Pal atoquadratum , das frei dem lateralen Umfang der
vorderen Ohrkapselhälfte anliegt, sind Fortsatzbildungen beachtens-
wert: der nach hinten gerichtete Proc. oticus und ein nach vorn
gehender, die Pars palatina repräsentierender, aber kurzer Proc.
ptery goideus, von dem sich noch ein sehr kurzer Proc. ascen-
dens erhebt (Fig. 390).
Die beiden Meckel' sehen Knorpel werden vorn durch einen
selbständigen Knorpel (Basimandibulare, Parker) verbunden.
Zum Ptery goidfortsatz des Palatoqiiadratums rechnet Parker noch ein selb-
ständiges Knorpelstück, das dem Os pterygoideum außen anliegt, und an dem ein
kleiner Knorpel des Unterkiefers schleift. Letzterer (coronoid cartilage) liegt dem
Os coraplementare innen an ; ob er vom MECKEL'schen Knorpel abstammt, ist nicht
ermittelt. Vielleicht handelt es sich nur um eine Verdickung in einer Sehne.
Die größte Beachtung verdient der Zungenbeinbogen mit
der Columella auris. Parker schildert auch diese erst nach
bereits eingetretener Verknorpelung. Ueber die ersten Anlagen ist
nichts bekannt. Es fehlt somit auch der bindende Nachweis, daß der
als Repräsentant des Hyalbogens aufgefaßte Knorpelstrang, mit dem
die Columella in Kontinuität steht, wirklich dem genannten Bogen
angehört. Erschwert wird diese Beurteilung dadurch, daß jener
Knorpelstrang (Fig. 390) mit seinem ventralen Ende sich frühzeitig
mit dem Proc. retroarticularis des MECKEL'schen Knorpels verbindet,
somit keine Fortsetzung bis zum Zungenbeinkörper besitzt (wenigstens
auf den bisher untersuchten Stadien). Doch bietet, wie Versluys
auseinandersetzt (1903), der von Parker geschilderte Zustand der
Columella nach der Verknorpelung so viel Anknüpfungspunkte an die
Verhältnisse bei den Sauriern, daß daraus mit einiger Wahrscheinlich-
keit Schlüsse gezogen werden können. Die Deutung von Versluys
Die Entwickelung des Kopfskelettes.
785
ist
folgende.
Die Columella nach der Verknorpelung besteht
aus
zwei Stücken, die dem Otostapes und Hyostapes der Saurier ent-
sprechen. Vom lateralen Ende des Otostapes geht ein Proc. dor-
salis ab (Suprastapediale, Parker), der wahrscheinUch einen eigenen
Knorpelkern (Intercalare) besitzt. Vom Hyostapes geht ventral-
wärts ein Fortsatz ab (Infrastapediale, Parker), der nicht dem Proc.
internus der Sauriercolumella, sondern dem Proc. interhyalis
Verdickung des
Proc. dorsalis
Otostapes'
„Epihyale"
„Keratohyale"
(Parker)
Palatoquadratum
Hyostapes
Proc. dorsalis
Proc. interhyalis
Proc. ascendens
Pal.-Quadr.
Proc. pterygoideus
Cartil. Meckel.
Fig. 390. Palatoquadratum und Columella auris eines Embryo von Crocodilus
palustris. Nach W. K. Paeker. (Bezeichnungen entsprechen der Auffassung von
Versluys.)
derselben entspricht, d. h. dem Fortsatz, der aus dem Verbindungs-
blastem zwischen der Columella und dem übrigen Zungeubeinbogen
hervorging. Bei Krokodilembryonen schließt sich an das Ende dieses
Proc. interhyalis ein kleines selbständiges Knorpelstückchen, Epihyale
(Parker), an, und auf dieses folgt Parker's Keratohyale, ein
längerer Knorpelstrang, der mit seinem ventralen Ende in den Proc.
retroarticularis des MECKEL'schen Knorpels dicht hinter dem Gelenk
übergeht. Bei reifen Embryonen giebt das Epihyale seine Verbindung
mit dem Proc. interhyalis auf und verbindet sich mit dem Intercalare
(Proc. dorsalis) durch Bindegewebe (Versluys).
lieber die erste Anlage des Zungenbeinkörpers und des
einzigen an ihm jederseits befestigten Hörn es fehlen Angaben. Das
Hörn wird von Parker im Sinne eines Cornu branchiale I aufgefaßt;
ein Cornu hyale käme danach nicht zur Ausbildung. Dies ist wahr-
scheinlich richtig, doch verlangen all diese Dinge erneute Untersuchung.
IL Knochen.
Krokodilen treten im wesentlichen dieselben
wie bei den Sauriern, doch erfahren sie eine
Schädel-
kräf tigere
Bei den
knochen auf
Ausbildung, und der Zusammenschluß der einzelnen Stücke wird em
viel festerer. Vor allem wird das im Knorpelzustand freie Quadratum
nach seiner Verknöcherung unbeweglich mit den benachbarten Knochen
verbunden (monimostyler Typus). Eine Folge davon ist, daß die
Palatina und Pterygoidea ebenfalls sich fest mit den Knochen der
Handbuch der Entwickelungslehre. III. 2.
50
786 E. Gaupp,
Schädelbasis vereinen. Sie erfahren eine besondere Verwendung: zur
Umschließung des Nasenrachenganges und Bildung eines knöchernen
sekundären Gaumens.
Wie schon bei den ürodelen berührt wurde, hat die Monimostylie der Kroko-
dile und Schildkröten einen anderen Charakter als die der Holocephalen, Dipiioer
und Amphibien : bei den letzteren verschmilzt das knorpelige Palatoquadratum mit
dem neuralen Primordialcranium, bei den monimostyleu Reptilien verliert dagegen
das Quadratum seine Freiheit durch den Verknöcherungsprozeß. Die beiderlei, im
Effekt ähnlichen, Einrichtungen sind also morphologisch nicht vergleichbar.
Als Ersatzknochen des neuralen Craniums entstehen (nach
Parker): Basioccipitale, Pleuroccipitalia, Supraoccipitale, Opistbotica,
Epiotica ('?), Prootica, Basisphenoid, Alisphenoidalia; Stannius erwähnt
außerdem noch kleine paarige Ossifikationen in der Gegend der Fora-
mina optica („Alae orbitales"). Deckknochen an diesem Neurocra-
nium sind: Parietale, Frontale (beide paarig entstehend), Nasalia, Squa-
mosa, Postfrontalia, Praefrontalia, Lacrinialia, Praemaxillaria, Maxillaria,
Zygomatica, Basitemporalia, Rostrum parasphenoidei, Vomeres. Das
Palatoquadratum verknöchert als Os quadratum. Von den zu
ihm gehörigen Deckknochen liegt ihm das Quadratojugale (Paraqua-
dratum) vorn an, das Pterygoid bietet Beziehungen zu dem Proc.
pterygoideus, das Palatinum und Transversum lassen keine Beziehungen
zu Teilen des Palatoquadratums mehr erkennen. Das Gelenkstück des
Meckel' sehen Knorpels ossifiziert als Articulare ; nach Baur (1895)
verschmilzt mit diesem, wie bei Sauriern, ein besonderer kleiner, me-
dial gelegener Deckknochen. Er wurde oben (p. 775) als Postopercu-
lare bezeichnet. Die übrigen Deckknochen des Unterkiefers sind: Den-
tale, Praeoperculare (Operculare, Cuvier), Angulare, Supraangulare,
Complementare (der CuviER'schen Nomenklatur). Im Bereich des
Hyobranchialskelettes endlich repräsentieren der Stapes und
das Hörn des Zungenbeines perichondral ossifizierende Elemente ;
Deckknochen kommen hier nicht zur Anlage.
Einige Besonderheiten verdienen Erwähnung. Daß die Ohrkapsel in drei
knöcherne Territorien, Opisthoticum, Epioticum, Prooticum, zerlegt wird, geben
MiALL sowohl wie Parker an. Das Opisthoticum verschmilzt bald mit dem
Pleuroccipitale, das Epioticum (dessen Selbständigkeit doch noch der Be-
stätigung bedarf) mit dem Supraoccipitale. Das Basioccipitale wie das
Basisphenoid umschließen bei ihrer Bildung gewisse Abschnitte des tubo-tym-
panalen Raumsystems; das unpaare Basisphenoidale verschmilzt ferner mit den
beiden Basitemporalia, die als selbständige Deckknochen an der Ventralfläche
der Pars cochlearis der Ohrkapsel (d. h. also eigentlich an einem Teil der Basalplatte)
auftreten (Parker). Sie sind als die selbständig gewordenen Seitenteile des Para-
sphenoids aufzufassen. Als selbständigen Deckknochen finde ich ein Rostrum
parasphenoidei; später verschmilzt es auch mit dem Basisphenoid. Das sog.
Alisphenoid geht aus der Ossifikation der Schädelseiten wand vor der Ohrkapsel
hervor. Parietale und Frontale werden wie bei Lacerta paarig angelegt auf
den oberen Rändern der Seiten wände des Chondrocraniums; später tritt Verschmel-
zung der beiden Hälften ein. Das außen an der Ohrkapsel entstehende Squamo-
sum vereinigt sich durch einen nach vorn auswachsenden Fortsatz mit dem Post-
frontale zur Bildung des oberen Jochbogen s. Mit den Lacertiha teilen die Kro-
kodile den Besitz eines besonderen, vom Thränen nasengang durchbohrten, L a c r i m a 1 e.
Als Deckknochen der Nasenkapsel verhalten sich Nasale, Praefrontale, Prae-
maxillare, Maxillare, Vomer. Eine Verschmelzung der beiderseitigen Prae-
maxillaria erfolgt nicht. Der Vomer, der jederseits am ventralen Rande des Nasen-
septums entsteht, blickt anfangs gegen die Schleimhaut der Mundhöhle ; durch medianen
Zusammenschluß der Gaumenplatten der Ossa palatina wird er ganz in der Tiefe
verborgen. Er hilft mit den Gaumen fortsätzen des Maxillare, Palatinum, Pterygoids
den Nasenrachengang begrenzen. Die Pterygoide umschließen die Choanen. Bei der
Bildung des Gaumens gehen die Weichteile voraus, die Eutwickelung der Knochen-
platten in ihnen folgt nach (Voeltzkow; s. d. Handb., Bd. 11, 2, p. 46). Die Vomeres
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 787
trennen eine Strecke weit die Nasenrachengänge voneinander ; zwischen den hintersten
Abschnitten der letzteren biklet sich eine Scheidewand, indem sich die inneren Känder
der Pterygoide (von oben her) und die der Palatina (von unten her) umkrempeln
und einander eutgegenwachsen. — Das Quadratum, das Teile des tubotym-
panalen Raumes umschließt, tritt in feste Verbindung mit dem Prooticum, Pleur-
occipitale, Basisphenoid, Alisphenoid, Squamosum, Quadratojugale, Pterygoid ; das
Quadratoj ugale formiert mit dem Zygomaticum den unteren Jochbogen,
(Die Krokodile sind also wie die Rhynchocephalen dizygocrotaph.) Der Stapes ver-
knöchert nach Parker von zwei Centren aus, von denen das eine im Stiel, das
andere in der Fußplatte auftritt.
Schildkröten.
lieber die Entwickelung des Schildkrötenschädels liegen kurze
auf Chelone viridis bezügliche Stadienschilderungen von W. K. Parker
(1880) vor, aus denen ein geschlossenes Bild nicht zu erhalten ist.
Dazu kommen ältere Angaben, die Rathke (1848) über das Verhalten
der Schädelknochen bei reifen Schildkrötenembryonen macht. Der
Zustand der Knochen entsprach hier jedoch schon fast völlig dem
ausgebildeten. Im Nachfolgenden sind einige Hauptpunkte zusammen-
gestellt; ich ergänze sie durch eigene Beobachtungen.
I. P r i m 0 r d i a 1 c r a n i u m.
Das neurale Primordialcranium stimmt in den meisten
wesentlichen Punkten mit dem der Lacertilier überein. Die Mittel-
hirnbeuge ist bei seiner Anlage sehr stark ausgesprochen, so daß
chordaler und prächordaler Abschnitt, die unabhängig voneinander
auftreten, anfangs in fast rechtem Winkel zu einander stehen, und ein
hohes knorpeliges Dorsum sellae im unteren Teil des Mittelhirn-
polsters als vorderster Abschnitt der Basalplatte entsteht. Es liegt
vor der Spitze der Chorda dorsalis, die ihrerseits in der Gegend der
Hypopl\ysis cerebri aufhört. Der Hauptteil der Basalplatte wird durch
die beiden Parachordalia gebildet; eine Eenestra basicranialis posterior
ist im otischen Gebiet auf jungen Stadien vorhanden. Der Con-
dylus occipitalis entsteht wie bei Lacertiliern hauptsächlich aus dem
hypochordalen Kommissurenknorpel, doch erfolgt auch eine epichor-
dale Vereinigung beider Parachordalia, und der Proc. odontoideus
epistrophei, der sich um das in die Schädelbasis eintretende Chorda-
stück bildet, wird somit allseitig vom Knorpel der Basalplatte um-
geben, er bewegt sich in einer Grube, die von hinten her in den
Condylus eindringt. Noch am ausgebildeten Schädel ist diese Grube
vorhanden (Gaupp 1900). Hypoglossusforamina finde ich bei
einem Embryo von Chelone viridis von 22 mm Kopflänge jederseits
zwei: durch das vordere treten 2 ventrale Wurzeln aus, so daß deren
im ganzen jederseits drei vorhanden sind. Vorn findet sich in der
Basalplatte wie bei Lacertiliern das Foraraen Abducentis. Der
Vagus verläßt die Schädelhöhle durch das For. jugulare (met-
oticum), während der Glossopharyngeus, wie für das erwachsene Tier
bekannt ist und wie ich auch an dem oben erwähnten Embryo finde,
durch die Ohrkapsel hindurchtritt. Der Facialis besitzt vorn, wie bei
allen Sauropsiden, seine eigene Oeffnung, der Trigeminus dringt mit
allen 3 Aesten durch ein gemeinsames For. prooticum aus. Die
aufsteigenden Teile der Occipitalregion legen sich mit ihren oberen
Enden an die Ohrkapseln an ; eine kontinuierliche Verschmelzung
bestand bei dem oben erwähnten Embryo aber nicht, und das Tectum
synoticum verbindet nur die beiden Ohrkapseln,
50*
788 E. Gaupp,
An jeder der beiden letzteren sind 2 Foramina acustica,
ein For. endoly mphaticum, ein vor diesem befindliches Gefäß-
loch und eine Fenestra vestibuli vorhanden , dagegen fehlt ein
For. perilymphaticum. Eine in die Basalplatte vordringende Pars coch-
learis des ührkapselraumes finde ich beim Chelone-Embryo nicht.
Bei mauchen Schildkröten treten alle 3 Hyiioglossuswurzeln durch gesonderte
Foramina aus (Trionychidae zum Teil, Siebenrock). Die von Baitr (1895) bei
Platypeltis beobachtete und als Proatlas bezeichnete Abnormität der Hinterhaupts-
gegend ist wohl dahin zu deuten, daß hier der hinterste der dem Schädel assimi-
lierten Wirbel abnormerweise eine gewisse selbständige Entwickelung eingeschlagen
hat. — Das Verhalten des Glossopharyngeus läßt sich ableiten von dem Zu-
stand bei Lacerta durch beträchtliche Einengung des Recessus scalae tympani. Die
innere Oeffnung des Nervenloches bei Chelone entspricht der Apertura medialis, die
äußere der Apertura lateralis des Recessus bei Lacerta. Wie sich die späteren Ver-
hältnisse des Cavum perilymphaticum entwickeln, ist unbekannt. Jedenfalls ist bei
jener Auffassung selbstverständlich, daß ein besonderes For. perilymphaticum fehlen
muß; dasselbe liegt eben im Bereich des For. Glossopharyngei.
Die Orbito-temporalregion zeigt auch im wesentlichen mit
Lacerta übereinstimmende Verhältnisse. Die Seitenwand im hinteren
Abschnitt ist, wenigstens embryonal, vollständiger als bei Lacerta ;
Oculomotorius und Trochlearis besitzen ihre eigenen Foramina in ihr.
Beim Chelone-Embryo von 7 mm Kopflänge besitzen die inneren
Carotiden besondere Foramina carotica hinter der Fenestra hypo-
physeos, auch ein besonderes For. ophthalmicum (für die A.
ophthalmica) ist jederseits vorhanden.
Im vorderen Teil der Orbito-temporalregion bilden sich ein hohes
Septum inte r orbitale und über diesem Plana supraseptalia
durch Verknorpelung der Seitenwände des vorderen Schädelhöhlen-
abschnittes aus. Die meisten Besonderheiten zeigt das Skelett der
E t h m 0 i d a 1 r e g i 0 n , und bei dem bisherigen Mangel entwickelungs-
geschichtlicher Daten sind dieselben im Augenblick auch noch nicht
deutbar. Zwischen den Nasensäcken entsteht in der Verlängerung
des Septum interorbitale das Septum nasi, vorn (bei Chelone, nach
Parker) als kurzer Pränasalknorpel über die Nasenkapseln hinaus
vorspringend. Die Verknorpelung der Decke, der Seitenwände und
des Bodens schaffen eine vollständiger geschlossene Kapsel als bei
den Lacertiliern ; abweichend ist vor allem die Bildung eines aus-
gedehnten, mit dem unteren Septumrand in Verbindung tretenden
Bodens. Die Kapsel erhält sich in den ausgewachsenen Zustand des
Tieres hinein und ist bei diesem in ihrer Konfiguration durch Seydel
für Emys und Testudo beschrieben worden.
Die Fenestra narina blickt ausgesprochener nach vorn als bei den Sauriern ;
der Nasenkapselboden, der ihren ventralen Umfang bildet, erstreckt sich sehr weit
nach hinten, in kontinuierlicher Verbindung mit dem imteren Septumrande. Daher
ist die Cartilago jjaraseptalis nur sehr kurz , und die Fenestra basalis besitzt an
dem Kapselboden eine nur geringe Ausdehnung. Dagegen schneidet sie von unten
her eine Strecke weit in das sehr hohe Planum antorbitale ein. In dem Boden
findet sich dicht neben dem Septum ein Foramen (F. praepalatinum, Seydel), die
einfache Mündung eines Kanales, der durch 2 Oeffnungen ins Innere der Nasen-
kapsel führt. Die hier bestehenden besonderen Einrichtungen können an dieser
Stelle nicht weiter besprochen werden, sie sind in ihrer Bedeutung noch nicht ganz
verständlich. Bei Emys und Chrysemis ist wie die Cartilago paraseptalis so auch
das Planum antorbitale und damit der ganze hinterste Teil der Nasenkapsel vom
Septum durch eine Spalte getrennt (wie bei Lacerta), bei Testudo sind die genannten
Gebilde kontinuierlich mit dem Septum verbunden. Die Fenestra olfactoria, die
Fissura orbito-nasalis und die Cartilago spheno-ethmoidalis verhalten sich ähnlich
wie bei Lacerta. Bei Testudo findet sich eine leichte „Muscheleinbiegung" der
lateralen Wand der Knorpelkapsel, da, wo dieser außen die Glandula nasalis externa
anliegt, also ähnlich wie Dei Urodelen.
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 789
Das Palatoquadratiim sendet, wie Parker's Figuren zeigen,
im Knorpelzustand (iu dem es mit der Olirkapsel niclit verbunden ist)
von seinem Körperabschnitt nacli vorn bin einen Fortsatz aus, der
das Verhalten eines Proc. pterygoideus zeigt. Parker bezeichnet
seinen Anfangsteil als „pedicle'' (das ist die englische Bezeichnung
für den Basalfortsatz des Amphibienquadratums); mit welchem Rechte,
bleibt unerörtert. Ein Basalfortsatz des Palatoquadratums kommt
bei Schildkröten nicht zur Entwickelung. Die beiden Meckel' sehen
Knorpel werden vorn durch ein ziemlich selbständiges Knorpelstück
verbunden.
Der vordere Teil des Pterygoidfortsatzes gliedert sich später los und ossifiziert
als Epipterygoid. Parker beschreibt noch einen unter der Nasen kapsei gelegenen
drehrunden Knorpel als ethmopalatine cartilage und homologisiert ihn dem vordersten
Ende des Palatoquadratums der Teleostier, das in die Verknöcherung des Palatinums
einbezogen wird, — auch für diese Homologisierung bleibt Parker den Beweis
schuldig. Von einem selbständigen knorpeligen Anulus tympanicus, der nach Parker
bei Chelone wie bei Batrachiern vorhanden sein soll, finde ich in den zwei mir zur
Verfügung stehenden Serien von Chelone nichts.
Besonders empfindlich ist der Mangel iu der Kenntnis früher
Entwickelungsstadien für das Hy obranchialsk elett. Parker
schildert dasselbe erst auf einem Stadium, wo der Zungenbeinapparat
wie die Columella auris verknorpelt und völlig voneinander getrennt
sind. Die genetische Zugehörigkeit der Columella zum Hyalbogen
kann daher nur aus dem Verhalten bei anderen Reptilien (Saurier,
Sphenodon) gefolgert werden. Die Columella der Schildkröten bleibt
auch beim erwachsenen Tier einheitlich.
Das Zungenbein nach seiner Verknorpelung zeigt im wesent-
lichen schon die Verhältnisse des erwachsenen Tieres. Der durch eine
Knorpelplatte repräsentierte Körper läuft vorn iu einen medianen
Processus lingualis aus und bietet außerdem jederseits 3 Fortsatz-
bildungen. An der vorderen lateralen Ecke (Proc. lateral, anter.) sitzt,
abgegliedert, ein kurzer Knorpel an, der wohl zweifellos das C o r n u
p r i n c i p a 1 e s. h y a 1 e repräsentiert ; hinter ihm folgt an der Mitte
des Seitenrandes, meist an einem besonderen Proc. lat. intermedius,
das lange Cornu branchiale I, und die hintere laterale Ecke des
Körpers setzt sich in ein kürzeres Cornu branchiale II fort.
Letzteres wird später auch abgegliedert und sitzt dann einem Proc. lat.
posterior des Körpers an.
Die gegebene, in den Bezeichnungen ausgedrückte, Deutung der Teile ist die
von Gegenbaur befürwortete und nach dem Vergleich mit dem Zungenbein der
Lacertilier die einzig mögliche. Parker's paradoxe Vorstellung, daß das Cornu
hyale ein Hypohyale, das Cornu branchiale I aber ein davon abgegliedertes und
selbständig am Zungenbeinkörper artikulierendes Ceratohyale sei, findet durch nichts
Begründung. Welche Bedeutung dem bei Schildkröten als selbständiges Kuorpel-
stück vorhandenen sog. Entoglossum zukommt, entzieht sich bisher der Beur-
teilung; Parker erwähnt es bei Chelone nicht. Siebexrock (1900) beschreibt bei
manchen Formen noch ein knorpeliges Epibranch iale am Cornu branchiale I
und II; zu welcher Zeit sich dies abgliedert, ist unbekannt.
IL Knochen.
Angaben über die Entwickelung der Schädelknochen der Schild-
kröten finden sich spärlich bei Rathke und Parker ; über das Ver-
halten der ausgebildeten Elemente macht Siebenrock (1897) die ein-
gehendsten und auf zahlreiche Formen bezüglichen Mitteilungea.
Zahl und Topographie der Ersatzknochen des neuralen
Craniums entsprechen in den wesentlichsten Punkten den Verhält-
790 E. Gaupp,
iiissen bei den Sauriern. Von knöcliernen Territorien occupiert werden
die Occipital- und Labyrintliregion, sowie die basalen Teile der Orbito-
temporalregion in der Umgebung der Fossa hypophyseos. Demnach
bleiben der größte Teil des Skelettes der Orbito-temporalregion (Seiten-
teile und Septum interorbitale) , sowie die ganze Ethmoidalregion
knorpelig; über die Ausdehnung, in der diese Teile in den erwachsenen
Zustand übernommen werden, fehlen Angaben. An dem mir zur Ver-
fügung stehenden Cheloneembryo ist sehr in die Augen fallend die starke
chondrifugale Entwickelung der perichondral entstandenen Knochen-
lamellen, noch bevor der Knorpel des Chondrocraniums Alterationen
zeigt. Die Ersatzknochen sind: Basioccipitale, Pleuroccipi-
talia, Supraoccipitale, Opisthotica, Prootica, Basis ph e-
noid. Das Opisthoticum bleibt selbständig, verschmilzt nicht mit
dem Pleuroccipitale. D e c k k n o c h e n im Gebiet des neuralen
Craniums sind jederseits: Parietale (die beiderseitigen bleiben
getrennt), Frontale, S q u a m o s u m , P o s t f r o n t a 1 e , P r a e f r o n -
tale, Nasale (den meisten Schildkröten fehlend, und nur bei den Chely-
didae, mit Ausnahme von Chelys selbst, vorhanden), Praemaxill are
(meist paarig, bei Trionychidae und Chelys unpaar), Maxillare,
Zygomaticum, Vom er (unpaar). Ein Parasphenoid wurde
bisher nicht beschrieben ; Verdacht erregend bezüglich der Existenz
von Seitenteilen eines solchen ist die Angabe von Siebenrock,
daß bei Chelys und Chelodina der N. Vidianus wie bei den Eidechsen
„durch das Basisphenoid'' hindurchzieht, das Vorhandensein eines Ro-
strum p. kann ich für Chelone und Testudo vertreten.
Das Palatoquadratum wird von 2 knöchernen Territorien
occupiert: aus der Ossification des Körperabschnittes geht das Os
quadratum hervor, das sich mit den benachbarten Knochen fest
verbindet (monimostyler Typus) während der vordere Teil des Proc.
pterygoideus sich abgliedert und, ossifizierend, zu dem Epipterygoid
wird (Parker). Am vorderen Rande des Palatoquadratumkörpers
entsteht als Deckknochen das Quadratoj u gale (wohl dem Para-
quadratum der Amphibien entsprechend). Von den Knochen des
Pterygopalatinbogens läßt das Pterygoid noch die Natur eines
Deckknochens am Proc. pterygoideus Palatoquadrati erkennen, das
Palatinum scheint keine Beziehungen zu Knorpelteilen zu haben.
Aus dem Gelenkstück des MECKEL'schen Knorpels geht das Arti-
culare hervor; Deckknochen am MECKEL'schen Knorpel sind:
Dentale, P r a e o p e r c u 1 a r e (nur bei Chelydidae vorhanden), P o s t -
oi)erculare, Angulare, Supraangulare, Complementare
(über die Nomenklatur s. Saurier).
Das Parietale entwickelt einen meist breiten absteigenden Fortsatz, der außen
von der primordialen Schädelseitenwand und in einigem Abstand von ihr gewissermaßen
eine zweite Beitenwand bildet. Es stößt unten auf das Epipterygoid. Zwischen ihm und
der primordialen Seiten wand bleibt ein Raum, in dem das Trigetninusganglion liegt und
in den auch der Abducens hineintritt. Der Raum gehört also nicht dem eigent-
lichen, vom neuralen Chondrocranium umschlossenen Schädelcavum an, erscheint
aber am trocknen Sammlungsschädel als zum Schädelraum gehörig. — Die Homo-
logie des Epipterygoids der Chelonier mit der Columella (dem Antiptery-
goid) der kionokranen Saurier ist sehr möglich, aber nicht bewiesen. Das Epipterygoid
ist der ossifizierte Proc. pterygoideus, die Columella der ossifizierte Proc. ascendens
des Palatoquadratums. Trotz dieser Ungleichheit der primordialen Grundlage wäre
es denkbar, daß es sich um die gleiche Ossifikation handelt, die nur in beiden
Fällen verschiedenes Verbreitungsgebiet besitzt, vielleicht ausgehend von einem bisher
unbekannten gemeinsamen Urzustand, oder aber durch allmähliche Reduktion des
Proc. ascendens erklärbar. Letzteres ist mir neuerdings wahrscheinlich. — Die Deck-
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 791
knochen der Schläfengegend können verschiedene Anordnungen zeigen: ein ge-
schlossenes Schläfendaeh bildend (stegocrotapher Typus), einen Jochbogen bildend (zy-
gocrotapher Typus), oder die tSchläfengrube ganz frei lassend (gymnocrotapher Typ,).
lieber die im Z u n g e n b e i n a p p a r a t auftretenden Ossifikationen
verdanken wir Siebenrock (1899) ausführliche Angaben. Danach
ossifiziert der Körper des Zungenbeins bei fast allen Schildkröten mit
zunehmendem Alter ganz oder zum größten Teil, bei Testudo bleibt
er zeitlebens knorpelig. Die Ossifikation erfolgt meist von 4 Knochen-
centren aus, die an den Wurzeln der Proc. lat. posteriores und Proc. lat.
intermedii auftreten. Bei Trionychidae kommen 6, ja sogar 8 Knochen-
territorien zur Beobachtung. Verschmelzung der verschiedenen Stücke
zu einer einheitlichen Knochenplatte erfolgt bei den cryptodiren Schild-
kröten, wahrscheinlich schließlich auch bei den Trionychidae. Der Proc.
lingualis bleibt knorpelig. Verknöcherung des Cornu hyale wurde bisher
nur bei Emys orbicularis beobachtet. Dagegen verknöchert ganz regel-
mäßig das Cornu branchiale I bis auf eine knorpelige Epiphyse. Die
Ossifikation geht der des Körpers voraus. Auch das Cornu branchiale II
ossifiziert meist und bleibt vielleicht nur bei Testudo zeitlebens
knorpelig. Ganz eigentümlich sind die Ossifikationsvorgänge an diesem
Hörn bei den Trionychidae, indem hier Knochenkerne in wechselnder
Zahl auftreten, die nach den verschiedenen Gattungen, ja sogar nach
einzelnen Arten variieren kann. Im Entoglossum treten nur bei
einigen Chelydidae 2 paarige Knochencentren auf.
Schlangen.
Ueber die Entwickelung des Schlangenschädels liegen die Dar-
stellungen von Rathke (1839) und von Parker (1878) vor, beide
auf Tropidonotus natrix bezüglich. Infolge der Unvollkommenheit der
Untersuchungsmethoden, deren sich beide Forscher bedienten, bleiben
noch sehr viele Punkte unbekannt. Auf einige Besonderheiten habe
ich selbst aufmerksam gemacht (1902). Für die Entwickelung des
Nasenskelettes ist auch hier eine der Arbeiten von Born (1883) maß-
gebend.
Von der Schädelentwickelung bei den Lacertiliern weicht die von
Tropidonotus in mehreren Punkten ab. In der Orbito-temporalregion
kommt Knorpel fast gar nicht zur Ausbildung, und statt dessen über-
nehmen das Parietale und das Frontale auch die laterale Umschließung
des Cavum cranii. Auch in der Ethmoidalregion läßt sich ein Zurück-
treten des Knorpels und ein Hervortreten der Deckknochen konstatieren.
In welchen Etappen sich phylogenetisch die Reduktion des Chondro-
craniums und die stärkere Ausbildung der Deckknochen vollzog, ist
bisher nicht bekannt. Seiner Gesamtkonfiguration nach ist der Schädel
von Tropidonotus durch beträchtlichere Breite ausgezeichnet. Dies
äußert sich schon darin, daß die beiden Trabekel in der Orbito-tem-
poralregion nur zu gegenseitiger Annäherung, aber nicht zur Ver-
schmelzung kommen. Trotzdem ist der tropibasische Typus ganz
deutlich ausgeprägt ; ein Septum interorbitale fehlt nicht, wie Parker
meint, sondern ist vorhanden, wenn es auch nicht verknorpelt und
nicht so zu hoher Ausbildung kommt wie bei den anderen Sauropsiden.
Die Verbreiterung der Schädelbasis und die starke Entwickelung der
Deckknochen zur Schaffung einer festen Schädelkapsel können aus den
Besonderheiten in der Ausbildung des Kiefergaumenapparates ver-
standen werden.
792
E. Gaupp,
I. Primordialer ani um.
Neuraler Teil. Auch bei dem jüngsten von Rathke unter-
suchten Embryo von Tropidonotus reichte die Chorda dorsalis
nach vorn nur bis zwischen die Gehörbläschen; der vorderste Teil
war also bereits zu Grunde gegangen. (Die viel bedeutendere Aus-
dehnung nach vorn hin und das Vorhandensein einer Terminalknospe
der Chorda auf jüngeren Stadien beschreibt Saint-Remy.) Rathke's
Schilderung zufolge lagert sich um die Scheide des Kopfteiles der
Chorda ein verdichtetes Blastem ab. das sich auch über die vordere
Chordaspitze hinweg fortsetzt, und mit dem lateral die Anlagen der
Gehörkapseln in Verbindung stehen, w^ährend rostralwärts die Anlagen
der Trabekel sich ihm anschließen. Aus seiner Verknorpelung geht
die Basalplatte hervor, die im Gebiet der Chorda selbst anfangs
aus zwei parachordalen Hälften besteht, vor der Chorda von vorn-
herein einheitlich ist, aber hier eine durch nicht verknorpelndes Ge-
webe verschlossene Lücke (Fenestra basier an ialis posterior)
enthält (Fig. 391). Vor letzterer bildet der mediane Teil der Basal-
platte eine schmale Crista
sellaris, wie bei Lacerta.
Die Basalplatte schließt vorn
mit einem scharfen Rande ab,
der gegen das Mittelhirnpolster
vorspringt. Hinter den Ohr-
kapseln w^achsen aus der Basal-
platte schon früh 2 seitliche
Fortsätze heraus, die Occi-
pitalpfeiler, die das ver-
längerte Mark wie Wirbelbogen
Ca. sc. ant:
Ca. sc. lat.
Ca. sc. post.
Caps. nas.
Fen. Hypophys.
For. c.arot.
Fen. basicran.
post.
Chorda
dors.
Tectiim synot.
umfassen. Hire oberen Enden
gehen in das Teetum synoti-
cum über; zwischen dem Pfei-
ler und der Ohrkapsel jeder
Seite bleibt ein F o r a m e n j u -
Fig. 391. Chondrocranium eines
274 Zoll langen Embryo von Tro-
pidonotus natrix. Dorsalansicht, ca.
9mal vergr. Nach W. K. Parker.
gulare bestehen, das den Accessorio-Vagus herausleitet (der Glosso-
pharyngeus tritt weiter vorn durch die Ohrkapsel). Wie die Verknor-
pelung der Ohrkapseln erfolgt, ist im einzelnen nicht bekannt.
Eine genauere Darstellung der oben kurz zusammengestellten Vorgänge steht
noch aus. Was das Mittelhirnpolster beti'ifft, so hat Rathke speciell auf
Grund des Verhaltens bei der Natter die Bezeichnung mittlerer Schädelbalken dafür
eingeführt, im übrigen aber auch schon angegeben, daß diese Gewebsmasse, deren
Bildung mit der Kopfkrümmung zusammenhängt, später wieder verschwindet (s. p. 580).
Der Kopfteil der Chorda bleibt bis ans Ende der 3. Periode (d. h. bis zum
völligen Verstreichen der Kopf- und Nackenbeuge), selbst nachdem in der Basal-
platte die Verknöcherung begonnen hat, kaum verändert erhalten.
Chiarugi (1889), der junge Stadien von Tropidonotus untersuchte, ist über die
Zahl der Myotonie, die im metotischen Kopfbereich zur Anlage kommen, nicht ganz
klar geworden ; in etwas vorgeschrittenen Stadien fand er 3 Muskelplatten. Spino-
occipitale Nerven fanden sich auf jungen Stadien 4, alle repräsentiert durch ventrale
Wurzeln. (Die vorderste entspricht nach Chlarugi möglicherweise mehreren Wurzeln.)
Bei einem Tropidonotusembryo von 8 mm Kopflänge kann ich diese 4 Wurzeln be-
Die Entwickelung des Kopfskelettes, 793
stätigen ; die beiden vordersten sind die kräftigsten und dringen auf der einen Seite
durch ein einheitliches Foramen der Basalplatte (wie es auch Chiarugi findet) auf
der anderen durch 2 selbständige, allerdings nur durch eine sehr dünne Brücke ge-
getrennte Oeffnungen heraus. Die dritte und vierte Wurzel sind dünner ; ihre Oeffnungen
liegen mehr medial. Das weitere Schicksal der Nerven und ihrer Foramina wurde
bisher nicht verfolgt. — Durch Verknorpelung des Deckengewebes zwischen beiden
Ohrkapseln entsteht das Tee tum synoticum, in das die oberen Enden beider
Occipitalpfeiler übergehen. Das Tectum scheint hier zum Teil der Occipitalregion
zugerechnet werden zu müssen. — Das Cavum cochleare derOhrkap?.el
dehnt sich unter dem Foramen n. facialis eine kurze Strecke nach vorn hin aus;
die laterale Wand des Cavum cochleare verknorpelt st)ät. Letzteres gilt auch von
der dorsal-medialen Wand des Cavum semicirculare posterius, der der Saccus endo-
lymphaticus anliegt. — Von Oeffnungen der Ohrkapel finde ich auf dem erster-
wähnten Stadium: For. endolymphaticum, P"or. acusticum anterius, For. acu^ticum
posterius, Fenestra vestibuli, For. Glossopharyngei und For. perilymphaticum. In
betreff der beiden letztgenannten Foramina verhält sich Tropidonotus anders als
Lacerta. Der Glossopharyngeus dringt durch eine sehr feine Oeffnung der medialen
Ohrkapselwand in den Kapselraum und verläßt denselben wieder durch das For.
perilymphaticum, das eine kleine Oeffnung am Boden der Kapsel darstellt. Sie
liegt lateral von dem For. jugulare. lieber die Bildung des Fen, vestibuli s.
Columella (Hyobranchialskelett i.
Die Anlagen der Trab ekel umfassen mit ihren hinteren Enden
die Hypophysis und laufen unter dem Gehirn, in ganzer Länge von-
einander getrennt, bis an das vordere Ende des Kopfes, miteinander
eine lyraförmige Figur beschreibend. Ihre vorderen Enden konver-
gieren vorn bis zur Berührung und sind außerdem etwas aufgebogen,
so daß sie vor dem Großhirn liegen. Beinahe am Ende eines jeden
Balkens geht als unmittelbare Verlängerung von ihm ein kleiner Fort-
satz nach außen ab. In der Folge verwachsen die Balken vorn unter-
einander und bilden so ein niedriges Septum zwischen den beiden
Nasensäcken. Die der Orbito-temporalregion angehörigen Abschnitte der
Balken verwachsen nicht, sondern werden mit der Vergrößerung der
Augen nur mehr zusammengeschoben, so daß sie vor der Fenestra
hypophyseOö fast parallel zu einander nach vorn ziehen (Fig. 391).
Gleichzeitig nehmen sie sehr beträchtlich an Länge, wenig aber an
Dicke zu und verknorpeln. Hinten geht von der Wurzel jeder Trabekel
ein kleiner Fortsatz nach außen und hinten, umgiebt die A. carotis
interna von außen und verschmilzt mit der Basalplatte. So wird die
Carotis bei ihrem Eintritt in das Cavum cranii von einem besonderen
Foramen umschlossen, lieber den nebeneinander liegenden Abschnitten
der Trabekel in der vorderen Orbito-temporalregion bildet sich ein
Septum interorbitale, das an seinem dorsalen Rande in 2 Supraseptal-
platten auseinander weicht, ähnlich wie bei Lacerta. Bei einem Embryo
von 8 mm Kopflänge finde ich das Septum aus einem verdichteten
Schleimgewebe bestehend, auch die Supraseptalplatten nur durch ver-
dichtetes Bindegewebe repräsentiert. Daß die letztgenannten Platten
später verknorpeln, wird von Parker angegeben; das Interorbital-
septum verknorpelt dagegen offenbar nicht, doch ist sein späteres
Schicksal bisher nicht verfolgt worden. Im hinteren Abschnitt der
Orbito-temporalregion zeigt der vorhin erwähnte Embryo ebenfalls
nur Seitenwäude des Cavum cranii, die aus verdichtetem Bindegewebe
bestehen, dagegen keinen Knorpel. Auch hier erfolgt nach Parker
aber Verknorpelung wenigstens eines kleinen ventialen Abschnittes.
Zur Deckenbildung kommt es in der Orbito-tem|)oralregion nicht.
Durch die bindegewebige Seitenwand im hinteren Aijsehnitt der Orbito-tem-
poralregion finde ich den Oculomotorius und Trochlearis hindurchtreten; der Tri-
geminus tritt mit allen Aesten unter der vorderen Ohrkapselkuppel heraus (I ncisura
prootica), der Abducens besitzt sein eigenes Foramen im vorderen lateralen Ab-
794 E. Gaupp,
schnitt der knorpeligen Basalplatte. Alle die genannten Nerven gelangen, nachdem
sie durch die Schädelwände hin durchgetreten sind, in einen außen von der Seiten-
wand gelegenen Raum, der von embryonalem Schleimgewebe erfüllt ist und sehr
bald durch das sich entwickelnde Parietale einen Abschluß nach außen erhält. Nach
vollendeter Ausbildung des knöchernen Schädels erscheint er als Teil des definitiven
Cavum cranii (s. Parietale).
Die Nn. optici treten ebenfalls nur durch häutig begrenzte Oeffnungen hinter
dem Septum interorbitale aus dem primordialen Cavum cranii heraus.
Die Grundlage des Ethmoidalskelettes bilden anfangs die
vorderen Abschnitte der Trabekel, die, wahrscheinlich durch die sich
vergrößernden Nasensäcke, zusammengeschoben werden, verschmelzen
und so das erste Septum uasi abgeben. Zwischen den vordersten
Teilen beider Nasenhöhlen weichen sie von ihrem verschmolzenen Teil
wieder auseinander als zwei von diesem ausgehende, kurze und dünne,
nach oben gerichtete und nach außen einfach umgebogene Hörner.
Im Anschluß an diese Hörner und den vordersten verschmolzenen
Teil der Trabekel bildet sich dann ein Paar zarter Knorpeltafeln, die
sichelförmig den vorderen und dorsalen Umfang beider Nasensäcke
umgeben (Fig. 391). Dazu kommen dann Verdichtungen des perirhi-
nischen Gewebes in bestimmten Bezirken des lateralen Umfanges,
hauptsächlich innerhalb des Muschelwulstes, sowie in der Umgebung
des jACOBSON'schen Organes, namentlich an dessen unterer Seite. Durch
die Verknorpelung aller dieser Partieen wird eine Knorpelkapsel ge-
schaffen, die zwar in den Grundzügen die der Lacertilier wiederholt,,
aber doch in manchen Besonderheiten von der letzteren abweicht, vor
allem starke Reduktionen des Knorpels an der Seitenwand und Decke
zeigt.
Die Konfiguration des Nasenskelettes der Schlangen ist von Solger (1876)
und von Born (1883) geschildert worden. Im Vergleich mit dem der Lacertilier sind
einige Punkte besonders hervorzuheben. Wie sich in der Orbito-temporalregion von
Tropidonotus in dem Getrenntbleiben der Trabekel ein geringerer Grad seitlicher Kom-
pression des Schädels ausprägt als bei Lacerta, so äußert sich die gleiche Erschei-
nung in der Ethmoidalregion darin, daß beide Nasenhöhlen zum großen Teile selb-
ständige Innenwände besitzen, die durch einen Internasalraum voneinander getrennt
bleiben. Die Zusammenschiebung des Skelettmateriales zur Bildung eines unpaaren
Septums erfolgt nur entsprechend den basalen Partieen der Innenwände: nur diese
sind zu einem niedrigen, nach vorn hin noch immer mehr an Höhe abnehmenden
und schließlich eine ganz niedrige Leiste bildenden Septum verschmolzen. Dieses
Septum (Basalstück, Born), in das hinten die Trabekel übergehen, liegt zwischen
den hinteren Teilen der Nasensäcke ziemlich hoch, oberhalb des Niveaus der Jacob-
soN'schen Organe; vor den letzteren dagegen gewinnt es basale Lagerung zwischen
den untersten Teilen beider Nasensäcke.
Die Innenwand einer jeden Nasenkapsel, die aus dem oberen Eande dieses
Septums hervorgeht, ist vorn sehr hoch, hört aber dann ziemlich plötzlich auf, so
daß im größeren hinteren Abschnitt der Nasenhöhle oberhalb des Septums eine
knorj)elige Innenwand nicht mehr besteht. Vorn schließen beide Naseukapseln mit
selbständigen Kuppeln ab. Vom Kuppelknorpel jeder Seite springt nach hinten
unterhalb der Apertura nasalis externa eine kaudal frei endende Gart, alaris inferior
vor, und außerdem geht von seinem oberen Rande aus die knorpelige Decke nach
hinten. Diese hängt mit dem oberen Rande der Innenwand zusammen, soweit eine
solche vorhanden ist; im größeren hinteren Abschnitt der Nasenhöhle schließt sie
mit medialem freien Rande ab. Es besteht hier also eine große, in die Innenwand
und die Decke einschneidende Lücke, die die Fenestra dorsalis, Fen. olfactoria und
P'iss. orbitonasalis von Lacerta in sich vereinigt. Lateralwärts dehnt sich die Decke
im vorderen Gebiet stark abfallend bis zur Ap. nas. ext. aus, in dem dahinter fol-
genden Abschnitt biegt sie in die deutlicher abgesetzte Seitenwand um, im hintersten
Abschnitt endlich, wo eine eigentliche Seitenwand nicht mehr vorhanden ist, hört
die Decke mit lateralem freien Rande auf und biegt in ein niedriges Planum ant-
orbitale um. Eine Seitenwand ist nur in einem beschränkten Gebiet der Nasenhöhle
vorhanden, nämlich in dem, das die Muschel beherbergt. In den Muschelwulst hinein
setzt sich die Knorpelwaud fort und bildet im vorderen Teil des Wulstes eine einge-
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 795
bogene Laraelle, die sich kaiidal zur Röhre abschließt. Das hintere Ende dieser
Eöhre setzt sich in einen soliden Knorpelfortsatz fort, der hinter dem queren Ab-
schnitt des Thränennasenganges herabtritt, um den ventral-lateralen Umfang desselben
herum nach vorn umbiegt und frei endet. Vor der Muschel endlich zieht noch eine
schmale beitenwandspange von der Decke aus ventralvvärts, um hier in die Capsula
organi vonieronasalis iiberzugehen. Diese stellt eine flache, dorsalwärts offene !;^chale
dar mit einer besonderen, den Wulst des jACOBSON'schen Ürganes stützenden Er-
hebung (Concha org. vm.). Vorn hängt sie durch eine kurze paraseptal gelagerte
Knorpelspange mit dem V(jrderen Kuppelknorpel zusanunen. nach hinten hin geht
sie in einen Fortsatz über, der (der Cart. ectochoanalis von Lacerta entsprechend)
lateral von dem Ausführungsgang des jACOBSON'schen ürganes und von dem Rachen-
ende des Thränenganges nach hinten zieht und dann in eine flache Schale übergeht,
die noch den Anfang des Nasenrachenganges zwischen Vomer und Palatinum stützt.
In diese Schale geht noch ein zweiter Knorpel über, der etwas lateral von dem eben
geschilderten von vorn her kommt und ebenfalls am lateralen Umfang des Thränen-
ganges gelagert ist. Vorn endet er frei. Auf diese Verhältnisse und die Besonder-
heiten, die die beiden Knorpel und die von ihnen gebildete Schale bei verschiedenen
Schlangen darbieten, hat Born, im Anschluß an Solger, aufmerksam gemacht.
Das primordiale Viseeralskelett besteht aus dem Kieferbogen
und dem Hyalbogeii : Branchialbogen kommen nicht zur Ausbildung.
Der dorsale Teil des K i e f e r b o g e n s , das P a 1 a t o q u a d r a t u m ,
ist bei Tropidonolus sehr einfach gestaltet, durchaus fortsatzlos und
wandert im Laufe der Entwickelung am lateralen Umfang der Ohr-
kapsel, dem er anlie^zt, von vorn nach hinten, mit seinem dorsalen
Umfang dem Squamosum angeschlossen. Die MECKEL'schen Knorpel
entwickeln sich in proximal-distaler Richtung innerhalb der ersten
Schlundbogen, bis sie am vorderen Ende derselben aufeinander treffen,
ohne jedoch zu verwachsen. Dies erfolgt überhaupt nicht.
Innerhalb des embryonalen Z u n g e n b e i n b o g e n s entsteht nach
Rathke eine Verdickung, die ebenfalls in proximal- distaler Richtung
sich entwickelt. Der rechte und linke Streifen kommen an der unteren
Seite des Kopfes sehr bald zu gegenseitiger Berührung, verschmelzen
untereinander und stellen nun einen einfachen Bogen dar. Etwas
später sondert sich eine jede Seitenhälfte des Bogens in einen oberen
kürzeren und einen unteren längeren Abschnitt, die beide weit ausein-
anderweichen. Aus dem oberen Abschnitt geht die C o 1 u m e 1 1 a a u r i s
hervor; ihr oberes verdicktes Endes senkt sich in die Wand der Ohr-
kapsel ein und bildet in dieser eine Grube, in deren Tiefe die Fenestra
vestibuli entsteht, während das andere Ende sich dem Quadratum an-
legt, mit diesem kaudalwärts wandert und durch ein Band verbunden
wird. Der größere untere Abschnitt, der mit dem der anderen Seite
in der ventralen Mittellinie verschmilzt, wird zu einer Hälfte des
Zungenbeins, das somit sehr einfach gestaltet ist und nur aus den
unteren Abschnitten beider Hyalbogen besteht.
Genauer verfolgt sind die geschilderten Vorgänge noch nicht, so fehlt eine
eingehendere Darstellung der Art, wie die Fenestra vestibuli entsteht. Parker giebt
an, daß die Fußplatte der Columella (das Operculum/ durch Verknorpelung des
Verschlußgewebes der Fen. vestibuli (die also vorher ausgespart bleibt) entsteht. Er
beschreibt ferner ein von der Columellaanlage abgegliedertes Stylohyale, hat dagegen
den eigenthchen unteren Teil des Hyalbogens übersehen. Das ,,Stylohyale" ist viel-
leicht, wie Gadow meint, die Extracolumella. Mit letzterem Namen bezeichnet
Gadow auch bei erwachsenen Schlangen den lateralen knorpelig bleibenden Teil der
Columella, im Gegensatz zu dem inneren Teil, der verknöchert. (Nach einer soeben
erschienenen Arbeit von Möller ist die Columella nicht hyalen, sondern labyriulhären
Ursprungs. Leider konnten die Untersuchungen im Einzelnen nicht mehr ver-
wertet werden. Siehe Litteraturverzeichnis.j
Auch im 3. Visceralbogen beobachtete Rathke vorübergehend
einen „sulzigen Streifen" dicht hinter der Ohrkapsel. Er verschwindet
bald wieder.
796 E. Gaupp,
IL Knochen.
Ausbildung und Anordnung der einzelnen knöchernen Elemente
zeigen bei den Schlangen manche Besonderheiten gegenüber den
Sauriern. Besonders betrifft das die Deckknochen, während die Ersatz-
knochen sich sehr ähnlich denen der Saurier verhalten.
Von E r satzkn ochen occupiert werden die Occipitalregion.
Labyrinthregion und die Basis des hinteren Teiles der Orbito-temporal-
region, während die vordere Hälfte der letzteren und die Ethmoidal-
region knorpelig bleiben. Basi occi pitale und Pleur occipitalia
ersetzen die Occipitalregion ; die letzteren kommen über dem Hinter-
hauptsloch zur Vereinigung und schließen das Supraocci pitale
von der Begrenzung desselben aus. Daß das letztgenannte sich mit
zwei selbständigen Epiotica verbinde, behauptet Parker, bedarf
aber der Nachuntersuchung. Dagegen sind jederseits ein Opistho-
ticum und ein Prooticum vorhanden; das Opisthoticum verschmilzt
mit dem Pleuroccipitale. Das Basi sphen oid entsteht nach Parker
paarig, jederseits in einer Balkenwurzel; die Ossifikation dehnt sich
medialwärts in die Crista sellaris aus (Verschmelzung beider), sowie
nach vorn in den Balken zur Seite der Hypophysengrube bis in die
Gebend unter dem For. opticum. Davor bleiben die Trabekel unver-
knöchert. Endlich breitet sich die Ossifikation auch auf das Verschluß-
gewebe der Fenestra basicranialis posterior aus, auf das sich von hinten
her das Basioccipitale fortsetzt (Parker). Das Basisphenoid verschmilzt
mit dem Parasphenoid.
Als Deckknochen im Bereich des neuralen Craniums entstehen:
Parietale (anfangs paarig, später unpaar), Frontale, Nasale,
S q u a m 0 s u m, P o s t f r o n t a 1 e, P r a e f r o n t a 1 e, S e p t o m a x i 11 a r e,
Praem axillare (von vornherein unpaar), M axillare, Para-
sphenoid, V o m e r (paarig).
Das Palatoquadratum ossifiziert als Os quadratum, das
bei den Ophidia eurystomata in beweglicher Verbindung mit dem
Squamosum bleibt. P t e r y g o i d e u m , P a 1 a t i n u m , T r a n s v e r s u m
entstehen ohne Beziehungen zu Knorpelteilen; nur das hintere Ende
des Pterygoids legt sich an das Palatoquadratum an. Ein Deckknochen
an der lateralen Oberfiäche des Palatoquadratums kommt nicht zur
Entwickelung. Vom MECKEL'schen Knorpel ossifiziert der Ge-
lenkteil als Articulare, der übrige Teil bleibt zeitlebens erhalten
(Rathke); Angulare, Supraan gulare, Com plem e n tare,
P 0 s 1 0 p e r c u 1 a r e , P r a e o p e r c u 1 a r e , Dentale bilden Deckstücke
an dem Knorpel. Später erfolgt knöcherne Vereinigung mehrerer
Stücke untereinander. Neuuntersuchung ist sehr nötig.
Im Gebiet des Zun gen bei n bogen s und seiner Derivate ver-
knöchert der innere Abschnitt der Columella als Stapes. Welche
Bewandtnis es mit dem Stylohyale hat, das nach Parker verknöchern
soll, bleibt noch festzustellen. Das nur aus den unteren Abschnitten
beider Hyalbogen bestehende Zungenbein bleibt knorpelig.
Von oinigen der genannten Knochenstücke sind Besonderheiten zu erwähnen wert.
Das Parietale entsteht jederseits lateral von der primordialen Seitenwand des
Cavum cranii, in einiger Entfernung von derselben, und breitet sich erst nachträglich
an seinem oberen Rande medialwärts umbiegend, in dieser Richtung weiter aus, um
mit dem der anderen Seite zusammenzufließen. Zwischen dem zuerst aufgetretenen
Abschnitt (dem späteren Proc. descendens) und der primordialen Begrenzung des
Cavum cranii liegt bei Embryonen (Tropidonotus natrix, 8 mm Kopflänge) ein von
Schleimgewebe erfüllter Raum, in den der Oculomotorius, Trochleai'is, erste Trige-
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 797
minusast und Abducens hineintreten, um erst vor dem Vorderrand des Parietale in
die Orbita zu treten. Offenbar wird (die-s ist noch nicht verfolgt) der erwähnte Kaum,
der sich embryonal als außerhalb des primordialen Cavum cranii gelegen erweist,
später zu dem definitiven öchädelraum hinzugezogen, dadurch, daß sich dieser
(wahrscheinlich unter Eesorption des erwähnten Öchleinigewebes) bis an das Parietale
ausdehnt. So wird es verständlich, daß bei der erwachsenen Schlange der Oculo-
motorius, Trochlearis, erste Trigeminusast und Abducens innerhalb des Schädelraunies
nach vorn verlaufen, um erst durch ein zwischen dem Parietale und dem Frontale
gelegenes Foramen orbitale mag n um, das auch den N. opticus herausführt,
auszutreten. Dies Foramen hat also mit einem For. opticum — wie es früher be-
zeichnet wurde — nichts zu thun (Gaupp 19U2).
Auch vom Frontale entsteht zuerst, nach Rathke, die vertikale, später an
der seitlichen Begrenzung des Cavum cranii beteiligte Platte, und von ihrem oberen
Rande aus schreitet der J<^nochenbildungsprozeß medialwärts umbiegend an der Decke
der Schädelhöhle fort. Wie sich im Gebiet der vorderen Orbitu-temporalregion das
Schicksal der primordialen Schädelseiten wand und des häutigen Septum interorbitale
gestaltet, ist unbekannt. Das Squamosum legt sich am lateralen Umfang der
Ohrkapsel an und wächst bei den Ophidia eurystomata sehr weit nach hinten hin
aus. Das Quadratum verbindet sich mit ihm. — Das Septom axil lare entsteht
an gleicher Stelle wie bei den Sauriern, d. h. in der Nasenhöhle als Decke des
jACOBSON'schen Organes. Außer ihm gewinnen noch besonders das Praem axil-
lare, Nasale und der Vom er Anteil an der Herstellung eines festen Nasen-
skelettes. Die Nasalia wachsen in den Internasalraum ein, die Vomeres schieben
sich zur medialen Begrenzung der jACOBSON'schen Organe bis an den unteren Rand
des Septuras in die Höhe und umfassen diesen. — Das Parasphenoid entsteht
nach Parker zwischen den Trabekeln vor der Fenestra hypophyseos, wächst rück-
wärts, verschließt die genannte Fenestra ventral und verschmilzt mit dem Basisphe-
noid. Im wesentlichen ebenso lautet schon die Schilderung Rathke's, der den
Knochen als vorderen Keilbeinkörper beschreibt und hinzufügt, daß ihm noch bei
der erwachsenen Natter die beiden Trabekel als dünne Knorpelfäden aufliegen. Auf
die Notwendigkeit, das Schicksal des Septum iuterorbitale genauer zu verfolgen,
wurde schon hingewiesen.
Vögel.
Ueber die Entwickelung des Schädels der Vögel liegen, abgesehen
von kurzen Bemerkungen Rathke's, vor allem die ausführlichen Ar-
beiten von W. K. Parker (1865, 187(3 u. a., namentlich 1870),
T. J. Parker (1891) und Suschkin (1899) vor; dazu kommen kürzere
Angaben anderer Autoren, sowie solche, die nur bestimmte Teile be-
treffen (Born, Froriep, Gadow, Tonkoff). Im Nachfolgenden gebe
ich besonders die Resultate der eingehenden Arbeit von Suschkin,
die den Schädel von Tinnunculus alaudarius und T. cenchris betrifft,
allerdings in einer nach Auffassung und Form (auch in den Bezeich-
nungen) vielfach veränderten Darstellung; daneben halte ich mich an
das ToNKOFF'sche Modell des Schädels eines 65 mm langen Embryos
von Gallus domesticus (von F, Ziegler in Freiburg kopiert) und an
eigene Serien von Gallus. Vollständigkeit ist in Bezug auf die
speciellen Verhältnisse, besonders der Knochen, nicht erstrebt. Ueber
den erwachsenen Vogelscliädel s. besonders Magnus, sowie Gadow
und Selenka.
Suschkin schildert bei Tinnunculus alaudarius 18 Stadien, die leider nicht
genügend nach ihrem allgemeinen Verhalten charakterisiert werden. Im 7. Stadium
erfolgt das Ausschlüpfen aus dem Ei, das 18. Stadium ist nahe der Zeit des Aus-
fluges aus dem Nest.
I. P r i m 0 r d i a 1 c r a n i u m.
Neuraler Teil des Priiiiordialcraniuins.
Der chordale und der prächordale Teil des Primordialcraniums
entstehen bei Tinnunculus alaudarius selbständig, ihre Verwachsung
798 E. Gaupp,
tritt erst später ein. Beide Teile bilden auf jungen Stadien infolge
der starken Kopfbeuge einen Winkel von ca. lOD" miteinander; dieser
streckt sich im Laufe der Entwickelung bis etwa 160°, d. h. bis zu
dem Betrag, den er auch beim erwachsenen Vogel besitzt.
Die Basis des chordaleil Schädelabschnittes legt sich einheitlich
an, eine Entstehung aus 2 Hälften ist weder auf prochondralem
Stadium, noch bei der Verknorpeiung erkennbar. Die Chorda ver-
läuft innerhalb der einheitlichen basalen Anlage bis in die Nähe des
Vorderrandes derselben, dann biegt sie sich, entsprechend der zur Zeit
bestehenden Kopfkrümmung, ventralwärts, durchbricht jene Anlage
und endet hinter der Hypophysis cerebri. Der vorderste Teil der
Basalplattenanlage liegt also vor der Chordakiiimmung und springt
gegeu das Mittelhirnpolster vor (Dorsum sellae); eine selbständige
Bedeutung kommt diesem Teil nach Suschkin nicht zu. Mit der
Basalplattenanlage kontinuierlich im Zusammenhange steht schon sehr
frühzeitig jederseits die Anlage der Ohrkapsel.
Chorda dorsalis. Ueber die frühesten Zu.stäiide des vorderen Endes der
Chorda dorsahs berichtet öaint-Remy (1896i. Bei Gallus domesticus und Anas
(boschas) domesticus hängt in der Mitte des 2. Tages das vordere Chordaende noch
mit dem Entoderm am vorderen blinden Ende des Koptdarmes zusammen. Die
völlige Trennung vom Entoderm erfolgt erst mit dem Eintritt der Kopfkrümmung,
zugleich mit der Bildung der RATHKE'schen Tasche, der ISEESSEL'schen Tasche und
der ijrimären Rachenhaut. Durch die Kopfbeuge erfährt auch das vordere Chorda-
ende eine hakenförmige Abknickung ventralwärts; die vorderste öpitze, die sich vom
Entoderm losgelöst hat, kommt dabei in Berührung erst mit der Basis der Rachen-
haut, dann mit der Hypophyseneinstülpung. In der Folge umgiebt sich der Haupt-
teil der Chorda (branche ascendante, Saint-Remy) mit einer cuticularen Scheide und
entwickelt sich durch Umformung seiner Zellen weiter, der abgebogene Teil dagegen
(branche descendante, Saint-Remy) geht zu Grunde, indem sich die ihn zusammen-
setzenden Zellen voneinander lösen und dem Bindegewebe der Umgebung beimischen
(Hühnchen, 71 Stunden). Die Zerstörung ergreift weiterhin auch noch die Spitze
des Hauplstückes der Chorda, wobei, nach Saint- Remy. die Bindegewebszellen der
Umgebung die Rolle von Phagocyten spielen. Durch die Weiterentwickelung der
Hypophyse kommt dann die nunmehrige Chordaspitze auch wieder in Berührung
mit der Hypophyse. Der Darstellung von Saint-Remy zufolge spielen sich die Zer-
störungsvorgänge am vorderen Chordaende bei Gallus und Anas vor der Verknorpe-
iung der Basalplatte ab. Bei Tinnunculus zeigt nach Suschkin die Chorda noch
innerhalb der bereits verknorpelten Basalplatte ein ventralwärts abgebogenes vorderes
Ende; die Chorda wächst auch noch eine Zeitlang pro[)orrional der Basis des chor-
dalen Schädelabschnittes, verkümmert aber dann von vorn her. Beim eben ausge-
schlüpften Vogel ist sie, wenn auch schon stark verändert, noch vorhanden ; bald
darauf, wenn das Basioccipitaie und das Basisphenoid verknöchern, geht sie ganz zu
Grunde. Bemerkenswert ist eine Erweiterung, die sie anfangs im hintersten Gebiet
der Pars occipitalis der Basalplatte zeigt.
Hinter der Ohrkapselanlage beginnt die Reihe der Myotome, von
denen 4 der 0 cc i p i t a 1 r e g i o n angehören (Fig. 32(i, p. 598). Auch das
Skelett dieser (iegend zeigt in frühen Stadien eine an die Verhältnisse der
Wirbelsäule erinnernde metamere (jliederung. Sie prägt sich aus in der
Anlage von 3 mit der perichordalen Basalplattenanlage in Verbindung
stehenden Occipitalbogen, von denen der hinterste, auf der Grenze des
4. und 5. Myotoms gelegene, der deutlichste ist. In seinem Gebiet
findet sich auch eine Verbreiterung der Chorda (den intravertebralen
Erweiterungen der Chorda entsprechend), und an ihm selbst kommt
sogar vorübergehend eine Andeutung eines hinteren Gelenkfortsatzes
zur Ausbildung. Zu den 3 hinteren occipitalen Myotonien gehen ven-
trale Nervenwurzeln, von denen die vorderste wieder verschwindet, so
daß nur 2 als Hypoglossuswurzeln übrig bleiben. Die vorderste
(wieder zu Grunde gehende) Nerven wurzel verläuft vor der vordersten
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 799
Occipitalbogenanlage ; das Gebiet der lateralen Occipitalanlage zwischen
ihr und dem Vagusaustritt differenziert sich nicht mehr zu einem
deutlichen Wirbelbogen, doch gehört zu ihm noch die Anlage einer
Kranialri]>pe. Solcher Kranialrippenanlagen giebt es nach Suschkin
im ganzen 4, die eben erwähnte und 3 andere, die zu den 3 Occipital-
bogen gehören. Sie gehen bald wieder zu Grunde. Bei der Ver-
knorpelung zeigt der hinterste Teil der Basalplatte, der die schon er-
wähnte Chordaerweiterung einschließt, vorübergehend eine gewisse
Selbständigkeit und dokumentiert dadurch noch andeutungsweise die
Natur eines früheren Wirbelkörpers; auch die 2 hinteren Occipital-
bogen erhalten selbständige Knorpelcentra. Bald aber geht diese
Selbständigkeit verloren, und das ganze Occipitalskelett wird zu einem
einheitlichen Abschnitt, an dem nur durch die 2 Hypoglossuslöcher
die ursprüngliche Metamerie angedeutet ist. Der vordere Rand des
lateralen Occipitalteiles (des Occipitalpfeilers) steigt hinter der Ohr-
kapsel auf; durch die Spalte zwischen ihm und der Ohrkapsel (Fis-
sura metotica) treten anfangs der Glossopharyngeus und,
getrennt von diesem, der Accessorio-Vagus aus. p]ine Ver-
schmelzung des Occipitalpfeilers mit der Ohrkapsel über dem Vagus
erfolgt erst spät, ebenso die Bildung eines Daches in dem hinteren
Schädelabschnitt (s. Labyrinthregion). Im Anschluß an das Occipital-
skelett verknorpelt endlich eine Platte (Occipitalflügel, Suschkin),
die nach ihrer Ausbildung als eine Verbreiterung der Basalplatte in
der Occipitalregion erscheint, und deren lateraler, aufwärts gekrümmter
Rand mit der Ohrkapsel im Gebiet des äußeren Bogenganges ver-
schmilzt. Dabei werden der Glossopharyngeus und der Acces-
sorio-Vagus in gesonderte Foramina eingeschlossen, und zwischen
der Platte und dem lateralen Umfang der Ohrkapsel, unter dem late-
ralen und vor dem hinteren Bogengang, kommt ein Raum zu stände,
in den sich später Teile des Mittelohres einlagern.
Die ganze Occipitalregion erfährt bei Tinnunculus im Laufe der
Entwickelung eine relative Verkürzung und Einschiebung in den
Schädel (Suschkin), und im Zusammenhang damit erleidet das Fa-
ramen occipitale magnum eine Umlagerung seiner Ebene: währendes
ursprünglich ventral und nach hinten blickt, liegt es später ganz in
horizontaler Ebene, blickt also ventralwärts. Dies wird in Zusammen-
hang mit der Labyrinthregion erörtert werden. Ueber die Stellung
des For. occipitale bei erwachsenen Vögeln siehe Selenka-Gadow.
Daß die Occipitalregion des Vogelcraniums embryonal einen metameren Auf-
bau zeigt, ist zuerst von Froriep (1883j für das Hühnchen festgestellt worden.
Froriep fand bei 4-tägigen Hühuerembryonen die 4 Myotonie, die im Bereich der
Occipitalregion liegen und ventrale Nervenwurzeln für die beiden hintersten derselben.
(Chiarugi [1889] konstatierte bei sehr jungen Hühnerembryonen sogar zu den 3
hintersten Occipitalmyotomen Nerven, die aus dorsaler und ventraler Wurzel be-
standen.) Auch beim Hühnchen sind, aber nur in bindegewebigem Zustande, jeder-
seits 3 Wirbelbogenanlagen (zwischen dem 2. und 3., dem 3. und 4., dem 4. und 5.
Myotom) vorhanden, doch verlieren diese weiterhin ihre Form gänzlich; eine Diffe-
renzierung der Wirbelbogen in perichordalen Faserring und Bogenknorpel, wie sie
an den Cervikalwirbeln stattfindet, unterbleibt in der Occipitalregion, und das ge-
samte Bmdegewebe, das perichordale sowohl wie das den Myotomen anliegende ver-
dichtet sich gleichmäßig zu einem einheitlichen bindegewebigen Occipitalskelett. Für
eine Scheidung desselben in centralen und lateralen Teil bieten nur die Austritts-
öffnungen der Nervenwurzeln einen Anhaltspunkt. Die 2 vordersten Myotome ver-
schwinden; nur die beiden hinteren mit ihren zugehörigen ventralen Wurzeln (Hypo-
glossuswurzeln) bleiben erhalten. Mit dem 6. Tage beginnt in der Occipitalregion
die Knorpelbildung, aber nicht von einzelnen Stellen aus, die etwa den Bogen- und
800
E. Gaupp,
Körperknorpeln an den Rumi^f wirbeln zu vergleichen wären, sondern das ganze
bindegewebige Occipitalskelett wandelt sich durch einheitliche histologische Metamor-
phose in einen Occipitalknorpel um, an dem der Hypoglossusaustritt die einzigen
bestimmten Grenzmarken abgiebt, sowohl der Glieder als auch für die Unterscheidung
von Mittel- und Bogenstücken. Nur darin stimmt das Mittelstück mit den Körper-
knorpeln der Wirbel überein, daß es zunächst als eine dorsalwärts offene Rinne
entsteht, in der die Chorda liegt, und die sich erst nachträglich (Ende des 6. Tages)
auch dorsal von der Chorda schließt. Gegen die Elemente der ersten Halswirbel-
anlage setzt sich das Occipitalskelett nach der Verknorpelung scharf ab. Zu den
3 occipitalen Wirbelbogen gehören Rippenanlagen, die aber nicht zur Verknorpelung
kommen. —
Der obigen Schilderung zufolge ist bei Tinnunculus die Metamerie der Occi-
pitalregion noch deutlicher als bei Gallus. Wie viel Skelettmetameren in dem Gebiet
anzunehmen sind, das zwischen dem vordersten spino-occipitalen Nerven und dem
Vagus sich findet, ist durch direkte Beobachtung nicht zu eruieren. Als sicher darf
aber wohl angenommen werden, daß die kaudale Ausdehnung des Vogelschädels die
gleiche ist wie die des Reptilienschädels ; das würde also heißen : auch die Occi-
pitalregion der Vögel repräsentiert ein auximetameres Neocraniuni mit 3 sekundär
assimilierten spinalen Skelettelemeuten, die 3 den embryonalen Hypoglossus zu-
sammensetzenden Nerven sind occipi to -spinale {a, b, c).
For. olfact. adv.
Plan, antorh
Plan, suprasept.
Sept. interorbit
Carl. Meckel. . /
/,
Fen. hypophys.
(Parasphenoid)
For. N. VI.
Nasale
Praefrontale
■ Maxillare
Chorda do
Zygomaticum
'-Dentale
- - Frontale
- Operc. (Praeoperc.)
Quadratojugale
. Supraangulare
~ Cart. Meckel.
For. proot.
P. cochlearis
(Caps, aud.)
Squamosum
For. m VII
Parietale
' For. endolymph.
For. N. hypotjl.
For. jug.
Ted. synot.
Caps. aud.
Fig. 392. Schädel eines Huhnembryo von 65 mm Gesamtfadenlänge. Linker-
seits sind die Deckknochen fortgelassen. Nach einem bei 20facher Vergr, herge-
stellten Plattenmodell von W. Tonkoff (kopiert von Fr. ZiEGLER-Freiburg). An-
sicht von oben und etwas von hnks. Verhältnis der Abbildung zum Modell =; 4:9.
Auch in der Labyrinthregion ist die Anlage der Basalplatte
eine einheitliche; das betreffende Gewebe geht hinten kontinuierlich
in den basalen Teil des Occipitalabschnittes, lateral in das peri-
otische Gewebe über. Die bei der Verknorpelung sich bemerkbar
machende Selbständigkeit des hintersten Teiles der Occipitalregion
(s. diese) geht bald vorüber. Die Bildung des „Occipitalflügels", durch
den die Fissura metotica eine Strecke weit überwachsen wird und
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 801
der Glossopharyngeus und der Vagus in selbständige Foramina ein-
geschlossen werden, wurde schon geschildert. Der über die Chorda-
krümmuug hinausragende Teil der Basalplattenanlage bildet nach der
Verknorpelung ein Dorsum sellae, das hinter dem Infundibulum
aufsteigt. Der mittlere Teil desselben wandelt sich im Laufe der
Entwickelung aus Knorpel wieder zu Bindegewebe um, das schließlich
verknöchert. Auch in der Umgebung des vorderen Chordaendes selbst
geht der Knorpel wieder zu Grunde: so entsteht in der Basalplatte
die Fenestra basicranialis posterior als ein späte Bildung
(Fig. 392). Sie zeigt viel Varianten in ihrer Ausdehnung, bleibt aber
im allgemeinen klein. Vorn vereinigt sie sich mit dem Defekt in dem
knorpeligen Dorsum sellae, so daß die ganze vordere Chordaspitze
zu bestimmten Zeiten wieder nur von Bindegewebe umgeben wird.
Der vorderste Teil der Basalplatte wird jederseits vom N. abducens
durchsetzt (Fig. 392).
Lateralwärts gellt, wie bemerkt, das Gewebe der Basalplatten-
anlage kontinuierlich in das periotische Gewebe über, und auch die
Verknorpelung schreitet von der Basalplatte aus auf das letztgenannte
Gewebe vor, so daß auf jüngeren Stadien die Ohrkapsel eine mit
der Basa'lplatte zusammenhängende, oben offene Schale darstellt. Die
Pars cochlearis derselben unterbricht gewissermaßen die Basalplatte
wie eine medialwärts gegen die Chorda vordringende Piöhre (Fig. 392).
Vor und über der Pars cochlearis wird der N. facialis bei seinem
Austritt aus dem Schädelraum von Knorpel umschlossen ; in der me-
dialen Wand der Kapsel selbst bleibt anfangs eine größere gemein-
same Oeffnung, die später in die Foramina für den Ductus endo-
lymphaticus und mehrere Foramina acustica für Aeste des
Acusticus zerlegt wird. Am Boden der Ohrkapsel bleibt eine Oeffnung,
die Fenestra Cochleae, ausgespart, während nach Suschkin bei
Tinnunculus die Fenestra vestibuli erst spät auftreten soll, da-
durch daß aus der bereits verknorpelten Kapsel der Bezirk, an den
sich die Columella auris anlegt, wieder gewissermaßen herausgeschnitten
wird. Diese Angabe ist allerdings sehr der Nachprüfung bedürftig
(s. Hyalbogen). Im Innern der Kapsel bilden sich Kuorpelmassen,
durch die die 3 Cava semicircularia streckenweise von dem Haupt-
raum der Kapsel abgetrennt werden. — Dicht vor der Ohrkapsel ver-
lassen der 2. und 3. Trigeminusast den Schädelraum (Incisura
prootica, später zum Foramen prooticum geschlossen).
Das ToNKOFF'sche Modell zeigt medial vom Squamosum am vorderen Umfang
der Ohrkapsel ein selbständiges Knorpelstück, das die Artikulation mit dem proxi-
malen Ende des Quadratums vermittelt. Soweit ich aus den wenigen mir zur Ver-
fügung stehenden jüngeren Stadien von Gallus erkennen kann, hangt dasselbe an-
fangs mit der Ohrkapsel zusammen. Sein späteres Schicksal bleibt zu verfolgen.
Die dorsalen Ränder der hinteren Hälften beider Ohrkapseln
werden endlich durch ein Tectum synoticum an der Decke des
Schädelcavums untereinander verbunden. Es entsteht, wie Suschkin
für Tinnunculus betont, durch lokale Verknorpelung des Decken-
gewebes zwischen beiden Ohrkapseln. Bei Tinnunculus verbindet es
sich seitlich bald mit den oberen Enden der Occipitalpfeiler (daher
Supraoccipital platte, Suschkin), bei Gallus erfolgt zuerst jeden-
falls die Verbindung mit den Ohrkapseln, und zwar vermittelst einer
vorderen und einer hinteren Brücke, die beide voneinander durch eine
Spalte getrennt werden. Die Ebene des Tectum synoticum steht bei
Handbuch der Ent\vickelun2;>lehre. UI. 2. ;^ 1
802 E. Gaupp,
den Vögeln nicht horizontal, sondern entsprechend der Lage des For.
occipitale niagnuni aufgerichtet oder überkippig (s. u.).
Die Besonderheiten in der Konfiguration der Ohrkapsel bei den Vögehi sind
wesentlich durch drei Momente bedingt. Das erste ist die starke Entwickelung der
Pars cochiearis (Fig. 3S)2): diese stellt eine röhrenförmige Verlängerung der
Kapsel vor, die basal- und niedialwärts gegen die Chorda hin gerichtet ist, dieser
mit ihrem blinden Ende ganz nahe kommt und durchaus als ein Abschnitt der
Basalplatte erscheint, der durch das Einwachsen des Ductus cochiearis des häutigen
Labyrinthes gehöhlt wurde und so sekundär zur Ohrkapsel hinzukain. Das zweite
Moment ist die starke Entwickelung des Abschnittes, der den vorderen häutigen
Bogengang beherbergt. Da der letztere bei den Vögeln sehr beträchtliche Längen-
dimensionen erreicht, so muß auch der ihn enthaltende Skelettabschnitt eine ent-
sprechende Entwickelung erfahren und einen großen, dorsal-kaudalwärts gerichteten
Bogen beschreiben. Das Cavura seniicirculare anterius wird dabei in größerer Aus-
dehnung von dem Hauptraum der Kapsel abgetrennt, und die Knorpelpartie, die
diese Abtrennung bewirkt (dem Sei^tum semicirculare anterius der Saurier ent-
sprechend), wird in dem Maße, als sich der weit geschwungene Canalis anterior von
dem übrigen Teil des häutigen Labyrinthes entfernt, auf eine dünne Platte reduziert,
die in der Konkavität des Bogenganges liegt und den Grund der vom Cavum cranii
aus unter den Bogengang vordringenden Eossa subarcuata bildet. Endlich
zeigt ein Vergleich der Ohrkapsel bei den Vögeln mit der bei den Sauriern eine
bemerkenswerte Umlagerung aller Teile, als ob eine Drehung um den mit der Basal-
platte zusammenhängenden Teil der Kapsel als festen Punkt stattgefunden hätte,
bei der die ursprünglich dorsalen Partieen nach hinten, die früher hinteren Partieen
aber ventralwärts und nach vorn geschoben w-urden. Dies prägt sich vor allem in
der Lage der verschiedenen Eoramiua zu einander aus (Fig. 392). Das P'oramen des
N. facialis liegt oberhalb der durch die Pars cochiearis gebildeten vorderen Ohr-
kapseikujjpel (also dorsahvärts verlagert i, das F'oramen des E. anterior n. acustici
hinter dem Eoramen n. facialis; die 3 Foramina für den E.. posterior des Acusticus
aber finden sich ventral von jenen beiden, und zwar so, daß die Oelfnungen für den
R. ampullae posterioris und den R. sacculi unter dem Foramen acusticum anterius,
das Foramen für den R. cochiearis aber unter dem Foramen n. facialis liegt. Das
For. endolymphaticum endlich liegt nicht am weitesten dorsal, sondern am weitesten
kaudal, hinter dem Foramen n. amp. post. So liegen die Verhältnisse beim Hühnchen
(ein Foramen für den R. anterior, 3 Foramina für den R. posterior des Acusticus);
bei Tinnunculus beschreibt Suschkik sogar 4 Oelfnungen für die Zweige des R.
posterior, ohne sie aber im einzelnen näher zu bestimmen.
Als causa movens für die erwähnte Umlagerung der einzelnen Oeffnungen muß
die Oröße des Gehirns in Zusammenhang mit der Größe der Augen verantwortlich
gemacht werden. Die letztere behindert die Au^ Weitung der Schädelhöhle nach vorn
hin (Septum interorbitale!) und zwingt das Gehirn, sich nach den Seiten und nach
hinten auszudehnen. Als Folge ergiebt sich die Niederlegung der Ohrkapseln nach
der Schädelbasis hin, ein Vorgang, der unter der Form einer Drehung erscheint, da
vorn die Ohrkapsel kontinuierlich in die Basalplatte übergeht, somit fixiert ist.
Katürlich handelt es sich nicht um eine einfache Drehung, sondern gleichzeitig um
eine Umformung der Kapsel. Wieviel von diesen hypothetischen Prozessen noch
ontogenetisch nachweisbar ist, wurde im einzelnen noch nicht verfolgt, doch läßt sich
aus SüSCHKiN's Angaben einiges hierher Gehörige entnehmen. Danach ist infolge
der sehr starken Kopfbeuge der Winkel zwischen dem chordalen und dem prächor-
dalen Schädelteil embryonal etwa HO", im Laufe der Entwickelung findet aber eine
Streckung der Schädelachse durch Hebung des hinteren Teiles statt bis auf ca. 160".
Andererseits aber giebt Suschkin an, daß die Ebene des Foramen occipitale magnum
in frühen Stadien kaudal-ventralwärts, später aber immer mehr ventralwärts blickt,
so daß sie beim erwachsenen Tinnunculus ganz horizontal liegt. Diese Umwandlung
ist also der Streckung der Schädelachse gerade entgegengesetzt; ihre Ursache dürfte
vor allem in der oben erwähnten Ausdehnungsrichtiing des Gehirnes liegen, und im
übrigen steht sie in vollem Einklang mit der geschilderten Umformung der Ohr-
kapsel. Als Folge erscheinen dann auch die Lage des Tectum synoticum und der
Vorgang, den Suschkin als Einschiebung der Occipitalregion in die Schädelbasis
bezeichnet und der sich unter anderem dadurch dokumentiert, daß die Hypoglossus-
foramina scheinbar nach vorn wandern. In der Hauptsache handelt es sich doch
wohl darum, daß die Occipitalregion im Wachstum zurückbleibt, sich also, wie auch
Suschkin betont, scheinbar verkürzt, zugleich aber von der nach hinten sich aus-
dehnenden und niederlegenden Ohrkapsel überwachsen und auch basalwärts nieder-
gedrückt wird. — Wieweit bei den geschilderten Umwandlungen auch die aufrechte
Die Entwickelung des Kopfskelettes.
803
Körperhaltung der Vögel als selbständig gestaltender Faktor in Betracht kommt,
läßt sich zur Zeit noch nicht sagen.
Im Gebiet des prächordalen Schädelabschnittes findet Suschkin
bei Tiununculus als selbständige Skelettanlagen die beiden Trab ekel,
und die unpaare Intertrabecula, aus der die medianen Teile der
Orbito-temporal- und Ethmoidalregion hervorgehen. Die übrigen Skelett-
abschnitte beider Regionen entstehen im Anschluß an die genannten.
In der Orbito-temporalregion legen sich als erste Skelett-
elemente (aber etwas später als die Basalplatte) die Trab ekel an,
die anfangs durchaus selbständig sind und mit der Achse der chor-
dalen Schädelbasis einen Winkel von etwa 110° bilden. Ihr kaudales
Ende ist also zugleich dorsalwärts, und zwar gegen die Ventralfläche
Frontale
Plan. suj)rasej)tale
Proc. tectalis
Sept. interorbitale
Plan,
sphenolaterale "-
Squamosum^ r-
Pari-_
etalc
Praefronlale
,. Plan, antorbitale
Nasale
Vomer
Capsula'
audit.
Dentale
Maxillare
Columella aur.
: : : : : Parasphenoid \ Zygoinaticnm
Quadrat. \ Angul. '■ Quadratojugale Palatinum
Stipraangnlare Pterygoid
Fig. 393. Dasselbe Modell wie Fig. 392 ; Ansicht von der rechten Seite.
der Basalplatte, gerichtet. Mit ihren hinteren Enden umfassen sie die
Hypophysis (Fenestra hypophy seos), mit ihren rostralen, bis zu
den Nasensäcken reichenden Enden divergieren sie anfangs, legen sich
aber später vor der Hypophysis aneinander, verschmelzen und bilden
so den unteren Rand des Septum interorbitale, das in der
Hauptsache als von den Trabekeln unabhängige Gewebsverdichtung
auftritt. Damit ist die Konfiguration der ganzen Orbito-temporalregion
bestimmt. Dieselbe läßt auch bei den Vögeln zwei Abschnitte, einen
hinteren und einen vorderen, unterscheiden: der hintere hat zur Basis
die Gegend der Fenestra hypophyseos und erweitert sich über der-
selben sehr beträchtlich nach den Seiten hin, so daß hier das Cavum
cranii seinen größten transversalen Durchmesser gewinnt; im vorderen
dagegen bildet sich das sehr hohe Septum interorbitale aus, die
großen Augen rücken nahe an die Medianebene heran, die vordersten
51===
804 E. Gaupp,
Teile des Gehirnes werden dadurch dorsalwärts verdrängt, die Basis
des Cavum cerebrale cranii steigt längs des Hinterrandes des Septum
interorbitale auf die obere Kante desselben in die Höhe und entfernt
sich so von der eigentlichen Schädelbasis. Die Vögel zeigen somit
den tropibasischen Schädeltypus in höchster Ausbildung.
Im hinteren Abschnitt der Orbito-temporalregion liegen basal
die kaudalen Teile der Trabekel, Vom hinteren Ende einer jeden
entwickelt sich ein Fortsatz (Proc. basitrabecularis, Suschkin),
der sich ventral- und etwas kaudalwärts unter die parachordale
Schädelbasis vorschiebt. Von dieser selbst wird er durch die A. carotis
interna getrennt, die über ihm medialwärts tritt, um dann durch die
Fenestra hypophyseos in das Cavum cerebrale cranii aufzusteigen.
Dadurch, daß sowohl das kaudale Ende der Trabekel wie auch das
kaudale Ende des Proc. basitrabecularis an die Ventralfläche der
Basalplatte anwachsen, kommt ein die genannte Arterie umschließendes
Foramen zu stände. Die dreieckige Fenestra hypophyseos, die durch
das Anwachsen der Trabekel an die Basalplatte zu stände kommt,
bleibt als Lücke der Schädelbasis bestehen und wird erst später durch
das Parasphenoid geschlossen.
Von der Mitte der Länge des Basitrabecularfortsatzes entwickelt
sich nach außen ein kleines Höckerchen, als Anlage eines Processus
basipterygoideus.
Die bei den Sauriern so gut entwickelten Processus basipterygoidei
zeigen sich bei den Vögeln im allgemeinen in Rückbildung. Sehr schön entwickelt
sind sie z. B. bei Struthio. Genaue Angaben über ihre Ausbildung und ihren Abgang
von der Schädelbasis macht Gadow. Derselbe bemerkt auch, daß sie häufig onto-
genetisch in Rückbildung begriffen sind: bei Embryonen und selbst bei älteren
Jungen deutlicher entwickelt, später verschwunden oder nur noch angedeutet. Mit
dem Pterygoid artikulieren sie an verschiedenen Stellen desselben. Häufig fehlen
sie ganz. — Die Bedeutung des Proc. basitrabecularis und der über ihm befindlichen
Spalte für die A. carotis interna bleibt einstweilen unklar.
Als seitliche Begrenzung des Cavum cranii im hinteren Abschnitt
der Orbito-temporalregion differenziert sich eine dünne Schicht dich-
teren Bindegewebes, die ventral mit der Trabekel zusammenhängt
und vorn in den hinteren Rand des Septum interorbitale übergeht.
Diese häutige Schädelseitenwand steigt schräg nach der Seite auf und
umzieht, weit lateralwärts ausbiegend, das Gehirn. Zur Verknorpelung
kommt sie nur teilweise. Zunächst gilt das von dem unmittelbar über
der Trabekel gelegenen Teil. Derselbe verknorpelt in der Ausdehnung
von der Basalplatte bis zum Hinterrand des Septum interorbitale,
umschließt dabei den N. oculomotorius (hinten) und die A. ophthal-
mica (vorn), ist aber nicht sehr hoch und bildet somit nur die Wand
der tiefen Nische, in der die Hypophyse liegt.
Die selbständige Verknorpelung dieser Wandpartie veranlaßte Suschkik, die
letztere als ein besonderes Element, Supratraoecula, zu bezeichnen. Beim
Hühnchen wird nur die A. ophthalmica völlig von Knorpel umschlossen, während
die Wandpartie, durch die der N. oculomotorius hindurchtritt, unverknorpelt
bleibt. Vorn erreicht beim Hühnchen die verknorpelte Partie das Septum inter-
orbitale nicht.
Der zweite Bezirk der Schädelseitenwand im hinteren Teil der
Orbito-temporalregion, der zur Verknorpelung kommt, ist der hintere,
an die Ohrkapsel sich anschließende. Zuerst verknorpelt im Anschluß
an die vordere laterale Partie der Basalplatte die Wandpartie, die den
vorderen Teil der Hemisphäre von der Seite und von vorn umgiebt.
Die Ebene der durch die Verknorpelung gebildeten Platte, die ich
als Sphenolateralplatte bezeichne (Alisphenoidplatte, Parker,
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 805
Suschkin), steht, der Form der Hemisphäre entsprechend, quer, so
daß die Platte eine Fläche nach hinten, die andere nach vorn gegen
die Orbita kehrt und der kaudale Rand zu einem lateralen, der
rostrale zu einem medialen wird (Fig. 393). Der Teil, mit dem die
Sphenolateralplatte aus der Basalplatte hervorgeht, stellt einen Pfeiler
dar, der zwischen dem 2. und 3. Trigeminusast einerseits (hinten)
und dem 1. Trigeminusast andererseits (vorn) aufsteigt. Der laterale
Rand der Platte verbindet sich in der Folge durch eine breite Brücke
oberhalb des 2. und 3. Trigeminusastes mit dem dorsalen Umfang
der Ohrkapsel, wodurch die beiden genannten Nerven in ein Foramen
prooticum eingeschlossen werden. Bei Tinnunculus wird von dem-
selben noch durch eine besondere Knorpelbrücke ein lateral-dorsaler
Abschnitt für eine Vene abgetrennt. Bei derselben Form (nicht aber
bei Gallus) wird bei der Verknorpelung der Sphenolateralplatte der
N. trochlearis von einem kleinen Foramen nahe dem medialen
Plattenrande umschlossen, durch eine am medialen Rande erfolgende
Knorpelreduktion sjjäter aber wieder aus der Platte ausgeschaltet.
Eine nachträgliche Reduktion des Knorpels findet bei Tinnunculus
auch am oberen Rande, sowie in der Mitte der Platte statt: durch
letzteren Vorgang entsteht in der Platte eine große, nur bindegewebig
geschlossene Fontanelle. Der laterale Rand der Sphenolateralplatte
zieht sich lateralwärts in einen Vorsprung aus, der den Namen Proc.
postorbitalis erhalten hat; der mediale Rand steht vorübergehend
bei Tinnunculus mit dem vorderen Planum supraseptale (s. u.) in Ver-
bindung. Im übrigen besteht aber zwischen dem medialen Rande dei-
Sphenolateralplatte und dem hinteren Rande des Septum interorbitale
eine große Lücke des primordialen Skelettes; hier besitzt das Cavum
cranii keine knorpelige Seitenbegrenzung. Der N. opticus, der hinter
dem Septum interorbitale das Schädelcavum verläßt, tritt durch diese
große Seitenfontanelle hindurch.
An der Decke des Cavum cranii kommt es zu keiner aus-
gedehnten V^erknorpelung, nur vorübergehend treten bei Tinnunculus,
wie Suschkin gezeigt hat, am hinteren Rande des Corpus pineale
zwei kleine Knorpelinseln auf, in der Dicke des Bindegewebes, das
die Decke bildet. Sie verschwinden später gänzlich.
In der vorderen Hälfte der Orbito-temporalregion differenziert
sich außer den Trabekeln eine selbständige Gewebsverdichtung, die
Suschkin mit dem Namen Intertrabecula bezeichnet. Sie liegt
in der Medianebene und setzt sich zwischen den Nasensäcken nach
vorn fort; aus ihrem orbitalen Abschnitt geht das Septum inter-
orbitale, aus dem nasalen Abschnitt das Septum nasi und die
Cartilago praenasalis hervor.
Das Septum interorbitale (Fig. 393) bildet sich zwischen
den Augen in der vorderen Hälfte der Orbito-temporalregion, vor der
Fossa hypophyseos. Sein ventraler Rand verschmilzt mit den Trabekeln,
an seinem hinteren, frei anstehenden Rande liegt das Chiasma opticum.
Es nimmt im Laufe der Entwickelung sehr beträchtlich an Höhe und
Länge zu, und in ihm tritt, nachdem es anfangs, auch nach der Ver-
knorpelung noch, solide war, durch Knorpelresorption eine Lücke,
Fenestra septi, auf. An den hinteren Rand des Septums stoßen
die häutigen Seitenwände des hinteren Teiles der Orbito-temporal-
region an, während sich an den oberen Rand die nach oben diver-
gierenden Seitenwände des supraseptalen, vordersten Schädelhöhlen-
806 E. Gaupp,
abschnittes anschließen. Die letzteren verknorpeln streckenweise, so
(laß in den häutigen Wänden knorpelige Supraseptal platten ent-
stehen. Bei Tinnunculus ist dies, der Darstellung von Suschkin zu-
folge, au zwei Stelleu, einer vorderen und einer hinteren, selbständig
der Fall. Zuerst entsteht jederseits eine Supraseptalplatte über dem
vordersten Teil des Septums als Seitenbegrenzung des vordersten
Zipfels der Schädelhöhle. Diese vordere Supraseptalplatte (Supra-
orbitalplatte, Suschkin) wird dicht neben dem Septum interorbitale,
also ganz basal, von einem Foramen (For. olfactorium evehens) durch-
bohrt, durch das der N. olfactorius aus dem Cavum crauii heraustritt,
um direkt ventralwärts zu dem Nasensack zu verlaufen. Das Cavum
cranii selbst schließt also hier blind ab, und zwar wird dieser Ab-
schluß vorn bewirkt dadurch, daß im Anschluß an den oberen Rand <
des Septum interorbitale nach hinten hin das Gew^ebe verknorpelt,
das die Decke über dem vordersten Schädelhohlenabschnitt bildet. So
entsteht über dem letzteren ein Knorpeldach, und indem sich mit
diesem die vorderen Supraseptalplatten beider Seiten in Verbindung
setzen, werden die Nu. olfactorii bei ihrem Abgang von dem Gehirn
sogar von einer geschlossenen Knorpelröhre umgeben. Die vorderen
Supraseptalplatten gehen bald wieder zu Grunde, der Deckenknorpel
bleibt aber bestehen, wuchert sogar noch weiter kaudalwärts und bildet
so einen vom oberen Rande des Septum interorbitale nach hinten
vorspringenden Fortsatz. Er mag Processus tectalis heißen
(Fig. 393).
Die vordere Supraseptalplatte steht bei Tinnunculus wenigstens zeitweise kon-
tinuierlich mit dem olleren Rande der iSphenolateralplatte in Verbindung (Suschkin).
Offenbar entspricht die Verbindungsbrücke der Taenia marginalis der Saurier. Bei
Gallus ist in Stadien, die jünger sind als das des ToKKOFF'schen Modelles, ebenfalls
jederseits eine Supraseptalplatte als Seitenwand des vordersten Zipfels der Schädel-
höhle vorhanden.
Das hintere viel später auftretende Paar von Supraseptalplatten
beschreibt Suschkin unter dem Namen Cr bitosphen oide. Diese
kleinen Platten sitzen viel weiter hinten, oberhalb der Nn. optici, auf
der am meisten nach hinten und oben vorspringenden Stelle der Sep-
tumkante und stehen bei Tinnunculus mit den vorderen Supraseptal-
platten nicht in Verbindung.
Möglicherweise ist bei anderen Vögeln ein solcher Zusammhang noch nach-
weisbar, denn offenbar stellen auch die ,,Orbitosphenoide" Verknorpeluugen der
supraseptal gelegenen Schädelseitenwände dar. Ob es diese hinteren Supraseptalia
sind, die in Tokkoff's Modell vom Hühnchen (Fig. 393) zur Darstellung gekommen
sind, bin ich mangels der nötigen Entwickelungsstadien nicht zu entscheiden im
Stande. Auf Serien von jüngeren Gallusembryonen finde ich viel ausgedehntere
supraseptale Knorpelpartieen, als Tonkoff's Modell zeigt, aber weiter vorn.
Besondere Beachtung verdient das Verhalten des N. olfactorius zum
Primordialcran iu ra. In jüngeren Stadien, wenn das Septum interorbitale noch
keine sehr große Ausdehnung besitzt, erstrecken sich die Hemisphären weit nach
vorn, die Lobi olfactorii liegen den Nasensäcken sehr nahe, die Nn. olfactorii sind
sehr kurz und ziehen nach ihrem Austritt aus dem Schädelcavum fast senkrecht am
Interorbitalseptum zu den Nasensäcken herab. Ob bei irgend einer Form zu irgend
einer Zeit ein Zusammenhang besteht zwischen dem Sheiettgewebe, das die Schädel-
höhle begrenzt, und dem, das die Hinterwand der Nasenkapsel bildet, wodurch ein
von Skelettgewebe umschlossener Canalis olfactorius gebildet würde, ist nicht bekannt.
Nach der Verknorpelung des Interorbitalseptums und der vorderen Supraseptal-
platten findet sich jedenfalls bei Gallus zwischen dem For. olfactorium evehens und
dem For. olfactorium advehens (am hinteren Umfang der Nasenkapsel) ein längerer
Abstand, und der N. olfactorius läuft hier längs des Septum interorbitale, nahe dem
oberen Rande desselben herab, mit seinem lateralen Umfang in die Orbita blickend.
Dorsalwärts wird er gedeckt durch eine Verbreiterung des oberen Septumrandes, die
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 807
wie ein schmales Dach nach der Seite vorspringt, vorn in das Dach der Nasenkapsel,
hinten in den Proc. tectalis übergehend. Durch Vorwachsen des vorderen Teiles des
8eptum interorbitale entfernt sich die Wurzel des Proc. tectalis (der das vorderste Ende
des Cavurn cranii bezeichnet) von dem For. olfactorium advehens; der Weg, den der
N. olfactorius durch die Orbita zurückzulegen hat, wird dadurch länger. Der N. ol-
factorius selbst verlängert sich, während die Lobi olfactorii mit den Hemisphären weiter
zurückweichen. Durch Schwund der vorderen Supraseptalplatte verliert auch der inner-
halb des Cavum cranii verlaufende Anfangsteil des N. olfactorius seine Skelettumwan-
dung; am knöchernen Schädel wird dann das For. olfactorium evehens durch das
Frontale begrenzt. Das ganze Verhalten des N. olfactorius bei den Vögeln erinnert
an das der Teleostier und hängt offenbar wie auch bei diesen mit der starken Aus-
bildung des Septum interorbitale zusammen. Im einzelnen liegen die Dinge aber
nicht ganz gleich und weisen auf selbständige Ausbildung ähnlicher Zustände von
verschiedenen Ausgangsformen und auf verschiedenen Wegen hin.
Ethm oidalregion. Im Gebiet der Ethmoidalregion erfolgt
die Verdichtung des Bindegewebes zuerst median, zwischen den beiden
Naseusäcken (nasaler Teil der Intertrabecula, Suschkin). Aus seiner
Verknorpelung gehen das Septum nasi und die vor die Nasensäcke
vorspringende Cartilago praenasalis hervor. Innerhalb des Nasen-
septums treten bei Tinnunculus 2 Fontanellen auf: eine hintere
(kraniofaciale Fontanelle, Parker, Suschkin) im hintersten Gebiet
der Nasenhöhle, und eine vordere im Vorhofsabschnitt. Die hintere
vergrößert sich im Laufe der weiteren Entwickelung und bricht durcli
den unteren Rand des Septums durch. So gestaltet sie sich zu einer
vom unteren Rand aus tief in das Septum einschneidenden Spalte
(kraniofaciale Spalte), durch die beim erwachsenen Tier die Bewegungen
des Oberschnabels (mitsamt dem ganzen Ethmoidalskelett) ermöglicht
werden. Die vordere Fontanelle schließt sich später. Als Hinterwand
der Nasenkapsel jeder Seite bildet sich ein Planum antorbitale.
Nach Suschkin entsteht der untere Teil desselben schon frühzeitig
im Anschluß an das vordere Ende der Trabekel, während der obere
sich erst später im Zusammenhang mit der lateralen Wand der Nasen-
kapsel bildet.
Nach seiner Ausbildung stellt das Planum antorbitale eine vierseitige Knorpel-
platte dar, die auf der Grenze der Orbital- und Nasalhöhle gelagert ist (wobei in-
folge der Größe der Augen ihr lateraler ßand zugleich etwas weiter vorn steht)
und mit ihrem lateralen Rande in die Seitenwand der Nasenkapsel übergeht, während
ihr ventraler, medialer und dorsaler Rand frei sind. Der mediale Rand ist durch
Bindegewebe mit dem Interorbitalseptum verbunden ; zwischen dem kurzen dorsalen
Rand, dem Sei:)tum interorbitale und dem Nasendach bleibt eme große Oeffnung,
durch die der N. olfactorius und der R. ethmoidalis des Trigeminus in die Nasen-
kapsel eintreten. Sie kann For. olfactorium advehens genannt worden, ent-
spricht aber diesem und einem For. orbitonasale. Bei Suschkin führt das Planum
fälschlicherweise den Namen Praefrontale (Fig. 392, 393).
Die Bildung der Decke und der Seitenwände der Nasenkapsel
erfolgt im Anschluß an das Septum nasi. Die Verdichtung des peri-
rhinischen Gewebes schreitet an der Decke, immer in Zusammenhang
mit dem oberen Rande des Septums, von hinten nach vorn vor und
setzt sich, von der Decke aus umbiegend, auf die Seiten wände fort.
Die Verknorpelung erfolgt in der gleichen Reihenfolge. So würd die
Nasenhöhle von einem Knorpelskelett umgeben, an dem der Konfi-
guration der Höhle entsprechend zwei Abschnitte zu unterscheiden sind:
der hintere Hauptabschnitt und der vordere V o r h o f s a b s c h n i 1 1.
An dem breiteren Hauptabschnitt verschmälert sich die Decke kaudal-
wärts, um in den oberen Rand des Septum interorbitale überzugehen ;
die Seitenwand, die hinten mit dem Planum antorbitale zusammenhängt,
folgt bei ihrer Ausbildung der Schleimhaut der oberen Muschel
(des Riechhügels) und bildet somit in deren Bereich eine Einbiegung
808 E. Gaupp,
von außen her, während sie in die u n t e r e Muschel eine solide Fort-
setzung von der Form einer mit dem freien medialen Rande ein-
gerollten Platte hineinsendet. Ueber die Basis dieser Knorpelinuschel
hinaus setzt sich die Seitenwand noch etwas weiter ventralwärts fort,
hört aber mit freiem ventralen und vorderen Rande auf, ohne mit
der Seitenwand der Vorhofskapsel zusammenzuhängen. Ein Boden
des Hauptteiles fehlt.
öuscHKiN nennt uubegreifliclierweise die ganze Seitenwand „mittlere Muschel".
Die Umwandung des Vorhofs teiles der Nasenhöhle mit Knorpel
ist eine vollständigere als die des Hauptteiles. Bei Tinnunculus bildet
sich eine Vorhofskapsel, die außer medial (Septum) und oben (Decke)
auch noch voin, seitlich, ventral, und in ihrer unteren Hälfte auch kaudal
geschlossen ist; somit behält sie nur lateral die Fenestra narina und
in der oberen Hälfte der Hinterwand eine große Oeffnung zur Kom-
munikation mit der Haupthöhle. Auch in den Wulst der Vorhofs-
muschel setzt sich die Skelettbildung in Form einer von der Wand der
Vorhofskapsel vorspringenden Platte fort, die zudem mit einem für
die Falken charakteristischen Höcker versehen ist. Die Hinterwand
der Vorhofskapsel wird bei Tinnunculus von 2 Oeffnungen für die 2
Ausführungsgänge der Glandula nasalis lateralis durchsetzt. Schließ-
lich besitzt Tinnunculus noch einen plattenförmigen Vorsprung der
Seitenwand der Vorhofskapsel über der Fenestra narina: accessorische
Vorhofsmuschel (Suschkin).
In prinzipiell gleicher Weise vollzieht sich die Verdichtung und Verknorpelung
des perirhinischen Gewebes, der Schilderung von Born (1879) entsprechend, beim
Hühnchen. Auch hier schreitet der Prozeß von hinten nach vorn, und außerdem
vom oberen Rande des Septums auf die Decke und die Seitenwände vor. Die
Bildung der sejatalen Gewebsverdichtung beginnt am 7. Tage, die Verkorpelung er-
folgt etwa vom S. Tage an, am 10. und 11. bildet sich die Vorhofskapsel. In der
2. Woche der Bebrütung erlangt auch der Pränasalknorpel eine erhebliche Dicke
und Länge. Während der letztere aber bei Tinnuncvilus verknöchert, geht er bei
Gallus, ebenso wie der untere Hand des Vorhofsseptums, gegen das Ende der Be-
brütung wieder zu Grunde (Parker, Born). Die Konfiguration der Nasenkapsel
bei Gallus weicht von der bei Tinnunculus in einigen Punkten ab. Wie das ToN-
KOFF'sche Modell zeigt, ist beim Hühnchen das Dach des breiten Hauptteiles von
dem schmäleren des Vorhofsteiles durch eine von außen einschneidende Spalte scharf
getrennt, und nur dicht neben dem SejDtumrande gehen beide Abschnitte durch
einen sehr schmalen Deckenstreifen ineinander über. Auf den Hauptteil läßt sich
im wesentlichen die obige Schilderung übertragen; der Vorhofsteil besitzt dagegen
bei Gallus keinen Boden.
Für eine rationelle Vergleichung der Nasenskelette verschiedener Vögel unterein-
ander und mit dem der Reptilien ist erst wenig Material vorhanden. Die Homo-
logie der unteren Muschel mit der Muschel der Reptilien ist schon von Gegenbaue
ausgesprochen worden; Born schließt sich ihm an und weist besonders nach, daß
die verschiedene Form der Muschel (solide Platte bei den Vögeln, hohle Ein-
buchtung bei den Sauriern) kein durchgreifendes Unterscheidungsmerkmal ist, das
der Homologisierung im Wege stände.
Schicksal der Nasenkapsel. Beim Huhn bleibt das knorpelige Nasen-
gerüst in größter Ausdehnung erhalten; der Proc. praenasalis geht zu Grunde. Bei
Tinnunculus unterliegt ein großer Teil des Nasenskelettes der Ossifikation.
B. Primordiales Visceralskelett.
Das Visceralskelett der Vögel besteht aus dem Kiefer-, dem
Zungenbein- und dem 1. Kiemenbogen, sowie einer Anzahl unpaarer
Copulae. Die Anlagen der Visceralbogen entstehen selbständig ohne
Zusammenhang mit dem neuralen Cranium.
K i e f e r b 0 g e n . Das P a 1 a t o (i u a d r a t u m (Fig. 393) legt sich
an der vorderen-lateralen Wand der Gehörkapsel an, von dieser durch
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 809
einen beträchtlichen Zwischenraum getrennt. In prochondralem Zu-
stand läßt es einen Körper und einen nach vorn-innen gerichteten
Fortsatz (Proc. orbitalis, wohl dem Proc. pterygoideus des Rep-
tilien-Palatoquadratums entsprechend) unterscheiden. Dieser anfangs
lange Fortsatz bleibt später im Wachstum zurück, dafür entwickelt
sich nach der Verknorpelung der Proc. oticus, der sich mit seinem
proximalen Ende von unten an den vorderen Teil des Can. semicircu-
laris anterior anlegt. An ihm differenzieren sich später ein medialer
und ein lateraler Gelenkhöcker: der mediale liegt der Ohrkapsel, der
laterale dem Squamosum an. (Ueber den Knorpel, der sich bei Gallus
zwischen die Ohrkapsel und das Palatoquadratum einschiebt, s. Ohr-
kapsel.) — Auch am distalen Ende des Palatoquadratums, mit dem der
MECKEL'sche Knorpel in Verbindung steht, differenzieren sich 2 Ge-
lenkhöcker, ein medialer und ein lateraler. — Die Meckel' sehen
Knorpel stehen anfangs mit ihren vorderen Enden weit auseinander,
später legen sie sich aneinander. Am proximalen Gelenkende eines
jeden entwickeln sich außer der Gelenkfläche für das Palatoquadratum
2 Fortsätze, der Proc. angularis internus und der Proc. an-
gularis posterior (Proc. retroarticularis).
Zungenbein bogen. Der Hyalbogen ist, der Schilderung von
SuscHKiN zufolge, schon frühzeitig, auf prochondralem Stadium, in
einzelne Teilstücke gegliedert. Ein dorsales Stück (Hyomaudibulare,
Suschkin) berührt mit seinem proximalen Ende den Boden der Ohr-
kapsel und besitzt mehrere Fortsätze, von denen ein nach abwärts
gerichteter als Infrastapediale bezeichnet wird. Ihm schließt sich das
kurze, aber selbständige zweite Element (Stylohyale, Suschkin) an. Mit
diesem nur durch einen sehr dünnen, undeutlich abgrenzbaren Streifen
embryonalen Gewebes verbunden legt sich weit vorn am Mundhöhlen-
boden als selbständige Gewebsverdichtung das Keratohyale an. Im
weiteren Verlauf der Entwickelung verschmelzen die beiden oberen Stücke,
und das so entstandene einheitliche Element bildet sich, verknorpelnd,
zur Columella auris um, an der das frühere Stylohyale einen
Teil des unteren Fortsatzes (Proc. infrastapedialis) bildet. Die Fuß-
platte der Columella entsteht nach Suschkin bei Tinnunculus dadurch,
daß das Gebiet der bereits verknorpelten Ohrkapselwand, gegen welches
sich das proximale Ende der Columella anlegt, durch cirkuläre Knorpel-
reduktion aus der Kapsel gewisser-
maßen herausgeschnitten wird und „ fVoc. dors.
mit dem proximalen Colu melk-
ende verschmilzt. An der Columella Extra- /f^ HsiC^vl Opercuium
columella — Iv^CV^;./ stapedis
Fig. 394. Linke Columella auris von
Tinnunculus alaudarius bei Beginn der \\ Knochencentrum
Verknöcherung; von unten und etwas von j' Pi-oc. infra-
hinten. Nach Suschkin. M/ st'aped.
bilden sich ferner als Fortsätze das sog. Suprastapediale und Extra-
stapediale aus ; die freien Enden beider werden durch eine selbständig
entstehende Knorpelbrücke untereinander verbunden, und so kommt
das bekannte Fenster der Vogelcolumella zu stände, das von einem
Blutgefäß durchsetzt wird. Das Ende des Extrastapediale verbindet
sich später mit dem Trommelfell. Die Anlagen beider Keratohyalia
verknorpeln selbständig, legen sich dann vor der Spitze der ersten
810
E. Gaupp,
Copula aneinander und verwachsen miteinander, wobei in der Mittel-
linie eine Spalte übrig bleibt. So erhält das aus der Verschmelzung
hervorgehende Knorpelstück die Form einer in der Mitte durchbrochenen
Pfeilspitze (Fig. 395). Im Anschluß hieran wuchert der Knorpel in
der Mittellinie noch weiter in die Zunge ein, so die sog. Cartilago
entoglossa bildend.
Der Schilderung SuscHKm's zufolge wäre also die Columella in der Hauptsache
hyalen, die Fußplatte aber labyrinlhären Ursprunges. Die Angaben bezüglich der
Bildung der letzteren bedürfen jedoch der Nachprüfung. Der als Proc. infrastape-
dialis bezeichnete Fortsatz ist nicht dem Proc. internus der Lacertiliercolumella zu
vergleichen, da er aus Teilen der ursprünglichen Zungenbeinbogenanlage selbst
hervorgeht, während der Proc. internus der Sauriercolumella einen sekundären Aus-
wuchs der Columellaanlage darstellt (Versluys 1903). In dem Verhalten des Proc.
infrastapedialis der Vögel sieht Versluys eine an die Krokodilembryonen und an
Sphenodon erinnernde Einrichtung. Das sog. Suprastapediale entspricht wahrschein-
lich dem Proc. dorsalis des Sauriercolumella, das Extrastapediale der Vögel ist der
laterale Stielabschnitt der Extracolomella der Saurier, die Verbindungsspange zwischen
beiden (bei den Vögeln) ist eine Wiederholung der bei Sphenodon vorhandenen
(Versluys 1903). Die Zerlegung der Columella in einen Stapes und eine Extra-
columella erfolgt erst durch den Ossifikationsprozeß.
Dentale
Operculare (Praeoperc.)
Supraangulare -
Angulare-
Crirt. Meckel.
Carl, entoglossa
C'nrnu hyale
C'ojjula I
^.Keratobranchiale I
— Proc. retroart.
Epibranchiale I
Fig. 395. Unterkiefer und Hyobranchialskelett des Modelies Fig. 392; von
der Ventraiseite. Die weiße Partie im Keratobranchiale I stellt perichondralen
Knochen dar.
Der erste Branchialbogen, der einzige, der bei Tinnunculus
(auch beim Hühnchen) zur Entwickelung kommt, ist schon auf pro-
chondralem Zustand in seine zwei als Keratobranchiale und
Epibranchiale unterschiedenen Abschnitte gegliedert. Das vordere
Ende des Keratobranchiale legt sich an die Grenze der beiden Copulae
an (Fig. 395).
Un paare Copulae werden bei Vögeln zwei angelegt. An die
Die Ent Wickelung des Kopfskelettes. Sil
Spitze der vorderen legt sich das Keratohyale, an die Grenze zwischen
beiden Copulae legt sich das Keratobranchiale an. Beide Copulae
sind in Knorpelzustaud lauge voneinander getrennt, verwachsen aber
untereinander beim erwachsenen Tinnunculus. Von der unteren Seite
des vorderen Endes der ersten Copula gliedert sich manchmal ein
Knorpelbezirk ab, den Suschkin als ein Glossohyale autfaßt.
Diese Auffassung hat nicht gerade viel Wahrscheinlichkeit für sich. Plausibler
erscheint es, in dem vorderen unpaaren Teil der Cartilago entoglossa ein Glossohyale
zu sehen, das seine Selbständigkeit verloren hat. Dies scheint auch die Auffassung
von Gegenbaur (1898) zu sein. Jedenfalls erweist sich das , große" Hörn des
Zungenbeinapparates der Vögel als ein Cornu branchiale primum, während das Cornu
principale (hyale) nur durch den lateral-hinteren Vorsprung des Entoglossum reprä-
sentiert wird. (Eine während des Druckes erschienene Arbeit von Kallius, die
manche neue Thatsachen und Auffassungen enthält, konnte leider nicht mehr benutzt
werden.)
IL Die Schädelknochen.
Auch bei den Vögeln entstehen die Deckknochen vor den Ersatz-
knochen. Die Zahl der zur Anlage kommenden Stücke beider Kate-
gorien ist groß, namentlich zeigen die Ersatzknochen eine Vermehiung
gegenüber anderen Wirbeltieren. Die einzelnen Knochen behalten
aber nur eine Zeit lang ihre Selbständigkeit; wenn der Vogel die
ersten Flugversuche macht (Magnus), treten ausgedehnte Verwachsungs-
vorgänge ein, die die Individualität der einzelnen Knochenstücke ver-
nichten und ihrem weiteren Wachstum ein Ziel setzen. Daher sind
am ausgebildeten Schädel nur wenige Knochengrenzen noch erkennbar.
Knochen im Gebiete des Oberschädels.
Der Ersatz des neuralen Primordialcraniums durch perichon-
dral entstandene Knochen ist bei den Vögeln ein sehr voll-
ständiger, nur in der Ethmoidalregion bleiben einige Knorpelreste
erhalten. Die Ersatzknochen des neuralen Craniums verschmelzen bei
Tinnunculus alle miteinander, viele von ihnen verwachsen auch mit
Deckknocheu. Die Ersatzknochen treten nach den Deckknochen auf.
In der 0 c c i p i t a 1 r e g i o n bilden sich ein B a s i o c c i p i t a 1 e
und zwei Pleuroccipitalia; das aus der Verknöcherung des Tect.
synoticum hervorgehende S u p r a o c c i p i t al e vervollkommnet das
Occipitalsegment. Supraoccipitale und Pleuroccipitalia greifen auf die
Ohrkapseln über.
Das Basioccipitale erscheint ziemhch spät; es tritt zuerst in Form zweier
perichondraler Knochenlamellen auf der Basalplatte, einer dorsalen und einer ven-
tralen, auf. Von beiden Lamellen aus dringt der Ossifikationsprozeß in die Basal-
platte ein, beide Lamellen werden so vereinigt, und der Knorpel der Basalplatte
wird durch Knochen ersetzt. Später verschmilzt das Basioccipitale mit dem Basi-
spheaoid und den beiden Pleuroccii^italia. Der Condylus occipitalis verknöchert bei
Tinnunculus nur vom Basioccipitale aus, bei vielen anderen Vögeln beteiligen sich
daran auch die Pleuroccipitalia.
Das Pleuroccipitale jeder Seite ist in seiner ersten Entstehung noch nicht
verfolgt worden; es ist daher unbekannt, von wo die Verknöcherung ausgeht. Der
Knochen ersetzt den lateralen Teil der Occipitalregion und dringt auch in den Occi-
pitalflügel und von hier in die Ohrkapsel ein ; er umschließt die Oeffnungen des
Hypoglossus, Accessorio- Vagus und Glossopharyngeus. Später verwächst er mit dem
Basioccipitale, Supraoccipitale und Opisthoticum. Bei vielen Vögeln erstreckt er sich
in den Condylus occipitalis hinein, nimmt also teil an der Zusammensetzung des-
selben; bei Tinnunculus nicht.
Das Supraoccipitale entsteht als unpaare Verknöcherung des Tectum
synoticum. Von hier schreitet die Ossifikation auf die beiden Ohrkapseln (Canales
anteriores) fort. Später verschmilzt der Knochen mit den Pleuroccipitalia und mit
den periotischen Ossifikationen. Beim Hühnchen sind paarige Centra vorhanden
(Parker),
812 E. Gaupp,
Im Gebiete der Oticalregion findet Suschkin bei Tinnnnculus
als selbständig auftretende periotische Ossifikationen : 0 p i s t h o t i -
cum, E p i 0 1 i c u m , P r o o t i c u m und einige komplementäre Knochen-
centren an der inneren Ohrkapselwand. Die Ossa periotica ver-
schmelzen alle untereinander sowie mit den benachbarten (Deck- und
Ersatz-)Knochen. Auch beim Hühnchen beschreibt Parker ein Pro-,
Epi-, Opisthoticum.
Das Opisthoticum entsteht bei Tinnnnculus als Verknöcherung am Canalis
semicircularis posterior und breitet sich von hier am inneren wie am äußeren Um-
fang der Ohrkapsel aus. Es verschmilzt mit dem Pleuroccipitale und dem Prooti-
cum. Bei manchen V^ögeln nimmt es an der Begrenzung des Hinterhauj^tsloches
teil (Gadow).
Das Epioticum tritt spät (längere Zeit nach dem Ausschlüpfen) auf als un-
bedeutende und vielen individuellen Schwankungen unterworfene Ossifikation am
oberen Teil des Canalis semicircularis posterior. Es verschmilzt mit dem Pleurocci-
pitale und dem 8upraoccipitale.
Das Prooticum beginnt am vorderen Umfang der Ohrkapsel aufzutreten;
die Ausgangsstelle der Verknöcherung giebt Suschkin nicht an. Es dehnt sich am
äußeren wie am inneren Umfang der Ohrkapsel weit aus, umschließt das Foramen
faciale und von hinten her das For. prooticum. Ein kleines komplementäres Ver-
knöcherungscentrum tritt an der medialen Wand der Ohrkapsel unter dem For.
endolymphaticum auf und verschmilzt später mit dem Hauptcentrum ; ein zweites
besonderes Verknöcherungscentrum erscheint am vorderen Rande des Foramen N.
cochlearis, bleibt eine Zeit lang selbständig, verschmilzt aber dann mit dem Pro-
und Opisthoticum an der medialen Ohrkapselwand. Von dem Prooticum aus schreitet
die Verknöcherung auch auf die Knorpelbrücke über dem Foramen prooticum fort ;
Verschmelzung des Prooticums mit dem Alisphenoid tritt ein.
In der Orbito-temporalregion kommen zur Entwickelung:
ein Basisphenoidale. zwei Alisphenoidalia, zwei Orbito-
sphenoidalia und mehrere Verknöcherungen im Septum interorbi-
tale. Die hauptsächlichste von diesen letzteren entsteht auf der Grenze
des Septum interorbitale gegen das Septum nasi ; sie mag den ihr von
Suschkin gegebenen Namen Mesethraoid behalten und wird unter
den Ossifikationen der Ethmoidalgegend zur Sprache kommen. Zwei
andere von Suschkin als komplementäre Centra des Mesethmoids be-
zeichnete Ossifikationen gehören nur dem Septum interorbitale an ;
ich werde sie als Praesphenoidali a bezeichnen. Die Beziehungen
aller dieser Centren zu den sphenoidalen Verknöcherungen der Säuger
sind noch ganz unbestimmt.
Die Verknöcherung des Basisphenoidale geht vom hinteren Ende des
Rostrura oss. parasphenoidalis aus. Von hier setzt sie sich paarig durch Eindringen
periostaler Sprossen zuerst in die beiden Processus basitrabeculares fort und ver-
breitet sich nach vorn und nach hinten, immer im Zusammenhang mit dem hinteren
Teil des Rostrum parasphenoidalis. Die Umgebung der Hypophysengrube mit den
Oeffnungen für die Aa. ophthalmicae und für die Nn. oculomotorii und der vordere Teil
der Basalplatte mit den Abducensöffnungen werden so durch Knochen ersetzt, durch
Zusammenfließen der Ossifikationen beider Seiten entsteht ein unpaares Knochen-
stück. Hinter der Hypophysengrube bilden der Defekt im knorpeligen Clivus sowie
die hintere basikraniale Fontanelle die Wege, auf denen die Verknöcherung an die
Innenfläche des Schädels dringt. In späteren Stadien tritt ein paariges Ergänzungs-
centrum, Peripitui tarcentrum (Suschkin), auf, das hinter der Hypophysen-
grube im Knorpel des Clivus jederseits lateral von dem medianen Einschnitt des-
selben gelegen ist; von hier geht die Verknöcherung auf die Membran über, die den
erwähnten Einschnitt überspannt, so daß ein knöchernes Dorsum sellae entsteht.
Vor der Hypophysen grübe verknöchert der hintere Teil des Septum interorbitale vom
Basisphenoid aus. Verschmelzungen erfolgen mit dem Basioccipitaic, den periotischen
Verknöcherungen, den Alisphenoiden und dem Mesethmoid. Vom Basisphenoid geht
die Ossifikation auch auf die bindegewebige Wand des Recessus tympani anterior
über. — Das Dorsum sellae ist dem Gesagten zufolge in seiner medianen Partie erst
knorpelig, dann bindegewebig, dann knöchern.
Das sog. Alisphenoid ale stellt eine Verknöcherung des Sphenolateral-
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 813
knorpels dar, die bei Tinnunculus vom unteren Eande der in demselben befindlichen
Fontanelle ihren Ausgang nimmt. Der Knochen umwächst die Fontanelle und dringt
in den Proc. postorbitalis ein. In der Folge setzt sich die Verknöcherung auch auf
das Bindegewebe fort, das in der erwähnten Fontanelle ausgespannt ist und schließt
dieselbe knöchern vollständig; ferner auch auf das Bindegewebe, das die große,
zwischen Sphenolateralknorpel, Interorbitalseptum und Os frontale befindliche Lücke
verschließt. Auch dieses verknöchert so zum großen Teil von dem Alisphenoid aus ;
der N. trochlearis wird dabei in ein besonderes Foramen eingeschlossen (Tinnunculus
und andere Falken) oder gemeinsam mit dem N. opticus umgeben. Verschmelzung
des Alisphenoids tritt ein mit dem Basisphenoid, den periotischen Verknöcherungen
(Prooticum), dem Orbitosphenoid , Frontale, Squamosum. Beim Hühnchen ver-
knöchert das Alisphenoid von zwei Ceutren aus, die vor und hinter der Fontanelle
liegen. Auch der Proc. postorbitalis erhält später ein eigenes Centrum (Parker).
Das Orbitosphenoid geht aus der Verknöcherung der hinteren 8upraseptal-
platte hervor. Die Verknöcherung tritt spät, postembryonal, auf. Beide Ürbito-
sphenoide verwachsen untereinander und mit den Verknöcherungen des oeptuni inter-
orbitale, mit dem Alisphenoid und dem Frontale jeder Seite. Sie helfen die Foramina
optica begrenzen.
Präsphenoidale Ossifikatio nscen tra finden sich bei Tinnunculus
nach. SuscHKiN in der Zweizahl. Das eine liegt hinter, das andere über der Fenestra
septi interorbitalis. Suschkin bezeichnet sie als komplementäre Centra des Mes-
ethraoids. Das hintere Centrum verschmilzt mit beiden Orbitosphenoidalia, an
deren Wurzel es liegt, im übrigen tritt Verschmelzung beider Centra untereinander
sowie mit dem Mesethmoid ein. Auf diese Weise wird, da auch das ßasisphenoid
weit in das Septum interorbitale vordringt, das letztere völlig in Knochen über-
geführt.
In der Ethmoidalregion treten bei Tinnunculus länp;ere Zeit
nach dem Ausschlüpfen Ossitikationscentren in größerer Anzahl auf,
teils unpaar median, teils paarig. Sie gehören dem Hauptteil der
Nasenkapsel, dem Vorhofsteil und der Cartilago praenasalis an. Alle
diese ethmoidalen Verknöcherungeu Hießen untereinander zur Bildung
des knöchernen Ethmoidalskelettes zusammen, das auch mit den be-
nachbarten Deckknochen in Verwachsung tritt. Die Verknöclierung
des Planum antorbitale verwächst mit dem Septum interorbitale.
Knorpelig bleiben bei Tinnunculus nur eine quere Zone am Dach der
Nasenkapsel über der kraniofacialen Spalte: dadurch wird die selb-
ständige Beweglichkeit des Oberschnabels ermöglicht; ferner ein großer
Teil der Seitenwand des Hauptabschnittes der Nasenkapsel mit der
mittleren Muschel.
Im speciellen beschreibt Suschkin bei Tinnunculus folgende Centra. Zwei
unpaare Centra liegen übereinander im Septum interorbitale, am Uebergang des-
selben in das Septum nasi; sie fließen bald zusammen und bilden das Meseth-
moid eum SusCHKix's. Von ihm aus verknöchert das Septum zwischen der Fe-
nestra septi interorbitalis und der kraniofacialen Spalte; am hinteren Rande der
letzteren, ganz ventral, tritt ein kleines selbständiges komplementäres Centrum hinzu.
Das Mesethmoid verschmilzt mit dem Basisphenoid unterhalb der Fenestra septi
interorbitalis, mit den präsphenoidalen Ossifikationen und den vorderen Verknöche-
rungen der Ethmoidalgegend. Ferner treten auf: ein unpaares Centrum im Se2)tum
des Hauptabschnittes der Nasenhöhle, vor der kraniofacialen Spalte; jederseits ein
Centrum im Planum antorbitale; jederseits zwei Centra am Dach der Vorhofskapsel
über der Apertura nasalis externa, eins am unteren Rande dieser Apertura, eins in
der unteren Wand der Vorhofskapsel, und endlich ein unpaariges am Dach der Vor-
hofskapsel. Die Cartilago praenasalis verknöchert von einem unpaaren und zwei
paarigen Centren aus. Die Verknöcherung der unteren Wand der Vorhofskapsel
hängt frühzeitig zusammen mit dem Proc. palatinus oss. maxillaris; Süschkin hält
es für möglich, daß hier die Deckknochenossifikation auf den Knorpel übergreift.
Dasselbe ist vielleicht auch der Fall vorn lateral am Pränasalknorpel: hier entsteht
die Verknöcherung im Zusammenhang mit dem Proc. palatinus oss. praemaxillaris.
Bei Gallus ist nach Parker noch 9 Monate nach dem Ausschlüpfen das
Nasenskelett, abgesehen von dem Mesethmoid, knorpelig. Die Verknöcherung scheint
auch lange nicht so vollständig zu werden wie bei Tinnunculus, was offenbar mit
der Art der Nahrung, die an das Ethmoidalskelett von Tinnunculus größere An-
forderungen stellt, zusammenhängt. Der Pränasalknorpel geht bei Gallus zu Grunde.
814 E. Gaupp,
Als Deckknocheu im Gebiete des neuralen Cianiuins entstehen:
Parietale, Frontale,Nasale,Squamosuin, Praefrontale,
Z y g 0 m a t i c u m (alle paarig), Parasphenoid (dreiteilig entstehend,
dann unpaar werdend), Vom er (paarig entstehend, dann unpaar werdend),
Praem axillare (wie Vomer), M axillare (paarig). Dazu kommen
einige accessorische, nicht bei allen Formen konstante Knochen. Die
Deckknochen des Schädelgewölbes entstehen spät, infolge der starken
Entwickelung des Gehirns in frühen Stadien.
Das Parietale entsteht, wie Tonkoff's Modell (Fig. 393) zeigt, beim Hühn-
chen lateral, am oberen Rande der Ohrkapsel, ziemlich weit hinten. Von hier
wuchert es nach innen; sein hinterer Rand stützt sich später auf das Tectum syn-
oticum resp. das Supraoccipitale.
Das Frontale entsteht ebenfalls lateral (Fig. 393). Mit seinem hinteren Ab-
schnitt bildet es sich über dem oberen Rande des Sphenolateralknorpels, mit seinem
vorderen Abschnitt legt es sich auf den Processus tectalis und das Dach der Nasen-
kapsel. Es ist somit sehr ausgedehnt. Von dem hinteren breiten Abschnitt ist der
äußere Rand als sog. Proc. orbitalis ventralwärts abgebogen und hilft so die mediale
Wand der ürbito-temporalhöhle bilden.
Das Nasale bildet sich als Belegknochen auf dem Dach des hinteren Ab-
schnittes der Nasenkapsel.
Das S quam OS um (Fig. 393) erscheint als Deckknochen vorn und seitlich in
der Oticalregion. Sein unterer Rand stützt sich auf den Vorsprung, der an der
Ohrkapsel durch den äußeren Bogengang bewirkt wird, der aufsteigende Vorderrand
liegt dem oberen Rande des hinteren Abschnittes der 8phenolateralplatte an. Es
erreicht eine ziemlich beträchtliche Ausdehnung und gewinnt mit seinem oberen Ab-
schnitt auch Anteil an der direkten Begrenzung des Cavum cranii. Die vordere
Ecke seines unteren Randes, die außen vom proximalen Ende des Palatoquadratums
liegt, bildet eine Gelenkfläche für den lateralen Gelenkhöcker dieses Endes aus.
Bei Tinnunculus wird der Articularfortsatz des Squamosums außen durch den
Knorpel des Occipitalf lügeis überwachsen.
Das Praefrontale (Lacrimale Autt.) entsteht als Deckknochen am vorderen
Rande der Orbita (Fig. 393). Mit seinem medialen Rande legt es sich dem hinteren
Teil des Ethmoidalskelettes an. Ein supraorbitaler Abschnitt bedeckt den vorderen
Teil des Augapfels. Die Homologie dieses Knochens mit dem Praefrontale der Rep-
tilien ist kaum zu bezweifeln.
Das Zygomaticum entsteht bei Gallus als Verknöcherung in der binde-
gewebigen Jochbogenanlage zwischen Quadratojugale und Maxillare. Bei Tinnun-
culus fehlt es.
Das Parasphenoid der Vögel zeigt die sehr wichtige und interessante Be-
sonderheit, daß seine Anlage eine 3-fache ist. Der vordere unpaare Teil (Rostrum
parasphenoid ei) entsteht unter dem ventralen Rande des Septum interorbitale
vor der Hypophysengrube; die beiden lateralen Querschenkel entstehen als Ossa
basitemporalia Autt. selbständig am Ventralumfang der Basalplatte und der
Ohrkapsel, vor der Pars cochlearis capsulae auditivae jeder Seite. Später verwachsen
alle 3 Teile miteinander. Der Rostrumabschnitt wächst nach hinten, schließt als
breite Platte die Hypojahysengrube von unten (vorübergehende Durchbohrung durch
den Hypophysenstiel) und wuchert auch an den Wänden der Hypophysengrube in
die Höhe. Von dem Parasphenoid geht die Verknöcherung des Basisphenoids aus,
so daß es in späteren Stadien untrennbar mit den Ersatzknocheu der Schädelbasis
verbunden ist.
Der Vomer entsteht paarig am unteren Rande des Septum nasi, wird aber
dann bald durch Verschmelzung beider Hälften unpaar. Er bleibt bei Tinnunculus
zeitlebens selbständig, d. h. er verschmilzt nicht mit anderen Knochen.
Das Praemaxillare entsteht als paarige Verknöcherung am Pränasalknorpel
(Fig. 393). Die beiderseitigen Knochen verschmelzen bald und bilden hauptsächlich
den Oberschnabel. Beiderseits verwachsen bei Tinnunculus die Vorderenden der
Palatina mit dem Zwischenkiefer. Auch mit dem Ethmoidalskelett tritt bei Tin-
nunculus Verwachsung ein.
Das Maxillare entsteht ventral vom Vorhofsteil der Nasen kapsei über der
Mundschleimhaut (Fig. 393). Der Körperabschnitt bleibt sehr klein und entsendet
einen Proc. palatinus und einen Proc. zygomaticus. Der Proc. palatinus verwächst
bei Tinnunculus später mit der verknöcherten unteren Nasenkapselwand und an
seinem Innenrand mit dem entsprechenden Fortsatz des anders&eitigen Knochens.
Auch das Nasale verwächst mit dem Maxillare.
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 815
Zu den inkonstanten Elementen gehören zunächst Verknöcherungen, die
im membranösen Teil des Gehörganges auftreten, in wechselnder Zahl und Lage
entweder selbständig bleiben oder später mit benachbarten Ersatzknochen verschmel-
zen (Gadow). Sie wurden für Reste eines Anulus tympanicus gehalten, eine Vor-
stellung, der Gadow wohl mit Recht entgegentritt. — Ferner bildet sich bei vielen
Vögeln ein als Siphon i um bezeichnetes Knöchelchen, in der Umgebung des Ganges,
der die Luft aus dem Cavum tympani in den Unterkiefer leitet.
Das P a 1 a 1 0 q u a d r a t u 111 verknöchert als 0 s q ii a d r a t ii m . Von
den Knochen des Pterygopalatinbogeus bewahrt nur das Pterygoid
noch eine Andeutung davon, daß es ursprünglich als Deckkuochen
der Pars palatina Palatoquadrati entstand, das Palatinum hat infolge
der Reduktion dieser Pars palatina jede Beziehung zu knorpeligen
Teilen verloren. Das Q uadratoj ugale zeigt ebenfalls die Natur
eines Deckkuochens am Palatoquadratum nur noch angedeutet.
Das Pterygoideum bildet sich am Dach der Mundhöhle; von dem Proc.
orbitalis des Palatoquadratum, der dorsal von ihm in etwa gleicher Richtung zieht,
bleibt es durch einen größeren Zwischenraum getrennt. Sein hinteres Ende erreicht
das Quadratum, und zwischen beiden Skelettstücken bildet sich eine Gelenkverbin-
dung aus. Das vordere Ende tritt in Verbindung mit dem Palatinum und kommt
auch dem Rostrum des Parasphenoids sehr nahe. Die Gleitverbindung des Pterygo-
palatinbogeus mit dem Rostrum wird aber bei Tinnunculus ausschließlich durch das
Palatinum hergestellt. Das Pterygoid bleibt zeitlebens selbständig und erlangt bei
vielen Vögeln eine Gelenkverbindung an einem Proc. basipterygoideus der Schädel-
basis, lieber Form und Lage dieser Verbindung s. Gadow.
Das Palatinum entsteht ohne jede Beziehung zu knorpeligen Teilen am Dach
der Mundhöhle unter der Schleimhaut. Mit dem medialen Rande seines hinteren
verbreiterten Abschnittes nähert es sich im Laufe der Entwickelimg dem Rostrum
des Parasphenoids und geht mit diesem eine Gleitverbindung ein, außerdem verbindet
sich das hintere Ende mit dem Pterygoid, doch ohne mit ihm zu verschnielzen. Der
vordere schmale Teil wächst weit nach vorn hin aus und verwächst ventral von dem
Vorhofsteil der Nasenkapsel mit dem Praeraasillare.
Das Quadratojugale entsteht nach Süschkin als Verknöcherung in dem
schon vorher in bindegewebigem Zustand erkennbaren Jochbogen. Die Verknöcherung
beginnt am hinteren Ende; zwischen dem letzteren und dem Quadratum bildet sich
eine Artikulation aus, für die das Quadratojugale den Gelenkkopf liefert.
Knochen im Gebiete des Unterkiefers und des Hyobranchialskelettes.
Der Meckel' sehe Knorpel läßt durch Ossifikation seines proxi-
malen Endes das Articulare entstehen, während in dem distalen
Ende ein selbständiges Me nto mandibular e auftritt. Von beiden
geht bei Tinnunculus der Ersatz des gesamten MECKEL'schen Knorpels
durch Knochen vor sich. Beide Ersatzknochen bleiben aber nicht
selbständig, sondern vereinen sich mit den schon früher aufgetreteneu
Deckkuochen. Als solche entstehen bei Tinnunculus: Dentale,
Angulare, Supraangulare, Operculare (Praeoperculare?),
Com pl era en tar e (Fig. 395). Sie alle büßen ihre Selbständigkeit
ein und verschmelzen untereinander und mit den Ersatzknochen.
Beide Dentalia vereinen sich durch Verknöcherung der Symphyse.
Die Deckknochen sind schon beim Ausschlüpfen des Vogels fertig gebildet,
die Ersatzknochen treten dagegen erst einige Zeit danach auf. Auch die Verschmel-
zung beider Unterkieferhälften erfolgt erst nach dem Ausschlüpfen ; die Angabe,
daß das Dentale von vornherein unpaar auftritt, hat also für Tinnunculus (und auch
für Gallus) keine Giltigkeit. Das Supraangulare bildet ein Foramen für den dritten
Trigeminusast. Den als Complementare bezeichneten Deckknochen findet Suschkin
am inneren Umfang des Unterkiefers, in dem Winkel, den der MECKELsche Knorpel
mit seinem Proc. angularis internus bildet. Beim Hühnchen findet der Knochen durch
Parker keine Erwähnung, auch das ToNKOFF'sche Modell zeigt ihn nicht. Eine sog.
mandibulare Fontanelle zwischen den Deckknochen in der hinteren Hälfte des Unter-
kiefers bleibt bei Tinnunculus wie auch bei vielen anderen Vögeln bestehen (s. Magnus).
816 E. Gaupp,
In der Kapsel des Kiefergelenks bilden sich bei einigen Familien (Krähen u, a.)
zwei kleine Ossifikationen (Magnus).
Als zum Zungenbeinbogen gehörig wurde oben zunächst die
Columella auris geschildert. Diese ist bei Tinnunculus noch beim
Ausschlüpfen aus dem Ei knorpelig; bald darauf verknöchert ihre
innere Hälfte, als Stapes. Die Verknöcherung beginnt von dem dünnen
Stiel aus und setzt sich auf die Fußplatte fort. Die laterale Hälfte
mit den verschiedenen Fortsätzen bleibt knorpelig und führt beim
erwachsenen Vogel die Bezeichnung Extracolumella. Längere Zeit
nach dem Ausschlüpfen verknöchern auch die Keratohyalia. Beide
Centra, anfangs selbständig lateral auftretend, verschmelzen zu einem
unpaaren Knochenstück, von dem nur die vordere in die Zunge ein-
ragende Spitze knorpelig bleibt. Es bildet das Os entoglossum
des erwachsenen Vogels, dessen mediane Durchbohrung noch (bei
Tinnunculus und vielen anderen Vögeln) die Genese aus zwei ver-
schmolzenen Hälften andeutet.
Das K e r a t o b r a n c h i a 1 e und das Epibranchiale jeder Seite
verknöchern selbständig, von der Mitte ihrer Länge aus, das obere
Viertel des Epibranchiale bleibt bei Tinnunculus zeitlebens knorpelig.
Beide Copulae verknöchern bei Tinnunculus selbständig und
verwachsen schließlich untereinander. Das hintere Viertel der zweiten
Kopula bleibt zeitlebens knorpelig. Die Verwachsung der Copulae
unterbleibt bei vielen Vögeln.
Säuger.
Arbeiten, die sich mit der Entwickelung des Säuger- und Men sehen schäd eis
beschäftigen, liegen in großer Menge vor. Zusammenhängende Darstellungen
von der Entstehung des Gesamtschädels gaben vor allen Kölliker (1850, 1879),
DuRSY (1869), Parker (1874, 1885), Hannover (1880); wesentlich das Primordial-
cranium behandeln Jacobson (1842), Spöndli (1846), Decker (1883), Jacoby (1895),
Levi (1900), Fischer (1901 u. 1903); von Abhandlungen, die hauptsächlich die
Schädelknochen betreffen, sind die auf den Menschen bezüglichen von J. F. Meckel,
Eambaud u. Renault sowie von Toldt in erster Linie zu nennen. Dazu kommt
eine sehr große Anzahl von Arbeiten, die sich mit bestimmten Abschnitten des
Schädels oder mit einzelnen Knochen befassen, darunter viele, die nur gelegentliche
Beobachtungen über abnorme Befunde an Knochen mitteilen und eutwickelungs-
geschichtliche Betrachtungen daran knüpfen. Sie sind in den speciellen Abschnitten
wenigstens teilweise erwähnt — Vollständigkeit war dabei nicht beabsichtigt. Speziell
für den Menschen liegen zusammenfassende Darstellungen, vielfach durch eigene
Beobachtungen ergänzt, auch in Lehr- und Handbüchern vor (J. F. Meckel,
Sappey, Graf Speb, Le Double u. A.); für die Verhältnisse des ausgebildeten
Säugerschädels s. besonders M. Weber.
I. Primordialcranium.
Neurales Priinordialcraniuiii.
Die Verknorpelung des Primoidialcraniums beginnt nach Kölliker
beim Kaninchen am 14. und 15. Tage des Fötallebens; am 16. Tage
ist der Knorpelschädel bereits fast ganz angelegt. Die Knorpelbildung
beginnt an der gesamten Schädelbasis und den unteren Seitenteilen
des Schädels, ferner im Septum nasi wie in den Seitenteilen der
Ethmoidalgegend gleichzeitig; das Chondrocranium entsteht hier auf
einmal und wie aus einem Guß. Doch kann der einmal gel)ildete
Knorpelschädel noch wachsen. Jacoby (1895) führt die Gleichzeitig-
keit der Verknorpelung darauf zurück, daß das Kaninchen zur Zeit
der Entwickelung seines Primordialcraniums, d. i. in der Mitte seines
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 817
intrauterinen Lebens, im allgemeinen eine sehr rasche und gedrängte
Entwickelung erkennen läßt. Beim Menschen beginnt die Verknorpelung
des Schädels im zweiten Monat ; in der ersten Hälfte des dritten
Monats ist die Stufe der höchsten Ausbildung des Chondrocraniums
erreicht, von da an wäclist der Schädel gleichmäßig (Levi). Es treten
verschiedene Knorpelkerne zu verschiedenen Zeiten auf und vergrößern
sich mit verschiedener Geschwindigkeit.
Die Knorpelbildung nimmt in der Umgebung des vorderen Ab-
schnittes der Chorda dorsalis ihren Anfang und führt hier zur Ent-
stehung der Basalplatte, die die Grundlage der Schädelbasis bis
zur Hypophysen grübe darstellt. Von Froriep ist an Wiederkäuer-
embryonen (Schaf und Rind) gezeigt worden, daß ihr hinterer, occi-
pitaler, Anteil durch Einschmelzung von 4 Wirbeläquivalenten ent-
steht. Nur das letzte dieser Wirbeläquivalente gestaltet sich zu einer
in allen Charakteren wohlentwickelten Wirbelanlage, die im ganzen
Verlauf der Entwickelung bis zur Herstellung des definitiven Zustandes
mehr oder weniger deutlich von dem kranialwärts sich anschließenden
Gebiet zu unterscheiden ist. In letzterem ist die Zusammensetzung
aus einzelnen Wirbeln schon in der ersten Anlage nur spurweise an-
gedeutet : das unmittelbar perichordal gelegene Gewebe ist gleichmäßig
verdichtet, geht aber lateral in besondere verdichtete Streifen zwischen
den Myotonien über, die gewissermaßen Reste primitiver Wirbelbogen
bilden. Es sind 3 solcher Bogen vorhanden: zwischen den 3 vordersten
metotischen Myotonien und vor dem ersten derselben. Auf der Grenze
zwischen 3. und 4. metotischem Myotoin liegt der Bogen des hintersten
Occipitalwirbels. Zu den Myotonien treten 3 spino-occipitale Nerven
(Hypoglossuswurzeln), von denen jedoch nur die 2 hintersten auch
Reste der dorsalen Wurzeln besitzen.
Die Entwickelung des hintersten Occipitalwirbels der Wiederkäuer vollzieht
sich analog der der Halswirbel. Im primitiven Zustand der embryonalen Wirbelsäule
besteht seine Anlage aus einer verdichteten Gewebsplatte, die axial an der Chorda-
scheide befestigt ist und lateral zwischen das 3. und 4. metotische Myotom eingreift.
Durch Schwund des perichordalen Teiles verliert der Bogen seine Befestigung an
der Chordascheide, und der unmittelbar kaudal davon sich bildende Körperknorpel
fließt sofort mit dem Knorpelgewebe zusammen, das im Körpergebiet des vorderen
ungegliederten Occipitalteiis entsteht. Beide von der Chorda abgetrennte Bogenteile
werden, wie an den Halswirbeln, vorübergehend durch eine hypochordale Gewebs-
spange untereinander verbunden. Etwas später werden auch die Bogenmassen in
Knorpel umgewandelt, zuerst die des hintersten Occipitalwirbels, dann auch die
des ungegliederten Abschnittes, und Körper- und Bogenmasse der Occipitalregion
fließen zu einer umfangreichen Knorpeleinheit zusammen, an der nur die Hypo-
glossuskanäle die ursprüngliche Gliederung andeuten. Im Sinne Fürbringers sind
die 3 ersten occipitalen Myotonie als a, b, c zu bezeichnen ; die hintere Schädel-
grenze der Säuger liegt an gleicher Stelle wie die der anderen Amnioten (s. die
Tabelle auf S. 598). Bei der Ratte liegen die Dinge etwas anders als beim Rind:
der hinterste Occipitalwirbel besteht nur aus eijiem ventral von der Chorda geschlossenen
Bogenpaar ; ein Körperabschnitt wird in den Schädel nicht einbezogen (Weiss).
Auch beim Menschen sind embryonal 3 Hypoglossuswurzeln vorhanden, von
denen später die beiden kleineren kranialen zu einer einzigen verschmelzen (Levi).
Das Foramen Hypoglossi findet Jacoby bereits im Chondrocrauium des
Embrvo von 30 mm Scheitelsteißlänge einheitlich.
'o^
Die Seitenteile der Occipitalregion sind bei Säugern
nicht mehr steil aufgerichtet, sondern nach hinten hin basalwärts nieder-
gelegt, am stärksten und vollkommensten beim Menschen. Zwischen
ihnen und den Ohrkapseln bleibt jederseits das For. j ugu lare,
für die Glossopharyngeus-Vagus-Gruppe und die V. jugularis. Hinter
dem Foramen verbindet sich der Occipitalpfeiler mit dem kaudalen
Handbuch der Entwickelungslehre. III. 2. 52
818 E. Gaupp,
Umfang der Ohrkapsel und geht zugleich in eine breite Knorpelplatte
über, die das Foramen occipitale magnum dorsal resp. hinten abschließt,
jederseits auch mit den Ohrkapseln zusammenhängt und unschwer
als dem Tectum synoticum der niederen Vertebraten entsprechend
zu erkennen ist. Beachtung verdient ihre Lage : bei den meisten
Säugern steht sie vertikal, eine Fläche nach hinten, die andere nach
vorn kehrend, beim Menschen ist sie noch weiter basalwärts umgelegt
und kehrt die Fläche, die früher dorsalwärts blickte, ventralwärts. In
der starken Verbreiterung dieser Platte und in ihrer Stellungsänderung
ist zunächst der Einfluß der Volumszunahme des Gehirns zu erkennen,
beim Menschen kommt noch die basale Lagerung der Condyli occipitales,
die Umstellung der Ebene des Foranien occipitale magnum, hinzu,
eine Erscheinung, die mit dem aufrechten Gang in Zusammenhang zu
bringen ist.
Das Tectum synoticum, das wohl mit mehr Recht der Oticalregion zu-
zuzählen ist, entwickelt sich beim Menschen, wie Bolk, zum Teil in Bestätigung
von Angaben von Bessel Hagen, gezeigt hat, in eigentümlicher Weise. Zuerst
entsteht, wie es scheint durch selbständige Verknoriaelung, eine quergelagerte schmale
Deckenspange, die sich beiderseits mit der Ohrkapsel, resp. der sog. Parietalplatte
in Verbindung setzt. Sie hat mit der Umrandung des For. occipitale magnum nichts
zu thun, sondern liegt erheblich weiter dorsal resp. vorn. An ihren hinteren Rand schließt
sich die Membrana spinoso-occii^italis an, die lateral an den Ohrkapselu und den
Seitenteilen der Occipitalregion haftet und sich kaudalwärts in die Membran fort-
setzt, die um diese Zeit noch die Wirbelbogenhälften untereinander verbindet und
so den dorsalen Abschluß des Wirbelkanals bildet. Die dorsale Umrandung des
For. occipitale magnum kommt so zu stände, daß in diese Membran hinein von dem
kaudalen Umfang der Ohrkapseln und den Occipitalpfeilern aus Knorpelplatten
vorwachsen und sich schließlich in der Medianlinie bis auf eine von hinten her ein-
springende Incisura occipitalis posterior vereinigen. Die so gebildete breite Brücke
bleibt von der erstentstandenen Spange durch eine merabranös geschlossene Lücke
getrennt, in deren Verschlußgewebe vorübergehend ein paariger Knorpelkern auf-
tritt. D{;gegen verknöchert später dieses Gewebe (s. Supraoccipitale). Auch vor
der primären Deckenspange tritt noch ein bald wieder verschwindender Knorpelkern
auf. — Das Tectum entwickelt sich somit beim Menschen nicht als einheitliche
Bildung, sondern aus mehreren Stücken und wird auch nicht in ganzer Ausdehnung
knorpelig. Beide Erscheinungen lassen sich, wie auch Bolk meint, mit der starken
Entwickelung des Gehirnes in Zusammenhang bringen. Letztere bedingt eine starke
Verbreiterung der Schädelhöhle und die Niederlegung der Ohrkai^seln. Aber während
an anderen Teilen des Schädels, z. B. an den vorderen Teilen der Decke oder an
der orbitotemporalen Schädelseiten wand das Chondrocranium unter dem andrängenden
Gehirn überhaujjt schwindet, erhält sich das Tectum synoticum auch bei den Säugern
und erfährt sogar durch die neue ihm erwachsende Aufgabe den Antrieb zu ver-
stärkter Entwickelung, indem es die laterale Begrenzung des Uavum cranii mitüber-
nehmen hilft. So erweist es sich bei den Säugern als ein progredienter Abschnitt
des Chondrocraniums (Gaupp 1900j. Die Entwickelungsvorgänge beim Menschen
können dann dahin gedeutet werden, daß dieser progredienten Entwickelungsfähigkeit
auch Grenzen gesteckt sind : das Tectum kommt nicht mehr zur völligen Verknorpe-
lung. Um seine etappenweise erfolgende Ausbildung ganz zu verstehen, wäre es
nötig, die Wachstumsverhältnisse in der hinteren Schädelgegend genauer festzustellen.
Allan to - occipitalgelenke. An der^ Bildung der Atlanto-
occipitalgelenke beteiligen sich beim Rind von dem hintersten Occipital-
wirbel sowohl die sehr breite Körpermasse wie die Bogenmassen, vom
1. Halswirbel dagegen nur die Bögen (Froriep). Eine interessante
Beobachtung macht E. Fischer (1901): bei Maulwurfembryonen be-
steht nur eine einzige Gelenkspalte, in die die ganze hufeisenförmig
den vorderen Umfang des Hinterhauptsloches umsäumende Randzone
der Basalplatte blickt. Wie hieraus der definitive Zustand hervorgeht,
wurde noch nicht beobachtet, auch darüber, in welchem Umfange
andere Säuger Aehnliches zeigen, ist noch nichts bekannt. Für Echidna
kann ich Fischer's Beobachtung bestätigen.
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 819
Die erwähnte Thatsache bestätigt die von mir schon früher bestimmt ausge-
sprochene Autfassung, daß zwischen dem monocondylen Typus der Sauropsiden und
dem dicondylen derMammaHa eine unüberbrückbare Khift nicht besteht. Schon die
Uebereinstimmung des Grundplanes in der Bildung der kranio-vertebralen Verbindung
bei allen Amnioten ist so groß (Dens epistrophei, Lig. apicis!), daß dagegen die
Differenz, die in dem einfachen oder doppelten Condylus liegt, zurücktritt. Fischer's
Befund läßt nun auch diese Differenz als noch weniger wichtig erscheinen. Auch
die Paläontologie (Osborn) ist zu dem Schluß gekommen, daß der monocondyle
Sauropsiden- und der dicondyle Säugertypus nicht unvermittelt bestehen, sondern
gemeinsame Ausgangsformen (dreiteiliger Condylus) haben. Damit befestigt sich die
Auffassung, daß die hintere Schädelgrenze bei allen Amnioten an gleicher Stelle
hegt, und der Säugerschädel entfernt sich weiter von dem Amphibienschädel, mit
dem man ihn auf Grund der doppelten Hinterhauptscondyli zusammengestellt hat.
Der vordere (Otical-) Abschnitt der Basalplatte verknorpelt, nach
Levi, beim Menschen selbständig; anch ein Befund Froriep's (1882)
beim menschlichen Embryo spricht dafür. Doch erfolgt eine völlige
Verschmelzung beider Abschnitte zu einer durchaus einheitlichen
knorpeligen Platte, die erst durch die später erfolgende Ossifikation
wieder in 2 Teile (Basioccipitale und Basisphenoid) zerlegt wird. Daß
diese beiden neuen Teile den beiden ursprünglichen, genetisch selb-
ständigen entsprechen, daß somit der Basalteil des späteren Occipitale
den ursprünglich gegliederten Schädelabschnitt repräsentiert, ist bisher
durch keine Beobachtung belegt. Der vordere Rand der Basalplatte
erhebt sich als Dorsum sellae dorsal von dem vordersten Ende
der Chorda dorsalis. Ein For. n. abducentis besteht in der Basal-
platte niclit, der Nerv läuft dorsal von der letzteren nach vorn zur
Fissura orbitalis superior. (Bei Semnopithecus fand Fischer eine
Andeutung eines For. n. abducentis.)
Chorda dorsalis. Basalplatte. Was die Beziehungen der Chorda dorsalis
zur Basalplatte anlangt, so sind dieselben für das Kaninchen durch Mihalkovics
und Paulisch, für den Menschen durch H. Müllee, Dürsy, Kölliker, Feoriep
genau bekannt geworden; bei Müller, Kölliker, sowie bei einigen anderen Autoren
(Neuner u. a.) finden sich auch Angaben über einige andere Säuger.
Beim Kaninchen umkreist der Schilderung von Mihalkovics zufolge nach
Eintritt der Kopfbeuge (Embryo von 5 mm) die Chorda das blinde Ende des Kopf-
darmes und endet unterhalb des hinteren Abschnittes der Vorderhirnbasis an der
oberen Abgangsstelle der Kachenhaut. Sie ist bis nach vorn hin in embryonales
Bindegewebe eingebettet, das besonders oberhalb der Chordakrümmung zu einer in
dem Winkel zwischen Hinter-, Mittel- und Vorderhirn eingekeilten Masse (Mittel-
hirnpolster) angehäuft ist. Vor der Abgangsstelle der Rachenhaut berührt um diese
Zeit das Vorderhirnbläschen beinahe das Ektoderm, nur spärliche verstreute sj^indel-
förmige Zellen finden sich zwischen ihnen, die später zur Anlage der Hirnhäute und
des prächordalen Schädelteiles werden. An der Stelle des Ektoderms, an die sich
das vordere Chordaende anlegt, bildet sich dann die Hypophysis (RATHKE'sche
Tasche), und im Anschluß daran wächst zwischen das Chordaende luid die letztere
embryonales Bindegewebe ein und löst den Zusammenhang zwischen beiden. Zwei
weitere Veränderungen folgen während der Abschnürung des Hypophysensäckchens,
Das vordere Ende der Chorda krümmt sich S-förmig, und es bildet sich eine Chorda-
scheide aus. Die Krümmung hängt zusammen mit dem Ausgleich der Kopfbeuge:
mit dem prächordalen Kopfteil krümmt sich auch das vorderste Chordaende nach
aufwärts. Dabei zieht es sich zu einer feinen Spitze aus und atrophiert gänzlich,
und die Chorda endet jetzt abgerundet, in die häutioe Schädelbasis eingebettet, an
der hinteren Wand der Hypophysen tasche. Nunmehr erfolgt die Verknorpelung
des perichordalen embryonalen Bindegewebes; es bildet sich die Basal platte (Basis
des chordalen Schädelteiles), und zwar beim Kaninchen in der Art, daß in einem
kleinen hinteren Bezirk die Chorda allseitig von Knorpel umgeben wird, in dem
größeren mittleren Abschnitt nur dorsal und lateral, und in dem vordersten Gebiet
wieder allseitig. Die Chorda tritt also in die Basalplatte nahe dem dorsalen Umfang
derselben ein, steigt im Knorpel ventralwärts, dann aus demselben heraus und läuft
an seiner Ventralfläche weiter nach vorn, erhebt sich dann aufs neue in den vorde-
ren Teil der Basalplatte, durchsetzt diesen in S-förmiger Krümmung und endet im
Knorpel der Sattellehne nahe dem vorderen Perichondriura. Diese letztere, die
52*
820
E. Gaupp,
definitive Sattellehne, entsteht durch Verknorpelung der Basis des Mittelhirn-
polsters ; der größere Teil des genannten Polsters bildet sich zurück zu einem jdie
A. basilaris einhüllenden Bindegewebsfortsatz. (Beim Embryo von Macacus cyno-
molgus fand Fischer, daß die obere Randpartie des Dorsum sellae selbständig ver-
knorpelt und eine Zeit lang von dem Rest des Dorsum getrennt bleibt.) Weiterhin
verdickt sich die Chorda durch Aufhellung und Vergrößerung ihrer Zellen an der
Stelle der Biegung innerhalb des vorderen Teiles der Basalplatte zu einer querge-
stellten Scheibe, die der Stelle der späteren Synchondrosis spheno-occipitalis ent-
spricht. Manchmal ist noch eine zweite, weiter vorn gelegene Scheibe vorhanden,
von unbekannter Bedeutung. Der Abschnitt der Schädelchorda, der an der Ventral-
fläche der Basalplatte verläuft, geht bei der Verknöcherung des Basioccipitale zu
Grunde; der vordere Teil erhält sich aber noch lange, weil sich der basisphenoidale
Knochenkern vor dem vorderen Chordaende anlegt. — Bei manchen Säugern ent-
Kanal im Boden der Sella turcica
(Hypophysengang)
Gegend der Satiellehne
Lücke im Knorjjel
knorpelige
Schädelbasis
Chorda dorsalis
Rachenschle imhaut
Lig. apicis
dentis
\\. Körper des
Atlas
(Dens epistr.)
Epistropheus
Vertebra III
Fig. 396. Medianschnitt durch das vorderste Ende der Wirbelsäule und den
hinteren Teil der Schädelbasis eines 1,75 cm langen menschlichen Embryo, ungefähr
aus der Mitte des 2. Monats. Kombination aus 4 Sagittalschnitten. Vergr. 16:1.
Nach Fboeiep.
wickelt sich vorn, von dem Umbiegungsscheitel der Kopfchorda aus, ein rostralwärts
vorspringender Chordaknopf (Kaninchen, Meerschweinchen, Keibel). Er geht
meist wieder zu Grunde, bei Ovis aries verknorpelt er und wird so in die knorpelige
Basalplatte eingeschlossen (Saint-Remy). — Beim Menschen liegt nach Feortep
von der Mitte des zweiten Monats an, also bald nach der Verknorpelung der Basal-
platte, die Schädelchorda nur mit ihrem hinteren und vorderen Drittel in der Platte
selbst, mit dem mittleren Drittel aber am ventralen Umfang derselben im retro-
pharyngealen Bindegewebe. Beim Uebertritt aus dem Zahn des Epistropheus in die
Schädelbasis macht sie eine Krümmung, die entsprechend der Nackenkrümmung in
den einzelnen Stadien verschieden ist; die ventralwärts konvexe Krümmung, durch
die sie aus der Schädelbasis herausgelangt, entspricht der Brückenkrümmung, die
am Schädel selbst nicht ausgeprägt ist. Der hypobasal gelegene Chordaabschnitt ist
beim Menschen ausgezeichnet durch Anschwellungen, die mit den Abschnürungen
in der Wirbelsäule nicht einfach zusammengestellt werden dürfen, auch keine Aus-
kunft über die ursprüngliche Gliederung der Platte geben, sondern als Rückbildungs-
erscheinungen zu deuten sind. Dieser Abschnitt geht am frühesten zu Grunde. Das
hintere Drittel erfährt im Laufe der Entwickelung eine Verlagerung bis auf die
Dorsalseite der Platte und geht bei der Bildung des Basioccipitale zu Grunde. Das
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 821
vordere Drittel steigt auf jüngeren Stadien von der Ventralfläche her in dem vordersten
Abschnitt der Basaiplatte auf und endet in der Wurzel des Dorsum sellae, in kurzer
Entfernung hinter dem Perichondrium der Fossa hypophyseos. Auch dieser vorderste
Abschnitt bleibt länger erhalten als der mittlere. — Aus diesen Schilderungen, mit
denen andere übereinstimmen, geht hervor, daß wenigstens bei Kaninchen und Mensch
das vordere Chordaende nicht der späteren Synchondrosis spheno-occipitalis ent-
spricht, sondern in dem Gebiet der Basalplatte liegt, das später vom
ßasisphenoid occupiert wird. —
Eine Lückenbi Idung im oticalen Teil der Basalplatte, die an dieFenestra
basicranialis posterior der lleptilien erinnert, ist von Weiss bei Embryonen
der Ratte, von Fischer bei einem solchen von Semnopithecus beschrieben worden.
Analog dem Mittelhirnpolster findet sich bei Säugererabryonen auch unter dem
Nachhirn eine Verdickung des subcerebralen Bindegewebes (hinterer Schädelbalken,
Kölliker; Nachhirnpolster, mihi), die später zur Bildung der Hirnhäute
aufgebraucht wird. An der Herstellung des Schädels hat sie keinen Anteil.
Die Ohrkapseln verknorpeln beim Menschen selbständig (Levi).
Jede Kapsel läßt beim Menschen frühzeitig 2 Teile unterscheiden :
ein oberer bildet sich in der Umgebung des Vestibulums und der
Bogengänge, ein unterer (cochlearer) in der Umgebung der Schnecke.
Der obere Teil verknorpelt zuei'st; die Schneckenkapsel verharrt länger
in bindegewebigem Zustand, entsprechend der Thatsache, daß auch der
häutige Ductus cochlearis sich zuletzt ausbildet. Nachdem auch das
Gewebe, das den letzteren umschließt, in Knorpel übergeführt, und
so die Pars cochlearis gebildet ist, verschmilzt die letztere innig mit
der bereits knorpeligen Basalplatte, und zwar mit dem vorderen Teil
derselben. Die vordere Kuppel der Pars cochlearis kommt sogar
noch an die Seite des hintersten Teiles der Sattelgrube zu liegen und
verbindet sich in einer bei den verschiedenen Säugern verschiedenen
Weise mit dem Knorpel an der Basis der Orbito-temporalregion
(s. Orbito-temporalregion). Die Längsachse der gesamten Ohrkapsel
ist von hinten und außen nach vorn und innen gerichtet, also gerade
entgegengesetzt wie bei niederen Vertebraten. Das Verständnis für
diese Erscheinung wird erleichtert durch die Lage des For. n.
facialis: dasselbe befindet sich nicht mehr basal, zwischen Basal-
platte und Ohrkapsel, sondern am oberen Rande der letzteren, auf
der Grenze zwischen der Pars vestibularis und der P. cochlearis
(Fig. 397 u. 399). Die Deutung kann nur dabei lauten, daß die
P. cochlearis aus den Gewebsmassen gebildet ist, die bei niederen
Vertebraten (z. B. Amphibien) noch den vordersten lateralen Abschnitt
der soliden Basalplatte bilden. In diese Gewebsmassen hinein hat
sich, im Laufe der Phylogenese, der Ductus cochlearis (unterhalb des
For. faciale) immer mehr vorgeschoben, so daß sie nun zum Aufbau
der Ohrkapsel Verwendung finden. Das Ganglion Trigemini, das die
Lage der Incisura prootica bestimmt, liegt daher beim Säuger auch
vor und über der vorderen Kuppel der Pars cochlearis. — Hinter dem
For. n. faciahs, am vorderen Teil der Pars vestibularis der Ohrkapsel,
verknorpelt noch eine lateralwärts gesimsförmig vorspringende Leiste,
Grista parotica (Proc. perioticus superior, Gradenigo). Sie bildet
das Tegmen tympani. Endlich entsteht im Zusammenhang mit der
dorsalen Kante des hinteren Ohrkapselabschnittes die sogen. Parle tal-
platte (Spöndli), eine breite, in der Seitenwand des Cavum cranii
gelegene Knorpelplatte, die hinten kontinuierlich in das bereits ge-
schilderte Tectum synoticum, vorn bei vielen Säugern (Echidna, Talpa,
Erinaceus, Tatusia, Dasypus, Sus, Bos, Ovis) in die Commissura orbito-
parietalis übergeht und durch die letztere mit der Ala orbitalis ver-
bunden wird. Mit der Pars cochlearis hängt die Commissura orbito-
parietalis nicht zusammen (s. Orbito-temporalregion).
822
E. Gaupp,
Im Innern der Olirkapsel bilden sich die 3 Sepia semicircu-
laria als dicke Knorpelmassen. Entsprechend dem S. semic. ant.
dringt von der medialen Ohrkapselwaud aus dieFossa subarcuata
unter den vorderen Bogengang tief ein.
Caps, nasal. _
Cart. sphen.-ethm.
Septiim nas.
Fiss. orb.-nas
Ala orbital
Ala, tempor
Blalleus
Inciis -jj"
Comm. orb.-par. ;.
Crisla parotica
Caps, avdit.
For. Jug.-spur.
Incisivnm
Nasale
Maxillarc
- Zi/giiinatirinu
Frontale
Fiss. orbit. sup.
-For. carot.
Parietale
Hiat. can. fac.
Por. acnst. int.
For. jugnl.
For. cndolyinph.
"'^ Lum. parietalis
^- For. Hypoglossi
* = For. ocr. viagn. Ted. synot.
Fig. 397. Schädel eines Embryo von Talpa europaea (Scheitel-Steißlänge
27,3 mm, Rüekenlänge von der Nase bis zur Schwanzwurzel 42,3 mm) ; auf der
linken Seite sind die Deckknochen entfernt. Nach einem bei 30facher Vergr. her-
gestellten Plattenmodell. Dorsalansicht. Verhältnis der Abbildung zum Modell =
1:3. Nach E. Fischer.
Größe und Lage der Ohrkapsel. Eine Besonderheit der Ohrkapsel der
Säuger ist in ihrer Kleinheit und basalen Lagerung gegeben. Die Kleinheit hängt mit
der geringen Größe des häutigen Labyrinthes zusammen und hat ihrerseits wieder
zur Folge, daß die Ohrkapsel nicht mehr ausreicht, um (wie etwa bei Amphibien)
die laterale Begrenzung des Cavum cranii zu übernehmen, und von dem stark ver-
größerten Gehirn überwachsen und basalwärts niedergelegt wird. Der Grad, in dem
dies geschieht, ist verschieden bei den verschiedenen Säugern, besonders groß beim
Menschen, wo noch als weiteres, eine Verlagerung bedingendes Moment die Umstellung
der Ebene des For. occipitale magnum hinzukommt. Die laterale Ausdehnung des
Gehirns über die Ohrkapsel hinaus erklärt es, daß beim Menschen der N. petrosus
superficialis major (= R. palatinus n. facialis) innerhalb der Schädelhöhle verläuft.
Foramina der Ohrkapsel: For. endoly mphaticum (Aq. vestibuli);
mehrere Foramina acustica, und zwar mindestens zwei, ein F. a. anterius und
ein F. a. posterius, von denen aber das F. anterius dorsal von dem F. posterius und
hinter dem For. n. facialis gelagert ist; auf welchem Stadium beim Menschen die
Zerlegung des For. ac. posterius in 3 Eintrittsgebiete (For. singulare, Area vesti-
Die Entwickelung des Kopfskelettes.
823
bularis inferior, Tractus spiralis foraminulentus) erfolgt, bleibt noch festzustellen ;
P'enestra vestibuli; Fenestra Cochleae und Aqu aeductus Cochleae,
letztere beide nebeneinander an der Ventralfläche der Kapsel gelegen, von Fischer
bei Semnopithecus als aus nachträglicher Zerlegung einer anfangs einheitlichen
Oeffnung entstehend nachgewiesen und somit wohl aus dem einheitlichen Foramen
Incisivum
Maxülare —
Fenestra nariiic
Lam. transvers. mit.
Fen. basal.
. Carl, parasept.
Caps, nasal.
, Vomer
Lam. transvers. post.
/Jart. sphen.-ethm.
_...Fiss. orb.-nas.
Carl. Meckel.
Ala temp.
MaUeus
For. carot.
Zygomaticvm
Palatin.
sog. Pterygoid
(Pa rasph en o id)
Tympan.
Proc. Fol. -
Squamos. -■-■
Lalerohyale '
Fen. Cochleae -
For. jugul.
For. Hypoglossi
For. occip. mar/ii. Ted. synnt.
Fig. 398. Dasselbe Modell wie Fig. 397 ; Ventralansicht. MECKEL'scher Knorpel
vor dem Hammer abgeschnitten.
perilymphaticum der Reptilien hervorgegangen. Im Gebiet der Fen. vestibuli und
der primären Fen. Cochleae bleibt das periotische Gewebe auf dem Stadium des
Blastems stehen (s. auch Stapesentwickelung).
Foramen n. facialis. Der N. facialis tritt durch ein Foramen n. facialis,
das am oberen Rande der Ohrkapsel gelegen ist, nach außen (Fig. 397, 399). Dorsal-
wärts wird dasselbe nur von einer sehr niedrigen Decke abgeschlossen, die z. B. beim
Rind eine auch in transversaler Richtung nur schmale 8pange darstellt, beim Menschen,
Affen u. a. etwas breiter ist, so daß das Foramen zu einem kurzen Kanal wird.
Das Orificium externum dieses Kanales findet sich manchmal (Talpa; Mensch in
späteren Embryonalstadien) schon am Knorpelschädel durch eine Brücke in 2 Teile
zerlegt, von denen der hintere den Stamm des Facialis, der vordere den N. petrosus
superficialis major herausleitet. Der kurze Canalis facialis entspricht dem Facialis-
kanal niederer Vertebraten (bezüglich seiner abweichenden Lage s. o.) ; er bildet aber
nur den Anfangsteil des definitiven Canalis facialis (s. Schläfenbein).
Parietalplatte. Angaben von Levi zufolge erfährt die Parietalplatte beim
Menschen im Laufe der Entwickelung von vorn her eine Reduktion. Ihr Schicksal
bei Säugern bleibt noch genauer festzustellen.
Die Skelettbildimg im prächordalen Abschnitt des Schädels
schließt sich beim Menschen, wie aus Levi's Angaben zu entnehmen
ist, an die im chordalen an ; selbständige Entstehung scheint nicht
vorzuliegen. Zur Seite des Hypophysenstieles treten Vorknorpelmassen
auf, die sich vor dem letzteren vereinigen, hier eine soHde Anlage
824
E. Gaupp,
bilden und sich rostralwärts in die des Septuni nasi fortsetzen. Auch
nach der Verknorpelung, die in kaudal-kranialer Richtung erfolgt,
bleibt in dem Knorpelboden unterhalb der Hypophyse (d. h. dem Boden
der späteren Sella turcica) eine Zeitlang eine von dem Rest des
Hypophysenstieles durchsetzte Oeffnung (Fenestra hypophyseos) be-
stehen. Zur Seite des Bodens der Hypophysengrube entwickelt sich
als P'ortsatz desselben ein kurzer Stiel (Proc. alaris, Hannover), der
Cart. Meckd
Malleus
Jjiciis
Porus acustJnt.
For.jaguL
Fossa sübarcuata
Crislagalli
Lamincribws.
Ala orbilaÜs
Foroplic
Ala temporal.
Sella turcica.
Dorsumseäae
Can. N.faaaL.
Capsaadit.
For.endol
For Hypoglvss.
Fol ocäp. mdgn. Ted. synol (Unimchuppe)
Fig. 399. Modell des Primordialcraniiims eines menschlichen Embryos von
8 cm Steiß-Scheitellänge. (Nach der ZiEGLER'schen Kopie des im Institut von O.
Hertwig in Berlin angefertigten Originalmodelles.) Die Deckknochen sind fort-
gelassen. Ersatzknochen weiß.
sich auf gewissen Stadien (Embryo von 30 mm Scheitelsteißlänge,
nach Jacoby) durch eine Spange, die die A. carotis interna von außen
umgiebt, mit der Spitze der Ohrkapsel in Verbindung setzt. So be-
steht dann hier lateral vom hinteren Teil der Sella turcica ein
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 825
Forameu caroticum für den Eintritt der A. carotis in den Schädel-
ranm.
Die Spange, die das For. caroticum lateral begrenzt, ist beim Menschen nur
vorübergehend vorhanden (in dem HEETWiG'scheu Modell fehlt sie, Fig. 399). Ihr
Schicksal, speciell ihre Beziehung zu der Lingula oss. sphen. bleibt noch festzu-
.stellen. Ein geschlossenes For. caroticum in der knorpeligen Schädelbasis ist noch
bei vielen Säugern vorhanden (Echidna, Talpa [Fig. 397], Bos, Ovis). Daß das Vor-
handensein eines For. caroticum den primitiveren Zustand darstellt, ist klar. Der
Proc. alaris des Menschen erscheint als Fortsatz der Schädelbasis nur durch den
Schwund der Knorpelbrücke, die das For. caroticum außen abschloß. Er gehört
zu der medianen Knorpelmasse an der Basis der Orbito-temporalregion. Im Laufe
der Entwickelung verbreitert er sich in der Richtung von vorn nach hinten. Manch-
mal (Bos, Taljja) findet sich hinter dem Foramen caroticum noch eine größere Lücke
in dem Knorpel der Schädelbasis zwischen der Pars cochlearis der Ohrkapsel und
der Sella turcica (Fig. 397). Die Bedeutung dieser Fissura basicochlearis,
wie man sie nennen könnte, ist bisher unbekannt.
An das laterale Ende des Proc. alaris schließt sich die Anlage
der AI a temporalis an, d.h. einer nicht sehr ausgedehnten schräg
gestellten Platte, die beim Menschen und manchen anderen Säugern
selbständig verknorpelt und somit zeitweise nur durch eine unver-
knorpelte Gewebszone mit dem Proc. alaris verbunden ist. Von der
Ohrkapselist sie durch einen weiten Zwischenraum getrennt; auch dorsal
und rostral schließt sie mit freiem Rande ab. An ihrer Basis bildet
sich ein nach abwärts gerichteter Fortsatz : die laterale Lamelle des
späteren Flügelfortsatzes des Keilbeins. Zwischen dem unteren Teil
der Ala temporalis und der vorderen Ohrkapselkuppel tritt der dritte
Trigeminusast aus dem Schädelraum , anfangs frei, später in einen
Einschnitt am hinteren Rande der Ala temporalis eingeschlossen, der
sich endlich zum For amen ovale abschließt. In gleicher Weise ent-
steht das For amen spinosum. Der erste und zweite Trigeminus-
ast sowie die Augenmuskelnerven ziehen anfangs alle medial von der
Ala temporalis nach vorn, um durch die weite Spalte zwischen der
Ala temporalis und der Ala orbitalis (die Fissura orbitalis
snperior) auszutreten. Im Verlaufe der weiteren Entwickelung wird
der zweite Trigeminusast durch eine Knorpelbrücke von den übrigen
abgetrennt: jene Knorpelbrücke bildet dann mit der Ala orbitalis das
For amen rotundum. Die Abtrennung des For. ovale und des
For. rotundum erfolgt somit ontogenetisch sekundär und unterbleibt
bei vielen Säugern ganz. An der Begrenzung des Cavum cerebrale
cranii besitzt die Ala temporalis im Embryonalstadium keinen Anteil.
Das Cavum erhält in der hinteren Orbito-temporalgegend seinen
lateralen Abschluß durch eine verdichtete Bindegewebslage, innerhalb
derer sich Knorpel nur in beschränktem Umfang bildet: 1) eine Taenia
interclinoidea (Mensch, Affe), die von dem Proc. clinoideus posterior
(des Dorsum sellae) zum Proc. clinoideus anterior (der Ala orbitalis)
zieht und später in ihrer mittleren Partie beim Menschen wieder zu
Grunde geht, und 2) eine Knorpelspange, die, das For amen opticum
von hinten begrenzend, von der basalen Knorpelmasse vor der Sella
turcica entspringt und in die Ala orbitahs übergeht (Taenia met-
optica, hintere Wurzel der Ala orbitalis). Dagegen springt die
Ala temporalis von der Schädelbasis aus frei lateralwärts in das um-
gebende Gewebe vor und wird von der bindegewebigen Seitenwand
des Cavum cranii durch einen größeren Zwischenraum getrennt. —
Der vor der Sella turcica gelegene Basalknorpel der Orbito-temporal-
region stellt beim Menschen und vielen Säugern einen ziemlich dicken
soliden Balken dar, bei manchen Affen (Semnopithecus, Macacus) be-
826 E. Gaupp,
sitzt er, wie E. Fischer gefunden hat, in seinem vorderen Abschnitt
die Form eines typischen Septum interorbitale, d. h. einer dünnen
medianen Knorpelplatte. Die Seitenwand dieser Gegend verknorpelt
(und zwar beim Menschen selbständig, Levi) als Ala orbitalis,
die bei den meisten Säugern steil aufgerichtet, von größerer Ausdeh-
nung als die Ala temporalis ist und sich durch eine schmale Knorpel-
brücke (Commissura orbito-parietalis) mit der Parietalplatte
in Verbindung setzt (Fig. 397). Diese Brücke liegt am lateralen Um-
fang des Cavum crauii und bildet die dorsale Begrenzung einer großen
Seitenwaudfontauelle am Chondrocranium, die sich vorn bis zur Ala
orbitalis, hinten bis zur Ohrkapsel ausdehnt: des For. spheno-
parietale (Decker). Durch die hinter dem N. opticus entstehende
Taenia metoptica erlangt die Ala orbitalis noch eine zweite Verbindung
mit dem Basalknorpel vor der Sella turcica (hintere Wurzel der Ala
orbitalis). Endhch verbindet sich die vordere laterale Ecke der Ala
orbitalis durch eine kurze Knorpelbrücke (Cartilago spheno-
ethmoidalisi mit dem Dach der Nasenkapsel. Unter dieser Brücke
bleibt eine Spalte, Fissura orbito-nasal is, durch die der N.
ophthalmicus aus der Orbita in das Gebiet der Fenestra olfactoria
tritt (s. Ethmoidalregion).
Daß hei Säugern und dem Menschen keine deutlichen selbt^tändigen Trabe-
culae auftreten, erklärte schon Kölliker; Levi bestätigt es für den Menschen.
Die knorpelige Anlage der Schädelbasis im Gebiet der Sella turcica ist einheitlich,
und nur der Hypophysenstiel bedingt eine Andeutung von 2 symmetrischen Hälften,
die jedoch, worauf bisher nicht geachtet wurde, medial von den inneren Carotiden
liegen, während die Trabekel der niederen Vertebraten die Carotiden von außen
umfassen. Der Hypophysenkanal im Boden der Sella turcica kaiui selbst nach der
Verknöcherung noch erhalten bleiben (s. Keilbein). Beim Schwein sollen nach
Paeker deutlich abgegrenzte Trabekel vorhanden sein.
Die basale Knorpelmasse vor der Sella turcica hat, auch wenn sie nicht als
dünne Platte auftritt, die Bedeutung eines Septum interorbitale, der Säuger-
schädel ist tropi basisch wie der Sauropsidenschädel (Gaupp, Fischer). Die Ala
orbitalis entspricht dem Planum supraseptale der Sauropsiden, die Commissura
orbitoparietalis der Taenia marginalis. Bei den Primaten wird die Ala orbitalis durch
das stark vergrößerte Gehirn aus der aufgerichteten Stellung in die horizontale Lage
umgelegt, zugleich geht die erwähnte Kommissur und damit der dorsale Abschluß
des For. spheno-parietale verloren. Als letzte Andeutung der Kommissur verlängert
sich bei den Primaten die hintere laterale Ecke der Ala orbitalis zu einem nach
hinten vorspringenden Fortsatz. Auch beim Menschen ist embryonal die Ala orbitalis
größer als die Ala temporalis, bei vielen Säugern bleibt sie es zeitlebens. In dem
Raum, der, wie erwähnt, die Ala temjioralis embryonal von der bindegewebigen
Schädelseitenwand trennt (Fig. 400), liegt dasTrigeminusgauglion, und außerdem treten
in ihn die Nn. oculomotorius, trochlearis und abducens ein, nachdem sie jene binde-
gewebige Wand des Cavum cerebrale cranii durchsetzt haben. Aus diesen Lage-
beziehungen wird es wahrscheinlich, daß die Ala temporalis nicht auf einen Teil
der orbito-temporalen Schädelseitenwand der Sauropsiden zurückzuführen ist, sondern
dem Proc. basipterygoideus der letzteren entspricht. Im Gegensatz aber zu dem Ver-
halten bei den Sauriern, wo das über dem Proc. basipterygoideus befindliche Gebiet
(Cavum epiptericum) zeitlebens aiißerhalb des Cavum cerebrale cranii liegt, wird dasselbe
bei den Säugern dadurch, daß sich die Ala temporalis vergrößert und mit den benach-
barten Skelettstücken Verbindungen eingeht, zu einem Teil des definitiven Cavum
cranii, das somit gegenüber dem der Saurier einen Zuwachs aufweist. So erklärt es
sich, daß am Säugerschädel die Fissura orbitalis superior so zahlreiche Nerven aus dem
Schädelraum in die Orbita leitet : sie ist der letzte Rest der noch embryonal so weiten
Kommunikation des Cavum epiptericum mit der Orbita. Die Stellen, wo beim Säuger
die Nerven in die Dura mater eintreten, entsprechen etwa denen, an denen sie bei
Reptilien durch die primordiale Schädelseitenwand dringen. Von der letzteren, wie
sie bei Reptilien vorhanden ist, sind bei den Säugern als Reste die Interclinoid-
spange der Primaten, die Taenia metoptica und eine Sjoange zu nennen, die bei
Echidna ein den N. opticus und den N. oculomotorius herauslassendes Foramen von
hinten begrenzt (Taenia chno-orbitalis). Die selbständige Verknorpelung der Ala
Die Entwickelung des Kopfskelettes.
827
temporalis fand Wln^cza aiißer beim Menschen auch bei der Katze, dem Hund, dem
Eisbär, dagegen fehlte bei Pferd, Schwein, Schaf, Kalb jede Spur einer Trennung
zwischen der Ala und dem basalen Knorpel der Orbito-temporalreglon. Welche Be-
deutung der selbständigen Verknorpelung zukommt, ist noch nicht zu sagen.
Os par.
Comm.
orh.-jKir.
Ggl. Trig.
VI Ala temp. VI III
Fig. 400. Querschnitt durch die Orbito-temporalregion etwas vor der Sella
turcica, von einem 30 mm langen Embryo von Mus musculus. Vergr. 25:1. Nach
E. Gaupp (1902). Der Schnitt zeigt das Cavum epiptericum.
In der Ethmoidalregion wird durch die Verknorpelung des
perirhinischen Gewebes, die erst einsetzt, nachdem das Hohlraumsystem
mit seinen Komplikationen im wesentlichen angelegt ist, eine Kapsel
geschaffen, die der Konfiguration des Geruchsorganes entsprechend
vielfach komplizierter ist als die der Reptilien, wenn auch weitgehende
Uebereinstimmungen nicht zu verkennen sind. Innerhalb der Säuger-
reihe selbst erfährt der gemeinsame Grundplan eine Modifikation vor
allen Dingen durch die verschiedene Situation des Geruchsorganes zur
Schädelhöhle, wie sie durch die Größe des Gehirnes bedingt ist. Bei
den in dieser Hinsicht tiefer stehenden Säugern liegt das Geruchsorgan
und damit die Nasenkapsel im wesentlichen vor dem Cavum cranii
cerebrale und schiebt sich nur mit seiner hinteren Partie unter den
vordersten Teil des letzteren. Die im wesentlichen quere Ebene der
Fenestrae olfactoriae steht dabei etwas geneigt, nicht rein vertikal, son-
dern von hinten-unten nach vorn-oben ansteigend, und die Ränder der
gen. Fenestrae helfen das Cavum cranii von vorn begrenzen (Fig 397).
Je mehr das Gehirn an Volum zunimmt, um so mehr wölbt es
sich nach vorn hin vor, die Ebene des Olfactoriusfensters wird dabei
vollständig in die Horizontale niedergelegt (Fig. 399). Der vordere
828
E. Gaupp,
Abschluß des Cavum cranii wird alsdann rem von Deckknochen ge-
bilde die Nasenhöhle liegt ventral von dem vordersten Ted des Cavum
c4nü (Fig. 401), und nur ihr vorderster Abschnitt springt unterhalb
des letzteren frei vor (Primaten). Damit Hand in Hand gehen Um-
aoei fugen m Innern der Nasenkapsel (Muscheln! . Der hinterste Ted
de'r Kapsel, der die Riechwülste birgt, ist stets betrach lieh erweiter
oeoenüber dem davor gelegenen, der sich sehr lang und schmal nach
?on hin ausziehen kSnn^Fig.' 397). Die direkte Fortsetzviiig der
basalen Knorpelmasse der Orbito-temporalregion bddet ^^^^^ Septui
n a s das sich zwischen beiden Nasensäcken meist ununterbrochen
bis zum volleren Ende derselben erstreckt. Der zwischen den beiden
Fene tiae ilfactoriae frei anstehende Rand seines hinteren oberen
Foropfic.
Ala orhilal
Caps, msal
Falat
Dentale ^ ^^m^ r^^'immm^^i^ I \ n , , j
Feil Cochleae
Caricricoil
Cart ttiyreoid
Fig. 401. Dasselbe Modell wie Fig. 399, mit Deckknochen der rechten Seite.
Von links.
Abschnittes kann als Crista galli gegen das Cavum cranii jorspi^^^^^^^^
Die Fenestra olfactoria eder Seite, die sich, wie schon bemeikt,
hl verschiedenem Grade der Neigung geg^n die Honzoiitale prasen . rt,
st anfan-s groß und einheitlich, erst sekundär erfolgt durch Knoi pel-
brücken Ihr? Zerlegung in einzelne kleine Oeffnungen (Bildung der
Lamfnacribros^, ^unterbleibt bei Ornithorhynchus und m^^^^^^^^^^^
katarhinen Affen). An den seitlichen B^f ^^^^g^^^^^ des 0 acton^^^^^
fensters setzt sich, wenigstens bei sehr vielen Saugern die schon
erwähnte Cartilago spheno-ethmoidalis an und vei bindet
so die Nasenkapsel mit der Ala orbitalis (Pig. 6^i).
Ueber der Fenestra olfactoria liegt der Bulbus olfactorius von ^^l^m aus me
Fila olfactoria ventralwärts in die xNasenkapsel dringen. Auch der N- ophthahn.cu^,
resp. seine Fortsetzung, der N. ethmoidalis, ^ommt hier in Frage ^g-^m^^^
der Orbita durch die Fissura orbito-nasalis (unter der CartUago «P^^no
dalis) in das Gebiet der Fenestra olfactoria und kreuzt sich hier mit aen
Die EntWickelung des Kopfskelettes. 829
weit aus d.r IVasenkapsel ^^.escl^^J^n^^^^i;^,^^^,^:^^^!^
Dieselbe scheint von den hinteren En^den . dä^Ett notnrt na raifsSSf ' Jeden
falls .s die Lamina cnbrosa durchaus eine Besonderheit der länger tG.üppÄ
Vor der Fenestra olfactoria fallt der obere Septiimrand nach vorn
hm mehr oder minder stark ab und geht jederseits in das Tee tum
nasi über das lateral in die seitliche Nasenwand, Par es iias?
umbiegt. Hm en setzt sich die Seitenwand an den lateralen Rand de;
Fenestra olfactoria an und geht unterhalb derselben in die Hin'erwand
der Nasenkapsel über. Ein an der üebergangsstelle bei manchen
Saugern la eralwärts vorspringender Fortsatz ^entspricht vielleicht dem
Pioc. maxil ans posterior der Saurier. Im mittleren Abschn tt der
Na enkapsel biegt der ventrale Rand der Seitenwand medialwärts um
und geht in eine Knorpeliamelle über, die die untere Muschel (da^
Maxil oturbinale) biklet. Auch in den übrigen Muschewilten
(Nasoturbinale und E thm otur binalia, s? den Aufsa Hm^^
Peter m Bd. 2 dieses Handbuches) tritt VerknorpelungTes teend^
ein, und es entstehen so Knorpellamellen, die mit der Se enwand in
kontinuierlichem Zusammenhang stehen ^ciit=nwauu m
S j^'if ,^r,t ■s^^sn.Ä^i s ™'' ^'^>^' ri ^^fz
Z tt7n,«T" *e.N»™"Mble .vorspringenden wer'den als finSbinaira (HaiiD"
s^hlrf.n. ?5J'"'".'ä' ■ '">" «" letzteren können wieder noch zwei durch die GröBe unter-
f; hror, T^^ TT , ""^ "^" Primaten andererse ts ist nach Seydel zurückzu
d e H„rSo„?aL ^dTf'e^e'^ ""'«"K» ,'«' >:f' 'tal gestellten Lajna cribrösa Tu"
areSSF^"^"'^^^^^^ - --
fe srSS?^- =--^Är£riSt^c^- ^^^
Mfp« ^!*fl/^'l^^'l™^^?S^^ ^^^ Muscheln ist in dem Aufsatz von Peter
der dif ? nfÄ S'\^r^''- Anzumerken ist, daß die gewöhnliche Annihme nach
Seydpt nsS? h f >^^ '^'' ?^'^^^V '^'' ^^"'^«^«l der Eeptilien homolot ist von
Ein Boden der Nasenkapsel (Solum nasi) kommt nur in be-
schrankter Ausdehnung zur Verknorpelung. Sehr al 4niSi doch
Botnabschn'Jtt"??''"^-'''^/ "^^^ ^"^ "^ '^'"'^'^ RictoiTschiid r
iiodenabschnitt (Lamina transversalis posterior) Snter dem
830 E. Gaupp,
hintersten Abschnitt der Nasenhöhle (Fig. 398). Er hängt lateral mit
der Seitenwand zusammen und demnach auch mit der Basallamelle
der unteren Muschel; hinten geht er in die hintere Kuppel über.
Medial hängt er nicht mit dem Septum zusammen, sondern biegt auf-
wärts in eine paraseptal gelagerte Lamelle um, die vom Septum durch
einen kleinen Zwischenraum getrennt ist, hinten ebenfalls in die
hintere Kuppel übergeht und einen freien dorsalen, meist auch einen
freien vorderen Rand besitzt. — Dazu kommt bei vielen (den meisten)
Säugern eine Bodenpartie auf der Grenze des mittleren und vordersten
Kapselabschnittes (Lamina tr a n sver s alis anterior), die den
ventralen Rand der Seitenwand mit dem ventralen Rand des Septums
verbindet und eine vordere basale (aber auch in die Seitenwand ein-
schneidende oder mehr endständige) Oeffnung, die F e n e s t r a n a r i n a ,
von einer größeren hinteren, der Fenestra basalis, trennt. Es
besteht somit hier wie bei den Sauriern eine Zona anularis, d. h.
ein Abschnitt der Kapsel, der allseitig (dorsal, lateral, ventral) das
Geruchsorgan umgiebt. Auch beim Embryo von Semnopithecus
maurus ist, nach E. Fischer, eine solche Lamina transversalis anterior,
wenn auch sehr schmal, vorhanden; dagegen fehlt sie beim Menschen,
so daß hier die Fenestra narina und die Fenestra basalis zu einer
langen einheitlichen F i s s u r a r o s t r o v e n t r a 1 i s zusammenfließen.
Vom Bodenteil der Zona anularis geht wie bei den Sauriern die
Cartilago paraseptalis aus und zieht neben dem unteren
Teil des Septums nach hinten. In primitivem Verhalten zeigt sie
sich bei Halmaturusembryonen (Seydel 1896): hier geht sie hinten
in die vom Septum losgelöste hintere Kuppel der Nasenkapsel über.
Ihr vorderer röhrenförmig eingerollter Teil umschließt das Jacobson-
sche Organ. Bei den meisten Säugern hängt der Knorpel nur vorn
mit der Lamina transversalis anterior zusammen, endet dagegen hinten
frei. Als Rest seines hinteren Abschnittes erscheint die schon er-
wähnte paraseptale Lamelle, in die die Lam. transversalis posterior
umbiegt. Der Knorpel kann zur Röhre geschlossen sein, die das
jACOBSON'sche Organ umschließt (Pferd, Schwein, Wiederkäuer), oder
halbrinneuförmig (Igel, Hund) oder einfach platt (Lutra, Cercopithecus).
Dabei kann er seine Beziehungen zum jACOBsON'schen Organ auf-
geben und auch ganz isoliert werden (Mensch). Die Beziehung der
Gart, paraseptalis (des jACOBSON'schen Knorpels) zum jACOBSON'schen
Organ bei den Säugern ist neu erw^orben ; der Knorpel selbst hat sich
schon bei Reptilien vom Septum losgelöst ohne jene Beziehungen.
Durch die letzteren wird er nur in seiner Form beeinflußt. In enger
Verbindung mit der Cartilago paraseptalis (Pferd, Schwein, Reh, Schaf)
oder getrennt von ihr (Rind, Hase) kann sich eine Cartilago ductus
nasopalatini finden, die dem Ductus nasopalatinus zur Stütze
dient. (Zahlreiche Angaben über das Verhalten der Cart. paraseptalis
und Cart. ductus nasopalatini s. bei Spurgat [1896| sowie bei Grosser
[1900J.)
Vor der Fenestra narina (wofern dieselbe nicht ganz endstäudig
liegt) schließt die Nasenkapsel mit einer flachen Kuppel ab, in die die
Seitenwand, die Decke und das Septum übergehen; die Umgebung
der Fenestra narina kann durch Fortsätze, die gegen die Oeffnung vor-
springen, kompliziert werden. Ueber Abgliederungen in dieser Gegend
s. u. Der hintere Abschluß der Kapsel wird jederseits unterhalb der
Fenestra olfactoria durch ein mehr oder minder kuppeiförmig ausge-
Die Eiitwickelung des Kopfskelettes. 831
bauchtes Planum antorbitale gebildet, iu das die Seitenwand
und die Lamina transversalis posterior übergehen. Dorsal hängt es
mit dem ventral-kaudalen Rand der Fenestra olfactoria zusammen,
medial ist es entweder kontinuierlich mit dem Hinterrand des Septum
nasi verbunden (Talpa) oder biegt in die schon erwähnte, neben
dem Septum gelegene Knorpellamelle um, in die auch der mediale
Rand der Lamina transversalis posterior übergeht. In letzterem Falle
ist also die hintere Nasenkuppel vom Septum losgelöst (wie bei den
Sauriern). Der hintere Umfang der Kuppel bhckt gegen den Vorder-
rand und die Unterfläche der Ala orbitalis und kann mit dieser ver-
schmelzen (Echidna). Die hintere blinde Kuppel der Nasenkapsel zeigt
bei den Säugern eine mächtigere Ausbildung als beim Menschen; bei
dem letzteren verengt sie sich so plötzlich, daß sie nur wie ein kleiner
Anhang erscheint (Dursy).
S chicksal der N äsen kap sei. Aeußere Nase. Gewisse Abschnitte der
Nasenkapsel der Säuger verknöchern, andere werden zu Bindewebe umgewandelt
oder gehen ganz zu Grunde, noch andere endlich bleiben knorpelig erhalten. Dem
Ossifikationsprozeß verfallen der hintere, die eigentliche Pars olfactoria bergende
Teil der Kapsel (Os ethmoidale), die untere Muschel, und bei manchen Tieren der
vorderste Teil des Septums (üs praenasale). Zu Grunde gehen die Cartilago spheno-
ethmoidalis, ausgedehnte Partieen des Septums, und hin und wieder auch mittlere
Teile des Septums selbst. Durch den Schwund an der Seitenwand und Decke ver-
lieren die interturbinalen Räume streckenweise ihre laterale und dorsale Begrenzung,
die dann von den umliegenden Deckknochen (Frontale, Lacrimale, Maxillare) über-
nommen wird. Dadurch ist dann auch die Möglichkeit zum Einwachsen von Neben-
höhlen in die umgebenden Knochen gegeben, wie es bei Säugern in großem Umfange
vorkommt (s. Paulli). Durch dieselben Vorgänge wird das Maxilloturbinale aus
seinem Verbände mit der Knorpelkapsel gelöst, so daß es Beziehungen zum Maxillare
gewinnen kann, wie auch das Nasoturbinale nach Reduktion der Knorpelwand, der
es ansaß, mit seiner vorderen Hälfte zur Anlagerung an das Nasale gelangen kann.
Knorpelig erhalten bleiben die Gart, paraseptalis, die Cart. ductus nasopalatini, ein
mehr oder minder großer Teil des Septums und die vordersten Abschnitte des Nasen -
gerüstes, die von Deckknochen nicht bedeckt werden. Diese letzteren bilden mit
dem zugehörigen Septumabschnitt die sog. knorpelige äußere Nase. (Bei manchen
Tieren erhält sich auch ein Teil des vom Nasale gedeckten Knorpeldaches.) Der
Schwund kann auch noch solche Teile der Decke und Seitenwand ergreifen, die vor
den Deckknochen liegen, und bedingt dann, bei gleichzeitiger weitgehender Lücken-
bildung im Septum, eine fast völlige Loslösung des vordersten Teiles der Nasen-
kapsel, der dann für sich beweglicla wird (Igel, Rüsselbär, Fischotter, Hund). In
der direkten Umgebung der Fenestra narina erfolgt sehr allgemein durch lokale
Umwandlung des Knorpels zu Bindegewebe die Abtrennung einer Cartilago
alaris, event. noch anderer kleinerer Stückchen. Genaue Angaben über die Ein-
richtungen der äußeren Nase und der mannigfachen an ihr zu beobachtenden P'ort-
satzbildungen siehe bei SpüRGAT (1896). Ontogenetische Angaben liegen darüber
fast gar nicht vor, und die Annahme, daß jene Defektbildungen und Abgliederungen
sekundäre Vorgänge sind, die an einer anfangs kontinuierlichen Kapsel angreifen,
ist vielfach nur ein aus den Verhältnissen beim Menschen gezogener Analogieschluß.
Für die Ausbildung des vordersten Nasenkapselabschnittes als äußerer Nase erscheint
als das wichtigste Moment die Reduktion des pränasalen Zwischenkieferfortsatzes, der
bei den Reptilien medial von der Fenestra narina aufsteigt und bis zum Nasale die
vordere Nasenkapselkuppe bedeckt. Die Abgliederuug einzelner Stücke und even-
tuell des ganzen vorderen Abschnittes kann jjhylogenetisch zum Teil wenigstens
auf die Facialismuskulatur bezogen werden.
Mensch. Einige speciell auf den Menschen bezügliche Angaben mögen noch
folgen (vergl. dazu die Schilderung von Peter im 2. Bande dieses Handbuches). Bis
zu Ende des 2. Monats besteht nach MiHAi.KO"\as die Umgebung der Nasen-
höhle aus Mesenchym, zu Anfang des 3. Monats beginnt die Nasenkapsel zu
verknorpeln, im 4. Monat befindet sie sich auf der Höhe ihrer Ausbildung. Die
Cartilago spheno-ethmoidalis (Orbitalflügel des knorpeligen Siebbeins, Dursy) setzt
sich breit an den lateralen Rand der horizontal gelagerten P"'enestra olfactoria an
(Fig. 399), wird aber im 4. bis 5. Monat in mehrere Teile zerschnürt und resorbiert.
Bei 3—4 Monate alten Embryonen geht vom vorderen Drittel der Seitenwand ein
kurzer KnorpeLfortsatz (Proc. paranasalis) nach vorn in das Bindegewebe des
832 E. Gaupp,
Oberkieferfortsatzes, den Thränennasengang von außen umgreifend. Er verknöchert
nach MiHALKOVics im 5. und 6. Monat und wird dem Oberkiefer einverleibt (?) Die
knorpelige untere Muschel (Maxilloturbinale), die kontinuierlich mit dem unteren
Eande der stark lateralwärts ausgebauchten Seitenwand zusammenhängt, hat im
3. bis 4. Monat einen nach oben gekrümmten Nebenfortsatz, der an die doppelt ge-
wundene Muschel der Säuger erinnert, im 5. Monat entstehen an ihr leisten-
förmige Nebenfortsätze, die im Querschnitt ein Bild geben wie die gefaltete Muschel
der Nager. Im 7. JMonat ist die Trennung der unteren Muschel von der knorpeligen
Seiten wand erfolgt (Killian). Die knorpeligen Ethmoturbinalia bilden sich innerhalb
der entsprechenden Muschelwülste im 4. Monat ; zugleich entstehen die Knorpel-
stützen des Processus uncinatus und der Bulla ethmoidalis. Das Schema für die
Ethmoturbinalia ist, daß sie mit einer Lamina basalis an der Seitenwand der Nasen-
kapseln wurzeln und gegen das Lumen der Nasenhöhle hin in eine Lamina recurvata
übergehen. Ueber die mittlere Muschel (Ethmoturbinale J) laufen manchmal einige
Längsleisten hinweg. Der Proc. uncinatus hängt nur oben mit der Seitenwand zu-
sammen iHid unterscheidet sich dadurch von den Muscheln. Dagegen kommen
zwischen ihm und der mittleren Muschel 3 kleinere Muscheln (Nebenmuscheln, Ecto-
turbinalia), die nach jenem Schema gestaltet sind, zur Ausbildung; die obere und
die mittlere von ihnen bilden gewöhnlich die Bulla ethmoidalis (Killian). Auch die
3 Conchae frontales erhalten Knorpelstützen. Rudimente eines 4. und 5. Ethmo-
turbinale werden beobachtet. Als letzte Andeutung eines knorpeligen Nasoturbinale
erscheint bei Embryonen eine Verdickung des Knorpels im Gebiet des Agger nasi
(Seydel). Da die Verwachsungsprozesse, die zur Bildung der Siebbeinzellen führen
(s. Peter), zunächst nur die Schleimhautpartien betreffen, so bewahrt das Knorpel-
gerüst seine verhältnismäßig einfache Gestaltung (eine Anzahl größerer und kleiner
Muschelbildungen, die der lateralen Wand der Nasenhöhle innen ansitzen) ; erst bei
der Verknöcherung treten auch Verwachsungen der Lamellen untereinander auf, und
so bilden sich zwischen den Basallamellen der Hauptmuscheln und den Nebenmuscheln
abgekammerte Eäume (Siebbeinlabyrinth), die ursprünglich nur interturbinale Gänge
darstellen. Die Basallamellen selbst werden dabei häufig verschoben und in ihrer
ursprünglichen Bedeutung und Zugehörigkeit schwerer erkennbar.
Der Paraseptalknorpel löst sich nach Mihalkovics im 3. Monat vom
Septum los. xiußer ihm beobachtete M. noch einige kleinere abgesprengte Knorpelchen,
die unter dem Boden der Nasenhöhle bis in die Nähe des unteren Randes der Seitenwand
hinziehen. Vielleicht sind sie als Reste einer Lamina transversahs anterior aufzu-
fassen. Als zusammenhängende Platte fehlt eine solche, und daher flieiSen die
Fenestra narina und die Fen. basahs zu einer langen Fissura rostroventralis
zusammen. Der Paraseptalknorpel erhält sich bis in das postfetale Leben (E. Schmidt).
Die hintere Kuppel, cler ein ventraler Abschluß fehlt, stellt einen kleinen Anhang
der Kapsel dar, der sich neben dem Nasenseptum unter den Basalknorpel der Orbito-
temporalregion herunterschiebt. Er umschließt den Sinus terminalis (den zukünftigen
Sinus sphenoidalis) und giebt die Grundlage ab für die Concha sphenoidalis (das
Ossiculum Bertini), die bei den Knochen zu schildern sein wird. Im 4. bis 5. Monat
wird von der vordersten Partie der Nasenkapsel durch lokale Umwandlung des
Knorpels zu Bindegewebe jederseits die Cartilago alaris major abgetrennt, von dieser
trennen sich dann die Cartilagines alares minores und Cart. sesamoideae ab. Das
Septum ist bei der Geburt noch in ganzer Ausdehnung knorpelig; erst in der
2. Hälfte des L Lebensjahres verknöchert die hintere Partie, während die vordere
als Septum cartilagineum zeitlebens erhalten bleibt. Mit diesem in Zusammenhang
erhält sich ein Teil des Daches und der Seitenwand jeder Seite als Cartilago lateralis;
der dahinter liegende Abschnitt dieser Wände geht, soweit er vom Nasale und Maxillare
bedeckt wird, in den ersten Lebensjahren durch Umwandlung in Bindegewebe zu
Grunde, der hinterste Abschnitt der Seitenwand verknöchert als Lamina papyracea
oss. ethmoidalis.
Primordiales Visceivalslielett.
Bei Säugetieren und dem Menschen werden in den 3 ersten
häutigen Visceralbogen Skelettstücke angelegt, die zum Teil sehr be-
merkenswerte Metamorphosen durchmachen. Im Kieferbogen
bilden sich der Amboß und der MECKEL'sche Knorpel (J. F. Meckel
1820), dessen proximales Gelenkstück die primordiale Grundlage des
Hammers bildet; das Chondroblastem des Hyalbogens zerfällt in
mehrere Stücke, die den Stapes, den Proc. styloideus des Schläfenbeins,
das Lig. stylohyoideum und das Cornu minus des Zungenbeins bilden ;
aus dem Blastem des ersten Branchialbogeus entsteht das Cornu
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 833
majus des Zimgenbeins. Der Körper des Zungenbeins scheint in der
Hauptsache dem ersten Branchialbogen zuzugehören.
Kiefer bogen. Eine sehr genaue Darstellung liegt von Bro-
MAN über die Verhältnisse beim Menschen vor. Sobald die Mesen-
chymmassen sich in dem ersten Visceralbogen verdickt haben (G. Woche),
wird das proximale Ende des so entstandenen Blastemstreifens durch
den N. trigeminus in eine mediale und laterale Partie unvollkommen
getrennt. Nicht minder unvollkommen ist auch die Trennung der
Blastemmassen des ersten Bogens von denen des zweiten durch die
erste Visceraltasche, so daß jene Massen an ihrem proximalen Ende
überall da zusammenhängen, wo nicht Nerven, Gefäße oder die erste
Visceraltasche eine Unterbrechung bedingen. Von dem lateralen
Blastem wird nur der proximale Abschnitt zur Bildung eines Teiles
des Visceralskelettes in Anspruch genommen, die mehr distale Partie
wird größtenteils zur Bildung des äußeren Ohres verwendet. Aus
dem proximalen Abschnitt des lateralen Blastems geht der Amboß
hervor; der schon von vornherein vorhandene, die Amboßanlage mit
der Stapesanlage verbindende Blastem streifen wächst zum Grus longum
incudis aus (Figg. 402, 403), und aus der anfangs bestehenden Zwischen-
scheibe bildet sich das Gelenk zwischen diesem und dem Stapes.
Noch im Blastemstadium fließt die Anlage des Amboßes mit der Laby-
rinthkapsel zusammen und wird von dieser erst wieder bei Eintritt
des Vorknorpelstadiums deutlich abgegrenzt. Die hintere Partie bildet
alsdann das Grus breve (Fig. 404). Schon im Vorknorpelstadium hat
der Amboß im großen und ganzen seine definitive Form erreicht, nur
der knopfförmige Proc. lenticularis bildet sich erst, nachdem ein Teil
des langen Schenkels schon ossifiziert ist. —
Der proximale Abschnitt des medialen Blastems kommt nicht
zur Entwickelung; die übrige Partie, die unmittelbar von der vorbei-
laufenden Ghorda tympani aus nach vorn geht, ist die Anlage zum
Meckel' sehen Knorpel, deren proximales Ende schon früh eine
besondere formale Ausbildung (als H am m er) erkennen läßt (Fig. 403,
404). Die ganze Anlage verknorpelt als einheitliches Stück; das
proximale Ende bleibt von dem Ambos zunächst durch unverknorpeltes
Blastem (Zwischenscheibe) getrennt, weiterhin entwickelt sich aus
letzterer das Gelenk. Schon auf dem Blastemstadium sproßt aus der
Hammeranlage das Manubrium mallei aus, als ein weiterer Auswuchs
entsteht der Proc. lateralis, während die Grista mallei durch Resorption
des unter ihr gelegenen Knorpels zu stände kommt (4. Monat). So
erlangt das proximale Gelenkstück des MECKEL'schen Knorpels allmäh-
lich die definitive Hammergestalt, um endlich, wenn in ihm die Knochen-
bildung auftritt, auch zu einem selbständigen Skelettstück zu werden.
Dies geschieht dadurch, dass der größte (mittlere) Teil des Meckel-
schen Knorpels der Piesorption anheimfällt, ein Vorgang, der zu Anfang
des 5. Monats eingeleitet wird und sich nach hinten bis an das zum
Hammer gestaltete Gelenkstück ausdehnt, (lieber die Bildung des
Proc. anterior s. Folii siehe die Darstellung der Knochenentwicke-
lung.) — Außer dem proximalen Gelenkstück macht auch noch das
distale Ende des MECKEL'schen Knorpels ein besonderes Schicksal
durch: es verknöchert und verschmilzt mit dem Dentale. In der Sym-
physe zwischen beiden MECKEL'schen Knorpeln treten 2 kleine Sym-
physenknorpel auf. Nach Henneberg sind sie selbständige Neubil-
dungen, und erscheinen bei menschlichen Embryonen von 7,5 cm
Haadbuch der Eatwickelungslehre. III. 2. 53
834
E. Gaupp,
Scheitelsteißlänge; Kölliker, der sie beim Menschen nnd mehreren
Säugern beschreibt (A. L. I, 1879), faßte sie als Reste der Meckel-
schen Knorpel auf. Masquelin beschrieb einen unpaaren Knorpel-
kern beim Menschen als selbständige Bildung (s. Maudibula).
Kg. 402.
N. facialis -
Anul. staped.
For. Art. stap.
Pars interhyal.
Hyalbogen, med. Teil
(Reichert' scher Kn.)
— N. trigem.
Mandibularbogen, med. T.
(ßfeckel'scher Kn.)
Crus long, incud.
Manuhrium mall.
da iymp.
N. fac.
Fig. 403.
Cap. mallei
Crus
long. Mic.\.
An. stap.
JV. facial.
Aleckel' scher Kn.
Chorda tymp.
Proc. Fol. (ant.)
An. tymp.
- 3Ianubrium mall.
Chorda tymp.
Reichert'sch. Kn.
Fig. 404.
Cap. m.all.
Meckel'scher Kn.
Proc. Fol. (ant.)
Proc. lat. mall.
Ifanubrium mall.
An. tymp.
Reichert' scher Kn
Fig. 402. Rekonstruk-
tionsmodell der proximalen
Partieen der beiden ersten
Visceralbogen eines
menschlichen Embryo von
16 mm Nackensteißlänge.
Linke Seite, von innen ge-
sehen. Nach J. Broman.
Fig. 403. Rekonstruk-
tionsraodell der gleichen
Partieen wie in Fig. 402,
von einem menschlichen
Embryo von 55 mm Schei-
telsteißlänge. Linke Seite,
von innen gesehen. Nach
J. Broman.
Fig. 404. Dasselbe
Modell wie Fig. 403; von
außen gesehen.
Incus.
Crus breve ine.
]Sr. facial.
Ohrkapsel
Chorda tymp.
N. facial.
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 835
Daß Hammer und Amboß der Säuger Derivate des Kieferbogens sind, ist, wie
an anderem Orte (p. (JOS) bereits erwähnt wurde, zuerst durch Reichert (1837, für
das Schwein) festgestellt worden. Dadurch erfuhr denn auch der MECKEL'sche
Knorpel, den sein Entdecker (Meckel 1820) schon beim menschlichen Embryo in
Zusammenhang mit dem Hammer fand, seine embryologische Deutung als Teil des
1. Visceralbogens. Für zahlreiche Säugerformen (Kaninchen, Maus, Meerschweinchen,
Hund, Katze, Schaf, Rind, Schwein, Mensch) ist seitdem der REiCHERx'sche Befund
bestätigt worden (Rathke, Bischoff, Bruch, Huyley, Kölliker, Semmer,
Parker, Gradenigo, Baumgarten, Dreyfuss, Zondek u. A.), so dalJ an seiner
Richtigkeit nicht zu zweifeln ist. — Die geschilderten Entwickelungsvorgänge geben
dann auch die Grundlage für die morphologische Deutung des Amboßes und Hammers.
Schon Reichert erkannte die Uebereinstimmung zwischen dem Amboß der Säuger
und dem Palatoquadratum der niederen Vertebraten und folgerte daraus die Homo-
logie beider. Dann ergab sich von selbst für den Hamitier die Auffassung, daß
derselbe in seiner primordialen Grundlage dem Gelenkstück des primordialen Unter-
kiefers niederer Vertebraten entspreche, nach der Ossifikation also dem Articulare.
Daß der Proc. Folianus der primordialen Grundlage fremd sei, wurde von anderer
Seite festgestellt; auf die daraus sich ergebende Schlußfolgerung ist später einzu-
gehen.
Zungenbeinbogen. Nach Broman's Darstellung, der ich im
Nachstehenden folge, werden beim Menschen auch die Blastemmassen
des Hyalbogens in einen medialen und einen lateralen Abschnitt geteilt,
und zwar durch den N, facialis. Aus dem medialen Abschnitt gehen
die wichtigsten Gebilde, der Stapes und der Reichert 'sehe
Knorpel, hervor. Die Stapesanlage bildet den proximalsten Teil des
Blastems, sie erfolgt ringförmig um die A. stapedialis (als Anulus
Stapedialis) und steht von vornherein durch eine Blastembrücke mit
der Ambosanlage in Verbindung (Fig. 402). Aus dieser Verbindung
geht weiterhin das Crus longum incudis hervor, und zwischen diesem
und dem Stapes bildet sich erst eine Zwischenscheibe, später ein Ge-
lenk aus. Die ringförmige Stapesanlage rückt an die Labyrinthwaud
heran und senkt sich in dieselbe ein. Bis zur zweiten Hälfte des
3. Embryoualmonats behält sie ihre Ringform bei, dann aber beginnt
sie ihre definitive Gestalt anzunehmen , und zugleich erleidet das
mitten vor dem Steigbügelring liegende Blastem der Ohrkapsel im
Gebiet der Fenestra vestibuli eine fast vollständige Druckatrophie, so
daß es nach dieser Zeit nur als ein dünnes Perichondrium auf der Steig-
bügelplatte persistiert. Die Anlage des Stapes verknorpelt selbständig,
und das Gleiche gilt von dem distalen Abschnitt des medialen Blastems,
aus dem der Hauptteil des Reichert 'sehen Knorpels hervorgeht.
Beide Gebilde bleiben eine Zeitlang durch eine nicht verknorpelnde
Blastembrücke, Pars interhyalis, Fig. 402 (Interhyale, Broman ;
Facialismantel Aut.) untereinander in Verbindung, später schwindet
diese, und der REiCHERT'sche Knorpel hängt nun nur noch an seinem
proximalen Ende mit dem lateralen Blastem des Hyalbogens
zusammen. Diese schon von Anfang an bestehende Verbindung
bildet sich sogar weiter aus. Aus dem proximalen Teil des lateralen
Blastems geht ein selbständig verknorpelndes Stück, das Laterohyale
(Broman; Intercalare, Dreyfuss) hervor, das vom REiCHERT'schen
Knorpel zunächst lurch eine Blastemscheibe getrennt bleibt, dann
aber kontinuierlich mit ihm zusammenfließt. Schon vorher hatte sich
das proximale Ende des Laterohyaleblastems an die Labyrinthkapsel
angelegt und war mit dieser innig verschmolzen. Durch die Ver-
knorpelung wird ein kontinuierlich knorpeliger Zusammenhang zwischen
der Labyrinthkapsel, dem Laterohyale und dem Hauptteil des Reich ert-
schen Knorpels hergestellt; der ganze, mit der Ohrkapsel verschmolzene
Knorpelstab wird nun (Kölliker) als REiCHERT'scher Knorpel be-
53*
836 E. Gaupp,
zeichnet (s. Fig. 404; das Laterohyale ist hier nicht besonders be-
zeichnet). Ueber das weitere Schicksal desselben beim Menschen war
schon Reichert selbst im wesentlichen orientiert: sein oberster Ab-
schnitt wird in die Paukenhöhle eingeschlossen, bei der Bildung des
Facialiskanals verwendet und verwächst mit benachbarten Komponenten
des Schläfenbeins, der anschließende Abschnitt bildet den frei von der
Schädelbasis ventralwärts und nach vorn ragenden Proc. styloideus
(Fig. 401); der folgende Abschnitt wird zu Bindegewebe umgewandelt
und bildet das Lig. stylohy oideum, der letzte endlich biklet das
Cornu minus des Zungenbeins, das somit ein Cornu hyale dar-
stellt. Die REiCHERT'schen Knorpel beider Seiten hängen nach
KÖLLiKER (bei Kaninchen und Mensch) ventral nie miteinander zu-
sammen, sondern setzen sich, wie es scheint, gleich nach ihrem Ent-
stehen mit den Seiten der Anlage des Zuugenbeinkörpers in Ver-
bindung. Nach Kölliker's Auifassung nimmt somit der Hyalbogen
an der Bildung des Zungenbeinkörpers keinen Anteil.
Daß der Stapes seinen Ursjjrung vom Hyalbogen nehme, ist zuerst durch
Reichert 1837 behauptet worden. Die wichtigste abweichende Anschauung, die
dieser Meinung gegenübergestellt wurde, ist die, daß der Stapes ganz oder teilweise
von der Labyrinthkapsel stamme. Der Befund, daß bei den Amphibien das Oper-
culum in Zusammenhang mit der Ohrkapsel entsteht, hat dabei zweifellos das Urteil
beeinflußt. Pakker (1874, für das Schwein, F. and Bettany, 1877) sowie Gruber
(1877) beschrieben den labyrinthären Ursprung des Gesamtstapes, v. Noorden
(Mensch) und Gradenigo (Katze, Kaninchen, Schwein, Hund, Maus, Mensch)
suchten eine Verraittelung zwischen dieser Anschauung und der von dem hyalen
Ursprung herzustellen, indem sie die Fußplatte von der ührkapsel, die Crura vom
Zungenbeinbogen stammen lassen. Auch eine völlige Selbständigkeit des Stapes
ist von mehreren Autoren vertreten worden. Die Anschauung von der hyalen Natur
hat die meisten Anhänger, dazu gehören Parker (von 1885 an), Rabl (unter Mit-
berücksichtigung der Nervenverteilung), Baumgarten, Zondek, Jacoby (nicht mit
Sicherheit), Hegetschweiler, Broman. Die innige Verbindung des Stapesblastems
mit der Ohrkapselanlage ist nach dieser Anschauung eine sekundäre Erscheinung. —
Daß das Stapesblastem sich ringförmig um eine Arterie herum bilde und nicht erst
sekundär durchlöchert werde, ist zuerst von Salensky gesehen worden (1880);
Fräser (1882) stellte die richtige Natur dieses Gefäßes fest und wies auf die bei
manchen Säugern bleibende A. stapedialis hin. — Die Entwickelung eines Stapes
columelliformis (ohne Durchbohrung), wie er sich bei Monotremen, vielen Marsupialiern
und einigen Edentaten findet, wurde bisher nicht verfolgt.
Der Stapes entspricht wahrscheinlich dem inneren, auch gewöhnlich als Stapes
bezeichneten Abschnitt der Keptiliencolumella, nicht aber dieser in ihrer Totalität.
Bei den Amphibien kommt dagegen die gesarate Columella als Vergleichsobjekt in
Betracht. Hierüber siehe das specielle Kapitel (p. 605).
Das Schicksal des REiCHERT'schen Knorpels ist nicht bei allen Säugern das
fleiche wie beim Menschen. Vielfach wird der ganze Knorpel durch knöcherne
itücke ersetzt, ohne daß bindegewebige Umwandlung einer Strecke, wie beim
Menschen, auftritt. Das oberste, an der Hinterwand der Paukenhöhle gelegene
Stück des REiCHERT'schen Knorpels ist beim menschlichen Neugeborenen noch
knorpelig (Politzer).
Erster B r a n c h i a 1 b o g e n. Auch innerhalb des 3. Schlund-
bogens verdichtet sich das Mesenchym zu einer Skelettanlage, aus
deren Verknorpelung das Cornu majus des menschlichen Zungen-
beins hervorgeht. Dieses stellt somit ein Cornu branchiale primum
dar. Jenes Blastem geht ventral in dasjenige über, aus dem sich der
Körper des Zungenbeins bildet. Ob dieses bei seiner Anlage
irgendwelche Selbständigkeit erkennen läßt, bleibt, ebenso wie die
Frage nach einer etwaigen Beteiligung des hyalen Blastems an seiner
Bildung, noch genauer festzustellen. Für die Beantwortung der Frage,
wieweit der Anlage des Zungenbeinkörpers der Wert bestimmter
Copulae zuzuerkennen ist, mangelt es zur Zeit noch an sicheren
Kriterien.
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 837
Daß die Bezeichnung Cornu raajus zwar für den Menschen, aber nicht für die
meisten anderen Säuger gilt, sei hier nur kurz bemerkt.
II. Knochen.
Die Zerlegung des neuralen Primordialcraniums in knöcherne
Territorien ist bei den Säugern eine vollständigere als bei den anderen
Wirbeltieren ; nur geringe Reste des Knorpels (namentlich der vor-
derste Teil der Nasenkapsel) bleiben erhalten. Die Zahl der Ersatz-
knochen ist daher eine größere als bei den Reptilien, und manche von
ihnen, namtlich in der Orbito-temporal- und Ethmoidalgegend, lassen
sich nicht von solchen der Reptilien ableiten, sondern erscheinen als
neue Bildungen. Von den Deckknochen gewinnen die an der Decke
und Seitenwand des neuralen Schädels gelegenen eine besondere Be-
deutung und Entwickelung, da sie bei dem Zurücktreten des Prim-
ordialcraniums in erhöhtem Maße zur Begrenzung des im Anschluß
an die Gehirnentfaltung sich stark vergrößernden Cavum cranii heran-
gezogen werden. Vielfach geben die Knochen des neuralen Craniums
ihre Selbständigkeit auf und verwachsen mit benachbarten, wodurch
Knochenkomplexe mannigfacher Art (Ersatzknochen untereinander,
Deckknochen untereinander, Ersatzknochen mit Deckknochen) gebildet
werden.
Ersatzknochen des neuralen Craniums sind folgende.
Basioccipitale, Pleuroccipitalia, Supraoccipitale occupieren die Um-
gebung des Hinterhauptsloches; mehrere Ossa periotica treten in der
Ohrkapsel auf und bilden untereinander verschmelzend das Os pe-
trosum, das von den benachbarten Ersatzknochen getrennt bleibt, da-
gegen vielfach mit Deckknochen Verbindungen eingeht; der vordere
Teil der Basalplatte nebst dem Boden der Fossa hypophyseos werden
vom Basisphenoid, die beiden Alae temporales von den Alisphenoiden
occupiert; in der vorderen Hälfte der Orbito-temporalgegend entsteht
basal das Praesphenoid, dem sich lateral die an Stelle der Alae or-
bitales tretenden Orbitosphenoide anfügen ; in der Ethmoidalgegend
endlich ist eine septale Ossifikation (Mesethmoid) von zwei lateralen,
in den Seitenteilen der Nasenkapsel auftretenden (Pleurethmoiden) zu
unterscheiden, die alle drei zum Ethmoid verschmelzen ; eine selb-
ständige Ossifikation ergreift die untere Muschel. Von specieller Be-
deutung und nur auf wenige Formen beschränkt, ist eine als Praenasale
beschriebene vordere Septalverknöcherung. Als D e c k k n o c h e n legen
sich der hinteren Schädelregion das Parietale und seitlich das Squa-
mosum an, das bei den Säugern eine besondere Ausbildung erfährt.
Ein Interparietale schiebt sich unpaar zwischen die hinteren Enden
beider Parietalia ein. Im mittleren Schädelgebiet bildet das Frontale
die Decke des Cavum cranii. Auf und an die Nasenkapsel legen sich
Nasale, Lacrimale, Incisivum und Maxillare an. Der Schädelbasis
lagern sich die als Pterygoidea und Vomer bezeichneten Knochen an,
von denen die sog. Pterygoidea wahrscheinlich auf das Parasphenoid
der niederen Vertebraten zurückzuführen sind, sowie im Ethmoidal-
gebiet jederseits das Palatinum. In nähere Beziehung zum neuralen
Cranium tritt endlich noch das Tympanicum, das vielleicht auf das
Paraquadratum der Amphibien zurückzuführen ist.
Die Anordnung der das Cavum cranii begrenzenden Schädelknochen
bei den Säugern ermöglicht sehr leicht eine Gruppierung zu 4 hintereinander liegenden,
die Schädelhöhle umgürtenden Segmenten (Occipital-, hinteres und vorderes Sphen-
838 E. Gaupp,
oidal-, Ethmoidalsegment), von denen allerdings das vorderste auf den basalen Ab-
schnitt reduziert ist. Das Petrosum mit seinen Deckknoclien fällt dabei aus. Dieser
Umstand wurde Veranlassung, in jenen Segmenten umgestaltete Wirbel, in dem
Petrosum aber einen specifischen feinnesknochen zu sehen (s. Lehre von der Me-
tamerie des Schädels).
Die Genese der Schädelknochen ist bei den Säugern und speciell beim
Menschen viel genauer studiert als bei irgend einer anderen Tierklasse. Dabei hat
sich die Thatsache ergeben, daß viele Knochen von mehreren Centren aus entstehen.
In manchen Fällen läßt sich die Homologie solcher Einzelcentren mit selbständig
bleibenden Knochen niederer Wirbeltiere begründen, in anderen Fällen ist das nicht
möglich. An den vagsten Behauptungen fehlt es auf diesem Gebiete nicht (s. auch
den nächsten Abschnitt).
Fontanellen. Da, wo 3 oder mehrere Knochen zusammenstoßen, bestehen
am Dach und Seitenumfang des Schädels — entweder nur embryonal oder auch noch
eine Zeit lang im postembryonalen Leben — häutig geschlossene Lücken, Fonta-
nellen (Fonticuli). Die wichtigsten beim Menschen sind: die kleine F. (Font,
occipitalis), zwischen Lambda- imd Sagittalnaht ; die große F. (Font, frontalis,
Bregmalontanelle) zwischen Coronar- und Sagittalnaht; die hintere Seiten- F.
(Font, mastoideus, Asterionfontan.), zwischen Scheitel-, Hinterhaupt- und Schläfen-
bein; die vordere Seiten-F. (Font, sphenoidalis, Pterionfontan.) zwischen Stirn-,
Scheitel-, Schläfenbein und großem Keilbeinflügel und die inkonstante Fronto-
Nasal-Fon tanelle. Ueber Zeit und Reihenfolge des Verschlusses dieser Fonta-
nellen bemi Menschen siehe Adachi (1900). Von früh-fötalen, bald verschwin-
denden Fontanellen sind besonders zu nennen die am vorderen und hinteren Rande
des Scheitelbeins, entsprechend den beiden Enden der fötalen horizontalen Scheitel-
beinnaht, gelegenen.
Ueber zählige Knochen. Ueberzählige Schädelknochen sind
bisher am genauesten und in größter Anzahl beim Menschen be-
schrieben worden ; in den letzten Jahren ist auch auf entsprechende
Vorkommnisse bei Anthropomorphen und quadrupeden Säugern mehr
geachtet worden. Nach den bisher vorliegenden Erfahrungen kann
eine Vermehrung der normalen Zahl der Knochenstücke auf verschie-
dene Weise erfolgen, und es muß mit der Möglichkeit gerechnet
werden, daß bei ausgedehnteren Untersuchungen noch weitere Modi
festgestellt werden. Eine befriedigende Klassifizierung ist daher zur
Zeit noch nicht möglich. Ueberhaupt ist die Verwendung des Begriffes
„überzählige Knochen" bei Fällen von Knochenvermehrnng oft genug
inkorrekt, da sich ja z. B. bei abnormem Zerfall eines normalerweise
einheitlichen Stückes gar nicht sagen läßt, welches Teilstück auf jene
Bezeichnung Anspruch hat. Die Gepflogenheit, das kleinere so zu
benennen, ist lediglich ein praktisches Mittel, das auch im Stich lassen
kann.
Die Frage, ob das Auftreten überzähliger Knochen beim Menschen im Sinne
eines Atavismus aufzufassen ist, kann nur von Fall zu Fall auf dem Wege wirklich
kritischer Vergleichung entschieden werden. An dieser fehlt es freilich oft genug.
Für den Vergleich mit dem Menschen kommen zunächst die übrigen Säuger und
dann die Reptilien in Betracht. Für die ersteren sind genaue Untersuchungen über
die Genese der Schädelknochen erst in beschränktem Umfang, für die letzteren so
gut wie gar nicht vorhanden. Sie sind aber Vorbedingung für die Beantwortung
der angeregten Frage. Der Sprung vom Menschen zu Stegocephalen und Crosso-
pterygiern widerspricht einer wirklich wissenschaftlichen Methode des Vergleiches,
imi so mehr, als es sich hier um den Schädel handelt, also den Teil, der die aller-
größten Umwandlungen erleidet, und dessen Aufgaben vielfach andere sind, als bei
den genannten niederen Formen. Mit dem Auftreten progressiver Erscheinungen
muß da ganz besonders gerechnet werden.
1) Die Zahl der Knochenstücke kann vermehrt werden, wenn ein
Ossifikationscentrum, das normalerweise nur bei seiner Entstehung
selbständig ist, weiterhin aber mit anderen verschmilzt, abnormer-
weise seine Selbständigkeit beibehält. Ranke (1899) bezeichnet die
auf diese Weise entstehenden überzähligen Knochen als principale;
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 839
welches der beiden Teilstücke dabei als überzählig zu bezeichnen ist,
läßt sich natürlich aus dein Wesen der Sache nicht bestimmen.
2) Als accessorische überzählige Knochen bezeichnet Ranke
die Naht-, Fugen- und Fontanellknochen, die kurzweg auch als
S c h a 1 1 k n 0 c h e n zusammengefaßt werden. Es sind kleinere Knochen-
stücke, die die Verbindung mit dem Hauptknochen, dem sie anliegen,
nicht erlangt haben, in Nähten, Fugen und Fontanellen gelagert.
Die Nahtknochen (WoRM'schen Knochen) sind kleine, unregelmäßig ge-
formte Knöclielchen, die sich, oft in größerer Zahl, überall bilden können, wo 2
Knochen in einer Naht zusammenstoßen. Die FontaneUknochen sind in ihrer
Lage mehr fixiert; sie finden sich nur da, wo 3 und mehr Knochen zusammenstoßen,
also da, wo im fötalen oder früh-kindlichen Leben Fontanellen bestehen. Sie er-
langen oft ansehnlichere Größe, treten symmetrisch auf und passen sich in ihrer Form
der Fontanelle an, wodurch ihre Gestalt eine mehr regelmäßige, bestimmte wird.
Gelegentlich kann ein FontaneUknochen als Nahtknochen erscheinen, wenn es sich
nämlich um einen Knochen in einer frühfötalen Fontanelle handelt. Solche kommen
zu Stande, wenn ein Knochen nur bei seiner ersten Anlage aus zwei Centren zu-
sammengesetzt ist: die diese beiden trennende Naht kann mit einer anderen zu-
sammenstoßend, eine auf früheste Stadien beschränkte Fontanelle bilden. Treten in
dieser Fontanellknochen auf, so werden dieselben später, wenn die fötale Naht ver-
schwunden ist, nur zwischen 2 Knochen liegen, also. als Nahtknochen erscheinen.
(Beispiel: gewisse Knochen am vorderen und hinteren Rande des Scheitelbeins.)
Die Entstehung der Naht- und Fontanellknochen läßt sich aus den gleichen
Momenten erklären, nämlich den Besonderheiten bei der Bildung der Deckknochen.
Dieselben bestehen bei ihrem Auftreten aus einem Netzwerk feinster Knochenbälkchen,
das bis zur Mitte des 5. Embryonalmonats sich durch Ausbildung neuer Bälkchen
vergrößert. Um diese Zeit ist aber vorübergehend der Wachstumsmodus ein anderer:
es bilden sich entlang den Eändern des Heerdes kleinste Knocheninseln, die erst
dann, entweder direkt oder nachdem mehrere zu etwas größeren Stücken zusammen-
geflossen sind, sich mit dem Hauptknochen vereinigen. Unterbleibt diese Vereini-
gung, .so sind kleine isolierte Knochenstückchen die Folge, die nun entweder (Naht-
knocheu) zwischen 2, oder (Fontanellknochen) zwischen mehreren Hauptknochen
liegen. In den Fontanellen erfolgen häufiger Verschmelzungen der accessorischen
Knocheninseln zu größeren Komplexen, daher besitzen die Fontanellknochen oft eine
beträchtlichere Ausdehnung (Eanke). Da das Auftreten marginaler Knocheninselu
an den Schädeldachknochen zu bestimmten Zeiten des Fötallebens ein normales Vor-
kommnis ist, so besteht zwischen den oben unter 1) und 2) genannten Erscheinungen
kein prinzipieller Gegensatz. Das Abnorme ist in beiden Fällen nicht in dem Ent-
stehen, sondern in dem Bestehenbleiben selbständiger Stücke zu sehen, die
allerdings im Falle 2) nach Zahl und Form verschieden sind und dadurch mehr den
Charakter des Zufälligen annehmen. Durch krankhafte Prozesse, die eine Steigerung
des Innendruckes im Schädel bewirken (Hydrocephalus), kann die Zahl der Schalt-
knochen vergrößert oder Offenbleiben einer fötalen Naht bewirkt werden.
Nahtknochen können in allen Nähten des Schädeldaches auftreten, vor
allem in der Lambdanaht, aber auch in der Frontal-, Coronal-, Sagittal-, Schuppeu-
und Frontonasalnaht. Zwischen den Gesichtsknochen sind sie sehr selten. Zu den
FontaneUknochen der kleinen Fontanelle gehören die Spitzenknochen (s. Occi-
pitalia); in der großen Fontanelle kommt ein einfacher oder doppelter accessorischer
Knochen (Frontoparietale, Bregmaticum) vor, der bei Cebiden häufig ist (Ficalbi),
auch die vordere und hintere Seiten fontanelle, die inkonstante Fronto-Nasal-Fonta-
nelle und die frühfötalen Fontanellen am vorderen und hinteren Rande des Scheitel-
beins werden Sitz von Fontanellknochen.
Die Fugenknochen treten embryonal zwischen 2 Ersatzknochen des Chondro-
craniums in der trennenden Knorpelfuge auf als kleine hirsekornförmige Knöchelchen
(Ranke). Da für die Ersatzknochen ähnliche Wachstumsverhältnisse, wie sie von
den Decknochen geschildert wurden, bisher als normalerweise vorkommend nicht
bekannt sind, so hat das Auftreten selbständiger Ossifikationsherde in den Fugen
noch mehr den Charakter eines abnormen Vorganges, als das bei den Naht- und
FontaneUknochen der Fall ist.
3) Die Möglichkeit, daß die Zahl der Centren, von denen aus die
Verknöcherung eines Knochens erfolgt, abnormerweise eine Ver-
mehrung erfährt, und daß so statt eines Knochens deren mehrere
entstehen, ist ohne weiteres zuzugeben. Bisher wurde diese Ent-
840 E. Gaupp,
Stellungsursache stillschweigend in vielen Fällen angenommen; daß
dies nicht immer berechtigt zu sein braucht, lehrt das gleich zu
erwähnende Beispiel des Zygomaticum bipartitum.
4) In den 3 bisher geschilderten Fällen ist die Ursache für die
Entstehung eines überzähligen Knochens bereits in der allerersten
Anlage gegeben. Neuerdings hat es aber K. Toldt jun, wahrschein-
lich gemacht, daß auch bei einheitlicher erster Anlage eines Knochens
sekundär, im Laufe der weiteren Entwickelung, Abtrennung eines
Knochenbezirkes erfolgen kann. Genaueres siehe bei Zygomaticum.
Wieweit solche Vorgänge als wirksam anzunehmen sind, bleibt noch
festzustellen.
Knochen im Gebiet des Oberschädels.
(Außer Gehörknöchelchen.)
Bei der nachfolgenden speciellen Darstellung gehe ich meist von
den Verhältnissen beim Menschen aus und schließe die der anderen
Säuger, wenigstens der Hauptsache nach, daran an.
Knochenkomplex des Occipitale (Occipitalia und Inter-
parietale). In der Umgebung des Foramen occipitale magnum ent-
stehen bei den Säugern die 4 typischen Ersatzkuochen : Basioccipitale,
Pleuroccipitalia, Supraoccipitaie. Keiner derselben greift auf die Ohr-
kapseln über. Die 4 Knochen verschmelzen meistens (als Pars basilaris.
Partes laterales und Squama) bei erwachsenen Tieren untereinander
zu einem Occipitale, doch kann die Trennung auch lange oder dauernd
erhalten bleiben. Mit dem Supraoccipitaie, das an dem einheitlichen
Occipitale die Schuppe bildet, kann das als Deckknochen entstehende
Interparietale verwachsen ; alsdann wird der Supraoccipitalteil als
ünterschuppe, der Interparietalteil als Oberschuppe bezeichnet.
Die Verknöcherung des Basioccipitale dehnt sich in der Schädelbasis (der
Basali^latte) sehr weit nach vorn hin aus; daß ihre vordere Grenze mit der der
Occipitalregion, d. h. mit der des gegliederten Abschnittes der Schädelbasis zusammen-
falle, ist ganz unerwiesen. Offenbar reicht häufig der Knochen viel weiter nach vorn.
Bei manchen Säugern nimmt das Basioccipitale auch an der Bildung der Condyh occi-
pitales Anteil. Das Pleuroccipitale occupiert den Seitenteil der Occipitalregion mit dem
Condylus, das Supraoccipitaie das Tectum synoticum. Genaue Angaben liegen für
den Menschen vor, dessen Occipitale einen aus Ersatzknochen- und Deckknochen-
Komponenten Zusammengesetzen Komplex darstellt. Die Verknöcherung des be-
treffenden Abschnittes des Chondrocraniums erfolgt nach Kölliker im Anfang
des 3. Monats, und zwar mit einem Knochenpunkt in der Pars basilaris, je einem
in den Partes laterales und zwei bald verschmelzenden in dem Tectum synoticum.
Die letzteren bilden die Anlage der Unterschuppe, deren Ossifikation nach
Toldt auch von vornherein unpaar auftreten kann. Interessant ist die Beobachtung
von BoLK (1903), daß die Ossifikation auftritt in der mittleren Partie des Tectum
synoticum, die nicht zur Verknorpelung kommt. Es würde sich also hier um einen
Ersatzknochen handeln, dessen primordiale Knorpelgrundlage nicht mehr in ganzer
Ausdehnung zur Entwickelung kommt (p. S18). Eine Ergänzung kann die Unterschuppe
erfahren durch einen unpaaren, in der Mittellinie am oberen Rande des Foramen
occipitale magnum auftretenden Knochenkern, das Ossiculum Kerckringii
(Kerckring 1670) oder Manubrium ossis occipitalis (R. Virchow). Es
entsteht in der Incisura occipitalis posterior des Tectum synoticum; Ranke's Angabe,
daß an seiner Bildung Knorpel- und Hautknochen gemeinschaftlich teilnehmen, und
daß die Hautverknöcherung einen primären Charakter zu tragen scheine, läßt sich
sehr wohl dahin kommentieren, daß die hier zur Verknöcherung kommende Partie
des Tectum ebenfalls nur partiell vor der Ossifikation verknorpelt. Bolk fand ein-
mal einen freien Knorpelkern in dieser Partie.
Ueber die Entwickelung des Deckknochenanteils oder der Oberschuppe,
die als homolog dem Interparietale der Säuger aufgefaßt wird, besteht eine ausge-
dehnte Litteratur, von Jon. Fr. Meckel bis heute. Nach Ranke, der neuerdings
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 841
den Gegenstand sehr ausführlich untersuchte, erfolgt die Bildung des fraglichen
Knochen Stückes von 4 typischen Kernen aus, in etwas komplizierter Weise. Nach
den beiden Centren der Unterschuppe, die das Kernpaar I der Gesamtschuppe bilden,
tritt Paar II auf, zuerst neben der Mittellinie gelagert, dann mit seinen oberen
Partieen weiter lateralwärts auseinanderrückend. Die unteren Partieen verschmelzen
untereinander und mit dem oberen Rand der Unterschuppe. Alsdann wird durch
eine von der Seite einschneidende Spalte (Sutura mendosa) jedes der Centren II in
2 Stücke zerlegt : ein schmales unteres (Fig. 405, IIa), das als Hautknochen-
ergänzungsstück der Unterschuppe angeschlossen ist, und ein oberes {Fig. 405, IIb),
das in den Aufbau des Hauptteils der Oberschuppe eingeht. Unterdessen ist ein
III. Paar von Centren aufgetreten und zwar in dem Raum, der zwischen den oberen
Hälften der Centren II durch Auseinanderweichen derselben frei geworden ist. Die
beiden Centren III verwachsen dann mit den oberen Hälften der Centren II zu dem
Hauptteil der Oberschuppe, der auch bei Neugeborenen noch durch die jederseits
einschneidende Sutura mendosa unvollkommen von der Unterschuppe und ihrem
oberen Ergänzungsstück abgetrennt ist. Diese Sutur entspricht also nicht dem
fötalen Trenungsspalt zwischen Ersatz- und Deckknochenanteil der Schuppe, sondern
schneidet in den Deckknochenanteil ein (Bessel Hagen 1879). Sonach würde auch,
wenn in abnormen Fällen die Sutura mendosa vollkommen durchschneidet, das obere
abgetrennte Stück (üs epactale seu Os Incae) nicht der ganzen Oberschuppe (oder
dem Os interparietale) entsprechen , sondern nur dem oberen allerdings weitaus
größten Teil derselben. Totales oder partielles Erhaltenbleiben der Sutura mendosa
Obei schuppe
Sutura mendosa
ühterschuppe
Fig. 405. Ranke's Schema der Ossificationscentren der Hinterhauptschuppe
des Menschen. I erstes Paar (Supraoccipitale). // zweites Paar. IIa Hautknochen-
Ergänzungsstück der Unterschuppe. III drittes Paar. IV viertes Paar (Spitzen-
knochen, Praeinterparietalia).
mit Persistenz einer oder mehrerer der Sagittalnähte läßt einzelne der typischen
Komponenten selbständig bleiben und als accesorissche Elemente auftreten. Als
atypische accessorische Knochenstücke kommen dann in der kleinen Fonta-
nelle Fontanellknochen vor, und diesen zählt Ranke auch die sog. Spitzen-
knochen (R. Virchow; Praeinterparietalia der italienischen Autoren) zu. Es sind
zwei neben der Mittellinie oberhalb des Paares III gelegene Centren, die nicht ganz
selten sind und daher von früheren Autoren vielfach als typische Komponenten der
Hinterhauptsschuppe beschrieben wurden. Nach Ranke sind sie aus der Reihe der
principalen Elemente zu streichen. Im erwachsenen Zustand als accessorische Ele-
mente auftretend zeichnen sie sich oft durch schöne regelmäßige symmetrische Aus-
bildung aus.
Die knöcherne Vereinigung der Partes laterales mit der Squama beginnt gegen
Ende des 1. Lebensjahres und ist in der Mitte des 2. vollendet ; ausnahmsweise
erst später. Die Vereinigung der Partes laterales mit der Pars basilaris erfolgt
sehr konstant im 6. Lebensjahre (Toi^dt). In den Fugen zwischen den Partes
laterales und der Unterschuppe können Fugenknochen vorkommen (Ranice). Gegen
Ende der Wachstumsperiode erfolgt die Vereinigung des Hinterhauptbeines mit dem
Keilbein durch Ossifikation des Synchondrosis spheno-occipitalis. (Die ausgedehnte
Litteratur über Entstehung der Hinterhauptschuppe s. bei Ranke.)
Knochenkomplex des Temporale. (Petrosum = Ossa
periotica, Squamosum, Tympanicum, Entotympanicum, Tympano- und
Stylo-hyale.)
Das menschliche Schläfenbein setzt sich aus mehreren verschieden-
artigen Komponenten zusammen. Die Pars petromastoidea (Os petrosum)
842 E. Gaupp,
geht aus der Ossifikation der Ohrkapsel und der Parietalplatte hervor ;
Squama und Pars tympanica entstehen als selbständige Deckknochen
(Squamosum und Tynipanicum) ; der Processus styloideus ist der
obere ossifizierte Teil des Zungenbeinbogens (Tympano- und Stylo-
hyale).
Petrosum (Pars petromastoidea). Die Zahl der Centra, von
denen aus beim Menschen die Ohrkapsel, das anschließende Gebiet
der Parietalplatte und das Tectuni synoticum verknöchern, beträgt
nach Vrolik 6, nach Ficalbi noch mehr. Sie treten spät auf, zu
einer Zeit, wo das Basioccipitale und die Pleuroccipitalia bereits wohl
verknöchert sind. Nach Spee fällt ihr Auftreten in das Ende des
5. Fötalmonats, dann wachsen sie rasch und sind gegen das Ende des
6. Fötaimonats untereinander verschmolzen. Der erste Ossifikations-
kern liegt an der ventral-lateralen Kapselfläche, zwischen Fen. vesti-
buli und Fen. Cochleae (Gegend des späteren Promontoriums) ; er
dehnt sich durch das For. jugulare hindurch an den inneren Umfang
der Ohrkapsel aus. Der zweite entsteht am dorsal-lateralen Umfang
des vorderen Kapselabschnittes und umfaßt vor allem die Brücke über
dem Facialisaustritt, die Gegend der Crista parotica (Tegmen tympani)
und den lateralen Kapselumfang bis zur Fen. vestibuli. Der dritte
liegt innen an der Spitze der Cochlea, also in der Umgebung der Incisura
prootica. Gleichfalls am inneren Umfang, aber viel mehr kaudal,
medial von der Forsa subarcuata, tritt der 4. Punkt auf. No. 5 und 6
endlich erscheinen an der Außenfläche der hinteren Kapselabteilung;
der 5. in der Gegend des hinteren Bogenganges, der 6. etwas davor.
5 und 6 dehnen sich auch in die Parietalplatte und den Anfang des
Tectum synoticum aus (Pars mastoidea). — Die Untersuchung mehrerer
Säuger ergab in einzelnen Punkten Uebereinstimmung, in anderen
Differenzen (Fehlen mancher Centra, Vorhandensein anderer), so daß
es noch nicht feststeht, ob bei den Säugern die Zahl und Lage der
Knochenpunkte der Pars petromastoidea konstant ist. (Ficalbi giebt
für Schwein, Schaf, Mensch etwas mehr Ossifikationspunkte an als
Vrolik.) Daher läßt sich auch, wie Vrolik mit vollem Rechte be-
tont, noch nicht sagen, welche der 6 Territorien bereits von niederen
Vertebraten vererbt und daher bestimmten Knochen von diesen zu
homologisieren sind. (Huxley beschrieb seinerzeit nur 3 Ossifikations-
centra, als Prooticum, Opisthoticum, Epioticum ; nach Vrolik ent-
spricht das Prooticum dem 2., 3., 6., das Opisthoticum dem 1. und 4.,
das Epioticum dem 5. Centrum Vrolik's.)
In großer Ausdehnung treten auch Verknöcherungen im Inneren
der knorpeligen Ohrkapsel auf. Boettcher (1869) betont als funda-
mentale Thatsache. daß die knöcherne, auch bei erwachsenen Individuen
aus dem Felsenbeine ausschälbare Labyrinthkapsel nicht durch Ossi-
fikation der Knorpelkapsel, sondern aus dem ursprünglichen intracapsu-
lären Bindegewebe entstehe, und ebenso der Modiolus, die Lamina
modioli und die Lamina spiralis ossea (Untersuchungen an Schaf-
embryonen). Kölliker (1879) bezeichnet die Verknöcherung der
inneren Labyrinthkapsel als eine vom Innenperiost der Ohrkapsel
ausgehende, die sich weiter auf das Bindegewebe im Innern ausdehnt
und so die oben erwähnten Bildungen und auch den Grund des
Meatus auditorius internus liefert.
Canalis caroticus. Ein knorpelig geschlossener Canalis caroticus besteht
nie; die Carotis interna liegt anfangs an der Ventralfläche des vorderen Teiles der
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 843
Pars cochlearis der Ohrkapsel. Bei der Verknöcherung derselben bildet sich für
die Arterie zuerst eine Rinne, und diese wird dann durch Verwachsen der Eänder
zum Kanal geschlossen. Zur Zeit der Geburt ist der Kanal (beim Menschen) in
seiner Mitte vollendet, und von hier aus findet dann nach beiden Seiten hin der
knöcherne Verschluß statt (Eüdinger, Moldenhauer). Auch das Septum des
Canalis musculotubarius ist nicht knorpelig präformiert und entsteht erst
bei der Ossifikation.
Sq uamosum. Das Squamosum der Säuger und des Menschen
entsteht als Deckknochen am lateralen Umfang der Ohrkapsel (Fig. 406);
bei vielen Säugern bleibt es als getrennter Knochen erhalten, beim
Menschen verschmilzt es mit dem Petrosum und dem Tympanicum.
Zwischen dem Squamosum und der Mandibula bildet sich das Kiefer-
gelenk aus, an der Gelenkfläche des Squamosums tritt sekundär Knorpel
auf (s. Kiefergelenk). Für die Annahme, daß in den Aufbau des
unteren Abschnittes des Squamosums das Quadratum der Sauropsiden
eingegangen sei, lassen sich entwickelungsgeschichtliche Gründe nicht
beibringen.
Beim Menschen verknöchert die Schläfenbeinschuppe (das Squamosum) von
3 Punkten aus. Der zuerst auftretende entspricht dem Jochfortsatz, der zweite folgt
bald darauf und bildet den größten Teil der eigentlichen Schuppe, der dritte ergänzt
dieselbe an ihrem hinteren unteren Ende. Sie erscheinen in der 10. bis 11. Woche und sind
um die Mitte des 4. Embryonalmonats untereinander verschmolzen (Toldt, ähnlich
Rambaud u. Renault). Gegen Ende der Fötalperiode beginnt das Squamosum
mit dem Tympanicum zu verschmelzen, bald darauf erfolgt auch die Verbindung
mit dem Petrosum. — Die wichtigsten Varietäten beim Menschen sind : Teilung des
Squamosums in ein oberes und ein unteres Stück durch eine Sutura horizontalis,
Teilung in ein vorderes und ein hinteres Stück durch eine Sutura verticalis ; Vor-
handensein eines Proc. frontalis!, der die Schläfenbeinschuppe mit dem Frontale ver-
bindet. Diese letztere Besonderheit wird beim Keilbein besprochen werden; für die
beiden erstgenannten wird das normale Vorhandensein mehrerer Ossifikationscentra
verantwortlich gemacht. — Nahtknochen in der Schuppennaht kommen vor. — Vom
vergleichenden Standpunkt ist die Anteilnahme des Squamosums an der Begrenzung
des Cavum cranii bemerkenswert, die bei Reptilien noch fehlt und erst bei Vögeln zu
konstatieren ist. Sie steht im Zusammenhang mit der basalen Lagerung und ge-
ringen Größe der Ohrkapseln bei den Säugern, die von dem stark vergrößerten
Gehirn überwachsen werden. Das Cavum cranii erhält infolge dessen neue Wände,
zu deren Herstellung auch das Squamosum, das bei den Reptilien keinen Anteil
daran hatte, herangezogen wird (Gaupp 1900).
Tympanicum. Das Paukenbein entsteht als Deckknochen am
lateral-ventralen Umfang des MECKEL'schen Knorpels (Fig. 406) und
bleibt bei vielen Säugern als getrennter Knochen bestehen.
Beim Menschen wird das Tympanicum anfangs des 3. Monats ventral-lateral
vom MECKEL'schen Knorpel vor dem Hammer als einheitlicher Deckknochen ange-
legt (Broman). Die nach abwärts und innen gerichtete Spitze wächst dann erst in
der genannten Richtung und dann nach hinten hin aus (Fig. 403, 404), folgt dabei
dem Rande der Membrana tympani und umkreist den Hammer von vorn und unten,
um hinter ihm sich wieder aufwärts zu krümmen. So kommt der Anulus tympa-
nicus zu Stande, den auch der Neugeborene zeigt. Im Laufe des 10. Embryonal-
monats verwächst derselbe nach Toldt zuerst an seinen Enden mit der Schujjpe
und dann auch an seinem unteren Teil mit der Pyramide. Schon in den ersten
Monaten nach der Geburt beginnt die Apposition neuer Knochensubstanz medial-
wie lateralwärts, wodurch der anfangs schmale Anulus zu der breiten Platte wird.
Bei manchen Säugern bildet das Tympanicum die Bulla tympanica, an deren Kon-
stituierung aber auch andere Knochen teiluehmen können. — Durch die Verwachsung
des Tympanicum mit dem Petrosum und Squamosum kommen Teile, die ursprüng-
lich außen von der Ohrkapsel lagen, in einen von Knochen begrenzten Raum, die
Paukenhöhle, zu liegen. Die Fissura petrotympanica bleibt als Spalte zwischen dem
Tympanicum und der Crista parotica (dem Tegmen tympani) bestehen und leitet die
Chorda tympani aus der Paukenhöhle heraus. Sie entspricht auch der Stelle, wo
Anfangs der MECKEL'sche Knorpel vom Gelenkende (dem Hammer) aus zum Unter-
kiefer zog.
Was die Homologie des Tympanicums anlangt, so wird dafür häufig das Para-
quadratum der Amphibien (Quadratojugale der Reptilien) in Anspruch genommen;
844
E. Gaupp,
ich selbst habe diese Homologie (1894) vertreten und die abweichende Lage des
Knochens zum Quadratum (Incusj aus der Verschiebung des letzteren nach rück-
wärts zu erklären gesucht. Der auf Grund des ontogenetischen Verhaltens viel
näher liegende Gedanke, daß das Säugertympanicum auch phylogenetisch ein Deck-
knochen des MECKEL'schen Knorpels ist, wird neuerdings von van Kampen (1904)
ventiliert. Der genannte Autor führt das Supraangulare der Reptilien als Ver-
Fig. 406. Dasselbe Modell wie Fig. 398, mit Deckknochen der rechten Seite.
Von recnts.
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 845
gleichsobjekt an. Diese Vorstellung hat manches für sich und verdient weiter ge-
prüft zu werden. Der Hinweis v. Kampen's darauf, daß das Tyrapanicum manch-
mal mil dem Malleus (dem Articulare) verschmilzt — Monotremen — spricht vielleicht
zu ihren Gunsten. — Daß dagegen das Tympanicum nicht dem Quadratum homolog
ist, ist sicher.
E n 1 0 t y m p a u i c u m (Os biillae , Metatympanicum). Das bei
manchen Säugern vorhandene Entotympanicum fand Wincza bei der
Katze und bei einer Fledermaus knorpelig präformiert, doch hing der
Knorpel mit dem Primordialcranium nicht zusammen. Parker be-
schreibt den Knochen beim Schwein als bindegewebig präformiert.
Genaueres über das Verhalten des Entotympanicum siehe bei v. Kampen (1904).
Der Knochen ist bei Vertretern verschiedener Ordnungen beschrieben worden :
Marsupialiern, Insectivoren, Chiropteren, Xenarthra, Manidae, Carnivoren und Ungu-
laten. Ob es sich bei der knorpeligen Präformation um sekundäre Knorpelbildung
handelt, ist einstweilen mit Sicherheit nicht zu sagen, aber wahrscheinlich; die Rück-
führung des Knochens auf den Anulus tympanicus der Anuren (WinCZA) ist wohl
ganz unmöglich, v. Kampen faßt den Knochen als eine Neuerwerbung der Säuger
auf; in Fällen, wo er als selbständiges Element fehlt, glaubt er ihn durch fusion
primordiale mit dem Tympanicum verschmolzen.
T y m p a n o h y a 1 e und S t y 1 o h y a 1 e. Das obere mit der knorpe-
ligen Ohrkapsel verschmolzene Ende des Zungenbembogens ver-
knöchert und verbindet sich beim Menschen mit dem Petrosum und
dem Tympanicum. Der frei hervorstehende Teil bildet den Proc.
styloideus beim Menschen. (S. u. : Canalis facialis, sowie : Verknöche-
rungen des Hyobranchialskeletts.)
Canalis facialis, Eminentia stapedia. Der definitive Canalis facialis
des Menschen läßt 3 Abschnitte unterscheiden, von denen aber nur der erste (vom
Por. acust. int. bis zur Gegend des Facialisknies) dem kurzen, im Chondrocranium
befindlichen primären Kanal entspricht. Embryonal verläuft der Nerv, nachdem er aus
dem Orificium externum dieses kurzen Kanals ausgetreten ist, am lateralen Umfang
der Ohrkapsel, unter der Crista parotica und über der Fen. vestibuli, resp. über dem
Stapes, rückwärts, biegt hinter der Fenestra nach abwärts um und läuft am medial-
kaudalen Umfang des Proc. styloideus weiter ventralwärts. Von den Aesten des
Anfangsteiles geht der N. petrosus superficialis major (= N. palatinus niederer Verte-
braten) sofort am Orificium externum des primären Kanals ab und läuft (manchmal
durch eine schon im Knorijelstadium abgetrennte Oettnung, Hiatus spurius) am
lateralen Umfang des P. cochlearis der Ohrkapsel nach vorn. Die Chorda tympani
trennt sich vom Stamm hinter dem Proc. styloideus und läuft, indem sie diesen
Fortsatz von außen umschlingt, nach vorn, ohne in einen Kanal eingeschlossen zu
sein. Erst bei der Ossifikation werden der mittlere und der dritte Abschnitt des
Facialkanals gebildet. Es verknöchert die laterale Wand der Ohrkapsel, der der
Nerv in einer Rinne anliegt, und im Anschluß daran verwachsen auch die Ränder
dieser Rinne knöchern. Bei vielen Tieren (Hund, Katze, Kaninchen, Hase, Wander-
ratte) ist die Umwachsung des Nerven entsprechend der zweiten Kanalabteilung keine
vollständige. Das Foramen stylomastoideum des Menschen bildet sich hinter der
Stelle, wo der mit der Ohrkapsel verwachsene Zungenbein bogen aus der absteigenden
Richtung in die nach vorn gehende umbiegt. Das oberste Stück des Zungenbein-
bogens wird durch die den Nervus facialis umwachsende Knochenscheide von dem
letzteren getrennt (Spee). Die Entwickelung des Canaliculus chordae tympani wurde
genauer noch nicht verfolgt; aus Angaben von Spee geht hervor, daß der Anfangs-
teil (erst nach der Geburt) im Anschluß an den Faciatiskanal durch knöcherne Um-
wachsung der Chorda gebildet wird, während der anschließende Teil auf der Grenze
des Petrosums und der Squama ausgespart bleibt. (Ueber die Bildung des Facialis-
kanals s. Joseph 1866 und besonders Vkolik 1873; auch RItdinger 1876 und
Gegenbaur 1876.)
In Zusammenhang mit der Knochenwand, die den unteren Teil des Canalis
facialis abschheßt, entsteht auch die Eminentia stapedia: zwei dünne Knochen -
lamellen bilden sich um den Muskel und verwachsen bis auf die persistierende
Oeffnung (Rüdinger).
K n 0 c h e n k 0 m p 1 e X des 0 s s p h e n o i d a 1 e (Basisphenoid,
Präsphenoid, Alisphenoidea mit Intertemporalia, Orbitosphenoidea und
sogenannte Pterygoidea [wahrscheinlich den Seitenteilen des Para-
sphenoids entsprechend]).
846 E. Gaupp,
Das Keilbein des Menschen geht in der Hauptsache aus der von
mehreren Centren aus erfolgenden Ossifikation des Chondrocraniums
in der Orbito-temporalregion hervor, die sich auch etwas auf das
Septum nasi fortsetzt, dazu kommen jederseits ein als Os pterygoideum
bezeichneter Deckknochenanteil und ein Intertemporale. Beim Menschen
ist die Verwachsung der einzelnen Komponenten eine vollständige
und verhältnismäßig früh (bei oder bald nach deV Geburt) beendete;
bei den übrigen Säugern bleiben häufig ein hinterer und ein vorderer
Komplex als hinteres und vorderes Keilbein , sowie der erwähnte
Deckknochenanteil lange Zeit oder dauernd selbständig. Die sog.
Conchae sphenoidales, die beim erwachsenen Menschen als Teile des
Keilbeins erscheinen, gehen aus der Verknöcherung der hintersten
Kuppeln der Nasenkapseln hervor und erlangen erst sekundär ihre
Verbindung mit dem Keilbein. Sie werden beim Ethmoidale ge-
schildert werden.
Die speciellen Vorgänge beim Menschen sind besonders von Hannover, Toldt,
Button untersucht worden und gestalten sich — hauptsächlich nach Button —
folgendermaßen. In der 8. Woche erscheinen rasch hintereinander folgende Knochen-
kerne: 1) Alispheuoide (Ossifikation der Ala temporalis), 2) mediale Basisphenoid-
kerne (nebeneinander im Boden der Sella turcica), 3) laterale BasisjDhenoid kerne (im
Gebiet des Sulcus caroticus und der Lingula, also in dem sog. Proc. alaris, jederseits),
4) innere Lamellen der Flügelfortsätze (sog. Pterygoide). Während des 3. Monats
verschmelzen die medialen Besisphenoidkerne erst unter sich und dann mit den
lateralen Kernen. So entsteht der Körper des hinteren Keilbeins. Im 3. Monat
erscheinen dann noch: 5) Orbitosphenoide (Ossifikation der Ala orbitalis jederseits,
lateral vom For. opticum beginnend), 6) Präsphenoide (nebeneinander im basalen
Knorpel, medial vom For. opticum jederseits). Im 4. Monat verschmelzen die Orbito-
sphenoide mit den Präsphenoiden, und die inneren Lamellen der Flügelfortsätze
mit den Alisphenoiden. Im 7. Monat beginnen die Präsphenoide mit dem Körper
des hinteren Keiibeins zu verschmelzen, im 8. Monat verschmelzen die Präsphenoide
untereinander (zum Körper des vorderen Keilbeins); während des ersten Jahres nach
der Geburt verschmelzen die Alispheuoide mit den Körj^er des hinteren Keilbeins.
Dabei verbreitert sich die Wurzel des Alisphenoids nach vorn und nach hinten hin
(genauere Angaben hierüber fehlen), und es kann vorn, entsprechend der Grenze
von Basi-, Ali- und Präsphenoid zur Abtrennung des innersten Winkels der pri-
mären Fissura orbitalis superior durch eine Knochen brücke kommen: Canalis
craniopharyngeus lateralis (Bternberg). Beim kindlichen Keilbein des
Menschen ist er in Ausnahmefällen, bei vielen Säugern als Regel vorhanden und
bietet manche Besonderheiten der Ausbildung. — Von den Alisphenoiden aus ver-
knöchern auch die äußeren Lamellen der Flügelfortsätze. Von den Basisphenoid-
kernen aus dringt die Verknöcherung rückwärts in den vordersten Teil der Basal-
platte und die Sattellehne vor. Letztere ist bei der Geburt noch knorpelig ; der Knorpel,
der sie bildet, hängt mit dem spheno-occipitalen Fugenknorpel zusammen, der gewöhn-
lich zwischen dem 16. und 20. Lebensjahre ossificiert (Toldt). Ueber das Verhältnis
dieser Fuge zur Chorda dorsalis wurde schon gehandelt. Der von Landzert be-
schriebene C anal i s craniopharyngeus medius, der das Basisphenoid durchsetzt
und beim erwachsenen Menschen sehr selten, beim Neugeborenen etwas häufiger
vorkommt, wird wohl mit Recht auf den embryonalen Hypophysengang und die
Lücke, die dieser im Anlagegewebe der Schädelbasis bewirkt (Fenestra hypophyseos)
bezogen. Auch bei anderen Säugern ist er hin und wieder vorhanden, beim Ka-
ninchen stets (Landzert, Suchannek, Romiti, Maggi, Rossi, Sokolow, Le Dou-
ble, Kollmann u. A.). — Das Praesphenoid (Körper des vorderen Keilbeins)
läßt Hannover im Gegensatz zu Toldt und Sutton nicht aus einem, sondern aus
zwei Paaren von Knochenkernen hervorgehen, einem vorderen luid einem hmteren.
Reste der intersphenoidalen Knorpelfuge (zwischen den Körpern des vorderen und
hinteren Keilbeins) findet Toldt konstant bis ins spätere Kindesalter. Vom Prä-
sphenoid aus verknöchert auch der hinterste Teil des Nasenseptums als Crista sphen-
oidalis und Rostrum sphenoidale. Der Körper des jugendlichen Keilbeins besteht ganz
aus spongiöser Knochensubstanz; erst nachdem mit seiner Vorder- und Unterfläche die
Concha sphenoidalis verwachsen ist, beginnt (etwa im 9. bis 12. Lebensjahr) der Sinus
terminalis der Nasenhöhle, der bis dahin von der Concha umschlossen war, sich aus-
zudehnen und als Sinus sphenoidalis in den Keilbeinkörper hineinzuwachsen, den er
in wechselnder Ausdehnung aushöhlt. In der Mittellinie bleibt ein Septum bestehen.
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 847
Intertemporale. Der obere Eand des Alisphenoids erfährt eine Ergänzung
durch eine Knochenpartie, die ohne knorpelige Vorbildung ist (Hannover 1880).
Sie wurde von Button und Ranke als konstant bestätigt und von letzterem Os
in tert eniporale genannt. Dieses „Hautknochenergänzungsstück" (Ranke) kann
selbständig bleiben (Üs epiptericum Aut.) oder abnormerweise, statt mit der Ala
magna, mit der Schläfenschuppe (als Stirnfortsatz der Schläfen seh uj^pe) oder mit
dem Stirnbein (als Schläfenfortsatz des Stirnbeins) verschmelzen. Beim Orang und
Hylobates liegen die Dmge ähnlich wie beim Menschen, bei Gorilla und Schimpanse
wie bei manchen niederen Säugern (Nager, Dickhäuter, Einhufer) ist der Stirnfortsatz
der Schläfen schuppe das gewöhnliche Vorkommen. Die Bedeutung des Intertemporale
verlangt neue Untersuchung.
Die sog. mediale Lamelle des Flügelfortsatzes, die bei vielen Säugern
zeitlebens selbständig bleibt und als Os pterygoides aufgefaßt wird, ist bei einer
Anzahl von Säugern knorpelig präformiert (Katze, nach Wincza; Talpa, Macacus,
nach Fischer; auch beim Menschen fanden Hannover und Graf Spee Knorpel
in der Anlage). Der Knorpel entsteht (Katze, Maulwurf) selbständig, außer Zu-
sammenhang mit dem Primordialcranium. In Anbetracht dieses letzteren Umstandes
und des weiteren, daß andere Autoren (Bruch, Kölliker, Parker, Bonnet) nur
von der Deckknochennatur des Knochens sprechen, liegt die Vermutung nahe, daß
es sich hier um einen Fall von sekundärer Knorpelbildung wie im Dentale handelt.
Die Topographie (speciell das Verhalten zu der Ala temporalis und dem N. petrosus
superficialis major, d. h. dem N. palatinus niederer Vertebraten), sowie die Existenz
eines anderen, dem Reptilienpterygoid gleichenden Knochen bei den Monotremen
lassen die Berechtigung der Bezeichnung Os pterygoides als sehr zweifelhaft erscheinen,
weisen dagegen auf den lateralen Abschnitt des Parasphenoids als das in Frage
kommende Vergleichsobjekt hin.
Os ethmoidale und Conchae sphenoidales. Das Ethmoi-
dale geht aus der Verknöcberung des hinteren Teiles des knorpeligen
Nasengerüstes hervor; Deckknochenbildung nimmt daran, soweit be-
kannt, keinen Anteil. Die Verknöcherung beginnt in den beiden
Seitenteilen sowie im Septum selbständig, so daß zeitweise 3 getrennte
Knochen vorhanden sind. Die Lamina transversalis posterior ver-
knöchert zur sog. Schlußplatte, die den Ductus nasopharyngeus vom
hinteren Teil der Regio olfactoria scheidet und bei Quadrupeden in
Zusammenhang mit dem Siebbein steht. Beim Menschen verknöchert
die ganze hintere Kuppel der Nasenhöhle selbständig als Ossiculum
Bertini. Die Cellulae ethmoidales werden beim Menschen zum Teil
erst durch den Ossifikationsprozeß abgekammert.
Beim Menschen beginnt nach Toldt die Verknöcherung jederseits in der Seiten-
wand der Nasenkapsel (als Lamina papyraca) im 6. Fötalmonat, von da schreitet sie
(im 7. und 8. Monat) auf die Lamellen des Labyrinths fort und ergreift gegen Ende
der Fötalperiode auch die Balken der Lamina cribrosa. Entsprechend den von
Peter (Bd. 2) geschilderten Schleimhautverwachsungen treten auch knöcherne Brücken
z-wischen den Muscheln auf und kammern die Cellulae ethmoidales voneinander ab.
Die Basallamellen der Muscheln, die in Verbindung mit der Lamina papyracea stehen,
werden ebenfalls zu Scheidewänden zwischen den sich ausweitenden Zellen. Erst in
der 2. Hälfte des 1. Lebensjahres beginnt (selbständig) die Ossifikation im oberen
Teile des Septums (Lam. perpendicularis) und der Crista galli, und es erfolgt alsdann
die Vereinigung der drei bisher getrennten Stücke (der 2 Labyrinthe nebst den zuge-
hörigen Siebplatten half ten und der Lamina perpendicularis) zu einem einheitlichen
Knochen. Toldt findet diese Vereinigung schon bald nach dem Auftreten der
Septalverknöcherung, Kölliker und Graf Spee geben sie erst für das 6. Lebensjahr
an. Im 2. Lebensjahr treten noch ein accessorischer Kern im obersten Teil der
Crista galli auf, sowie zwei weitere im vorderen Teil der Lamina cribrosa. Die Ver-
knöcherung der Lamina perpendicularis schreitet sehr langsam von oben nach
unten vor.
Aus der Verknöcherung der hinteren Kuppel einer jeden Nasenkapsel geht das
Ossiculum Bertini (die Concha sphenoidalis) hervor. Die Ossifikation
beginnt im .5. Embryonalmonat in der medialen (paraseptalen) Wand der Kuppel;
im 7. bis 8. Monat tritt ein weiteres Ossifikationscentrum in der lateralen Wand
auf, endlich kommen dazu noch Ossifikationsherde, die im bindegewebigen Boden
der Kuppel entstehen und gegen Ende des Embryonallebens untereinander und mit
den anderen Centren verschmelzen. (Ob es berechtigt ist, diese als Deckknochen
848 E. Gaupp,
aufzufassen, bleibe dahingestellt; da sie an der Stelle entstehen, wo bei Säugern die
knorpelig präforniierte Lamina transversalis posterior ossifiziert, könnte es sich um
Ersatzknochenbildung mit Unterdrückung der knorpeligen Grundlage handeln.) Vom
I. bis 3. Lebensjahr ist jeder Terminalsinus fast allseitig durch eine vollständige und
selbständige Knochenkapsel umschlossen, die sich nur vorn in den Raum der Nasen-
kapsel öffnet. Sie liegt an der Unterfläche des vorderen Keilbeinkörpers zur Seite
der Crista sphenoidalis und des Rostrum sphenoidale, die aus der Ossifikation des
hintersten Abschnittes des Septum nasi hervorgegangen sind, durch Bindegewebe
mit diesen Teilen verbunden. Vom 4. Lebensjahr an schwinden durch Resorption
alle Wände mit Ausnahme der unteren und der LTmgebung der Kommunikations-
öffnung mit der Nasenkapsel, so daß nun das vordere Keilbein und sein Rostrum
an der Begrenzung des Sinus terminalis Anteil gewinnen. Alsdann verschmilzt (im
4. Lebensjahr) das Knochenstück mit dem Ethmoidale. Erst später (9. bis 12. Lebens-
jahr) verschmilzt es auch mit dem Keilbein. Alsdann weitet sich der Endsinus in
das spongiöse Keilbein hinein aus und wird so zum Sinus sphenoidalis, der beträcht-
liche Dimensionen annehmen kann (Cleland, Toldt).
Concha inferior (Maxilloturbinale). Verknöchert selbständig;
beim Menschen nach Toldt im 7. Monat (nach Graf Spee schon im 5.).
Praenasale. Beim Schwein und einigen anderen Säugern ver-
knöchert die vorderste Partie des Nasenseptums als Praenasale. (Der
unzweckmäßige Name wäre besser durch einen anderen, z. B. Tel-
ethinoidale, zu ersetzen.)
Parietale. Das Parietale entsteht als Deckknochen auf der
Parietalplatte und der Gommissura orbito-parietalis, wo eine solche
ausgebildet ist. Beim Menschen und bei den Affen, wo sie fehlt,
stützt sich nur der hintere Teil des Parietale auf die Parietalplatte,
während der vordere keine Beziehungen zu knorpeligen Teilen besitzt.
Das Parietale beginnt in der 10. Fötalwoche zu ossifizieren. Nach Toldt ent-
steht ein weitmaschiges Netz zarter Knochen bälkchen, in dem sich im Laufe der
II. und 12. Woche zwei übereinander gelegene dichtere Centren ausbilden. Von
jedem derselben strahlen die Knochenbalken radiär aus. Im Laufe des 4. Monats
verschmelzen beide Centren mehr und mehr, an der Stelle der früheren Grenze
bildet sich später der Scheitelhöcker aus. Stäurenghi, Biaxchi und Ranke ver-
mochten sogar bei jungen Embryonen die völlig getrennte Anlage beider Ceutren
zu konstatieren; möghcherweise kommen individuelle Variationen vor (Schwalbe).
Eine noch größere Anzahl von Centren (8 oder 4, von Maggi angegeben) ist bis-
her unbestätigt. Das Os parietale bipartitum mit Horizontalnaht erklärt sich am
einfachsten aus der Annahme, daß abnormerweise die Vereinigung beider Centren
unterbleibt. Nach Schvvalbe ist unter den dabei in Betracht kommenden Be-
dingungen mit großer Wahrscheinlichkeit ein pathologisches Moment, eine im em-
bryonalen Leben auftretende Hydrocephalie, verantwortlich zu machen. (DieLitteratur
über diesen Gegenstand sowie über sonstige Varianten des Scheitelbeins, auch bei
Anthropoiden, siehe bei Schwalbe.)
Das sog. Tentorium osseum, das bei bestimmten Gruppen der Säugetiere
(z. B. vieler Carnivoren) konstant vorkommt, entsteht nach Bayer unabhängig vom
echten Tentorium cerebelli an der inneren Schädelwand entweder vor dem Inter-
parietale oder an dem hinteren Rande des Parietale, ist aber später immer nur mit
dem Parietale verwachsen. An seiner vorderen Fläche liegt dann das durch die
wachsenden Hemisphären heruntei'gedrängte Tentorium cerebelli, das in keinem Falle
ossificiert. Die Bildung ist in ihrer Herkunft und Bedeutung noch räthselhaft.
Interparietale. Entsteht als selbständiger Deckknochen, bleibt
aber nicht immer frei, sondern kann mit den Parietalia oder dem
Occipitale verschmelzen. Beim Hunde entsteht es aus einem Kern,
bei anderen Säugern (Nager, Wiederkäuer, Pferd) aus zwei Seiteu-
hälften (Stannius). Beim Schwein, wo es inkonstant ist, ist es nach
Forster auffallenderweise knorpelig jjräformiert ; das betr. Knorpel-
stück entsteht als Fortsatzbildung am vorderen Rande des Tectum
synoticum, verliert aber später seine Verbindung mit diesem. Dieser
Befund fordert zu neuen vergleichenden Untersuchungen auf.
Schwalbe (1899) stellte für die Katze fest, daß es bei ein und derselben Species
bald frei bleiben, bald mit dem Occipitale, bald mit den Parietalia, in letzterem
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 849
Falle vollständig oder unvollständig verwachsen kann. Es ist ein typisches Skelett-
stück des Säugerschädels. (Ueber seine Beteiligung an dem Aufbau des Occipitale
siehe bei diesem.)
Frontale (Fig. 397, 406). Das Frontale bildet sich als paariger
Deckknochen jederseits über dem oberen Rande der Ala orbitalis, über
der Cartilago spheno-ethmoidalis und dem hinteren Teil des Nasen-
kapseldaches, vor der Fenestra olfactoria.
Beim Menschen erscheint nach Toldt die erste Anlage eines jeden der beiden
Stirnbeine zwischen der 7. und 8. Fötalwoche. Seiner Lage nach entspricht das
Centrum dem späteren Tuber frontale. Von der ersten, oberflächlich gelegenen
Platte aus entsteht in der 9. Fötalwoche die Pars orbitalis. Weitere selbständige
Centra stellt Toldt in Abrede; andere Autoren (Rambaud et Renault, Jhering,
Spee) beschreiben noch einen Kern für die Spina nasalis seitlich vom Foramen
caecura, einen für die abwärts von der Spina trochlearis gelegene Partie der Pars
orbitalis, einen für die Gegend des Proc. zygomaticus (ist für ein Postfrontale ge-
halten worden) und einen für den hintersten Teil der Pars orbitalis. Letzterer kann
einen selbständigen Schaltknochen zwischen dem kleinen Keilbeinflügel, der Pars
orbitalis des Stirnbeins und dem Siebbein erzeugen (Hyrtl, Speej. Die erste An-
deutung der Sinus frontales ist nach Toldt gegen Ende des 1. .Jahres zu bemerken ;
ihre Ausbildung macht anfangs nur sehr langsame, erst vom 11. bis 12. Lebensjahre
an etwas raschere Fortschritte.
Die Verwachsung beider Stirnbeine vintereinander erfolgt beim Menschen der
Regel nach in der 2. Hälfte des 1. Lebensjahres, kann aber auch unterbleiben. Die
Naht, die die beiden Stirnbeine im fötalen Leben und in der ersten Zeit nach der
Geburt voneinander trennt (Sut. frontalis), zeigt manchmal, näher der Nasen-
wurzel, eine als Fontanella metopica s. m edio-f ron talis bezeichnete Er-
weiterung, von der verschieden gestaltete Reste erhalten bleiben können. Auch ein
Fontanellenknochen (Os metopicum) kann sich in der Fontanelle bilden, sowohl
beim Menschen wie bei verschiedenen Säugern (Maggi). Außer der Fontaneila metopica
können auch die übrigen Abschnitte der Sutura frontalis Sitz von Schaltknochen
werden. (S. über die Fontanella metoi^ica und ihre Bildungen, sowie über den supra-
nasalen Teil der Stirnnaht besonders die Arbeiten von Schwalbe 1901; ferner
Fischer 1901.) Bei den meisten Säugern bleibt die Stirnnaht erhalten.
Die Stirnzapfen der Cavicornia, wie die Geweihe der Cervicornia sind
Fortsatzbildungen des Frontale, die ein gewisses Interesse beanspruchen wegen der
an ihnen zu beobachtenden Ossifikationsvorgänge. An der Spitze des sich bildenden
Fortsatzes entsteht nicht ohne weiteres echter Knochen, sondern zunächst eine dünne
Schicht emes Gewebes, das früher für hyalinen Knorpel gehalten wurde, aber, da es
beim Kochen kein Chondrin, sondern Glutin giebt, auf diese Bezeichnung keinen be-
rechtigten Anspruch hat (RoBEsr et Herrmann; auch Landois hat schon die
Knorjjelnatur bestritten). Die Grundsubstanz dieses Vorknochens (substance
preosseuse, R. et H.) ist homogen oder feinkörnig und stellenweise streifig, ihre zahl-
reichen Hohlräume enthalten Osteoblasten. Nach R. et H. wandelt sich die Grund-
substanz zu Knochen um, während die eingeschlossenen Zellen zu Knochenzellen
werden; dagegen findet H. Müller (1863), daß es sich auch hier um Einschmelzung
der erwähnten Substanz und Neubildung von Knochen vom Periost und von den
eingeschlossenen Osteoblasten aus handele. Schaffer stimmt ihm bei. Die Annahme,
daß jene Substanz echter Knorpel sei, veranlaßte die Auffassung, daß hier ein Fall
von metaplastischer Knochenbildung vorliege (Lieberkühn, Gegenbaur 1865,
Kölliker 1867, Kassowitz 1877).
Lacrimale (Fig. 406). Das Lacrimale entsteht als Deckknochen
auf der Seiteuwand des hintersten Abschnittes der knorpeligen Nasen-
kapsel, über und hinter dem Maxillare.
Bei Quadrupeden läßt es meist eine Pars facialis und eine P. orbitalis unter-
scheiden, häufig umschließt es auch den Ductus nasolacrimalis. Konstant ist diese
Beziehung nicht. Fehlen des Knochens oder Verwachsung mit anderen ist für einzelne
Ordnungen typisch und Zeichen regressiver Metamorphose des Knochens. Beim
Menschen beginnt die Verknöcheruug am Ende des 2. Monats ; zuerst ossifiziert die
Facies lacrimalis, dann die Crista mit Hamulus, zuletzt die Facies orbitalis. Erst
nach der Geburt ist der Knochen fertig gebildet (Macalister). Er zeigt viele
Varietäten (s. die genauen Zusammenstellungen von Macalister, Graf Spee und
Zabel). Starke Entwickelung des Hamulus läßt diesen auch an der Oberfläche
des Schädels zu Tage treten, während der Regel nach der Knochen auf die Orbita
beschränkt ist (Gegenbaur). Der Hamulus kann selbständig verknöchern und beim
Handbuch der Entwickelungslehre. III. 2. 54
850 E. Gaupp,
Erwachsenen einen überzähligen Knochen bilden. Andererseits kann er ebenso wie
die Crista sehr schwach zur Ausbildung kommen. Auch Perforationen, Nahtbildungen
und Zerfall, die auf mehrfache Ossifikationscentra hinweisen, Verwachsung mit
anderen Knochen, rudimentäre Entwickelung und gänzliches Fehlen des Knochens
kommen vor. In seiner Umgebung finden sich manchmal überzählige Knöchelchen,
hauptsächlich wohl als Nahtknochen entstanden. Durch seine Lagebeziehung zur
Nasenka^jsel gleicht der Knochen dem Praefrontale der Saurier, nicht aber dem un-
bedeutenden Lacrimale derselben. Die Homologiefrage ist daher aufs neue zu prüfen;
die Beziehung zum Thränennasengang ist von untergeordneter Bedeutung.
Nasale (Fig. 397, 406), Das Nasale bildet sich als Belegknochen
auf dem Dach der knorpeligen Nasenkapsel. Letztere geht unter ihm
in der Folge mehr oder minder vollständig zu Grunde,
Beim Menschen verknöchert es nach Toldt in der 12. Woche; der Schwund
des Knorpels unter ihm tritt erst nach der Geburt ein (Graf Spee). Ueber Varietäten
s. Graf Spee. Von überzähligen Knochen in der Umgebung des Nasale seien er-
wähnt: Fontanellknochen zwischen Nasale, Frontale, Lacrimale, Maxillare; Naht-
knochen in der Frontonasalnaht, Knochen am unteren Rand des Nasale neben der
Mittellinie, Knochen ebenfalls am unteren Rande, aber lateral, neben dem Oberkiefer.
Letzterer wird von Valenti als Rest des aufsteigenden Zwichenkieferfortsatzes der
Quadrupeden gedeutet (Septomaxillare?).
Vom er. Der Vomer entsteht am ventralen Rande des Septum
nasi und umfaßt die unterste Partie desselben mit zwei aufsteigenden
platten Fortsätzen, Eine wirklich paarige Anlage scheint bei niederen
Säugern bisher nicht beobachtet zu sein, wird aber für den Menschen
angegeben (Kölliker, Toldt, Graf Spee), Die beiden Anlagen
treten hier am ventralen Septumrand im 3, oder 4. Monat auf, ver-
wachsen bald, und von hier aus entwickelt sich die absteigende Platte.
Auf kurze Strecken liegt der Vomer bei den Säugern auch zwischen
den beiderseitigen Cartilagines paraseptales, doch tritt diese Beziehung
gegenüber der zum Septum zurück.
Nach SUTTON (1884) entsteht der Vomer des Menschen nur von einem Kern
aus und ist nicht mit den verschmolzenen Vomeres der niederen Vertebraten zu
vergleichen, sondern entspricht dem Parasphenoid der Fische und Amphibien. Die
Vomeres der letzteren seien in den Palatinfortsätzen der Maxillaria superiora zu
suchen. Die letztere Ansicht ist sicher falsch; die erstere (die auch von Broom
geteilt wird) hat beim ersten Anblick manches Bestechende, verliert aber beim ge-
naueren Zusehen an Glaubwürdigkeit. Wahrscheinlich ist die alte Homologisierung
richtig, nach der der Säuger- Vomer den beiden Reptilien- Vomeres entspricht.
Incisivum. Bei Insectivora, Chiroptera, Rodentia, Carnivora,
Artiodactyla legt sich, nach Schwink, das Incisivum in der Regel
einheitlich an; es verknöchert zuerst der Körper und dann von
diesem aus die Fortsätze. In einem Falle beobachtete S. beim Schaf
selbständige Entstehung des Proc. palatinus medialis. Die gleiche
Selbständigkeit beobachtete Biondi bei Schaf, Schwein und Mensch.
Für den letzteren haben schon Ramband und Renault das Auftreten
eines selbständigen Os sous-vomerien angegeben, das den vorderen
erhöhten Teil der Crista nasalis und einen Teil des Can. incisivus
bildet, später mit dem Hauptteil des Incisivums verschmilzt und
offenbar dem bei den Säugern viel besser ausgebildeten Proc. palatinus
medialis entspricht. Th. Kölliker betont dagegen die einheitliche
Entstehung des menschlichen Incisivums. Letzteres verliert schon
bald nach der Entstehung seine Selbständigkeit, indem es mit dem
Maxillare verschmilzt. Bei den Monotremen entsteht der Proc. extra-
nasalis (Stirn- oder Nasenfortsatz Aut.) selbständig und bewahrt diese
Selbständigkeit längere Zeit. Er gleicht so seiner Topographie durch-
aus dem Septomaxillare der Reptilien. Die Monotremen besitzen
embryonal einen Proc. praenasalis des Zwischenkiefers als Os carun-
culae.
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 851
Die in manchen Fällen beobachtete selbständige Entstehung des Proc. palatinus
medialis und seine Lage medial von der Cartiiago paraseptalis haben die Vorstellung
veranlaßt, daß der Fortsatz dem Vomer der Lacertilier entspricht. Beide Bildungen
werden als Praevomer dem eigentlichen Säugervomer gegenübergestellt. Diese An-
schauung ist wahrscheinlich uni'ichtig. Das unpaare Os paradoxum von Ornitho-
rhynchus (Hantelknochen, dumb-bell-shaped bone) entspricht wohl den selbständig
gewordenen und untereinander verschmolzenen Processus palatini mediales der
Zwischenkiefer; das Gleiche gilt von dem bei der Fledermaus Miniopterus Schrei-
bersii vorhandenen unpaaren Knochen. Beide letztgenannten Knochen haben auch
die charakteristische Lage zu den Cartilagines paraseptales (s. Arbeiten von Beoom,
Symington, Turner, Wilson). Das Incisivum der Säuger erscheint nach dem
Obigen als Verwachsungsprodukt aus dem Praemaxillare und dem Septomaxillare
der niederen Vertebraten.
M axillare (Fig. 40G). Das Maxillare erscheint als Deckknochen
am lateralen Umfang der Nasenkapsel. Beim Menschen, wo seine Ent-
wickelung am genauesten verfolgt ist, ossifiziert es von 5 Centren
aus und verbindet sich außerdem sehr frühzeitig mit dem selbständig
entstandenen Incisivum. In die Gaumenleiste sendet es den Proc.
palatinus, der mit seinem Partner den harten Gaumen bildet. Ur-
sprünglich liegt der Hauptteil des Knochens außen von der knorpeligen
Nasenkapsel; nachdem diese in großer Ausdehnung resorbiert ist, ge-
winnt er Anteil an der lateralen Begrenzung der Nasenhöhle, das
Maxilloturbinale verbindet sich mit ihm, einige der Siebbeinzellen
kommen durch ihn zum Abschluß, und die Kieferhöhle wächst in ihn ein.
ToLDT (1882) findet 5 Ossifikationscentra, die am Ende des 2. und Anfang des
3. Fötalraonats auftreten. Gegen Ende des 4. Monats sind sie untereinander und
mit dem Incisivum verschmolzen. Ein selbstsändiges Centrum besteht für die
lateral gelegenen Teile nebst der lateralen Hälfte der ürbitalfläche und der lateralen
Wand der Alveolen der Mahlzähne, ein zweites für den medial-hinteren Teil des
Körpers und die mediale Hälfte der Orbitalfläche, ein drittes für die Gesichtsfläche
über dem Eckzahn und den Proc. frontalis, ein viertes für den Proc. palatmus, die
mediale Lamelle des Alveolarfortsatzes und den vorderen Teil der Nasalfläche des
Körpers, ein fünftes (zweifelhaftes) für die Gegend des Sulcus und der Crista
lacrimalis.
Embryonal überwiegt das Wachstum der Fortsätze gegenüber dem des Körpers.
Der Schwund der lateralen Nasenkapselwand erfolgt nach dem 7. Monat (noch um
diese Zeit findet Killian die Wand intakt), und erst von da an kann die Kiefer-
höhle in den Knochen einwachsen, der im übrigen schon vorher eine durch die aus-
gebauchte Knorpelwand bedingte Delle zeigte. Die Bildung des Alveolarfortsatzes
und seiner Fächer beginnt schon im 4. Embryonalmonat, zur Zeit der Geburt sind
die Alveolen aller Milchzähne vorhanden ; die vollständige Ausbildung des Alveolar-
fortsatzes ist erst mit dem 22. bis 26. Jahre erreicht. — Nach Mihalkovics f'lSQO)
soll in den Oberkiefer bei seiner Verknöcherung auch der ossifizierende Proc. para-
nasalis der Nasenkapsel einverleibt werden ; auch sonst sollen bei 4 — 5 Monate alten
Embryonen im Alveolarteil kleine Knorpelinselchen vorkommen, ohne Zusammenhang
mit der Nasenkapsel, die später in den Verknöcherungsprozeß des Oberkiefers
aufgehen.
Zygomaticum. Das Zygomaticum entsteht ohne jede Beziehung
zum Knorpelschädel im Bindegewebe unter dem Auge und verbindet
sich mit dem Maxillare und dem Proc. zygomaticus des Squamosums,
bei einigen Ordnungen (z. B. Wiederkäuern) auch durch einen Stirn-
fortsatz mit dem Frontale. Bei den Primaten erlangt dieser als Proc.
frontosphenoidalis auch eine Verbindung mit der Ala magna ossis
sphenoidalis und trennt die Orbita von der Schädelgrube.
Entgegen früheren Angaben, nach denen das Jochbein beim Menschen von
mehreren (2 — 3) selbständigen Centren aus verknöchern sollte, kommt K. Toldt jr.,
der die Entwickelung des fraghchen Knochens neuerdings sehr eingehend bearbeitete,
zu dem Schluß, daß dieselbe der Regel nach von einer einheitlichen Anlage aus
erfolgt. Zeit ihres ersten Auf tretens ist im allgemeinen das Ende des 2. Fötalmonats. Die
Anlage hat die Form einer dünnen Knochenplatte (Grundplatte) und stellt so die
Grundlage für den Jochbeinkörper dar. Von ihr aus bildet sich dann zuerst die
54*
852 E. Gaupp,
Augenhöhlenplatte (Proc. frontosphenoidalis), und weiterhin treten an ihrer Innen-
fläche 3 Verstärkungsrttreifen als sekundäre Knochenauflagerungen auf, während
sich die Außenfläche mit einer einheitlichen Schicht von lockeren Knochenauf-
lagerungen bedeckt. In der Folge geht die Grundplatte ganz zu Grunde, und der
Knochen besteht dann ausschlielMich aus den sekundären Auflagerungen. Der Auf-
lösungsprozeß der Grundplatte, der zu der Zeit erfolgt, zu der sich das Zygoniaticum
mit dem Temporale und der Maxilla vereint, beginnt damit, daß in der Platte, den
Grenzen der 3 Verstärkungspartieen entsprechend, Spalten auftreten. In diesen
Vorgängen ist die Möglichkeit gegeben, wenigstens die relativ häufigste Varietät des
Jochbeins, das Zygomaticum bipartitum, zu erklären ohne die Annahme mehrerer
Ossifikationscentra. Denn die alsdann vorhandene Sutura zygoraatica transversa ent-
spricht in ihrem Verlaufe durchaus der unteren der beiden Spalten, die normaler-
weise in der Grundplatte vor deren Zerstörung auftreten, somit auch der Trennungs-
linie zwischen der mittleren und der unteren der sekundären Verdickungen der
Innenseite. Es ist denkbar, daß abnormerweise diese Spalte einmal auch durch die
faciale Fläche durchschneidet und so die ganze untere Partie des Jochbeins abtrennt.
Wenn somit auch das abnorme Auftreten mehrerer Ossifikationscentra selbstver-
ständlich als möglich zuzugeben ist, so liegt doch auch im normalen Entwickelungs-
gang bei einheitlicher Anlage die Möglichkeit für eine Erklärung des Zygomaticum
bipartitum vor: diese Varietät ist nicht auf die ursprüngliche Anlage, sondern auf
die sekundären Auflagerungen zurückzuführen und somit ebenfalls sekundären
Charakters. Auch die manchmal an der Innenfläche vorhandene „lineare Furche"
hat gleiche Genese : sie entspricht der Grenze zwischen der mittleren und unteren
sekundären Auflagerung. — Beim Embryo von Talpa eur. fand Fischer im An-
schluß an das hintere Ende des Zygomaticums mehrere kleine Knochenstückchen als
Vorläufer des späteren hinteren Abschnittes des Knochens.
Palatinum. Bei den Quadrupeden entwickelt sich das Gaumen-
bein in der Seitenwand und dem Boden des Nasenrachenganges ohne
Beziehung zu Knorpelteilen. Allmählich erreicht das obere Ende seiner
senkrechten Platte den unteren Umfang der Nasenkapsel und legt
sich an denselben an (Dursy). Beim Menschen, wo, abgesehen von dem
hintersten Zipfel der Nasenkapsel, eine Lamina transversalis posterior
fehlt, legt sich der aufsteigende Fortsatz des Gaumenbeins der
Innenfläche der lateralen Nasenkapselwand au und wird dadurch von
dem außen liegenden Oberkiefer getrennt. Indem der Fortsatz an
Höhe zunimmt, trennt er den Knorpel der unteren und später auch
den der mittleren Muschel von der knorpeligen Seitenwand der Nasen-
kapsel ab. Die zwischen den 2 Knochen eingeschlossene Seitenwand
der Knorpelkapsel geht zu Grunde.
Das erste Auftreten des Palatinuras fällt beim Menschen in den 2. (Kölliker)
oder 3. (Toldt) Monat. Toi>dt findet nur ein Üssifikationscentrum für beide
Fortsätze; nach Rambaud und Renault treten mehrere auf. Der aufsteigende
Fortsatz ist anfangs niedrig und erlangt erst später das Uebergewicht über die
Pars horizontalis. — Bei Talpa legt sich das Palatinum an der Lamina transversalis
posterior der Nasenkapsel an (Fischer).
Pterygoid. Ein dem echten Reptilienpterygoid vergleichbarer
Knochen kommt bei Monotremen hinter dem Palatinum als Deck-
knochen zur Entwickelung.
Knochen des Visceralskelettes.
Verknöelieruiigen im Gebiet des Kieferbogens.
Als Ersatz k noch eu entstehen aus den primordialen Teilen
des Kieferbogens der Amboß, der Hauptteil des Hammers und
die Ossifikation des distalen Endes des Meckel' s c h e n K o r p e 1 s ;
als Deckknochen kommen dazu der Proc. anterior (Folii) des
Hammers und die Mandibula, beide am MECKEL'schen Knorpel
entstehend. Der Proc. anterior mallei ist im Zusammenhang mit dem
Malleus selbst zu schildern, die Ossifikation des vorderen Endes des
MECKEL'schen Knorpels im Zusammenhang mit der Mandibula.
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 853
Ine US. Nach Broman ossifiziert der Amboß beim Menschen
von einem einzigen Centrum, das sich im oberen Teil des Crus longum
befindet. Der Proc. lenticularis hat kein besonderes Ossifikations-
centrum und kann somit nicht einmal einer Epiphyse gleichgestellt
werden ; noch weniger verdient er den Namen Os lenticulare. Bei
19—20 cm langen menschlichen Embryonen hat die Ossifikation be-
gonnen, bei reifen Föten hat sie ihre definitive Ausdehnung.
Malleus. Der Hammer ossifiziert beim Menschen nach Broman
ebenfalls nur von einem Punkte aus, der im Collum liegt und bei
Embryonen von 19—20 cm auftritt (zweite Hälfte des 5. Monats).
Schon viel früher, am Ende des 2. Monats tritt am ventral-medialen Um-
fang des MECKEL'schen Knorpels dicht vor der Hammeranlage, ein
Deckknochen (Fig. 403, 404) auf, der bei der Verknöcherung des
Hammers selbst mit diesem verschmilzt und dann seinen Proc.
anterior, s. Folii. bildet. Vor dem zum Hammer umgestalteten
Gelenkstück geht der MECKEL'sche Knorpel zu Grunde. Beim reifen
Foetus hat die Ossifikation des Hammers ihre definitive Ausdehnung
erlangt. Sie entspricht dem Articulare der Reptilien.
Der Entwickelung zufolge muß der Proc. anterior des Hammers auf einen
Deckknochen am Unterkiefer der Reptilien zurückgeführt werden. Als Vergleichs-
objekt kommt das Postoperculare in Betracht, einerseits weil dieses auch bei den
Sauriern schon ganz regelmäßig mit dem Articulare verschmilzt, andererseits wegen
der Beziehung zur Chorda tympani ; diese durchsetzt regelmäßig das Postoperculare
und ebenso bei manchen Säugern (Centetes, Erinaceus, Didelphys, Mus) den Proc.
ant. mallei.
Mandibula. Der Unterkiefer der Säuger entsteht als Deck-
knochen an der Außenseite des MECKEL'schen Knorpels, wie das Den-
tale der Sauropsiden, dem er homolog ist. Im Verlaufe der w^eiteren
Entwickelung kommt es jedoch an einzelnen Stellen zur Bildung von
Knorpelgewebe, das aber zu keinem Teil des primordialen Knorpel-
skelettes irgendwelche Beziehungen besitzt, sondern seine Entstehung
demselben Bildungsgewebe verdankt, das an den übrigen Stellen der
Unterkieferanlage direkt Knochen erzeugt. Bei den meisten bisher
untersuchten Säugern entstehen so 3 Knorpelkerne (accessorische
Knorpelkerue, Stieda), je einer im Proc. condyloideus, Proc. coro-
noideus und Angulus mandibulae. Bei Kaninchen, Schwein, Katze
ist auch noch am vorderen Ende des Proc. alveolaris ein solcher Kern
zu konstatieren (Stieda, Baumüller). Der Kern im Proc. coronoi-
deus fehlt bei Balaenoptera rostrata (Julin), bei Echidna scheint alle
Knorpelbildung im Dentale zu unterbleiben. Die Verknöcherung dieser
knorpeligen Partieen erfolgt teils peri-, teils endochondral, w^obei sich
immer Knorpel und Knochen in engster räumlicher Nachbarschaft
finden. Von einem metaplastischen Prozeß, d. h. direkter Ueberfüh-
rung des Knorpels in Knochen, wie er gerade an diesen Stellen viel-
fach behauptet wurde, ist keine Rede (Stieda, Schaffer, auch Kjell-
berg schildert den Ossifikationsprozeß als neoplastischen). Aus dem
Knorpelkern des Proc. condyloideus geht nach Schaffer auch der
Knorpelüberzug des Condylus hervor. Am Aufbau des vordersten
Endes des Unterkiefers nimmt endlich noch der MECKEL'sche Knorpel
Teil. Der Knochen legt sich hier dem Knorpel eng an ; letzterer ver-
kalkt, zerfällt und wird durch Knochen ersetzt.
Eine Entstehung des Unterkiefers aus mehreren typischen Ossifikationspunkten,
wie sie Rambaud und Renault für den Menschen beschreiben, vermochte Toldt
nicht zu bestätigen. Beim Menschen bildet sich Knorpel im Gebiet des Condylus
und des Proc. coronoideus; nach Henkebeeg auch noch am oberen äußeren, in
854 E. Gaupp,
Spuren auch am inneren Alveolarrand, endlich vorübergehend am äußeren unteren
Unterkieferrand. Aus den Symphysenknorpeln gehen nach Bardeleben die Ossi -
cula mentalia hervor, die schon lange bekannt sind und von Mies beim mensch-
lichen Foetus und Neugeborenen aufs neue beschrieben wurden. Es sind dies kleine
Knöchelchen (meist jederseits von der Mittellinie eins, doch kommen auch 3, 2 paarige
und ein unpaares, oder gar 4 vor), die als Schal tknöchclchen sich in die untere Hälfte
der Symphyse zwischen beide Unterkieferhälften einfügen, nicht ganz konstant, doch
sehr häufig. Sie treten am Ende des 8. Embryonalmonats auf und beginnen im 3. Monat
nach der Geburt mit dem Unterkiefer zu verschmelzen. Der Zeltpunkt der voll-
endeten Verwachsung variiert (Adachi). Die Knöchelchen kommen als wesentliches
Moment bei der Bildung der Kinnprotuberanz des Menschen in Betracht (Weiden-
reich). Bardeleben findet ein Os mentale auch bei manchen Säugern. Bei den
Primaten werden beide Unterkieferhälften später durch Synostose der Symphyse ver-
einigt, bei vielen Säugern bleibt die Symphyse erhalten und kann sogar nachgiebig
sein. —
Die accessorischen Knorpelkerne des Unterkiefers sind schon lange bekannt
(Kölliker 1849, Bruch 1855), ebenso ihre Selbständigkeit gegenüber dem Prim-
ordialskelett. Der Mangel jeglicher Beziehungen zu letzterem macht es ganz un-
möglich, sie mit primordialen Teilen anderer Wirbeltiere (Quadratum, Articulare) zu
vergleichen. Die Litteratur über die Entwickelung des Unterkiefers bei den Säugern
und dem Menschen ist sehr groß; Gegenstand des Interesses waren bei der Unter-
suchung: die Beteiligung oder Nichtbeteiligung des MECKEL'schen Knorpels, das
Auftreten selbständiger Knorpelkerne , die Art der Verknöcherung der letzteren.
Genannt seien: Ueichert (1837), Kölliker (1849, 1861, 1878), Bruch (1855), Ma-
GiTOT et Robin (1862), Semmer (1862), Loven (1863), Dursy (1869), Callender
(1870), Strelzoff (1873), Parker (1874), Steudener (1875), Stieda (1875), Brock
(1876), Masquelin (1878), Baumüller (1879), Julin (1880), Schaffer (1888),
Henneberg (1894). Bardeleben's neueste Angaben, betr. accessorische Knochen
am Unterkiefer, konnten im Einzelnen nicht mehr berücksichtigt werden.
Kiefergelenk. Besonderes Interesse bietet noch die Entwickelung des
Kiefergelenkes, die kürzlich durch Kjellberg (bei Mensch und Kaninchen)
genauer verfolgt wurde. Das Gelenk bildet sich zwischen dem vom Perichondrium
überzogenen Condylusknorpel und dem vom Periost bekleideten Squamosum. In
dem lockeren embryonalen Bindegewebe zwischen beiden Teilen tritt (bei 55 mm
langen menschlichen Embryonen) als besondere Verdichtung der Discus arti-
cularis auf; über und unter demselben entsteht dann je eine Gelenkspalte. Auch
nachdem diese aufgetreten sind, bleiben die Gelenkflächen des Kiefers und des Squa-
mosums noch von Bindegewebe (Perichondrium resp. Periost) bekleidet, und dieser
Zustand erhält sich das ganze Leben hindurch. Der Ueberzug des Condylus ist also
auch beim Erwachsenen bindegewebig, und erst unmittelbar unter dem Bindegewebe
erhält sich Knorpel (beim Menschen in Resten, beim Rinde in zusammenhängendem
Lager). An der Gelenkfläche des Squamosums produziert das Periost sekundär
Knorpel, der beim Menschen als dünne Schicht unter der Bindegewebsbekleidung
bestehen bleibt. Die Gelenkkapsel bildet sich aus dem umgebenden Blastem wie
bei anderen Gelenken. Der Unterschied diesen gegenüber liegt aber in dem Ver-
halten des Periostes resp. Perichondriums, das beim Kiefergelenk auch die Gelenk-
flächen seiner Komponenten bekleidet. In den Discus geht schon embryonal der M.
pterygoideus externus über, außerdem besteht vorübergehend eine durch einen dich-
teren Blastemstrang hergestellte Verbindung zwischen dem Discus und der knor-
peligen Anlage des Hammers.
Das Kiefergelenk der Säuger hat als ein Squamoso-Dentalegelenk nichts zu
thun mit dem Kiefergelenk der niederen Vertebraten, das ein Quadrato-Articular-
gelenk ist. Es ist als sekundäres Kiefergelenk zu bezeichnen im Gegensatz
zu dem letztgenannten, dem primären. Genaueres über diesen in Zusammenhang
mit der Frage nach der Homologie der Gehörknöchelchen stehenden Punkt siehe
p. 605 ff. Was den Discus anlangt, so hält Kjellberg (1904) ihn für eine Neu-
erwerbung der Säuger und bringt seine phylogenetische Entstehung in Zusammen-
hang mit dem M. pterygoideus externus. Beim Einschluß des Articulare in die
Paukenhöhle (als Malleus) ist nach Kjellberg der ansehnlichste Teil des genannten
Muskels an dem Dentale und seinem Condylus geblieben, ein kleinerer Teil aber
von dem Articulare mitgenommen worden. Diese kleinere Portion bildete das Liga-
mentum anterius mallei (teilweise), sowie den Discus articularis des Kiefergelenkes.
Für die Thatsache, daß der Discus bei einigen Säugetieren, nämlich Dasypus, Da-
syurus, Echidna und Ornithorhynchus (Parsons) fehlt, sind sichere Erklärungen
noch nicht zu geben; für Ornithorhynchus glaubt Kjellberg eine Erklärung in der
eigentümlichen Lage des Cavum tympani gefunden zu haben.
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 855
Beoom (1890) hält den Discus für das Quadratum der Sauropsiden, eine An-
schauung, die durch die Entwickelungsgeschichte keine Stütze erhält, und der auch
das Fehlen des Discus bei Echidna und ürnithorhynchus nicht gerade günstig ist.
Verkuöcherungeii im CTebiet des Hyobranchialskelettes.
Stapes. Beim Menschen findet Broman den Beginn der Ossi-
fikation im allgemeinen erst bei Embryonen von ca. 21 cm. Der
einzige vorhandene Ossifikationspunkt liegt in der Regel in der Basis ;
von hier aus schreitet die Verknöcherung allmählich die Schenkel
hinauf in das Capitulum. das am Ende des 6. Monats ossifiziert.
Reichert' scher K n o r p e 1. Die Zahl der Verknöcherungen des
REiCHERT'schen Knorpels ist nicht bei allen Säugetieren gleich. In
maximo können es vier sein, die die unzweckmäßigen Namen: Tym-
pano-, Stylo-, Kerato- und Hypohyale erhalten haben. Das
Tympanohyale, das wohl in der Hauptsache aus der Ossifikation des
Laterohyale hervorgeht, verschmilzt mit dem Petrosum (als Proc.
hyoideus desselben) und nimmt innen vom Tympanicum an der Be-
grenzung der Paukenhöhle teil; das Stylohyale bleibt! gewöhnlich mit
ihm durch Knorpel verbunden, es ist der oberste Abschnitt des freien
vorderen Zungenbeinhorns. Die beiden unteren Abschnitte schließen
sich ihm an. Beim Menchen wird das Tympanohyale ebenfalls zwischen
Petrosum und Tympanicum eingeschlossen (s. Schläfenbein), der zweite
selbständig verknöchernde Abschnitt bildet den Proc. styloideus,
dessen knöcherne Vereinigung mit dem obersten Stück erst im späteren
Lebensalter erfolgt. Nach Sappey schließt sich ihm noch ein individuell
verschiedenes Keratohyale an. Aus dem kleinen ventralen Stück
des REiCHERT'schen Knorpels (ventral von dem Lig. stylohyoideum)
geht beim Menschen das Cornu minus des Zungenbeins hervor.
Das Cornu hyale des Zungenbeins der Säuger zeigt im ausgebildeten Zustand
mancherlei Verschiedenheiten, die noch nicht alle entwickelungsgeschichtlich verfolgt
wurden. Den Zustand, wo alle vier genannten Ossifikationen vorhanden sind, nennt
HowES: integro-cornuat; der Umstand, daß dabei zugleich das Tympanohyale vor
dem For. stylomastoideum liegt, kann durch die Bezeichnung: prä trematisch
ausgedrückt werden. In manchen Fällen liegt das Stylohyale hinter dem For.
stylomastoideum am Proc. paroccipitalis des Pleuroccipitale (opisthotrem atischer
Typus); dabei kann das Tympanohyale vorhanden sein oder fehlen (integro-
cornuate und discreto-cornuate Formen). Ueber das specielle Verhalten
s. HowES; im übrigen verlangen diese Dinge erneute entwickelungsgeschichtliche
Untersuchung. Eine solche würde auch darauf zu achten haben, ob das Tympano-
hj^ale in seiner Ausdehnung mit dem Laterohyale zusammenfällt oder nicht. Daß
die Bezeichnungen: Hypo- und Keratohyale nicht die gleichen Stücke bedeuten,
die bei Selachiern mit diesen Namen belegt werden, liegt auf der Hand; die durch
den Ossifikationsprozeß bewirkte Segmentierung hat ganz andere Bedeutung als die
Segmentierung des Knorpels.
Das zweite Hörn (Cornu majus des Menschen, Cornu branchialel)
verknöchert von einem Kern aus, ebenso das Corpus ossis hyoidei.
Für letzteres werden beim Menschen auch zwei bald miteinander
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— Beiträge zur 3Iorphologie des Skeletts der Dipnoer nebst Bemerkungen über Pleur-
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Fürbringer, Max. lieber die spino-occipitalen Nerven der Selachier und Holocephalen
und ihre vergleichende Morphologie. Festschrift zum 70. Geburtstage von Carl
Gegenbaur. Bd. III. 1897.
— Notiz über oberflächliche Knorpelelemente im Kiemenskelett der Rochen (ExtraseptaliaJ,
zugleich nach von J. Ed. Sticmpff gemachten Beobachtungen. Morph. Jahrb. Bd.
XXXL H. 4. 1903.
Fürbringev, Paul. Untersuchungen zur vergleichende7i Anatomie der Muskulatur des
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— und Seleriha, Emil. Vögel, in : Bronri's Klassen und Ordnungen des Tierreichs.
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von Selenka, die Darstellung der Entwickelungsgeschichte von Gadow.)
Gau2>p, E. Die ,,C'olumella" der kionokranen Saurier. Anat. Am. Bd. VL. 1891.
— Zur Kenntnis des Primordialcraniums der Amphibien und Reptilien. Verh. d. Anat.
Ges. a. d. 5. Versg. zu München. 1891.
— Beiträge zur Morphologie des Schädels. I. Primordialcranium und Kieferbogen von
Rana fusca. 3Iorphologische Arbeiten, herausg. von G. Schwalbe. Bd. IL 1893.
(Auch als Habilitationsschrift der med. Faktdtät zu Breslau mit besonderer Paginie-
7'ung verwandt.)
— Beiträge zur Morphologie des Schädels. IL Das Hyobranchialskelett der Anuren und
seine Umwandlung. Ebenda. Bd. ILL. H. 3. 1893*. (Jahreszahl des Bandes: 1894.)
— Beiträge zur Morphologie des Schädels. III. Zur vergleichenden Anatomie der Schläfen-
gegend am knöchernen Wirbeltierschädel. Ebenda. Bd. IV. 1895.
— Zur Entwicklungsgeschichte des Eidechsenschädels. Berichte der Naturf. Gesellsch. zu
Freiburg in Breisg. Bd. X. 1898.
— Ueber das Primordialcranium von Lacerta agilis. (Blit Demonstration von Platten-
modellen.) Verh. d. Anat. Ges. auf d. 12. Versammlung in Kiel. 1898'''.
— Die Metamerie des Schädels, ßlerkel u. Bonnet, Ergebnisse der Anatomie und Ent-
wickelungsgeschichte. Bd. VII: 1897. 1898f.
— Ontogenese und Phylogenese des schalleitenden Apparates bei den Wirbeltieren. Ebenda.
Bd. VIII: 1898. 1899.
— Das Chondrocranium von Lacerta agilis. Ein Beitrag zum Verständnis des Amnioten-
Schädels. Anat. Hefte, herausg. v. Merkel u. Bonnet. Bd. XIV. 1900.
— Alte Probleme und neuere Arbeiten über den Wirbeltierschädel. Ergebnisse der Anat.
und Entwickelungsgesch. Bd. X: 1900. Wiesb. 1901.
— Ueber die Ala temporalis des Säugerschädels und die Regio orbitalis einiger anderer
Wirbeltierschädel. Arial. Hefte. Bd. XIX. 1902.
— Zum Verständnis des Säuger- und Menschenschädels. Korrespondenzbl. d. Deutschen
Anthropol. Ges. No. 12. 1903.
— Neue Deutungen auf dem Gebiete der Lehre vom, Säugetierschädel. Anat. Anz. Bd.
XXVIL 1905. (Erst nach Abschluß des Handbuchmanuskriptes abgefaßt.)
Die Entwickelung des Kopfskelettes. 861
Oegenhaur, C. lieber die Bildung des Knochengewebes. Erste ßfitteilung. Jen. Zeit-
schrift. Bd. I. 1864.
— Untersuchungen zur vergleichenden Anatomie der Wirbeltiere. H. 2. Leipzig 18G5,
— lieber primäre und sekundäre Knochenbildung mit besonderer Beziehung auf die Lehre
vom Primordialcranium. Jenaische Zeitschr. Bd. III. 1867,
— lieber die Bildung des Knochengeioebes. Ziveite Mitteilung. Ebenda. Bd. III. 1867''-.
— Gru7idziige der vergleichenden Anatomie. Zweite umgearbeitete Azifl. Leipzig 1870.
— Untersuchungen z^ir vergleichenden Anatomie der Wirbeltiere. Heft 3: Das Kopf-
skelett der Selachier, ein Beitrag zur Erkenntnis der Genese des Kopfskelettes der
Wirbeltiere. Leipzig 1872.
— Ueber die Nasenmuscheln der Vögel. Jen. Zeitschr. Bd. VII. 1873.
— Bemerkungen über den Canalis Fallojjü. Morph. Jahrb. Bd. IL 1876,
— Ueber das Kop)fskelett von Alepocephalus rostratus Risso. Ebenda. Bd. VI. Supple-
ment 1878,
— Ueber die Pars facialis des Lacrymale des Jlenschen. Ebenda. Bd. VII. 1882.
— Nachträgliche Bemerkung zu der dfitteilung über die Pars facialis des menschlichen
Thränenbeins. Ebenda. Bd. VII. 1882K
— Die 3Ietamerie des Kopfes und die Wirbeltheorie des Kopfskelettes , im Lichte der
neuen Untersuchungen betrachtet und geprüft. Ebenda. Bd. XIII. 1887,
— Ueber die Occipitalregion und die ihr benachbarten Wirbel der Fische. Festschr. für
A. v. Koelliker. Leipzig 1887-,
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Studie. II. lieber die Morphologie des Siebbeins und die der Pneumaticität bei den
llngulaten und Probosciden. Ebenda. Bd. XXVIII. H. 2. 1900.
— lieber die Pneumaticität des Schädels bei den Säugetieren. Eine morphologische
Studie. III. lieber die Morphologie des Siebbeins und die der Pneumaticität bei den
Insectivoren, Hyracoideen, Chiropteren, Carnivoren, Pinnipedien, Edentaten, Ro-
dentiern, Prosiw.iern und Primaten, nebst einer zusammen fasse7iden Uebersicht über
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Os tympanicum mit dem Unterkiefer, als einen neuen Beiveis für die lleberein-
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874 E. Gaupp, Die Entwickelung des Kopfskelettes.
Uebersicht des Inhaltes.
I. Allgemeine Entwickelungsgeschichte des Kopf-
A. Einleitung 573
B. Das Primordialcranium 575
1) Allgemeine Entwickelungsverbältnisse 575
2) Das neurale Primordialcranium 578
3) Das primordiale Visceralskelett 588
4) Schicksal und Bedeutung des primordialen Kopfskelettes
im Individuum 592
5) Phylogenetische Fragen : Stellung des Kopfskelettes zum
ßumpfskelett (Segmenttheorie des Schädels). Weitere, das
Palaeocranium betreffende Prägen, Bedeutung seiner Kom-
ponenten. Schicksal in der Wirbeltierreihe. Geschichte
der Gehörknöchelchen 593
C. Die Schädelknochen 609
1) Allgemeines über ihre Entstehung. Einteilung der Schädel-
knochen. Verhältnis der Schädelknochen zu einander.
Knochenkomplexe. Knochenkerne. Ueberzählige Knochen 609
2) Die Deck- oder Belegknochen 613
3) Die Ersatzknochen 619
D. Historisches zur Lehre vom Primordialcranium und den beiden
Kategorieen von Schädelknochen 623
IL Spezielle Entwickelungsgeschichte des Kopf-
skelettes.
Amphioxus 627
Cyclostomen 627
Selachier 636
Ganoiden , 650
Teleostei 660
Dipnoi 683
Urodelen 688
Anuren 718
Apoden . 747
Saurier 757
Phynchocephalia 775
Krokodile 782
Schildkröten 787
Schlangen 791
Vögel 797
Säuger 816
Litteratur- Verzeichnis 855
Register.
A.
Abortivknospen, Dohru's 201.
Achsenskelett, Acranier 340.
— häutiges, Cyelostomen 349.
— knorpeliges, Cyelostomen 355.
— membranöses, Cyelostomen 355.
Acetabulum 277.
Acromion 259.
Acropodium 282, 318.
Actmotrichia 177.
Ala orbitalis 826.
— temporalis 825.
Allantoisarterien, Säuger 108.
AUostosen 610.
Amboß 833.
Araphicöle Wirbel, Lepidosteus 453.
Selachier 404.
Analis(-Flosse), Ganoiden, Selachier, Te-
ieostier 180.
— zweite 173.
Annulus tympanicus, Anuren 737.
Aorta, Säuger 102.
— Vögel 39.
— anterior, Säuger 103.
— dextra, Crocodilier 37.
— dorsale Aeste der, Amphibien 105.
Reptilien 105.
— Säuger 107.
Selachier 104.
Teleostier 104.
Vögel 106, 107.
— dorsalis 85.
Anuren 96.
— — Cyelostomen 89.
Säuger 102.
Saurier 98.
Teleostier 91.
Vögel 87.
— sinistra, Crocodilia 37.
Aorten, primitive 84.
— — Selachier 87.
Aortenbogen 84.
— Amia 89, 91.
— Amnioten 97 ff.
— Amphibien 93 ff.
— Anamnier 85 ff.
— Anuren 95.
— Bdellostoma 89.
Aortenbogen, Chamaeleo 98.
— Chelonia, Crocod. 98, 190.
— Ganoiden 89.
— Lepidosteus 89.
— Myxinoiden 89.
— Ophidii 98, 99.
— Petromyzon 89.
— ReptiUa 98 ff.
— Säuger 101 ff.
— Saurier 98, 99.
— Selachier 85 ff.
— Teleostier 91.
— Urodelen 93, 94.
— Varaniden 98, 99.
— Vögel 100.
Aortenrohr, Hühnchen 41.
Aortenwurzeln, Chamaeleo 98.
— dorsale 85.
— — Amnioten 97.
Säuger 102.
— — Selachier 86.
Arch-centra 409.
Arteria, Arteriae.
— afferentes d. Vorniere, Teleostier 111.
— — branchiales, Cyelostomen 89.
Teleostier 92.
Urodelen 94.
— basilaris, Aiiuren 96.
— — Reptilien 106.
Säuger 104, 107.
Selachier 86.
Teleostier 105.
— branchiales efferentes, Cyclost. 89.
— carotides, s. a. Carotiden.
coramunes 102.
— ■ — — Varaniden 99.
— carotis communis dextra, Tropidonotus
99.
sinistra, Säuger 103.
— — externa, Amnioten 97.
Chelon., Crocod. 100.
Säuger 104.
Urodelen 93.
interna, Amnioten 97.
— Anuren 96.
Chelon., Crocod. 100.
— Ganoiden 90.
Ophidia 99.
876
Register.
Arteria carotis interna, Säuger 102, 104.
— Selachier 88.
Teleostier 92.
primaria, Varaniden 99.
subvertebralis, Apteryx, Ardea mi-
nuta, Botaurus stellaris, Podiceps
101.
— cervicalis comm., Chelonia 100.
— coecalis, Saurier 113.
— coeliaca, Eeptilien 113.
Vögel 114.
— coeliaco-mesenterica, Lacerta 113.
— cutanea magna, Anuren 96.
— efferentes brachiales, Cyclost. 89.
— — — Teleostier 92.
— Urodelen 94.
— femoralis 109.
Amphibien, Reptilien 110.
— iliaca communis, Mensch, Kaninchen
110.
exterior, Katze 110.
— — interior, Katze 110.
— intercostalis suprema, Mensch, Kanin-
chen 107.
— interossea 109.
— intestinaUs comm., Amphibien 112.
— ischiadica 109.
— — Amphibien 110.
Eeptilien 106, 110.
— medullae spinalis anter., Selach. 105.
— mesenterica, Selachier 111.
Teleostier 112.
Vögel 112.
anterior, Vögel 114.
posterior, Vögel 114.
— omphalo-mesenterica, Amphibien 112.
Cyclostomen 112.
Echidna 114.
Maus 114, 115.
Petromyzon 112.
Eatte 114.
Säuger 114.
Selachier 111.
Teleostier 111.
Vögel 112, 113 ff.
— peronea, Säuger 111.
— pulmonalis, Anuren 96.
— — Crocodilia 37.
Säuger 102.
Schwein 103.
Urodelen 94.
Vögel 39.
dextra, Säuger 103.
sinistra, Säuger 103.
— radialis 109.
— renales, Säuger 116.
— saphena, Säuger 111.
— subclavia, Chelon., Crocod. 100.
Eeptilien 106.
Säuger 102, 107.
Selachier 104.
Vögel 106.
dextra, Säuger 103.
sinistra, Säuger 103.
secundaria, Vögel 101.
— tibialis antica, Säuger 111.
Arteria tibialis postica, Säuger 111.
— thyreo-spiracularis, Ganoiden 89.
— — Selachier 88.
— ulnaris 109.
superficialis 109.
— umbilicales, Säuger 108, 115.
— vertebralis, Amphibien 105, 511.
Säuger 107.
— ^ cerebralis, Eeptilien 105, 106.
Säuger 107.
cervicalis, Eeptilien 106.
Säuger 107.
— — dorsi, Anuren 105.
Arterien des Darmkanals 85.
Amphibien 112.
Anguis frag., Hatteria 113.
— — Cyclostomen 112.
Reptilien 112.
— — Säuger 114.
Saurier 113.
Selachier 111.
Teleostier 111.
Vögel (Hühnchen) 112, 113, 114.
— des Exkretionssystems 115.
— — Amphibien 115.
Reptilien 115.
Säuger, Vögel 115.
— der Extremitäten 85.
Amphibien 105.
— der hinteren Extremität 109 ff.
— Amphibien 110.
Eeptilien 106, 110.
Säuger 108, 110.
Vögel 107, 110.
— der vorderen Extremität 108, 109.
— der Geschlechtsdrüsen 85, 115.
— des Kopfes, Amphibien 93 ff.
Amnioten 97 ff.
Anamnier 85 ff.
— — Cyclostomen 89.
Teleostier 91 ff.
— der Leibeswand 85.
— des Nieren Systems 85.
— des Oberarms 109.
— des Oberschenkels 109.
Amphibien 109.
Säuger 109.
Sauropsiden, Chamaeleo 109.
— des Unterschenkels, Hühnchen 110.
Lacerta, Eana 110.
— des Vorderarms 109.
Delphinus 109.
— — Hatteria, Lacerta 109.
Ornithorhynchus 109.
Vögel 109.
Arteriensystem 84.
Asterospondylie, Selachier 405.
Atlas, Eeptilien 537.
Atlasring, Eeptilien 538.
Atrioventricularfurche, Säuger 48.
Atrioventricularklappen, Huhnchen 44.
— Eeptilien 36.
— Säuger 57.
— Selachier 24.
— Urodelen 27.
Atrium, Eeptilien 32.
ßegister.
877
Atrium, Saurier 30.
— Urodelen 26.
Augenmuskelkanal, Teleostier 667.
Auricularkanal, Hühnchen 41.
— Reptilien 35.
— Säuger, 47, 48, 55.
— Urodelen 26.
Außenstrahlen 176.
Autocranium 597.
Autopodium 282, 294, 328.
— Abspaltung der accessorischen von
kanonischen Elementen 299.
— accessorische Elemente des 295.
— kanonische Bestandteile des 294.
— Problem der primären und sekundären
Bestandteile des 296.
— Eeihenbildung zwischen accessorischen
und kanonischen Elementen des 301.
— Verwachsung von Accessoria mit ka-
nonischen Elementen des 299.
Autostosen 610.
Auximetamerer Zustand des Neocraniums
598.
Axonost 184.
B.
Balkenplatte 582.
— Urodelen 689, 691.
Basale postaxiale 215.
— primäres, Acipenser 225.
Ceratodus 216.
und seine Eadien (Metapterygium)
212.
Phylogenese dess. 218.
Basalia, sekundäre 222.
Basalknorpel, Anuren 502.
Basalplatte 580.
Basalstümpfe, Selachier 400, 410.
Basalstumpf, Knochenganoiden 455.
— Teleostier 478.
Baseost 184.
Basipodium 282, 308.
Basipterygium 205, 216.
— der ßeckenflosse 227.
— und dessen Derivate 212 ff.
Basiventralia, Reptilien 532.
Bauchgräten, schiefe 478.
Bauchrippen 562.
Becken der Dipnoer 211.
— der Ganoiden, Teleostier 212.
^ Reduktionen des 278.
— der Selachier 209.
— der Tetrapoden 270 ff.
Formentwick. des 272.
früheste Anlage des 270.
Vergleich d. Becken- und Schulter-
gürtelentw. 278.
Begrenzungsfalten, kaudale, der Pleura-
höhlen 79.
Belegknochen 610, 613.
Bikonkave Wirbel 503.
Bikonvexe Wirbel 503.
Bindegewebe, corticales 348.
— perichordales 347.
Cyclostomen 354.
Bindegewebe, skeletoblastisches 348.
Bindegewebsfibrillen, celluläre Entstehung
der 2.
— intercelluläre Entstehung der 2 ff.
— Längenwachstum der 7.
Bindesubstanzzelle, embryonale 13.
Blutgefäße, intersegmentale, Cyclost. 356.
Bögen, kaudale, Urodelen 501.
— knorpelige, obere und untere, Ganoiden
431, 435.
— kraniale, Urodelen 501.
— kraniale und kaudale Knorpelstücke
der oberen, Cyclostomen 359.
— obere, Acranier 348.
Amia 439.
Amphibien 490.
Cyclostomen 355.
Dipnoer 486.
Holocephalen 381.
Teleostier 466.
— untere, Acranier 349.
Amia 439.
— — Amnioten 526.
Amphibien 490.
Dipnoer 486.
■ — — Holocephalen 381.
Reptilien 532.
Säuger 549.
Teleostier 466, 467.
Bogenanlagen, Amnioten 525.
Bogenbasen, Amnioten 525.
Bogenform beim Zonoskelett 324.
Bogenstück, kraniales, kaudales; Holo-
cephalen 384.
Bogenstümpfe, ventrale, Selachier 400.
Branchialbogen, Dipnoer 686.
— Selachier 87.
Brustbeinhandgriff 562.
Brustflosse, Skelett der, Dipnoer, Selachier
212.
— — Ganoiden, Teleostier 225.
Brustschulterapparat, dermaler 268.
Bulboauricularfurche, Hühnchen 41.
— Säuger 48.
Bulboauricularleiste, Hühnchen 41, 42.
— Reptilien 35.
— Säuger 53.
Bulbus cordis, Anlage des, bei Butirinus25.
Clupeiden 25.
Hühnchen 38, 40.
Menobranchus 28.
Reptilien 30, 31, 32.
Säuger 48.
Salmo salar 26.
Selachier 22, 23.
— Teleostier 25.
Triton alpestris 28.
Urodelen 26, 27, 28.
Bulbuswülste, Hühnchen 40.
— Reptilien 32.
— Säuger 52.
— Selachier 23, 24.
— Urodelen 27.
— distale, Säuger 54.
Urodelen 28.
— proximale, Urodelen 28.
878
Register.
c.
Canalis auricularis 22.
Hühncheu 38.
— — Eeptilien 32.
Säuger 47.
Urodeleii 27.
— diazonalis 275.
— obturatorius 275.
pericardiaco-peritonealis, Selach. 60, 61.
Cardinalvenen s. V. cardinales.
Cardinalvenensinus, Selachier 118.
Carotiden, Carnivoren, Pferd, Wiederkäuer
103.
— Tropidonotus 99.
Carotidenbogen, Amnioten 97.
— Säuger 102.
— Varaniden 99.
— Vögel 100.
Carotidensystem, Säuger 103.
Carotis s. Arteria carotis, etc.
Carpus, Anuren 311.
— Reptilien 312.
— Säuger 315.
— Urodelen 308.
— Vögel 314.
Cartilagines sphenolaterales 641.
Cartilago labialis superior 733.
— paraseptalis 765, 830.
— ypsiloides 279.
Caudalis (-Flosse), epichordale ; Selachier,
Ganoideu, Teleostier 180.
— hypochordale, der Fische 184.
Cavum cranii 587.
Centrale 311, 316.
Centrum Amia 449.
Cheiropterygium (vgl. Chiridium) 282 ff.
Chevron-boues 532.
Chiridium 282 ff.
— Achsenbestimmung im 329.
— allgem. Histogenese u. Formgestaltung
des 282.
— Gelenke des 286.
— Mißbildungen des 288.
— Reduktionen des 288.
— Regeneration des 288.
— Verknorpelung des 284.
— zeitliche Entstehung der Knorpel-
centren 285.
Chondrocranium 575.
Chondrodermis 190.
Chorda dorsalis 580.
Acranier 340.
— — Amniota 514.
Aves 798.
Holocephalen 369.
Mammalia 819.
— — Saurier 759.
Selachier 640.
Teleostier 457.
Urodelen 692.
protoplasmatische Rindenschicht
der, Cyclostomen 350.
Chorda-centra 409.
Chordae tendineae 57.
Chordaepithel, Cyclostomen 351.
Chordaepithel, Holocephalen 364.
Chordagallerte 350.
Chordaknopf 820.
Chordaknorpel, Anuren 503.
— Urodelen 498.
Chordakörperchen, Acranier 345,
Chordaplatte 340.
Chordaplatten 344.
Chordaräume, dorsale u. ventrale, Acra-
nier 345.
Chordascheide, elastische, Acrania 346.
Amia 437.
Amphibia 489.
— — Cyclostomen 351.
Ganoiden 429,
Holocephalen 364, 370,
Selachier 395.
Teleostier 458.
— primäre, Cyclostomen 353.
Holocephalen 364.
Selachier 395.
— — Teleostier 459.
— sekundäre, Cyclostomen 353.
Holocephalen 364.
Selachii 395.
Teleostii 459.
— zellenhaltige 391.
Selachier 397.
— zellige, Selachier 402.
Außenzone ders. 391.
Chordastab, Amnioten 517.
— Amphibien 499.
— Teleostier 462.
Chordastrang, Acipenser 430.
— Acranier 340.
— Amnioten 515.
— Cyclostomen 351.
— Teleostier 461.
Chorioidealdrüse, Teleostier 93.
Circulus arteriosus cephaUcus, Selach. 88.
Squaliden 87.
Clavicula 265.
— des Menschen 263.
Clavicularanlage, Metaplasie des Knorpels
in der 268.
Cleidium 253, 265.
Columella auris 583, 605.
Anuren 725.
Apoden 750.
Aves 809.
Chelouia 789.
Crocodilia 784.
Ophidia 795.
Rhynchocephalia 779.
Saurier 768.
Urodelen 695.
Commissura orbito-parietalis 826.
— quadrato-cranialis anterior 719.
Commissurae terminales 740.
Conus arteriosus, Säuger 56.
Teleostier 25.
Copulae 588, 590.
— Ganoiden 656.
— Teleostier 674.
Coracoscapula, Ossifikationen der 264.
Costalplatten 556.
Register,
879
Crista stellaris, Saurier 757, 759.
Crossopterygium 331.
Cuticula ciiordae 397,
— sceleti 395.
Cutisblatt, Acranier 347.
Cutisplatte, Holocephalen 365,
Cyclospondylie, Selachier 405.
D.
Dachraum 355,
Darmarterien s. Arterien des Darmkanals.
Darmlebervenen, Cyclostomen 119,
Daumen 323,
Deckknochen 610, 613,
— Topographie ders. am Knorpelschädel
617,
Deckplatten, Chimaera 389,
Dens, Eeptilia 538,
Dermaler Brustschulterapparat 268.
Diaphragma dorsale 81, 82.
— pulmonale 71, 72.
— ventrale 82,
Digitalvenen, Reptilien 135,
Diphyeerke Flossenform 175,
Diphycerkie 172,
Diplospondylie, Holocephalen 386,
— primäre 387.
Acipenser 432.
— Selachier 417,
Dohrn's Abortivknospen 201,
Doppelwirbel, Amnioten 524.
Dorsales (-Flossen), Selachier, Ganoiden,
Teleostier 180,
Dorsalflossen, Mangel von Beziehungen
zur Körperm etamerie 190,
Dotterdarmvenen 22.
— Amphibien 123, 124,
— Reptilien 129.
Dottergangszotten 74,
Dottersackarterien, Säuger, Kaninchen,
Katze 114,
— Selachier 119.
— Teleostier 111,
Dottersackcirkulation, Belone, Perca 123.
— Salmo 122,
Dottersackkreislauf, Selachii 119,
Dottervene 116, 117.
Ductus arteriosus, Säuger 102,
— Botalli, Anuren 96,
Säuger 102, 103,
Vögel 101.
— Cuvieri 22.
Aves 136, 138.
Cyclostomen 120.
— — Gymnophionen 127.
Reptilien 129, 130,
Salamandra 124.
Selachii 117,
Teleostii 121,
— pericardiaco-peritoneales, Anuren 64,
— — Selachier 59.
Urodelen 62,
— pleuro-pericardiaci, Hühnchen 68.
Säuger 74, 75, 76,
— — Sauropsiden 64, 66.
Ductus thoracici, Aves 150.
— venosus Aranzii, Mammalia 140, 141.
Aves 135, 136.
Triton 124.
E.
Einzelflossen, diskontinuierliche 170.
Einzelpinnae, Ausgestaltung der 176.
— Ursache der Entstehung der 175.
Ektodermkappe 240.
Ektoplasma (Hansen) der embryonalen
Bindesubstanzzelle 13,
Elastica, Cyclostomen 354,
— Holocephalen 364.
— Selachier 395.
— externa, Acranier 346.
Cyclostomen 353.
Holocephalen 364, 379, 390.
Selachier 395.
— interna, Acranier 345, 346.
— — Cyclostomen 353.
Ganoiden 429,
Holocephalen 377.
Selachier 397.
Teleostier 459.
Elastinkörnchen, Beteiligung bei der Bil-
dung d. elast, Fasern 11, 12,
Elastische Fasern, Entw, der S, 10.
Embolomere Wirbel 449.
— — Amniota 524,
— — Amphibia 501.
Endkappe Retterer's 319,
Endocard, Reptilia 32,
— Selachii 24,
Endocardhäutchen, Selachier 23,
Endocardkissen des Auricularkanals 24.
— — Rejitilien 32.
— — Säuger 50, 51, 52.
— Hühnchen 43.
— laterales, Hühnchen 45.
— Reptilien 36.
Entochordatische Verknöcherung 555.
Epichordaler Wirbeltypus 504.
Epicoracoid 256,
Epidermoide Zellen 461.
Epigastroid 280,
Epiphysen kerne 288, 319, 322,
Epiphysenplatten, Säuger 551,
Epipubis 279,
Episternalknorpel 263,
Episternum 257, 268,
— costales 269,
— zonales 269,
Epistropheus, Reptilien 537.
Epitheliomorphe Schicht 351.
Holocephalen 364.
Epitremaler Längsstab 635.
Ersatzknochen 610, 619.
— Topographie der 621,
Ethmoidalregion 586,
Ethmoturbinalia 829.
Extracolumella 606.
— Rhynchocephalia 779,
— Saurier 768,
Extrahyale 635.
880
Register.
Extraseptalknorpel 650.
Extremitäten (s. a. Gliedmaßenanlagen),
Beziehungen der äußeren J'ormgestal-
tung bei den Tetrapoden zu derjenigen
bei d. tetrapterygialen Wirbeltieren 243.
— Form der 167 ff.
— Formentfaltung der paarigen ; bei Te-
trapoden 235.
— Histogeneseder pentadactylenE. beim
ersten Entstehen 241.
— paarige, Tetrapterygier, P'ische 196 ff.
der tetrapoden Wirbeltiere 235 ff.
— reduzierte 241, 284.
— Skelett der freien 282.
— un paare 168 ff.
— Vergleich des Skelettes der tetrapoden
und tetrapterygialen Formen 323 ff.
Extremitätenskelett (s. a. Gliedmaßen-
skelett) 167 ff.
— Konkrescenz metamerer Teile 330.
— der Tetrapoden 252 ff.
Extremitäten venen, Amj^hibien 128.
— Aves 138.
— Kaninchen 149.
— Lacerta 134.
— Triton 128.
F.
Fascienblatt, Acranier 347.
Faserplatten 344.
Faserscheide 346.
— Amia 437.
— Amphibien 489.
— Cyclostomen 351.
— Ganoiden 429.
— Holocephalen 364, 369.
— Selachier 395.
— Teleostier 458.
— zellenhaltige, Selachier 398.
— zellenlose, Selachier 398.
Faserzellen (Schwann) 1.
Fenestra hypophyseos 585.
— metotica, Saurier 758.
— orbito-nasalis 765.
Fleischgräten 478.
Fleischpolster, Reptilien 35.
Flosse von Lepidosiren, als Ausgangs-
punkt des Chiridium 328.
— unpaare (s. a. Pinnae), Amphioxus 168.
Flossen, Nervenplexus der 201.
Flossen an lagen, Drehungen der 203.
— Lokalisation der 200.
— Vergrößerungen und Verkleinerungen
der 202.
Flossenleisten, Kontinuität und Diskon-
tinuität der vorderen (thorakalen) und
hinteren (abdominalen) paarigen 197.
— der paarigen Extremitäten 196.
— Vergleich der i^aarigen und unpaaren
199.
Flossenradien 177.
Flossensaum, einheitlicher unpaarer 168.
— Verdoppelung des ventralen (Schleier-
schwänze) 173.
Flossenskelett, Anschluß an die knorpe-
lige Wirbelsäule 182.
Flossenstrahlen 177.
Flossenstrahlträger 178, 183.
— Teleostier 469.
Fontanellen 838.
Fontanellknochen 839.
Foramen apicale 587.
— epiphaniale 587.
— interventriculare, Hühnchen 44,
— — Säuger 53, 56.
— jugulare 148.
— — spurium 149.
— olfactorium advehens 586.
— — evehens 586.
— ovale, Kaninchen, Mensch, Placentalier
51.
— ^ Säuger 51.
— Panizzae 37.
Fugenknochen 839.
Funiculus der Chordaachse, Selach. 394.
Fusion primordiale 612.
Gabelknochen, Reptilien 532.
Gastrale 280.
Gehörknöchelchen 605.
Gekröse des Müller'schen Ganges 70.
Gelenkhöhle 206.
Gelenkkopf des Wirbelkörpers, Anuren
503.
Lepidosteus 452.
Reptihen 542.
Urodelen 495.
Gelenkpfanne des Wirbelkörpers, Amphi-
bien 495.
Anuren 503,
— — Lepidosteus 452.
Reptilien 542.
Gephyrocerkie 194.
Gliedmaßen, Ortswechsel der 202.
Gliedmaßenanlagen (s. a. Extremitäten),
Verschiebungen und Drehungen im
ganzen und einzelner Teile derselben
bei Tetrajjoden 245.
Gliedmaßenskelett, Abstammungsproblem
des 231.
— der paarigen Flossen 204.
Glomerulus der Vorniere, Teleostier 111.
Großzehe 323.
Grundfibrillen 18.
Grundsubstanz 17.
Grundsubstanzgewebe 18.
Grundsubstanzzellen, fixe, beweghche 18.
H.
Hämaldornen 184.
Hämalfortsätze, Amia 442.
— Knorpelganoiden 435.
Halsvenen, Microchiroptera 149,
Hammer 833.
Hautknochenstrahlen 177.
— Beziehungen zu den Hornfäden 179.
zu den Innenstrahlen 178.
Hautsäume bei tetrapoden Wirbeltieren
175.
Register.
881
Hemimelie 288.
Herz 21 ff.
— äußere Form des, Säuger 46.
— Saurier 29.
— Selachier 22.
— Teleostier 25.
Vögel 37.
— Entw. des, Amphibien 26 ff.
— — Anuren 29.
— — Chelonier 37.
— — Cyclostomen 24.
Fische 21.
Ganoiden 25.
Hühnchen 37 ff.
Lacerta 29.
Eeptilien 29 ff.
Säuger 46 ff.
Salamandra atra 27.
— — Saurier 29 ff.
-— — Selachier 21.
— — Teleostier 25.
Tropidonotus 31.
Urodelen 26 ff.
Vögel 37 ff.
Herzabschnitte, Sonderung der, Urodelen
26.
Herzinneres, Hühnchen 40.
— Säuger 50.
Herzohren, Reptilien 32.
— Säuger 47.
Herzschlauch 21.
— Cyclostomen 24,
— Säuger 46.
— Saurier 29.
— Vögel 37.
— Urodelen 26.
Herzvene, Anuren 127.
Heterocerkie 172, 193.
Hinterhirnvenen, Mammal. 148.
Homocerke Schwanzform 194.
Homocerker Typus 173.
Horizontales Septum der Stammesmus-
kulatur 423.
Hornfäden 176, 177.
— in abortiven Zwischenstrecken 177.
— in der Fettflosse 177.
Humerus, Kanäle im 289.
Hyalbogen, Dipnoi 686.
— Selachii 648.
Hyobranchiale 592.
— Dipnoi 687.
Hyobranchialskelett 590.
— Anuren 738.
— Apoden 753.
— Chelonia 789.
— Cyclostomen 633.
— Knochenganoiden 659.
— Saurier 768.
— Urodelen 704.
Hyoidbogen, Selachier 88.
Hyomandibula 591.
Hyostapes, Crocodilia 785.
— Saurier 768.
Hyperdactylie 303.
Hyperphalangie 321.
Hypobranchialspalte, Anuren 740.
Handbucli der Entwickelungslehre. III. 2.
Hypocentrum, Amia 449.
Hypochorda, Amphibien 507.
— Holocephalen 381.
— Teleostier 464.
Hypochordale Spangen 526.
Hühnchen 556.
Säuger 549.
Sphenodon 532.
Vögel 547.
Cyclopterus 467.
Hypochordaler Knorpel, Anuren 502.
— Längsstab 634.
Hypocleidium 268.
Hypogastroid 280.
Hypoischium 279.
Hypotremaler Längsstab 635.
Hypurale Knochenstücke 474.
Hypuralknochen 186.
I.
Impressio conchalis 701.
Incisura puboischiadica 275.
Infrarostrale 734.
Innenradien der Pinnae 182.
abortive 172.
— — Beurteilung der verschiedenen An-
lagen von 187.
Diskrepanz zwischen Muskulatur
und 190.
Innenskelett der Pinnae, Petromyzonten,
Myxinoiden, Acranier 190.
spätere Entw. 193.
Innenstrahlen der Pinnae 176, 179.
Intercalare, Holocephalen 381.
Intercalaria siiinalia, Selachier 410.
Intercalarstücke, Ganoiden 431, 433.
— Selachier 400.
Intercellularfasern 18.
Intercellularsubstanz der Stützsubstanzen
2, 9, 13, 17.
— als mitlebender Teil d. Gewebes 10, 14.
Intercentra, Amia 449.
— Amnioten 526.
— Eeptilia 532.
Interclavicula 257.
Interhaemalia 183.
Intermedium 327.
Intern asalplatte, Anuren 719.
— Selachier 644.
Internasalraum 700.
Intersegmentalgefäße, Acipenser 433.
Amia 439.
— Holocephalen 372. 382, 383.
— Teleostier 474.
Intersegmentalnerven, Amia 439.
Interspinalia 183.
Interventricularfurche, Hühnchen 38.
— Säuger 47.
Interventricularspalte, Säuger 47, 53.
Intervertebrale Partieen der Wirbelsäule,
Selachier 408.
Intervertebrales Chordasei:)tum 461.
Intervertebralknorpel, Amphibien 493, 495.
Intervertebralligament, Amphibien 495.
— Selachier 408.
56
882
Register.
Intervertebralringe, Selachier 404.
Intervertebralspalte, Amnioten 521.
— Säuger 549.
K.
Kammer (des Herzens), Cyclostomen 25.
— Scheidung der, Hühnchen 44.
— Saurier 30.
— Teleostier 25.
— Urodelen 26.
Kammerabteihing, Urodelen 26.
Kammerraum, ventraler, Keptilieo 35.
Kammerscheidewand, Crocod. 37.
— Hühnchen 42.
Kammerseptum, Säuger 53.
Kaudaler Wirbel, Amia 449.
Kaudalkanal, Ganoiden 435.
— Holocephalen 390.
— Knochenganoiden 455.
— Selachier 411.
Kehllymphsack 150.
Kieferbogen 589.
— Anuren 734.
— Apoden 753.
— Aves 808.
— Crocodilia 784.
— Dipnoi 686.
— Mammalia 833.
— Ophidia 795.
— Rhynchocephalia 778.
— Saurier 766.
— Teleostii 673.
— Urodelen 702.
Kiefergelenk, Mammalia 854.
— sekundäres 607.
Kiemenarterien, Selachier 87.
Kiemen bogen, Aves 810.
— Cyclostomen 633.
— Ganoiden 656.
— Selachier 649.
— Teleostier 674.
Kiemenbogenhypothese 231.
Kiemengefäße, Anuren 95.
— Triton 93.
Kiemenstäbchen, Ganoiden 657.
— Teleostier 674.
Kittsubstanz 17.
Klappenapparat, Anuren 29.
— Teleostier 25.
Klappensegel, marginale, Eeistiiien 36.
Kiemzehe, Reduktionen derselben 323.
Knickungsfurche, Hühnchen 38.
— Reptilien 31, 33.
Knickungsleiste, Reptilien 33, 35.
Knochengrundsubstanz, Histiogenese der
16.
Knochenkern des Wirbelkörpers, Vögel
548.
Knochenkerne 611.
Knochenkomplexe 611.
Knochenplatten, einheitliche, der Pinnae
180.
Kopfsinus, Selachier 86.
Kopfskelett 573-874.
— Amphioxus 627.
Kopfskelett, Anuren 718.
— Apoden 747.
— Aves 797 ff.
— Chelonia 787 ff.
— Cyclostomen 627.
— Dipnoer 683 ff.
— Ganoiden 650.
— Krokodile 782 ff.
— Mammalia 816 ff.
— Ophidia 791 ff.
— Rhynchocephalen 775 ff.
— Saurier 757 ff.
— Selachier 636 ff.
— Teleostier 660 ff.
— Urodelen 688.
Kopfvenen, Echidna, Ornithorhvnchus
148.
— Mammalia 148.
— Mikrochiropteren 149.
Kranialer Wirbel, Amia 449.
L.
Labyrinthregion, Teleostier 664.
Längsband, dorsales elastisches, Teleostier
468.
— oberes, Cyclostomen 355.
Längsseptum, sagittales, Cyclost. 355.
Lateralfalteuhypothese 198, 231.
Laterohyale 835.
Leber, Sauropsiden 65.
Leberhohlvenengekröse, Säuger 77.
Leber-Pfortaderkreislauf, Amphibien 124.
Lebervenensinus, Selachier 118.
Lebervenensystem, Mammalia 141.
Ligamenta intermuscularia, Holocephalen
371.
Ligamentum coronarium 82.
• — falciforme 82.
— heiJato-entericum, Sauropsiden 67, 68.
— — Urodelen 63.
Vögel 71, 72.
— intervertebrale est., Teleostier 473.
— — internum, Teleostier 472.
— longitud. dorsale inferius, Selachier 410.
superius 355.
Selachier 410.
ventrale, Selachier 410.
— periostale internum, Teleostier 473.
— stylohyoideum 836.
— Suspensorium, Vögel 517.
— transversum atlantis 538.
Limbus Vieussenii 51.
Lippenknorpel 588.
— Cyclostomen 633.
— Dipnoer 686.
— Selachier 647.
Lunge, Sauropsiden 70.
Lungenvene, Anuren 29.
Lungenvenen, Mensch 50.
— Mündung der, Amia 29.
Dipnoer 29.
Polypterus 29.
Urodelen 28.
Vögel 46.
Lungenvenenstamm, Säuger 49.
Register.
883
Lymphgefäße, Amphibien 150.
— Anuren 150.
— Fische 150.
— Mamrualia 151 ff.
— Schwein 151.
— Vögel 150.
Lymphgefäßsinus, Amphibien 150.
Lymphgefäßsystera 149 ff.
Lymphgewebe, subchordales 153.
Lymphherzen, Amphibien 150.
— Aves 150, 151.
— Mamraalia 152.
Lymphsack, dorso-kranialer, Amphib. 150.
— periproctaler, Amphib. 150.
Lymphsäcke 150.
Lymphsinus, Mammalia 152.
M.
Mandibularbogen, Belachier 88.
iVTanubrium 561.
Maxilloturbinale 829.
Meckel'scher Knorpel 589.
Mammaha 832.
Membrana hepato-pericardiaca, Sauropsi-
den 66.
Urodelen 62.
— interossea 290.
— pericardiaco-peritouealis, Säuger 79.
— pleuro-i^ericardiaca, Säuger 76.
Sauropsiden 68.
— pleuro-peritouealis, Säuger 78, 79.
— reuniens 369.
Meniscus pterygoideus 767.
Mentomandibulare, Anuren 736.
Mesocardium anterius, Säuger 74.
— laterale, Cyclostomen 61.
— — Säuger 74.
Sauropsiden 64.
Selachier 57, 58, 59, 117.
— posterius, Säuger 74.
Mesoduodenum, Säuger 156.
Mesogastrium 152.
— Mammalia 156.
Mesogastroid 281.
Mesohepaticum anterius, Cyclostomen 61.
— — Säuger 74.
Sauropsiden 64, 65.
— — Selachier 57, 58, 59.
Mesopterygium 216, 327.
Mesotischer Knorpel 582, 721.
Metapleuralf alten, Amphioxus 200.
Metapodium 282, 318.
— Position rückgebildeter Strahlen des 319.
Metapterygium, Selachier 212, 216.
Metasternum 561.
Milz, Acanthiaa 152.
— Acipenser 153.
— Alystes obstetricans 154.
— Amphibien 154.
— Anguis fragilis 155.
— Forelle 152.
— hintere, vordere; Ganoiden 153.
— Lacerta 155.
— Mammalia 156.
— Menobranchus 154.
Milz, Rana temporaria 154.
— Salamandra 154.
— Sauropsiden 155.
— Selachier, Teleostier 152.
— Siredon 154.
— Triton (Urodelen) 154.
— Tropidonotus 166.
Mißbildungen, polydactyle 305.
Mitteldarmarterie, Saurier 113.
Mittelhirn polster 580, 792.
Mixipterygium, Selachier 228.
MüUer'sches Gewebe 345.
Muscles greles 172.
Musculus papillaris, Säuger 57.
Muskelanlagen ; seriale Kontinuität der
M. der paarigen Abdominal- und un-
paaren Analflosse 194.
Muskelblatt, Acranier 347.
Muskelklappe (Hühnchen) 45.
Muskelknospen bei Tetrapoden 331.
Muskelleiste, Reptilien 35.
Muskeln der Pinnae 182.
Muskelplatte, Holocephalen 365.
— Selachier 398.
Muskeltrabekel der Kammerwand, Rep-
tilien 32.
— Säuger 52.
— Selachier 24.
Myocard, Reptilien 32.
— Selachier 23, 24.
Myomeren, Holocephalen 369.
Myosepten, Acranier 347.
— Holocephalen 371.
— transversale, Cyclostomen 356.
Myotom, Holocephalen 369.
N.
Nachhirnpolster 580.
Nahtknochen 839.
Nasenflügelknorpel, Teleostü 671.
Nasoturbinale 829.
Nebenafferentia, Teleostier 112.
Nebengekröse, Anuren 126.
— Lacerta 67.
— Säuger 77, 78.
— Sauropsiden 67, 68, 70, 72.
— Urodelen 63, 125.
— Vögel 71.
Nebenknochenkerne 551.
Neocranium 597.
Nervenplexus der Flossen 201.
Nervi occipito-spinales 599.
— spino-occipitales 581, 599.
Neugliederung der Wirbelkörpersäule 550.
Neuralbögen, Selachier 410.
Neurocranium 576.
Neuromer 386.
Nierenarterien, Hypogeophis 115.
Nieren venen, Chiroptera 144.
Nucleus pulposus s. gelatiuosus 517.
0.
Oberlippenknorpel 733.
Occipitalbogen 581, 654.
56*
884
Register.
Occipitalbogen, ürodelen 690.
Occipitalpfeiler 721.
— ürodelen 690.
Occipitalplatte, Aiiuren 721.
— Ürodelen 690.
Occipitalregion, Anuren 722.
— Aves 798.
— Mammalia 817.
— Selachier 639.
— Teleostier 661.
— ürodelen 691.
Oesophagus, Selachier 59, 60.
— ürodelen 63.
Oesophagiisgekröse, dorsales, Säuger 77.
— ventrales, Säuger 77.
Ohrkapsel 582.
Oligodactylie 303, 305.
Oligophalangie 321.
Omosternum 264.
Opercularapparat, (ranoiden 660.
Opercularfortsatz, Ganoiden 89, 90.
Opercularkieme, Ganoiden 90.
Opercularnebenbahn, Ganoiden 90.
Operculum 583.
Opisthocöler Wirbel, Amphibien 495.
Lepidosteus 452.
Ortswechsel der Gliedmaßen 202.
Os basale, centrale, pisiforme etc. s. Ba-
sale, Centrale, Pisiforme etc.
— cloacae 281.
— coccygis, Anuren 505.
Os en chevron, Reptilien 532.
Os sacrum, Säuger 552.
Ossa marsupialia 281.
Ossicula sesamoidea 295.
Ossifikationspunkte des Wirbels, Säuger
551.
Vögel 548.
Ostia venosa, Säuger 51.
Ostien, Scheidung der venösen, Reptil 36.
Ostium abdominale des Müller 'sehen
Ganges 71.
— atrioventriculare, Hühnchen 43.
— — Monotremen 57.
— — Säuger 51.
ürodelen 27, 28.
Otostapes, Crocodilia 785.
— Saurier 768.
P.
Palaeocraniura 597.
Palatoquadratum 589.
Pankreasanlagen 153.
— Sauropsiden 155.
Papillarmuskeln, Hühnchen 45.
Parachordalia 580.
Parachordalplatten, hintere 660.
— vordere 661.
Parapophyse, Knochenganoiden 455.
Parasternum 562.
Parietalhöhle 57.
Parietalplatte 821.
Parietalvenen, Selachier 118.
Pars membranacea septi ventriculorum 56.
Patella 294.
Patella olecrani 284.
Pelvisternum 281.
Perforationslücken im Septum atriorum,
Monotremen 51.
— — Reptilien 36.
Pericardialhöhle 57 ff.
— Ammocoetes 61.
— Amphibien 61 ff.
— Cyclostomen 61.
— Lacerta 64, 65.
— Lageverschiebungen der, Amphibien 84.
Sauropsiden (Crocod., Varan.) 84.
— Myxtnoiden 57, 61.
— Petromyzon 61.
— primitive 57, 73.
— Sauropsiden 64 ff.
— Selachier 57.
— ürodelen 61.
— ventrale Kommunikationsöffnungen
der, bei Sauropsiden 65.
Pericardialsack, fibröser 83.
— Hühnchen 69.
Perichordaler Wirbel, Anuren 504.
Perichordales Bindegewebe, Ganoiden 430.
— — Teleostier 464.
Perichordalzellen, Amnioten 525.
— Holocephalen 369.
— Lepidosteus 451.
— Selachier 400.
Peritonealhöhle, Kommunikationsöffnuug
mit der Pleurahöhle 80.
Pfortader, Cyclostomen 120.
Pfortaderkreislauf, Cyclostomen 120.
— der ürnieren, Aves 137.
Pfortadersvstem, Gobius 123.
— Teleostier 123.
— der Leber, Reptilien 129.
Teleostier 122.
— der iS'ieren, Selachier 118.
Phalangen, Zahl der 321.
Phocomelie 288.
Pinna, Dipnoi 184.
— Ganoiden 172.
— Selachier 170.
— Teleostier 172.
Pinnae 168.
— äußere Form der 168,
— archicerkes u. lophocerkes Stadium 169.
— histiogenetische Differenzierungen bei
komplett u. inkomplett angelegten 169.
— Muskeln der 182.
— primär unpaare Natur der 194.
— Stützelemente der 176.
Pisiforme 298, 299, 327.
Planum supraseptale 764.
Platy basischer Schädel typus 584.
Plectrum 725.
Pleural bögen 478.
Pleurahöhlen 67.
— Abgrenzung der, Agama, Lacerta,
üromastix, Varaniden 70.
— kaudale Begrenzungsfalte der 70.
Säuger (Kaninchen) 79, 80.
— Kommunikationsöffnungen m. d. Peri-
tonealhöhle 80.
— primitive, Säuger 77.
Register.
885
Pleurahöhlen, Sauropsiden (Schildkröten,
Schlangen) 69, 70.
Pleurarinnen der Pericardialhöhle 76.
Sauropsiden 66, 67.
Pleurocentrum, Amia 449.
Pleuropericardialrinnen 77.
Pleuroperitonealmeni brauen 80, 81.
Polydactyle Mißbildungen 305.
Polyphalangie 322.
Polyspondylie, Holocephalen 386, 388.
— Selachier 417.
Postcentrum, Amia 449.
Postminimus 304.
Postpubis 275, 276.
Postzygapophysen, Amphibien 491.
Praecardialwand, Säuger 74.
Praecentrum, Amia 449.
Praeclavium 264.
Praefrontallücke 646.
Praehallux 304.
Praekraniale Skelettteile 588.
— — Ganoiden 654.
Teleostier 672.
Praenasalfortsätze 701.
Praeorale Skelettteile 588.
PraepoUex 304.
Praepubis 275.
Praevertebraler Teil des Craniums 594.
Praezygapophysen, Amphibien 491.
Primordialcranium 575 ff.
— Anuren 718.
— Apoden 748.
— Aves 797.
— Chelonia 787.
— Crocodilia 782.
— Cyclostomen 627.
— Dipnoer 683.
— Mamnialia 816.
— neurales 578 ff.
— Ophidia 792.
— Rhynchocephalia 776.
— Saurier 757.
— Selachier 636.
— Urodelen 688.
Primordialdivision 612.
Primordiale Knochen 610.
Primordialer Unterkiefer 589.
Primordialfusiou 612.
Proatlas, Aranioten 541.
— Amphibien 506.
Processus abdominalis 561.
— antorbitalis 698.
— basipterygoideus 653.
— — Saurier 762.
Vögel 804.
— entoglossus, Saurier 770.
— odontoideus, Reptilien 538.
— paroticus 769.
— pseudopterygoideus 737.
— spinosi 184.
— styloideus 836.
— uncinati, Sauropsiden 558.
— xiphoideus s. ensiformis 561.
Procöle Wirbel, Anuren 503.
Procoracoid 253.
Pronationsstellung, primäre, sekundäre
250.
Propterygium 216, 327.
Prosternum 257, 264.
— Sphenodon 561.
Protometamerer Zustand des Neocrani-
ums 597.
Pseudobranchie, Ganoiden 90.
— Teleostier 93.
Pseudosacrale Wirbel, Säuger 552.
Pterygia 168.
Pulmonalisbogen, Amnioten 97.
— Säuger 103.
Pulmonalisrohr, Hühnchen 41.
Pygostyl, Vögel 548.
Querfortsätze, Amnioten 531, 555.
— Amphibien 510, 511.
ß.
Rabl'sche Formel 220.
Radien, Entstehungsort der 192.
— numerische Beziehungen von Muskeln
und Nerven zu den 220.
— präaxiale 215.
— topographische Beziehungen metamerer
Muskel-, Nerven- und R.-Anlagen 221.
— Wachstumsrichtung der 191.
Randvene der Extremitäten, Aves 138.
— — Lacerta 134.
— — Mammalia 149.
Recessus craniolateralis, Säuger 79.
— parietalis dorsalis 74.
— pulmo-hepaticus 72, 78.
dexter 82.
— suj^erior sacci-omenti 78.
Regionbildungen an der Wirbelsäule 553.
Reichert'scher Knorpel 835, 855.
Rhachitome Wirbel, Amphibien 501.
Ganoiden 449.
Rindenschicht der Chorda, Holocephalen
363.
Ripi^en, Amnioten 531, 553.
— Dipnoer 486.
— Knorpelganoiden 436.
— Lepidosteus 455.
— Schildkröten 556.
— Selachier 423.
— Teleostier 478.
— obere, 423.
Amphibien 507.
Crossopterygier 455.
Teleostier 478, 481.
— untere 423.
Crossopterygier 455.
Teleostier 478.
Rippenanlage, Hühnchen 556.
Rippenträger 558.
— Amnioten 531.
— Amphibien 510.
Rostralplatte, Selachier 644.
Rostrum bildungen bei Fischen 587.
Rückengräten, schiefe 478.
Rusconi'sche Vene, Amphibien 124.
886
ßegister.
S.'
Öacralwirbel, echte, unechte ; Säuger 552.
Sagittales Septura der Stammesmusku-
latur 423.
Saumflosse, Verdoppelungen der unpaaren
173.
Scapula, Vermehrung der Knochenkerne
der 265.
Schädelbalken 583.
— mittlerer 580.
Schädelknochen 609 ff.
— Anuren 743.
— Apoden 754.
— Aves 811.
— Chelonia 789.
— Crocodilia 785.
— Dij)noi 687.
— Ganoiden 657.
— Mammalia 837.
— Ophidia 796.
— Ehynchocephalia 780.
— Saurier 771.
— Teleostier 674.
— Urodelen 710.
Schaltknochen 839.
Scheidenzellen, Dijonoer 485,
— Selachier 397, 401.
Schenkel des Herzschlauchs, Reptilien 30.
Schleimröhrenknochen 675.
Schlußfalten, seitliche 58, 59.
Sauropsiden 66.
Schlußstücke, Chimaera 389.
— obere, Selachier 410.
Schultergelenk 206.
Schultergürtel, Dipnoer 209.
— Ersatz- u. Deckknochen dess., Tetra-
poden 264.
— der Flossen 205.
— Ganoiden 207.
— imperforierter 261.
— primäre Anlage dess. u. seiner Teile
(Vorknorpel u. Knorpel) 254.
— Selachier 205.
— Teleostier 208.
— Tetrapoden 252.
Schwanzbögen, untere, Lepidosteus 455.
Teleostier 478.
Schwanzfäden bei Säugerembryonen 518.
Schwanzflosse, diphycerke 172, 175, 474.
— heterocerke 474.
— homocerke 194.
Schwanzknöpfchen 518.
Schwanzwirbel, Querteilung der, Rept. 545.
Seitenfortsätze 531, 557.
Seitengräten 478.
Seitenrumpfvene, Aves 138, 139.
— Reptilia 132, 134.
Selachopterygium, Einteilung des 216.
Semilunarklappen, Hühnchen 41.
— Reptilien 34.
— Säuger 54.
— Selachier 23.
— Urodelen 28.
Septum aortico-pulmonale, Anuren 96.
Hühnchen 40, 41.
ReptiUen 33, 34.
Septum aortico-pulmonale, Säuger 54, 56.
— aorticum, Crocodilia 37.
Reptilia 33, 34.
des Truncus arteriosus 96.
— atriorum, Hühnchen 42.
Marsupialier 51.
— — Reptilien 36.
— — Säuger 50, 56.
Urodelen 28.
— atrioventriculare, Säuger 56.
— horizontales, der Stammesmuskulatur
423.
— interorbitale 585.
Aves 803, 805.
MammaHa 826.
Rhynchocei^halen 777.
Teleostier 667, 670.
— interventriculare, Hühnchen 41.
Säuger 53, 56.
— pericardiaco-peritoneale 57 ff., 82.
— — Acipenser 61.
Anuren 63.
Dipnoer 61.
— — Ganoiden 61.
Hühnchen 64.
— — Lacerta 65.
Sauropsiden 66.
Selachier 59, 61.
Teleostier 61.
— pericardiaco-pleuroperitoneale, Hühn-
chen 68.
— — Lacerta 67.
Säuger 72.
— — SauroiJsiden 66, 71.
— pleuroperitoneale 72.
Charaaeleo 69, 70.
Hatteria 69.
Säuger 71, 72, 81.
— — Sauropsiden 69 ff.
Vögel 71.
— sagittales der Stammesmuskulatur 423.
— spurium 50, 52.
— transversum, Kaninchen, Katze 73.
Säuger 72—76.
Vögel 65.
— ventriculorum, Hühnchen 44.
Säuger 55.
Sesambeine 295.
— Beziehungen ders. zu den Muskel-
sehnen 306.
Sinus cavernosus, Mammalia 148.
— cephalicus, Selachier 86, 88. .
— coronarius cordis 49.
Mammalia 146.
— petro-basilaris, Mammalia 148.
— petrosus superior, Mammalia 148.
— sagittalis superior, Mammalia 148.
— transversus, Mammalia 148, 149.
— venosus 22.
— — Anuren 29.
Cyclostomen 25.
Hühnchen 39.
Reptilien 31, 32.
Säuger 47—50.
Saurier 30.
Selachier 58, 117.
Register.
887
Sinus venosus, Teleostier 25.
Urodelen 26, 28, 62.
Sinusgekröse, frontales 58.
Eaja 62.
Salamandra 62.
Sauropsiden 66, 71.
Urodelen 62.
Sinushörner, Säuger 49.
Sinushorn, linkes, Hühnchen 39.
— — Mensch, Säuger 49.
— rechtes, Hühnchen 39.
■ Säuger 49.
Sinusklappen, Biber 52.
— Cursores 45.
— Edentaten 52.
— Hühnchen 45.
— Insectivoren 52.
— Reptilien 37.
— Säuger 50, 52.
— Selachier 24.
— Urodelen 27.
— Reste der, Monotremen 52.
Vögel 45.
Sinusquerstück, Hühnchen 89.
■ — Mensch, Säuger 49.
Sinusseptum, Säuger 52.
— Vögel 45.
Skeletoblastische Schicht, Anuren 501.
— — Cyclostomen 355.
Ganoiden 431.
Holocephalen 369, 370.
Selachier 400.
Skeletoblastisches Gewebe, Amphib. 489.
— — Teleostier 465.
Skeletogene Schicht, Cyclostomen 355.
— ^ Selachier 400.
Skeletogenes Blatt, Acranier 347.
Skleromeren, Holocephalen 376.
Skierotom, Acranier 347.
— Amnioten 519.
— Amphibien 489.
— Cyclostomen 355.
— Holocephalen 367, 369.
Sklerotomdivertikel, Selachier 398.
Sklerotomhöhle, Acranier 347.
Sklerozonentheorie 331.
Spangenstück, Teleostier 208.
Spannmuskel der Sinusklappen 50.
Reptilien 37.
Spatium intersepto-valvulare 52.
Sphenolateralknorjiel 641, 644.
— Saurier 761.
Sphenolateralplatte, Aves 804.
Spina scapulae 262.
Spinalnerven, Cyclostomen 356.
— Holocephalen 373.
Spinalplatten 556.
Spiralfalte, Reptilien 34.
— Urodelen 27, 28.
— Anlage der, bei Triton cristatus 28.
Splanchnocranium 576.
Spondylocranium 597.
Spritzlochkieme 88.
Spritzlochknorpel 648.
Stachelstrahlbildungen 178.
Stammvene, Teleostier 121, 123.
Stapes, Mammalia 835, 855.
— Rhynchocephalen 779.
— Saurier 768.
Steißbein, Anuren 505.
Stelepodium 282.
Sternalleiste, Säuger 561.
Sternum, Amnioten 559.
— Amphibien 513.
— costales oder primäres, Amnioten 559.
Stützsubstanzen der Bindesubstanzgruppe,
Histiogenese der 1 — 17.
Nomenklatur 17, 18.
Stylopodium 282, 288, 326.
Subchorda, Amphibien 507.
— Callorhynchus 381.
— Teleostier 464.
Subiculum infundibuli, Saurier 764.
Sulcus atrioventricularis, Reptil. 31, 32.
— interventricularis, Hühnchen 38.
Supinationsstellung, primäre, sekundäre
252.
Suprarostrale 719.
— Anuren 733.
Suprascapula 264.
Supraseptalplatten, Rhynchoceph. 778.
T.
Taenia interclinoidea 825.
Tarsus, Anuren 311.
— Reptilien 313.
— Säuger 317.
— Urodelen 310.
— Vögel 315.
Tectum synoticum 603, 818.
Tectospondylie, Selachier 405.
Torsionen der Skelettstücke 247.
Torsionswinkel des Humerus 250.
Trabeculae baseos cranii 583.
— cranii 641.
— Saurier 761.
Trabecularplatte, vordere 631.
Trabekelhörner 586, 698.
Transversale Septen der Myomeren 423.
Tropibasischer Schädeltypus 585.
Truncus anonymus, Säuger 103.
— — ■ brachiocephalicus 103.
— arteriosus 21, 84.
— — Anuren 95.
— — Cyclostomen 25.
Reptilien 31. 33.
Säuger 46, 101, 102.
Saurier 29.
Selachier 85, 86.
— — Septum aorticum des 96.
Teleostier 91.
Urodelen 93, 94.
Vögel 39.
coeliacus 113.
— hypogastrico-sacralis, Katze 110.
Truncussepten, Reptilien 33.
u.
Ueberzählige Knochen 738.
Umbilicalvene, Aves 139.
888
Register.
Unpaare Flossen, Stützelemente der 176.
Unpaarflosse der Dipnoer 175.
Unterlippenknorpel 734.
Urniere, Sauropsiden 71.
Urnierenfalten 70.
— Säuger 78, 79.
Urostyl 474.
— Amnioten 519.
— Anuren 505.
— Vögel 548.
Ursegmente, Cyclostomen 354.
— Holocephalen 365.
Ursegmenthöhle, Holocephalen 365.
Ursegmentspalte, Amnioten 521.
— Säuger 549.
Urwirbel, Selachier 398.
Urwirbelhöhle, Holocephalen 365.
Urwirbelkern, Amnioten 520.
V.
Valvula bicuspidalis 57.
— Eustachii 52.
— foraminis ovalis 52.
— Thebesii 52.
Vas efferens, Teleostier 112.
Vena, Venae.
— abdominalis, Anuren 127.
Bombinator 127.
Chelonia, Crocodilia 132,
Echidna 141.
Eeptiiien 132.
Salamandra, Urodelen 128.
— anonyma dextra, sinistra; Mammalia
146.
— atrii sinistri, Mammalia 146.
— azygos, Echidna 145.
— — Kaninchen, Katze 145.
Mammalia, Mensch 145, 146.
— capitis lateralis, Amphibien 128.
Aves 138.
Echidna 147.
Mammalia 147, 148.
Eeptilia 132, 133.
Selachii 118.
— cardinales, Cyclostomen 120.
Gobius 122.
Eeptiiien 129.
Selachier 117.
Teleostier 121.
anteriores, Amphibien 128.
Aves 138.
Lacerta 132.
— Mammalia 147.
Eeptiiien 132.
Selachier 117, 118.
Teleostier 121.
Testudo 134.
Tropidonotus 132.
posteriores, Amphibien 125.
Aves 136.
Gymnophionen 124, 126, 127.
Hypogeophis, Ichthyophis 126.
Kaninchen, Katze 143.
Lacerta 130.
— Mammalia 141.
Vena cardinales posteriores , Maulwurf,
Mensen, Mikrochiroptera 143.
Eeptiiien 130.
— Salamandra 125.
Selachier 117, 118.
Teleostier 121.
— Urnierenabschnitte der, Anuren
126.
Mammalia 143.
— caudalis, Amphibien 125.
— — Gymnophionen 127.
Eeptiiien 130.
Selachier 118.
Teleostier 123.
— Cava anterior, Aves 138.
Insectivoren, Nager 146.
Mammalia 146.
Marsup., Monotremen 146.
— ürnithorhynchus 144.
— — posterior, Anuren 124, 126.
Aves 136.
Bombinator 126.
Cetaceen 143.
Didelphys, Marsupiaher 144.
Echidna 143.
Eden taten 143.
MammaUa 141, 142, 143, 144.
Microchiroptera 144.
Eeptilia 129, 130, 131.
Talpa 144.
Tropidonotus 131.
Urodelen 125.
— Urnierenabschnitt der, Anuren
126.
Gymnophionen 127.
— cerebralis anterior, Eeptiiien 133.
— cerebri anterior, Eeptiiien 133, 134.
media, Eeptiiien 133, 134.
secundaria, Eeptiiien 133.
— — posterior, Eeptiiien 133, 134.
— facialis antica, Mammalia 149.
— femoralis, Aves 139.
— — Mammalia 149.
— gastricae, Eeptiiien 131.
— gasterolienalis, Mammalia 139.
— hemiazygos, MammaHa 145, 146.
Schwein, Wiederkäuer 145.
— — accessoria 146.
— hepatica advehens, Mammalia 141.
revehens, Cyclostomen 120.
Frosch 126.
Mammalia 140.
communis, Mammalia 141, 142.
Eeptilia 130, 131.
Salmo 123.
Urodelen 125.
sinistra, Aves 136.
— iliaca ext., Aves 137.
— int. communis, Kaninchen 144.
— intercostales, Mammalia 145.
— intercostalis suprema, Mammal. 145.
— interrenalis, Selachier 118.
— jugularis communis, Amphibien 128.
externa, Mammalia 149.
— — impar, Amphibien 128.
Cyclostomen 120.
Register.
889
Vena jugiilaris inferior, Amphibien 128.
— — interna, Aves 138.
Mammalia 146, 148, 149.
— Reptilia 133, 134.
— lateralis, Urodelen 128.
— mediana epencephali, Reptilien 133.
— — mesencephali, Eeptilien 133.
prosencephali, Reptilien 133.
— mesenterica, Amphibien 124.
Aves 135, 138.
Mammalia 139.
Reptilia 129.
— oesophageae, Reptiha 131.
— omphalo-mesentericae, Acanthias 117.
Aves 135.
Kaninchen 140.
Lacerta 129.
Mammalia 139.
Pristiurus 117.
Reptilia 129.
Selachii 116.
Tropidonotus 129, 130.
— ophthalraica, Mammalia 148, 149.
— orbitalis inf., Reptilien 133.
— ovarica, Mammalia 144.
— portae, Anuren 124, 127.
Gymnophionen 124.
Mammalia 139, 141.
Reptilia, 129, 131, 132.
Selachii 117.
linker Ast der, Mammalia 141.
— renales, Mammalia 143.
— renalis advehens, Aves 137.
Gymnophionen 126, 127.
Triton 129.
— — — Urodelen 125.
— — anterior, Gymnophionen 127.
— revehentes anteriores, Mammalia 142.
posteriores der Urniere, Mamm.
142, 143.
der Urnieren, Aves 137.
— saphena magna, Mammalia 149.
— spermaticae, Mammalia 143.
— spermatica interna, MammaUa 144.
— subclaviae, Aves 137, 139.
Mammalia 145, 146.
Reptilia 131.
— subintestinalis, Amphibien 124.
Cyclostomen 119, 120.
Hippocampus 123.
Salmo 122.
Selachii 116, 117.
Syngnathus 123.
Teleostei 121—123.
— suprarenales, Mammalia 143.
— tibialis antica, Mammalia 149.
— trachealis, Reptilia 134.
— umbilicales, Aves 136, 139.
Mammalia 139, 140, 141.
Reptilia 129, 131, 132, 134.
— vertebralis posterior, Reptilien 131.
— vitellina, Selachii 117, 119.
media, Belone 121, 123.
Coregonus 121.
Esox 121.
Gobius 121, 122.
Vena vitellina media, Hippocampus, Syn-
gnathus 121.
Salmo 121.
Teleostier 121 ff.
Vene der Spiralfalte, Cyclostomen 120.
Venen der Extremitäten, Mammalia 128,
134, 138, 149.
Venenbahnen des Kopfes, Mamm. 147.
Venenringe um den Darm, Mamm. 139.
Venensystem, Amphibien 123.
— Anuren 124 ff.
— Cvclostomen 119, 120.
— Reptilien 129.
— Säuger 139 ff.
— Selachier 116 ff.
— Teleostier 121 ff.
— Urodelen 124.
— Vögel 135 ff.
Ventraler Längsstab 635.
Ventrikelschenkel, Säuger 46.
Ventrikelschleife, Säuger 46, 52,
Verbindungsplatte 60.
Verknöcherung des Säugetierwirbels 551.
Vertebraler Teil des Craniums 594.
Visceralbogen 576, 588.
— Anuren 734.
— Ganoiden 659.
— Selachier 647.
— Teleostier 672.
Visceralskelett 576.
— Aves 808.
— Crocodüia 784.
— Dipnoi 686.
— Ganoiden 654.
— Mammalia 832.
— Ophidia 795.
— primordiales 588.
— Urodelen 702.
Vorderarmarterien, Chiropteren 109.
— Ungulaten 109.
Vorderhirn venen, Mammalia 148.
Vorhofsabteilung, Hühnchen 37.
Vorkammer, Cyclostomen 25.
— Fische 22,
— Säuger 47.
— Teleostier 25.
Vorkammerabteilung, Anuren 29.
— Säuger 48, 50.
Vorkammerscheidewand, Reptilien 36.
Vorkammerseptum, Anuren 29.
Vornierenarterien, Selachier 111, 115.
Vornierenglomeruli, Tchthyophis 115.
Vornierenglomerulus, Forelle 115.
w.
Weichstrahlbildungen 178.
Wirbel, amphicöler, Ganoiden 445, 453.
Selachier 404.
— bikonkave, bikonvexe 503.
— embolomere 449, 501, 524.
— kaudaler, kranialer; Amia 449.
— opisthocöle 452, 495.
— Ossifikationspunkte der 548, 551,
— primärer, Selachier 409.
— rhachitome 449, 501.
890
Register.
Wirbel, Verknöclierung des, Säuger 551.
Wirbelbögen, Basen der 391.
— obere, Selachier 410.
— primitive, Säuger 549.
Vögel 547.
Wirbelfaserknorpel 391.
Wirbelkanal, oberer, Selachier 410.
Teleostier 468.
Wirbelkörper von Amia 443.
— der Amphibien 395.
— amphicöle, Amia 445.
— Außenzone der, Holocephalen 380.
— Außen-, Mittel- und Innenzone der,
Selachier 403.
— chordaler, Selachier 409.
— der Dipnoer 487.
— Innen- und Mittelzone der, Holoceph.
380.
— knöcherner, Lepidosteus 453.
— perichordaler 409, 504.
— primärer 391.
Anmioten 525, 530.
Teleostier 471.
— sekundärer 391.
— — Amnioten 525, 531.
Selachier 409.
Teleostier 471.
— der Selachier 401 ff.
— der Vögel 547.
Wirbelsäule, häutige, Amnioten 526.
Amphibien 490.
Holocephalen 370.
Selachier 400.
Teleostier 465.
— Neugliederung der (Remak) 523.
Wirbelsaite 340.
Wirbeltheorie des Schädels 593.
Wolff'sche Leiste 239.
X.
Xiphisternum 561.
z.
Zahnfortsatz, Reptilien 538.
Zahnknochen 613.
Zeugopodium 282, 290, 326.
Zirkumduktorische Bewegung 249.
Zonoskelett der Flossen 205.
Zungenbein 591.
— Chelonia 789.
— Mammalia 836.
— Ophidia 795.
Zungenbeinbogen, Aves 809.
— Crocodilia 784.
— Ganoiden 656.
— Mammalia 835.
— Ophidia 795.
— Rhynchocephalia 779.
— Teleostei 673.
Zwerchfell 72, 82.
Zwerchfellanlage 82.
— Lageverschiebungen der, Säuger 84.
Zwerchfellband der Leber 72.
— der Urniere 82.
Zwischenmuskelbänder, Holoceph. 371.
Zwischenwirbel, Reptilien 541.
Zwischenwirbelband, inneres, Teleostier
472.
Zwischen wirbelbeine 532.
Zwischenwirbelkörper 526.
— Reptilien 538.
Boriehtiffiiiiff zu Band III, Teil 2.
Auf p. 573 ist anstatt Sechstes Kapitel zu lesen
Siebentes Kapitel.
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